Baden-Württemberg mit drei Regierungsbezirken unter den wirtschaftsstärksten EU-Regionen

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Wirtschaft,          Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2014
        Arbeitsmarkt

                               Baden-Württemberg mit drei Regierungsbezirken
                               unter den wirtschaftsstärksten EU-Regionen

                               Frank Thalheimer

                               Der Südwesten ist in der Spitzengruppe der           höchste Wirtschaftskraft je Einwohner erreichte
                               wirtschaftsstärksten Regionen der Europä-            mit deutlichem Abstand die britische Haupt­
                               ischen Union (EU) gut vertreten. Mit Stuttgart,      stadtregion Inner London mit über 320 % des
                               Karlsruhe und Tübingen zählten 2011 insge-           EU28­Durchschnitts oder 80 400 KKS bzw.
                               samt drei Regierungsbezirke im Land zu den           86 000 Euro (Schaubild 1).
                               Regionen Europas mit der höchsten Wirt-
                               schaftskraft. Hierzu rechnet das Statistische
                               Amt der Europäischen Union jene Regionen,            Regierungsbezirk Stuttgart unter den
                               deren Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner        20 Spitzenregionen Europas mit der
Dipl.-Ing. agr. Dr. Frank
Thalheimer ist Referent im     unter Berücksichtigung der jeweiligen Kauf-          höchsten Wirtschaftskraft
Referat „Wirtschaftswissen-
schaftliche Analysen,
                               kraft den EU-Durchschnitt um mindestens
Volkswirtschaftliche           25 % überschreitet. Von den insgesamt                Im Jahr 2011 erreichten insgesamt 41 der
Gesamtrechnungen“ des
Statistischen Landesamtes
                               272 NUTS 2-Regionen der EU28 hatten                  europäischen NUTS 2­Regionen ein kaufkraft­
Baden-Württemberg.             41 Regionen ein BIP pro Kopf von über 125 %          bereinigtes Bruttoinlandsprodukt je Einwohner
                               des EU-Durchschnitts.                                von über 125 % des EU­Durchschnitts. Sie
                                                                                    zählten damit gemäß Eurostat zu den Regionen
                                                                                    Europas mit der höchsten Wirtschaftskraft.
                                                                                    Davon lagen allein elf in Deutschland. Fünf der
                               Regionale Wirtschaftskraft in der EU                 elf deutschen Regionen befanden sich sogar
                               zwischen 3 200 Euro bis zu 86 000 Euro               unter den 20 bestplazierten EU­Regionen, da­
                               je Einwohner                                         runter auch der baden­württembergische
                                                                                    Regierungsbezirk Stuttgart. Mit 50 700 KKS je
                               Nach den vom Statistischen Amt der Europä­
                               ischen Union (Eurostat) veröffentlichten Daten
                               zur Wirtschaftsleistung bzw. zum Bruttoinlands­
                               produkt (BIP) pro Kopf im Jahr 20111 für die                 BIP und BWS – zentrale Messgrößen
                               insgesamt 272 sogenannten NUTS 2­Regionen2                   für Wachstum und Konjunktur
                               der 28 EU­Mitgliedstaaten – in Baden­Württem­
                               berg sind dies die vier Regierungsbezirke –            Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) umfasst
                               ergab sich eine relativ große Spannweite des           den Wert aller innerhalb eines Wirtschafts­
                               BIP je Einwohner von 3 200 Euro bis zu 86 000          gebietes während einer bestimmten Peri­
                               Euro. Der Bezug des regionalen BIP auf die je­         ode produzierten Waren und Dienstleis­
                               weilige Bevölkerungszahl der Region dient im           tungen. Es entspricht der Bruttowertschöp­
                               nationalen und internationalen Vergleich üb­           fung (BWS) aller Wirtschaftsbereiche zu­
                               licherweise zur Messung der wirtschaftlichen           züglich der Gütersteuern und abzüglich
1 Eurostat, Pressemittei­
  lung Nr. 29/2014 – 27. Fe­   Leistungsfähigkeit von Ländern oder Regionen           der Gütersubventionen. Das BIP wird in
  bruar 2014: „Regionales      (siehe i-Punkt “BIP und BWS – zentrale Mess-           jeweiligen Preisen (nominal) und preis­
  BIP, BIP pro Kopf in der
  EU im Jahr 2011: Sieben      größen für Wachstum und Konjunktur“).                  bereinigt und somit frei von Preiseinflüs­
  Hauptstadtregionen                                                                  sen dargestellt. Die Veränderungsrate des
  unter den zehn wohl­
  habendsten Regionen“;        Die niedrigsten Pro­Kopf­Werte wiesen 2011             von Preiseinflüssen bereinigten Bruttoin­
  Quelle: http://epp.euro      dabei die Regionen Severozapaden in Bulgarien          landsprodukts gegenüber dem Vorjahr
  stat.ec.europa.eu/cache/
  ITY_PUBLIC/1­27022014­       und Nord­Est in Rumänien mit rund 3 200 und            bezeichnet man als Wirtschaftswachs­
  AP/DE/1­27022014­AP­
                     AP DE.
                     AP­       3 600 Euro bzw. 13 und 14 % des EU­Durch­              tum. Die BWS, die zu Herstellungsprei­
  PDF [Abruf: 27.8.2014]
                               schnitts (25 100 Euro) auf. Gemessen in den            sen bewertet wird, ergibt sich für jeden
2 Eurostat, NUTS 2010,
  Systematik der Gebiets­      sogenannten Kaufkraftstandards (KKS), die die          Wirtschaftsbereich aus dem Bruttopro­
  einheiten für die Statis­    Unterschiede zwischen den nationalen Preis­            duktionswert zu Herstellungspreisen ab­
  tik (NUTS), entsprechend
  der letzten im Januar        niveaus berücksichtigen, waren dies jeweils            züglich der im Produktionsprozess einge­
  2011 erfolgten Änderung;     rund 7 200 KKS bzw. 29 % des EU28­Durch­               setzten Vorleistungen wie zum Beispiel
  Quelle: http://epp.euro
  stat.ec.europa.eu/portal/    schnitts (25 100 KKS) (siehe i-Punkt „Kaufkraft-       Material und Energie zu Anschaffungs­
  page/portal/nuts_nomen                                                              preisen.
                               standards – berücksichtigen Unterschiede
  clature/introduction
  [Abruf: 27.8.2014]           zwischen den nationalen Preisniveaus“). Die

                      40
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2014              Wirtschaft,
                                                                                                                                                   Arbeitsmarkt

                                                                       Einwohner lag Hamburg auf Rang 4 vor
            Kaufkraftstandards – berücksichti-                         Bratis­lava in der Slowakei und der französi-
            gen Unterschiede zwischen den                              schen Hauptstadtregion Île de France. Der Re­
            nationalen Preisniveaus                                    gierungsbezirk Oberbayern mit der baye­
                                                                       rischen Landeshauptstadt München belegte
  Der Kaufkraftstandard (KKS) ist eine Kunst-                          mit 42 200 KKS pro Kopf Platz 10, gefolgt
  währung, die aussagekräftigere Volumen­                              von Darm­stadt (40 500 KKS) und Bremen
  vergleiche der Wirtschaftsindikatoren ver­                           (39 700 KKS) auf den Plätzen 12 und 14
  schiedener Regionen ermöglicht. Dabei                                sowie dem Regie­rungsbezirk Stuttgart mit
  wird das jeweils in laufenden Preisen und                            38 000 KKS auf Rang 17.
  nationalen Währungen dargestellte BIP je
  Einwohner mittels den entsprechenden                                 Ebenfalls im Spitzenfeld der 41 Regionen
  Kaufkraftparitäten in KKS umgerechnet,                               mit der höchsten Wirtschaftskraft lagen die
  indem man das Aggregat durch die ent­                                Regierungsbezirke Karlsruhe (34 000 KKS)
  sprechende Kaufkraftparität teilt. Insbe­                            und Tübin­gen (33 300 KKS) auf den Rängen
  sondere auf Basis der KKS wird ein Ver­                              28 und 29. Freiburg belegte mit 30 200 KKS
  gleich des Standes der wirtschaftlichen                              bzw. 120 % des EU-Durchschnitts Platz 53.
  Entwicklung bzw. der Wirtschaftskraft                                Der Südwesten ist somit mit insgesamt drei
  verschieden großer Volkswirtschaften im                              Regierungsbezirken unter den wirtschafts­
  internationalen Vergleich ermöglicht.                                stärksten Regionen der EU gut vertreten
                                                                       (Tabelle).

S1        Regionales BIP pro Kopf in KKS*) in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU28) 2011

   BIP (EU28 = 100)
   350
                                            Hauptstadtregion                        Nationaler Durchschnitt                            Spanne1)

   300

   250

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   *) Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, ausgedrückt in Kaufkraftstandards (KKS), in den 272 NUTS 2-Regionen der EU28. – 1) Die Balken zeigen für jeden Mitgliedstaat den
   Abstand zwischen der Region mit dem niedrigsten Wert und der Region mit dem höchsten Wert.
   Datenquelle: Eurostat.

Statistisches Landesamt Baden-Württemberg                                                                                                                                 661 14

                                                                                                                                                    41
Wirtschaft,              Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2014
       Arbeitsmarkt

             Regionales Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner in der der Europäischen Union (EU28) 2011
   T         Wirtschaftskraft* der baden-württembergischen Regierungsbezirke in der Rangfolge der 272 NUTS 2-Regionen

                                                                   BIP                           BIP je Einwohner
                                                                                                                                            KKS,          Rang, +/-
                       NUTS 2-Region
                                                                                                             KKS, +/-       KKS,            Rang         2011/ 2010
                                                                Mill. EUR        EUR            KKS   1)
                                                                                                            2011/2010     EU28=100

  Inner London (Vereinigtes Königreich)                           276 323         86 000         80 400        +    100          321             1              0

  Luxemburg                                                         41 730        80 300         66 700        + 1 500           266             2              0

  Bruxelles-Capitale (Belgien)                                      69 895        62 000         55 600        +    900          222             3              0

  Hamburg                                                           94 071        52 500         50 700        + 1 100           202             4              0

  Bratislavský kraj (Slowakei)                                      19 021        31 500         46 600        + 3 500           186             5           + 2

  Île de France (Frankreich)                                      608 648         51 200         45 600        + 1 400           182             6            – 1

  Groningen (Niederlande)                                           29 216        50 400         45 600        + 1 500           182             6            – 1

  Stockholm (Schweden)                                            116 569         56 200         43 300        + 2 200           173             8           + 1

  Praha (Tschechische Republik)                                     38 672        31 200         42 900        +    700          171             9           – 1

  Oberbayern                                                      192 397         43 700         42 200        + 2 200           168            10           + 1

  Wien (Österreich)                                                 77 942        45 600         41 300        + 1 000           165            11           – 1

  Darmstadt                                                       160 276         42 000         40 500        + 1 100           162            12           + 1

  North Eastern Scotland (Vereinigtes Königreich)                   20 138        42 700         39 900        +    400          159            13           – 1

  Bremen                                                            27 135        41 100         39 700        +    900          158            14              0

  Hovedstaden (Dänemark)                                            89 604        52 500         38 300        –    100          153            15              0

  Helsinki-Uusimaa (Finnland)                                       71 242        46 200         38 300        +    500          153            15           + 2

  Stuttgart                                                       157 661         39 300         38 000        + 2 800           152            17           + 5

  Karlsruhe                                                         96 563        35 200         34 000        + 1 700           135            28           + 1

  Tübingen                                                          62 350        34 400         33 300        + 2 800           133            29           + 13

  Freiburg                                                          68 817        31 300         30 200        + 3 100           120            53           + 22

  EU28                                                         12 711 918         25 100         25 100        +    600          100             –              –

 *) Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in Kaufkraftstandards (KKS). – 1) Kaufkraftbereinigt: nationale Währung in Kaufkraftstandards (KKS) konvertiert.
 Datenquelle: Eurostat.

                                  Sieben Hauptstadtregionen unter                                     Berlin als einzige EU-Hauptstadtregion
                                  den zehn bestplatzierten Regionen                                   unter der durchschnittlichen Wirtschafts-
                                                                                                      leistung des Landes
                                  Zu den EU-Regionen mit der höchsten Wirt­
                                  schaftskraft zählen vor allem die Hauptstadt­                       Berlin unterscheidet sich dabei von den übrigen
                                  regionen der Mitgliedstaaten. Unter den                             europäischen Hauptstädten: In keinem anderen
                                  zehn führenden Regionen in der Rangfolge                            Mitgliedstaat lag das BIP je Einwohner in der
                                  des regio­nalen BIP pro Kopf waren 2011                             Hauptstadtregion unter der durchschnittlichen
                                  allein sieben Hauptstadtregionen. Hierunter                         Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes. Wäh­
                                  sind auch die drei EU-weit wirtschaftsstärk­                        rend in Deutschland im Jahr 2011 im Durch­
                                  sten Regionen 2011 vertreten. Dies waren                            schnitt ein BIP pro Kopf von 31 900 Euro erzielt
                                  Inner London im Vereinigten Königreich                              wurde, lag es in Berlin bei nur 29 300 Euro je
                                  (80 400 KKS), das Großherzogtum Luxem-                              Einwohner.
                                  burg (66 700 KKS) sowie Brüssel in Belgien
3 Die Île de France stellt
                                  (55 600 KKS je Einwohner). Als nächste Haupt­                       Beim Vergleich des Indikators BIP je Einwohner
  die weitaus größten             stadtregion lag auf Rang 5 Bratislava in der                        ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Höhe
  EU-NUTS 2-Region mit
  einer Gesamtwirt­               Slowakei (46 600 KKS) gefolgt von der Île de                        der Pro-Kopf-Werte insbesondere in den Haupt­
  schaftsleistung im Jahr         France3 mit Paris (45 600 KKS je Einwohner).                        stadtregionen durch die Pendlerströme erheb­
  2011 von rund 608 Mrd.
  Euro. Zum Vergleich: die        Die sechste und siebte Hauptstadtregionen                           lich beeinflusst werden dürfte. Die Nettozahl
  zweitgrößte NUTS 2-Re­          unter den 10 EU-weit Bestplatzierten waren                          der Erwerbstätigen, die täglich zur Arbeit in
  gion ist die Lombardei
  mit der Regionshaupt­           2011 Stockholm in Schweden (43 300 KKS je                           diese Regionen pendeln, trägt somit zwar zur
  stadt Mailand mit einem         Einwohner) und Prag in der Tschechischen                            regionalen Wirtschaftsleistung bei, sind aber
  BIP in Höhe von insge­
  samt 337 Mrd. Euro,             Republik (42 900 KKS) auf den Rängen 8 und 9.                       nicht bei der Wohnbevölkerung der Region
  gefolgt von Inner Lon­                                                                              berücksichtigt, auf die das BIP je Einwohner
                                  Als achte Hauptstadtregion folgte schließlich
  don mit insgesamt
  276 Mrd. Euro.                  Wien (41 300 KKS) auf Rang 11 (Schaubild 2).                        letztendlich bezogen wird. Dies führt dazu, dass

                      42
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2014                  Wirtschaft,
                                                                                                                                                         Arbeitsmarkt

S        Regionales*) Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in der Europäischen Union (EU28) 2011

         EU28-Durchschnitt (25 100 KKS¹ ))=100
             125 und mehr
             100 bis unter 125
              75 bis unter 100
                     unter 75
                                                                                                                                   Finnland

                                                                                                      Schweden
                                                                                                                                    Estland

                                                                                                                                      Lettland

                                                                                     Dänemark                                       Litauen

                                Irland

                                            Großbritannien
                                                                      Niederlande                                         Polen

                                                                                      Deutschland
                                                                      Belgien
                                                                        Luxemburg                        Tschechien
                                                                                                                            Slowakei

                                                                                                       Österreich           Ungarn
                                                         Frankreich                                                                               Rumänien
                                                                                                         Slowenien
                                                                                                                 Kroatien

                                                                                                                                                        Bulgarien
                                                                                                    Italien

         Portugal
                              Spanien

                                                                                                                                            Griechenland

                                                                                                                   Malta

                                                                                                                                                                            Zypern

    *) NUTS-2-Regionen ohne Azoren, Madeira, Kanaren und französische Überseegebiete sowie ohne Ceuta und Melilla. – 1) Kaufkraftbereinigt: nationale Währung in Kaufkraftstandards
     (KKS) konvertiert.

    Datenquelle: EUROSTAT.

                                                                                                                                                                            31-31-14-09M
Statistisches Landesamt Baden-Württemberg                                                                                                    © Kartengrundlage GfK GeoMarketing GmbH
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                                                                                                                                                          43
Wirtschaft,   Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2014
Arbeitsmarkt

                                                                     durchschnitt. Bremen auf Platz 2 lag mit
                          Regionale Wirtschaftskraft und             durchschnittlich 41 100 Euro pro Kopf rund
                          „Pendlerproblem“                           9 200 Euro (29 %) über dem deutschen Durch­
                                                                     schnitt.
                   Die Aussagekraft der Kenngröße „Brut­
                   toinlandsprodukt (BIP) je Einwohner“              Insgesamt sechs der 16 Bundesländer er­
                   für Vergleiche des wirtschaftlichen Ent­          zielten 2011 eine zum Teil deutlich höhere
                   wicklungsstandes unterschiedlich großer           Wirtschaftskraft als der Durchschnitt Deutsch­
                   Regionen wird dadurch relativiert, dass           lands. In Baden-Württemberg übertraf das no­
                   die gesamtwirtschaftliche Leistung in             minale BIP je Einwohner mit rund 35 800 Euro
                   manchen Regionen durch Berufsein­                 den Bundesdurchschnitt um 12 % oder rund
                   pendler auf ein Niveau erhöht wird, das           3 900 Euro. Der Südweststaat wies damit die
                   maßgeblich über der von der ansäs­                dritthöchste Wirtschaftskraft unter den
                   sigen Erwerbsbevölkerung erbrachten               Flächen­ländern auf. Bayern lag 2011 mit rund
                   Wirtschaftsleistung liegt. Die Pendler            36 600 Euro pro Kopf rund 4 700 Euro (15 %)
                   tragen zwar zur regionalen Wirtschafts­           und Hessen mit 37 500 Euro pro Kopf um
                   leistung bei, sind aber nicht bei der             5 600 Euro (18 %) noch deutlicher über dem
                   Wohnbevölkerung der Region berück­                Bundeswert.
                   sichtigt, auf die das BIP je Einwohner
                   bezogen wird. In Regionen mit hohem
                   Einpendlerüberhang, wie beispielsweise            352 Mrd. Euro für Europäische Struktur- und
                   Hamburg oder Bremen, wird das BIP je              Investitionsfonds 2014 – 2020
                   Einwohner im Ländervergleich somit
                   überschätzt und in Regionen mit einem             Das regionale BIP pro Kopf ist jedoch nicht
                   negativen Pendlersaldo tendenziell un­            nur Grundlage für wirtschaftliche Standortver­
                   terschätzt. Grundsätzlich weist diese             gleiche. Nach der Höhe des auf die Zahl der
                   Kennziffer methodische Mängel auf, da             jeweiligen Einwohner bezogenen regionalen
                   nach dem Inlands- (BIP am Arbeitsort)             BIP richtet sich im Rahmen der europäischen
                   bzw. Inländerkonzept (Einwohner am                Kohäsionspolitik nicht zuletzt auch die Vergabe
                   Wohnort) ermittelte Daten aufeinander             von Fördermitteln der EU-Struktur- und Inves­
                   bezogen werden.                                   titionsfonds für Regionen mit Entwicklungs­
                                                                     rückstand.

                                                                     Mit Beginn dieses Jahres hat die neue Förder­
                der Indikator BIP je Einwohner hier tendenziell      periode 2014 – 2020 der Europäischen Struktur-
                zu hoch ausgewiesen und in Regionen mit              und Investitionsfonds (ESI-Fonds) begonnen.
                einem negativen Pendlersaldo eher unterschätzt       Bis 2020 stehen daraus europaweit regionale
                wird (siehe i-Punkt „Regionale Wirtschaftskraft      Fördermittel in Höhe von 351,8 Mrd. Euro zur
                und Pendlerproblem“).                                Verfügung. Rechtliche Grundlage ist die Ver­
                                                                     ordnung (EU) Nr. 1303/2013 mit gemeinsamen
                                                                     Bestimmungen unter anderem zu den Euro­
                Baden-Württemberg mit dritthöchster                  päischen Fonds für regionale Entwicklung
                Wirtschaftskraft unter den Flächenländern            (EFRE), den Europäischen Sozialfonds (EFS)
                                                                     und den Kohäsionsfonds, die mit ihrer Ver­
                In Deutschland ist zwischen den Bundesländern        öffentlichung im Amtsblatt der Europäischen
                ein ausgeprägtes Regionalgefälle der Wirt­           Union am 20. Dezember 2013 in Kraft getreten
                schaftskraft zu beobachten. So bewegte sich          ist. Als wesentliche Ziele sollen Wettbewerbs­
                im Jahr 2011 das BIP pro Kopf in jeweiligen          fähigkeit, Wirtschaftswachstum und Beschäfti­
                Preisen im Vergleich zum gesamtdeutschen             gung vor allem in den weniger weit entwickel­
                Durchschnitt in Höhe von 31 900 Euro je Ein­         ten Regionen Europas gesteigert sowie not-
                wohner in einer Spanne von 68 % in Mecklen­          wendige Reformen in den Mitgliedstaaten
                burg-Vorpommern (21 800 Euro) bis zu 165 %           unterstützt werden.
                in Hamburg. Das mit Abstand höchste BIP je
                Einwohner wiesen damit die Stadtstaaten              Die Fördermittel für das Ziel „Investitionen in
                Hamburg und Bremen auf, was aber auch auf            Wachstum und Beschäftigung“ werden dabei
                deren hohen Einpendlerüberhang zurückzu­             den folgenden drei Regionalkategorien auf
                führen ist. Hamburg an der Spitze der Bundes­        NUTS 2-Ebene zugewiesen:
                länder, als Dienstleistungsmetropole Nord­
                deutschlands, erwirtschaftete im Jahr 2011           a) weniger entwickelten Regionen, deren BIP
                ein BIP je Einwohner von rund 52 500 Euro,              pro Kopf unter 75 % des durchschnittlichen
                immerhin 20 600 Euro mehr als im Bundes­                BIP pro Kopf der EU27 liegt;

         44
Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2014   Wirtschaft,
                                                                                                               Arbeitsmarkt

b) Übergangsregionen, deren BIP pro Kopf          NUTS 2­Region Lüneburg. Alle anderen deut­
   zwischen 75 und 90 % des EU­Durchschnitts      schen Regionen sind als stärker entwickelte
   beträgt; und den                               Regionen eingeordnet.

c) stärker entwickelten Regionen mit einem        Aus den ESI­Fonds erhält Deutschland in der
   BIP pro Kopf über 90 % des EU27­Durch­         kommenden Förderperiode 2014 – 2020 insge­
   schnitts.                                      samt 27,5 Mrd. Euro, davon aus dem Europä­
                                                  ischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)
Die Klassifizierung in eine der drei Kategorien   und dem Europäischen Sozialfonds (ESF)
erfolgt dabei nach dem Verhältnis des BIP         zusammen 19,2 Mrd. Euro. Hiervon stehen
pro Kopf jeder Region zum durchschnitt­           ca. 9,8 Mrd. Euro für die Übergangsregionen
lichen BIP der EU27. Das BIP wird dabei ge­       zur Verfügung und 8,5 Mrd. Euro für die stärker
messen in Kaufkraftparitäten (KKS) und be­        entwickelten Regionen. Laut Bundesministerium
rechnet anhand der EU­Daten der regionalen        für Wirtschaft und Energie (BMWi) stellen die
Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen            Fördermittel aus den ESI­Fonds damit auch
(VGR) für den Zeitraum 2007 bis 2009. Be­         künftig die wichtigste Quelle für Strukturmaß­
rechnungsgrundlage des BIP pro Kopf der           nahmen in Deutschland dar.4
NUTS 2­Regionen in Deutschland waren die
vom Arbeitskreis VGR der Länder erstellten
                                                                                                               4 Europa: Solidarisch.
regionalen BIP­Daten. Als Übergangsregi­                                                                         Innovativ. Fokussiert.
onen klassifiziert wurden demnach Branden­                                                                       Europäische Struktur­
                                                                                                                 und Investitionsfonds
burg, Mecklenburg­Vorpommern, Sachsen             Weitere Auskünfte erteilt                                      2014 – 2020; Bundesmi­
                                                                                                                 nisterium für Wirtschaft
(Dresden und Chemnitz, ohne Leipzig),             Dr. Frank Thalheimer, Telefon 0711/641­26 50,                  und Energie (BMWi),
Sachsen­Anhalt und Thüringen sowie die            Frank.Thalheimer@stala.bwl.de                                  Mai 2014.

   kurz notiert ...

Die internationale Bodenseeregion in Zahlen       und die kreisfreie Stadt Kempten, das öster­
– Neuauflage 2014                                 reichische Bundesland Vorarlberg, das Für­
                                                  stentum Liechtenstein sowie die Schweizer
Wer aktuelles Zahlenmaterial zum Bodensee­        Kantone Schaffhausen, Zürich, Thurgau,
raum sucht, dem bietet das Faltblatt „Die in­     St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und
ternationale Bodenseeregion in Zahlen“ eine       Appenzell Innerrhoden.
interessante Fundgrube. Darin werden Zu­
stand und Entwicklung der Grenzregion an­         Erarbeitet wurde das Faltblatt von Statistik­
hand von Kennziffern zu Bevölkerung, Wirt­        ämtern aus Liechtenstein, dem Vorarlberg
schaft, Tourismus und Bildung anschaulich         (Österreich), Bayern, Baden­Württemberg
dargestellt.                                      und der fünf Schweizer Kantone unter Feder­
                                                  führung der Fachstelle für Statistik des Kan­
Dem Faltblatt ist beispielsweise zu entneh­       tons St. Gallen.
men, dass die Bevölkerung in der Bodensee­
region zwischen 2000 und 2012 um knapp 9 %        Ergänzend zum Faltblatt bietet die Internet­
auf 3,9 Mill. Einwohner gewachsen ist und bis     plattform „Statistik für die Bodenseeregion“
2020 ein Anstieg um weitere 4 % erwartet          (www.statistik-bodensee.org) Karten, Daten
wird. Dagegen ist die Zahl der unter 20­Jäh­      und vertiefende Analysen zu diesen und wei­
rigen zwischen 2000 und 2012 von 830 000          teren Themenbereichen. Hierzu gehören die
auf 788 000 zurückgegangen. Gestiegen ist         besonders aktuellen Daten zum Arbeitsmarkt.
2011 die Anzahl der in der Bodenseeregion         Unter dem Menüpunkt Arbeitslosigkeit/Daten
Erwerbstätigen, und zwar um 1,4 % gegen­          sind Monatszahlen zur Arbeitslosigkeit schon
über dem Vorjahr. Diese erwirtschafteten ein      wenige Wochen nach Ende des Berichtsmo­
Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 205 Mrd. Euro      nats zu erhalten.
bzw. 253 Mrd. Schweizer Franken, was mehr
ist als das nationale BIP eines mittleren euro­   Die Statistikplattform Bodensee, an der sich
päischen Landes wie zum Beispiel Finnland.        das Statistische Landesamt Baden­Württem­
                                                  berg beteiligt, ist ein Projekt der Internationa­
Zur Bodenseeregion gehören die deutschen          len Bodensee Konferenz (IBK), gefördert von
Landkreise Konstanz, Sigmaringen, Boden­          der Europäischen Union im Rahmen des Regi­
seekreis, Ravensburg, Lindau, Oberallgäu          onalprogramms Interreg IV.

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