Bedarfsplanung in der Augenheilkunde - THEMA - Nomos eLibrary
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THEMA Bedarfsplanung in der Augenheilkunde Christian Krauth, Die Augenheilkunde wird aufgrund des Anika Brümmer, Nina Bucholtz, demographischen Wandels eine wichtige Rolle in der Volker E. Amelung ambulanten Versorgung einnehmen. Jeder Vierte PD Dr. rer. pol. Christian sucht mindestens einmal im Jahr einen Augenarzt auf Krauth, Dipl.-Volkswirt, und schon heute sind 40% der Augenarztpatienten ist Leiter des Fachbereichs Gesundheitsökonomie und 65 Jahre und älter. Dieser Trend wird sich durch die Gesundheitspolitik am In- weiter steigende Lebenserwartung noch verstärken, stitut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesund- da die Mehrheit der Augenerkrankungen erst heitssystemforschung der im Alter auftritt. Vor diesem Hintergrund ist die Medizinischen Hochschule Hannover, Bedarfsplanung von besonderer Bedeutung. Auch wenn bis 2020 kein substantieller Engpass an Augenärzten Anika Brümmer, B.Sc ist Wissenschaftliche Mitarbei- existiert, müssen dennoch Strategien entwickelt terin im inav – privates Ins- werden, die einen Versorgungsengpass in den wenig titut für angewandte Versor- gungsforschung GmbH, attraktiven Planungsbereichen verhindern. Nina Bucholtz, Dipl. Psych. ist Doktorandin und Wissen- 1. Hintergrund: Situation krankung bzw. Fehlsichtigkeit. Zudem schaftliche Mitarbeiterin an der Augenheilkunde sucht mindestens jeder Vierte einmal im der Charité, Berlin, Jahr einen Augenarzt auf. Damit liegt Die Fähigkeit zu sehen wird von vielen die Augenheilkunde mit 43,1 Behand- Prof. Dr. oec. Volker Ame- Menschen als selbstverständlich erach- lungsfällen pro 100 Personen an vierter lung ist Hochschullehrer am tet. Aber bereits leichte Sehbeeinträch- Stelle der am häufigsten konsultierten Institut für Epidemiologie, tigungen führen zu einer Verringerung Arztgruppen. Nur die Allgemeinmedi- Sozialmedizin und Gesund- der Lebensqualität (Finger et al. 2011a). zin, Innere Medizin und Gynäkologie heitssystemforschung der Personen mit visuellen Funktionsbeein- weisen eine höhere Anzahl an Behand- Medizinischen Hochschule trächtigungen schätzen ihr physisches, lungsfällen auf. Hannover und Vorstandsvor- emotionales und soziales Wohlbefinden Trotz der hohen Anzahl an Behand- sitzender des Bundesverband signifikant schlechter ein als Personen lungsfällen repräsentieren die Augenärz- Managed Care e. V. ohne Beeinträchtigungen. Insbesondere te nur 2% der berufstätigen Ärzteschaft die altersbedingte Makuladegeneration mit einer Gesamtanzahl von 6.805 be- Die Autoren danken der (AMD), der Grüne Star (Glaukom), der rufstätigen Augenärzten (Bundesärzte- Deutschen Stiftung für chro- Graue Star (Katarkt) und die diabeti- kammer 2011). Im Unterschied zu an- nische Kranke für die Förde- sche Retinopathie spielen in der Augen- deren fachärztlichen Bereichen befindet rung des Projektes. heilkunde eine besondere Rolle, nicht sich der überwiegende Anteil der Augen- zuletzt weil sie die Hauptursache für ärzte mit 83,5% im ambulanten Bereich. Erblindungen darstellen (Finger et al. Verglichen mit allen berufstätigen Ärz- 2011b). Auch wenn das Behandlungs- ten, von denen durchschnittlich 42,4% spektrum der Augenheilkunde »nur« ambulant tätig sind, ist damit der Anteil einen kleinen Teil des menschlichen Kör- ambulant tätiger Augenärzte fast dop- pers betrifft, leiden nach dem Arztreport pelt so hoch. Diese Kennzahlen sind we- der BARMER GEK (2010) ein Drittel nig verwunderlich, wenn man die Ent- der Versicherten an einer Augener- wicklung des medizinisch-technischen https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44 44 G+S 3/2012 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
THEMA Fortschritts in der Augenheilkunde Tabelle 1: Allgemeine Verhältniszahlen (Einwohner/Arztrelation) zur Feststellung betrachtet und den damit einhergehen- des allgemeinen, Tabelle bedarfsgerechten 1 Allgemeine Versorgungsgrades Verhältniszahlen für verschiedene (Einwohner/Arztrelation) zur Arztgrup- Feststellung des allge den Verbesserungen in Diagnostik und pen (Quelle: G-BA 2007) bedarfsgerechten Versorgungsgrades für verschiedene Arztgruppen (Quelle: G-BA 2007) Therapie. Beispielsweise ist die Katarakt weltweit für 50% der Erblindungen ver- Augenärzte Internisten Frauenärzte HNO-Ärzte Urologen Hausärzte antwortlich, während in Europa und Raumgliederung Agglomerationen den USA durch gute operative Behand- Kernstädte 13.177 12.276 6.916 16.884 26.641 1.585 lungen die Erblindungsrate durch eine Hochverdichtete Kreise 20.849 30.563 11.222 28.605 49.814 1.872 Katarakt nur bei 5% liegt (Resnikoff Verdichtete Kreise 23.298 33.541 12.236 33.790 49.536 1.767 et al. 2004, WHO 2004). Darüber hin- Ländliche Kreise 23.195 34.388 13.589 35.403 53.812 1.752 aus können mittlerweile durch neu ent- Verstädterte Räume wickelte Medikamente und Therapien Kernstädte 11.017 9.574 6.711 16.419 26.017 1.565 wie die intravitreale operative Medika- Verdichtete Kreise 22.154 31.071 12.525 34.822 52.604 1.659 mentenapplikation (IVOM) die feuchte Ländliche Kreise 25.778 44.868 14.701 42.129 69.695 1.629 AMD, die in Deutschland die häufigste Ländliche Regionen Ursache für Erblindungen darstellt, be- Kreise mit höherer Dichte 19.639 23.148 10.930 28.859 43.026 1.490 handelt werden. Aber auch bei anderen Kreise mit geringerer Dichte 25.196 31.867 13.697 37.794 55.159 1.474 Indikationen, wie bei Makulaödemen Sonderregion der diabetischen Retinopathie oder Ve- Ruhrgebiet 20.440 24.396 10.686 25.334 37.215 2.134 nenverschlüssen wird die IVOM ange- wendet. Der medizinische Fortschritt ermöglicht damit eine Verschiebung sem Hintergrund kommt der zukünfti- als der bundesweit festgelegte Versor- der Behandlung vom stationären zum gen Bedarfsplanung in der Augenheil- gungsgrad, ist der Planungsbezirk über- ambulanten Sektor, wodurch der hohe kunde eine besondere Rolle zu, um eine versorgt (§ 101 SGB V). Als unterver- Anteil an ambulant tätigen Augenärzten flächendeckende Versorgung der Patien- sorgt gilt ein Planungsbezirk, wenn der erklärbar wird. ten zu gewährleisten. Schließlich entwi- bundesweit festgelegte Versorgungsgrad Zu den großen zukünftigen Heraus- ckelt sich der augenärztliche Fachbereich um mehr als 50% unterschritten wird forderungen in der Augenheilkunde ge- aufgrund des steigenden Lebensalters zu (§ 100 SGB V). Seit 2010 fließt ein De- hören der demographische Wandel und einem Grundversorger. mografiefaktor in die Bedarfsplanung die zunehmende Lebenserwartung. Die des G-BA ein, um den erhöhten Ver- Mehrheit der Augenerkrankungen tre- 2. Theoretische Grundlagen sorgungsbedarf eines Planungsbezirks ten erst im Alter auf, wodurch zukünftig zur Bedarfsplanung mit einer relativ älteren Bevölkerung mit einem Anstieg der in Anspruch ge- (gegenüber dem Bundesdurchschnitt) nommenen augenärztlichen Leistungen In 1993 wurde die Bedarfsplanung des zu berücksichtigen. gerechnet wird: Während in 1997 nur Gemeinsamen Bundesausschusses (G- 43% der Patienten in einer Augenarzt- BA) mit dem Gesundheitsstrukturge- 3. Bedarfsplanung der Kassen praxis über 60 Jahre alt waren, sind setz in das SGB V eingeführt. Ziel ist ärztlichen Bundesvereinigung es aktuell fast 50% (KBV 2011). Zu- es, die Versorgung der Bevölkerung mit in der Augenheilkunde dem sucht bereits jeder Zweite in der medizinischen Leistungen im ambulan- ten wie auch stationären Die Kassenärztliche Bundesvereinigung Sektor sicherzustellen. Für (KBV) legt auf der Basis der Bedarfs- Der augenärztliche Fachbereich den Bereich der Augenheil- planung des G-BA die Anzahl der of- entwickelt sich aufgrund des kunde spielt die ambulante fenen Planungsbereiche, bei insgesamt Bedarfsplanung die zentrale 395 Planungsbereichen in Deutschland, steigenden Lebensalters zu Rolle. Zur Bestimmung des fest. Unter offenen Planungsbereichen einem Grundversorger. Bedarfs wird die Relation versteht man solche Bereiche, die nicht der Einwohner je Vertrags- überversorgt (Versorgungsgrad < 110%) arzt herangezogen, wobei sind und in denen sich Vertragsärzte frei Altersgruppe der 70- bis 84-Jährigen die Verhältniszahlen nach Facharztgrup- niederlassen können. jährlich einen Augenarzt auf. Prognos- pen differenziert werden und sich zwi- In der Augenheilkunde sinkt die An- tiziert wird, dass sich die Anzahl der schen urbanen und ländlichen Regionen zahl der freien Arztsitze wie auch die an Makuladegeneration bzw. Glaukom unterscheiden (s. Tab 1). Anzahl der offenen Planungsbereiche Erkrankten bis 2050 um 169% bzw. Erstellt wird der Bedarfsplan von stetig. Im Jahr 2000 gab es 103 offene 72% erhöhen wird (Fritz Beske Institut dem Landesausschuss der Ärzte und Planungsbereiche mit 150 freien Arzt- 2009). Auch das Zentralinstitut für die Krankenkassen nach § 99 SGB V. Da- sitzen, während es in 2011 nur noch 53 kassenärztliche Versorgung (ZI) ermit- für wird die Relation von Einwohner zu offene Planungsbereiche mit 93 freien telte, dass die medizinischen Leistungen Arzt für jeden Planungsbezirk berechnet Arztsitzen waren (KBV 2011). Dabei durch Internisten, Urologen, Hausärzte und mit den allgemein festgelegten Ver- liegt der höchste Anteil an freien Arzt- und Augenärzte am stärksten zunehmen hältniszahlen verglichen. Liegt der Ver- sitzen in Bayern (18), Niedersachsen (19) werden (Schallock et al. 2009). Vor die- sorgungsgrad um mehr als 10% höher und Rheinland-Pfalz (15) und dement- https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. G+S 3/2012 45
THEMA Tabelle 2 Planungsbereich mit höchsten bzw. niedrigsten Versorgungsgrad (Quelle: Deutscher Bund 2011) Tabelle 2: Planungsbereich mit höchsten bzw. niedrigsten Versorgungsgrad (Quelle: Deutscher Bundestag 2011) Planungsbereich Versorgungsgrad max. Planungsbereich Versorgungsgrad min. Neubrandenburg, Stadt/Mecklenburg-Strelitz 227,9 Odenwaldkreis 47,7 Weiden i.d. Opf., Stadt/Neustadt a.d. Waldnaab 216,2 Mittlerer Erzgebirgskreis 55,7 Prignitz 214,2 Mainz-Bingen 60,2 Osterode am Harz 198,7 Fürth 63,7 Würzburg, Stadt 198,5 Bad Doberan 65,9 Uckermark 193,5 Peine 67,3 Greifswald, Hansestadt/Ostvorpommern 188,6 Enzkreis 68,5 Miesbach 185,1 Gifhorn 74,5 Stralsund, Hansestadt/Nordvorpommern 183,9 Schwandorf 79,3 Löbau-Zittau 182,5 Gotha 79,8 sprechend befinden sich auch in diesen sich teilweise durch den Bevölkerungs- ■■ Altersstruktur der Ärzte (Durch- KV-Bezirken die meisten offenen Pla- rückgang nach der Wiedervereinigung schnittsalter der Vertragsärzte, Anteil nungsbereiche. erklären, wodurch bei gleichbleibender der Ärzte mit 55, 60 bzw. 65 Jahren) Die kontinuierliche Abnahme von Anzahl an Augenärzten eine geringere ■■ Nachfolgeregelung in überversorgten offenen Planungsbereichen führt dazu, Einwohner-Arzt-Relation entsteht. Al- Gebieten dass Augenärzte auf bisher noch nicht lerdings muss berücksichtigt werden, ■■ »Feminisierung der Medizin« gesperrte Planungsbereiche ausweichen. dass auch drei der zehn Planungsberei- ■■ Trend zu kürzeren Arbeitszeiten der Damit nähert sich die räumliche Ver- che mit den geringsten Versorgungsgra- Ärzte teilung der augenärztlichen Versorgung den in den neuen Bundesländern liegen. ■■ Rekrutierungspotenzial des augen- dem Bedarf an, wie er in den Richtlini- Neben dem deutlichen Bevölkerungs- ärztlichen Nachwuchs (Reglemen- en des G-BA ausgewiesen wird. Trotz rückgang sind die neuen Bundesländer tierung und Honorierung) dessen bestehen aber zwischen den Pla- auch durch eine starke Alterung der nungsbereichen große Versorgungsun- Bevölkerung gekennzeichnet, da der Die Altersstruktur der Ärzte gehört zu terschiede. Dies bestätigen auch aktuelle Bevölkerungsrückgang überwiegend den ausschlaggebenden Faktoren für das Zahlen der KBV, die von der Bundesre- durch die Abwanderung junger Men- zukünftige augenärztliche Angebot, da gierung angefordert wurden (Deutscher schen in die alten Bundesländer erfolgte. an der Altersstruktur der Ersatzbedarf Bundestag 2011). Es zeigt sich, dass der Die demografischen Faktoren sollten in an Augenärzten in den nächsten Jahren Versorgungsgrad mit augenärztlichen der Bedarfsplanung angemessen berück- abgelesen werden kann. Derzeit liegt Leistungen in den 395 Planungsberei- sichtigt werden, insbesondere der höhe- das Durchschnittsalter der Augenärz- chen zwischen 48% (Odenwaldkreis) re Versorgungsbedarf älterer gegenüber te bei 52,2 Jahren und stieg damit in und 228% (Neubrandenburg) stark jüngerer Menschen. Dies würde den den letzten 15 Jahren um 4,7 Jahre an schwankt. Darüber hinaus weisen 342 bisher ausgewiesenen Versorgungsgrad (Wille 2011). Insgesamt haben 34% der der 395 Planungsbereiche einen Versor- in den neuen Bundesländern teilweise berufstätigen Augenärzte bereits das 55. gungsgrad von über 110% auf, was auf deutlich senken. Der bisher eingeführte Lebensjahr überschritten. eine Überversorgung schließen lässt. Le- Demografiefaktor scheint diesen Aspekt Die Nachfolgeregelung in überver- diglich 8 Planungsbereiche liegen unter nicht vollständig auszugleichen. sorgten Gebieten besitzt ebenso einen einem Versorgungsgrad von 75% und entscheidenden Einfluss auf den Ersatz- ein Planungsbereich ist mit einem Ver- 4. Prognosen des zukünftigen bedarf. Bisher kann jeder Vertragsarzt, sorgungsgrad von unter 50% gemäß der augenärztlichen Bedarfs der aus Altersgründen seine Praxis auf- Bedarfsrichtlinie des G-BA von Unter- gibt, seine KV mit der Ausschreibung versorgung betroffen (siehe Tab. 2). Um 4.1. Einflussfaktoren des Angebots des Vertragsarztsitzes beauftragen. Dies in allen Planungsbereichen mindestens an und der Nachfrage nach ist auch in überversorgten Gebieten die Normversorgung von 100% zu er- augenärztlichen Leistungen möglich. Durch die Regelung wird die reichen, müssen bundesweit 44 Arztsitze Neubesetzung von Arztsitzen in weniger (in 27 Planungsbereichen) besetzt wer- Um prognostische Aussagen über die begehrten Planungsbereichen erschwert, den. Bis zum Erreichen der Überversor- zukünftige augenärztliche Versorgung die tendenziell von Unterversorgung be- gung (Versorgung > 110%) fehlen sogar zu erheben, müssen verschiedene Ein- troffen sind. Die Erfahrungen zeigen, 93 Arztsitze in 53 Planungsbereichen. flussfaktoren des Angebots an und der dass Vertragsärzte auf nicht gesperrte Besonders auffällig ist der hohe Ver- Nachfrage nach augenärztlichen Leis- Planungsbereiche ausweichen, wenn sorgungsgrad vieler Planungsbereiche tungen berücksichtigt werden. Zu den Niederlassungsmöglichkeiten in attrak- in den neuen Bundesländern (sechs der Determinanten, die das augenärztliche tiven Regionen gesperrt sind. zehn Planungsbereiche mit dem höchs- Angebot bedingen, gehören: Zudem ist ein deutlicher Trend zur ten Versorgungsgrad). Dieser Effekt lässt »Feminisierung der Medizin« in der https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44 46 G+S 3/2012 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
THEMA 30 25 Anzahl der Ärzte in % 20 15 10 Ärzte ab 55 bis 59 Jahre Ärzte ab 60 bis 64 Jahre Ärzte ab 65 Jahren und älter 5 0 Abbildung 1: Augenärzte über 55, 60 und 65 Jahren, die an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt sind (Quelle: KBV 2011) Ärzteschaft zu beobachten. In den letz- 4.2. Bedarfsanalyse auf Basis geringeren Arztbestand eine Normver- Abbildung ten 18 Jahren1stieg Augenärzte über der Anteil der Ärz-55, 60 und 65 Jahren, prognostizierter dieam Arztzahlen an der sorgung kassenärztlichen Versorgung von 100% aufrechterhalten (vo- beteili (Quelle: KBV 2011) tinnen an den Vertragsärzten von 29% Beispiel von Niedersachsen rausgesetzt es gelingt eine erfolgreiche auf 36% an. Dieser Trend wird sich auch Umverteilung von hochversorgten zu zukünftig mit aktuell 61% weiblichen Die KV Niedersachsen (KVN) führte geringversorgten Planungsbereichen in Medizinstudenten fortsetzen (Destatis 2007 eine Hochrechnung der Arzt- Niedersachsen). Damit entsprechen auch 2011). Diese Entwicklung wirkt sich auf zahlen bis 2020 durch. Dafür wurde die notwendigen Zulassungen mit 232,3 das Angebot an Versorgungsleistungen ausgehend vom aktuellen Arztbestand Augenärzten den kumulierten prognos- aus, da Ärztinnen (zumindest derzeit die Entwicklung der Zu- und Abgän- tizierten Zugängen (234,0 Augenärzte) noch) durchschnittlich häufiger in Teil- ge an Augenärzte prognostiziert. Für bis 2020, um einen Versorgungsgrad zeit beschäftigt sind als ihre männlichen die Ermittlung der Zugänge wurden von 100% zu sichern. Zur Vermeidung Kollegen. Aber auch insgesamt zeichnet die Facharztzulassungen von 2002 bis von Unterversorgung (Versorgungsgrad sich der Trend hin zu kürzeren Arbeits- 2006 verwendet und anschließend für < 50%) werden lediglich 31,5 neue Au- zeiten bei jüngeren Ärzten ab. So liegt die Jahre 2008 bis 2020 geschätzt. Zur genärzte benötigt. die Wochenarbeitszeit von Ärzten bis Bestimmung der Abgänge an Augenärz- Im Szenario 2 mit Altersabgängen ab 35 Jahren bei ca. 46 Stunden, während ten wurde das Alter herangezogen und 68 Jahren stellt sich die Versorgungssitu- die durchschnittliche Wochenarbeitszeit anhand von zwei Szenarien simuliert ation erheblich besser dar. In diesem Fall aller Ärzte ca. 49 Stunden beträgt (Wille mit: (1) Altersabgänge erfolgen mit 60 liegen die Zugänge an Augenärzten mit 2010). Jahren und (2) Altersabgänge erfolgen 234 deutlich über den Altersabgängen Entscheidenden Einfluss auf die erst mit 68 Jahren. Darüber hinaus be- an Augenärzten von 146. Nur 50% der Nachfrage nach augenärztlichen Leis- rücksichtigte die KVN einen Bevölke- erwarteten Facharztabsolventen (113 tungen besitzt die demografische Ent- rungsrückgang bis 2020 um ca. 3,1% von 234) müssen bis 2020 zur kassen- wicklung, da viele Augenerkrankungen bzw. 240.000 Einwohner verglichen zu ärztlichen Versorgung zugelassen wer- erst im Alter auftreten. Während die 2008. den, um die Normversorgung von 100% demografische Alterung zu einer stei- Die Bedarfsanalyse der KVN für den in allen Planungsbereichen aufrechtzu- genden Inanspruchnahme von ärztli- Bereich Augenheilkunde zeigt, dass die erhalten. Soll nur eine Unterversorgung chen Leistungen führt, reduziert sich prognostizierten Altersabgänge mit 60 vermieden werden, müssen lediglich 3 die Nachfrage ceteris paribus bei sin- Jahren nicht vollständig durch die er- neue Augenärzte zugelassen werden. kender Bevölkerung. Der Nettoeffekt warteten Zugänge ausgeglichen werden Bei der Bewertung der Bedarfspro- ist entscheidend, ob mehr oder weniger können. So sinkt im Szenario 1 (Alters- gnose der KVN muss allerdings eine augenärztliche Leistungen zukünftig in abgänge mit 60 Jahren) der Arztbestand differenzierte Betrachtung erfolgen. Anspruch genommen werden. bis 2020 um ca. 8,2% bzw. 38 Augen- Auf dem ersten Blick scheint die Ver- ärzte, allerdings lässt sich auch mit dem sorgung in Niedersachsen bis 2020 ge- https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. G+S 3/2012 47
Tabelle 3 Bevölkerungsprognose (Quelle: Statistischen Bundesamtes 2009) THEMA Tabelle 3: Bevölkerungsprognose (Quelle: Statistischen Bundesamtes 2009) Altersgruppe 2008 2020 2030 Bevölkerung in 1.000 % Bevölkerung in 1.000 % Bevölkerung in 1.000 % Gesamt 82.002 79.914 77.350 Unter 20 Jahre 15.619 19,0 13.624 17,0 12.927 16,7 20 bis unter 60 Jahre 45.426 55,4 41.743 52,2 35.955 46,5 60 Jahre und älter 20.958 25,6 24.547 30,7 28.469 36,8 sichert zu sein, jedoch gibt es regional der überwiegende Anteil an Augener- werden die mittleren Prognosevarianten deutliche Versorgungsunterschiede. So krankungen erst im Alter auftritt und der Bevölkerungsberechnung herange- wird derzeit bereits in 6 von 44 Pla- somit durch die Zunahme der älteren zogen. Wie aus der Tabelle 3 ersichtlich nungsbereichen in Niedersachsen nicht Bevölkerungsteile auch eine Ausweitung wird, steigt der Anteil der über 60-Jäh- die Normversorgung von 100% erreicht der in Anspruch genommenen augen- rigen von 25,6% (2008) auf 36.8% und weitere 2 Planungsbereiche liegen ärztlichen Leistungen zu vermuten ist. (2030). Damit ist eine Zunahme um 7,5 sogar unter einem Versorgungsgrad von Mio. der älteren Bevölkerungsgruppe ab 75%. Im Gegensatz dazu gibt es aber 4.3. Bevölkerungsprognose 60 Jahren zu erwarten bei gleichzeitiger auch 11 Planungsbezirke (also 25% aller und Hochrechnung Verringerung der Gesamtbevölkerung Planungsbereiche der KVN), die einen um 4,7 Mio. bis zum Jahr 2030. der augenärztlichen Versorgungsgrad zwischen 125% und Auf der Basis der Bevölkerungsprog- 200% aufzeigen. Zudem variiert der Patientenzahlen bis 2030 nose können nun im zweiten Schritt die Ersatzbedarf in den Planungsbereichen Zur Abschätzung der zukünftigen Patientenzahlen in der Augenheilkunde stark durch die unterschiedliche regio- Nachfrage nach augenärztlichen Leis- bis 2030 prognostiziert werden. Dafür nale Altersstruktur der Augenärzte. Da- tungen ist eine Prognose über die Bevöl- wird zunächst analysiert, wie viele Pa- rüber hinaus liegt hier im Wesentlichen kerungsentwicklung und einer darauf tienten derzeit pro Jahr einen Augenarzt eine angebotsorientierte Prognose vor. aufbauenden Hochrechnung der augen- aufsuchen. Diese Berechnungen beruhen Bei der Nachfrage nach augenärztlichen ärztlichen Patienten notwendig. auf Daten der KBV (2011). Demzufolge Leistungen wurde nur der Bevölkerungs- Für die Bevölkerungsprognose konnte konsultieren ca. 50% der über 75-jäh- rückgang berücksichtigt, aber nicht die auf Daten des Statistischen Bundesamtes rigen GKV-Versicherten mindestens zunehmende Alterung der Bevölkerung. (2009) zugegriffen werden. Das Statis- einmal im Jahr einen Augenarzt, wäh- Um den demographischen Wandel an- tische Bundesamt hat in seiner mittler- rend es in der Altersgruppe der 15 bis gemessen zu berücksichtigen, wurden weile 12. Koordinierten Bevölkerungs- 50-jährigen GKV Versicherten lediglich eigene Hochrechnungen für die zukünf- berechnung verschiedene Varianten mit 10 bis 20% sind. Wie vorab vermutet, tige augenärztliche Versorgung durch- den demografischen Faktoren Gebur- ist die Leistungsinanspruchnahme stark geführt. Der demographische Wandel tenrate, Mortalität und Migration ge- abhängig vom Alter des Patienten (siehe spielt insofern eine besondere Rolle, da bildet. Für die nachfolgenden Analysen Abb. 2). 60.000 50.000 40.000 30.000 20.000 10.000 0 Abbildung 2: Patienten beim Augenarzt je 100.000 Versicherte der Altersgruppe in 2010 (Quelle: KBV 2011) Abbildung 48 2 Patienten G+S 3/2012 beim Augenarzt je 100.000 Versicherte der Altersgruppe in 2010 (Que https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
THEMA 3.000.000 2.500.000 2.000.000 1.500.000 2010 1.000.000 2020 2030 500.000 0 Abbildung 3: Prognose der Patientenzahlen in der Augenheilkunde (eigene Darstellung) Abbildung 3 Prognose der Patientenzahlen in der Augenheilkunde (eigene Darstellung) Nachdem die aktuelle Patientenzahl, Patientenzahlen Pti für die Jahre 2010, um 14,5 bis 15,5% und in Baden-Würt- untergliedert in Altersgruppen, ermittelt 2020 und 2030 (siehe Abb. 3). Zwei Ent- temberg um 16 bis 17% (Wille 2010, wurde, erfolgt die Hochrechnung der wicklungen werden dabei in der Progno- S. 67). Die unterschiedlichen Ergebnisse zukünftigen Patientenzahlen gemäß der se widergespiegelt: (1) Die Verringerung zwischen den Studien sind auf mehrere folgenden Gleichung: der Gesamtbevölkerung von 82,0 Mio. Einflussfaktoren zurückzuführen. Die (2010) über 79,9 Mio. (2020) auf 77,4 Studie von Wille ist nur eingeschränkt Pt = ∑ Pti = ∑ a 2010,i ⋅ G2010,. i ⋅ ( Bti / B2010,i ) Mio. (2030) bei (2) gleichzeitigem An- auf Gesamt-Deutschland übertragbar, i i stieg der Bevölkerungsgruppe der über da zum einen der Bevölkerungsrück- mit 65-Jährigen von 16,8 Mio. (2010) über gang in Bayern und Baden-Württemberg Pt Patientenanzahl im Jahr t (t = 2010 bis 18,7 Mio. (2020) auf 22,3 Mio. (2030). deutlich geringer ausfällt als im Bundes- 2030) Insgesamt wird die Patientenzahl in durchschnitt und zum anderen die Le- Pti Patientenanzahl der Altersgruppe i im der Augenheilkunde kontinuierlich von benserwartung in Baden-Württemberg Jahr t (Altersgruppen 0–15 / 15–20 / 17,9 Mio. in 2010 auf 18,8 Mio. in 2020 über dem Bundesdurchschnitt liegt. 20–25 / … / 85–90 und >90 Jahre) bzw. 19,0 Mio. in 2030 zunehmen, was Insofern wird die Nachfrage nach Au- a2010,i Anteil der GKV-Versicherten der Alters- einem Anstieg von 5,2% bis 6,4% ent- genarztleistungen (bezogen auf Deutsch- gruppe i im Basisjahr 2010, die einen Au- spricht. Demzufolge kann konstatiert land insgesamt) in der Studie von Wille genarzt konsultiert haben (ausgedrückt werden, dass der Alterungseffekt (An- überschätzt. Umgekehrt ist es plausibel, als Anzahl der GKV-Versicherten der stieg der über 65-jährigen von 2008 bis dass die Arztkontakte (Wille-Studie) Altersgruppe i, die 2010 einen Augen- 2030 um 5,5 Mio.) den Bevölkerungs- stärker ansteigen als die Patientenzahlen arzt konsultierten, je 100.000 GKV- effekt (Abnahme der Gesamtbevölke- (vorliegende Hochrechnung), da nicht Versicherte der Altersgruppe i) rung von 2008 bis 2030 um 4,6 Mio.) nur ein größerer Anteil älterer Versi- G2010 Anzahl GKV-Versicherte im Jahr 2010 bei der Nachfrage nach augenärztlichen cherter (gegenüber jüngeren Versicher- Bt Anzahl der Personen der Altersgruppe i Leistungen übersteigt. Folglich wird die ten) den Augenarzt konsultiert, sondern im Jahr t Nachfrage nach augenärztlichen Leis- ältere Patienten (die einen Augenarzt tungen stetig anwachsen. Um zukünftige Patientenzahlen der Die Ergebnisse werden durch al- GKV zu prognostizieren, wird von den ternative Prognosen zum zukünf- Ein Nachfrageanstieg in aktuellen altersspezifischen Patienten- tigen Bedarf an Augenärzten ge- Deutschland von 10–12% zahlen beim Augenarzt (a2010,i · G2010,i) stützt. Beispielsweise geht der Be- ausgegangen und mit der zukünfti- rufsverband der Augenärzte (BVA) scheint plausibel. gen Altersstruktur der Bevölkerung in von einem Anstieg nach augenärzt- Deutschland (Bt,,i / B 2010,i) hochgerech- lichen Leistungen in Höhe von 10% bis aufsuchen) auch mehr Arztkontakte als net. Dabei wird angenommen, dass die zum Jahr 2030 aus. Wille (2010) führte jüngere Patienten haben. Insofern wird altersspezifische Inanspruchnahme im eine Studie zur Entwicklung der Arzt- die Nachfrage in der vorliegenden Stu- Zeitablauf konstant bleibt (a2010,i = a2020,i kontakte in Baden-Württemberg und die unterschätzt. Insgesamt erscheint ein = a2030,i). Bayern durch. Prognostiziert wurde Nachfrageanstieg in Deutschland von Die durchgeführte Analyse gibt nun eine Zunahme der augenärztlichen Arzt- 10–12% plausibel (bei einer Bandbreite Aufschluss über die altersdifferenzierten Patienten-Kontakte bis 2030 in Bayern von 6–15%). https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig. G+S 3/2012 49
Veränderungen der Nachfrage, der Arztanzahl und der Wochenarbeitszeit (eigene Darstellun THEMA Tabelle 4: Veränderung des Versorgungsniveaus 2020 gegenüber 2008 – Szenarien in Abhängigkeit von Veränderungen der Nachfrage, der Arztanzahl und der Wochenarbeitszeit (eigene Darstellung) Szenarien der zukünftigen augenärztlichen Versorgung bis 2020 Nachfrageanstieg Angebot Änderung des Versorgungsniveaus 3% 5% 7% Altersabgänge 60 (Anzahl Augenärzte -7%) Konstante Wochenarbeitszeit -10% -11% -13% Sinkende Wochenarbeitszeit (5%) -14% -16% -17% Altersabgänge 68 (Anzahl Augenärzte +19%) Konstante Wochenarbeitszeit +16% +13% +11% Sinkende Wochenarbeitszeit (5%) +10% +8% +6% 5. Szenarien der zukünftigen dass die Altersabgänge der Augenärzte bezirken ein durchschnittlicher Versor- augenärztlichen Versorgung das Versorgungsniveau bis 2020 erheb- gungsgrad von 120% erreicht. Szenario 3: Das Szenario 3 stellt eine lich beeinflussen. Die extremen Szena- Nachdem das Angebot an und die Nach- rien zeigen folgendes Bild: mittlere Variante der vorangegangenen frage nach augenärztlichen Leistungen Szenario 1: Im ersten extremen Sze- Szenarien dar. Hierfür wird mit einem ermittelt wurden, können diese Daten in Anstieg des Arztangebotes von 6% (der nario wird die Änderung des Versor- verschiedene Szenarien zur zukünftigen sich aus dem Mittelwert der extremen gungsniveaus gekennzeichnet durch augenärztlichen Versorgung zusammen- Altersabgänge mit 60 Jahren (Redukti- Szenarien Rückgang um 7% und An- geführt werden. Die Szenarien werden on der Arztanzahl um ca. 7%) und eine stieg um 19% erklärt), einer konstanten nur bis zum Jahr 2020 fortgeschrieben, Minderung der Wochenarbeitszeit der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit da die Ergebnisse für das augenärztliche der niedergelassenen Augenärzte und niedergelassenen Augenärzte um 5% bei Angebot ebenfalls nur bis 2020 belast- einem Nachfrageanstieg um 7%. In die- einem Anstieg der Nachfrage um 5% bar vorliegen. Für die Szenarien wird sem Fall würde das Versorgungsniveau gerechnet. In diesem Szenario kann das auf die Prognosen zum Arztangebot der um ca. 17% verglichen zur aktuellen derzeitige Versorgungsniveau auch in KV Niedersachsen zugegriffen und auf Versorgungssituation schrumpfen. Da- 2020 sichergestellt werden. Deutschland insgesamt übertragen. mit sinkt der durchschnittliche Versor- In den Szenarien konnte das Versor- Als Determinanten für das augenärzt- gungsgrad in den Planungsbereichen auf gungsniveau nur durch eine Verlänge- liche Angebot werden die Altersabgän- etwa 83%. Eine flächendeckende Norm- rung der Lebensarbeitszeit der Augen- ge mit 60 bzw. 68 Jahren entsprechend versorgung ist dann auch rechnerisch – ärzte aufrechterhalten werden. Zwar der KVN-Prognose herangezogen: bei wenn also ein Ausgleich von über- und zeigen sich bereits erste Anzeichen dafür, Altersabgängen mit 60 Jahren muss unterversorgten Planungsbereichen er- dass die niedergelassenen Ärzte länger mit einer Verminderung des Angebots praktizieren. Allerdings muss beobach- folgt – nicht mehr realisiert. von ca. 7% gerechnet werden, während Szenario 2: Für das zweite extreme tet werden, ob zusätzliche Anreize zur das Arztangebot bei Altersabgängen Szenario erfolgen die Altersabgänge Verlängerung der Lebensarbeitszeit not- mit 68 Jahren um 19% ansteigt. wendig sind. Darüber hinaus muss Zusätzlich wird in einer Sensitivi- die regionale Bevölkerungsentwick- tätsanalyse angenommen, dass die Bis 2020 ist kein substantieller lung stärker berücksichtig werden, durchschnittliche Arbeitszeit der Ärzte bis 2020 um 5% sinkt. Für Engpass in der Augenheilkunde um auch zukünftig flächendeckend die augenärztliche Versorgung zu die Nachfrage nach augenärztli- zu erwarten. gewährleisten. chen Leistungen werden die eigenen Berechnungen zur bundesweiten 6. Fazit Hochrechnung der Patientenzahlen bis erst mit 68 Jahren (Anstieg der Arztan- 2020 und die Analysedaten der Wille- zahl um ca. 19%), die durchschnittliche Ursprünglich wurde die Bedarfsplanung Studie einbezogen. Dementsprechend Wochenarbeitszeit bleibt konstant und eingeführt, um die Anzahl niedergelas- liegt der erwartete Anstieg der nach- die Nachfrage nimmt um 3% zu. Diese sener Vertragsärzte zu begrenzen. Die- gefragten Leistungen bei 5% mit einer Kombination führt zu einem Anstieg ses Ziel wurde teilweise erreicht. Auch Bandbreite von 3 bis 7% (siehe Tab. 4). des Versorgungsniveaus in 2020 um ca. wenn die Vertragsarztzahlen weiter an- Die verschiedenen Szenarien zeigen, 16%. Dadurch wird in allen Planungs- gestiegen sind, ist der Anstieg geringer https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44 50 G+S 3/2012 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46. Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
THEMA als vor der Einführung der Bedarfspla- 2030 um 10 bis 12%). Gleichzeitig wird Zunahme des Arztangebots um 6% nung. Auch die räumliche Verteilung der vermutet, dass das zukünftige Arztan- (Szenario 3) ausgehen, lassen aber zu- Versorgung nähert sich dem Bedarf (wie gebot sinkt, weil in den nächsten 10 mindest bis 2020 erwarten, dass kein er in den Richtlinien des G-BA ausge- bis 15 Jahren ein überproportionaler substantieller Engpass in der Augen- wiesen ist) an. In der Augenheilkunde Anteil an Vertragsärzten altersbedingt heilkunde auftritt. Die Aufhebung der gibt es nur einen Planungsbereich, der ausscheidet. Außerdem wird erwartet, Altersgrenze von 65 Lebensjahren für von Unterversorgung bedroht ist. Den- dass die »Feminisierung der Medizin« Vertragsärzte scheint sich positiv auf das noch bestehen deutliche Versorgungs- zu sinkenden Wochenarbeitszeiten der Arztangebot auszuwirken. Um Unter- unterschiede zwischen den Planungsbe- Ärzteschaft führt. Um die Versorgung versorgung in weniger attraktiven Pla- reichen. aufrecht zu erhalten, müssen die Zugän- nungsbereichen zu verhindern, müssen Die zukünftige Versorgung ist durch ge an neuen Vertragsärzten die Abgänge Strategien entwickelt werden, wie un- einen steigenden Bedarf charakterisiert, an ausscheidenden Vertragsärzten über- terversorgte Planungsbereiche prioritär der sich aus der Alterung der Bevölke- steigen. besetzt und inwieweit augenärztliche rung in Deutschland ergibt (demogra- Sowohl die Analysen der KVN als Leistungen substituiert werden können. fisch bedingter Nachfrageanstieg bis auch die eigene Analyse, die von einer n Literatur Amelung V. E.; Bucholtz N.; Brümmer A.; Gemeinsamer Bundesausschuss (2011): Richt- Schallock M.; Czihal T.; Graf von Stillfried D. Krauth C. 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