STEUERN UND FINANZEN IM MITTELSTAND - POSITIONSPAPIER - BVMW

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POSITIONSPAPIER

STEUERN UND FINANZEN
IM MITTELSTAND
Liebe Leserinnen und Leser,

der deutsche Mittelstand erfüllt bislang seine Rolle als Wachs-               883 Mrd. Euro anwachsen.1 Auch das Thema Bürokratieabbau
tums- und Jobmotor Europas. Allerdings gefährden die Rezes-                   muss endlich konsequent angepackt werden, denn ein Mittel-
sion der Corona-Pandemie, die steigende Steuerlast und die                    ständler muss in Deutschland pro Jahr 218 Stunden für Steu-
zunehmende internationale Wettbewerbsverzerrung den Er-                       erbürokratie aufwenden und damit beispielsweise 79 Stunden
folg der mittelständischen Wirtschaft.                                        mehr als die Konkurrenz in Frankreich.2 Neben der Steuer- und
                                                                              Abgabenbelastung gehört der Zugang zu Finanzmitteln zu den
Die Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs haben 2020 ein                    wesentlichen Determinanten der Wettbewerbsfähigkeit und
promptes Ende gefunden. Durch die Corona-Pandemie wird                        der Attraktivität eines Standortes. Die Finanzierung innova-
uns vor Augen geführt, wie fragil die Weltwirtschaft und so-                  tiver Ideen muss weiter gestärkt werden. Kleine und mittlere
mit auch unser eigener Wohlstand ist. Umso wichtiger ist es,                  Unternehmen (KMU) sind die Keimzelle von Innovationen und
den deutschen Wirtschaftsmotor Mittelstand nun nicht abzu-                    technologischen Revolutionen, jedoch fehlen oftmals ausrei-
würgen, sondern mit den richtigen Wachstumsimpulsen und                       chend Finanzmittel. Die Anfangs- und Anschlussfinanzierung
Innovationen zu fördern. Wie ein Blick auf die aktuellen Zah-                 von jungen Unternehmen muss dringend verbessert werden,
len zeigt, ist die Zeit reif, den Unternehmen unter die Arme zu               damit Deutschland seinen Platz im Feld der innovationsstar-
greifen: Dazu brauchen wir eine Agenda 2025. Die akute Kri-                   ken Länder halten kann.
senbekämpfung war gut und richtig. Jetzt aber ist Strukturpo-
litik von Nöten, die im Kern Wachstumspolitik sein muss, um                   Die Politik muss die richtigen steuerlichen und wirtschaftli-
die Grundlagen des Erfolgs zu erneuern und die Wachstum-                      chen Rahmenbedingungen schaffen und Wachstumsimpulse
skräfte zu stärken. Die deutsche Abgabenquote ist mit 48,8                    setzen – dazu gehören die Weiterentwicklung der Steuer- und
Prozent – verglichen mit dem weltweiten Durchschnitt von                      Abgabenpolitik und ein verbesserter Zugang zu alternativen
40 Prozent und einem schwachen 46. Platz von 189 im Steu-                     Finanzierungsformen. In diesem Positionspapier werden dazu
erranking – mehr als verbesserungswürdig. Dem deutschen                       konkrete Vorschläge gemacht.
Mittelstand bleibt kaum Kapital für Rücklagen, Innovationen
und Investitionen übrig. In der Krise wird wieder einmal deut-
lich: Selbst gesunde mittelständische Unternehmen können                      Ihr
                                                                                                                                                       Stand: September 2020

in Existenznot geraten. Kurzfristig an Liquidität mangelt es                  Mario Ohoven
vor allem den kleineren Unternehmen ohne große Reserven.
Die aktuelle Steuerschätzung prognostiziert Einnahmen von                     Mario Ohoven ist Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirt-
knapp 718 Mrd. Euro die von Bund, Ländern und Gemeinden                       schaft (BVMW) und Präsident des Europäischen Mittelstandsdachverbands
                                                                              (CEA-PME /European Entrepreneurs)
erhoben werden. Bis zum Jahr 2024 sollen die Einnahmen auf

1 BMF (2020): Ergebnisse der Steuerschätzungen vom 8. September 2020 bis 10. September 2020. Abrufbar unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/
  Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern/Steuerschaetzungen_und_Steuereinnahmen/Steuerschaetzung/2020-09-10-ergebnisse-158-sitzung-steuer-
  schaetzung.html
2 PwC (2020): Paying Taxes. Abrufbar unter: https://www.pwc.de/de/steuerberatung/paying-taxes-2020.html#kennzahlen.

                                © BVMW 2020. Alle Rechte vorbehalten. Transparenzregisternummer: 082217218282-59
Kernforderungen des Mittelstands
 1.  Steuerliche Wettbewerbsfähigkeit erhalten
 2.  Unternehmenssteuersätze und Steuerbürokratie senken                                        Schweiz                                 8,5
 3.  Kalte Progression abbauen                                                                  Ungarn                                   9,0
 4.  Keine Spitzensteuer auf mittlere Einkommen erheben
 5.  Unternehmensnachfolge sichern                                                              Bulgarien                                10
 6.  Solidaritätszuschlag streichen                                                             Irland                                 12,5
 7.  Vollständige Anrechnung der G­ ewerbesteuer auf                                            Zypern                                 12,5
     die Einkommensteuer möglich machen
 8. Mehrwertsteuersatz angleichen                                                               Litauen                                  15
 9. Grenzen für Kleinunternehmer und Ist-Versteuerung anheben                                   Rumänien                                 16
 10. Sachspenden entlasten                                                                      Kroatien                                 18
 11. Spektrum der Finanzierungsformen erweitern
 12. Abgeltungsteuer beibehalten                                                                Polen                                    19
 13. Versicherungssteuer reduzieren                                                             Slowenien                                19
 14. Zinssatz für Steuernachforderungen und ­Abzinsung                                          Tschechien                               19
     von Pensionsrückstellungen senken
 15. Verlustvorträge nutzbar machen                                                             UK                                       19
 16. Rechtssicherheit im Leistungsverkehr schaffen                                              Estland                                  20
                                                                                                Finnland                                 20
                                                                                                Lettland                                 20
                                                                                                Slowakei                                 21
                                                                                                Dänemark                                 22
1. Steuerliche Wettbewerbs­fähigkeit erhalten
                                                                                                Schweden                               21,4
Internationale Großkonzerne verfügen über die Struktur und das notwendige Bud-                  Portugal                                 21
get, um durch gezielte Gestaltungsmaßnahmen die Steuersysteme verschiedener                     Norwegen                                 22
Nationalstaaten gegeneinander auszuspielen. Die hierdurch entstehenden legalen
Steuerschlupflöcher nutzen sie effizient aus und reduzieren somit ihre effektive                Niederlande                              25
Steuerbelastung auf einen Bruchteil des gesetzlich festgeschriebenen Steuersat-                 Österreich                               25
zes – und das auf Kosten aller anderen Steuerpflichtigen. Für die allermeisten mit-             Spanien                                  25
telständischen Unternehmen sind entsprechende Steuertricks aus vielerlei Gründen
keine Option. Im Ergebnis beschert ihnen der internationale Flickenteppich steuer-              Luxemburg                                17
rechtlicher Vorschriften einen erheblichen Nachteil im ohnehin schon schwierigen                USA                                      21
Wettbewerb mit den großen Konzernen. Hinzu kommt, dass die dem Fiskus ent-                      Kanada                                   15
gehenden Steuereinnahmen zur dringend benötigten Senkung der Unternehmens-
steuerbelastung für die Breite der mittelständisch geprägten Betriebe am Standort               Italien                                  24
Deutschland fehlen. Dabei kann man dem Management und den Beratern der Kon-                     Griechenland                             24
zerne nur wenige Vorwürfe machen. Vielmehr ist es die originäre Aufgabe der nati-               Belgien                                  29
onalstaatlichen Gesetzgeber sowie der staatlichen Verbunde und Organisationen,
eine faire und angemessene Besteuerung internationaler Konzerne sicherzustellen.                Deutschland                              15
                                                                                                Japan                                  23,2
Vorschlag des BVMW: Steuerrechtliche Wettbewerbsnachteile zu Ungunsten mittel-                  Frankreich                               31
ständischer Unternehmen müssen beseitigt werden. Der BVMW fordert, dass auch
internationale Konzerne ihren gerechten Anteil zum Steueraufkommen in Deutsch-                  Malta                                    35
land beitragen. Es darf weder zu einer Nicht-Besteuerung von Unternehmensgewin-               Körperschaftssteuersätze 2019
nen noch zu einer Doppelbesteuerung kommen.                                                   Ohne Zuschläge und Steuern der nachgeordneten
                                                                                              Gebietskörperschaften (Standartsätze in Prozent)

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2. Unternehmenssteuersätze und                                          3. Kalte Progression abbauen
   ­Steuerbürokratie senken                                             Die kalte Progression ist eine versteckte Steuererhöhung, die
                                                                        vor allem den Mittelstand und seine Beschäftigten belastet –
Im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im                und das in Zeiten, in der die öffentliche Hand Rekordsteuer-
internationalen Vergleich müssen Unternehmenssteuern re-                einnahmen verzeichnet. Die kalte Progression beschreibt den
duziert und das Unternehmenssteuerrecht vereinfacht wer-                paradox anmutenden Fall, dass Arbeitnehmer trotz Lohnerhö-
den. Es ist notwendig, auf den globalen Steuerwettbewerb zu             hung oder Personenunternehmer trotz Gewinnsteigerung real
reagieren. Dass eine Senkung der Unternehmenssteuersätze                weniger Einkommen zur Verfügung haben. Dieser Fall tritt ein,
nicht zwangsläufig zu unerwünschten Verteilungswirkungen                wenn die Erhöhung lediglich die Preissteigerung (Inflation) aus-
führt, ist wissenschaftlich belegt. So zeigt eine Analyse des           gleicht, die Steuerbelastung jedoch stärker als das Einkommen
ifo-Instituts, dass Erhöhungen der Gewerbesteuer, die im inter-         steigt. Unter dem Strich profitiert nur der Staat durch die stei-
nationalen Vergleich ein Unikum ist, zu einem geringeren Lohn-          genden Steuereinnahmen. Berechnungen zeigen, dass die kal-
wachstum führen. Je größer dabei die Steuererhöhung, des-               te Progression von 2011 bis 2016 zu Steuermehreinnahmen
to geringer fallen die Löhne aus. KMU mit nur einem Standort            von über 30 Mrd. Euro geführt hat – Steuern, die vor allem von
sind von dem reduzierten Lohnwachstum besonders deutlich                Arbeitnehmern und KMU gezahlt werden. Für das Jahr 2019
betroffen. Kapitalgesellschaften verfügen über keinerlei Frei-          schätzt das Bundesministerium der Finanzen im dritten Steu-
beträge, schon der erste Euro Gewinn muss versteuert wer-               erprogressionsbericht die Höhe der kalten Progression auf
den. Die Belastung durch die Körperschaftsteuer in Höhe von             3,81 Milliarden Euro. Betroffen von der Steuermehrbelastung
15 Prozent ist demnach nicht von der Hand zu weisen. Dane-              sind rund 32,8 Millionen Steuerpflichtige mit durchschnittlich
ben weist steuersystematisch vor allem die Gewerbesteuer                116 Euro pro Jahr.
gravierende Mängel auf. Außerdem belastet das Steuerrecht
die mittelständischen Unternehmen mit hohen Bürokratie- und             Die kalte Progression muss deshalb abgemildert und letztend-
Befolgungskosten. Allein die Pflicht, eine Gewerbesteuererklä-          lich ganz beseitigt werden. Dabei dürfen nur real steigende Ein-
rung abzugeben, kostet die Unternehmen laut Statistischem               nahmen der steuerlichen Progression unterworfen werden, um
Bundesamt jährlich 1,9 Milliarden Euro. Häufig haben KMU                dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit zu entsprechen. Darü-
keine ausreichend große Steuerabteilung, sodass externe Be-             ber herrscht im Grundsatz parteiübergreifend Einigkeit. Das
rater eingeschaltet werden müssen. Dies führt zu erhöhten               Argument der fehlenden Gegenfinanzierung ist nicht haltbar,
Kosten. Eine zusätzliche Belastung stellen die unklaren Ab-             da Mehreinnahmen aus der kalten Progression nicht vorge-
schreibungsmodalitäten dar. Ihre Entwicklung war für Unter-             sehen sind und eine Einplanung in den Haushalt nicht legitim
nehmen in den letzten Jahren kaum vorhersehbar und hat da-              ist. Zusätzlich ist anzumerken, dass der Gesetzgeber das Ar-
durch die Investitionsentscheidungen verzerrt.                          gument steigender Löhne nur infolge des Inflationsausgleichs
                                                                        für die jährliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen
Vorschlag des BVMW: Eine Harmonisierung der Unterneh-                   bei der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung nutzt:
mensbesteuerung auf europäischer Ebene ist wünschenswert.               zu Lasten der Beitragszahlenden. An diesem „Zangengriff“
Allerdings müssen von einem Harmonisierungsfortschritt                  der steigenden Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge lei-
nicht nur die Kapitalgesellschaften durch eine gemeinsame               den vor allem die mittleren Einkommen und der Mittelstand.
Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, sondern auch die
Breite der Personenunternehmen durch eine Angleichung der               Die untenstehende Grafik stellt den Verlauf des Grenzsteu-
Gewinnermittlungsvorschriften profitieren. Hierfür sollte die           ersatzes in Deutschland in Abhängigkeit von zu versteuern-
Gewerbesteuer abgeschafft und die Gemeinden stärker an                  dem Einkommen dar. Die durchschnittlichen Einkommensteu-
den Gemeinschaftssteuern beteiligt werden. Außerdem for-                ersätze 2019 (schwarze Linie) werden ins Verhältnis mit den
dern wir eine Reduzierung des Körperschaftssteuersatzes um              Grenzsteuersätzen (rote Linie) gesetzt. An dieser Grafik ist der
mindestens einen Prozentpunkt, die Reduzierung der hohen                Mittelstandsbauch, der durch die kalte Progression entsteht,
Bürokratiekosten durch zeitnahe Betriebsprüfungen, kürzere              sehr gut sichtbar: Schon ab einem Jahreseinkommen von gut
Abschreibungsfristen von höchstens drei Jahren bei digitalen            55.000 Euro greift der Spitzensteuersatz. Auch für Verheira-
Anlagegütern, eine beständige Steuergesetzgebung sowie an-              tete setzt der Spitzentarif zu hoch an: Schon ab einem Jah-
gemessene Aufbewahrungsfristen, Pauschalen, Freigrenzen                 reseinkommen von 109.000 Euro, also einem Jahreseinkom-
und Freibeträge.                                                        men von 54.500 Euro pro Person, muss der Spitzensteuersatz
                                                                        bezahlt werden.

                             © BVMW 2020. Alle Rechte vorbehalten. Transparenzregisternummer: 082217218282-59
Vorschlag des BVMW: Durch einen sogenannten „Tarif auf Rä-                                 Einkommensgrenzen, ab denen der jeweilige Steuersatz greift,
dern“ kann die kalte Progression effektiv abgebaut werden.                                 sondern auch für alle Tarifelemente wie Freigrenzen, Freibe-
Der Steuertarif ist dabei an die tatsächliche Einkommens-                                  träge oder Höchstgrenzen wie etwa die Grenze zur Abschrei-
und Preisentwicklung zu koppeln. Dies gilt nicht nur für die                               bung geringwertiger Wirtschaftsgüter.

  50

  40

  30

                                      Grenzsteuersätze¹ in %
  20

                                                                       Durchschnittssteuersätze² in %

  10
                                                  ¹Der Eingangssteuersatz greift ab einem Jahreseinkommen von 9.168 Euro.
                                                  Der Spitzensteuersatz beginnt ab einem (zu versteuernden) Jahreseinkommen von 55.691 Euro.
                                                  ²Durchschnittssteuersätze = effektive Steuerbelastung

   0
         9.000

                   10.000

                             15.000

                                         20.000

                                                    25.000

                                                              30.000

                                                                         35.000

                                                                                  40.000

                                                                                               45.000

                                                                                                        50.000

                                                                                                                    53.000

                                                                                                                             55.000

                                                                                                                                      60.000

                                                                                                                                               65.000
                                                  zu versteuerndes Jahreseinkommmen in Euro

Grenz- und Durchschnittssteuersätze 2019 (Quelle: IAQ (2019): Grenz- und Durchschnittssteuersätze 2019. Abrufbar unter: http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_
files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Finanzierung/Datensammlung/PDF-Dateien/abbIII21a.pdf)

                                                                                           verringert sich die Kaufkraft des Geldes stetig. Die Teuerung
4. Beständiger Inflationsausgleich bei                                                     führt dazu, dass ein Euro immer weniger wert wird. Aus die-
                                                                                           sem Grund spricht man bei einer Inflation auch von einer exis-
   Freigrenzen, Freibeträgen und Pau-                                                      tenten Geldentwertung.
   schalen
                                                                                           Für die Einschätzung des Preisauftriebs ist die Geschwindig-
Freigrenzen, Freibeträge, Pausch- und Höchstbeträge wurden                                 keit der Geldentwertung – man spricht auch von der Umlauf-
in den vergangenen 20 Jahren zum Großteil auf dem ursprüng-                                geschwindigkeit des Geldes – von Bedeutung. Bei einer ange-
lichen Niveau belassen. Eine Anpassung an die reale Preisstei-                             nommenen durchschnittlich schleichenden Inflation von nur
gerung hat nicht stattgefunden.                                                            3% p.a. spiegelt sich das in einem realen Kaufkraftverlust nach
                                                                                           X Jahren wie folgt wider:
Die Bürger spüren die Inflation, denn Waren und Dienstleistun-
gen werden stetig teurer. Die reale Preissteigerung spiegelt                               5 Jahren:             14,1%
sich auf nahezu allen Ebenen wider. Das für die Bürger ver-                                10 Jahren:            26,3%
fügbare Einkommen büßt beständig an Kaufkraft ein. Der Be-                                 15 Jahren:            36,7%
griff Inflation entstammt dem Lateinischen „inflare“ und be-                               20 Jahren:            45,6%
deutet so viel wie aufblähen. Steigt das Preisniveau anhaltend,

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Konkret bedeutet das, dass eine heutige Rate von 1000 Euro                      Millionen         Jahr3
mit einer Inflationsrate von 3% nach 20 Jahren noch 553 Euro                    Personen
einbringt. Bei steigendem Preisniveau und stabilen Freigren-                    0,5                1995
zen kommen diese einer immer kleiner werdenden Personen-
gruppe zugutekommen.                                                            0,7                1998
                                                                                1,3               2001
Vorschlag des BVMW: Bei allen bisher noch nicht angepass-                       1,6               2004
ten Beträgen fordern wir eine einmalige Nachholung der längst
                                                                                2,2               2007
überfälligen Anpassungen. Zukünftig einen beständigen Infla-
tionsausgleich durch jährliche Anpassung aller Freigrenzen,                     2,1                2010
Freibeträge, Pausch- und Höchstbeträge wie folgt: § 3 ff EStG,                  3                  2013
§ 8 ff EStG, § 9 ff EStG, § 10 ff EStG, § 19 ff EStG, § 24 ff EStG,
                                                                                3,7                2017
§ 37 ff EStG, § 40 ff EStG, §41 ff EStG, § 100 ff EStG
                                                                                5                 2021*
                                                                                3,9              2021**
5. Keine Spitzensteuer auf mittlere                                             2,1             2021***
   ­Einkommen erheben                                                          *Einkommensgrenze für Spitzensteuersatz: 54.950 Euro (Tarif 2018)
                                                                               **Einkommensgrenze von 60.000 Euro.
                                                                               ***Einkommensgrenze von 80.000 Euro (DSi-Vorschlag).
Vier von fünf mittelständischen Unternehmen sind Personen-                     Daten 1995-2017: BMF (2001), (2013), (2017a) und (2017b), Statistisches
unternehmen, deren Gewinne auf Ebene der Gesellschafter                        Bundesamt (2005), (2006) und (2017b).
der Einkommensteuer unterliegen. Das hohe Steuerniveau in                      Daten 2021: Eigene Schätzung anhand der fortgeschriebenen Lohn- und Ein-
Deutschland – insbesondere im Bereich mittlerer Einkommen                      kommensteuerstatistik 2013
– führt dazu, dass Unternehmerinnen und Unternehmer ihren
Gesellschaften weniger Kapital zur Verfügung stellen können,
welches für Rücklagen, Innovationen und Investitionen drin-                    6. Unternehmensnachfolge sichern
gend benötigt wird.
                                                                               Das Erbschaftsteuerrecht ist ein Problemkind. Seit über zehn
Zugleich zahlen immer mehr Fachkräfte den Spitzensteuersatz                    Jahren versucht der Gesetzgeber ein Regelwerk zu schaffen,
von 42 Prozent. Rund zehn Prozent der Deutschen und damit                      dem nicht sogleich wieder die Verfassungswidrigkeit attes-
4,2 Millionen Personen sind für fast die Hälfte des Einkom-                    tiert wird. Bisher ohne durchgreifenden Erfolg. Im Rahmen der
mensteueraufkommens verantwortlich. Vor 60 Jahren wurde                        jüngsten Reform des ErbStG wurden zahlreiche Detailfragen
der Spitzensteuersatz nur bezahlt, wenn das Einkommen 20                       der Betriebsverschonungsregelungen reformiert und dabei ein
Mal so hoch wie der Durchschnitt war. Heutzutage reicht be-                    bisher noch nie dagewesenes Niveau an Komplexität erreicht.
reits das 1,3 fache des Durchschnittseinkommens, um unter                      Die Erbschaftsteuererklärung für Betriebsvermögen kann nur
die Spitzensteuerregelung zu fallen.                                           noch von Spezialkanzleien erstellt werden – mit der Folge ent-
                                                                               sprechend deutlich höherer Gebühren für die Betriebsinhaber.
Vorschlag des BVMW: Durchschnittsverdiener sollten mit                         Es ist absehbar, dass gerade der Mittelstand durch diese Än-
einem durchschnittlichen Steuersatz belastet werden. Der                       derungen in mehrfacher Weise belastet wird. Damit werden die
BVMW fordert deshalb, dass die Einkommensgrenze für den                        Wettbewerbsnachteile von Familienunternehmen mit gegen-
Spitzensteuersatz deutlich erhöht wird. Darüber hinaus muss                    über Nicht-Familienunternehmen ohne Erbschaftsteuerbelas-
der gesamte Tarifverlauf abgeflacht werden, mit dem Ziel ei-                   tung nicht nur zementiert, sondern sogar noch verschärft. Zum
nes linear progressiven Steuertarifs. Der sogenannte „Mittel-                  einen ist eine Erhöhung der zu zahlenden Erbschaftsteuer zu
standsbauch“ ist sukzessive zurückzuführen und im Ziel in                      erwarten und zum anderen ist es vorhersehbar, dass vielen mit-
Gänze abzuschaffen.                                                            telständischen Unternehmen die Kapazitäten fehlen, langfris-
                                                                               tige Planungen zu entwickeln und für vergleichsweise geringe
                                                                               Verschonungsvorteile wie den Verschonungsabschlag, die zu
                                                                               erfüllenden Anforderungen über Zeiträume von mehr als zwan-
                                                                               zig Jahren nachzuhalten. Damit bleibt die Erbschaftsteuer ein

3   DSi (2018): Reformbedürftige Unternehmensbesteuerung. Bausteine für einen wettbewerbsfähigen Standort Deutschland. S.12.

                                © BVMW 2020. Alle Rechte vorbehalten. Transparenzregisternummer: 082217218282-59
Damoklesschwert für die Betriebe. Planungs- und Rechtssi-                           durch aufwendige Bewertungsgutachten nachgewiesen wer-
cherheit sind nach wie vor nicht gegeben.                                           den muss. Gleiches gilt für das unveränderte Fortbestehen-
                                                                                    lassen der hohen Steuersätze. Das Zusammenwirken beider
Angesichts des äußerst beschränkten Anteils der Erbschaftsteu-                      Faktoren wird zu einer deutlichen Mehrbelastung der abzu-
er am steuerlichen Gesamtaufkommen, lediglich 0,8 Prozent                           führenden Erbschaftsteuern führen und kann insbesondere
im Jahr 2019,4 erscheint die gesamtwirtschaftliche Bedeutung                        bei mittelständischen und Familienbetrieben zu fatalen Kon-
der Erbschaftsteuer fragwürdig. Ihr Erhebungsaufwand hinge-                         sequenzen führen.
gen ist unverhältnismäßig hoch. Die Erhebung der Erbschaft-
und Schenkungsteuer verursacht hohe bürokratische Kosten –                          Vorschlag des BVMW: Die Erbschaftsteuer sollte vollständig
der Verwaltungsaufwand der Erbschaftsteuer ist im Vergleich                         abgeschafft werden. Betriebsvermögen, das der Sicherung
zu allen anderen Steuerarten am höchsten.5 Bei etwa 30.000                          und dem Erhalt von Arbeitsplätzen dient, darf in Folge der
Familienunternehmen steht pro Jahr der Generationenwechsel                          Übergabe im Erb- oder Schenkungsfall grundsätzlich nicht be-
an, davon sind auch jährlich 490.000 Beschäftigte betroffen.6                       steuert werden. Hilfsweise müssen Freigrenzen für kleine Un-
Mit der Reform von 2016 wurden die Möglichkeiten zur Ge-                            ternehmern und Handwerksbetriebe geschaffen, die derzeit
staltung einer gerechten und wirtschaftlich tragbaren Erb-                          hohen Steuersätze auf ein vernünftiges Maß gesenkt und die
schaftsteuer verpasst. Neben der Einführung der komplexen                           gesetzlich vorgesehenen Bewertungsverfahren für unterneh-
Steuerverschonungsregeln wurde es versäumt, die typisierten                         merisches Vermögen in einer Weise angepasst werden, die re-
Bewertungsverfahren für Unternehmen so auszurichten, dass                           alitätsgerechte Bewertungen gewährleisten.
eine realitätsgerechte Bewertung erreicht wird und nicht erst

                                  Nachfolger ge-           Nachfolger ge-           Nachfolgersuche/ Informationsbe-                  Noch gar nicht
                                  funden/Ver-              funden/Verhand-          konkrete Planung schaffung/grobe
                                  handlungen               lungen laufen                             Planung
                                  abgeschlossen
    Alle Nachfolgen 2017                   13                        14                       10                       16                       48
    Alle Nachfolgen 2018                   13                        15                       13                       15                       44
    Alle Nachfolgen 2019                   12                        12                        9                       18                       48
Stand der Verteilungen nach geplanter Variante der Nachfolge (in Prozent)

                                                                                    Solidarpakts II rund 156 Milliarden Euro erhalten.7 Das Auf-
7. Solidaritätszuschlag                                                             kommen aus dem Solidaritätszuschlag belief sich im gleichen
                                                                                    Zeitraum auf 214,3 Milliarden Euro.8
   streichen
                                                                                    Mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags
Seit 1995 wird der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabga-                         verpasst der Gesetzgeber die Chance den Solidaritätszuschlag
be zur Einkommen- und Körperschaftsteuer in Deutschland er-                         vollständig abzuschaffen. Die ab 2021 geltende Rückführung
hoben. Er wurde ohne zeitliche Befristung in das Gesetz auf-                        wird für gehobene Einkommen aufgrund der zu niedrig gewähl-
genommen und dient dem erklärten Ziel, die Vollendung der                           ten Freigrenzen keine Wirkung entfalten, sodass insbesondere
Einheit Deutschlands zu finanzieren. Dass der Solidaritäts-                         die Inhaber mittelgroßer Unternehmen von der Steuerentlas-
zuschlag für den Aufbau Ost nicht mehr benötigt wird, tritt                         tung nichts merken werden. Ferner sind Kapitalgesellschaf-
immer mehr in die öffentliche Wahrnehmung. Im Zeitraum                              ten von der Entlastung ausgeschlossen und mithin Verlierer
2005 bis 2019 haben die neuen Bundesländer im Rahmen des                            der Reform.

4    Statistisches Bundesamt (2020): Kassenmäßige Steuereinnahmen des Bundes, der Länder und der Gemeinden nach Steuerarten vor der Steuerverteilung.
5    Bundesministerium der Finanzen (2003): Monatsbericht Juli 2003. S. 84.
6    Institut für Mittelstandsforschung Bonn (2020): Unternehmensnachfolgen in Deutschland 2018 bis 2022.
7    Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag (2018): Leistungen des Bundes an die ostdeutschen Länder. S.7.
8    Statista (2019): Steuereinnahmen durch den Solidaritätszuschlag in Deutschland von 2003 bis 2019. Abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/
     studie/30376/umfrage/steuereinnahmen-des-bundes-durch-den-solidaritaetszuschlag/.

                                   © BVMW 2020. Alle Rechte vorbehalten. Transparenzregisternummer: 082217218282-59
Unter 61.717 Euro                  Freigrenze
                                                                                                                                  unter 339
 67.717 bis 96.409 Euro             Milderungszone (schrittwei-
                                    se Heranführung an den vol-                                                                   339-374
                                    len Satz von 5,5 Prozent)
                                                                                                                                  375-414
 Ab 96.410 Euro                     Keine Entlastung
                                                                                                                                  415 und mehr
Zahlungen des Solidaritätszuschlags nach zu versteuerndem
Jahreseinkommen

Vorschlag des BVMW: Der Solidaritätszuschlag hat nach über                                                                  Quelle: Statistisches
23 Erhebungsjahren seine Legitimation verloren. Der BVMW                                                                    Bundes­amt (2019):
                                                                                                                            ­Finanzen und Steuern.
fordert die ersatzlose Abschaffung für alle Steuerpflich-                                                                    Realsteuervergleich –
tigen ohne Übergangszeitraum jedenfalls aber eine deut-                                                                      ­Realsteuern, kommunale
liche Anhebung der Freigrenzen und eine Erweiterung auf                                                                       Einkommen- und Umsatz­
Kapitalgesellschaften.                                                                                                        steuerbeteiligung. S.5.

8. Vollständige Anrechnung der Gewerbe-                                       Durchschnittliche Hebesätze der Gewerbesteuer10
   steuer auf die Einkommensteuer mög-
                                                                               Bundesland                         Durchschnittlicher Gewer-
   lich machen                                                                                                    besteuerhebesatz 201811

Die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer                       Brandenburg                                                     319
von Personenunternehmen wurde im Zuge der Unternehmens-                        Berlin                                                          410
steuerreform 2008 bei einem damals durchschnittlichen Ge-                      Baden-Württemberg                                               367
werbesteuerhebesatz der Kommunen in Höhe von 380 Prozent
mit einem Anrechnungsfaktor von 3,8 eingeführt. Mittlerwei-                    Bayern                                                          375
le liegt der durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz bei 436                   Bremen                                                          469
Prozent.9 Um das Ziel der vollständigen Nivellierung der Gewer-                Hessen                                                          413
besteuer für Personenunternehmen noch zu erreichen, müsste
der Anrechnungsfaktor demnach auf heute 4,3 angehoben wer-                     Hamburg                                                         470
den. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung zur Bekämp-                       Mecklenburg-Vorpommern                                          380
fung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie geht                      Niedersachsen                                                   407
mit der vorgeschlagenen Anhebung des Anrechnungsfaktors
von 3,8 auf 4,0 bereits in die richtige Richtung, greift aber                  Nordrhein-Westfalen                                             451
noch zu kurz. Einzelunternehmen oder Personengesellschaft                      Rheinland-Pfalz                                                 378
werden lediglich dann vollständig von der Gewerbesteuer ent-                   Schleswig-Holstein                                              380
lastet, wenn der Gewerbesteuerhebesatz 380 Prozent oder
weniger beträgt. In allen anderen Fällen kommt es zu einer                     Saarland                                                        445
Doppelbelastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer. Im Er-                       Sachsen                                                         422
gebnis kann die Ertragssteuerbelastung trotz Anrechnung der                    Sachsen-Anhalt                                                  363
Gewerbesteuer in der Spitze mehr als 50 Prozent betragen.
                                                                               Thüringen                                                       408
Vorschlag des BVMW: Der BVMW fordert eine maßvolle Be-
steuerung mittelständischer Unternehmen. Die Gewerbesteu-
er sollte vollständig auf die Einkommensteuer anrechenbar
sein. Behelfsweise fordert der BVMW, dass die Anrechnung
der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer auf mindestens
das 4,3-fache des Gewerbesteuermessbetrags erhöht wird.

9 Eigene Berechnungen
10 Statistisches Bundesamt (2019): Finanzen und Steuern. Realsteuervergleich – Realsteuern, kommunale Einkommen- und Umsatzsteuerbeteiligung. S.5
11 Statistisches Bundesamt (2019): Finanzen und Steuern. Realsteuervergleich – Realsteuern, kommunale Einkommen- und Umsatzsteuerbeteiligung. S.39f.

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9. Mehrwertsteuersatz angleichen                                       Umsatzgrenze lag bis zum Jahr 2019 bei 500.000 Euro. Zum
                                                                       01.01.2020 wurde die Grenze auf 600.000 Euro angehoben. Um
Mit einem Gesamtaufkommen von rund 234,8 Milliarden Euro               die Liquidität der KMU zu stärken (was gerade angesichts der
in 2019 ist die Umsatzsteuer die aufkommensstärkste Steuer-            Corona-Krise von zentraler Bedeutung ist), sollten die Umsatz-
art des Bundes. Der aus ordnungs- und sozialpolitischen Grün-          grenzen bei der Ist-Versteuerung weiter – auf mindestens 1
den 1968 eingeführte reduzierte Steuersatz von sieben Pro-             Million € – angehoben werden. Dies ist im Rahmen der 6. EU-
zent erfüllt längst nicht mehr seinen ursprünglichen Zweck,            Mehrwertsteuerrichtlinie kurzfristig möglich und wird auch in
nämlich die Entlastung sozialschwacher Haushalte, sondern              anderen EU-Mitgliedstaaten praktiziert.
wird für Interessenpolitik genutzt. Eine Vereinfachung der Um-
satzsteuergesetzgebung hätte somit erheblichen Einfluss auf            Mittelfristig sollte ein genereller Übergang von der Soll- zur
die Bürokratiekosten und würde Wachstumsimpulse setzen.                Ist-Versteuerung angestrebt werden. Dazu könnte die deut-
                                                                       sche Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 eine ent-
Der 140-Seiten starke Ausnahme-Katalog für die Anwendung               sprechende Initiative ergreifen. Es ist nicht akzeptabel, dass
des reduzierten Steuersatzes verursacht sowohl bei Unter-              mittelständische Unternehmen die Mehrwertsteuer bereits an
nehmen als auch bei der öffentlichen Verwaltung erhebliche             den Fiskus abführen müssen, wenn Sie die Leistung erbracht
Recherche- und Informationskosten. Denn die Regelungen                 und die Rechnung geschrieben haben, der Auftraggeber aber
treiben zum Teil absurde Blüten. So wird auf Tierfutter, wie           seinerseits die Rechnung (noch) nicht bezahlt hat und sich
Hundekekse, oder Feinschmeckerprodukte, wie Gänseleber,                dennoch bereits die Vorsteuer vom Finanzamt erstatten lässt.
der reduzierte Steuersatz angewendet, während Babynahrung,
Babywindeln oder Mineralwasser mit 19 Prozent besteuert wer-           Auch die Kleinunternehmergrenze bei der Umsatzsteuer wurde
den. Eine konsequente übergeordnete sozialpolitische Zielset-          erstmals seit 2003 zu Anfang diesen Jahres von 17.500 Euro
zung ist nicht erkennbar. Bei einem einheitlichen Mehrwert-            im vergangenen Kalenderjahr auf 22.000 Euro erhöht. Sofern
steuersatz geht es nicht um Entlastung und auch nicht um               weniger Einnahmen vorliegen, kann auf die Inrechnungstel-
Mehreinnahmen, sondern um Gerechtigkeit und um eine deut-              lung der Umsatzsteuer verzichtet werden. Außerdem entfällt
liche Vereinfachung des Steuersystems.                                 die Umsatzsteuer-Voranmeldung, was mit einer erheblichen
                                                                       Bürokratieentlastung einhergeht.
Vorschlag des BVMW: Der BVMW schlägt eine Kategorisie-
rung von Branchen vor, die dem regulären oder dem ermäßig-             Vorschlag des BVMW: Sowohl die Grenze des Umsatzes für die
ten Mehrwertsteuersatz unterliegen sollen. Ist das Unterneh-           Ist-Versteuerung als auch die Kleinunternehmergrenze waren
men in mehreren Branchen oder Geschäftstätigkeiten tätig,              nicht mehr zeitgemäß. Der BVMW befürwortet die Anhebun-
für die Anwendung des Steuersatzes ist die Hauptbranche des            gen der Grenzen, um Liquidität zu sichern. Allerdings könnten
Unternehmens entscheidend. Kategorien für den ermäßigten               mit einer Erhöhung auf 30.000 Euro bei der Kleinunternehmer-
Steuersatz könnten hierbei insb. Nahrungsmittelversorgung              grenze deutlich mehr Unternehmen von Bürokratie entlastet
(inkl. Zubereitung), Kultur und Gemeinwohl/Wohlfahrtspfle-             werden. Es könnten zudem deutlich mehr Unternehmen ge-
ge sein. Diese Reform wäre annährend aufkommensneutral                 gründet werden, wenn bürokratische Hemmnisse abgebaut
und würde eine erhebliche bürokratische Entlastung für Bür-            werden. Es wäre wünschenswert, die starren Grenzen künftig
ger, Unternehmen und Staat bewirken. Langfristig fordern wir           im jährlichen Zyklus an die Inflationsrate anzupassen.
eine Vereinheitlichung der Steuersätze von 19 auf 15 Prozent.

                                                                       11. Sachspenden entlasten
10. Weitere Anhebung der Grenzen
                                                                       In Deutschland werden jedes Jahr Konsumgüter im Wert von
    für Kleinunternehmer und Ist-­                                     zwei Milliarden Euro vernichtet, weil Produkte falsch etiket-
    Versteuerung                                                       tiert, überproduziert oder aus dem Sortiment genommen wer-
                                                                       den. Anstatt diese Produkte an gemeinnützige Organisatio-
Grundsätzlich unterliegen Unternehmen in Deutschland der               nen oder Bedürftige zu spenden, werden diese in der Regel
Soll-Versteuerung bei der Umsatzsteuervoranmeldung. Hier               aus betriebswirtschaftlichen Gründen vernichtet. Aufgrund
zahlen die Unternehmen die fällige Umsatzsteuer direkt nach-           der aktuellen Gesetzeslage unterliegen Sachspenden an ge-
dem sie die Rechnungsstellung an den Kunden vorgenommen                meinnützige Organisationen denselben umsatzsteuerlichen
haben. Im Gegensatz dazu wird bei der Ist-Versteuerung die             Grundsätzen wie der Verkauf der Waren und somit dem ak-
Umsatzsteuer erst an das Finanzamt abgeführt, sobald sie               tuell gültigen Umsatzsteuersatz. Dies hat zur Folge, dass die
vom Kunden bezahlt worden ist. Dies sichert einen erhebli-             Vernichtung neuwertiger Waren hierzulande für das Unter-
chen Liquiditätsvorteil, der für Gründerinnen und Gründer so-          nehmen meist kostengünstiger ist, als deren umsatzsteuer-
wie kleine Unternehmen entscheidend sein kann. Die jährliche           pflichtige Spende. Würde die Sachspende an gemeinnützige

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Organisationen nicht der Umsatzsteuer unterworfen, könnte
der gesamtvolkwirtschaftliche Schaden durch die Vernichtung             Vorschlag des BVMW: Neben der klassischen Finanzierung in
dieser Waren reduziert und im gleichen Zuge die Spendenbe-              Form von Krediten muss die Finanzierung von jungen Unterneh-
reitschaft erhöht werden. Eine Steuerbefreiung würde hierbei            men und innovativen Mittelständlern durch Alternativen wie
zu kurz greifen, da aufgrund der Gesetzessystematik die Steu-           das Wagniskapitalgesetz erleichtert werden. Gewinne aus Ver-
erbefreiung mit der Versagung des Vorsteuerabzugs einher-               äußerungen von Anteilen an innovativen Mittelständlern müs-
ginge und insoweit unverändert eine Mehrbelastung des Un-               sen für Eigenkapitalgeber (beispielsweise Business Angels)
ternehmers darstellen würde.                                            steuerfrei bleiben, wenn sie in vergleichbare Unternehmen rein-
                                                                        vestiert werden. Der BVMW fordert zusätzlich eine bessere
Vorschlag des BVMW: Sachspenden an gemeinnützige Or-                    Koordination der Mittelstandsförderung unter den Bundeslän-
ganisationen durch Unternehmen sollten gesetzlich als nicht             dern sowie ein einheitliches bundesweites Fördernetzwerk.
steuerbare Leistung definiert werden. Diese Maßnahme würde
die bisherige „Doppelbelastung“ der durch Sachspenden sozi-             Venture-Capital-Investitionen in europäische Unternehmen
al engagierten Unternehmen beseitigen und die Spendenbe-                haben sich seit 2012 fast vervierfacht - doch die USA und
reitschaft stärken sowie der Schizophrenie einer günstigeren            Asien sind Europa weit voraus
Vernichtung entgegenwirken.
                                                                         80

                                                                                  Venture-Capital-Investitionen
12. Spektrum der Finanzierungsformen                                     70       nach Standort des Portfolio-
                                                                                  Unternehmens (Mrd Euro)
    erweitern
                                                                         60          Europa +278%
                                                                                     Asien +1.452%
Für die Finanzierung von Startups und innovativen Mittelständ-                       USA +151%
lern sind Finanzierungsformen neben dem klassischen Bank-                50
kredit von großer Bedeutung. Während in den USA oder Groß-
britannien alternative Finanzierungsformen längst etabliert              40
sind, bleiben Finanzierungsformen, wie Venture Capital (VC),
Private Equity, Crowdfunding und Business Angels in Deutsch-             30
land hinter den Möglichkeiten zurück. Im Jahr 2019 wurde in
Deutschland von Venture Capital-Gebern ein Beitrag in Höhe
von rund 1,7 Mrd. Euro investiert, das entspricht 0,049 Prozent          20
des deutschen Bruttoinlandsprodukts. In anderen innovativen
Ländern werden deutlich höhere Werte erzielt – so liegt der An-          10
teil von Venture Capital am Bruttoinlandsprodukt in den USA
bei 0,371 Prozent und damit 12,4-mal so hoch wie in Deutsch-               0
land. Die Rahmenbedingungen für innovative Finanzierungsal-                    2012        2013       2014        2015       2016         2017
ternativen müssen verbessert werden, um wichtige Impulse für            Venture-Capital-Investitionen in europäische Unternehmen (Quelle: Roland
Innovationen und Wachstum zu setzen sowie Arbeitsplätze zu              Berger (2018): Treibstoff Venture Captial. Wie wir Innovationen und Wachs-
                                                                        tum befeuern. S.24)
schaffen. Der Eigenkapitaleinsatz für innovative Mittelständler
muss sich mehr lohnen. Neben der Anfangsfinanzierung berei-
tet vor allem die Anschlussfinanzierung jungen Unternehmen              Jedes fünfte kleine Unternehmen (bis eine Millionen Euro
immense Probleme. Große Wachstumschancen bleiben derzeit                Umsatz) hat Schwierigkeiten beim Kreditzugang.
ungenutzt. Generell gilt es, die Förderlandschaft für Gründung
und Innovation in Deutschland einfacher und einheitlicher zu
gestalten, um die jungen, innovativen Unternehmen nicht mit             13. Abgeltungsteuer beibehalten
zusätzlicher Bürokratie bei Anträgen zu belasten.
                                                                        Das System der Abgeltungsteuer wurde seit seiner Einführung
                                                                        2009 durch den Gesetzgeber, die Finanzverwaltung und die
                                                                        Finanzgerichte kontinuierlich weiterentwickelt. Es lässt sich
                                                                        konstatieren, dass sich die Bemühungen gelohnt haben. Die
                                                                        Abgeltungsteuer trägt zu einer einfachen, sicheren und ge-
                                                                        rechten Erhebung von Steueraufkommen bei.

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Eben diese Vorteile würden durch die Abschaffung der Ab-               Vorschlag des BVMW: Der BVMW fordert eine Abschaffung der
geltungsteuer zunichtegemacht. Eine Verkomplizierung und               gesonderten Versicherungssteuer und die Streichung der ent-
Bürokratisierung bei der Besteuerung von Kapitaleinkünften             sprechenden Steuerbefreiung in § 4 Nr. 10 UStG. Auf diese Wei-
wäre die Folge und zwar sowohl für den Steuerpflichtigen als           se würden KMU aufgrund des künftigen Vorsteuerabzugs um
auch für die Finanzverwaltung. Darüber hinaus belegen Stu-             die bisherige Verkehrsteuer entlastet und die Besteuerung bei
dien, dass die Abschaffung der Abgeltungsteuer und mithin              den Privathaushalten unverändert sichergestellt. Da die Versi-
die Rückkehr zur persönlichen Besteuerung zu Steuerausfäl-             cherungsunternehmen bislang der Steuerentrichtungsschuld-
len führt und höhere Einkommen kaum belastet. Hinzu kommt,             ner waren, sind die grundsätzlichen Voraussetzungen für die
dass der sogenannte automatische Informationsaustausch zur             Steuererhebung bereits geschaffen und bedürfen insoweit nur
Besteuerung von Kapitalerträgen zwischen den Finanzverwal-             einer Anpassung auf das Umsatzsteuererhebungsverfahren.
tungen der Länder nach wie vor nicht funktioniert. Vor diesem
Hintergrund erscheint die Diskussion über die Abschaffung der
Abgeltungsteuer kontraproduktiv.                                       15. Zinssatz für Steuernachforderungen
Vorschlag des BVMW: Die Abgeltungssteuer hat sich in
                                                                           und Abzinsung von Pensionsrückstel-
der Praxis bewährt und profiliert. Der BVMW fordert deren                  lungen senken
Beibehaltung.
                                                                       Die seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase hat erheblichen
                                                                       Einfluss auf Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen
14. Versicherungssteuer reduzieren                                     mittelständischer Unternehmen. Trotz der aktuellen Entwick-
                                                                       lung lässt sich der Gesetzgeber seit 1961 Steuernachforderun-
Die Versicherungssteuer ist ihrer Art nach eine Verkehrsteuer,         gen mit einem Zinssatz von sechs Prozent verzinsen. Auch für
deren Rechtsgrundlage für die Erhebung sich aus dem Versi-             die Abzinsung von Pensionsrückstellungen ist laut den Steu-
cherungssteuergesetz (VersStG) ergibt. Hiernach werden Prä-            ergesetzen ein Zinssatz von sechs Prozent per anno anzu-
mien- oder Beitragszahlungen aus Versicherungsverträgen be-            wenden. Für die Höhe der Rückstellung sowie die zukünftigen
steuert. Der aktuelle Regelsteuersatz liegt seit 2007 bei 19           Zuführungen ist der Rechnungszinsfuß von herausragender
Prozent. Das jährliche Aufkommen der Versicherungssteuer               Bedeutung. Je höher der Zinsfuß, desto niedriger die steuer-
betrug im Jahr 2019 rund 14,1 Milliarden Euro und macht da-            rechtlich zulässige Pensionsrückstellung. Hier gilt gleicherma-
mit nur etwa 1,8 Prozent der deutschen Gesamtsteuereinnah-             ßen, dass sich der gesetzliche Zinssatz von der realen Zinsent-
men aus. Im direkten Vergleich liegt das Versicherungssteu-            wicklung weit entfernt. Unternehmer müssen tatsächlich einen
eraufkommen sowohl hinter dem Grundsteuer-B-Aufkommen,                 weitaus höheren Teil von ihrem Gewinn für zukünftige Pensi-
als auch hinter dem Aufkommen aus der Tabaksteuer.                     onsleistungen zur Seite legen, als steuerlich anerkannt wird.

Gemäß einem Beschluss des Bundesfinanzhofs aus 2010 sieht              Vorschlag des BVMW: Vor dem Hintergrund der andauern-
dieser die Versicherungssteuer nicht als Vorsteuer.                    den Niedrigzinsphase ist der gesetzlich festgelegte Zinssatz
                                                                       für Steuernachforderungen und die Abzinsung von Pensions-
Der BFH vertritt die Auffassung, dass die Versicherungssteuer          rückstellungen an das aktuelle Zinsniveau anzugleichen. Der
keineswegs als „klassische“ Mehrwertsteuer betrachtet und              BVMW fordert die Verwendung des durchschnittlichen Markt-
somit auch nicht als gesetzlich geschuldete Steuer bewertet            zinssatzes der letzten zehn Jahre.
werden darf. Die Versicherungssteuer gilt nach seiner Auffas-
sung nicht als eine allgemeine Steuer, die im Rahmen bestimm-
ter wirtschaftlicher Vorgänge erhoben wird. Diese Beurteilung          16. Verlustvorträge nutzbar m
                                                                                                   ­ achen
einer strikten Trennung von Umsatzsteuer und Versicherungs-
steuer muss aufgrund der zuletzt mit dem Haushaltsbegleit-             Die Besteuerung hat sich an der Leistungsfähigkeit des Steu-
gesetz 2006 erfolgten Kopplung der Regelsatzanpassung von              erpflichtigen zu orientieren. Diesem Grundsatz trägt der Ge-
16 Prozent auf 19 Prozent jedoch in Frage gestellt werden.             setzgeber nur eingeschränkt Rechnung, wenn es um die Be-
                                                                       rücksichtigung von Verlusten geht. Neben der eingeschränkten
Aufgrund dieser angenommenen Trennung kommt es insbe-                  Verlustverrechnung der Höhe und der zeitlichen Beschrän-
sondere bei KMU zu erheblichen Mehrbelastungen im Rahmen               kung können Verluste in Folge eines Gesellschafterwechsels
der nötigen versicherungstechnischen Grundabsicherung, die             gänzlich untergehen. Auch im Schenk- oder Erbfall ist eine
den wirtschaftlichen Grundsätzen der Endbesteuerung einer              Verlustübertragung auf den Rechtsnachfolger nicht vorge-
Verkehrsteuer diametral entgegenstehen.                                sehen. Im Ergebnis kommt es zu einer Ungleichbehandlung

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von Gewinnen und Verlusten im Steuerrecht. Wer die Ver-               17. Rechtssicherheit im Leistungs­verkehr
lustberücksichtigung einseitig behindert, erschwert die
Bildung von Eigenkapital und bestraft unternehmerische
                                                                          schaffen
Fehlentscheidungen.
                                                                      Die etablierte Praxis der Insolvenzverwalter sowie die in An-
Vorschlag des BVMW: Die Verlustberücksichtigung sollte                wendung der aktuellen Rechtslage etablierte Rechtsprechung
unternehmensfreundlich reformiert werden. Verluste müs-               zum Anfechtungsrecht belasten den deutschen Mittelstand
sen vererbbar sein und die betragsmäßige Beschränkung des             zum Teil in existenzbedrohender Weise. Es besteht keine Si-
Verlustrücktrags sowie die Mindestbesteuerung gehören ab-             cherheit im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, ob die vom Ge-
geschafft. Ferner sollte der Verlustrücktrag auf mindestens           schäftspartner erhaltene Vergütung für erbrachte Leistungen
zwei Jahre ausgeweitet und der Verlustuntergang beim Ge-              später nicht eventuell aufgrund finanzieller Schieflage des Kun-
sellschafterwechsel auf missbräuchliche Gestaltungen be-              den durch den Insolvenzverwalter zurückgefordert werden.
schränkt werden.
                                                                      Vorschlag des BVMW: Der BVMW fordert, das Anfechtungs-
                                                                      recht zu Gunsten der Planungs- und Rechtssicherheit zu ent-
                                                                      schärfen. Transaktionen des gewöhnlichen operativen Ge-
                                                                      schäftsverkehrs sollten gänzlich ausgenommen oder durch
                                                                      Freigrenzen abgesichert werden.

                                                                      Kontakt
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