Medienentwicklungen 2019 - ZDF Medienforschung Report zu aktuellen Trends und Entwicklungen der elektronischen Medien in Deutschland

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Medienentwicklungen 2019 - ZDF Medienforschung Report zu aktuellen Trends und Entwicklungen der elektronischen Medien in Deutschland
Medienentwicklungen 2019
ZDF Medienforschung Report zu aktuellen Trends und
Entwicklungen der elektronischen Medien in Deutschland
Medienentwicklungen 2019 - ZDF Medienforschung Report zu aktuellen Trends und Entwicklungen der elektronischen Medien in Deutschland
Medienentwicklungen 2019
                    Nicht alles, was zählt, kann gemessen werden,
                    und nicht alles, was gemessen werden kann, zählt                   3

                    Das Bewegtbild-Universum dehnt sich aus                            5

                    Fiction: Erfolg in Serie                                           9

                    Hauptsache, ihr habt Spaß:
                    Bewegtbild von den Vorschülern bis zu den Twens                    13

                    Im Zweifel: Politisch interessiert                                 17

                    Wer sieht mich und wenn ja, wie viele? Kennzahlen unter der Lupe   23

                    Zuschauer besser verstehen: Mit der MedienNutzerTypologie (MNT)    27

                    Stream me up: Die mediale Internetnutzung steigt weiter an         31

                    Onlinevideo steigt - und teilt das Publikum                        35

                    Größer als der Rest? Oder: Was macht eigentlich VoD?               41

                    Hinreichend? Notwendig. Predictive Analytics in der Medienforschung 43

                    Social Media verlagert sein Gewicht                                45

                    Eine starke Familie: ZDF, Digital- und Partnerkanäle               49

                    Quellenangaben                                                     55

| Medienforschung
Medienentwicklungen 2019 - ZDF Medienforschung Report zu aktuellen Trends und Entwicklungen der elektronischen Medien in Deutschland
Um Medienangebote für Zuschauer bzw.
                                                               Nutzer überblicken und anbieterseitig gezielt
                                                               einsetzen zu können, braucht man Informa-
                                                               tionen: z.B. welche Zuschauer was, wann,
                                                               wie oft und wie lange nutzen. Man weiß
                                                               nicht, ob man erfolgreich ist oder nicht -
                                                               solange „Erfolg“ nicht definiert oder nachvoll-
                                                               zogen wird. Oder mit den bekannten Worten
                                                               Peter Druckers gesagt:

                                                               „You can’t manage what you can’t
                                                               measure.”

                                                               In der alten Welt der Bewegtbildnutzung war
                                                               das – rückblickend – tatsächlich fast schon
                                                               einfach. Die einzige anerkannte Datenquelle

Nicht alles, was zählt,
                                                               zur Auswertung von Bewegtbildnutzung war
                                                               das AGF-Panel. Und das ist es weiterhin für
                                                               den TV-Markt.

kann gemessen werden,                                          Die Medien- und Mediennutzungsrealität ist
                                                               und wird zunehmend heterogener, differen-

und nicht alles,                                               zierter, vielfältiger – schlichtweg schwieriger
                                                               zu überblicken.

was gemessen                                                   Gerade vor diesem Hintergrund gilt,
                                                               dass nicht alles Relevante gemes-

werden kann, zählt                                             sen wird; oder alles Gemessene
                                                               auch das wirklich und einzig Rele-
                                                               vante ist.
Eine anerkannte Quelle, eine harte Währung: Verlässliche Da-
ten von der Erhebung bis zur Aufbereitung und Präsentation.    Qualitative Forschung, Kausalität und
Das ist Vergangenheit. Heute differenzieren sich Medienange-   Kontext, verstehen, was Nutzer im Alltags-
bote und Mediennutzungen, Daten, Kennzahlen und Analysen       handeln motiviert: Die Bedeutung dieses
werden heterogener. Alles messen, was zählt – wie kann das     Verstehens nimmt ebenfalls mit steigender
gelingen?                                                      Komplexität zu.

MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
Medienentwicklungen 2019 - ZDF Medienforschung Report zu aktuellen Trends und Entwicklungen der elektronischen Medien in Deutschland
In God we trust,                               Daten sind nicht gleich Daten                      titative Datenanalysen – weil TV-Sender
all others must bring data.                                                                       durchaus mit Streamingunternehmen kon-
                                               Wie sind Erfolgszahlen von Unternehmen             kurrieren, die auf eine KI-gestützte Optimie-
Die „neuen” Ausspielwege von Bewegtbild-       einzuschätzen, die einen kommerziellen             rung von Inhalten und deren „Ausspielung“
inhalten (YouTube, Facebook, Media-            Zweck verfolgen und ihre Erfolge selbst            setzen.
theken, HbbTV, (S)VOD-Plattformen wie          messen? Wie sind Daten zu beurteilen,
Netflix, Amazon Prime Video, Sky Ticket,       die nicht unabhängig erhoben, berechnet,           Die Medienforschung im ZDF beschäftigt
Google Play etc.) heißen gleichzeitig: neue    geprüft worden sind? Eine solide Medien-           sich mit machine learning, beispielsweise
Datenquellen, die zur Bewertung von Erfolg     forschung steht hier vor großen Herausfor-         im Zusammenhang mit der Erleichterung
herangezogen werden müssen. Im alltägli-       derungen.                                          der Einplanung größerer Programmmen-
chen Gebrauch bedeutet das, dass für die                                                          gen. Dabei spielen sogenannte „predictive
unterschiedlichen Datenquellen verschie-       Von de- zu pre-skriptiv: Erfolg                    analytics“ eine Rolle: Wie kann die Wahr-
dene Tools eingesetzt werden müssen, um        durch Empfehlungssysteme                           scheinlichkeit berechnet werden, dass
plattformübergreifende Fragestellungen                                                            „wer die Dokumentation A schaut, auch
beantworten zu können.                         In der crossmedialen Welt haben sich mit           die Dokumentation B schaut“? An welchen
                                               Big Data die Ansprüche von Programmma-             Tagen, zu welchen Uhrzeiten stießen in der
Marktanteil, Sehbeteiligung – die              chern an Datenanalysen verändert. Google,          Vergangenheit bei welchen Zielgruppen
harten Währungen sind in der ak-               Netflix, Amazon oder Spotify sind auch             welche Inhalte auf besonderes Interesse?
tuellen Bewegtbild-Welt nicht zu               deshalb so erfolgreich, weil sie mit speziel-
finden.                                        len Algorithmen den Nutzern auf sie zuge-          Das sind Fragen, denen sich angesichts
                                               schnittene, spezifische Inhalte einspielen.        der größer werdenden Programmvielfalt,
Durch die neuen Ausspielwege ist eine          Dadurch werden einerseits mit diesen               von mehr und verschiedenen Ausspielwe-
Vielzahl von Kennzahlen hinzugekommen.         Angeboten sehr nützliche Erfahrungen               gen und einer zunehmenden Zielgruppen-
Dazu erfordert deren plattformübergreifen-     gemacht und die Bindung verstärkt – ande-          fragmentierung eine Medienforschung der
de Auswertung deutlich mehr „Eigendefini-      rerseits werden Erwartungen geweckt, die           Zukunft stellen muss.
tionen“, als es im klassischen TV nötig war.   zunehmend auch an andere Plattformen
                                               und Anbieter gestellt werden.1
So sind beispielsweise Social-Media-Daten
durchgängig eine „black box“ und können
nicht auf Verlässlichkeit geprüft werden.      Konsequenzen für
Damit können eine Menge KPIs als „freie        die Medienforschung
Radikale“ herumschwirren. Auch die Daten
von Streaminganbietern wie Netflix oder        In der crossmedialen Welt ändern sich
Amazon liegen nicht öffentlich und transpa-    damit auch auf Seiten der Redaktionen und
rent vor.                                      Programmplanung die Ansprüche an quan-

| Medienforschung                              Nicht alles, was zählt, kann gemessen werden, und nicht alles, was gemessen werden kann, zählt — 4
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Das Bewegtbild-Universum
dehnt sich aus
Nicht nur die Zukunft, auch die Gegenwart kann einen
Schritt voraus sein: Crossmedia-Nutzung von Bewegt-
bild ist Realität, die Crossmedia-Quote ist es noch nicht.
Erste Zahlen liegen vor, doch es gibt noch Baustellen.
Dafür musste sich die AGF Kritik gefallen lassen, ist die
audiovisuelle Gesamtreichweite doch eine selbst gestell-
te Aufgabe. Um die Kritik bewerten zu können, lohnt sich
ein Blick auf Komplexität und Größenverhältnisse, um
die Fortschritte der Messung sehen und wertschätzen zu
können.

MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
Wir schreiben das Jahr 2035.                      audiovisueller Internetnutzung weiterhin:      von Fernseh- und Streaminganbietern der
                                                  bei den 14-29-Jährigen, aber auch bei den      Erfassung von Leistungswerten im deut-
14-49-Jährige sehen im linearen Fernsehen         30-49-Jährigen.2                               schen Bewegtbildmarkt widmet, arbeitet
Breaking-News, Live-Sport und Show-                                                              seit 2011 an einer Crossmedia-Quote
Events. Die restlichen Angebote zur Unter-                                                       für klassisches Fernsehen und Onlinevi-
haltung und Information werden nur noch           Die Lösung: nur alles Mögliche                 deo.4 Seit 2014 werden Daten zur Video-
über Streaming rezipiert. Flexibel, genauso       messen, nicht das Unmögliche                   Streaming-Nutzung und seit Mitte 2016 zu
wie es der berufliche und private Alltag erfor-                                                  audiovisuellen Gesamtreichweiten aus-
dert. Es sind die selbstlernenden Home-KI-        Natürlich möchten Programmmacher und           gewiesen. Mit der Fusion der Streaming-
Systeme, die u.a. das tägliche Fernseh- bzw.      Werbetreibende wissen, wie viele einzelne      daten in das TV-Panel gibt es bereits seit
Video-Programm für ihre Haushalte erstel-         Zuschauer Inhalte über alle Plattformen se-    März 2017 eine konvergente Reichweite.5
len – und die fester Bestandteil des AGF          hen, wie die Überschneidungen zwischen TV      Damit kann analysiert werden, in welchem
Bewegtbild-Panels sind.                           und Online sind oder auch wie viele Personen   Ausmaß Online-Angebote zu einer zusätz-
                                                  ausschließlich online erreicht werden.3        lichen Nutzung von Inhalten der TV-Sender
Science-Fiction, jedoch mit realistischen         Die Umsetzung dieses Universalanspruchs ist    führen. Das gilt für alle Sender bzw. Sen-
gegenwärtigen Bezügen. TV ist nach wie vor        allerdings nicht realistisch.                  derfamilien, also für das ZDF, die ARD, RTL
das Medium Nummer Eins, gleichzeitig gibt                                                        oder ProSiebenSat.1. Erstmals lassen sich
es seit Jahren einen rückläufigen Fernseh-        Die fragmentierte Vielfalt der digi-           auf der Ebene von Sendern, Genres oder
konsum bei den (ganz) jungen Altersgrup-          talen Verbreitung und Nutzung wäre             Formaten Aussagen zu Gesamtreichweiten
pen.1                                             nur mit unvertretbarem Aufwand                 und Überschneidungen treffen – basierend
                                                  und nach Lösung zahlreicher Daten-             auf einer einheitlichen Metrik.6
Bewegtbild online und auf Abruf zu                schutzprobleme sowie unter Betei-
nutzen ist kein Nischenphänomen                   ligung aller relevanten Anbieter bis           Das Mess-Universum hat also noch blinde
mehr,                                             ins letzte Detail abzubilden.                  Flecken, dennoch ist es schon enorm ge-
sondern flexibilisiert sich zunehmend be-                                                        wachsen. Dabei macht es Größenverhält-
zogen auf Ort, Zeit, Verbreitungsweg und          Der Anspruch an eine robuste Messung kann      nisse sichtbar, die vorher noch im Dunkeln
Endgerät. Die Messung hängt der Realität          daher nur pragmatisch mit den Partnern         lagen.
allerdings nach: Es gibt noch keine alle          eingelöst werden, die sich verbindlich und
Plattformen übergreifende, audiovisuelle Ge-      transparent beteiligen.
samtreichweite. Die Aufnahme der Google-                                                         Größenverhältnisse
Tochter YouTube, des größten Bewegtbild-          Die Messung folgt                              im neuen AGF-Universum
anbieters, ist noch in Arbeit. Netflix, Amazon    den Zuschauern bereits
Prime Video und Co. sind ebenfalls außen                                                         Im Jahr 2018 haben pro Monat 74 Mio.
vor – und zeigen bisher auch keine Absicht,       Die Messung ist den Zuschauern bereits         Menschen Kontakt zu Fernsehinhalten. Das
Teil eines gemeinsamen „Quoten-Univer-            ins Netz gefolgt. Die Arbeitsgemeinschaft      sind rund 96% aller Deutschen, also fast
sums“ zu werden. Dabei steigt die Nutzung         Videoforschung (AGF), die sich im Auftrag      alle. Während über das Fernsehen etwa 73

| Medienforschung                                                                                Das Bewegtbild-Universum dehnt sich aus — 6
Audiovisuelle
Gesamtreichweite pro Monat

im Jahr 2018
                                                                                                                 ZDF: 65,90 Mio.
        TV/AGF-Gesamt: 73,69 Mio.

                                                                                                                                   TV- & Streaming-Nutzer:
                                                                                                                                   4,11 Mio.
                                                                  Nur-Streaming-Nutzer:
                                                                                                                                       Nur-Streaming-Nutzer:
                                                                  0,98 Mio.
                                                                                                                                       0,93 Mio.
                                                                                                           Nur-TV-Nutzer:
                 Nur-TV-Nutzer:                                                                            60,86 Mio.
                 62,65 Mio.

                                                             TV- & Streaming-Nutzer:
                                                             10,06 Mio.

                                 Streaming-Monatsreichweite
                                 der Sender im Jahr 2018
                             9
                                                                   8,12     8,06
                             8
Kumulierte Nettoreichweite

                             7                                      6,69
   pro Monat in Mio.

                             6
                                                                           5,26
                             5
                                                                                                               Ø 5,04

                             4
                                                                                                               Ø 4,29
                                         3,05
                             3
                                                                                                               Ø 1,40
                             2
                                                                                                               Ø 1,10
                             1
                                                                                                               Ø 0,91
                      Ø      0

                                  Jan    Feb    Mrz   Apr   Mai    Jun     Jul     Aug   Sep   Okt   Nov   Dez
                                        ZDF                       ARD                      RTL

                                        SAT.1                  PRO7

MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
  ZDF Medienforschung Report
                                                                                                                                            Quelle: ZDF-Medienforschung, AGF Videoforschung. In Zusammenarbeit mit GfK, DAP, Nielsen, ANKORDATA; videoSCOPE
Mio. Menschen erreicht werden, sind es         ming nutzen. Wird die Nutzungsdauer hier       Es sollte nicht vergessen werden,
über Streaming rund 11 Mio. Interessant        zusätzlich berücksichtigt, akzentuieren sich   dass bisher kein alternatives Mess-
wird auch der Blick auf die Überschnei-        die Unterschiede zwischen TV und Strea-        verfahren entwickelt wurde, das es
dungen: 63 Mio. Zuschauer werden nur           ming nochmals. Während im TV rund ein          mit dem bestehenden aufnehmen
via Fernsehen erreicht. 10 Mio. Zuschau-       Drittel der Nutzung von unter 50-Jährigen      kann.
er nutzen Fernsehprogramme sowohl im           generiert wird, ist es bei der Bewegtbild-
Fernsehen als auch über die Mediatheken,       nutzung über Sendermediatheken rund die        Netflix, Amazon und Co. haben den Be-
ausschließlich über die Mediatheken sind       Hälfte.8                                       wegtbildmarkt bereichert und beginnen,
es rund eine Mio. Zuschauer.7                                                                 Nutzungsgewohnheiten zu verändern. Hin-
                                               Fluch und Segen                                sichtlich transparenter Nutzungsmessung
Auch im Hinblick auf die Nutzungsdauer         zugleich: Komplexität genau                    besteht jedoch Fehlanzeige, die gelegentli-
zeigt sich, dass der Löwenanteil der Fern-     und transparent abbilden                       che Veröffentlichung einzelner Erfolgsquo-
sehnutzung weiterhin über das klassische                                                      ten hilft da nicht weiter.11
TV generiert wird.                             Man kann dem Ruf nach Weiterentwicklung
                                               der audiovisuellen Gesamtreichweite nur        Die Weiterentwicklung des qualitativen
Für alle gemessenen Sendergrup-                zustimmen – jeder möchte das messen,           Grundprinzips der aktuellen Messung
pen gilt, dass ein Großteil der Zu-            was auch genutzt wird. Gleichzeitig muss       nimmt Zeit in Anspruch. Und sie ist grund-
schauer übers TV erreicht wird.                transparent sein, welche Mammutaufgabe         sätzlich wichtig, um konvergente Reich-
                                               es ist, die technischen Bedingungen für        weiten anbieten zu können, die eine hohe
Das ZDF erreicht 2018 über seine Media-        ein Messinstrumentarium zu schaffen, das       Verlässlichkeit garantieren: für eine harte
thek 5,3 Mio. unterschiedliche Personen        valide Nutzungswerte sämtlicher relevanter     Währung mit vergleichbaren Leistungswer-
pro Monat. Die ARD mit der größeren Zahl       Verbreitungswege erzeugt.9                     ten.
an Zugangswegen wie die ARD-Mediathek,
die Mediatheken der Dritten Programme,         Die „Crossmedia-Quote“ hebt die Mes-
aber auch daserste.de liegen vorn.             sung auf eine neue Komplexitätsstufe, weil
                                               große Datenmengen aus unterschiedlichen
Die privaten Senderfamilien erreichen etwas    Quellen zusammengefügt werden müssen.
weniger, was auch daran liegt, dass dort       Der Prozess der Datenverarbeitung ist so
viele attraktive Angebote im Netz nur gegen    aufwendig, dass Nutzungsdaten erst mit
Bezahlung verfügbar sind. Die Nutzung ist      acht Tagen Verzug zur Verfügung stehen.10
aufgrund der Kostenpflicht einfach geringer.   Die AGF arbeitet hier auf allen Ebenen an
Die Betrachtung der Altersstruktur be-         einer deutlichen Beschleunigung und Er-
stätigt, was man erwarten konnte: Die          weiterung: Abbildung von mobiler Nutzung,
Nutzungsstruktur über Streaming ist we-        Connected TVs, die Integration weiterer
sentlich jünger als via TV. Am jüngsten ist    Partner sind hier nur einige Beispiele.
die Gruppe derer, die ausschließlich Strea-

| Medienforschung                                                                             Das Bewegtbild-Universum dehnt sich aus — 8
Fiction:
Erfolg in Serie
Die TV-Welt befindet sich im Serienboom: Horizontal er-
zählte Serien haben an Qualität und Publika gewonnen
– und genießen bei der anvisierten Zuschauerschaft
zunehmend Ansehen. Geschichten, Besetzung wie auch
die Aufmachung haben Kinoqualität. Gleichzeitig sorgt
die Vielzahl von Absendern für einen florierenden, breit
gefächerten Markt und bespielt eine ständig wachsen-
de Anzahl an Subgenres und Hybriden.

MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
Geschichten:                                      Ausgezeichnet: „Bad Banks“                     Somit von Mediennutzertypen, die eine mo-
faszinierend und nah                                                                             derne, weniger traditionelle Wertorientierung
                                                  Wie so etwas funktionieren kann, hat die Se-   aufweisen und das klassische Fernsehen
Die Faszination horizontal erzählter Seri-        rie „Bad Banks“ eindrucksvoll gezeigt: 2018    verhältnismäßig wenig nutzen. Das ist ein
en liegt für deren Liebhaber darin, auf eine      Premiere auf der Berlinale, im Frühjahr 2018   zusätzlicher Erfolg für „Bad Banks“.
Entwicklungsreise mitgenommen zu werden           erst in den Mediatheken, dann frei emp-
und in fremde Welten eintauchen zu kön-           fangbar bei ARTE und im ZDF – und beim         Von den 3,52 Mio. Zuschauern, die die
nen. Gerade serielle Erzählungen bieten die       deutschen Fernsehpreis als beste Dramase-      sechs Folgen im Schnitt über alle linearen
Möglichkeit, liebevoll und intelligent konstru-   rie ausgezeichnet.2 Die zweite Staffel „Bad    und nonlinearen Übertragungswege ange-
ierte Charaktere in aller Tiefe kennenzulernen    Banks“ soll im Februar 2020 fertig sein.       sehen haben, entfallen 0,55 Mio. auf die
und Veränderungen über die Zeit hinweg zu                                                        ZDFmediathek – das entspricht einem Anteil
verfolgen, oder mehr noch: ganz nah mitzu-        Innerhalb einer qualitativen Studie der ZDF-   von 16%. Im Vergleich zu anderen fiktiona-
erleben. Aufwändig ausgearbeitete, stimmig        Medienforschung, in der Menschen über das      len Formaten ist dies ein sehr hoher Anteil.
inszenierte Spielorte sowie eine intensive Ge-    TV Programm diskutieren konnten, wurde         Auch die Koproduktionen und Dramaserien
staltung der Handlungsräume können eine           auch „Bad Banks“ untersucht. Die Zuschau-      auf ZDFneo bieten ein neuartiges fiktionales
anschauliche Welt erschaffen – und fördern        er bewerten das Format sowohl inhaltlich als   Angebot: beispielweise die neoriginal Serien
somit das Involvement. Große Erzählbögen          auch bezüglich Machart, Cast und Look als      „Blaumacher“, „Countdown Copenhagen“
und komplexe Storys überraschen immer             moderne und hochwertige Serie. Für so eine     & Co. erreichen ebenfalls ein jüngeres Publi-
wieder mit ungeahnten Wendungen.                  Studie durchaus ungewöhnlich: Viele Be-        kum.
                                                  fragte hatten schon im Vorfeld von der Serie
Geschichten verweisen auf den Alltag des          gehört. Das Zusammenspiel von Marketing        Der Wettbewerb um Zuschauer
Publikums, indem sie Modelle von Wirklich-        und Produkt hatte somit funktioniert. Vor
keit aufbauen. Manche dieser Modellwelten         allem jüngere Zuschauer, die auf fiktionale    Der Markt ist weiterhin im Umbruch,
können der Alltagswirklichkeit der Zuschauer      Angebote von Streaminganbietern zugreifen,     Streamingdienste sind gerade bei jüngeren
sehr ähnlich sein. Andere wiederum können         fanden „Bad Banks“ besonders gelungen.         Zuschauern beliebt. Zunehmend wird in
eine ganz „unreale Realität“ aufbauen – im        Das ZDF kann mit „Bad Banks“ bei Zielgrup-     eigene Inhalte investiert, sei es Netflix, Ama-
Weltraum, in der Zukunft oder in der Vergan-      pen punkten, die vom Sender weniger stark      zon, Sky oder die Deutsche Telekom.3
genheit. Natürlich müssen die Zuschauer           angesprochen werden. Das zeigt auch das
diese Erzählungen verstehen, auch wenn sie        Nutzungsverhalten der Zuschauer im linearen    VoD-affine Zuschauer räumen einer
mit der eigenen Alltagsrealität nichts zu tun     TV.                                            Serie nicht viel Zeit ein, um sie oder
haben. Denn Geschichten nutzen die Fähig-                                                        ihn zu überzeugen.
keit des Zuschauers, sich einen möglichen         Die Zuschauerstruktur der Serie ist-
Alltag auszumalen.1                               deutlich jünger als gewöhnlich und             Die bereits erwähnte qualitative Studie
                                                  überdurchschnittlich von Modernen              zeigte, dass sich das ZDF als Absender
                                                  Etablierten und Familienorientierten           horizontal erzählter High-End-Serien in der
                                                  geprägt.                                       Zielgruppe der fiction-affinen 25-49-Jährigen

| Medienforschung                                                                                                    Fiction: Erfolg in Serie — 10
Zuschauer von Bad Banks
          über alle Übertragungswege

            insgesamt 3,52 Mio.

          0,55 Mio.          davon über die ZDFmediathek (16%)

                                                                                                                 Zuschauerübergabe

                                                                 Sehbeteiligung in Mio.
                                                                                                                 14-49 Jahre
                                                                 4,00
                                                                                     01.03.2018                  02.03.2018              03.03.2018  04.03.2018    05.03.2018
                                                                 3,00        Ø Zuschauerbindung: 53%                                          Ø Zuschauerbindung: 45%
                                                                 2,00

                                                                 1,00         65%      61%     63%     5%      68%                        73%       18%          48%     29%     54%
                                                                          0,14    0,14    0,13    0,09    0,10    0,10                0,70      0,65      0,40      0,30    0,44    0,32
                                                                 0,00
                                                                         Bad        Bad       Bad       Bad       Bad       Bad       Bad       Bad       Bad       Bad       Bad       Bad
                                                                        Banks      Banks     Banks     Banks     Banks     Banks     Banks     Banks     Banks     Banks     Banks     Banks
                                                                        Folge 1    Folge 2   Folge 3   Folge 4   Folge 5   Folge 6   Folge 1   Folge 2   Folge 3   Folge 4   Folge 5   Folge 6

MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
noch keinen großen Namen gemacht hat.             die Regelungen zur Verweildauer öffentlich-     zwar genau die, die aufeinanderfolgend auf
Entsprechendes Engagement beispielsweise          rechtlicher Inhalte in Mediatheken nicht        dem jeweiligen Sender ausgestrahlt wur-
bei „Bad Banks“ wird durchaus wahrge-             bekannt, insofern gehen sie generell von        den. Die Zuschauerbindung von einer Folge
nommen und geschätzt.                             einer langfristigen Verfügbarkeit der Inhalte   zur nächsten ist also solange gut, bis es
                                                  aus. Insbesondere „Binge Watchern“ sind         in der Ausstrahlung durch einen Wechsel
Ein weiteres Ergebnis war, dass entschei-         auch Empfehlungen für weitere Serien            des Sendetages zu einer Unterbrechung
dend für die Onlinerezeption einer Serie die      willkommen –                                    kommt (siehe Abbildung auf Seite 13).
Kombination aus aussagekräftigem Vor-             wenn die Vorschläge zu eigenen                  Hier greift das zeitunabhängige Angebot in
schaubild und Titel sowie einem anschau-          Sehgewohnheiten passen                          der ZDFmediathek.
lichen Abriss der zentralen Storyline in we-      bzw. eine hohe Ähnlichkeit zu den gese-
nigen Sätzen sind. Viele Zuschauer nutzen         henen Serien haben. Kann dies nicht ge-         Die Nutzung in der ZDFmediathek fand zu
Trailer oder die ersten Minuten einer Serie,      währleistet werden, gilt das Motto „weniger     einem Drittel nach der ZDF-TV-Ausstrah-
um sich für oder gegen diese zu entschei-         (empfohlene Inhalte) ist mehr“.                 lung (inkl. sieben Tage danach) statt. 26%
den. Bei komplexen Stoffen haben sie nicht                                                        der Nutzung kamen bereits vor der ZDF-
den Anspruch, auf Anhieb alle Storylines und      Erfolgskriterien                                Erstsendung zustande. Die restlichen 42%
Charaktere durchdringen zu können – beide         in der Fernsehwelt                              verteilten sich auf den sogenannten „long
Komponenten sollten aber idealerweise nach                                                        tail“, also den Zeitraum danach.6
der zweiten Folge so sehr in ihren Bann zie-      Soll eine horizontal erzählte Serie das (jun-
hen, dass die Zuschauer bereit sind und sich      ge) Publikum bestmöglich binden, so muss        Fragmentierung, Streaming, Videoportale…
darauf freuen, Zeit zu investieren und sich auf   eine Serie möglichst nicht nur von Anfang       So viele Möglichkeiten – kann das klassi-
die Serie einzulassen.                            an überzeugen, sondern                          sche, lineare Fernsehen eigentlich noch
                                                  die Programmierung der Serie                    richtige Erfolge liefern? Es kann.
                                                  muss es leicht machen, auch alle
Full-Service-Erwartungen                          weiteren Folgen zu rezipieren.
an die ZDFmediathek
                                                  Am Beispiel von „Bad Banks“ wird das
Bei der Nutzung der ZDFmediathek haben            deutlich:
die Zuschauer vergleichbare Erwartungen           Unter den 3,30 Mio. Zuschauern unter
wie bei der Nutzung von Bezahl-VoD-Por-           50 Jahren, die entweder im ZDF oder bei
talen. Dies betrifft beispielsweise techni-       ARTE mit der Serie in Kontakt gekommen
sche Zusatzfunktionen, die Netflix, Amazon        sind, lassen sich zwei Gruppen erkennen.5
Prime Video & Co. bieten: das Merken              Die eine Gruppe hat mit einer Folge der
des Abspielstandes, seamless viewing auf          Serie Kontakt und mit keiner weiteren.
mehreren Geräten sowie die langfristige           Diese Zuschauer fühlten sich offenbar nicht
Verfügbarkeit aller Folgen, besser noch aller     angesprochen. Die zweite Zuschauergrup-
Staffeln einer Serie.4 Den Zuschauern sind        pe sieht aber auch weitere Folgen. Und

| Medienforschung                                                                                                   Fiction: Erfolg in Serie — 12
Hauptsache, ihr habt Spaß:
Bewegtbild von den
Vorschülern bis zu den Twens
Fernsehen ist für Kinder nach wie vor die meistgenutzte
Bewegtbildplattform. Dennoch wird auch die Medienwelt
der Kinder fragmentierter. Die nonlineare Bewegtbildnut-
zung erreicht immer mehr immer Jüngere: YouTube ist
bereits für Kinder ab 8 Jahren relevant. Und was ist mit
den nachfolgenden Zielgruppen, den jungen Erwachse-
nen? Genau diese – linear schwer zu erreichende – Ziel-
gruppe sprechen ARD und ZDF mit dem Jugendangebot
„funk“ an. Dabei wird stärker auf Einzelmarken als auf
die Dachmarke gesetzt. Kann das funktionieren?

MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
Auch die Medienwelt                               Kinder ≠ Kinder: Akzeptanz                       sehen. Während das Fernsehen jedoch
der Kinder wird fragmentierter                    der TV-Sender im Vergleich                       stärker täglich genutzt wird, werden non-
                                                                                                   lineare Angebote eher wöchentlich, also
Die Anzahl täglich mit linearem Fernsehen         Betrachtet man das lineare Fernsehen,            seltener genutzt.
erreichter Kinder ist in den letzten Jahren ge-   zeigt sich, dass bei allen 3-13-Jährigen die     YouTube steht dabei für kurze, lustige
sunken. Im Jahr 2018 sahen im Schnitt 3,29        großen Kindersender SUPER RTL (exkl.             Clips, Musikvideos sowie Best-Of-Stellen
Mio. Kinder täglich fern. Das sind 44% aller      Toggo plus) und ARD/ZDF-Kinderkanal              aus TV-Sendungen oder Filmen.
potenziellen 3-13-jährigen Zuschauer und          nach wie vor führend sind. Mit Abstand
damit ein Fünftel weniger als 2008. Hinzu         folgen Disney Channel und Nick.                  Kostenpflichtige Streamingdienste wie
kommen sinkende Sehdauern.                        Dabei gilt: je älter die Kinder, desto wich-     Netflix und Amazon Prime Video werden
                                                  tiger werden Vollprogramme und kleinere          von 17% der 6-13-Jährigen mindestens
Kinder schauen aktuell täglich deut-              (Sparten-)Sender.                                einmal im Monat genutzt. Hier sind es vor
lich weniger lineares Fernsehen als               Die Altersspanne „3 bis 13“ umfasst nur 10       allem Serien und Filme, die geschaut wer-
noch vor zehn Jahren:                             Jahre, aber grundlegend unterschiedliche         den.
Im Schnitt sind es 2018 64 Minuten täglich,       Lebenswelten und Nutzungsvorlieben: Auf          Es zeigt sich, dass Bewegtbild insgesamt
während es 2008 noch 86 Minuten waren.1           die Kindersender entfällt bei den Pre-Teens      eine starke und vielfältige Nutzungsmotiva-
                                                  2018 nur noch ein Drittel des Fernsehkon-        tion bietet:
Die rückläufigen Zahlen finden sich in allen      sums, während es bei 3-5-Jährigen knapp             • Vorschüler suchen und finden Spaß,
Altersgruppen der 3-13-jährigen Kinder – von      60% sind.3                                       		 Unterhaltung und auch emotionale
den Vorschulkindern über die Grundschüler                                                          		 Familienmomente;
bis zu den Pre-Teens. Sie betreffen aber die      Klassisches Fernsehen                               • Grundschüler finden Material zu
10-13-Jährigen in besonderem Maße, von            vorn – aber die Vielfalt                         		 Peergroup-Talk – und zum
denen 2018 täglich noch 1,19 Mio. pro Tag         auf Abruf holt auf                               		Abschalten;
erreicht werden. Das sind 43% aller poten-                                                            • Pre-Teens nutzen darüber hinaus
ziellen 10-13-jährigen Fernsehzuschauer           Studien von ZDF, KiKA und MDR zeigen,            		 Bewegtbildinhalte zum Mood-
und gegenüber 2008 ein Rückgang um gut            dass lineares Fernsehen weiterhin die            		 Management und als Quelle für
ein Viertel. Diese Pre-Teens sehen 2018 im        führende Bewegtbildplattform bei 6-13-jäh-       		Vorbilder.4
Schnitt 65 Minuten am Tag fern. Zehn Jahre        rigen Kindern ist mit Filmen, Serien, Shows,
davor waren es noch 100 Minuten.2 Beson-          Sport und Nachrichten.                           Vom Hölzchen aufs Stöckchen?
ders in dieser Altersgruppe machen sich die       Gleichzeitig holen die anderen Plattformen       Bewegtbildinhalte on Demand
digitalen Medien und die damit verbundenen        wie YouTube, kostenpflichtige Streaming-
Möglichkeiten der Mediennutzung bemerk-           dienste sowie Sender-Mediatheken auf.            Deutlich vor den Bezahl-Angeboten
bar, die Mediennutzung wird zunehmend                                                              rangieren derzeit die Mediatheken der
fragmentierter.                                   YouTube und andere kostenlose Video-             Fernsehsender. Diese bieten ähnliche
                                                  plattformen folgen laut den Befragungen          Nutzungsanreize wie die kostenpflichti-
                                                  auf Rang zwei hinter dem klassischen Fern-       gen Videoplattformen und punkten neben

| Medienforschung                                                  Hauptsache, ihr habt Spaß: Bewegtbild von den Vorschülern bis zu den Twens — 14
Marktanteile der
                                    TV-Sender im Vergleich 2018

                     3-13-Jährige                              10-13-Jährige

      Super RTL
                                    15,8%                  RTL             9,7%
   (exkl. Toggo+)

                                                     Super RTL
              KiKA                  13,9%         (exkl. Toggo+)           8,9%

 Disney Channel                     9,9%                   Nick            8,6 %

              Nick                  6,9%         Disney Channel            8,6%

                                                          SAT.1            8,3%

                                                          PRO7             6,8%

                                                           ARD             6,3%

                                                          KiKA             6,2%

                                                           ZDF             5,3%

                                                                                   Bekanntheit von
                                                                                   funk und seiner Formate 2018

                                                                                          Bekanntheit des jungen An-
                                                                                   66%    gebots und seiner Formate
                                                                                          um +12% gegenüber dem
                                                                                          Vorjahr gesteigert

MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
Filmen und Serien auch mit Best-Of-Stellen    mationssendungen sind interessant.7              2 Jahre funk: und?
und Comedy.5                                  Auf die Entwicklung bei 10-13-Jährigen
                                              hat das ZDF früh reagiert und auf YouTube        funk als Content-Netzwerk mit ausschließ-
Das ZDF stellt seine Kinderinhalte auch       einen eigenen Kanal (ZDFtivi) etabliert, bei     lich online verbreiteten Inhalten ohne
online und damit zeitsouverän abrufbar        dem insbesondere mit kurzen Einspielern          eigenen klassischen Fernsehsender – kann
zur Verfügung. Die Kinderinhalte (ZDFtivi     auf das Kinderprogramm im klassischen            das gelingen in einer markenorientierten
/ KIKA) erreichen 2018 monatlich Ø 4,27       Fernsehen aufmerksam gemacht werden              (Medien-)Welt?
Mio. Sichtungen. Fast die Hälfte davon        soll.
(45%) wird dabei mobil genutzt.                                                                Zwei Jahre seit Bestehen des jun-
Innerhalb der Gruppe der 6-13-jährigen        Der ZDFtivi YouTube-Kanal ist mit                gen Angebots kann funk bereits
Kinder werden mit zunehmendem Alter alle      Ø 2,95 Mio. Sichtungen pro Monat                 beachtliche Bekanntheitswerte
Möglichkeiten in Anspruch genommen,           eines der erfolgreichsten YouTube                vorlegen.
neben der Nutzung von Videos auf kosten-      Angebote des ZDF.                                Eine repräsentative Onlinebefragung von
losen Videoplattformen wie YouTube auch       Zu den am meisten aufgerufenen Formaten          14-29-Jährigen ergab:
die von Videos über soziale Netzwerke.        zählen die Daily Doku-Formate „Die Jungs-        66% der 14-29-Jährigen kennen funk oder
                                              WG“ und „Die Mädchen-WG“.                        mindestens ein Format von funk. Damit hat
Ohne YouTube läuft bei den Pre-                                                                sich die Bekanntheit des jungen Angebots
Teens nichts mehr. YouTube ist fes-           funk:                                            und seiner Formate um +12% gegenüber
ter Teil der Pre-Teen-Medienkultur.           Von den Kindern zu den Teens                     dem Vorjahr gesteigert. Der Großteil der
Nutzungsorte und Nutzungsmomente              zu den jungen Erwachsenen                        Bekanntheit wird über die Formate erreicht:
sind variabel – mit YouTube immer on und                                                       59% geben an, mindestens eines der 30
überall dabei. TV-Content spielt bei der      Das Content-Netzwerk funk konzentriert           abgefragten funk-Formate zu kennen.
YouTube-Nutzung der 10-13-Jährigen nur        sich auf die Zielgruppe der 14-29-Jährigen.      Auch die Nutzung hat im Vergleich zum
eine untergeordnete Rolle, vielmehr geht      Bestehende Erfolgsformate wie „Die Jungs-        Vorjahr zugelegt: 49% der 14-29-Jährigen
es um YouTube-exklusive Inhalte. Über         WG“ und „Die Mädchen-WG“ werden dafür            nutzen das Angebot von funk mindestens
diese wird nicht nur mit den Freunden und     weiterentwickelt. So können die mittlerweile     selten oder geben an, mindestens eines
Freundinnen geredet, sie werden als Rat-      in die 20er gekommenen „WG-Bewohner“             der abgefragten funk-Formate schon ein-
geber für Schule, Freizeit und Lebensfragen   in eine gemeinsame WG ziehen. Zunächst           mal genutzt zu haben. Damit steigert sich
genutzt. YouTuber sind den jugendlichen       wurden die jeweils letzten Staffeln des          der weiteste Nutzerkreis um 15% gegen-
Nutzern nah, sind zugleich Role Models        Kinder-Erfolgsformats zur Verfügung ge-          über der Vorjahresbefragung.
und Trendsetter.6                             stellt (650 Tsd. Sichtungen im Mai 2018).
                                              Mit dem Start des YouTube Kanals „die            Und wie sind die meisten Zuschauer auf
Lineares Fernsehen wird von den Pre-          wohngemeinschaft“ konnte diese Zahl              funk aufmerksam geworden? Der Erstkon-
Teens selektiver – und das heißt auch:        deutlich gesteigert werden, auf 3,09 Mio.        takt findet meist über YouTube oder Face-
kritischer – genutzt. Hauptsächlich Events    Sichtungen pro Monat.8                           book statt. Die Strategie geht also auf.9
und Live-Inhalte sowie ausgewählte Infor-

| Medienforschung                                              Hauptsache, ihr habt Spaß: Bewegtbild von den Vorschülern bis zu den Twens — 16
Im Zweifel:
Politisch interessiert
Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen wirken sich auf
das politische Interesse und damit auch auf das Interesse an
Nachrichten aus. Das politische Interesse ist hoch wie lange
nicht – und auch die öffentlich-rechtlichen Nachrichten wer-
den viel genutzt. Gleichzeitig gibt es seit 2014 auf diesem
sehr hohen Niveau einen leichten Rückgang in der Bedeutung
von Nachrichten insgesamt. Wie passt das zusammen? Ein
gezielter Blick auf Gruppen, die sich vom politischen Gesche-
hen und von (öffentlich-rechtlichen) Nachrichten entfremdet
haben, kann hier Aufschluss geben.
MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
Im Aufwind: politisches                          Engagement eine verbindlichere Form.              Bei der Bewertung von Medien ist das zu
Interesse und Beteiligung                        2018 gibt es in Deutschland fast 15 Mio. ab       berücksichtigen. Will man sich ein Bild davon
                                                 14-Jährige, die ehrenamtlich tätig sind. Im       machen, wie Zuschauer, Hörer, Leser, Inter-
Ende Dezember 2018 sind zwei Drittel der         Vergleich zu 2014 bedeutet das ein Plus von       net- und Social-Media-Nutzer die Glaubwür-
deutschen Wahlberechtigten nicht zufrieden       fast 2 Mio.7                                      digkeit verschiedener Medien bewerten, muss
mit der Arbeit der Bundesregierung.1 Die                                                           man entsprechend differenziert fragen. Dies
beste Sympathie- und Leistungs-Note für          Während ehrenamtliches Engagement oder            leistet die halbjährliche Glaubwürdigkeitsum-
deutsche Spitzenpolitiker wäre eine +5 („hal-    Parteiarbeit eine gewisse Verbindlichkeit         frage der Forschungsgruppe Wahlen (FGW)
te sehr viel von…“): Ende 2018 kommen vier       voraussetzen, gibt es heutzutage aber auch        für das ZDF. Ähnlich wie bei der Bewertung
Politiker auf Platz 1 mit einem Durchschnitts-   zunehmend situativere und niedrigschwel-          von Politikern im Politbarometer können die
wert von lediglich +1,3.2                        ligere Partizipationsmöglichkeiten. Ob man        Befragten auf einer 11er Skala von +5 bis -5
                                                 nun Online-Petitionen startet, sich an De-        mit einem Nullpunkt ihre Antworten bei der
Allerdings: Unzufriedenheit in unterschied-      monstrationen beteiligt, eine Bürgerinitiative    Einschätzung der Glaubwürdigkeit abstufen
licher Ausprägung ist kein Desinteresse.         unterstützt, sein Facebook-Profilbild einfärbt,   („Thermometer“).
Vielmehr ist es ein Hinweis auf Interesse und    bestimmte Marken boykottiert oder unter
den Wunsch sich einzumischen und reiht           einem Hashtag twittert. Die Möglichkeiten         Bei diesen Umfragen nach der Glaubwür-
sich nahtlos in eine aktuelle Entwicklung ein:   seiner Meinung Ausdruck zu verleihen sind         digkeit von verschiedenen Medien sprechen
                                                 vielfältig, aber mitunter auch relativ unver-     die Befragten den seriösen Qualitätsmedien
Das politische Interesse ist so hoch             bindlich.                                         die höchste Glaubwürdigkeit zu, allen voran
wie schon seit über 20 Jahren nicht                                                                den Nachrichten von ARD und ZDF. Dahinter
mehr.3                                                                                             folgen die regionalen und überregionalen Ta-
                                                 Fernsehnachrichten                                geszeitungen. Am schlechtesten werden die
Dabei hat das starke und sehr starke Interes-    bleiben hochrelevant                              sozialen Medien und die Bildzeitung bewer-
se an Politik in allen Altersklassen zugenom-                                                      tet.10
men.4                                            Die „etablierten“ Medien sehen sich spätes-
                                                 tens seit 2015, dem Jahr der Flüchtlingskri-      Nun schließt sich die Frage an, ob und welche
Das wirkt sich aus. Und zwar unter anderem       se, teilweise heftiger Kritik ausgesetzt – be-    Auswirkungen all das auf die Medien- bzw.
in einer Wahlbeteiligung, die bei der Bundes-    sonders im Internet und in sozialen Medien.       Nachrichtennutzung hat. Die Nutzungsdaten
tagswahl 2017 um knapp 5 Prozentpunkte           Kern der Kritik ist nach wie vor die Diskussi-    sprechen eine eindeutige Sprache: Die Zu-
gegenüber 2013 gestiegen ist.5 Bei den           on um die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit         schauerzahlen der „heute“ 19 Uhr Sendung,
Landtagswahlen der vergangenen drei Jahre        der Berichterstattung.8 Wem kann vertraut         des „heute-journals“ und auch der „Tages-
lagen die Zuwächse teils deutlich höher.6        werden? Was sind verlässliche Quellen?            schau“ gehen zuletzt wie auch das politische
Wahlbeteiligung ist eine Form politischen        Gleichzeitig ist die Lügenpresse-Debatte der      Interesse nach oben. Alle drei Formate er-
Engagements – eine unverbindliche aller-         Jahre 2015 und 2016 in ihrer Hysterie abge-       reichten zuletzt immer wieder Spitzenwerte,
dings. Dagegen zeigt neben dem Eintritt in       ebbt.9 Ohnehin lohnt hier ein differenzierter     die sie lange nicht erreicht haben.
eine Partei besonders auch ehrenamtliches        Blick: Medien sind höchst unterschiedlich.

| Medienforschung                                                                                             Im Zweifel: Politisch interessiert — 18
Entwicklung des
    politischen Interesses
    Angaben in %

    Politisches Interesse stark,   Politisches Interesse
    sehr stark                     kaum, gar nicht

     2011                    44%   2011           15%

     2012                    44%   2012           15%

     2013                    52%   2013           11%

     2014                    45%   2014           14%

     2015                    48%   2015           14%

     2016                    53%   2016           11%
                                                                                                Zuschauerzahlen
     2017                    56%   2017           10%                                           der Nachrichten
                                                                                                                 Sehbeteiligung in Mio.

     2018                    55%   2018           10%       Tagesschau     5,31                                5,29
                                                                                                                        5,22
                                                                                  4,93           4,94   4,99                     5,05
                                                                                         4,84

                                                                                                        3,60   3,69     3,71     3,83
                                                                  heute    3,52          3,44    3,54
                                                                                  3,31

                                                             RTL aktuell   3,91
                                                                                  3,54
                                                                                         3,46
                                                                                                 3,25   3,15   3,07     3,06     3,01

                                                           heute-journal   3,63          3,65    3,72   3,72   3,88     3,84
                                                                                  3,54                                           3,77

                                                           Tagesthemen     2,35   2,51   2,53   2,46    2,44   2,62     2,41
                                                                                                                                 2,19

                                                                           2011   2012   2013   2014    2015   2016    2017     2018
MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
Das „heute-journal“ erreicht 2018               Für Teile der Bevölkerung scheinen              ausgiebig über das aktuelle Geschehen
den höchsten Marktanteil seit 1995              Nachrichten heute jedoch weniger                informieren, bei einigen Quellen wie privates
und die „heute“ 19 Uhr Sendung ist              als zuvor das Bedürfnis nach Sicher-            Fernsehen, privates Radio oder Social Media
so stark wie zuletzt 2005.                      heit und Kontrolle zu bedienen:                 sogar häufiger als der Durchschnitt, informie-
                                                                                                ren sich die Entfremdeten merklich weniger
Dazu passend bescheinigt auch die letzte        Globale Themen wie Terror oder die Flücht-      und nutzen fast alle Quellen, also auch das
qualitative Untersuchung, die die ZDF-Medi-     lingssituation sind bedrohlich nah gekom-       öffentlich-rechtliche Fernsehen, deutlich
enforschung im Juni 2018 durchgeführt hat,      men.14 Ein wichtiger Faktor in dem zwiespäl-    unter Schnitt.16
der „heute“ 19 Uhr Sendung und dem „heute-      tigen Verhältnis zu Politik und Nachrichten.    Im Gegensatz zu den Entfremdeten beteili-
journal“ eine hohe Zufriedenheit der Stamm-                                                     gen sich die politischen Zweifler noch recht
zuschauer.11                                    Und während in Teilen der Bevölkerung Inte-     rege am Nachrichtengeschehen und nutzen
                                                resse und Vertrauen zunehmen, zeigt sich in     auch die Angebote des ZDF. Aus diesem
                                                anderen Teilen ein (wachsendes) Misstrau-       Grund hat die ZDF-Medienforschung diese
Es bröckelt: das hohe Nachrich-                 en.15                                           Gruppe nochmal in einer tiefergehenden
teninteresse nimmt leicht ab                                                                    Befragung in den Blick genommen: Woher
                                                                                                kommen die Zweifel, wie wirken sich diese
Dennoch gehört zum ganzen Bild noch eine        Tendenzen                                       aus und wie stehen sie den öffentlich-recht-
andere Entwicklung: Im jährlichen ZDF-Image-    politischer Entfremdung                         lichen Medien gegenüber?
trend zeigt sich zwar, dass über 90% der
Befragten sagen, dass Fernsehnachrichten        Weiteren Aufschluss kann die Studie „Medi-      Die Studie hat sich vor allem mit denjeni-
ihnen wichtig bzw. besonders wichtig sind.12    en als Träger politischer Information“ geben.   gen befasst, die skeptisch sind, aber noch
Fernsehnachrichten sind also aus Zuschau-       Diese Studie, die gemeinsam von der ZDF-        grundsätzlich offen für öffentlich-rechtliche
ersicht weiterhin das mit Abstand wichtigste    und der ARD-Medienforschung im Sommer           Angebote.17
Genre im Fernsehen. Gleichzeitig zeigt sich     2017 durchgeführt wurde, greift auf eine
gegenüber 2014 ein Rückgang um 5 Pro-           Typologie zurück, bei der politische Zweifler   Zunächst handelt es sich um eine relativ
zentpunkte; wenn auch weiterhin auf hohem       und politisch Entfremdete beschrieben wer-      heterogene Gruppe: Zweifler kommen aus
Niveau.13                                       den. Politische Zweifler machen rund 14%        unterschiedlichen Milieus und beklagen
                                                der Bevölkerung aus, die politisch Entfrem-     verschiedenste Missstände in Politik und
Deutschland interessiert sich wieder mehr für   deten 9%. Während die politischen Zweifler      Medien. Dabei sind sie teilweise gut über das
Politik, Nachrichtensendungen werden noch       noch zu 43% politisch interessiert sind, ist    Nachrichtengeschehen informiert. Die Grün-
mehr genutzt, das Interesse an Nachrichten      das politische Interesse unter den Entfrem-     de für ihre Zweifel sind dabei vielfältig und
geht aber zurück?                               deten mit nur noch 10% äußerst gering.          äußern sich in Beschreibungen von Nach-
                                                                                                richten als „unverständlich“, „beängstigend“
Sich zu informieren, gehört für die meisten     Das zeigt sich auch in der Mediennutzung.       über „zu weit weg“, „schöngefärbt“ bis hin zu
zum Alltag.                                     Während politische Zweifler sich noch           „Lückenpresse“ (nicht „Lügenpresse“).

 | Medienforschung                                                                                         Im Zweifel: Politisch interessiert — 20
Glaubwürdigkeit
        der Berichterstattung
        von ARD und ZDF
        Angaben in %

   80

   70                       68                            67   67             67                    Vertrauen sehr groß/
                       65             64   65   66   65                  64             66    66
         63                                                         62             64               groß
               58                60
   60

   50

               41
   40                            38
         35                                                         36
                       33             34   33        33                  33
                                                31             31             31   32   31   32     Vertrauen nicht so groß/
                            29                            30
   30                                                                                               gar kein Vertrauen

   20

   10

    0
        Nov Jan Apr Jul Okt Jan Apr         Jul Okt Jan Apr Jul     Okt Jan Apr Aug          Okt
        2015 2016 2016 2016 2016 2017 2017 2017 2017 2018 2018 2018 2018 2019 2019 2019      2019

MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
Dabei zeigt sich auch, dass die Me-              Welche Möglichkeiten gibt es,
dien als Überbringer der Nachricht               die Zweifler stärker
mitunter in Mithaftung genommen                  anzusprechen?
werden.18
                                                 In der Studie wurden drei Stellschrauben
Gemeinsam ist der Gruppe der Zweifler die        herausgearbeitet.20
Suche nach Identität, teils auch nach einer
spezifischen, greifbaren deutschen Identität.    1. Perspektivenvielfalt: z.B. Akteure mit ver-
Die gesellschaftlichen, ökonomischen und         schiedenen Meinungen zeigen.
politischen Zusammenhänge sind global und
national inzwischen für einige zu komplex        2. Augenhöhe: z.B. klare Sprache, klarer
geworden. Dabei ist die Zuwanderungspo-          Bezug auf Deutschland, den eigenen Alltag.
litik nur ein Aspekt, wenn auch ein zentraler.
Zweifler beschreiben schwer auszuhaltende        3. Orientierung: z.B. Nachrichten in alltags-
teils diffuse Gefühlszustände wie Wut, Ohn-      nahe Kontexte einzubetten, auf Zusammen-
macht, Unsicherheit, Orientierungslosigkeit,     hänge und die Entwicklung von Themen
Verlustängste – und besonders die Sorge,         hinzuweisen.
damit alleingelassen zu werden.

Dieses fehlende Resonanzerleben führt dazu,
dass sie sich mit ihrer eigenen Lebenswelt
nicht ausreichend medial repräsentiert und
damit zu einem gewissen Grad unerwünscht
fühlen. Bedenklich daran ist, dass alternati-
ve – auch populistische – Angebote eine Art
Zuwendungsersatz darstellen können.19

| Medienforschung                                                                                 Im Zweifel: Politisch interessiert — 22
Wer sieht mich
und wenn ja, wie viele?
Kennzahlen unter
der Lupe
Bei der Betrachtung des TV-Marktes allgemein und der ZDF-Familie
insbesondere ist alles einfach: Die Sehdauer ist hoch, das ZDF ist
2018 im siebten Jahr in Folge mit dem stärksten Marktanteil seit
1996 Marktführer und die ZDF-Familie wächst. Ein Blick auf einzel-
ne Zielgruppen und auf die Entwicklung der Kennzahlen „Seher“
und „Verweildauer“ zeigt, welche Komplexität sich dahinter verbirgt,
welche Entwicklungen bei Fernsehzuschauern stattfinden und kann
Hinweise darauf geben, was das für Marken und Markt bedeutet.

MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
Erfolge für die ZDF-Familie                       14-49-Jährigen sind es im Schnitt 57%, die       drei Jahre gedauert, von 2014 bis 2016
                                                  jeden Tag fernsehen.                             waren es nur noch zwei Jahre. Von 2016
Das ZDF bleibt auch 2018 trotz zunehmen-                                                           auf 2017 fand dieser Rückgang nun inner-
der Fragmentierung mit 13,9% Marktanteil                                                           halb eines Jahres statt. Auch 2018 ging die
zum siebten Mal in Folge der meistgesehene        Anstieg der Verweildauer                         Sehdauer bei den Jüngeren um 7 Minuten
Fernsehsender – mit dem höchsten Wert seit                                                         zurück und liegt bei noch 153 Minuten. Das
über 20 Jahren.1 Das ist umso wichtiger, da       Es schalten also weniger Menschen ein,           ist zwar mehr als in den Zeiten ohne Inter-
vor über 20 Jahren die Fernsehlandschaft          gleichzeitig sehen diese aber länger fern.       net, also Anfang der 90er Jahre. Gleichzeitig
noch eine ganz andere war, ohne die vielen        Das zeigt die durchschnittliche Verweildau-      durchaus bemerkenswert.6
unterschiedlichen Spartensender, die als          er der Zuschauer insgesamt: Die 68% der
stetes Wasser den Stein der großen Sender         Zuschauer, die pro Tag einschalten, sehen im
Stück für Stück weiter aushöhlen konnten.         Durchschnitt 320 Minuten fern.4                  Mehr Sender – weniger Zapping
Dazu kommt, dass ZDFneo (3,2%) und ZD-
Finfo (1,4%) 2018 die höchsten Marktanteile       Neben der Verweildauer gibt es auch noch         Eine fragmentierte TV-Landschaft, eine
seit Bestehen aufweisen.2                         die Sehdauer, bei der ein Durchschnitt über      größere Anzahl Sender: Der Schluss liegt
                                                  alle Personen berechnet wird, also auch die      nahe, dass die Zuschauer durch die größe-
                                                  einbezogen werden, die nicht ferngesehen         re Auswahl an TV-Sendern mehr durch die
Der Rückgang der                                  haben. Somit konnte in den letzten Jahren        Kanäle zappen.
täglichen Nettoreichweite                         der Rückgang der Nettoreichweite durch den
                                                  Anstieg der Verweildauer kompensiert und         Dennoch ist das Gegenteil der Fall. Die An-
Gleichzeitig verändert sich das Publikum des      damit eine stabil hohe Sehdauer ausgewie-        zahl der gesehenen Sender, also die Größe
klassischen Fernsehens.                           sen werden.5                                     des Senderportfolios, die ein Nutzer bzw.
Im Jahr 2018 sind es rund 68% der Deut-                                                            ein Seher im Rahmen seiner Verweildauer
schen, die täglich den Fernseher einschalten.     Beim Blick auf die Jüngeren (14-49 J.) wird      nutzt, ist zurückgegangen.
Das entspricht rund 51 Mio. Menschen.             deutlich, dass die Entwicklung an Dynamik
Über die letzten 10 Jahre lässt sich ein leich-   gewinnt. Seit 2013 geht die Verweildauer erst    Pro Tag werden 2018 durchschnittlich 5,4
ter, aber stetiger Rückgang beobachten, so        langsam, zuletzt etwas stärker zurück und        Sender gesehen. Vor 10 Jahren wurden im
dass die Zahl der Tagesseher im Vergleich         liegt 2018 aktuell bei im Schnitt 265 Minuten.   Schnitt noch 6,2 Sender pro Tag genutzt.7
zum Jahr 2004 um rund 7 Prozentpunkte                                                              Auch hier ist der Blick auf die Jüngeren
zurückgeht: In absoluten Zahlen sind das          Wenn nun Nettoreichweite und                     interessant. Vor gut 10 Jahren nutzten
etwa 2 Mio. Zuschauer weniger.3                   Verweildauer sinken, wirkt sich das              jüngere Zuschauer noch mehr Sender als
                                                  auch direkt auf die durchschnittli-              das Gesamtpublikum. Das kehrte sich
Diese Entwicklung ist bei Jüngeren, den           che Sehdauer aus.                                2011 um: Seitdem ist die Zahl der gesehe-
14-49-Jährigen, stärker ausgeprägt. Ver-                                                           nen Sender bei Jüngeren geringer als beim
glichen mit 2004 ist ein Rückgang um rund         Ein Rückgang der Sehdauer von rund 10            Gesamtpublikum. Die jüngeren Zuschauer
12 Prozentpunkte festzustellen. Unter den         Minuten hat zwischen 2011 und 2014 noch          nutzen im Schnitt noch 4,7 Sender, also

| Medienforschung                                                             Wer sieht mich und wenn ja, wie viele? Kennzahlen unter der Lupe — 24
Entwicklungen von         350        Sehdauer in Minuten

   TV-Kennzahlen             300

                             250
         Zuschauer gesamt                   225               222       221       221       223       223       221
                                                                                                                           217
  Erwachsene 14-49 Jahre     200
                                            192               187       182       181
                                                                                            176       171       160
                             150                                                                                           153
                                   //
                              0
                                          Jahr             Jahr        Jahr      Jahr      Jahr      Jahr      Jahr      Jahr
                                          2011             2012        2013      2014      2015      2016      2017      2018

                             350        Verweildauer in Minuten
                                                                                            322      323        323      320
                                                           316         317
                                           314                                   316
                             300
                                           293             294         294
                                                                                 291        288
                                                                                                     283       272
                             250
                                   //                                                                                    265

                              0
                                          Jahr            Jahr         Jahr      Jahr      Jahr      Jahr      Jahr      Jahr
                                          2011            2012         2013      2014      2015      2016      2017      2018

                             80         Nettoreichweite in Mio.

                             60
                                                                                                       51,73     51,19
                                           51,41               50,36               50,22     49,98                         51,15
                                                                         49,69
                             40

                                           22,66               21,74               20,94               20,89
                             20                                          20,86               20,25               20,02
                                                                                                                           19,68

                              0
                                           Jahr               Jahr      Jahr       Jahr      Jahr      Jahr      Jahr      Jahr
                                           2011               2012      2013       2014      2015      2016      2017      2018

MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
knapp 2 Sender weniger als 2006.                neue Zuschauer zu gewinnen.9

Das bedeutet, dass es den einzelnen             Spezielle Inhalte für spezielle Zielgruppen
Sendern offenbar besser gelingt, die Zu-        auf spezifischen Plattformen werden so-
schauer an sich zu binden (was sich auch        mit vermutlich einen höheren Stellenwert
bei der gestiegenen Verweildauer bei den        bekommen.10
jeweiligen Sendern zeigt). Es lässt aber
auch den Schluss zu, dass sich Publika
einzelner Sender – auch durch die spitzere
Zielgruppenansprache – vermehrt vonein-
ander abgrenzen. Ein Phänomen, das im
Netz bereits weit fortgeschritten ist und als
„Filterblase“ diskutiert wird.

Ambivalente Entwicklungen
für Markt und Marken

Nettoreichweiten werden geringer, was bei
Durchschnittswerten wie Sehdauer, Seh-
beteiligung oder Marktanteil durch einen
Anstieg der Verweildauer zumindest teil-
kompensiert wird.

In 2018 geht nun auch die Verweildauer
erstmals um drei Minuten zurück,8 wenn
auch auf hohem Niveau. Dies führt dazu,
dass auch die Sehdauer erstmals seit län-
gerem um 4 Minuten auf im Schnitt
217 Minuten zurückgeht.

Wenn nun Publika kleinteiliger werden und
sich vermehrt voneinander abgrenzen, es
weniger Überschneidungen und Bewegun-
gen im Markt gibt – dann dürfte es zuneh-
mend schwerer für Medienmarken werden

| Medienforschung                                                           Wer sieht mich und wenn ja, wie viele? Kennzahlen unter der Lupe — 26
Zuschauer
besser verstehen: mit der
MedienNutzerTypologie (MNT)
Manchmal wird einfach ein Altersbereich definiert – und fertig
ist die Zielgruppe. Zum Beispiel die der 14-49-Jährigen. Das ist
sehr praktikabel und auch aussagekräftig, wie Untersuchungen
zeigen; jedoch ist es nicht alles. Wünsche, Einstellungen, Ge-
schmack und vieles mehr bleiben unsichtbar. Die MedienNutzer-
Typologie geht darüber hinaus, indem sie eine wissenschaftliche
und gleichzeitig anschauliche Zielgruppenbeschreibung liefert.
Um diese Nutzertypen noch eingehender zu verstehen, wurde die
Typologie um eine tieferliegende Ebene von Emotionen und Mo-
tivationen ergänzt.

MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
Es lohnt sich immer, bei Leistungswerten der     chen Werten, Einstellungen, Interessen und       zuvor erwähnten „Zielstrebigen“ zuweisen
Mediennutzung nicht nur auf die Gesamtnut-       Freizeitverhalten zu homogenen Gruppen           kann, dass sie auf der Suche nach neu-
zer, sondern auf Untergruppen zu schauen:        zusammen.                                        en Erfahrungen und Abenteuern sind und
Oft werden erst so unterschiedliche Trends                                                        dass ihnen „Neues auszuprobieren“ gene-
innerhalb der „Gesamtmasse“ deutlich, z.B.       Im ZDF ist die MNT seit 2012 etabliert.          rell leicht fällt.4
dass 14-29-Jährige in einem ganz anderen         Sie ist eine wissenschaftlich
Medienalltag leben als 30-49-Jährige.1           fundierte, in ihren Grundlagen                   Wie kommt man nun an die Motive und
                                                 transparente und nachvollziehbare                Erwartungshaltungen von Zuschauern, um
Gleichzeitig ist klar: Das Lebensalter ist mit   Untersuchung.2                                   sich — über die prägenden Lebensphasen
die wichtigste Variable der Mediennutzung.       Die Möglichkeit, die MNT täglich in Over-        und Alterseffekte hinaus — dem „Unter-
Sie reicht aber allein nicht immer aus, um       night bzw. ZDFscope auszuwerten, ermög-          bewusstsein“ eines MedienNutzerTypen
Unterschiede in der Nutzung und Gründe           licht einen schnellen Zugang.                    anzunähern? Erfolgversprechend scheint
dafür zu erklären.                                                                                es zu sein – so rühmt sich Netflix beispiels-
Segmentierungen und Typologien – helfen          Die Grafiken3 visualisieren die Erkenntnisse     weise ja, seine Nutzer besser zu kennen,
hier weiter.                                     aus den repräsentativen Studien. Teilweise       als diese sich selbst.
                                                 basieren die Erkenntnisse auch auf soge-
Im Kopf meines Zuschauers                        nannten ethnografischen Methoden. So             Die ARD-/ZDF-Forschungskom-
                                                 wurden im Rahmen einer aufwändigen               mission hat testweise eine Studie
Die MedienNutzerTypologie (kurz MNT)             qualitativen Studie 2006 je zehn Probanden       mit dem Ziel durchgeführt, die
bietet eine anschauliche Beschreibung von        eines MedienNutzerTyps rekrutiert und in         bestehenden Typbeschreibungen
Nutzergruppen der Bevölkerung. Sie liefert       einer Lebensweltstudie in ihrem Alltag be-       um psychografische Dimensionen
Programmmachern einen tieferen Einblick          gleitet. Dies half, sich von vorhandenen Kli-    anzureichern.5
in die Lebenswelt der Zuschauer: z.B. in         schees und Vorurteilen zu befreien. So fiel      Im Ergebnis zeigte sich, dass die der Me-
die der optimistischen „Zielstrebigen“, die      die Entscheidung, für die MNT keine Fotos        dienNutzerTypologie zugrunde liegenden
als Digital Natives nur noch kurz ihre Mails     heranzuziehen, sondern Grafiken anzufer-         Dimensionen den sieben voneinander un-
checken müssen, natürlich jung und dy-           tigen, um hier die einzelnen Nutzertypen in      abhängigen Emotionssystemen: Dominanz,
namisch sind, die unterwegs auf Partys,          ihrer Vielfältigkeit nicht einzuschränken und    Suche, Spiel/Freude, Lust/Erotik, Balance,
Konzerten, und gerne im Urlaub sind. Dies        auf einen „Stereotyp“ zu reduzieren.             Fürsorge und Skepsis/Sorge sehr ähnlich
ist nur ein Beispiel, wie solche Typologisie-                                                     sind.6 Bei einem „Modernen Etablierten“
rungen helfen können, sich die Zuschauer         Die ARD/ZDF-Forschungskommission ist             – eine liberale, kritische und aktive Persön-
besser vorzustellen. Fast so, als könne          nun noch einen Schritt weitergegangen            lichkeit – ist z.B. das System „Suche“ im
man sehen, wer da in den Bildschirm oder         und hat sich mit sogenannten impliziten          Sinne von Neugier und Fortschrittsglaube
auf das Tablet schaut oder mit der Fernbe-       Verfahren auseinandergesetzt. Dies mit           überdurchschnittlich ausgeprägt, aber auch
dienung auf dem Sofa liegt.                      dem Ziel, die einzelnen MedienNutzerTypen        „Spiel/Freude“ und „Lust/Erotik“ spielen
                                                 noch greifbarer und plastischer erscheinen       eine wichtige Rolle. Dazu passt, dass die-
Die MNT fasst dazu Menschen mit ähnli-           zu lassen, indem man beispielsweise den          sem Typus auch Aggression und Rebellion,

| Medienforschung                                                           Zuschauer besser verstehen: Mit der MedienNutzerTypologie (MNT) — 28
MEDIENENTWICKLUNGEN 2019
ZDF Medienforschung Report
aber weniger Harmonie und Ordnung eigen        weit in den Eigenschaften und seiner Me-
sind – und sich als kritische Haltung sowie    diennutzung beschränken, dass die Ziel-
eine gewisse Nonkonformität zeigt.7            gruppenansprache unnötig eingeschränkt
                                               wird. Eine weitere Schwäche dieser starken
Die in der MNT-Basisstudie erforschten         Zuspitzung ist, dass die Dynamik der ge-
Werthaltungen und Lebensziele finden sich      sellschaftlichen Entwicklung einen regelmä-
somit bei den MedienNutzerTypen auch           ßigeren Abgleich mit der Realität erfordert.
unterbewusst wieder. Für Programmma-           Schließlich sind Personas – im Unterschied
cher kann diese Zuordnung einen Mehrwert       zu den MNT – nicht mit den Akzeptanzzah-
bedeuten.                                      len verknüpft, so dass der Zielgruppener-
                                               folg insofern nicht messbar ist.

Eskapistin oder                                Hilfreich sind Personas sicher zum
Gaby, 53, Friseurin                            Verständnis des Kontextes, in dem
                                               sich ein Zuschauer befindet.
Eine weitere Möglichkeit, seine Zuschau-       So kann beispielsweise anhand eines fik-
erinnen und Zuschauer besser zu verste-        tiven Tagesablaufes besser nachvollzogen
hen, sind Personas. Grundsätzlich versteht     werden, wo z.B. Kontakt mit den verschie-
man unter Personas fiktive Personen, die       denen Medien stattfindet.
typische Vertreter oder Vertreterinnen einer
Zielgruppe darstellen.
                                               Die kreative Liebe zum Detail
Personas werden nicht auf Basis von „In-
dividualempirie“ mit Eigenschaften aufgela-    Wenn Big Data das Gold der Zukunft ist,
den, sondern basieren idealerweise auf so-     um über möglichst viele Datenquellen
liden Forschungserkenntnissen und werden       mehr über Mediennutzungsgewohnheiten
dann verfeinert bzw. deskriptiv zugespitzt.    herauszufinden, dann sind die MNT oder
                                               auch Personas „Small Data“: Die klein-
Aus einer „Eskapistin“ (MNT) kann also         teiligen, persönlichen Erkenntnisse, mit
Gaby, die 53-jährige Friseurin werden, die     denen die Lebenswelt von Nutzertypen im
eine Vorliebe für Katzen und Liebesfilme       besten Sinne der Hermeneutik verstanden
hat. Oder eben auch Gabriel, der 46-jähri-     werden kann – Small oder Personal Data
ge KFZ-Mechaniker, der nach Feierabend         eben.8
gerne bei einer Komödie entspannt.
Dabei ist immer darauf zu achten, dass
Personas den Mediennutzertypen nicht so-

| Medienforschung                                                        Zuschauer besser verstehen: Mit der MedienNutzerTypologie (MNT) — 30
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