Banksy: "going, going, gone" oder Schreddern ist schön, Kunst allemal
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Banksy: „going, going, gone“ oder Schreddern ist schön, Kunst allemal Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Manche machen aus Scheiße scheinbar Gold, dazu gehören Künstler von der Kulinarik bis zur Schablonengraffiti, und manche gehen den umgekehrten Weg. Verrechnet hat sich dabei vielleicht einer, der Kunst kaufen wollte, genauer gesagt: das Kunstwerk „Girl with Balloon“ (dt. „Mädchen mit Ballon“) von Banksy. Dass Banksy Stadtguerilla kennt und kann, das kann man sich vorstellen und wenn nicht, dann schaue man sich an, wie just in dem Moment, als ein Bieter für 1,04 Millionen Pfund, das sind 1,18 Millionen Euro, ein Banksy-Bild bei Sotheby’s in London ersteigert, dieses am unteren Rand des Rahmens geschreddert wird. Wunderbar! Der Schredder war im dicken güldenen Bilderrahmen verborgen. Beachtlich. „Zerstörte der Künstler sein Kunstwerk selbst“, fragen sich viele und „war er etwas da“? Dass das alles im Hier und Jetzt Kunst sein könnte, auch die Aktion und das, was folgt, darauf kommen die wenigsten Beurteiler der Betrachtungen. Mit Banksy bricht jetzt die Zeit des Schredderns an. Fangt an mit Rechnungen und Mahnungen und so weiter!
Unter die Oberfläche: „Cishuman“, erste Ausstellung von Nils Ben Brahim Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Es ist nicht die erste Einzelausstellung des jungen Künstlers, es ist seine erste Ausstellung überhaupt: „Cishuman“ von Nils Ben Brahim, keine zwanzig Jahre alt und jünger wirkend, aber enorm belesen. Das wirkt sich unter anderem darin aus, dass sich bei fast jedem seiner Bilder Bezüge finden lassen. Darunter Namen, die man bei 18-, 19Jährigen nicht erwartet: Bakunin, Basquiat, Benjamin – und immer noch sind wir beim Buchstaben „B“ wie Berlin oder B. Traven. So unterschiedliche Figuren wie Walter Benjamin und Paul Klee, Marut-Traven, Lars von Trier und Vinterberg. Teilweise bezieht sich Ben Brahim nur auf eine Ebene. Bei dem Bild „Das Fest“ nur auf den gleichlautenden Titel des 101minütigen Spielfilmes auf dem Jahr 1998 (dänischer Originaltitel „Festen“), der von Thomas Vinterberg nach den Regeln der Gruppe Dogma 95 gedreht wurde. Nicht auf den Inhalt. Das könnte man für oberflächlich halten, doch genau das ist es nicht.
Sowohl mit seiner Maltechnik geht er unter die Oberfläche, in der er mehrere Schichten schafft, die er wiederum stellenweise durchstößt, zerschabt, übermalt und erneut bearbeitet und damit die Reliefstruktur des Kunstwerks verstärkt, als auch inhaltlich. Jedes seiner Werke will unter die Unterfläche gehen. Ein Gespräch mit dem Künstler der Ausstellung „Cishuman“ „Kurz vorab: Was ist eigentlich ‚Cishuman‘?“ Nils Ben Brahim: „Diesen Ausdruck habe ich erfunden. Das Wort gibt es nicht.“ (Gab es nicht; d. Red.) Was bedeutet es? „Es steht im Gegensatz zu ‚transhuman‘“. Neoliberalisten versuchen zwar, jenen Begriff positiv zu besetzen, doch letztlich wirkt er entmenschlichend. Was könnte man synonym verwenden? Nils Ben Brahim: „Es gibt kein Synonym in einem Wort“. „… deshalb haben Sie den Begriff erfunden.“ Nils Ben Brahim: „Ja. Am ehesten kommt ihm nahe: ‚sich auf den Augenblick beziehend, auf das Jetzt‘. ‚Sich auf den Menschen beziehend‘.“ Frage an den Künstler: „Wie soll denn die Botschaft an den Besucher aussehen?“ Möge sich der Besucher mit den Bildern beschäftigen „Das geht ja in der Postmoderne eh verloren. Dort geht es um Sensationen und Vermarktbarkeit.“ Das zentrale Wort, an dem man sich reiben und dem man
widersprechen kann, sei: „Oberflächlichkeit“. „Ich versuche, die Oberfläche aufzubrechen.“ „Meine Bilder sind ja prinzipiell nicht immer leicht zu verstehen.“ Der Künstler verbessert sich: „Schwer.“ Das ergäbe: ‚Meine Bilder sind ja prinzipiell schwer zu verstehen.‘ Er korrigiert sich nochmals: „Gar nicht.“ „‘Gar nicht‘ klingt besser.“ Gerade deswegen – oder trotzdem – wünscht sich Nils Ben Brahim, dass sich der Besucher mit den Bildern beschäftigen möge. Um dann zum Beispiel den anarchistischen Künstler Ret Marut, Kulturminister der Münchener Räterepublik, zu entdecken, der später als Schriftsteller unter dem Pseudonym B.Traven weltberühmt wurde. Oder Paul Klee. Oder Walter Benjamin und seine Ideen und Ansichten. Unter der Oberfläche schnorcheln Nils Ben Brahim meint, dass seine Collagen unter der oder die Oberfläche des Kapitalismus gehen. Wir fragen nach: „Wie schnorcheln?“ „Ja.“ Das stellen wir uns so vor: Noch im Licht. In der lichtdurchfluteten Oberschicht des Wassers, dort wohin man nicht tauchen muss; aber die Oberfläche bereits durchbrechen, durchstoßen. Die Fluten der Ignoranz, verhärteter Strukturen, die, wie Bernd Senf es formuliert, sich vom Main Stream zum Main Block entwickelt haben.
Das Credo des jungen, verheißungsvollen Künstlers, von dem noch viel zu erwarten ist: Durch Aufbrechen der Oberfläche kann man einen Neustart schaffen. Bilder einer Ausstellung – „Cishuman“ „Cishuman“. „Schurkenstaat.“ „Mut zum Aufbruch“. Titel von Nils Ben Brahim. © 2018, Foto/BU: Dirk Fithalm „Serieller Abfall“ Serie mit 3 Bildern (bis dato) (Hängungsort: 2. Stock auf dem mit Sitzbank erweiterten Treppenabsatz.) Jedes Bild weist das gleiche Gesicht mehrfach auf. Darunter Zeitgenossen wie Mahdi, der allerdings nicht Modell stand, sondern nach einem Foto gemalt wurde oder der Übersetzer und Denker Walter Benjamin, dessen Werk „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit“ den Ausgangspunkt von Ben Brahims Überlegungen darstellt. Brahim stellt Porträts verschiedener Qualität auf einem Gemälde nebeneinander und merkt an: Technik könnte das nicht. Ein Kopiergerät, ein Scanner, kopiert nur tumb das immer selbe und schöpft:- nichts. Ein Mensch dagegen macht beim Kopieren immer Fehler, wie wir an den Bibelübersetzungen und den Bibelkopisten sehen können.
Handschriftliche Manuskripte langer heiliger Schriften sind nicht zu 100 Prozent identisch. Über Jahrtausende können erhebliche Abweichungen entstehen. Unverständnis. Ganz falsche Wege in der Exegese. Nils Ben Brahim vor „Serieller Abfall“, einer Bilderserie. Teil der Ausstellung „Cishuman“ in der Gitschiner 15. © 2018, Foto/BU: Dirk Fithalm Maltechnisch bezieht sich Ben Brahim unter anderem auf Basquiat und Paul Klee. Basquiat malte u.a. auch in Schichten und schrieb oder zeichnete Wörter auf die Leinwand. Auch Fotos werden auf dem Malgrund befestigt und anschließend in die Gesamtkomposition einbezogen. Er verwendet gern Acrylfarben und Mischtechnik Bei Klee, den er mit seiner Beachtung lobt, nimmt er zum Beispiel das Verhältnis von Bildmitte zum Bildrand auf und, wie es scheint, auch den Bildtitel. Ist heute wirklich alles vermarktbar? Bild „Unvermarktbare Subkulturen“ (Hängungsort: Zwischen 1. und 2. Stock kurz über dem halben Treppenabsatz) „Es gibt noch Unvermarktbares.“ Das ist eine zentrale Aussage und Erkenntnis des Künstlers,
der eigentlich ständig durch seine Werke Kapitalismuskritik übt. Das Bild „Unvermarktbare Subkulturen“ diene als Beweis dafür, dass der Markt noch nicht alles aufnehmen kann-. Es gibt noch Unvermarktbares. Man kann Sch…e im Internet bestellen und sie essen, es gibt für fast alles einen Markt“, hält der junge Wilde richtig fest. Billiger als Basquiat Die Preisspanne (Price range) der Bilder bewegt sich zwischen Euro 200 und 800. Der Künstler stellt fest, dass tatsächlich jeweils nur ein Bild diese Eckdaten aufweist und sich alle anderen Bilder preislich dazwischen befinden; die größeren zum Beispiel bei EUR 600. Am Dienstag waren 34 Schilder, kleine, weiße Schildchen mit der Bildbenennung, hergestellt worden. Am Mittwoch waren es schon 52. Die offizielle Version, wieviele Bilder es seien, lautet – auch vonseiten des Künstlers – „etwa 40“. Die meisten hängen im Treppenhaus des alten, aus Ziegelsteinen gemauerten Gewerbebaues, das 3 Etagen erschließt, bevor es vor dem frisch renovierten Dach haltmacht, das wegen unsinniger Auflagen nicht mit Solarzellen ausgestattet werden durfte. Einige werden auf Staffeleien präsentiert werden. Wie anstrengend es ist, aufzubauen, zudem bei der am Dienstag vorherrschenden Hitze und der Schwüle am Mittwoch, den 30. Mai, erfuhr der junge Mann am eigenen Leib. Trotzdem lehnte er Hilfe bei der Hängung ab und beschäftigte sich tagelang damit. Immerhin hat er rechtzeitig begonnen und eine Woche Zeit mitgebracht. Dienstag nachmittag war die vorige Ausstellung komplett abgehängt, 24 Stunden später hätte man, in Unkenntnis über die Anzahl der Exponate, denken
können, die Ausstellung hinge; wären da nicht die Bilderstapel in der Ecke vor der Kreativetage im zweiten Stock. KE – Künstleretage, Kreativetage oder Kulturexpresso? Die interne Abkürzung für die Künstleretage „Kreativetage“ in Kreuzberg ist übrigens KE. Ganz genauso wie bei Kulturexpresso. Produktiv ist er, Nils Ben Brahim. In kurzer Zeit hat er bereits ein Oeuvre von bemerkenswertem Umfang geschaffen. www.nilsbenbrahim.com Es gibt auch ein Bild mit dem Titel „Cishuman“. Es ähnelt jenem, das man auf dem Handzettel und Ausstellungsplakat finden kann. Doch bei genauer Lektüre des Flyers liest man auf der Ab-Bild- ung oben die Worte: „Flugtaxis – das schaffen wir!“ Dementsprechend ist das Bild, das als Motiv auf dem Handzettel und Plakat reproduziert wurde, „Flugtaxis“ betitelt. Plakat zur Ausstellung „Cishuman“, das Bild „Flugtaxis“ aus dem Jahr 2018 zeigend (Mischtechnik auf Leinwand). Foto/BU: Dirk Fithalm Gitschiner 15/ Zentrum für Gesundheit und Kultur, gegen Ausgrenzung und Armut. (Gitschiner15)
Treppenhausgalerie Gitschiner Straße 15 Berlin-Kreuzberg (61) 10969 Berlin Tel. 69536614 www.gitschiner15.de (Zentrum: ab 11 Uhr), Ausstellungseröffnung am Freitag, den 1. Juni 2018 um 18 Uhr. (Bis 1.9.18) Viele Gruppenausstellungen sind in der Gitschiner 15 bereits gezeigt worden, doch nur wenige Einzelausstellungen: Tauwetter-Kopfstand. Ursula Manthei eröffnet ihre Ausstellung von Zeichnungen und Aquarellen persönlich Neben der Kunst ist die Musik ein wichtiger Bestandteil der Kultur, die in Kreuzberg gepflegt wird: Gute Musik und offene Ohren. OPEN HOUSE in der Heilig-Kreuz- Kirche mit den „Different Voices of Berlin“ und Jocelyn B. Smith Etwas mehr über Jean-Michel Basquiat findet man hier: Jean-Michel Basquiat – der James Baldwin der Kunst? Basquiat- Film zur Basquiat-Ausstellung
Büchse auf! Aus der Dose Leben. Feuerstein öffnet Geistkonserve (vor Volksbühne) – für Stärkung der Freiheit von Kunst und Kultur Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Geistkonserve? Der Zeitpunkt war gut gewählt. Die Sonne schien, das Gras war grün. Auf der dreieckigen öffentlichen Fläche vor der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz: Handwerker am Werk. Nebenan fand Kultur statt. Im Kino Babylon-Mitte lief bereits seit Mittwoch das polnische Filmfest Filmpolska und in Saal 1 „Writing in Migration“ (WiM), eine hochkarätige Debütveranstaltung über afrikanische Literatur. Wochenendfreiheit Am Samstagnachmittag hatten viele Zeit und mancher WiM-Gast nutzte wenigstens eine kurze Pause, um die Sonne zu genießen und den tiefblauen Himmel. Viele andere zogen das Draußen dem Drinnen vor, sei es nun hier in Mitte oder weiter draußen. Sie genossen die vorübergehende Freiheit. Des Wochenendes, Freiheit von. Der Lohnarbeit. Teils recht freizügig. Wegen der Wärme. Unter dem unbegrenzt scheinenden Himmelszelt. So
stießen zu den Absichtsbesuchern der gegenüber der Straßenebene erhöhten Rasenfläche mit Blick auf den Fernsehturm Passanten und Zufällige. Gallery Weekend war auch noch am 28. April. Galerien und Pop-up-Galleries zeigten vielerorts viel. Kultur am Platz Ach ja. Und in der Volksbühne soll es ja auch ab und zu Kultur geben. Zumindest im Roten Salon. Dort fand unlängst sogar ein großes Kulturereignis statt. Der Dichter RAN – Rainer Anton Niedermeier – trug am 19. April kraftvoll starke Gedichte vor ( ran-poetry.de) begleitet von zwei wunderbaren Musikern. Wozu sich also in Berlin Sorgen machen um Kunst und Kultur? Oder die Freiheit dieser? Wir befragten Passanten, Demonstranten und Besucher, die Veranstalterin und die Polizei. Wurden auch selbst befragt von einem Interviewgast, wie denn das Interview laufen solle. Allein, das war von einem Kollegen vom Fernsehen geplant. O- Töne sammeln in der Sonne. Der Ü-Wagen des RBB berichtete live, kam aber nicht wegen der Eröffnung auf dem Rasen. Ein Samstagnachmittag auf der Rasenfläche. Was zimmern die Helfer? Ein Fußballtor? NEIN. Was ist hier los? Die erste Befragte war ein junge, tätowierte Polin. Ob diese an diesem Tag oder überhaupt zu Filmpolska ging, wissen wir nicht. Das war nicht Thema. Die Kommunikation lief zum größten Teil auf englisch und ein wenig deutsch-polnisch. Worum es denn da auf dem Rasen gehe? Ja, die Volksbühne, das Rad, es sei weg, und die Volksbühne auch, nein, nicht die Bühne, aber die Leute, die das früher gemacht haben und jetzt sei das eine Demonstration dagegen. Wohl. Wenn ich Genaueres wissen wolle, solle ich doch mal in der Mitte fragen. Nun, wo ich schon mal
in Mitte war … Was sagt die Polizei? Die Polizei merkt an, die Fläche sei öffentlich. Wo denn das Kunstwerk sei, das hier früher stand? „In der Restauration, in Frankreich.“ Es werde wohl auch erstmal nicht zurückkommen. Ob denn die Aufstellung des Rades legal sei? Ja, die Veranstaltung sei angemeldet und genehmigt. Die Errichtung des „Wagenrades, nein Räuberrades“ sei ausdrücklich ein Teil der Veranstaltung und in Ordnung. Die Konstruktion werde errichtet und nach kurzer Zeit vor Ende der Veranstaltung am selben Tag wieder abgebaut. Alles gesetzestreu. Ob denn eine dauerhafte Aufstellung oder Errichtung beantragt worden sei? „Eine Sondernutzungsgenehmigung gibt es nicht. Sie wäre erforderlich bei Nutzung öffentlichen (Straßen-)landes, genau wie bei der Aufstellung von Tischen und Stühlen.“ Ob denn eine Sondernutzungsgenehmigung angestrebt worden sei? Das entzog sich der Kenntnis der Vertreterin der Exekutive. Interviews Weitere Demo-Besucher wurden befragt. Ob es sich nun um einen Demonstration oder ein Happening oder eine direkte Aktion handelte, wussten wir immer noch nicht so genau. Der ausgewählte Besucher war ein geladener Gast. Er hatte bei der jüngsten Abgeordnetenhauswahl sein passives Wahlrecht genutzt und sich als Unabhängiger aufstellen lassen, um das bedingungslose Grundeinkommen bedingungslos zu unterstützen. DM-Gründer Werner macht sich dafür stark. Gregor Gysi sagte uns in Wolfsburg, dass er es aus drei Gründen nicht unterstützen könne. Das begründete er wie immer schlüssig und klug. Gysi gab allerdings zu, dass andere Linke das mit dem Grundeinkommen oft anders sähen.
Die Linken sind rechts Richtig. Die Linken. Die sind rechts. Rechts am Platz, der nach eine Sozialistin benannt ist, in der Weydingerstraße. Sie flankieren die räumliche Situation derart, dass sie weder von der Volksbühne noch von der Dreiecksgrünfläche übersehen werden können. Es sei denn, man sei kurzsichtig, oder blind. Die Politik ist das manchmal. Doch bleiben wir bei der Kultur. Die gute Atmosphäre unter den dem Ereignis Beiwohnenden spricht gute Bände. Die Veranstalterin wird mir vorgestellt. Rike. Und mit Nachnamen? Feuerstein. Geistkonserve? Worum geht es? Worum es hier ging hätten auch schweigsame und kontaktscheue Leser unschwer herausfinden können. Hätten sie keine Scheu vor Annäherung gehabt. Sprachen doch zwei recht kleine Schilder in kontrastreicher, sehr gut lesbarer Schrift eine deutliche Sprache. Am Anfang steht das Wort – Geistkonserve Es geht: Um die Stärkung der Freiheit von Kunst und Kultur. Durch – zweites Schild – Eröffnung der Geistkonserve. Nun, mal angenommen. Da wir als Journalisten auf vielen Hochzeiten tanzen, können wir nicht überall den ganzen Abend bleiben. Oder Nachmittag. Um so etwas zu verstehen –immerhin wurde ein genau neues Wort dafür erfunden – braucht man mitunter oder unter Umständen mehrere Tage. Aber wer hat die heute? Oder nimmt sie sich? Die Symbolik muss vielleicht für sich sprechen und einen großen Teil des Verständnisses erzeugen. Und dann: auch bei Kunst und vielen Spielfilmen stehen wir wie der Ochs vorm Berge. Nicht erst seit der nouvelle vague (vage übersetzt: die neue Welle) ist das Vage im Film schick. Auch wenn es manche in bestimmten Fällen zur Weißglut bringt, weil sie das Rätsel
nicht lösen können. Hier gibt es etwas ganz Handfestes. Das Wagenrad, nein Räuberrad. Das, das vorher hier stand, war fester, stabiler und standfest. Sogar wetterfest. Das neue ist aus Sperrholz. Doch halt: es ist KEIN Ersatz! Genehmigung? Wozu? Geistkonserve ist eröffnet Ich frage Rike Feuerstein, ob denn eine Sondernutzungsgenehmigung beantragt wurde. Sie überlegt kurz. Sehr sympathisch. Leute, die wie aus der Pistole geschossen antworten, sind entweder Politiker, oberflächlich, oder Genies. Oder, im Einzelfall, superschnell. Dem Regierungssprecher würde ich das zutrauen. Aber nur wenigen. Ich habe Zeit, kurz ihre Kleidung zu betrachten. Sie trägt oben an der Oberfläche etwas Lilanes. Sehr spirituell. Die Frau hat nicht nur Initiative ergriffen, sie bewegt etwas. Feuerstein hat das Rad erfunden Es heißt ja, man müsse das Rad nicht neu erfinden. Doch das stimmt nicht immer. Denn das neue Rad stünde hier nicht. Genauer: wäre nicht hier. Denn es liegt nur auf dem Rasen. Fast rund. Aber Fußball ist die letzte Assoziation, auch im Jahr der WM. „Hätte es aufgerichtet werden sollen?“ „Nein.“ „Und es braucht hier auch nicht zu bleiben. Wozu? Die Geistkonserve ist eröffnet. Alles andere geht jetzt von allein.“ „So ein bisschen wie mit der Büchse der Pandora? Die man besser nicht öffnen soll?“ „Ja, genau.“
Be here now. Sei jetzt hier. Achte den Augenblick Toll. So wie die Klebebande oder andere Taper arbeiten. Angeklebt, angeschaut, wieder weggemacht. Entfernt. Fast so, als sei das Kunstwerk nie dagewesen. Die Klebebande klebt dir was – Tape-Art-Projekte und Ideen – Kunst aus Klebeband Sinn für den Augenblick. Eine Art „Kirschblüten – Hanami“. Nur, dass nicht die Natur malt, sondern der Mensch … Ausgedost Geistkonserve? Ich bin dafür! Die Welt kann noch ein bisschen Geist gebrauchen. Ob der nun aus der Konserve kommt oder nicht. Jedes Gramm zählt, wo doch Dummheit unausrottbar ist (vgl. Horst Geyer, „Über die Dummheit. Ursachen und Wirkungen der intellektuellen Minderleistung des Menschen“.) Und den Geist einsperren, wie es viele Regierungen und Konzerne versuchen, um ihre Konserven zu verkaufen? Ist eh nicht sinnvoll. Geistkonserve eröffnet. Geist freigelassen, der jetzt wirkt, sich entfaltet. Lassen wir uns überraschen, seit dem 28.April ist alles anders. Gute Aussichten.
© 2016, Foto/BU: Andreas Hagemoser Die Volksbühne Mitte am 16. März 2016 noch mit. [Mit Räuberrad.] (Vorher – nachher.) Die Volksbühne im Oktober 2017. Links der Rote Salon. © 2017, Foto/BU: Andreas Hagemoser Max Holleins letzte … – Mit
der Präsentation der frühen Werkgruppe der „Helden“ von Georg Baselitz im Frankfurter Städel setzt Max Hollein den endgültigen Schlusspunkt unter seine Tätigkeit in Frankfurt Frankfurt am Main, Deutschland (Kulturexpresso). Fünfzig Jahre nach ihrer Entstehung präsentiert das Städel Museum vom 30. Juni bis 23. Oktober 2016 Georg Baselitz’ berühmte „Helden“- Bilder in einer umfassenden monografischen Sonderausstellung. Die kraftvolle Werkgruppe der „Helden“ und „Neuen Typen“ gilt weltweit als Schlüsselwerk der deutschen Kunst der 1960er- Jahre. Sie wird von Max Hollein nicht nur als Direktor verantwortet, sondern auch von ihm selbst kuratiert. Er war noch einmal aus San Franzisco zurück an den Main gekommen, um diese Ausstellung zusammen mit dem Künstler zu eröffnen. Zu sehen sind 70 Gemälde und Arbeiten auf Papier. Ihren Anfang nahm die Werkgruppe der „Helden“ und „Neuen Typen“ während Baselitz‘ Stipendium an der Villa Romana in Florenz. Zurück in Westberlin arbeitete er das Thema weiter aus. Die deutsche Gesellschaft gibt sich zu dieser Zeit (1962 – 1965) noch keinen Selbstzweifeln hin, der Bruch durch die 68er-Jahre zeichnet sich noch nicht ab. Die in der zeitgenössischen Kunst dominierenden Ausdrucksformen (Gruppe Zero, Quadriga, Nay oder Pop-Art) befriedigen Baselitz nicht, stellen die scheinbar heile Welt der Bundesrepublik nicht ausreichend in Frage und verweisen zu wenig auf die Brüche der eigenen deutschen Vergangenheit. Wer sich noch an die heftigen Diskussionen um
die Rolle der deutschen Wehrmacht anlässlich der entsprechenden Ausstellung vor wenigen Jahren erinnert, sieht, wie visionär und notwendig die Enttarnung der militärischen Heldengestalten, ihre Präsentation mit geschändeten Körpern und im zerschlissenen Kampfanzug schon damals war. Der Katalog zur Ausstellung zitiert entsprechend Texte zum Verfall des Heldentums im zu Ende gehenden 2. Weltkrieg. Aber Baselitz beschränkt sich nicht auf die Enttarnung militärischen Heldentums, auch die ihrer selbst zu sicheren, ungebrochenen Künstler werden einbezogen. Er zeigt resignierte Maler, denen ihr latentes Scheitern ebenso eingeschrieben ist wie ihre ungewisse Zukunft. Die inhaltliche Brüchigkeit und Widersprüchlichkeit der „Helden“ findet ihr Äquivalent im Formalen. Die stets mittig frontal gegebene und klar konturierte Figur kontrastiert mit der Wildheit der Farbwahl und Heftigkeit der Malweise. Leihgaben aus bedeutenden internationalen Museums- und Privatsammlungen eröffnen dem Publikum einen umfassenden Blick auf diese Ikonen der deutschen Nachkriegskunst, die der damals erst 27-jährige Baselitz 1965/66 in explosionsartiger Produktivität entwickelte. Nach ihrem Auftakt im Frankfurter Städel Museum (bis 23. Oktober 2016) wandert die groß angelegte Ausstellung weiter an das Moderna Museet Stockholm, in den Palazzo delle Esposizioni Rom und an das Guggenheim Museum Bilbao. Wer nach dem Besuch dieser Ausstellung noch Lust auf ein Kontrastprogramm hat, dem empfiehlt sich die kleine Sonderausstellung „Fenster zum Himmel“ im gleichen Haus (bis 25. September). In der Ausstellung ist eine der eindrucksvollsten Kirchenausstattungen zu erleben, die sich aus dem späten 13. und frühen 14. Jahrhundert erhalten hat: Der frühgotische Altenberger Altar und seine reiche Bildausstattung. In der Schau werden das Hochaltarretabel mitsamt seinem Schreinkasten, der zentralen Muttergottesfigur und den Flügelbildern mit Passions- und Mariendarstellungen
sowie das aus dem ehemaligen Prämonstratenserinnen-Kloster Altenberg an der Lahn stammende Ensemble kostbarster Ausstattungsstücke rund um den Altar wieder zusammengeführt. Es ist fast ein Wunder, dass der Altar den Wechsel der Stile auch in der Kirchenausstattung und die Säkularisation überlebt hat. Die modischen Umgestaltungen der Kirche überlebte er als wenig beachteter Nebenaltar, nach der Säkularisation wurde er aufgeteilt in Retabel, Flügeltafeln und zentrale Madonnenfigur. Die meisten Stücke gingen 1803 in den Besitz der Fürsten von Solms-Braunfels über. Zahlreiche Stücke befinden sich deshalb noch heute im Schlossmuseum Braunfels. Wegen der herausragenden Qualität der Altenberger Kirchenausstattung bestand allerdings schon im 19. Jahrhundert großes Interesse an den Objekten, und so gelangten viele der Kunstwerke in bedeutende Sammlungen weltweit – von hochkarätigen Privatsammlungen über die Sammlungen der Stadt Frankfurt, der Wartburg-Stiftung in Eisenach sowie des Bayerischen Nationalmuseums in München bis hin zur Eremitage in Sankt Petersburg und dem Metropolitan Museum of Art in New York. In der Präsentation im Städel Museum werden diese Objekte nun wiedervereint und in ihrem ursprünglichen Kontext als Gesamtkunstwerk zu erleben sein. Als besonders faszinierend erweisen sich die in der Ausstellung gezeigten Altartücher: Die Überlieferung der zugehörigen Altardecken für ein Altarensemble dieser Zeit ist einmalig. Zeitgleich mit den Tafelbildern entstanden sie als gestickte Bilder von beeindruckender Größe und Qualität, die den Altartisch vor dem Retabel schmückten. Unvorstellbar feines Leinen, delikat bestickt mit figürlichen Motiven. Man kann sich kaum vorstellen, wie diese Stücke unter damaligen Bedingungen entstanden sind. Wie fein müssen die Nadeln gewesen sein, wie gut die Lichtverhältnisse! In einer 3D-Visualiserung können die Ausstellungsbesucher über ein Bedienfeld das Zusammenwirken dieser verschiedenen Objekte des Altarraums von verschiedenen simulierten Standorten im
Kirchenraum aus erleben. Eine Audiostation gibt zusätzlich Aufschluss darüber, wie Altarflügel und Hochaltar zu verschiedenen Festtagen im Kirchenjahr inszeniert wurden.
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