Balanced Approach Spektrum Umwelt 10 2012
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Spektrum Umwelt 10 2012 Balanced Approach Aufgaben und Lösungsoptionen für das Fluglärm-Management am Beispiel des Flughafens Frankfurt
Balanced Approach 2 Inhaltsverzeichnis Wachstumschancen nutzen. Fluglärm reduzieren ......................................................... 3 1. Grundlagen und Methodik: Der Balanced Approach der International Civil Aviation Organization (ICAO) .................................................. 6 1.1 Zur Geschichte der ICAO ............................................................................................ 6 1.2 Zur Entwicklung des Balanced Approach .................................................................... 7 1.3 Das Konzept des Balanced Approach .......................................................................... 8 1.4 Die vier Hauptelemente des Balanced Approach zur Lösung der Fluglärmproblematik .................................................................................................. 9 1.5 Der Balanced Approach aus Sicht der Flughäfen ....................................................... 14 2. Europäische und nationale Gesetzgebung: Der rechtliche Rahmen zur Fluglärmreduzierung an deutschen Flughäfen .............................................. 18 2.1 Die Richtlinie 2002/30/EG der Europäischen Union .................................................. 18 2.2 Relevante deutsche Gesetzgebung: Luftverkehrsgesetz und Fluglärmschutzgesetz .. 19 3. Fluglärm-Management am Flughafen Frankfurt .................................................... 23 3.1 Balanced Approach und das Fluglärm-Management der Fraport AG ........................ 23 3.2 Balanced Approach Hauptelement 1 am Flughafen Frankfurt ................................... 24 3.3 Balanced Approach Hauptelement 2 am Flughafen Frankfurt ................................... 27 3.4 Balanced Approach Hauptelement 3 am Flughafen Frankfurt ................................... 33 3.5 Balanced Approach Hauptelement 4 am Flughafen Frankfurt ................................... 45 3.6 Lärmschutzmaßnahmen des Balanced Approach außerhalb der vier Hauptelemente .................................................................................................. 46 4. Neue Ansatzpunkte und Perspektiven ................................................................... 52 4.1 Ansätze zu zukünftigen Lärmreduzierungsmaßnahmen im Rahmen des Balanced Approach ................................................................................................... 52 4.2 Lärmreduzierung durch intermodale Verkehrsvernetzung ........................................ 55 4.3 Chancen und Probleme des Fluglärm-Exports .......................................................... 56 4.4 Längerfristige Perspektiven für das Fluglärm-Management an den europäischen Flughäfen ..................................................................................... 57
Balanced Approach 3 Wachstumschancen nutzen. Fluglärm reduzieren Wirtschaft, Entwicklung und interkultureller Austausch in der Welt des 21. Jahrhunderts sind ohne den Luftverkehr nicht denkbar. Durch ihn ist die globale Mobilität von Menschen und Gütern, die für uns heute selbstverständlich ist, erst möglich geworden. Die herausragende Bedeutung des internationalen Luftverkehrs wird auf den ersten Blick an den Flughäfen sichtbar. Das zeigt sich insbesondere an den großen Hub-Airports. Diese Großflughäfen sind die Drehkreuze und Zentren im internationalen Luftverkehr. Sie vernetzen nationale, kontinentale und interkontinentale Flugverbindungen und stellen Schnittstellen zwischen den Verkehrssystemen Luftfahrt, Schiene und Straße her. Einige dieser Hub-Airports – so auch der Flughafen Frankfurt – entwickeln sich gegenwärtig zu Mega-Hubs. Dabei entstehen neuartige Global Cities, die von der umgebenden Region und der betreffenden Nation als „Tor zur Welt“ und zugleich als Wirtschaftsstandort genutzt werden. Von hier aus ist praktisch jeder wichtige Ort der Erde innerhalb weniger Stunden erreichbar. Das ist für Geschäftsreisende wie auch für eine wachsende Zahl von Privatleuten, die aus familiären oder touristischen Gründen international unterwegs sind, von erstrangiger Bedeutung. Die großen Hub-Airports fungieren zusätzlich auch als Luftfrachtdrehscheiben und als Knotenpunkte der weltweiten Logistikströme, der sogenannten supply chains. Im Zeitalter der globalen Arbeitsteilung, der Internationalisierung der Arbeitsmärkte und des immer engeren ökonomischen und kulturellen Zusammenwachsens unseres Planeten stellen solche Flughäfen einen essentiellen Standortvorteil dar. Der Flughafen Frankfurt trägt mit seiner anerkannt effizienten Infrastruktur entscheidend zur Dynamik der exportorientierten deutschen Volkswirtschaft bei, stärkt die Wettbewerbsposition der in der Region Rhein-Main ansässigen Unternehmen und sorgt für Arbeitsplätze am Flughafen selbst und weit darüber hinaus. Mit derzeit zirka 75.000 Beschäftigten ist er die größte nationale Arbeitsstätte. Auf jeden Arbeitsplatz am Flughafen kommen darüber hinaus zwei weitere Arbeitsplätze in der Region. Für das Umland sind das klare wirtschaftliche Pluspunkte. Und für die Anwohner bedeutet das gute und sichere Jobs. Alle diese unbestreitbaren Vorteile haben allerdings ihren Preis: Das hohe und weiterhin wachsende Luftverkehrsaufkommen ist mit ökologischen Belastungen verbunden, die sich betriebsbedingt an den Flughäfen konzentrieren. Das gilt an erster Stelle für den Fluglärm, der während der An- und Abflüge von Flugzeugen in die Nachbarschaft von Flughäfen emittiert wird und den die dort lebenden Anwohner als Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität und Gesundheit ansehen.
Balanced Approach 4 Es gibt also einen Grundkonflikt - zwischen dem hohen und nach wie vor zunehmenden ökonomischen Nutzen von großen Hub-Airports und - den durch das wachsende Verkehrsaufkommen verursachten ökologischen Belastungen insbesondere durch den Fluglärm. Dieser Konflikt ist nicht neu: Er hat in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten vielerorts zu einer kritischen Stimmung und zum Teil massiven Protesten gegen einzelne Flughäfen und deren Ausbauplanungen geführt. Eine Folge davon war und ist, dass wichtige Flughäfen seit vielen Jahren mit Kapazitätsengpässen zu kämpfen haben, und dadurch das Wachstum des Luftverkehrs direkt beeinträchtigt wird. Das Beispiel von London Heathrow – dem aktuell verkehrsreichsten Flughafen Europas – zeigt, wie aufgrund hoher Fluglärmbelastung auch die Wettbewerbsposition eines bedeutenden Hub-Airports beeinträchtigt werden kann: Die Passagierzahlen in Heathrow stagnieren, weil sich der Bau einer weiteren Bahn aufgrund der Umweltauswirkungen politisch zurzeit nicht durchsetzen lässt. Das Thema Fluglärm ist also für Flughäfen von erstrangiger Relevanz. Abgesehen davon, führt in einer demokratischen Gesellschaft an einer nachhaltigen Lösung des Fluglärmproblems kein Weg vorbei: Wenn die Flughäfen wie auch die Luftverkehrsindustrie als Ganze es nicht schaffen, den Fluglärm in den Griff zu bekommen, ist auf Dauer ihre „licence to grow“ gefährdet – mit allen hieraus erwachsenden Konsequenzen für Mobilität und Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund befasst sich die für die weltweite Zivilluftfahrt zuständige Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die International Civil Aviation Organization (ICAO), seit Jahren mit einem effektiven Lösungsansatz zur Fluglärmproblematik. Mit dem Balanced Approach hat die ICAO einen Prozess entwickelt, mit dem der Zielkonflikt zwischen Flugbetrieb und Fluglärm langfristig und nachhaltig entschärft werden kann und die weitere Kapazitätsentwicklung der Flughäfen sichergestellt werden soll. Die Maßnahmen des Balanced Approach zielen auf Regelungen, die einen vernünftigen Ausgleich zwischen der weiteren Entwicklung des Luftverkehrs einerseits sowie dem notwendigen Schutz der Bewohner vor Fluglärm im Umfeld von Flughäfen andererseits ermöglichen. In der vorliegenden Broschüre möchten wir zeigen, - wie der Balanced Approach entstanden ist und weiterentwickelt wurde, - welche technischen und operativen Maßnahmen er umfasst, - welche rechtlichen Konsequenzen mit ihm verbunden sind und - wie er durch das Fluglärm-Management am Flughafen Frankfurt aufgegriffen wurde und wird.
Balanced Approach 5 Der Balanced Approach wird in Zukunft stärker als schon bisher in die Rechtsvorschriften der EU zum Fluglärmschutz einfließen. Es ist davon auszugehen, dass er sowohl die Gesetzgebung wie auch den öffentlichen Diskurs zu diesem brisanten Thema in Deutschland in wachsendem Maß beeinflussen wird. Auch unter diesem Aspekt erscheint es uns sinnvoll, sich genauer mit ihm zu befassen. Frankfurt am Main, im Oktober 2012
Balanced Approach 6 1. Grundlagen und Methodik: Der Balanced Approach der International Civil Aviation Organization (ICAO) Der Balanced Approach für das Fluglärm-Management wurde von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO entwickelt. Diese Sonderorganisation der Vereinten Nationen legt verbindliche Standards zu Sicherheit, Betrieb und Umweltschutz der weltweiten Luftfahrt fest. Der Balanced Approach beschreibt einen Prozess mit vier Hauptelementen, die von den Stakeholdern der Luftverkehrswirtschaft mit dem Ziel der Reduzierung von Fluglärm im Umfeld von Flughäfen umgesetzt werden sollen. 1.1 Zur Geschichte der ICAO Am 7. Dezember 1944 – also noch während des Zweiten Weltkriegs – wurde in Chicago von 52 Staaten das Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt unterzeichnet. Damit wurde das internationale Luftverkehrsrecht auf eine neue völkerrechtliche Grundlage gestellt. Gleichzeitig wurde das Gründungsdokument der UN-Sonderorganisation International Civil Aviation Organization (ICAO) von zunächst 26 Staaten ratifiziert. Bis heute sind insgesamt 190 Staaten der Chicago Convention und der ICAO beigetreten. Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich, die von der ICAO vorgegeben Normen und Verfahren für die Zivilluftfahrt auf ihrem Hoheitsgebiet umzusetzen. Dabei sind abweichende Regelungen möglich, die allerdings der ICAO mitgeteilt werden müssen. Die technischen Details des Flugbetriebs wie zum Beispiel Luftfahrtregeln, Funkverkehr oder Flugzeugsicherheit werden nicht im Abkommen selbst, sondern in 18 Anhängen (Annexes) geregelt, die integrale Bestandteile des Abkommens sind. So befasst sich der Annex 16 Volume I Aircraft Noise mit der Zertifizierung der Lärmemission einzelner Flugzeugtypen sowie weiteren Maßnahmen zum Fluglärm-Management. Mit dem 2001 vorgestellten Balanced Approach ist es der ICAO gelungen, ungeachtet einiger hier nicht aufgegriffener Themenkomplexe (wie zum Beispiel Fluglärmmessung oder Intermodalität) ein konsistentes und praktikables Regelwerk für das Fluglärm- Management zu schaffen, das einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, die Effizienz und Umweltverträglichkeit des weltweiten Luftverkehrs über nationale Grenzen und Kontinente hinweg zu gewährleisten.
Balanced Approach 7 1.2 Zur Entwicklung des Balanced Approach Federführend bei der Entwicklung des Balanced Approach im Rahmen der ICAO war das Committee on Aviation Environmental Protection (CAEP). In diesem 1983 gegründeten Komitee werden ein Großteil der Empfehlungen und Vorgaben zu den Umweltschutzaktivitäten der internationalen Luftverkehrswirtschaft vorbereitet, diskutiert und ausformuliert und im Anschluss daran der ICAO zur Verabschiedung vorgeschlagen. Im CAEP sind 23 Staaten – darunter auch Deutschland – als Mitglieder vertreten. Darüber hinaus nehmen weitere Staaten sowie die wichtigsten internationale Verbände der Luftverkehrsindustrie einen Beobachterstatus ein. Zu letzteren zählen etwa der Flughafen- Verband Airports Council International (ACI), der Airline-Verband International Air Transport Association (IATA), die internationale Flugsicherungsorganisation Civil Air Navigation Services Organisation (CANSO), die europäische Flugsicherungsbehörde EUROCONTROL und die einflussreiche US-amerikanische Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA). Ein wesentliches Motiv zur Entwicklung und Einführung des Balanced Approach war die Einsicht der im CAEP vertretenen Experten, dass die schrittweise Verschärfung der Lärmstandards für die Zertifizierung von Flugzeugen durch die ICAO (von Chapter 2 zu Chapter 3 und Chapter 4) allein nicht ausreicht, um das Lärmproblem der Flughäfen weltweit zu lösen. Gleichzeitig wuchsen auch die Bedenken, dass die Anwendung unkoordinierter Lärmschutzmaßnahmen an einzelnen Flughäfen zu fortlaufenden Streitigkeiten zwischen den Stakeholdern der Luftverkehrsindustrie (insbesondere Flughafen-Betreiber und Luftverkehrsgesellschaften) sowie den am Luftverkehr beteiligten Ländern führen würde. Auf Basis der Vorarbeiten des CAEP wurde der Balanced Approach mit der Resolution A33-7 von der Vollversammlung der ICAO im Jahr 2001 als international verbindliche Politik zum Fluglärm-Management verabschiedet. In den Jahren 2004 und 2007 wurden in weiteren ICAO-Versammlungen der methodische Ansatz und seine Grundsätze nochmals bekräftigt (Resolution A35-5 und A36-22). Die Mitgliedstaaten wurden darauf hingewiesen, dass sie sich vertraglich dazu verpflichtet haben, die von der ICAO verabschiedeten Vorgaben und Prozesse bei der Entwicklung ihrer Problemlösungen und gesetzlichen Regelungen im Bereich Fluglärm-Management umzusetzen. Da der Balanced Approach in Annex 16, Vol. 1, Part 5 beschrieben wird, ist er für die Unterzeichnerstaaten bindend.
Balanced Approach 8 1.3 Das Konzept des Balanced Approach Das Gesamtkonzept des „Balanced Approach“ wird im Document 9829 (AN/451) der ICAO dargestellt. Das Dokument trägt den Titel Guidance on the Balanced Approach to Aircraft Noise Management (Leitlinien zum Balanced Approach für das Fluglärm- Management). Es beschreibt einen systematischen und transparenten Prozess, der dem Fluglärm-Management an den Flughäfen der ICAO-Unterzeichnerstaaten ein Bündel wirkungsvoller Maßnahmen (die sogenannten Hauptelemente des Balanced Approach) an die Hand gibt, das an den Flughäfen gemäß den dort vorzufindenden spezifischen Bedingungen zur Lärmreduzierung und Lärmvermeidung umgesetzt werden soll. Die operative Umsetzung der im Document 9829 dargestellten Maßnahmen beziehungsweise Hauptelemente des Balanced Approach werden in speziellen, dafür vorgesehenen Dokumenten der ICAO dargestellt. Sie sind im Annex 16: Environmental Protection Volume I Aircraft Noise enthalten. Diese Dokumente – und mit ihnen der Balanced Approach – sind damit für die Luftverkehrsindustrie der ICAO-Mitgliedstaaten ebenso verbindlich wie zum Beispiel die Regelungen in Annex 6: Operation of Aircraft oder Annex 14: Aerodromes, die insgesamt eine international einheitliche Handhabung und Organisation der wichtigsten operativen Aspekte des internationalen Luftverkehrs ermöglichen. Seit November 2011 findet das Document 9829 AN/451 auch im überarbeiteten Vorwort von Annex 16 Erwähnung. Das ist von Bedeutung, weil dadurch der rechtliche Status dieses Dokuments gegenüber den Mitgliedstaaten der ICAO weiter an Gewicht gewinnt. Abbildung 1: ICAO, Doc 9829
Balanced Approach 9 Der Balanced Approach ist ausdrücklich als airport-by-airport approach konzipiert. Damit wird sichergestellt, dass an dem betreffenden Flughafen alle nötigen und geeigneten Maßnahmen zur Vermeidung und Reduktion von Fluglärm entsprechend den Prämissen der Flugsicherheit (safety first) sowie der individuellen Situation vor Ort wirkungsvoll kombiniert und umgesetzt werden können. Gleichzeitig verfolgt dieses Konzept aber auch das Ziel, den Flugbetrieb einschließlich des Nachtflugbetriebs nach Möglichkeit nicht einzuschränken, Kapazitätsengpässe an Flughäfen zu vermeiden und ihre weitere Kapazitätsentwicklung zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund umfasst der durch die Zulassungsbehörde des jeweiligen Flughafens umzusetzende Prozess des Balanced Approach sechs Schritte: 1. Einschätzung und Beurteilung der gegenwärtigen und zukünftigen Lärmsituation am Flughafen und Abgleichung dieser Ergebnisse mit den angestrebten Lärmschutzzielen 2. Ermittlung der vermutlichen Nutzeffekte und Kosten der einzelnen Lärmschutzmaßnahmen 3. Auswahl von Maßnahmen mit dem Ziel, wirksame Lärmminderungs- und Lärmvermeidungseffekte zu den günstigsten Kosten umzusetzen 4. Transparente Bereitstellung der Untersuchungsergebnisse 5. Berücksichtigung der Ergebnisse der Abstimmungsprozesse mit den Stakeholdern des Flughafens während aller Phasen von der ersten Einschätzung bis zur Implementierung von Maßnahmen 6. Berücksichtigung von strittigen Einschätzungen Der Balanced Approach zieht also sowohl ökologische Notwendigkeiten (Fluglärm- reduzierung und -vermeidung) als auch die damit verbundenen Kosten sowie die einhergehenden Interessen und Interessenskonflikte der Stakeholder (Flughafen-Betreiber und Luftverkehrsgesellschaften sowie Flugsicherung, Aufsichtsbehörden, Gemeinden in der Nachbarschaft und Flughafen-Anrainer) in Betracht und wägt sie gegeneinander ab. Erst auf Grundlage dieser Abwägung sollten dann die geeigneten Maßnahmen umgesetzt werden. 1.4 Die vier Hauptelemente des Balanced Approach zur Lösung der Fluglärmproblematik Kernstück des Balanced Approach für ein wirkungsvolles Fluglärm-Management sind vier Maßnahmenbündel, die als principal elements beziehungsweise Hauptelemente bezeichnet werden:
Balanced Approach 10 1. Lärmreduzierung an der Quelle 2. Optimale Flächennutzung 3. Flugbetriebliche Verfahren zur Lärmreduzierung 4. Lärmbedingte Betriebsbeschränkungen Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die ersten drei Hauptelemente unter methodischen Gesichtspunkten einen höheren Status einnehmen als das vierte Hauptelement „Lärmbedingte Betriebsbeschränkungen“. Die aus den ersten drei Hauptelementen abgeleiteten Maßnahmen haben Priorität, wohingegen Betriebsbeschränkungen (also zum Beispiel Flugverbote für bestimmte Flugzeugtypen oder auch Nachtflugverbote) als ultima ratio gesehen werden. Ihre Anwendung soll nur erfolgen, wenn alle anderen Maßnahmen beziehungsweise deren Kombination nicht greifen. Das Document 9829 (Chapter 7.1.3) führt hierzu aus: „In Anbetracht der spezifischen Lärmsituation eines Flughafens können Betriebsbeschränkungen Teil der Maßnahmen sein, die zur Linderung des Lärmproblems beitragen. Die ICAO bestärkt die Staaten jedoch darin, Betriebsbeschränkungen nicht an erster Stelle zu erlassen, sondern sie nur nach Abwägung der Lösungen in Betracht zu ziehen, die aus den drei anderen Hauptelementen des Balanced Approach erwachsen.“ („According to the identified noise problem at an airport, operating restrictions may be part of the set of measures to be implementated to alleviate the noise problem. However, ICAO encourages States not to apply operation restrictions as a first resort, but only after consideration of the benefits to be gaines from the other three pricipal elements of the Balanced Approach“.) 1.4.1 Hauptelement 1 > Lärmreduzierung an der Quelle Ein Großteil der Anstrengungen der ICAO, das Fluglärmproblem in den Griff zu bekommen, zielt auf die Reduzierung des Fluglärms an der Quelle – also direkt am Flugzeug. Hierzu werden seitens der ICAO Lärmzertifizierungen in Form von Musterzulassungen durchgeführt, bei denen die im zivilen Luftverkehr eingesetzten Flugzeugtypen bestimmte Lärmstandards erfüllen müssen. Eine Zertifizierung erfolgt unter der Voraussetzung, dass das Flugzeug an drei definierten Messpunkten – beim Startüberflug, beim Abflug seitlich der Startbahn und im Anflug – die vorgegebenen Lärmgrenzwerte einhält. Praktisch alle heute eingesetzten Luftfahrzeuge der weltweiten Zivilluftfahrt sind nach insgesamt 11 Chapters – Lärmstandards – zertifiziert, die im ICAO- Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt, Annex 16, Vol. I, Part 2 dokumentiert sind. Relevant für größere Flughäfen und die Hub-Airports sind momentan vor allem die Flugzeuge, die nach Chapter 3 und Chapter 4 zertifiziert sind. Hierbei handelt es sich um Strahlflugzeuge beziehungsweise Jets und große Propellerflugzeuge, mit denen gegenwärtig der internationale Luftverkehr abgewickelt wird. Während der letzten vier Jahrzehnte wurden die Lärm-Standards der ICAO zunehmend verschärft: Neue Flugzeuge sind heute auch deshalb wesentlich leiser als ihre Vorgänger.
Balanced Approach 11 Die erste Generation der Passagier-Jet-Flugzeuge wie Boeing 707, Douglas DC-8 oder Caravelle fiel noch nicht unter Annex 16. Diese Flugzeugtypen waren extrem laut und ein wesentlicher Grund dafür, dass die Lärmzertifizierung überhaupt eingeführt wurde. Die ersten verbindlichen Richtwerte wurden 1971 in Chapter 2 festgelegt und definierten die Lärmstandards für Flugzeuge wie Boeing 727 und Douglas DC-9, die vor 1977 in Betrieb gingen. 1990 wurde vereinbart, Chapter 2-Flugzeuge bis 2002 in den wichtigsten westlichen Industrieländern außer Dienst zu stellen. Von Ausnahmen abgesehen, ist ihr Einsatz seit dem 1. April 2002 unter anderem an den Flughäfen der Europäischen Union untersagt. Mit Chapter 3 wurden ab 1979 die Anforderungen erhöht: Flugzeuge wie die neueren Modellreihen der Boeing 737 oder Airbus A319 sind deutlich leiser als ihre Vorgänger mit Chapter-2-Klassifizierung. 2001 wurde vom CAEP das neue Chapter 4 vorgestellt, das die Standards ein weiteres Mal verschärft und seit Januar 2006 gültig ist: Alle neu zugelassenen Prototypen wie zum Beispiel der Airbus A380 müssen von diesem Zeitpunkt an die Anforderungen nach Chapter 4 erfüllen. Viele neuere Flugzeugmuster erfüllen übrigens, selbst wenn sie noch nach Chapter 3 zugelassen sind, bereits die Anforderungen von Chapter 4. Mittlerweile verkehren am Flughafen Frankfurt fast ausnahmslos Flugzeuge, die mindestens über eine Lärmzulassung gemäß Chapter 3 verfügen. In den letzten 40 Jahren sind die Flugzeuge so im Durchschnitt um 20 dB(A) leiser geworden. Da eine Minderung um 10 dB(A) einer Halbierung des empfundenen Lärms entspricht, bedeutet dies eine Minderung des Lärmeidrucks des einzelnen Flugereignisses um zirka 75 Prozent. Neben leiseren Triebwerken sorgen auch aerodynamische Verbesserungen an Rumpf, Flügeln und Fahrwerk für eine Reduzierung der Flugzeuggeräusche. Die wachsenden technischen Anforderungen im Zuge der weiteren Lärmreduzierung bei Triebwerken wurden in den letzten Jahren sichtbar: Die Aufgabe ist es, die Lärmemis- sionen weiter zu reduzieren, zugleich eine Minderung des Treibstoffverbrauchs und damit des CO2-Ausstoßes zu erreichen und zudem den Ausstoß von Luftschadstoffen wie NOx zu verringern. Die Hersteller arbeiten intensiv daran, dass Flugzeugtriebwerke mit jeder neuen Generation dieses differenzierte Anforderungsprofil trotz der damit verbundenen Zielkonflikte noch besser erfüllen. 1.4.2 Hauptelement 2 > Optimale Flächennutzung Eine professionell geplante und effizient gemanagte Flächennutzung im Umfeld eines Flughafens ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, die Lebensqualität der hier ansässigen Menschen mit den Erfordernissen des Luftverkehrs in Einklang zu bringen. Insbesondere im Hinblick auf die Lärmbelastung der Anwohner lassen sich mithilfe eines umsichtigen Flächennutzungsmanagements wirksame Entlastungseffekte erzielen. Auf diesem Weg kann unter anderem verhindert werden, dass die Fortschritte bei der
Balanced Approach 12 Entwicklung neuer und leiserer Flugzeugtypen nach Chapter 4 durch eine verfehlte Siedlungspolitik konterkariert werden. Die ICAO-Richtlinien zur Durchführung dieses zweiten Hauptelements des „Balanced Approach“ finden sich in Annex 16, Volume I, Part IV sowie im Airport Planning Manual, Part 2 — Land Use and Environmental Control (Doc 9184). Darüber hinaus empfiehlt die ICAO die Umsetzung der Methodik, die im Dokument Recommended Method for Computing Noise Contours around Airports (Circular 205) dargestellt wird. Durch die hier beschriebene Modellrechnung für die Ermittlung von Lärmkonturen im Umland eines Flughafens wird es möglich, effiziente Maßnahmen zum Passiven Schallschutz (zum Beispiel Schallisolierung an Gebäuden) und Aktiven Schallschutz (zum Beispiel lärmoptimierte Flugrouten) zu planen und umzusetzen. Zum Instrumentarium des zweiten Hauptelements zählen 1. Instrumente zur Flächenplanung und -nutzung 2. Instrumente zur Lärmminderung 3. Finanzielle Instrumente Bei der (1) Flächenplanung und -nutzung im Umfeld von Flughäfen geht es vorrangig darum, die weitere Entwicklung des Flughafens und seiner Region sicherzustellen und dabei die notwendigen Planungsmaßnahmen zum Lärmschutz – zum Beispiel durch Ausweisung von Lärmschutzzonen – vorzunehmen und durchzusetzen. Instrumente zur Lärmminderung (2) betreffen den Bereich Passiver Schallschutz – zum Beispiel bauliche Schallisolierung an Gebäuden oder den Erlass von Bauverbotszonen (zum Beispiel im Fluglärmschutzgesetz). Zu den finanziellen Instrumenten (3) zählen Programme zum Aufkauf von besonders lärmbelasteten Immobilien durch den Flughafen-Betreiber oder staatliche Stellen, aber auch die Implementierung von Lärmkomponenten als Bestandteil der Flughafen-Entgelte. Vorschläge zur Ausgestaltung der Lärmkomponente von Flughafen-Entgelten sind in den ICAO-Publikationen Doc 9082/6, Doc 9562 und Doc 7100 enthalten. Bei der Betrachtung des zweiten Hauptelements des „Balanced Approach“ muss klar sein, dass in diesem Fall der betreffende Flughafen häufig nicht als Hauptakteur auftritt: So fällt etwa die Flächenplanung im Umfeld von Flughäfen – wie das unter anderem auch in Deutschland der Fall ist – in aller Regel in die Kompetenz der hierfür zuständigen staatlichen Stellen und Behörden. 1.4.3 Hauptelement 3 > Flugbetriebliche Verfahren zur Lärmreduzierung Durch die Anwendung lärmoptimierter Flugverfahren können in der Nachbarschaft von Flughäfen unter Umständen deutliche Fluglärmreduzierungen erreicht werden. Zu derartigen Maßnahmen zählen unter anderem lärmoptimierte Abflug- oder
Balanced Approach 13 Anflugverfahren (zum Beispiel Continuous Descent Operations [CDO]; früher: Continuous Descent Approach [CDA]). Welche Verfahren sich im Einzelnen für welchen Flughafen eignen, hängt von dessen Bahnsystem, der Art und Dichte der Besiedelung seiner näheren und weiteren Umgebung und den jeweiligen topografischen Gegebenheiten ab. In Deutschland werden lärmoptimierte Flugverfahren unter dem Begriff Aktiver Schallschutz zusammengefasst. Da diese Maßnahmen direkt die Flugzeugführung und -navigation betreffen, spielen bei ihrer Anwendung und Umsetzung Flugsicherheitsaspekte eine erstrangige Rolle. Zuständig sind in diesem Fall die mit der Flugsicherheit befassten Stellen – also etwa in Deutschland die Deutsche Flugsicherung (DFS) sowie das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF). Die ICAO hat die von ihr vorgegebenen Maßnahmen und Möglichkeiten in diesem Bereich im Annex 16, Volume I, Part V sowie im Dokument Procedures for Air Navigation Services — Aircraft Operations (PANS-OPS, Doc 8168), Volume I — Flight Procedures, Part V beschrieben. Weitere Informationen zu diesem Thema enthält das ICAO Doc. 9888 - Review of noise abatement research and development and implementation projects. Das dritte Hauptelement des Balanced Approach wird entsprechend dem aktuellen Stand der Technik – zum Beispiel neue Navigations- und Kommunikationsmittel – von den Experten des CAEP permanent überarbeitet und optimiert. 1.4.4 Hauptelement 4 > Lärmbedingte Betriebsbeschränkungen Das wachsende Verkehrsaufkommen und die zunehmend verschärfte Lärmproblematik an vielen Flughäfen führten ab den 1980er-Jahren dazu, dass in einigen Ländern der Betrieb lärmintensiver Flugzeugtypen an besonders lärmbelasteten Flughäfen und hier insbesondere während der Nachtstunden eingeschränkt wurde. Das betraf anfangs vornehmlich die nicht zertifizierten Jets der ersten Generation, ab den 1990ern dann die Chapter 2-Flugzeuge und mittlerweile auch die lauteren Flugzeuge mit Chapter 3- Zertifikat. Für die Fluggesellschaften laufen solche Restriktionen – insbesondere dann, wenn sie ohne ausreichende Vorlaufzeit umgesetzt werden – auf die Anschaffung neuer, lärmärmerer Flugzeugtypen hinaus. Ungeachtet der Tatsache, dass neue Flugzeuge auch weniger Kerosin verbrauchen, kann das zu hohen betriebswirtschaftlichen Belastungen führen. Eine wesentliche Vorgabe wird mit der EU-Richtlinie zu lärmbedingten Betriebsbeschränkungen für das Ausmustern sogenannter „marginally compliant aircrafts“ bereits gesetzt. Der Balanced Approach spricht sich vor diesem Hintergrund dafür aus, Betriebsbeschränkungen nur als letztes Mittel gegen Fluglärmbelastung anzuwenden und diese nur zu erlassen, wenn die übrigen drei Hauptelemente in ihrer Wirkung auf den jeweiligen Flughafen tatsächlich ausgeschöpft sind. Zudem sollte eine Abwägung der im Zusammenhang mit dem Flugbetrieb maßgeblichen Stakeholder-Interessen –
Balanced Approach 14 Flughafen, Luftverkehrsgesellschaften, die involvierten Servicedienstleister und Aufsichtsbehörden – stattgefunden haben. Die Vorgaben zur Analyse und Abwägung von Betriebsbeschränkungen an Flughäfen werden im Appendix C der Assembly Resolution A37- 18 dargestellt. 1.5 Der „Balanced Approach“ aus Sicht der Flughäfen Fluglärm wird vor allem in der Nachbarschaft von Flughäfen wahrgenommen und von den betroffenen Anrainern als Belastung erlebt. Schon aus diesem Grund werden die Flughäfen von Politik und Öffentlichkeit für den Fluglärm verantwortlich gemacht – obwohl die Lärmquelle Flugzeug eigentlich in der Verantwortung der Fluggesellschaften liegt und die Regelung der Anflug- und Abflugprozesse durch die Flugsicherung wahrgenommen wird. In manchen Ländern wie zum Beispiel Deutschland nimmt der Gesetzgeber die Flughäfen in Sachen Fluglärm direkt in die Pflicht: So sind sie unter anderem gesetzlich dazu verpflichtet, den Fluglärm in ihrer Umgebung zu messen und die hierbei gewonnenen Ergebnisse zu veröffentlichen. In der Praxis nehmen die Flughäfen zunehmend eine Mittlerrolle zwischen den Fluggesellschaften und den Anwohnern ein: Flughafen-Betreiber verfügen über die nötige Fachkompetenz und haben ein Eigeninteresse an der Lösung des Fluglärmproblems. Auch der Balanced Approach räumt dem Dialog und einem hieraus erfolgendem Interessensausgleich zwischen Flughäfen und ihren Anrainern einen hohen Stellenwert ein. Dabei ist zu differenzieren: Fluglärm wird von den Betroffenen subjektiv unterschiedlich wahrgenommen, und auch die Wertschätzung der ökonomischen Vorteile eines Flughafens für die jeweilige Region fällt von Person zu Person sehr unterschiedlich aus. Von daher ist für den Erfolg des Fluglärm-Managements an einem Flughafen eine zielgruppenadäquate Kommunikation mit diesem Personenkreis von erstrangiger Bedeutung. Das Fluglärm-Management muss die Forderungen wie auch die Einstellungen der vom Fluglärm betroffenen Anwohnern in der Nachbarschaft des Flughafens kennen, analysieren und im Hinblick auf die praktisch möglichen und zukünftig anzustrebenden Maßnahmen zur Fluglärmreduzierung in Betracht ziehen. Der Balanced Approach gibt den Flughäfen eine Vielzahl von praxisorientierten Instrumenten an die Hand, die dazu dienen, den Fluglärm rund um die Flughäfen zu reduzieren oder unter Umständen sogar ganz zu vermeiden. Da sich aufgrund der besonderen Gegebenheiten vor Ort (zum Beispiel der jeweiligen Siedlungsstruktur und Bevölkerungsdichte) die Lärmsituation von Flughafen zu Flughafen sehr unterschiedlich darstellt, müssen der Prozess und die daraus entwickelten Maßnahmen des Balanced Approach auf jeden einzelnen Flughafen spezifisch angewandt und umgesetzt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Maßnahmen zur Fluglärmreduzierung nicht vom
Balanced Approach 15 betreffenden Flughafen im Alleingang, sondern nur in enger Kooperation mit den Systempartnern im Luftverkehr sowie der Politik umgesetzt werden können. Die Konsequenz hieraus ist, dass folgende Stakeholder von Anfang an in die Planung und Umsetzung des Fluglärm-Managements an dem betreffenden Flughafen einbezogen werden müssen: - die Fluggesellschaften als Betreiber der Flugzeuge und in ihrer Rolle als Vermittler zu den Flugzeug- und Triebwerksherstellern - die zuständigen politischen Instanzen und Behörden zum Beispiel im Hinblick auf Flächenplanung und Flächennutzung - das Air Traffic Management der Flugsicherung und deren Genehmigungsbehörden 1.5.1 Lärmreduzierung an der Quelle > Balanced Approach Hauptelement 1 aus Sicht der Flughäfen Die Erfüllung der ICAO-Vorgaben zur Lärmzertifizierung von Flugzeugtypen liegt in der Expertise der Hersteller von Verkehrsflugzeugen sowie der Triebwerkshersteller. Die damit verbundenen Maßnahmen sind technischer Natur. Weiteren Einfluss auf dieses Hauptelement des Balanced Approach nehmen vor allem die Fluggesellschaften (durch Beschaffung neuer und entsprechend lärmarmer Flugzeugmuster, verbunden mit ihren spezifischen Anforderungen an die Hersteller) und der Gesetzgeber beziehungsweise die zuständigen Aufsichtsbehörden (Betriebsbeschränkungen beziehungsweise Zulassung für bestimmte Flugzeugtypen an Flughäfen unter anderem zu bestimmten Betriebszeiten mit dem Ziel des Lärmschutzes). Zudem bestehen Einflussmöglichkeiten der Flughäfen auf den Einsatz lärmarmer Flugzeugtypen wie etwa durch eine Lärmkomponente in den Flughafen-Entgelten, die im Balanced Approach als administrative Maßnahme dem Hauptelement 2 zugeordnet werden. 1.5.2 Optimale Flächennutzung > Balanced Approach Hauptelement 2 aus Sicht der Flughäfen Grundsätzlich muss die Siedlungsplanung im Umfeld von Flughäfen von den zuständigen Gremien und Behörden mit den gesetzlichen Vorgaben und praktischen Erfordernissen für einen effektiven Lärmschutz abgeglichen werden. Da die politischen Zuständigkeiten in diesen Bereichen zumeist zersplittert und in unterschiedlichen Bereichen und Ebenen angesiedelt sind, ist eine erfolgreiche Koordination in vielen Ländern allerdings eher die Ausnahme. In den bewohnten Arealen in der Nachbarschaft von Flughäfen, die vom Fluglärm betroffen sind, kommen in Deutschland auf Grundlage des Fluglärmschutzgesetzes Programme zum Passiven Schallschutz zur Anwendung. Dabei werden betroffene Gebäude und Wohnungen innerhalb der gesetzlich definierten Schallschutzzonen durch
Balanced Approach 16 Baumaßnahmen gegen Schall isoliert. In Deutschland haben Flughafen-Anwohner einen Rechtsanspruch auf Passiven Schallschutz. Kostenträger sind in diesem Fall die Flughäfen, die ihre Kosten meist auf die Flughafen-Entgelte umlegen, die von den Airlines entrichtet werden, die ihrerseits diese Kosten in die Tickets oder Frachttarife einpreisen. Das Fluglärmschutzgesetz regelt auch Bauverbote in besonders belasteten Gebieten, die allerdings durch eine Vielzahl von Ausnahmen umgangen werden können. Eine weitere Option sind finanzielle Ausgleichsmaßnahmen, die den betroffenen Anrainern einen Wegzug aus besonders lärmbelasteten Zonen ermöglichen. Die Umsetzung solcher Programme, die der Balanced Approach ausdrücklich vorschlägt, fallen von Land zu Land entsprechend dem jeweiligen Rechtssystem sehr unterschiedlich aus. In manchen Ländern sind Zwangsenteignungen bei Großprojekten durchaus üblich, in den USA können Flughafen-Betreiber zum Beispiel die Überflugrechte über einer Immobilie erwerben. In Deutschland wird Eigentümern von besonders stark betroffenen Wohngrundstücken ein Übernahmeanspruch eingeräumt. Zudem können Flughäfen – auch dies sieht der „Balanced Approach“ vor – einen wenn auch nur indirekten und begrenzten Einfluss auf die Luftverkehrsgesellschaften ausüben, leisere Flugzeugtypen einzusetzen. Die Anschaffung moderner und daher auch geräuschärmerer Flugzeugmuster – die ihrerseits hohe und langfristige Investitionen seitens der Airlines erfordern – werden durch Flughafen-Entgelte gefördert, die eine Lärmkomponente enthalten und einen finanziellen Anreiz zum Einsatz derartiger Flugzeuge bieten. 1.5.3 Flugbetriebliche Verfahren zur Lärmreduzierung > Balanced Approach Hauptelement 3 aus Sicht der Flughäfen Dieses Hauptelement des „Balanced Approach“ betrifft in erster Linie die Maßnahmen zum Aktiven Schallschutz. Derartige Aktivitäten können an einem Flughafen nur in enger Zusammenarbeit mit den Systempartnern der Flugsicherung, den Genehmigungsbehörden sowie den Airlines entwickelt und umgesetzt werden. Ein solches Maßnahmenbündel umfasst unter anderem lärmarme Anflugverfahren wie Continuous Descend Operations (CDO beziehungsweise CDA), die Optimierung von Abflugverfahren (etwa durch steilere Abflugprofile), die Umfliegung dicht besiedelter Gebiete mithilfe des Segmented RNAV (GPS) Approach oder die Nutzung von Bahnen unter Berücksichtigung von Lärmaspekten (Dedicated Runway Operations DROps). Die Entwicklung dieser und verwandter Verfahren ist noch nicht abgeschlossen und verändert sich zum Beispiel mit der Einführung neuer Flugzeugtypen und Navigationseinrichtungen. In jedem Fall ist die Einführung derartiger Maßnahmen ein komplexer Prozess, der für jeden Flughafen individuell geplant, koordiniert und über einen längeren Zeitraum hinweg erprobt werden muss.
Balanced Approach 17 1.5.4 Lärmbedingte Betriebsbeschränkungen („Balanced Approach“ Hauptelement 4) aus Sicht der Flughäfen Dieses Maßnahmenbündel betrifft in der Praxis vorzugsweise Regelungen für den Flugbetrieb an Flughäfen zum Beispiel während der Nachtzeit. Da es hierbei aus Sicht der betroffenen Anwohner vor allem um den Schutz ihrer Nachtruhe geht, ist dieser Themenbereich politisch besonders sensibel. In Deutschland existieren hierfür im Luftverkehrsgesetz juristische Vorgaben, an die der betreffende Flughafen beziehungsweise sein Betreiber rechtlich gebunden ist. Wie schon erwähnt, sollten Betriebsbeschränkungen aus Sicht der ICAO allerdings nur erlassen werden, wenn die anderen drei Hauptelemente des Balanced Approach ausgeschöpft sind und keine alternativen Maßnahmen zum Lärmschutz umgesetzt werden können.
Balanced Approach 18 2. Europäische und nationale Gesetzgebung: Der rechtliche Rahmen zur Fluglärm- reduzierung an deutschen Flughäfen Die Maßnahmen zur Reduzierung der Fluglärmbelastung im Umland der deutschen Flughäfen sind in einen rechtlichen Rahmen eingebettet, der auf eine Richtlinie der Europäischen Union und die hiermit verbundene nationale Gesetzgebung zurückgeht. Auf diesem Weg wurden wesentliche Vorgaben des Balanced Approach in europäisches und deutsches Recht übertragen. 2.1 Die Richtlinie 2002/30/EG der Europäischen Union Obwohl der Beitritt eines Staates zur ICAO die Verpflichtung zur Annahme und nationalen Umsetzung ihrer Normen und Verfahren für den zivilen Luftverkehr beinhaltet, hat der Balanced Approach und die in ihm vorgegebenen Maßnahmen nicht automatisch den Charakter von bindendem Recht. Es handelt sich hierbei um Vorgaben, die in nationales Recht übertragen werden müssen. Von daher ist im Fall von Deutschland beziehungsweise der Europäischen Union eine Umsetzung des Konzepts der ICAO zur Lärmreduzierung an Flughäfen in europäisches und nationales Recht notwendig. Auf europäischer Ebene wird das derzeit noch durch die Richtlinie 2002/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. März 2002 zu „Regeln und Verfahren für lärmbedingte Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen der Gemeinschaft“ geleistet. Wie der Titel dieser Richtlinie schon anzeigt, werden hier die Betriebsbeschränkungen für lärmintensive Flugzeugtypen in den Vordergrund gestellt. Die eigentliche Idee des „Balanced Approach“ (Priorität der ersten 3 Hauptelemente: 1. Lärmreduzierung an der Quelle; 2. Optimale Flächennutzung; 3. Flugbetriebliche Verfahren zur Lärmreduzierung) wird demgegenüber vernachlässigt. Dieses juristische Manko führte zu einer Beschwerde aus den USA, auf die seitens der EU inzwischen reagiert wurde – und die letztlich zu einer Neufassung der Richtlinie führen wird. Ungeachtet ihrer methodischen Einseitigkeit verpflichtet die Richtlinie 2002/30/EG die Mitgliedstaaten der EU generell auf eine Umsetzung des „Balanced Approach“ an den europäischen Verkehrsflughäfen auf Grundlage des jeweiligen nationalen Rechts. Allerdings betrifft das nur Flughäfen mit mehr als 50.000 Flugbewegungen im Jahr sowie die europäischen Stadtflughäfen. Durch die Festlegung eines rechtlichen Rahmens für Maßnahmen zur Lärmreduzierung an den Flughäfen der Gemeinschaft sollen über den
Balanced Approach 19 Lärmschutz hinaus auch ein unlauterer Wettbewerb zwischen den Airports verhindert und die Einhaltung der Regeln für den europäischen Binnenmarkt gewährleistet werden. Im Einklang mit dem Balanced Approach verfolgt die Richtlinie das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung des Luftverkehrs und nennt in diesem Zusammenhang drei Hauptziele: - Förderung eines umweltverträglichen Ausbaus der Flughafen-Kapazitäten - Erleichterung der Umsetzung bestimmter Lärmminderungsziele auf den einzelnen Flughäfen - Maximierung des Umweltnutzens zu möglichst geringen Kosten Die Kritik an der Richtlinie 2002/30/EG hat dazu geführt, dass sie von der Europäischen Kommission überarbeitet wird, um sie stärker an das Konzept des Balanced Approach anzupassen. Die neue Version wird vermutlich in Form einer Verordnung veröffentlicht werden und damit ein höheres Maß an juristischer Verbindlichkeit haben. Neben der Richtlinie 2002/30/EG ist für das Fluglärm-Management an den Flughäfen der Gemeinschaft auch die Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm von Bedeutung. Hier werden unter anderem Grundsätze zur Bewertung und Kartierung von Umgebungslärm (das heißt, Lärmimmissionen durch Straßen-, Schienen- und Luftverkehr) sowie zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen beschrieben. Ein Problem dabei ist, dass beide Richtlinien methodisch nicht konform sind. Daher hat die EU- Kommission angekündigt, die in Arbeit befindlichen Nachfolge-Dokumente besser aufeinander abzustimmen. 2.2 Relevante deutsche Gesetzgebung: Luftverkehrsgesetz und Fluglärmschutzgesetz 2.2.1 Luftverkehrsgesetz Das deutsche Luftverkehrsgesetz geht auf das Jahr 1922 zurück, wurde 2007 neu bekannt gemacht und das letzte Mal 2012 verändert. Es ist die Grundlage der Luftfahrtgesetzgebung in Deutschland. Im Unterabschnitt Flugplätze wird das Genehmigungsverfahren für den Bau und Betrieb von Flughäfen geregelt. In § 6 Absatz 2 wird ausgeführt, dass „Vor Erteilung der Genehmigung (...) besonders zu prüfen (ist), ob die geplante Maßnahme den Erfordernissen der Raumordnung entspricht und ob die Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie des Städtebaus und der Schutz vor Fluglärm angemessen berucksichtigt sind.“ Der Lärmschutz an Flughäfen ist im § 29b im Unterabschnitt Gemeinsame Vorschriften folgendermaßen geregelt:
Balanced Approach 20 „(1) Flugplatzunternehmer, Luftfahrzeughalter und Luftfahrzeugfuhrer sind verpflichtet, beim Betrieb von Luftfahrzeugen in der Luft und am Boden vermeidbare Geräusche zu verhindern und die Ausbreitung unvermeidbarer Geräusche auf ein Mindestmaß zu beschränken, wenn dies erforderlich ist, um die Bevölkerung vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Lärm zu schutzen. Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist in besonderem Maße Rucksicht zu nehmen. (2) Die Luftfahrtbehörden und die Flugsicherungsorganisation haben auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken.“ Im § 8 Absatz 1 Satz 3 ist geregelt, dass zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Fluglärm die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zu beachten sind. Im April 2005 trat die „Achte Verordnung zur Änderung der Luftverkehrs-Zulassungs- Ordnung“ im Rahmen des Luftverkehrsgesetzes in Kraft. Sie ist deshalb von Interesse, weil sie explizit mit der Umsetzung der Richtlinie 2002/30/EG begründet wurde und den Balanced Approach in Form einer Begriffsbestimmung in die deutsche Gesetzgebung einführt. Danach ist der Balanced Approach (hier: „ausgewogener Ansatz“) „der Ansatz, innerhalb dessen die Luftfahrtbehörde die möglichen Maßnahmen zur Lösung des Lärmproblems auf einem Flughafen prüft, insbesondere die absehbaren Auswirkungen einer Reduzierung des Fluglärms an der Quelle, der Flächennutzungsplanung und -verwaltung, der lärmmindernden Betriebsverfahren und Betriebsbeschränkungen“. Auf diesem Weg fanden zentrale Bestandteile des Balanced Approach erstmals Eingang in das deutsche Luftverkehrsgesetz, insbesondere was die Erlassung von Betriebsbeschränkungen an Flughäfen und deren Kosten anbelangt: „Betriebsbeschränkungen (...) können nur dann ausgesprochen werden, wenn unter Beachtung des ausgewogenen Ansatzes alle danach möglichen Maßnahmen zur Lösung des Lärmproblems an dem jeweiligen Flughafen geprüft worden sind. Die voraussichtlichen Kosten der Betriebsbeschränkungen dürfen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Flughafens, insbesondere im Hinblick auf bestehende Verpflichtungen, zu dem wahrscheinlichen Nutzen der Betriebsbeschränkungen nicht außer Verhältnis stehen.“ 2.2.2 Fluglärmschutzgesetz Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (FluLärmG) wurde in seiner ursprünglichen Fassung im Jahr 1971 verabschiedet, seine Neufassung trat im Juni 2007 in Kraft. Zweck
Balanced Approach 21 des Gesetzes ist es gemäß §1: „in der Umgebung von Flugplätzen bauliche Nutzungs- beschränkungen und baulichen Schallschutz zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belastungen durch Fluglärm sicherzustellen.“ Das Gesetz schreibt die Einrichtung von Lärmschutzbereichen an Flughäfen vor. Ein solcher Lärmschutzbereich setzt sich aus drei Schutzzonen zusammen: Tag-Schutzzone 1, Tag-Schutzzone 2 und Nacht-Schutzzone. Eigentümer von Wohnungen und Wohnhäusern innerhalb der Tag-Schutzzone 1 und/oder der Nacht-Schutzzone können einen Antrag auf Erstattung von Aufwendungen für bauliche (passive) Schallschutzmaßnahmen sowie zur Zahlung von Entschädigungen für Beeinträchtigungen des Außenwohnbereichs stellen, deren Kosten vom jeweiligen Flughafen-Betreiber übernommen werden müssen. In der Schutzzone 1 existieren Bauverbote, während die Schutzzone 2 vorwiegend der Siedlungssteuerung dient – also dem Hauptelement „Optimale Flächennutzung“ im Sinne des Balanced Approach. Die endgültige Festlegung des Lärmschutzbereichs eines Flughafens erfolgt durch eine Rechtsverordnung der zuständigen Landesregierung. Die Ermittlung der Lärmbelastung wird in der Anlage zu §3 des FluLärmG geregelt: „Der äquivalente Dauerschallpegel LAeq Tag für die Tag-Schutzzonen 1 und 2 sowie der äquivalente Dauerschallpegel LAeq Nacht und der Maximalpegel LAmax für die Nacht-Schutzzone werden unter Berücksichtigung von Art und Umfang des voraussehbaren Flugbetriebs nach der Anlage zu diesem Gesetz ermittelt.“ Das Verfahren zur Fluglärmberechnung ist in der 1. Fluglärmschutzverordnung (1. FlugLSV) geregelt, die wiederum auf die nachfolgenden technischen Regelwerke verweist. Die Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen (AzB) legt das Verfahren zur Berechnung der Lärmschutzbereiche fest. Die Berechnung erfolgt auf der Grundlage der mit dem Datenerfassungssystem (DES) eingeholten Daten über Art und Umfang des Flugbetriebs des entsprechenden Flugplatzes. Die Anleitung zur Datenerfassung über den Flugbetrieb (AzD) enthält insoweit die maßgeblichen Bestimmungen. Hinsichtlich der Berechnung der Fluglärmbelastung sieht das Gesetz die Berücksichtigung der sechs verkehrsreichsten Monate eines Jahres vor. Das FluLärmG regelt in §5 zudem Bauverbote für den Lärmschutzbereich: „In einem Lärmschutzbereich dürfen Krankenhäuser, Altenheime, Erholungsheime und ähnliche in gleichem Maße schutzbedürftige Einrichtungen nicht errichtet werden. In den Tag-Schutzzonen des Lärmschutzbereichs gilt Gleiches für Schulen, Kindergärten und ähnliche in
Balanced Approach 22 gleichem Maße schutzbedürftige Einrichtungen (...). In der Tag-Schutzzone 1 und in der Nacht-Schutzzone dürfen Wohnungen nicht errichtet werden.“ Allerdings gibt es eine ganze Reihe von Ausnahmen zu dieser Regelung. Eine der Folgen hiervon ist, das nicht wenige Kommunen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Flughäfen eine Siedlungspolitik betreiben, die im klaren Widerspruch zu den Zielen des gesetzlich vorgeschriebenen Lärmschutzes steht.
Balanced Approach 23 3. Fluglärm-Management am Flughafen Frankfurt Als Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens ist die Fraport AG seit Jahrzehnten mit der Minderung der Fluglärmbelastung im Umland befasst. Für die internationale Luftverkehrs- industrie waren diese Bemühungen oft richtungsweisend. Mit der Inbetriebnahme der neuen Landebahn Nordwest im Oktober 2011 hat sich die Fluglärmsituation am Flughafen Frankfurt ein weiteres Mal verändert. Fraport, Lufthansa und Deutsche Flugsicherung haben damit begonnen, neue Maßnahmen zur Fluglärmreduzierung umzusetzen. Strategisches Ziel von Fraport für die kommenden Jahre ist es, das absehbare Verkehrswachstum von der damit verbundenen Lärmbelastung zu entkoppeln. 3.1 Balanced Approach und das Fluglärm-Management der Fraport AG Das Fluglärm-Management der Fraport AG konzentriert sich seit seinen Anfängen in den 1960er-Jahren auf die ihm gesetzlich vorgeschriebene Fluglärmüberwachung sowie zwei Hauptelemente des Balanced Approach: - Hauptelement 2 > Optimale Flächennutzung - Hauptelement 3 > Flugbetriebliche Verfahren zur Lärmreduzierung Fraport hat als Flughafen-Betreiberin (wie praktisch alle anderen Flughafengesellschaften auch) nicht die Möglichkeit, den Balanced Approach am Flughafen Frankfurt in eigener Regie umzusetzen. Dies ist die Aufgabe der zuständigen Behörde. Dabei ist eine konsequente Kooperation der Systempartner – also Flughafen, Fluggesellschaften, Flugsicherung und Behörden – unerlässlich. Durch die Einrichtung des Forums Flughafen und Region (FFR) wurde im Jahr 2008 eine Plattform geschaffen, um diese Zusammenarbeit unter den aktuellen Bedingungen weiter zu vertiefen. Mit Blick auf den Balanced Approach kommen somit am Flughafen Frankfurt mittlerweile alle vier Hauptelemente zur Anwendung: Hauptelement 1 > Reduzierung des Fluglärms an der Quelle: Lufthansa hat an seinen in Frankfurt stationierten Flugzeugen vom Typ Boeing 737 Optimierungen am Triebwerkseinlass zur Reduktion der Lärmemission durchgeführt. Zudem nimmt der Konzern im Zuge des größten Flottenerneuerungsprogramms seiner Geschichte in den kommenden Jahren zirka 170 neue und leisere Flugzeuge in Betrieb.
Balanced Approach 24 Hauptelement 2 > Optimale Flächennutzung: Von zentraler Bedeutung ist in diesem Kontext das Neue Passive Schallschutzprogramm, das derzeit auf Basis der Durchführungsverordnungen des Fluglärmschutzgesetzes umgesetzt wird. Zudem wurden die finanziellen Mittel für das freiwillige Immobilienankauf- und Ausgleichsprogramm Fraport Casa aufgestockt und das Programm weiter fortgesetzt. Darüber hinaus können zusätzliche Leistungen des passiven Schallschutzes über den hierzu aufgelegten Regionalfonds in Anspruch genommen werden. Hauptelement 3 > Flugbetriebliche Verfahren zur Lärmreduzierung: Das Erste Maßnahmenpaket Aktiver Schallschutz wird von den Systempartnern Fraport, Luftverkehrsgesellschaften, Flugsicherung und Behörden innerhalb des Expertengremiums Aktiver Schallschutz (EXPASS) im Rahmen des Forums Flughafen und Region (FFR) und mit Unterstützung der Allianz für Lärmschutz 2012 praktisch erprobt und schrittweise umgesetzt. Weitere Maßnahmen sind im Rahmen der Erklärung „Gemeinsam für die Region – Allianz für Lärmschutz“ im Februar 2012 identifiziert worden, die nach Prüfung ihrer Umsetzbarkeit eingeführt werden sollen. Hauptelement 4 > Lärmbedingte Betriebsbeschränkungen: Hier gelten die allgemeinen Vorgaben der EU, die nur bestimmte Flugzeugmuster auf den Flughäfen der Gemeinschaft zulässt. Hinzu kommen die besonderen Auflagen des Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung (HMWVL) für den Flugbetrieb in den sogenannten Tagesrandlagen sowie den Nachtrandlagen am Flughafen Frankfurt. Von hoher Relevanz ist hierbei der Planfeststellungsbeschluss (PFB) zum laufenden Flughafen-Ausbau, der eine ganze Reihe von Lärmschutzauflagen enthält. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Nachtflugbetrieb am Flughafen Frankfurt herrscht mittlerweile auch Klarheit bei der Nachtflugregelung. 3.2 Balanced Approach Hauptelement 1 am Flughafen Frankfurt 3.2.1 Indirekte Beiträge zur Lärmreduzierung an der Quelle Die Lärmreduzierung an der Quelle funktionierte in der Vergangenheit am Flughafen Frankfurt nur indirekt: Durch Verordnung der EU ist an europäischen Verkehrsflughäfen, von Ausnahmen abgesehen, nur der Betrieb von Flugzeugen mit einer Zertifizierung gemäß Chapter 3 und Chapter 4 erlaubt. Ferner enthält der Planfeststellungsbeschluss (PFB) zum Ausbau des Flughafens unter anderem auch Auflagen für den Flugbetrieb in den Tages- und Nachtrandlagen am Flughafen Frankfurt, während derer nur der Einsatz lärmarmer Flugzeugtypen erlaubt ist.
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