Banksy: "going, going, gone" oder Schreddern ist schön, Kunst allemal

Die Seite wird erstellt Rosa Köhler
 
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Banksy: "going, going, gone" oder Schreddern ist schön, Kunst allemal
Banksy: „going, going, gone“
oder Schreddern ist schön,
Kunst allemal
Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Manche machen aus
Scheiße scheinbar Gold, dazu gehören Künstler von der
Kulinarik bis zur Schablonengraffiti, und manche gehen den
umgekehrten Weg. Verrechnet hat sich dabei vielleicht einer,
der Kunst kaufen wollte, genauer gesagt: das Kunstwerk „Girl
with Balloon“ (dt. „Mädchen mit Ballon“) von Banksy.

Dass Banksy Stadtguerilla kennt und kann, das kann man sich
vorstellen und wenn nicht, dann schaue man sich an, wie just
in dem Moment, als ein Bieter für 1,04 Millionen Pfund, das
sind 1,18 Millionen Euro, ein Banksy-Bild bei Sotheby’s in
London ersteigert, dieses am unteren Rand des Rahmens
geschreddert wird. Wunderbar!

Der Schredder war im dicken güldenen Bilderrahmen verborgen.
Beachtlich.

„Zerstörte der Künstler sein Kunstwerk selbst“, fragen sich
viele und „war er etwas da“? Dass das alles im Hier und Jetzt
Kunst sein könnte, auch die Aktion und das, was folgt, darauf
kommen die wenigsten Beurteiler der Betrachtungen.

Mit Banksy bricht jetzt die Zeit des Schredderns an. Fangt an
mit Rechnungen und Mahnungen und so weiter!
Unter     die    Oberfläche:
„Cishuman“, erste Ausstellung
von Nils Ben Brahim
Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Es ist nicht die erste
Einzelausstellung des jungen Künstlers, es ist seine erste
Ausstellung überhaupt: „Cishuman“ von Nils Ben Brahim, keine
zwanzig Jahre alt und jünger wirkend, aber enorm belesen. Das
wirkt sich unter anderem darin aus, dass sich bei fast jedem
seiner Bilder Bezüge finden lassen. Darunter Namen, die man
bei 18-, 19Jährigen nicht erwartet: Bakunin, Basquiat,
Benjamin – und immer noch sind wir beim Buchstaben „B“ wie
Berlin oder B. Traven. So unterschiedliche Figuren wie Walter
Benjamin und Paul Klee, Marut-Traven, Lars von Trier und
Vinterberg.

Teilweise bezieht sich Ben Brahim nur auf eine Ebene. Bei dem
Bild „Das Fest“ nur auf den gleichlautenden Titel des
101minütigen Spielfilmes auf dem Jahr 1998 (dänischer
Originaltitel „Festen“), der von Thomas Vinterberg nach den
Regeln der Gruppe Dogma 95 gedreht wurde. Nicht auf den
Inhalt.

Das könnte man für oberflächlich halten, doch genau das ist es
nicht.
Sowohl mit seiner Maltechnik geht er unter die Oberfläche, in
der er mehrere Schichten schafft, die er wiederum stellenweise
durchstößt, zerschabt, übermalt und erneut bearbeitet und
damit die Reliefstruktur des Kunstwerks verstärkt, als auch
inhaltlich.

Jedes seiner Werke will unter die Unterfläche gehen.

Ein Gespräch mit dem                    Künstler         der
Ausstellung „Cishuman“
„Kurz vorab: Was ist eigentlich ‚Cishuman‘?“

Nils Ben Brahim: „Diesen Ausdruck habe ich erfunden. Das Wort
gibt es nicht.“ (Gab es nicht; d. Red.)

Was bedeutet es? „Es steht im Gegensatz zu ‚transhuman‘“.
Neoliberalisten versuchen zwar, jenen Begriff positiv zu
besetzen, doch letztlich wirkt er entmenschlichend.

Was könnte man synonym verwenden?

Nils Ben Brahim: „Es gibt kein Synonym in einem Wort“.

„… deshalb haben Sie den Begriff erfunden.“

Nils Ben Brahim: „Ja. Am ehesten kommt ihm nahe: ‚sich auf den
Augenblick beziehend, auf das Jetzt‘. ‚Sich auf den Menschen
beziehend‘.“

Frage an den Künstler: „Wie soll denn die Botschaft an den
Besucher aussehen?“

Möge sich der Besucher mit den Bildern
beschäftigen
„Das geht ja in der Postmoderne eh verloren. Dort geht es um
Sensationen und Vermarktbarkeit.“

Das zentrale Wort, an dem man sich reiben und dem man
widersprechen kann, sei:
„Oberflächlichkeit“.

„Ich versuche, die Oberfläche aufzubrechen.“

„Meine Bilder sind ja prinzipiell nicht immer leicht zu
verstehen.“

Der Künstler verbessert sich: „Schwer.“ Das ergäbe:

‚Meine Bilder sind ja prinzipiell schwer zu verstehen.‘

Er korrigiert sich nochmals: „Gar nicht.“
„‘Gar nicht‘ klingt besser.“

Gerade deswegen – oder trotzdem – wünscht sich Nils Ben
Brahim, dass sich der Besucher mit den Bildern beschäftigen
möge. Um dann zum Beispiel den anarchistischen Künstler Ret
Marut, Kulturminister der Münchener Räterepublik, zu
entdecken, der später als Schriftsteller unter dem Pseudonym
B.Traven weltberühmt wurde.

Oder Paul Klee.

Oder Walter Benjamin und seine Ideen und Ansichten.

Unter der Oberfläche schnorcheln
Nils Ben Brahim meint, dass seine Collagen unter der oder die
Oberfläche des Kapitalismus gehen.

Wir fragen nach: „Wie schnorcheln?“ „Ja.“

Das stellen wir uns so vor:
Noch im Licht. In der lichtdurchfluteten Oberschicht des
Wassers, dort wohin man nicht tauchen muss; aber die
Oberfläche bereits durchbrechen, durchstoßen. Die Fluten der
Ignoranz, verhärteter Strukturen, die, wie Bernd Senf es
formuliert, sich vom Main Stream zum Main Block entwickelt
haben.
Das Credo des jungen, verheißungsvollen Künstlers, von dem
noch viel zu erwarten ist:

Durch Aufbrechen der Oberfläche kann man einen Neustart
schaffen.

Bilder einer Ausstellung – „Cishuman“

„Cishuman“.
„Schurkenstaat.“ „Mut zum
Aufbruch“. Titel von Nils
Ben   Brahim.   ©   2018,
Foto/BU: Dirk Fithalm

„Serieller Abfall“
Serie mit 3 Bildern (bis dato)
(Hängungsort: 2. Stock auf dem mit Sitzbank erweiterten
Treppenabsatz.)
Jedes Bild weist das gleiche Gesicht mehrfach auf. Darunter
Zeitgenossen wie Mahdi, der allerdings nicht Modell stand,
sondern nach einem Foto gemalt wurde oder der Übersetzer und
Denker Walter Benjamin, dessen Werk „Das Kunstwerk im
Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit“ den Ausgangspunkt von Ben
Brahims Überlegungen darstellt.

Brahim    stellt Porträts verschiedener Qualität auf einem
Gemälde   nebeneinander und merkt an:
Technik    könnte das nicht. Ein Kopiergerät, ein Scanner,
kopiert   nur tumb das immer selbe und schöpft:- nichts.

Ein Mensch dagegen macht beim Kopieren immer Fehler, wie wir
an den Bibelübersetzungen und den Bibelkopisten sehen können.
Handschriftliche Manuskripte langer heiliger Schriften sind
nicht zu 100 Prozent identisch. Über Jahrtausende können
erhebliche Abweichungen entstehen. Unverständnis. Ganz falsche
Wege in der Exegese.

Nils   Ben   Brahim   vor
„Serieller Abfall“, einer
Bilderserie.     Teil  der
Ausstellung „Cishuman“ in
der Gitschiner 15. © 2018,
Foto/BU: Dirk Fithalm

Maltechnisch bezieht sich Ben Brahim unter anderem auf
Basquiat und Paul Klee. Basquiat malte u.a. auch in Schichten
und schrieb oder zeichnete Wörter auf die Leinwand. Auch Fotos
werden auf dem Malgrund befestigt und anschließend in die
Gesamtkomposition einbezogen.

Er verwendet gern Acrylfarben und Mischtechnik

Bei Klee, den er mit seiner Beachtung lobt, nimmt er zum
Beispiel das Verhältnis von Bildmitte zum Bildrand auf und,
wie es scheint, auch den Bildtitel.

Ist heute wirklich alles vermarktbar?
Bild „Unvermarktbare Subkulturen“
(Hängungsort: Zwischen 1. und 2. Stock kurz über dem halben
Treppenabsatz)

„Es gibt noch Unvermarktbares.“

Das ist eine zentrale Aussage und Erkenntnis des Künstlers,
der eigentlich ständig durch seine Werke Kapitalismuskritik
übt.

Das Bild „Unvermarktbare Subkulturen“ diene als Beweis dafür,
dass der Markt noch nicht alles aufnehmen kann-. Es gibt noch
Unvermarktbares. Man kann Sch…e im Internet bestellen und sie
essen, es gibt für fast alles einen Markt“, hält der junge
Wilde richtig fest.

Billiger als Basquiat
Die Preisspanne (Price range) der Bilder bewegt sich zwischen
Euro 200 und 800. Der Künstler stellt fest, dass tatsächlich
jeweils nur ein Bild diese Eckdaten aufweist und sich alle
anderen Bilder preislich dazwischen befinden; die größeren zum
Beispiel bei EUR 600.

Am Dienstag waren 34 Schilder, kleine, weiße Schildchen mit
der Bildbenennung, hergestellt worden. Am Mittwoch waren es
schon 52.

Die offizielle Version, wieviele Bilder es seien, lautet –
auch vonseiten des Künstlers – „etwa 40“.

Die meisten hängen im Treppenhaus des alten, aus Ziegelsteinen
gemauerten Gewerbebaues, das 3 Etagen erschließt, bevor es vor
dem frisch renovierten Dach haltmacht, das wegen unsinniger
Auflagen nicht mit Solarzellen ausgestattet werden durfte.

Einige werden auf Staffeleien präsentiert werden.

Wie anstrengend es ist, aufzubauen, zudem bei der am Dienstag
vorherrschenden Hitze und der Schwüle am Mittwoch, den 30.
Mai, erfuhr der junge Mann am eigenen Leib.
Trotzdem lehnte er Hilfe bei der Hängung ab und beschäftigte
sich tagelang damit. Immerhin hat er rechtzeitig begonnen und
eine Woche Zeit mitgebracht. Dienstag nachmittag war die
vorige Ausstellung komplett abgehängt, 24 Stunden später hätte
man, in Unkenntnis über die Anzahl der Exponate, denken
können, die Ausstellung hinge; wären da nicht die Bilderstapel
in der Ecke vor der Kreativetage im zweiten Stock.

KE – Künstleretage, Kreativetage oder
Kulturexpresso?
Die interne Abkürzung für die Künstleretage „Kreativetage“ in
Kreuzberg ist übrigens KE. Ganz genauso wie bei
Kulturexpresso.

Produktiv ist er, Nils Ben Brahim. In kurzer Zeit hat er
bereits ein Oeuvre von bemerkenswertem Umfang geschaffen.

www.nilsbenbrahim.com
Es gibt auch ein Bild mit dem Titel „Cishuman“. Es ähnelt
jenem, das man auf dem Handzettel und Ausstellungsplakat
finden kann.
Doch bei genauer Lektüre des Flyers liest man auf der Ab-Bild-
ung oben die Worte: „Flugtaxis – das schaffen wir!“
Dementsprechend ist das Bild, das als Motiv auf dem Handzettel
und Plakat reproduziert wurde, „Flugtaxis“ betitelt.

Plakat zur Ausstellung
„Cishuman“, das   Bild
„Flugtaxis“ aus dem Jahr
2018 zeigend (Mischtechnik
auf Leinwand).    Foto/BU:
Dirk Fithalm

Gitschiner 15/ Zentrum für Gesundheit und Kultur, gegen
Ausgrenzung und Armut. (Gitschiner15)
Treppenhausgalerie
Gitschiner Straße 15
Berlin-Kreuzberg (61)
10969 Berlin
Tel. 69536614
www.gitschiner15.de
(Zentrum: ab 11 Uhr), Ausstellungseröffnung am Freitag, den 1.
Juni 2018 um 18 Uhr. (Bis 1.9.18)

Viele Gruppenausstellungen sind in der Gitschiner 15 bereits
gezeigt worden, doch nur wenige Einzelausstellungen:

 Tauwetter-Kopfstand. Ursula Manthei eröffnet ihre Ausstellung
 von Zeichnungen und Aquarellen persönlich

Neben der Kunst ist die Musik ein wichtiger Bestandteil der
Kultur, die in Kreuzberg gepflegt wird:

 Gute Musik und offene Ohren. OPEN HOUSE in der Heilig-Kreuz-
 Kirche mit den „Different Voices of Berlin“ und Jocelyn B.
 Smith

Etwas mehr über Jean-Michel Basquiat findet man hier:

 Jean-Michel Basquiat – der James Baldwin der Kunst? Basquiat-
 Film zur Basquiat-Ausstellung
Büchse auf! Aus der Dose
Leben.  Feuerstein  öffnet
Geistkonserve         (vor
Volksbühne) – für Stärkung
der Freiheit von Kunst und
Kultur
Berlin, Deutschland (Kulturexpresso). Geistkonserve? Der
Zeitpunkt war gut gewählt. Die Sonne schien, das Gras war
grün. Auf der dreieckigen öffentlichen Fläche vor der
Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz: Handwerker am Werk.
Nebenan fand Kultur statt. Im Kino Babylon-Mitte lief bereits
seit Mittwoch das polnische Filmfest Filmpolska und in Saal 1
„Writing    in  Migration“     (WiM),   eine   hochkarätige
Debütveranstaltung über afrikanische Literatur.

Wochenendfreiheit
Am Samstagnachmittag hatten viele Zeit und mancher WiM-Gast
nutzte wenigstens eine kurze Pause, um die Sonne zu genießen
und den tiefblauen Himmel. Viele andere zogen das Draußen dem
Drinnen vor, sei es nun hier in Mitte oder weiter draußen. Sie
genossen die vorübergehende Freiheit. Des Wochenendes,
Freiheit von. Der Lohnarbeit. Teils recht freizügig. Wegen der
Wärme. Unter dem unbegrenzt scheinenden Himmelszelt. So
stießen zu den Absichtsbesuchern der gegenüber der
Straßenebene erhöhten Rasenfläche mit Blick auf den
Fernsehturm Passanten und Zufällige. Gallery Weekend war auch
noch am 28. April. Galerien und Pop-up-Galleries zeigten
vielerorts viel.

Kultur am Platz
Ach ja. Und in der Volksbühne soll es ja auch ab und zu Kultur
geben. Zumindest im Roten Salon. Dort fand unlängst sogar ein
großes Kulturereignis statt. Der Dichter RAN – Rainer Anton
Niedermeier – trug am 19. April kraftvoll starke Gedichte vor
( ran-poetry.de) begleitet von zwei wunderbaren Musikern.

Wozu sich also in Berlin Sorgen machen um Kunst und Kultur?
Oder die Freiheit dieser?

Wir befragten Passanten, Demonstranten und Besucher, die
Veranstalterin und die Polizei. Wurden auch selbst befragt von
einem Interviewgast, wie denn das Interview laufen solle.
Allein, das war von einem Kollegen vom Fernsehen geplant. O-
Töne sammeln in der Sonne. Der Ü-Wagen des RBB berichtete
live, kam aber nicht wegen der Eröffnung auf dem Rasen.

Ein Samstagnachmittag auf der Rasenfläche. Was zimmern die
Helfer? Ein Fußballtor? NEIN.

Was ist hier los?
Die erste Befragte war ein junge, tätowierte Polin. Ob diese
an diesem Tag oder überhaupt zu Filmpolska ging, wissen wir
nicht. Das war nicht Thema. Die Kommunikation lief zum größten
Teil auf englisch und ein wenig deutsch-polnisch. Worum es
denn da auf dem Rasen gehe? Ja, die Volksbühne, das Rad, es
sei weg, und die Volksbühne auch, nein, nicht die Bühne, aber
die Leute, die das früher gemacht haben und jetzt sei das eine
Demonstration dagegen. Wohl. Wenn ich Genaueres wissen wolle,
solle ich doch mal in der Mitte fragen. Nun, wo ich schon mal
in Mitte war …

Was sagt die Polizei?
Die Polizei merkt an, die Fläche sei öffentlich. Wo denn das
Kunstwerk sei, das hier früher stand? „In der Restauration, in
Frankreich.“ Es werde wohl auch erstmal nicht zurückkommen. Ob
denn die Aufstellung des Rades legal sei? Ja, die
Veranstaltung sei angemeldet und genehmigt. Die Errichtung des
„Wagenrades, nein Räuberrades“ sei ausdrücklich ein Teil der
Veranstaltung und in Ordnung. Die Konstruktion werde errichtet
und nach kurzer Zeit vor Ende der Veranstaltung am selben Tag
wieder abgebaut. Alles gesetzestreu. Ob denn eine dauerhafte
Aufstellung oder Errichtung beantragt worden sei? „Eine
Sondernutzungsgenehmigung gibt es nicht. Sie wäre erforderlich
bei Nutzung öffentlichen (Straßen-)landes, genau wie bei der
Aufstellung von Tischen und Stühlen.“ Ob denn eine
Sondernutzungsgenehmigung angestrebt worden sei? Das entzog
sich der Kenntnis der Vertreterin der Exekutive.

Interviews
Weitere Demo-Besucher wurden befragt. Ob es sich nun um einen
Demonstration oder ein Happening oder eine direkte Aktion
handelte, wussten wir immer noch nicht so genau.

Der ausgewählte Besucher war ein geladener Gast. Er hatte bei
der jüngsten Abgeordnetenhauswahl sein passives Wahlrecht
genutzt und sich als Unabhängiger aufstellen lassen, um das
bedingungslose Grundeinkommen bedingungslos zu unterstützen.
DM-Gründer Werner macht sich dafür stark. Gregor Gysi sagte
uns in Wolfsburg, dass er es aus drei Gründen nicht
unterstützen könne. Das begründete er wie immer schlüssig und
klug. Gysi gab allerdings zu, dass andere Linke das mit dem
Grundeinkommen oft anders sähen.
Die Linken sind rechts
Richtig. Die Linken. Die sind rechts. Rechts am Platz, der
nach eine Sozialistin benannt ist, in der Weydingerstraße. Sie
flankieren die räumliche Situation derart, dass sie weder von
der Volksbühne noch von der Dreiecksgrünfläche übersehen
werden können. Es sei denn, man sei kurzsichtig, oder blind.
Die Politik ist das manchmal. Doch bleiben wir bei der Kultur.

Die gute Atmosphäre unter den dem Ereignis Beiwohnenden
spricht gute Bände. Die Veranstalterin wird mir vorgestellt.
Rike. Und mit Nachnamen? Feuerstein.

Geistkonserve? Worum geht es?
Worum es hier ging hätten auch schweigsame und kontaktscheue
Leser unschwer herausfinden können. Hätten sie keine Scheu vor
Annäherung gehabt. Sprachen doch zwei recht kleine Schilder in
kontrastreicher, sehr gut lesbarer Schrift eine deutliche
Sprache.

Am Anfang steht das Wort – Geistkonserve
Es geht: Um die Stärkung der Freiheit von Kunst und Kultur.
Durch – zweites Schild – Eröffnung der Geistkonserve. Nun, mal
angenommen. Da wir als Journalisten auf vielen Hochzeiten
tanzen, können wir nicht überall den ganzen Abend bleiben.
Oder Nachmittag. Um so etwas zu verstehen –immerhin wurde ein
genau neues Wort dafür erfunden – braucht man mitunter oder
unter Umständen mehrere Tage. Aber wer hat die heute? Oder
nimmt sie sich?

Die Symbolik muss vielleicht für sich sprechen und einen
großen Teil des Verständnisses erzeugen. Und dann: auch bei
Kunst und vielen Spielfilmen stehen wir wie der Ochs vorm
Berge. Nicht erst seit der nouvelle vague (vage übersetzt: die
neue Welle) ist das Vage im Film schick. Auch wenn es manche
in bestimmten Fällen zur Weißglut bringt, weil sie das Rätsel
nicht lösen können. Hier gibt es etwas ganz Handfestes. Das
Wagenrad, nein Räuberrad. Das, das vorher hier stand, war
fester, stabiler und standfest. Sogar wetterfest.

Das neue ist aus Sperrholz. Doch halt: es ist KEIN Ersatz!

Genehmigung?          Wozu?       Geistkonserve          ist
eröffnet
Ich    frage     Rike    Feuerstein,      ob    denn    eine
Sondernutzungsgenehmigung beantragt wurde. Sie überlegt kurz.
Sehr sympathisch. Leute, die wie aus der Pistole geschossen
antworten, sind entweder Politiker, oberflächlich, oder
Genies.    Oder,   im   Einzelfall,     superschnell.     Dem
Regierungssprecher würde ich das zutrauen. Aber nur wenigen.
Ich habe Zeit, kurz ihre Kleidung zu betrachten. Sie trägt
oben an der Oberfläche etwas Lilanes. Sehr spirituell. Die
Frau hat nicht nur Initiative ergriffen, sie bewegt etwas.

Feuerstein hat das Rad erfunden
Es heißt ja, man müsse das Rad nicht neu erfinden. Doch das
stimmt nicht immer. Denn das neue Rad stünde hier nicht.
Genauer: wäre nicht hier. Denn es liegt nur auf dem Rasen.
Fast rund. Aber Fußball ist die letzte Assoziation, auch im
Jahr der WM. „Hätte es aufgerichtet werden sollen?“ „Nein.“
„Und es braucht hier auch nicht zu bleiben. Wozu?

Die Geistkonserve ist eröffnet.

Alles andere geht jetzt von allein.“

„So ein bisschen wie mit der Büchse der Pandora? Die man
besser nicht öffnen soll?“

„Ja, genau.“
Be here now. Sei jetzt hier. Achte den
Augenblick
Toll. So wie die Klebebande oder andere Taper arbeiten.
Angeklebt, angeschaut, wieder weggemacht. Entfernt. Fast so,
als sei das Kunstwerk nie dagewesen.

 Die Klebebande klebt dir was – Tape-Art-Projekte und Ideen –
 Kunst aus Klebeband

Sinn für den Augenblick. Eine Art „Kirschblüten – Hanami“.
Nur, dass nicht die Natur malt, sondern der Mensch …

Ausgedost
Geistkonserve? Ich bin dafür!

Die Welt kann noch ein bisschen Geist gebrauchen. Ob der nun
aus der Konserve kommt oder nicht. Jedes Gramm zählt, wo doch
Dummheit unausrottbar ist (vgl. Horst Geyer, „Über die
Dummheit. Ursachen und Wirkungen       der   intellektuellen
Minderleistung des Menschen“.)

Und den Geist einsperren, wie es viele Regierungen und
Konzerne versuchen, um ihre Konserven zu verkaufen? Ist eh
nicht sinnvoll.

Geistkonserve eröffnet. Geist freigelassen, der jetzt wirkt,
sich entfaltet. Lassen wir uns überraschen, seit dem 28.April
ist alles anders. Gute Aussichten.
© 2016, Foto/BU: Andreas
Hagemoser

Die Volksbühne Mitte am 16. März 2016 noch mit. [Mit
Räuberrad.] (Vorher – nachher.)

Die Volksbühne im Oktober 2017. Links der Rote Salon. © 2017,
Foto/BU: Andreas Hagemoser

Max Holleins letzte … – Mit
der Präsentation der frühen
Werkgruppe der „Helden“ von
Georg Baselitz im Frankfurter
Städel setzt Max Hollein den
endgültigen     Schlusspunkt
unter seine Tätigkeit in
Frankfurt
Frankfurt am Main, Deutschland (Kulturexpresso). Fünfzig Jahre
nach ihrer Entstehung präsentiert das Städel Museum vom 30.
Juni bis 23. Oktober 2016 Georg Baselitz’ berühmte „Helden“-
Bilder in einer umfassenden monografischen Sonderausstellung.
Die kraftvolle Werkgruppe der „Helden“ und „Neuen Typen“ gilt
weltweit als Schlüsselwerk der deutschen Kunst der 1960er-
Jahre. Sie wird von Max Hollein nicht nur als Direktor
verantwortet, sondern auch von ihm selbst kuratiert. Er war
noch einmal aus San Franzisco zurück an den Main gekommen, um
diese Ausstellung zusammen mit dem Künstler zu eröffnen.

Zu sehen sind 70 Gemälde und Arbeiten auf Papier. Ihren Anfang
nahm die Werkgruppe der „Helden“ und „Neuen Typen“ während
Baselitz‘ Stipendium an der Villa Romana in Florenz. Zurück in
Westberlin arbeitete er das Thema weiter aus. Die deutsche
Gesellschaft gibt sich zu dieser Zeit (1962 – 1965) noch
keinen Selbstzweifeln hin, der Bruch durch die 68er-Jahre
zeichnet sich noch nicht ab. Die in der zeitgenössischen Kunst
dominierenden Ausdrucksformen (Gruppe Zero, Quadriga, Nay oder
Pop-Art) befriedigen Baselitz nicht, stellen die scheinbar
heile Welt der Bundesrepublik nicht ausreichend in Frage und
verweisen zu wenig auf die Brüche der eigenen deutschen
Vergangenheit. Wer sich noch an die heftigen Diskussionen um
die Rolle der deutschen Wehrmacht anlässlich der
entsprechenden Ausstellung vor wenigen Jahren erinnert, sieht,
wie visionär und notwendig die Enttarnung der militärischen
Heldengestalten, ihre Präsentation mit geschändeten Körpern
und im zerschlissenen Kampfanzug schon damals war. Der Katalog
zur Ausstellung zitiert entsprechend Texte zum Verfall des
Heldentums im zu Ende gehenden 2. Weltkrieg.

Aber Baselitz beschränkt sich nicht auf die Enttarnung
militärischen Heldentums, auch die ihrer selbst zu sicheren,
ungebrochenen Künstler werden einbezogen. Er zeigt resignierte
Maler, denen ihr latentes Scheitern ebenso eingeschrieben ist
wie ihre ungewisse Zukunft. Die inhaltliche Brüchigkeit und
Widersprüchlichkeit der „Helden“ findet ihr Äquivalent im
Formalen. Die stets mittig frontal gegebene und klar
konturierte Figur kontrastiert mit der Wildheit der Farbwahl
und Heftigkeit der Malweise. Leihgaben aus bedeutenden
internationalen Museums- und Privatsammlungen eröffnen dem
Publikum einen umfassenden Blick auf diese Ikonen der
deutschen Nachkriegskunst, die der damals erst 27-jährige
Baselitz 1965/66     in   explosionsartiger    Produktivität
entwickelte.

Nach ihrem Auftakt im Frankfurter Städel Museum (bis 23.
Oktober 2016) wandert die groß angelegte Ausstellung weiter an
das Moderna Museet Stockholm, in den Palazzo delle Esposizioni
Rom und an das Guggenheim Museum Bilbao.

Wer nach dem Besuch dieser Ausstellung noch Lust auf ein
Kontrastprogramm hat, dem empfiehlt sich die kleine
Sonderausstellung „Fenster zum Himmel“ im gleichen Haus (bis
25. September). In der Ausstellung ist eine der
eindrucksvollsten Kirchenausstattungen zu erleben, die sich
aus dem späten 13. und frühen 14. Jahrhundert erhalten hat:
Der frühgotische Altenberger Altar und seine reiche
Bildausstattung. In der Schau werden das Hochaltarretabel
mitsamt seinem Schreinkasten, der zentralen Muttergottesfigur
und den Flügelbildern mit Passions- und Mariendarstellungen
sowie das aus dem ehemaligen Prämonstratenserinnen-Kloster
Altenberg an der Lahn stammende Ensemble kostbarster
Ausstattungsstücke rund um den Altar wieder zusammengeführt.
Es ist fast ein Wunder, dass der Altar den Wechsel der Stile
auch in der Kirchenausstattung und die Säkularisation überlebt
hat. Die modischen Umgestaltungen der Kirche überlebte er als
wenig beachteter Nebenaltar, nach der Säkularisation wurde er
aufgeteilt in Retabel, Flügeltafeln und zentrale
Madonnenfigur. Die meisten Stücke gingen 1803 in den Besitz
der Fürsten von Solms-Braunfels über. Zahlreiche Stücke
befinden sich deshalb noch heute im Schlossmuseum Braunfels.
Wegen der herausragenden Qualität der Altenberger
Kirchenausstattung bestand allerdings schon im 19. Jahrhundert
großes Interesse an den Objekten, und so gelangten viele der
Kunstwerke in bedeutende Sammlungen weltweit – von
hochkarätigen Privatsammlungen über die Sammlungen der Stadt
Frankfurt, der Wartburg-Stiftung in Eisenach sowie des
Bayerischen Nationalmuseums in München bis hin zur Eremitage
in Sankt Petersburg und dem Metropolitan Museum of Art in New
York. In der Präsentation im Städel Museum werden diese
Objekte nun wiedervereint und in ihrem ursprünglichen Kontext
als Gesamtkunstwerk zu erleben sein.

Als   besonders   faszinierend   erweisen   sich   die   in   der
Ausstellung gezeigten Altartücher: Die Überlieferung der
zugehörigen Altardecken für ein Altarensemble dieser Zeit ist
einmalig. Zeitgleich mit den Tafelbildern entstanden sie als
gestickte Bilder von beeindruckender Größe und Qualität, die
den Altartisch vor dem Retabel schmückten. Unvorstellbar
feines Leinen, delikat bestickt mit figürlichen Motiven. Man
kann sich kaum vorstellen, wie diese Stücke unter damaligen
Bedingungen entstanden sind. Wie fein müssen die Nadeln
gewesen sein, wie gut die Lichtverhältnisse!

In einer 3D-Visualiserung können die Ausstellungsbesucher über
ein Bedienfeld das Zusammenwirken dieser verschiedenen Objekte
des Altarraums von verschiedenen simulierten Standorten im
Kirchenraum aus erleben. Eine Audiostation gibt zusätzlich
Aufschluss darüber, wie Altarflügel und Hochaltar zu
verschiedenen Festtagen im Kirchenjahr inszeniert wurden.
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