Die Rolle von Start-ups im Innovationssystem

Die Seite wird erstellt Sibylle-Hortensia Heise
 
WEITER LESEN
EFI GUTACHTEN
               2019

    B 1 Die Rolle von Start-ups
        im Innovationssystem
    Download   Start-ups verfolgen neue Geschäftsmodelle und erweitern sowie
       Daten
               modernisieren mit ihren Innovationen das Angebot an Produkten und
               Dienstleistungen. Gründungen aus der Wissenschaft spielen eine
               wichtige Rolle beim Erkenntnis- und Technologietransfer in die Praxis.
               Start-ups sind auch Trendscouts und Impulsgeber für etablierte
               Unternehmen, die durch den Wettbewerb mit Start-ups immer aufs
               Neue herausgefordert werden. Als Kooperationspartner von etablierten
B
               Unternehmen tragen Start-ups zur gemeinsamen Entwicklung und
               Vermarktung von Innovationen bei.

               44
Kernthemen 2019                                                                               B 1 Die Rolle von Start-ups im Innovationssystem

   Gründungen aus der Wissenschaft
   werden gefördert

   2.329 Förderfälle, die seit 2007 in den                                                                                  Hochschulen &
   beiden Förderprogrammlinien EXIST-Forschungstransfer
   und EXIST-Gründerstipendium gefördert wurden.
                                                                                                                           außeruniversitäre
   1.776 Gründungen, die im Jahr 2017 aus                                 – Transfer von Erkenntnissen und
                                                                            Technologien in die Anwendung
                                                                          – Ideenaustausch
                                                                                                                              Forschungs-
   Hochschulen hervorgegangen sind.
                                                                          – Infrastruktur, Mentoring, Zugang                 einrichtungen
                                                                            zu Netzwerken
                                                                          – Qualitätsmerkmal

                                                                                                             – Profilierung
                                                                                                             – Ideenaustausch
                                                                                                                                                             B
                                   – Unternehmens-
                                     anteile
                                   – Rendite                          Start-ups

Investoren                         –   Finanzierung
                                   –   Know-how                                                        – Zugang zu neuen Märkten, Technologien
                                   –   Zugang zu Netzwerken                                              und Talenten
                                   –   Reputation                                                      – Erkenntnis-, Technologie- und Imagetransfer
                                                                                                       – Trendscouting

                                                          – Zugang zu neuen Vetriebs-
                                                            kanälen, Kunden, Märkten
                                                            und Know-how
                                                          – Erfahrene Führungskräfte,
                                                            Gründerinnen und Gründer
   Wagniskapitalinvestitionen in
   Deutschland relativ gering
   Anteil der Wagniskapitalinvestitionen am
   nationalen BIP 2017 (Israel: 2014) in Prozent                                                  Etablierte
   0,400%                 USA                                                                    Unternehmen
   0,378% Israel
   0,177% Kanada
   0,083% Südkorea                                                                      Interesse etablierter Unternehmen
                                                                                        an Start-ups ist vorhanden
   0,076% Großbritannien
                                                                                        84% Anteil deutscher Akzeleratoren, die
   0,035% Deutschland                                                                   durch etablierte private Unternehmen betrieben
                                                                                        werden.

                                                                                        48% Anteil der großen Familienunternehmen
                                                                                        in Deutschland, die 2018 mit mindestens einem
                                                                                        Start-up kooperierten.

   Quelle: Anzahl EXIST-Förderfälle: Daten des BMWi/PtJ. Anzahl an Gründungen, die im Jahr 2017 aus Hochschulen hervorgegangen sind: Frank und
   Schröder (2018: 5). Anteil Akzeleratoren, die durch etablierte private Unternehmen betrieben werden: Zinke et al. (2018: 60). Anteil der großen
   Familienunternehmen, die mit Start-ups kooperierten: Löher et al. (2018: 6). Wagniskapitalinvestitionen im internationalen Vergleich: OECD (2018a: 15).

                                                                                                                                                     45
EFI GUTACHTEN
           2019

    B 1 Die Rolle von Start-ups
        im Innovationssystem

           Als Start-ups bezeichnet man junge Unternehmen mit        günstigen Umfelds ist jedoch zu vermuten, dass ins-
           innovativen Geschäftsideen und hohen Wachstums­           besondere Gründungen zur Existenzsicherung, also
           potenzialen.154 Sie verfolgen neue Geschäftsmodelle       aufgrund von Arbeitslosigkeit oder in Ermangelung
B          und erweitern sowie modernisieren mit ihren Innova-       geeig­n eter Alternativen, abgenommen haben.156
           tionen das Angebot an Produkten und Dienstleistun-        Dieses Motiv steht bei der Gründung von Start-ups
           gen. Sowohl von ihren spezifischen Fähigkeiten als        typischer­weise nicht im Vordergrund. Eine Studie
           auch von ihren Anreizen her sind sie oft besser als       über die USA macht deutlich, dass die Entwicklungs-
           etablierte Unternehmen in der Lage, disruptive Ideen      trends von Unternehmensgründungen im Allgemei-
           aufzugreifen und in marktfähige Lösungen umzuset-         nen und von Start-ups im Besonderen nicht immer
           zen. So müssen sie als Marktneulinge beispielswei-        parallel verlaufen.157 Die Entwicklung der Wagnis-
           se nicht wie etablierte Unternehmen fürchten, durch       kapitalinvestitionen in Deutschland (vgl. Kapitel C
           disruptive Ideen ihr bisheriges Geschäftsmodell zu        4) deutet darauf hin, dass die Anzahl der Start-ups in
           kannibalisieren. Gründungen aus der Wissenschaft          Deutschland höher ist als noch vor fünf Jahren.
           spielen eine wichtige Rolle beim Erkenntnis- und
           Technologietransfer in die Praxis. Start-ups sind auch    Interessant ist nicht nur die absolute Zahl der Start-
           Trendscouts und Impulsgeber für etablierte Unterneh-      ups, sondern auch deren räumliche Verteilung inner-
           men, die durch den Wettbewerb mit Start-ups immer         halb der Bundesrepublik. Einen Anhaltspunkt dafür
           aufs Neue herausgefordert werden. Als Koopera­            geben die Wagniskapitalinvestitionen und die staat-
           tionspartner etablierter Unternehmen tragen Start-ups     lichen Förderungen für Gründungen aus der Wissen-
           zur gemeinsamen Entwicklung und Vermarktung von           schaft, auch wenn nicht alle Start-ups Wagniskapital
           Innovationen bei.                                         oder eine staatliche Förderung erhalten.158

           Dieses Kapitel illustriert die räumliche Verteilung der   Start-ups werden in der Frühphase häufig staatlich
           Start-ups in Deutschland, diskutiert die unterschied-     unterstützt und von Business Angels finanziert, wäh-
           lichen Beiträge von Start-ups im Innovationssystem        rend in der sich anschließenden Wachstumsphase
           und zeigt Potenziale zur Stärkung dieser Beiträge in      Wagniskapitalgeber externes Eigenkapital bereit­
           Deutschland auf.                                          stellen.

                                                                     Für die Frühphase von Start-ups aus akademischen
    B 1-1 Räumliche Verteilung der Start-ups                         Institutionen kann die räumliche Verteilung anhand
          in Deutschland                                             der Förderdaten des Programms EXIST – Existenz-
                                                                     gründungen aus der Wissenschaft (vgl. Box B 1-5)
           In Deutschland hat sich eine lebendige Start-up-Szene     beschrieben werden. Hierbei wird die Anzahl der
           entwickelt. Belastbare Daten zur Entwicklung der          Förderfälle in den Förderlinien EXIST-Gründer­
           Population von Start-ups in Deutschland sind bis dato     stipendium und EXIST-Forschungstransfer seit dem
           aber nicht verfügbar.                                     Start der Programmlinien im Jahr 2007 betrachtet.

           Eine Abschätzung anhand der Entwicklung der Ge-           Der High-Tech Gründerfonds (HTGF) ist ein wich-
           samtzahl aller Unternehmensgründungen ist pro-            tiger Wagniskapitalgeber für Start-ups in der Früh-
           blematisch. So ist in Deutschland die Anzahl der          phase (vgl. Box B 1-9). Über die Standorte der Start-
           Unternehmensgründungen insgesamt rückläufig               ups, die sich derzeit im aktiven Portfolio des HTGF
           (vgl. Kapitel C 5).155 Angesichts des konjunkturell       befinden, können deshalb Rückschlüsse auf die

           46
Kernthemen 2019                                                                         B 1 Die Rolle von Start-ups im Innovationssystem

                                                                                                                                           Abb B 1-1
   Räumliche Verteilung der Förderfälle von EXIST-Gründerstipendium und
                                                                                                                                           Download
   EXIST-Forschungstransfer sowie der im Portfolio des HTGF befindlichen Start-ups                                                         Daten

           Kategorie:
                 EXIST-Gründerstipendium1)
                 EXIST-Forschungstransfer1)
                 HTGF 2)

                                                                         Hamburg

                                                                                                                                                       B

                                                                                                                    Berlin

                                                                                                     Potsdam

                                                                                               Leipzig

                                                                                                                      Dresden
                             Köln

        Aachen

                                                      Darmstadt

                                          Karlsruhe
                                                             Stuttgart

                                                                                          Garching

                                                                                     München

   1)Zeitraum 2007 bis 2018.
   2)Aktives Portfolio von HTGF I, II und III im November 2018.
   Die Größe der Kreisdiagramme steigt mit der Anzahl der Förderfälle von EXIST-Gründerstipendium und EXIST-Forschungstransfer
   sowie der im Portfolio des HTGF befindlichen Start-ups.
   Es ist möglich, dass einzelne Start-up-Projekte bzw. Start-ups in mehreren Kategorien enthalten sind.
   Quellen: Daten des BMWi/PtJ und HTGF (2018). Eigene Berechnungen.

                                                                                                                                     47
EFI GUTACHTEN
                2019

    Tab B 1-2
                     Verteilung der Förderfälle von EXIST-Gründerstipendium und EXIST-Forschungstransfer
    Download
       Daten         sowie der im Portfolio des HTGF befindlichen Start-ups auf die Bundesländer

                                            EXIST-                      EXIST-                      HTGF2)                         Wagniskapitalinvestitio-
                                            Gründerstipendium1)         Forschungstransfer1)                                       nen der im BVK organi-
                                                                                                                                   sierten Unternehmen3)

                                            Anzahl der    Förder-       Anzahl der    Förder-       Anzahl der     Geschätztes     Anzahl der    Inves-
                                            Förderfälle   summe in      Förderfälle   summe in      im Portfolio   Investitions-   Portfolio-    titions-
                                                          Mio. Euro                   Mio. Euro     befindlichen   volumen         unter-        volumen
                                                                                                    Start-ups      (Frühphase)     nehmen        in Mio.
                                                                                                                   in Mio. Euro                  Euro

                          Baden-                228           22,7           52           36,1           35            21,0             43          78,8
                          Württemberg
                          Bayern                401           37,4           49           31,1           56            33,6            104         215,8
                          Berlin                325           33,0           39           23,7           52            31,2            174         490,2
B
                          Brandenburg           108           11,1             7           2,9               5          3,0             27          29,4
                          Bremen                 32               2,7          8           3,9               2          1,2              2             1,1
                          Hamburg                51               5,4          8           6,0           16             9,6             26          60,1
                          Hessen                102               9,6        18           11,0           10             6,0             16          12,8
                          Mecklenburg-           42               3,9          3           2,0               1          0,6              4             2,3
                          Vorpommern
                          Niedersachsen         104           10,7           20           11,3           11             6,6             12          12,4
                          Nordrhein-            294           28,4           43           28,2           36            21,6             58          84,0
                          Westfalen
                          Rheinland-Pfalz        32               3,0          5           2,6               2          1,2             10             7,8
                          Saarland               23               2,4          6           3,8               -            -              5             1,6
                          Sachsen               145           14,1           48           30,7           15             9,0             27          22,1
                          Sachsen-Anhalt         34               3,3          5           2,5               3          1,8              4             3,3
                          Schleswig-             15               1,4        10            4,6               3          1,8             38             4,4
                          Holstein
                          Thüringen              62               5,9        10            6,2               7          4,2             16             5,9

                     1) Zeitraum 2007 bis 2018.
                     2) Aktives Portfolio von HTGF I, II und III im November 2018. Es wird angenommen, dass das Investitionsvolumen in der Frühphase
                     pro Start-up 600.000 Euro beträgt. Die Schätzung umfasst keine Anschlussfinanzierungen.
                     3) Investitionen im Jahr 2017.

                     Quellen: Daten des BMWi/PtJ und des BVK sowie HTGF (2018). Eigene Berechnungen.

                räumliche Verteilung der Start-ups in der Frühphase                        Diese räumliche Konzentration spiegelt sich auch in
                gezogen werden.                                                            der Verteilung der durch den BVK dokumentierten
                                                                                           Wagniskapitalinvestitionen über die Bundesländer
                Die durch den Bundesverband Deutscher Kapital-                             (vgl. Tabelle B 1-2) wider. Auch hier liegen Berlin
                beteiligungsgesellschaften (BVK) dokumentierten                            und Bayern an der Spitze.
                Wagniskapitalinvestitionen decken sowohl die Früh-
                als auch die Wachstumsphase ab. Sie liegen allerdings                      Ein Blick in andere Länder zeigt, dass eine solche
                nur auf der Ebene der Bundesländer vor.                                    räumliche Konzentration keine deutsche Besonder-
                                                                                           heit ist.159 Start-ups bilden und entwickeln sich – in al-
                Wie Abbildung B 1-1 zu entnehmen, sind in Berlin                           len Ländern – dort besonders gut, wo sie ein funktio­
                und München besonders viele Gründungsprojekte zu                           nierendes Start-up-Ökosystem mit Hochschulen und
                finden, die durch die EXIST-Programme gefördert                            außeruniversitären Forschungseinrichtungen (AUF),
                wurden. In Start-ups an diesen beiden Standorten                           mit etablierten Unternehmen und Investoren sowie
                fließen auch besonders viele Investitionen des HTGF.                       mit anderen Start-up-Gründerinnen und -Gründern

                48
Kernthemen 2019                                                                         B 1 Die Rolle von Start-ups im Innovationssystem

      und qualifizierten Fachkräften vorfinden. Die folgen-                  Trotz vermehrter Anstrengungen von Hochschulen
      den Abschnitte beleuchten die Interaktion der Start-                   und AUF, Gründungen aus der Wissenschaft voran-
      ups mit diesen Akteuren.                                               zutreiben, beispielsweise durch ein zunehmendes An-
                                                                             gebot an Inkubatoren-Programmen,162 ist die Zahl der
                                                                             Gründungen aus Hochschulen bzw. AUF heraus in
B 1-2 Gründungen aus der Wissenschaft als                                    Deutschland nach wie vor gering (siehe unten).163 Die
      Transferkanal                                                          Expertenkommission hat bereits in ihrem Gutachten
                                                                             2017 angemahnt, dass das Potenzial für Gründun-
      Ein zentraler Beitrag von Start-ups, die aus der                       gen aus der Wissenschaft nicht ausreichend genutzt
      Wissen­schaft entstehen, ist der Erkenntnis- und                       wird.164
      Technologietransfer in den Markt. Gründungen aus
      der Wissenschaft sind hier definiert als Gründungen
      durch noch beschäftigte oder ehemalige Wissen-                         Gründungen aus außeruniversitären
      schaftlerinnen und Wissenschaftler, die Erkenntnis-                    Forschungseinrichtungen
      se aus ihrer Forschungstätigkeit in Hochschulen und
      AUF in die Anwendung bringen. Gründungen aus                           Betrachtet man die Gründungen aus AUF in den                                     B
      Forschungseinrichtungen sind in allen Entwicklungs-                    Jahren 2005 bis 2017, so zeigt sich, dass die Grün-
      phasen innovativer als andere Unternehmensgrün-                        dungstätigkeiten in diesem Zeitraum sehr volatil wa-
      dungen.160 Eine im Auftrag der Expertenkommission                      ren und sich nicht systematisch erhöht haben (vgl.
      durch das ZEW erstellte Auswertung des IAB/ZEW-                        Abbildung B 1-3).165 Die durchschnittliche Zahl
      Gründungspanels deutet darauf hin, dass Gründungen                     aller Gründungen aus der gesamten Fraunhofer-
      aus der Wissenschaft überdurchschnittlich viel FuE                     Gesellschaft oder der Helmholtz-Gemeinschaft ist
      betreiben und relativ mehr Produktinnovationen ent-                    vergleichbar mit der Zahl aller Gründungen aus ein-
      wickeln, die neu für den Markt sind, als junge Unter-                  zelnen Universitäten wie der ETH Zürich oder der
      nehmen insgesamt.161                                                   Stanford University.166 Gründungen durch ehemals

                                                                                                                                                  Abb B 1-3
         Gründungen aus außeruniversitären Forschungseinrichtungen 2005-2017
                                                                                                                                                  Download
         Anzahl der im Kalenderjahr erfolgten Gründungen, die zur Verwertung von geistigem Eigentum oder Know-how der Einrichtung unter           Daten
         Abschluss einer formalen Vereinbarung gegründet wurden.

           Anzahl

              30

              25

              20

              15

              10

                5

                0
              Jahr    2005    2006      2007     2008     2009      2010     2011     2012      2013     2014      2015        2016   2017

                FhG          HGF           MPG          WGL

         FhG: Fraunhofer-Gesellschaft, HGF: Helmholtz-Gemeinschaft, MPG: Max-Planck-Gesellschaft, WGL: Leibniz-Gemeinschaft.
         Quelle: Eigene Darstellung basierend auf GWK (2018a: 113).

                                                                                                                                             49
EFI GUTACHTEN
                2019

                angestellte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-                       nur über geringe finanzielle Mittel verfügen, um diese
                ler werden in dieser Statistik allerdings nicht erfasst.                 Lizenz­zahlungen zu leisten.
                Angesichts der stagnierenden Gründungsrate aus
                AUF begrüßt die Expertenkommission, dass sich die
                AUF im Pakt für Forschung und Innovation (PFI)                           Gründungen aus Hochschulen
                III167 zu einer Intensivierung ihrer gründungsfördern-
                den Maßnahmen verpflichtet haben.                                        An Hochschulen finden deutlich mehr Gründungen
                                                                                         statt als an AUF.170 Eine im Rahmen des Gründungs-
                Betrachtet man die Erträge der AUF aus Schutz-                           radars durchgeführte Befragung von Hochschulen
                rechtsvereinbarungen bzw. Lizenzen im Zeitraum                           zeigt, dass im Jahr 2017 1.776 Gründungen an
                von 2005 bis 2017, so stellt man fest, dass sich diese                   Hochschulen erfolgt sind.171 Davon haben 767 Grün-
                insgesamt um knapp 11 Prozent erhöht haben (vgl.                         dungen Wissen bzw. Technologien aus der Hoch-
                Abbildung B 1-4). Die Fraunhofer-Gesellschaft er-                        schule in die Gründung transferiert. 232 Gründungen
                zielte über den gesamten betrachteten Zeitraum mit                       basieren auf konkreten Schutzrechten (z. B. Paten­ten,
                Abstand die höchsten Lizenzeinnahmen. 2017 be-                           Gebrauchsmustern).172 Im Zeitraum von 2012 bis
B               liefen sich diese auf 143 Millionen Euro. Die Max-                       2017 ist die Zahl der erfassten Gründungen an Hoch-
                Planck-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft                          schulen um ca. 40 Prozent gestiegen.173
                und die Leibniz-Gemeinschaft nahmen 2017 20
                Mil­li­onen, 15 Millionen bzw. 7 Millionen Euro an                       Die EXIST-Maßnahmen (vgl. Box B 1-5) haben zu
                Lizenz­erträgen ein.168 Die hohe Stabilität der Lizenz-                  einer positiven Entwicklung der Gründungskultur an
                einnahmen könnte ein Indiz dafür sein, dass die AUF                      deutschen Hochschulen beigetragen.174 Angesichts
                gezielt auf stabile Einnahmen aus Lizenzvereinba-                        der Förderpause nach der zweiten Wettbewerbsrunde
                rungen mit etablierten Unternehmen setzen. Ähnlich                       von EXIST IV175 ist die im November 2018 gestar­
                stabile Einnahmen lassen sich im Fall von Gründun-                       tete neue Fördermaßnahme im Rahmen von EXIST-
                gen nur bedingt erzielen, da Gründende zu Anfang                         Gründungskultur – EXIST-Potentiale – zu begrüßen.

    Abb B 1-4
                     Erträge aus Schutzrechten 2005–2017 in Millionen Euro
    Download
       Daten         Im Kalenderjahr eingenommene Erträge aus Schutzrechtsvereinbarungen/Lizenzen.169

                      Mio.

                         160

                         140

                         120

                         100

                             80

                             60

                             40

                             20

                              0
                          Jahr      2005   2006     2007     2008     2009      2010     2011     2012      2013     2014      2015        2016   2017

                              FhG          HGF         MPG          WGL

                     FhG: Fraunhofer-Gesellschaft, HGF: Helmholtz-Gemeinschaft, MPG: Max-Planck-Gesellschaft, WGL: Leibniz-Gemeinschaft.
                     Quelle: Eigene Darstellung basierend auf GWK (2018a: 111f.).

                50
Kernthemen 2019                                                       B 1 Die Rolle von Start-ups im Innovationssystem

            EXIST-Potentiale soll insbesondere die kleinen und       richtig erscheint. Nordrhein-Westfalen beispielsweise
            mittleren Hochschulen bei der Umsetzung grün-            fördert im Rahmen des Wettbewerbs Exzellenz Start-
            dungsfördernder Maßnahmen unterstützen.176 Die           up Center bis zu sieben Universitäten mit insgesamt
            Expertenkommission bedauert allerdings, dass der         150 Millionen Euro für fünf Jahre.181 Gleichzeitig
            Wettbewerb EXIST-Potentiale nur mit geringen Mit-        stellt sich wie immer, wenn Bund und Länder in den-
            teln ausgestattet ist.177 Auch einige Länder machen es   selben Feldern aktiv werden, die Frage, wie gut die
            sich zur Aufgabe, Gründungen aus Hochschulen zu          verschiedenen Gründungsförderungen abgestimmt
            fördern, was vor dem Hintergrund, dass die Finan-        sind.
            zierung von Hochschulen Länderaufgabe ist, folge-

                                                                     Hemmnisse für Gründungen aus der Wissenschaft
Box B 1-5
               EXIST-Förderprogramm178                               Im Auftrag der Expertenkommission hat die TU Mün-
                                                                     chen 50 Personen befragt, die in den vergangenen
               Das BMWi fördert mit dem im Jahr 1998 gestar-         zehn Jahren alleine oder im Team ein Start-up gegrün-
               teten Programm EXIST – Existenzgründungen aus         det, geleitet oder begleitet haben. Im Rahmen dieser                    B
               der Wissenschaft Gründungsaktivitäten an Hoch-        Befragung wurden als Hemmnisse für Gründungen
               schulen und AUF und unterstützt Forschungsein-        aus Hochschulen das Fehlen einer praxis­orientierten
               richtungen bei der Verbreitung von Unternehmer-       Qualifikation, ein hoher Bürokratieaufwand so-
               geist. Das Programm umfasst drei Förderlinien:        wie knappe Ressourcen (z. B. Kapital, Büroräume)
               EXIST-Gründungskultur (seit 1998), EXIST-Grün-        genannt.182 Eine weitere Herausforde­rung ist eine
               derstipendium (seit 2007, davor EXIST-Seed) und       mögliche Konkurrenz zwischen der kommerziellen
               EXIST-Forschungstransfer (seit 2007). EXIST-          Verwertung und der Verbreitung wissenschaftlicher
               Gründungskultur unterstützt Hochschulen bei der       Erkenntnisse in Form von Publikationen, sofern die
               Erarbeitung und Umsetzung einer ganzheitlichen        Unternehmensgründerinnen und -gründer noch an der
               hochschulweiten Strategie, um Gründungskultur         Forschungseinrichtung tätig sind.183
               und Unternehmergeist zu fördern. Die Förderlinie
               EXIST-Gründungskultur umfasst mehrere Pro-            Auch rechtliche Rahmenbedingungen und Unsi-
               grammphasen: EXIST I (1998 bis 2005), EXIST II        cherheiten können Hemmnisse darstellen. Gründun-
               (2002 bis 2006), EXIST III (2006 bis 2011), EXIST     gen aus der Wissenschaft werden durch langwierige
               IV, auch EXIST-Gründungskultur – Die Gründer-         Lizenzverhandlungen zwischen Gründenden und
               hochschule genannt (2011 bis 2018), und die           Transferorganisationen erschwert. In den USA z. B.
               im November 2018 gestartete Wettbewerbsrunde          bieten bereits mehrere Technologietransferein­
               EXIST-Potentiale (2018 bis 2023).179 Die Förder-      richtungen von Universitäten den Gründenden so-
               linie EXIST-Gründerstipendium unterstützt inno-       genannte Express-License-Contracts (Standard-Li-
               vative technologieorientierte und wissensbasierte     zenz-Verträge) als Option an, um ihnen eine zügige
               Gründungsvorhaben in der Vorgründungsphase.           Lizenzierung zu ermöglichen.184 Falls die Gründen-
               EXIST-Forschungstransfer fördert insbesondere         den die Bedingungen der Standard-Lizenz-Verträge
               Entwicklungsarbeiten, die für einen Nachweis der      nicht attraktiv finden, bleibt ihnen die Möglichkeit,
               technischen Machbarkeit forschungsbasierter           indi­viduelle Verhandlungen mit der jeweiligen Tech-
               Gründungsideen erforderlich sind. Sowohl aktu-        nologietransferorganisation zu führen. Standard-Li-
               elle Evaluierungsstudien des Förderprogramms          zenz-Verträge könnten auch in Deutschland helfen,
               als auch der Gründungsradar 2018 attestieren          den Gründungsprozess zu beschleunigen und Hürden
               positive Förderwirkungen: Die im Rahmen der           für Gründungen aus der Wissenschaft zu senken.185
               Förderlinie EXIST-Gründungskultur – Die Grün-
               derhochschule geförderten Hochschulen weisen
               eine deutliche Erhöhung des Niveaus der Grün-         Start-ups als Impulsgeber für Innovationen                      B 1–3
               dungsunterstützung auf. Außerdem fördert EXIST        in etablierten Unternehmen
               die Entstehung einer Vielfalt an Gründungen
               in unterschiedlichsten Technologiefeldern und         Start-ups geben wichtige Impulse für Innovationen
               Branchen. Die Überlebensquote der entstandenen        in etablierten Unternehmen. Im direkten Wettbewerb
               Gründungen ist vergleichsweise hoch.180               setzen Start-ups etablierte Unternehmen unter Druck,
                                                                     sich permanent zu verbessern, um am Markt bestehen

                                                                                                                               51
EFI GUTACHTEN
    2019

    zu können.186 Start-ups können aber auch Trendscouts         Lieferantinnen und Lieferanten und/oder Kapi-
    für neue Technologien oder Innovationen sein.187 Aus-        talgeberinnen und -geber. Als Gründe für eine
    sagen einzelner Gründender zufolge ist die Beobach-          gemeinsame Markt­    erschließung werden eine
    tung von Start-ups besonders für große Unternehmen           Erhöhung des Gesamtumsatzes, die Aufwertung
    interessant, um beispielsweise neue Absatzwege oder          des Produkt­portfolios sowie eine bessere Außen-
    neue Märkte zu entdecken. Kleinen und mittleren              darstellung der beteiligten Kooperationspartne-
    Unternehmen (KMU) können Start-ups helfen, die               rinnen und -partner angeführt (vgl. Box B 1-6).
    Zukunftsfähigkeit von Technologien oder Innovatio-
    nen richtig einzuschätzen.                               –– Bei der gemeinschaftlichen Erweiterung des
                                                                Leistungsversprechens gegenüber Kundinnen
    Start-ups sind für etablierte Unternehmen aber auch         und Kunden entwickeln Start-ups und etablier-
    als mögliche Kooperationspartner interessant. Zudem         te Unternehmen zusammen neue komplemen-
    kann es Teil der Innovationsstrategie etablierter Un-       täre Produkte bzw. Dienstleistungen. Häufig
    ternehmen sein, innovative Start-ups aufzukaufen.           wird eine durch das Start-up neu entwickelte
                                                                Technologie in bestehende Produkte etablierter
B                                                               Unternehmen integriert. Dabei können Start-ups
    Kooperationen zwischen etablierten                          auf die Ressourcen und die Infrastruktur des mit
    Unternehmen und Start-ups                                   ihnen kooperierenden Unternehmens zurückgrei-
                                                                fen. Als Gründe für diese Kooperationen werden
    Kooperationen können dazu beitragen, neue Innova-           vor allem die stetige Verbesserung der eigenen
    tionen zu befördern, die Diffusion von Wissen und           Produkte sowie eine nachhaltig positive Aus-
    Technologien voranzutreiben und die Marktfähigkeit          wirkung auf die Kultur etablierter Unternehmen
    von Technologien schneller zu testen.188 Insbeson­dere      genannt.
    in den letzten Jahren hat in Deutschland das Inte­
    resse etablierter Unternehmen an Kooperationen mit
    Start-ups deutlich zugenommen, sodass Unterneh-                                                                 Box B 1-6
    men zunehmend um attraktive Start-ups konkurrieren          Kooperation zur Markterschließung193
    (müssen).189 Eine Befragung von 248 großen Fami­
    lienunternehmen in Deutschland durch das Institut           Das Start-up Cubuslab in Karlsruhe stellt einen
    für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn deutet darauf          Adapter her, der Laborgeräte funktional ergänzt.
    hin, dass 2018 knapp die Hälfte der befragten gro-          Mit dem Adapter können Daten exportiert und
    ßen Familienunternehmen mit mindestens einem                übertragen werden, sodass Messungen durch die
    Start-up kooperierte.190 Die Zahl der von Unterneh-         Laborgeräte einfacher und schneller an andere
    men angebotenen Inkubatoren und Akzeleratoren in            Geräte weitergegeben werden können. Cubuslab
    Deutschland ist in den letzten Jahren kontinuierlich        nutzt die Vertriebskanäle des Kooperationspart-
    gestiegen. Mittlerweile werden gut 84 Prozent aller         ners, eines Laborgeräteherstellers. Prototypen
    deutschen Akzeleratoren (121 im Jahr 2017) von              des Adapters können so schneller am Markt
    etablierten Unternehmen betrieben.191                       getestet und nicht marktfähige Prototypen den
                                                                Kundenwünschen angepasst werden. Gleichzeitig
    Kooperationen entstehen insbesondere dann, wenn             profitiert auch der Laborgerätehersteller davon,
    etablierte Unternehmen und Start-ups komplemen-             dass seine Produkte in höherem Maße digitali-
    täre Produkte anbieten. Die Ergebnisse der im Auf-          siert und wettbewerbsfähiger werden.
    trag der Expertenkommission durch die TU München
    durchgeführten Studie legen nahe, dass Start-ups und
    etablierte Unternehmen bei Partnerschaften insbe-
    sondere die Ziele verfolgen, den Zugang zu Absatz-       Kooperationen stellen Start-ups und etablierte
    und Zuliefermärkten für beide Partner zu erleichtern     Unternehmen aber auch vor Herausforderungen.194
    oder das Leistungsversprechen gegenüber der Kundin       Start-up-Gründerinnen und -Gründer mit Koopera­
    bzw. dem Kunden zu erweitern.192                         tionserfahrung nennen hier insbesondere unterschied-
                                                             liche Machtverhältnisse aufgrund asymmetrischer
    –– Bei einer Partnerschaft mit dem Ziel, neue Märkte     Ressourcenausstattung, Konflikte, wenn aus einer
       zu erschließen, profitieren die Kooperationspart-     Kooperationsbeziehung eine Konkurrenzbeziehung
       nerinnen und -partner von einem Austausch von         wird, sowie Unterschiede in den Unternehmens­
       Informationen über ihre Kundinnen und Kunden,         kulturen. KMU wünschen sich Unterstützung bei

    52
Kernthemen 2019                                                      B 1 Die Rolle von Start-ups im Innovationssystem

            der Anbahnung von Kooperationsbeziehungen mit            nologien und für einen Marktzugang senken.199 Eine
            Start-ups, geeignete Austauschmedien sowie Infor-        Studie des ZEW zeigt, dass etablierte Unternehmen
            mationsangebote.195 Vor diesem Hintergrund ist so-       aus den wissensintensiven Branchen vergleichs-
            wohl die Digital Hub Initiative, die 2017 vom BMWi       weise häufiger innovative junge Unternehmen bzw.
            gestartet wurde und Kooperationen von Start-ups und      Start-ups akquirieren als Unternehmen aus nicht-­
            Unternehmen befördern soll, als auch die im Rahmen       wissensintensiven Branchen. Zudem akquirieren sie
            der Gründungsoffensive des BMWi geplante Inten-          auch häufiger Start-ups außerhalb der eigenen Bran-
            sivierung der Vernetzung von jungen und etablierten      che.200 Damit erweitern sie ihr Portfolio stärker als
            Unternehmen zu begrüßen.196 Allerdings wird von          Unternehmen aus nicht-wissensintensiven Branchen.
            Branchenkennern die unzureichende Ressourcen­            In der Branche der Spitzentechnologie ist dies am
            ausstattung der Digital Hubs bemängelt. Ein inte­        stärksten ausgeprägt.201
            ressantes internationales Beispiel aus der Praxis, wie
            Informationen über mögliche Kooperationspartne­          Besondere Aufmerksamkeit erregt haben in den letz-
            rinnen und -partner verfügbar gemacht werden kön-        ten Jahren vor allem Aufkäufe durch finanzstarke
            nen, ist die israelische Informationsplattform Start-    chinesische und US-amerikanische Konzerne. Einige
            Up Nation Central (vgl. Box B 1-7).                      Beobachterinnen und Beobachter haben die Sorge ge-             B
                                                                     äußert, in Deutschland entwickelte Technologien und
                                                                     in der Folge auch Wertschöpfung könnten an das Aus-
Box B 1-7                                                            land verlorengehen. Die Expertenkommission sieht
               Start-Up Nation Central197                            grundsätzlich einen offenen internationalen Kapital-
                                                                     und Technologietransfer als wichtigen Innovations-
               Start-Up Nation Central ist eine israelische          und Wachstumstreiber. Sie teilt aber die Sorge, dass
               Online-Plattform für Informationen zum israeli-       ungleiche Marktzugangsbedingungen und Marktver-
               schen Start-up-Ökosystem. Die Plattform stellt        zerrungen durch staatlich finanzierte Unternehmen,
               Start-ups (z. B. deren Geschäftsmodell, Stand-        beispielsweise in China, die Marktchancen deutscher
               ort, Gründungsjahr), Hubs, Investoren, etablier-      Unternehmen beeinträchtigen können.
               te KMU, wissenschaftliche Einrichtungen und
               multi­nationale Unternehmen vor. Auf der Platt-       Umstritten sind auch Akquisitionen von Start-ups
               form kann man gezielt nach potenziellen Koope-        durch marktmächtige US-amerikanische Digital-
               rationspartnerinnen und -partnern suchen, aber        konzerne. Die Befürchtung hier ist, dass diese Kon-
               auch selbst ein Unternehmensprofil anlegen            zerne systematisch solche Start-ups aus dem Markt
               und Informationen bereitstellen, um sich poten-       nehmen, die längerfristig das Potenzial haben, die
               ziellen Geschäftspartnerinnen und -partnern zu        Marktstellung oder das Geschäftsmodell des Digi-
               präsentieren. Die Plattform liefert darüber hinaus    talkonzerns zu bedrohen.202 Mit der 9. GWB-Novelle
               Informationen über neue technologische Trends.        hat der Gesetzgeber diese möglichen Wettbewerbsbe-
               Sie verringert den Suchaufwand für Akteure des        denken aufgegriffen. Künftig unterliegen auch solche
               Start-up-Ökosystems und erhöht gleichzeitig die       Zusammenschlüsse der Fusionskontrolle, bei denen
               Sichtbarkeit der israelischen Start-ups – auch für    das erworbene Unternehmen weniger als fünf Millio-
               ausländische Investoren.198 Die hohe Anzahl ein-      nen Euro Umsatz in Deutschland erzielt, der Wert der
               gestellter Unternehmensprofile auf der Plattform      Gegenleistung (in der Regel der Kaufpreis) aber bei
               zeigt, dass sie als Informations- und Präsenta­       über 400 Millionen Euro liegt. Das Bundeskartellamt
               tionsmedium angenommen wird. Eine systema­            kann also künftig auch Zusammenschlüsse prüfen, in
               tische Evaluation des Erfolgs der Plattform steht     denen große, etablierte Unternehmen ihre Marktbe-
               noch aus.                                             herrschung durch die Akquisition junger innovativer
                                                                     Unternehmen mit einem hohen wirtschaftlichen Wert
                                                                     begründen oder verstärken wollen.203

            Akquisition von Start-ups durch                          Start-up-Unternehmerinnen und -Unternehmer sehen
            etablierte Unternehmen                                   diese Novelle mit einer gewissen Skepsis. Ein Ver-
                                                                     kauf an etablierte Unternehmen kann aus ihrer Sicht
            Durch die Akquisition von Start-ups können etablier-     attraktiv sein, beispielsweise um Zugang zu Kapital
            te Unternehmen ihre Innovationsprojekte beschleuni-      oder zu Kundinnen und Kunden des übernehmenden
            gen, aber auch die Kosten für den Erwerb von Tech-       Unternehmens zu erhalten. Sie befürchten durch die

                                                                                                                              53
EFI GUTACHTEN
           2019

           wettbewerbsrechtliche Neuregelung eine mögliche           Deutschland zumindest ein Wagniskapitalfonds aus
           Verschlechterung ihrer Finanzierungs- und Exit-Op-        den USA zu den Investoren zählte.210
           tionen.
                                                                     Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise sind die Wag-
           Nach Einschätzung der Expertenkommission ist die          niskapitalinvestitionen in Deutschland – nicht zuletzt
           Sorge der Start-up-Unternehmerinnen und -Unter-           aufgrund des niedrigen Zins­niveaus – gestiegen (vgl.
           nehmer verständlich. In der Gesamtschau spricht aber      Abbildung C 4-3). Der Anteil der Wagniskapital-
           vieles dafür, zu starken Konzentrationstendenzen          investitionen am BIP ist im Vergleich zu wichtigen
           in Folge von Fusionen entgegenzuwirken, weil die-         anderen Ländern jedoch nach wie vor gering (vgl.
           se innovationshemmend wirken können. Durch die            Info­grafik und Abbildung C 4-2). Start-ups haben in
           Novelle werden Akquisitionen zudem nicht generell         Deutschland – insbesondere in der Wachstums­phase
           unmöglich. Es werden lediglich Akquisitionen, deren       – noch immer Probleme, Wagniskapital zu erhalten.
           Verkaufspreis einen hohen Schwellenwert überschrei-       Die Finanzierungsmöglichkeiten werden durch ver-
           ten, einer Kontrolle durch die Wettbewerbsbehörden        schiedene Faktoren beeinträchtigt, die im Folgenden
           zugänglich gemacht. Deren Aufgabe ist es dann, eine       näher beleuchtet werden: das Fehlen von Ankerinves-
B          Einschätzung der Wettbewerbskonsequenzen der ge-          toren und die geringe Größe von Wagniskapitalfonds,
           planten Unternehmensakquisition vorzunehmen.              unzureichende steuerrechtliche Regelungen sowie
                                                                     schwache Exit-Kanäle.211

    B 1-4 Finanzierung von Start-ups über
          Beteiligungskapital                                        Fehlen von Ankerinvestoren und geringe
                                                                     Größe von Wagniskapitalfonds
           Start-ups sind für die Finanzierung ihrer Investitionen
           in hohem Maße auf Beteiligungskapital angewiesen.204      In Deutschland mangelt es an institutionellen Anle-
           Start-up-Projekte haben in der Regel einen hohen          gern, die auf dem Wagniskapitalmarkt die Funktion
           Finanzbedarf und sind sehr riskant, können aber im        von Ankerinvestoren übernehmen und weiteren in-
           Erfolgsfall ein hohes Wachstum generieren.205 Wag-        und ausländischen Investoren wichtige Signale liefern.
           niskapitalgeber beteiligen sich an Start-ups mit dem      Aufgrund des größtenteils umlagefinanzierten Ren-
           Ziel, eine möglichst hohe Rendite aus deren Wachs-        tensystems fehlt eine in anderen Ländern bedeutende
           tum zu erwirtschaften. Um die Renditeerwartun-            Klasse von institutionellen Investoren, die Pensions-
           gen ihrer Investitionen zu erhöhen, stellen Wagnis­       fonds.
           kapitalgeber in der Regel nicht nur finanzielle Mittel
           bereit, sondern beraten die Unternehmensleitungen         Ein weiteres Problem ist, dass in Deutschland relativ
           der Start-ups strategisch, überwachen ihre operativen     wenige große Wagniskapitalfonds existieren.212 Vor
           Leistungen und unterstützen sie bei der Bildung von       kleinvolumigen Fonds schrecken jedoch institutio-
           Netzwerken, der Beschaffung zusätzlicher Finanz-          nelle Investoren zurück. So bevorzugen beispiels-
           mittel sowie der Rekrutierung von Führungskräften.        weise Versicherungen für ihre Wagniskapitalinvesti-
                                                                     tionen aufgrund deren Größe die Märkte in den USA
           Typische Akteure auf dem Markt für Wagniskapi-            und in Asien.213 Hinzu kommt, dass sich Anleger bei
           tal sind Business Angels206 und Wagniskapitalfonds.       ihren Investitionsentscheidungen an den Erfolgsge-
           Die durchschnittliche Investitionssumme ist bei           schichten, den sogannten Track Records, von Fonds
           Business Angels deutlich geringer als bei Wagniska-       orientieren. Diese sind bei europäischen Wagniskapi-
           pitalfonds.207 Business Angels sind vor allem in der      talfonds allerdings noch recht kurz. Nicht nur bei der
           Frühphase aktiv; Wagniskapitalfonds halten sich bei       Größe der Wagniskapitalfonds, sondern auch bei der
           der riskanten Frühphasenfinanzierung in der Regel         Anzahl von Business Angels besteht in Deutschland
           zurück und spielen vor allem bei der Finanzierung der     noch Aufholbedarf.214
           Wachstumsphase eine wichtige Rolle.208
                                                                     In den letzten Jahren haben sowohl die Bundes­
           Deutschland hat als Investitionsstandort für inter­       regierung als auch die Bundesländer verschiedene
           nationale Wagniskapitalgeber an Attraktivität gewon-      Programme weiterentwickelt bzw. neu aufgelegt, die
           nen.209 Eine aktuelle Analyse zeigt, dass zwischen        Anreize für private Anleger setzen, in Wagniskapital-
           1992 und dem dritten Quartal 2018 bei rund einem          fonds und Start-ups zu investieren (zu den Program-
           Fünftel der wagniskapitalfinanzierten Start-ups in        men der Bundesregierung vgl. Box B 1-9). Im Jahr

           54
Kernthemen 2019                                                       B 1 Die Rolle von Start-ups im Innovationssystem

            2015 kehrte die KfW im Rahmen des Programms              steigert. Um darüber hinaus institutionelle Anleger
            ERP-Venture Capital-Fondsfinanzierung als Inves-         zu gewinnen, führt die Bundesregierung derzeit einen
            tor für Wagniskapitalfonds in den Markt zurück und       Dialog mit der Versicherungswirtschaft.218 Hier geht
            leistete damit einen Beitrag zur Gewinnung weite-        es darum, Modelle für mehr Wagniskapitalinvestiti-
            rer in- und ausländischer institutioneller Investo-      onen dieser Branche zu entwickeln. In dem Zusam-
            ren.215 In der seit 15. Oktober 2018 operativ tätigen    menhang könnte nach Auffassung der Expertenkom-
            KfW-Tochtergesellschaft KfW Capital wird nun das         mission das dänische Programm Dansk Vækstkapital
            Finanzierungsangebot der KfW im Bereich Wagnis-          ein interessantes Modell für die Einbindung instituti-
            kapital gebündelt und erweitert.216 Es ist vorgesehen,   oneller Investoren in die Beteiligungskapitalfinanzie-
            dass KfW Capital das Investitionsvolumen in Wag-         rung von Start-ups sein (vgl. Box B 1-8).219
            niskapital- und Venture-Debt-Fonds bis zum Jahr
            2020 auf durchschnittlich 200 Millionen Euro p. a.
                                                                     Steuerrechtliche Rahmenbedingungen
                                                                     unzureichend
Box B 1-8
               Dansk Vækstkapital                                    Zwar wurden die steuerrechtlichen Rahmenbedin-                  B
                                                                     gungen für Wagniskapitalinvestitionen mit der 2016
               Dansk Vækstkapital ist ein gemeinsames Projekt        erfolgten Neuregelung der Verlustverrechnung ver-
               des dänischen Staats und der dänischen Pen-           bessert,220 jedoch schaffen sie noch immer nicht in
               sionsfonds mit dem Ziel, Beteiligungskapital für      ausreichendem Maße Anreize für Wagniskapital­
               Start-ups sowie KMU mit Wachstumspotenzial            investitionen. So sind in Deutschland Verwaltungs-
               verfügbar zu machen.217 Dansk Vækstkapital be-        leistungen von Fondsmanagerinnen und -managern
               steht aus zwei voneinander unabhängigen Dach-         – anders als in vielen anderen europäischen Ländern
               fonds, Dansk Vækstkapital I und Dansk Vækst­          – umsatzsteuerpflichtig.221 Der Aufbau und die Ver-
               kapital II, die in Small Cap Funds, Mid Cap Funds,    waltung von Wagniskapitalfonds sind hier deshalb
               Venture Capital Funds und Mezzanine Funds             vergleichsweise unattraktiv.
               investieren. Beim Dansk Vækstkapital I fand die
               Investitionsphase von 2011 bis 2015 statt. Dansk
               Vækstkapital II befindet sich derzeit in der Inves-   Schwache Exit-Kanäle
               titionsphase. Die beiden Dachfonds weisen zwei
               Finanzierungssäulen auf.                              Zu den wichtigsten Exit-Kanälen für Beteiligun-
                                                                     gen an Start-ups zählen der Verkauf an einen strate­
               Säule 1: Die Pensionskassen leihen dem vom            gischen Investor (vgl. Abschnitt Akquisition von
               Staat eingesetzten, aber selbstständig agieren-       Start-ups durch etablierte Unternehmen, S. 53f.) und
               den Vækstfonden einen festgelegten Anteil des         der Börsengang.222 In Deutschland gilt das Exit-
               Investitionsvolumens und erhalten dafür eine          Umfeld für Investoren als schwierig.223 Um die Bör-
               feste Verzinsung. Vækstfonden investiert dieses       se als Finanzierungsquelle für junge Wachstums­
               Kapital in den Dachfonds.                             unternehmen und als wichtigen Exit-Kanal für Inves-
                                                                     toren zu beleben, wurde im Juni 2015 das Netzwerk
               Säule 2: Die Pensionskassen investieren die übri-     Deutsche Börse Venture Networks gegründet.224 Seit
               gen Mittel direkt in den Dachfonds.                   dessen Start wurden 2,4 Milliarden US-Dollar in die
                                                                     Mitgliedsunternehmen investiert und sieben IPOs
               Beim Dansk Vækstkapital I flossen drei Viertel        realisiert.225 Zudem ist im März 2017 das neue KMU-
               des eingesetzten Investitionsvolumens Vækst­          Börsensegment Scale gestartet.226 Auch die europä­
               fonden zu, ein Viertel wurde direkt in den Dach-      ische Mehrländerbörse Euronext bemüht sich, junge
               fonds investiert. Beim Dansk Vækstkapital II er-      deutsche Technologieunternehmen zu attrahieren.227
               hielten die Pensionskassen die Wahlmöglichkeit,       Als positive Signale für das Exit-Umfeld können
               ob sie ein Drittel an Vækstfonden leihen und          der erste Börsengang eines vom HTGF finanzierten
               zwei Drittel direkt in den Dachfonds investieren      Unternehmens (NFON) im Mai 2018 sowie der
               oder umgekehrt. Eine dritte Möglichkeit ist, dass     Börsengang von Home24 im Juni 2018 gesehen
               die Pensionskassen die Mittel zu 100 Prozent in       werden.228
               Private Equity investieren.

                                                                                                                               55
EFI GUTACHTEN
                2019

    Box B 1-9
                     Programme der Bundesregierung im Bereich Wagniskapital und Venture Debt

                     Gründungsphase229                                      zusammen mit privaten Lead-Investoren an jungen
                                                                            innovativen Unternehmen, die neue Produkte, Ver-
                     High-Tech Gründerfonds: Beim High-Tech Gründer-        fahren oder Dienstleistungen entwickeln und/oder
                     fonds (HTGF) handelt es sich um einen Frühpha-         in den Markt einführen und dabei die FuE-Anteile
                     senfonds, der 2005 als Public-Private-Partnership      selbst erbringen.239 Coparion wurde zunächst mit ei-
                     aufgelegt wurde.230 Nach Auslaufen der Investitions-   nem Kapital von 225 Millionen Euro ausgestattet.
                     phase des HTGF I startete 2011 der HTGF II.231 2017    Diese Summe wurde im Dezember 2018 durch den
                     nahm der HTGF III sein operatives Geschäft auf.232     Beitritt der EIB um 50 Millionen Euro auf 275 Milli-
                     Zu den Investoren des HTGF III, der ein Volumen von    onen Euro erhöht.240 Der Anteil des Bundes beträgt
                     316,5 Millionen Euro hat, zählen der Bund (ERP-Son-    180 Millionen Euro und der Anteil von KfW Capital
                     dervermögen — ERP-SV), KfW Capital,233 die Fraun­      45 Millionen Euro.241
                     hofer-Gesellschaft und 32 private Unternehmen.234
B                    Der HTGF finanziert — allein oder als Lead-Investor    ERP/EIF-Dachfonds: Durch den Europäischen Investi­
                     mit Partnern — innovative Technologie-Start-ups ent-   tionsfonds (EIF) und das ERP-Sondervermögen
                     weder mittels Wandeldarlehen oder über den Kauf        wird ein Dachfonds finanziert, der sich an Wagnis-
                     von Unternehmensanteilen.235                           kapitalfonds beteiligt, die in junge, vorwiegend in
                                                                            Deutschland angesiedelte Technologieunternehmen
                     INVEST – Zuschuss für Wagniskapital: Das BMWi för-     investieren.242 Die Mittel des seit 2004 bestehenden
                     dert mit dem 2013 eingeführten Programm INVEST –       ERP/EIF-Dachfonds betrugen zunächst 500 Millionen
                     Zuschuss für Wagniskapital die Beteiligung von pri-    Euro — sie wurden im Mai 2010 auf eine Milliarde
                     vaten Investoren, insbesondere von Business Angels,    Euro und im Juli 2017 auf 2,7 Milliarden Euro aufge-
                     an jungen innovativen Unternehmen. Das Programm        stockt.243 Ein Teil der Mittel des ERP/EIF-Dachfonds
                     umfasst derzeit zwei Komponenten:236 Mit dem Er-       wird für den European Angels Fund (EAF) eingesetzt
                     werbszuschuss erhalten Business Angels einen           (vgl. dort).244
                     steuerfreien Zuschuss zur investierten Summe. Der
                     Exit-Zuschuss stellt eine pauschale Kompensation       European Angels Fund: Der im Jahr 2012 neu auf-
                     der auf den Veräußerungsgewinn zu entrichtenden        gelegte European Angels Fund (EAF) stellt Ko-
                     Steuern dar.                                           Finanzierungen für ausgewählte erfahrene Business
                                                                            Angels und andere nicht-institutionelle Investoren
                     Mikromezzaninfonds-Deutschland: Der vom BMWi im        bereit, die sich an innovativen Unternehmen betei-
                     Jahr 2013 aufgelegte und aus Mitteln des ERP-SV        ligen.245 Die Mittel des EAF wurden 2015 von 130
                     und des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanzierte     Millionen Euro auf 285 Millionen Euro aufgestockt.
                     Mikromezzaninfonds-Deutschland hat das Ziel, die       Der ERP/EIF-Dachfonds stellt 270 Millionen Euro zur
                     Eigenkapitalbasis von kleinen und jungen Unter-        Verfügung, weitere 15 Millionen Euro kommen aus
                     nehmen sowie von Existenzgründungen durch stille       der Fazilität des EIF mit der bayerischen LfA Förder­
                     Beteiligungen zu erhöhen.237 Die stille Beteiligung    bank hinzu.
                     erfolgt durch die Mittelständische Beteiligungsge-
                     sellschaft (MBG) desjenigen Bundeslandes, in dem       ERP-Venture Capital-Fondsfinanzierung: Mit dem
                     die Investition getätigt wird.238 Zunächst hatte der   Programm ERP-Venture Capital-Fondsfinanzierung
                     Mikro­mezzaninfonds-Deutschland ein Volumen von        ist die KfW im Jahr 2015 mit einem Budget von 400
                     35 Millionen Euro und wurde dann nach und nach         Millionen Euro als Investor für Wagniskapitalfonds in
                     auf 75 Millionen Euro aufgestockt (Fonds I). In der    den Markt zurückgekehrt.246 Die KfW Capital hat nach
                     neuen ESF-Förderperiode stehen nun weitere 85 Mil-     Aufnahme ihres operativen Geschäfts im Oktober
                     lionen Euro zur Verfügung (Fonds II).                  2018 die Betreuung des Programms übernommen.
                                                                            Sie beteiligt sich im Risiko des ERP-Sondervermö-
                     Wachstumsphase                                         gens an vorwiegend in Deutschland investierenden
                                                                            Wagniskapitalfonds, die technologieorientierte Start-
                     Coparion: Der gemeinsam von Bund (ERP-SV), KfW         ups und junge innovative Unternehmen finanzieren.247
                     Capital und EIB betriebene Ko-Investment-Fonds Co-     Seit 2017 ist das Programm auch für Beteiligungen
                     parion nahm 2016 seine Arbeit auf. Er beteiligt sich   an Venture-Debt-Fonds geöffnet.

                56
Kernthemen 2019                                                     B 1 Die Rolle von Start-ups im Innovationssystem

                                                       Herausforderungen für Start-ups                                 B 1–5

                                                       Start-ups stehen aufgrund ihrer geringen Größe und
   ERP/EIF-Wachstumsfazilität: Die im Jahr 2016        ihres Geschäftsmodells vor spezifischen Heraus­
   aufgelegte und durch das ERP-SV sowie den           forderungen, die zum Teil durch rechtliche Rahmen-
   EIF finanzierte ERP/EIF-Wachstumsfazilität soll     bedingungen gesetzt bzw. beeinflusst werden.
   schnell wachsenden Unternehmen den Zugang
   zu Beteiligungskapital ermöglichen.248 Wagnis­
   kapitalfonds sowie Fondsmanagerinnen und -ma-       Schwieriger Zugang zu FuE-Förderung
   nager erhalten Mittel, um von ihnen gemanagte
   Ko-Investitionsfonds zu refinanzieren.249 Insge-    Start-ups entwickeln innovative Produkte und
   samt werden 500 Millionen Euro, von denen 330       Geschäftsideen, die oft FuE-Aktivitäten erfordern.
   Millionen durch das ERP-Sondervermögen und          Die öffentliche Hand fördert FuE-Aktivitäten von
   170 Millionen durch den EIF finanziert werden,      Unternehmen, um Innovationen anzuregen.255 Für
   auf einzelne Ko-Investitionsfonds aufgeteilt.250    Start-ups ist es jedoch häufig schwieriger als für etab-
                                                       lierte Unternehmen, eine FuE-Förderung zu erhalten.                     B
   Mezzanin-Dachfonds für Deutschland: Der von EIF,
   BMWi/ERP-SV, LfA Förderbank Bayern und NRW.         –– Die Beantragung von Fördermitteln ist mit ho-
   BANK im Jahr 2013 aufgelegte Mezzanin-Dach-            hem administrativem Aufwand verbunden. Dies
   fonds für Deutschland (MDD) beteiligt sich an          stellt gerade für Start-ups eine Hürde dar, da
   privaten professionellen Mezzanin-Fonds, die in        sie in der Antragstellung wenig Erfahrung ha-
   den deutschen Mittelstand, inklusive in jüngere        ben. Problematisch ist auch, dass die Unter-
   Wachstumsunternehmen, investieren.251 Der MDD          nehmen verpflichtet sind, ihre Bonität für die
   wurde zunächst mit 200 Millionen Euro ausge-           Projektlaufzeit nachzuweisen.256 Dies ist für
   stattet.252 Im Jahr 2016 wurde ein zweiter, einen      Start-ups in der Regel schwierig. Die for­malen
   Investitionszeitraum von fünf Jahren umfassen-         Anforderungen für die Bonitätsprüfung und
   der Mezzanin-Fonds mit einem Volumen von 400           deren Auslegung sind je nach Fördermittelgeber
   Millionen Euro aufgelegt.253                           bzw. Projektträger und teilweise auch Förder­
                                                          programm unterschiedlich.257 Hieraus ergeben
   Venture Debt                                           sich beträchtliche Unsicherheiten für Start-ups,
   Ziel der Bundesregierung ist, insbesondere Unter-      die gegebenenfalls auf die Durch­     führung von
   nehmen in der Wachstumsphase Venture-Debt-             Innovationsprojekten verzichten müssen.
   Finanzierungen — also Kredite mit eigenkapital-     –– Nach wie vor gibt es in Deutschland keine steuer­
   nahen Elementen — zur Verfügung zu stellen.254         liche FuE-Förderung. Deren Einführung ist zwar
   Hierzu zählen Venture-Debt-Fondsfinanzierungen         noch in dieser Legislatur­    periode vorgesehen
   im Rahmen der ERP-Venture Capital-Fonds­               (vgl. Kapitel A 1). Ob FuE-betreibende Start-ups
   finanzierung (vgl. dort) und der MDD-Finanzierung      von einer steuerlichen FuE-Förderung profitie-
   (vgl. dort). Neu eingeführt wurden 2018 die            ren können, hängt jedoch von der genauen Aus-
   Nutzung der InnovFin MidCap-Garantie der EIB           gestaltung ab. Die Expertenkommission hat in
   für das Programm KfW-Kredit für Wachstum.              ihrem Jahresgutachten 2017 Optionen für eine
   Beabsichtigt sind zudem Ko-Venture-Debt-Finan-         steuerliche FuE-Förderung aufgezeigt.258 Start-
   zierungen der KfW mit Privaten in Form kleinerer       ups haben in der Anfangsphase gar keine oder
   Einzelzusagevolumina und EIB-Venture-Debt-             geringe Einnahmen und deshalb keine oder nur
   Deals, an denen sich die KfW in eigenem Ermes-         eine geringe Steuerschuld. Wird als Instrument
   sen beteiligt (EIB-Underwriting). Darüber hinaus       eine Steuergutschrift gewählt, so ist deshalb für
   ist die Schaffung eines neuen Segments im MDD          den Fall, dass diese die jeweilige Steuerschuld
   geplant, mit dem die Fazilität größere Venture-        überschreitet, eine direkte Auszahlung des die
   Debt-Finanzierungen ermöglicht.                        Steuerschuld übersteigenden Betrags zu ermög-
                                                          lichen. Alternativ sollte ein Vortrag in Folgejahre
                                                          möglich sein.

                                                                                                                 57
EFI GUTACHTEN
    2019

    Hürden bei der Gewinnung von Fachkräften                                                                       Box B 1-10
                                                              Mitarbeiterbeteiligungsprogramme
    Für die Umsetzung anspruchsvoller F&I-Vorhaben
    benötigen Start-ups qualifizierte und motivierte Fach-    Bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen kann
    kräfte. Start-ups ist es jedoch vor dem Hintergrund       man zwei Grundmodelle unterscheiden.263 Bei
    geringer Liquidität und geringer Umsätze i. d. R. nicht   Employee Stock Ownership Plans (ESOP) erhal-
    möglich, Fachkräften konkurrenzfähige Gehälter in         ten die begünstigten Beschäftigten reale Anteile
    der klassischen Form einer fixen monatlichen Ver­         am Unternehmen, bei Virtual Stock Option Plans
    gütung zu zahlen.                                         (VSOP) sind es virtuelle Anteile. Bei der Übertra-
                                                              gung realer Anteile im Rahmen eines ESOP ist
    –– Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sind ein Weg,         die Beurkundung im Handelsregister notwendig.
       um Fachkräfte zu gewinnen und an ein Start-            Die Beschäftigten erhalten die Stellung einer
       up zu binden (vgl. Box B 1-10). Die Mitar­             Gesellschafterin bzw. eines Gesellschafters und
       beiterinnen und Mitarbeiter machen im Vergleich        damit entsprechende Mitsprache- und Informa-
       zu alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten            tionsrechte. Dies ist seitens der Gründerinnen
B      Abstriche bei ihrer fixen Entlohnung, haben je-        und Gründer sowie der Wagniskapitalgeber aber
       doch die Möglichkeit, am Erfolg des Start-ups          möglicherweise nicht erwünscht. Für die Be-
       zu partizipieren. Insbesondere Start-ups, in           schäftigten ergibt sich bei einem ESOP wieder-
       die Wagniskapital investiert wurde, nutzen             um das Problem, dass das Finanzamt die Über-
       Mitarbeiterbeteiligungsprogramme. Sei­    tens der     tragung von Anteilen als Entlohnung ansieht und
       Start-ups bestehen jedoch häufig große recht­          direkt besteuert, auch wenn noch keine Erlöse
       liche Unsicherheiten bezüglich der juristischen        fließen. Bei virtuellen Anteilen im Rahmen eines
       Auslegung konkreter Regelungen in den Mitar-           VSOP handelt es sich nicht um eine echte gesell-
       beiterbeteiligungsprogrammen.259                       schaftsrechtliche Beteiligung, sondern um einen
    –– Die Akquise ausländischer Fachkräfte kann              schuldrechtlichen Zahlungsanspruch, der keine
       hel­
       ­  fen, Personalengpässe zu überwinden und             Mitsprache- oder Informationsrechte nach sich
       Kom­pe­tenzen für die Internationalisierung von        zieht. Die Beschäftigten sind im Falle eines Exits
       Unternehmen aufzubauen. Gemäß Deutschem                erlösberechtigt. Die Besteuerung erfolgt erst,
       Startup Monitor (DSM) sind Start-ups im Hin-           wenn Erlöse fließen, also bei einem Exit oder
       blick auf ihre Beschäftigten sehr inter­national       im Fall einer Gewinnausschüttung. In der Praxis
       aufgestellt.260 In den Start-ups, die an der Befra-    haben sich vor allem VSOP durchgesetzt.264
       gung für den DSM 2017 teilnahmen, kamen 23
       Prozent der Beschäftigten aus anderen EU-Län-          Mitarbeiterbeteiligungsprogramme sollen der
       dern und 6 Prozent der Beschäftigten aus Nicht-        Bindung der Beschäftigten an das Unterneh-
       EU-Ländern. In Berlin, Hamburg und München             men dienen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht
       waren die Anteile mit über 20 Prozent der Be-          erwünscht, dass die Beschäftigten direkt nach
       schäftigten aus Nicht-EU-Ländern besonders             Erhalt ihrer Anteile das Unternehmen verlas-
       hoch.261 Rund ein Drittel der am DSM 2017 teil-        sen. Deshalb enthalten Mitarbeiterbeteiligungs-
       nehmenden Start-ups erfährt die Neueinstellung         programme in der Regel die Elemente Vesting
       ausländischer Beschäftigter als (eher oder sehr)       und Cliff. Vesting ist eine Vereinbarung, nach der
       schwierig.262 Die Expertenkommission begrüßt           Anteile ganz oder teilweise verfallen, wenn die
       die Vorbereitung eines Fachkräftezuwande-              Beschäftigten das Unternehmen vor einer fest-
       rungsgesetzes für qualifizierte Arbeitskräfte aus      gelegten Beschäftigungsdauer verlassen. Bei
       Drittstaaten durch die Bundes­regierung. Auch im       Cliff handelt es sich um die Vereinbarung zur
       Falle einer rechtlichen Neuregelung der Zuwan-         Beschäftigungsdauer, ab der das Vesting über-
       derung bleiben jedoch bürokratische Hürden zu          haupt erst startet.
       überwinden. Diese Hürden belasten insbeson­
       dere Start-ups.

    58
Kernthemen 2019                                                       B 1 Die Rolle von Start-ups im Innovationssystem

Rechtliche Unsicherheiten in dynamischen                  Handlungsempfehlungen                                          B 1–6
Technologiebereichen
                                                          Start-ups nehmen im Innovationssystem eine wich­
Derzeit sind die Geschäftsmodelle eines großen Teils      tige Rolle ein. Sie sind nicht nur Anbieter innova­
der Start-ups internetbasiert.265 Zunehmend sind          tiver Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle, son-
Start-ups aber auch in anderen Technologieberei-          dern auch Impulsgeber und Kooperationspartner für
chen tätig. Im Rahmen des Global Startup Ecosystem        Innovationen in etablierten Unternehmen.
Report 2018 wurden die Aktivitäten von Start-ups
für verschiedene Technologiebereiche analysiert.266
Die vier Technologiebereiche mit den aktuell höchs-       Gründungen aus der Wissenschaft fördern
ten Zuwachsraten bei Early Stage Deals, Exits und
Gründungsraten sind „Advanced Manufacturing &             –– Bei der Förderung der Gründungskultur an
Robotics“, „Agtech & New Food“, „Blockchain“ so-             Hochschulen durch die EXIST-Programme des
wie „Artificial Intelligence, Big Data & Analytics“. In      Bundes und Initiativen der Länder sind erste
diesen Technologiebereichen sind weltweit insgesamt          Erfolge erzielt worden. Die Gründungskultur
8,4 Prozent der Start-ups aktiv.                             an Hochschulen muss allerdings weiter gestärkt                      B
                                                             werden. Die Gründungsaus­     bildung sollte in
Für deutsche Start-ups, die in den genannten Berei-          allen Studiengängen verankert werden.
chen tätig sind und die technologische Entwicklung        –– Bei der Fortschreibung des PFI sollten Grün­
mit vorantreiben, gilt es, sich im globalen Wettbe-          dungen aus der Wissenschaft als Transfer­kanal
werb zu behaupten. Ihre Erfolgschancen werden                wieder bei den wissenschaftspoliti­schen Zielen
durch den deutschen bzw. europäischen Rechtsrah-             thematisiert werden.
men beeinflusst. Dies betrifft etwa Sicherheits- und      –– Das Management von Technologietransfer­
Haftungsfragen beim Einsatz von KI-Anwendungen               organisationen sollte nicht allein an mone­tären
(vgl. Kapitel A 2), die Einsatzmöglichkeiten von             Zielgrößen ausgerichtet werden, sondern die
Blockchain-Technologien in regulierten Märkten wie           wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen
der Energiewirtschaft (vgl. Kapitel B 3) sowie den           des Transfers insgesamt im Blick haben. Selbst
Schutz personen- und unternehmensbezogener Daten             wenn durch Gründungen keine Lizenzeinnah-
im Bereich Industrie 4.0.267                                 men erzielt werden können, wird doch ein ge-
                                                             sellschaftlicher Mehrwert geschaffen, der heut-
Erkenntnisse zur Wirkung alternativer Regulierungs-          zutage zu wenig Berücksichtigung findet.
ansätze können durch die Einrichtung von Real­            –– Hochschulen und AUF sollten zur Rechte­
laboren gewonnen werden. Reallabore sind dadurch             übertragung an ausgegründete Start-ups Stan­
gekennzeichnet, dass innerhalb eines abgesteckten            dard-Lizenz-Verträge entwickeln, um Unsicher­-
Rahmens Lösungswege für ein Problem getestet                 heiten zu reduzieren und Gründerinnen und
werden.268 Dabei sollen Erfahrungen über komplexe            Gründern eine zügige Lizenzierung zu ermög-
soziale Dynamiken gesammelt und Entscheidungs-               lichen. Express-License-Contracts, wie sie von
grundlagen etwa für die Gestaltung der rechtlichen           einigen US-amerikanischen Technologietrans­
Rahmenbedingungen gewonnen werden. Die Politik               ferorganisationen optional bereitgestellt wer­­-
hat das Thema der Reallabore aufgegriffen. In der            den, könnten als Beispiele guter Praxis
HTS 2025 und in der KI-Strategie wird das Instru-            herangezogen werden.
ment jeweils explizit angesprochen.269 Es wurde eine      –– Damit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
inter­ministerielle Arbeitsgruppe „Reallabore“ einge-        ler bei der akademischen und kommerziellen
richtet, deren Auftaktsitzung am 27. November 2018           Verwertung von Forschungsergeb­nissen nicht
stattfand. Das BMBF fördert bereits eine Reihe von           in einen Zielkonflikt geraten, sollte eine Neu-
Reallaboren im Energiebereich.270 Das BMWi hat am            heitsschonfrist im Patentrecht eingeführt wer-
14. Dezember eine Reallabore-Strategie vorgelegt.271         den.272

                                                                                                                   59
Sie können auch lesen