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Bedarfsplanung in der
Augenheilkunde

Christian Krauth,                      Die Augenheilkunde wird aufgrund des
Anika Brümmer,
Nina Bucholtz,                         demographischen Wandels eine wichtige Rolle in der
Volker E. Amelung                      ambulanten Versorgung einnehmen. Jeder Vierte
PD Dr. rer. pol. Christian             sucht mindestens einmal im Jahr einen Augenarzt auf
Krauth, Dipl.-Volkswirt,               und schon heute sind 40% der Augenarztpatienten
ist Leiter des Fachbereichs
Gesundheitsökonomie und                65 Jahre und älter. Dieser Trend wird sich durch die
Gesundheitspolitik am In-              weiter steigende Lebenserwartung noch verstärken,
stitut für Epidemiologie,
Sozialmedizin und Gesund-              da die Mehrheit der Augenerkrankungen erst
heitssystemforschung der               im Alter auftritt. Vor diesem Hintergrund ist die
Medizinischen Hochschule
Hannover,                              Bedarfsplanung von besonderer Bedeutung. Auch wenn
                                       bis 2020 kein substantieller Engpass an Augenärzten
Anika Brümmer, B.Sc ist
Wissenschaftliche Mitarbei-            existiert, müssen dennoch Strategien entwickelt
terin im inav – privates Ins-          werden, die einen Versorgungsengpass in den wenig
titut für angewandte Versor-
gungsforschung GmbH,                   attraktiven Planungsbereichen verhindern.
Nina Bucholtz, Dipl. Psych.
ist Doktorandin und Wissen-            1. Hintergrund: Situation                                       krankung bzw. Fehlsichtigkeit. Zudem
schaftliche Mitarbeiterin an           der Augenheilkunde                                              sucht mindestens jeder Vierte einmal im
der Charité, Berlin,                                                                                   Jahr einen Augenarzt auf. Damit liegt
                                       Die Fähigkeit zu sehen wird von vielen                          die Augenheilkunde mit 43,1 Behand-
Prof. Dr. oec. Volker Ame-             Menschen als selbstverständlich erach-                          lungsfällen pro 100 Personen an vierter
lung ist Hochschullehrer am            tet. Aber bereits leichte Sehbeeinträch-                        Stelle der am häufigsten konsultierten
Institut für Epidemiologie,            tigungen führen zu einer Verringerung                           Arztgruppen. Nur die Allgemeinmedi-
Sozialmedizin und Gesund-              der Lebensqualität (Finger et al. 2011a).                       zin, Innere Medizin und Gynäkologie
heitssystemforschung der               Personen mit visuellen Funktionsbeein-                          weisen eine höhere Anzahl an Behand-
Medizinischen Hochschule               trächtigungen schätzen ihr physisches,                          lungsfällen auf.
Hannover und Vorstandsvor-             emotionales und soziales Wohlbefinden                              Trotz der hohen Anzahl an Behand-
sitzender des Bundesverband            signifikant schlechter ein als Personen                         lungsfällen repräsentieren die Augenärz-
Managed Care e. V.                     ohne Beeinträchtigungen. Insbesondere                           te nur 2% der berufstätigen Ärzteschaft
                                       die altersbedingte Makuladegeneration                           mit einer Gesamtanzahl von 6.805 be-
Die Autoren danken der                 (AMD), der Grüne Star (Glaukom), der                            rufstätigen Augenärzten (Bundesärzte-
Deutschen Stiftung für chro-           Graue Star (Katarkt) und die diabeti-                           kammer 2011). Im Unterschied zu an-
nische Kranke für die Förde-           sche Retinopathie spielen in der Augen-                         deren fachärztlichen Bereichen befindet
rung des Projektes.                    heilkunde eine besondere Rolle, nicht                           sich der überwiegende Anteil der Augen-
                                       zuletzt weil sie die Hauptursache für                           ärzte mit 83,5% im ambulanten Bereich.
                                       Erblindungen darstellen (Finger et al.                          Verglichen mit allen berufstätigen Ärz-
                                       2011b). Auch wenn das Behandlungs-                              ten, von denen durchschnittlich 42,4%
                                       spektrum der Augenheilkunde »nur«                               ambulant tätig sind, ist damit der Anteil
                                       einen kleinen Teil des menschlichen Kör-                        ambulant tätiger Augenärzte fast dop-
                                       pers betrifft, leiden nach dem Arztreport                       pelt so hoch. Diese Kennzahlen sind we-
                                       der BARMER GEK (2010) ein Drittel                               nig verwunderlich, wenn man die Ent-
                                       der Versicherten an einer Augener-                              wicklung des medizinisch-technischen

                                               https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44
44        G+S     3/2012               Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46.
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Fortschritts in der Augenheilkunde            Tabelle 1: Allgemeine Verhältniszahlen (Einwohner/Arztrelation) zur Feststellung
betrachtet und den damit einhergehen-         des allgemeinen,
                                              Tabelle           bedarfsgerechten
                                                       1 Allgemeine               Versorgungsgrades
                                                                     Verhältniszahlen               für verschiedene
                                                                                        (Einwohner/Arztrelation)   zur Arztgrup-
                                                                                                                       Feststellung des allge
den Verbesserungen in Diagnostik und          pen (Quelle:  G-BA 2007)
                                              bedarfsgerechten Versorgungsgrades für verschiedene Arztgruppen (Quelle: G-BA 2007)
Therapie. Beispielsweise ist die Katarakt
weltweit für 50% der Erblindungen ver-                                          Augenärzte   Internisten   Frauenärzte   HNO-Ärzte   Urologen    Hausärzte

antwortlich, während in Europa und                     Raumgliederung                             Agglomerationen

den USA durch gute operative Behand-             Kernstädte                       13.177       12.276         6.916       16.884      26.641       1.585

lungen die Erblindungsrate durch eine            Hochverdichtete Kreise           20.849       30.563         11.222      28.605      49.814       1.872

Katarakt nur bei 5% liegt (Resnikoff             Verdichtete Kreise               23.298       33.541         12.236      33.790      49.536       1.767

et al. 2004, WHO 2004). Darüber hin-             Ländliche Kreise                 23.195       34.388         13.589      35.403      53.812       1.752

aus können mittlerweile durch neu ent-                                                           Verstädterte Räume

wickelte Medikamente und Therapien               Kernstädte                       11.017       9.574          6.711       16.419      26.017       1.565

wie die intravitreale operative Medika-          Verdichtete Kreise               22.154       31.071         12.525      34.822      52.604       1.659

mentenapplikation (IVOM) die feuchte             Ländliche Kreise                 25.778       44.868         14.701      42.129      69.695       1.629

AMD, die in Deutschland die häufigste                                                             Ländliche Regionen

Ursache für Erblindungen darstellt, be-          Kreise mit höherer Dichte        19.639       23.148         10.930      28.859      43.026       1.490

handelt werden. Aber auch bei anderen            Kreise mit geringerer Dichte     25.196       31.867         13.697      37.794      55.159       1.474

Indikationen, wie bei Makulaödemen                                                                   Sonderregion

der diabetischen Retinopathie oder Ve-           Ruhrgebiet                       20.440       24.396         10.686      25.334      37.215       2.134

nenverschlüssen wird die IVOM ange-
wendet. Der medizinische Fortschritt
ermöglicht damit eine Verschiebung          sem Hintergrund kommt der zukünfti-                              als der bundesweit festgelegte Versor-
der Behandlung vom stationären zum          gen Bedarfsplanung in der Augenheil-                             gungsgrad, ist der Planungsbezirk über-
ambulanten Sektor, wodurch der hohe         kunde eine besondere Rolle zu, um eine                           versorgt (§ 101 SGB V). Als unterver-
Anteil an ambulant tätigen Augenärzten      flächendeckende Versorgung der Patien-                           sorgt gilt ein Planungsbezirk, wenn der
erklärbar wird.                             ten zu gewährleisten. Schließlich entwi-                         bundesweit festgelegte Versorgungsgrad
   Zu den großen zukünftigen Heraus-        ckelt sich der augenärztliche Fachbereich                        um mehr als 50% unterschritten wird
forderungen in der Augenheilkunde ge-       aufgrund des steigenden Lebensalters zu                          (§ 100 SGB V). Seit 2010 fließt ein De-
hören der demographische Wandel und         einem Grundversorger.                                            mografiefaktor in die Bedarfsplanung
die zunehmende Lebenserwartung. Die                                                                          des G-BA ein, um den erhöhten Ver-
Mehrheit der Augenerkrankungen tre-         2. Theoretische Grundlagen                                       sorgungsbedarf eines Planungsbezirks
ten erst im Alter auf, wodurch zukünftig    zur Bedarfsplanung                                               mit einer relativ älteren Bevölkerung
mit einem Anstieg der in Anspruch ge-                                                                        (gegenüber dem Bundesdurchschnitt)
nommenen augenärztlichen Leistungen      In 1993 wurde die Bedarfsplanung des                                zu berücksichtigen.
gerechnet wird: Während in 1997 nur      Gemeinsamen Bundesausschusses (G-
43% der Patienten in einer Augenarzt-    BA) mit dem Gesundheitsstrukturge-                                  3. Bedarfsplanung der Kassen­
praxis über 60 Jahre alt waren, sind     setz in das SGB V eingeführt. Ziel ist                              ärztlichen Bundesvereinigung
es aktuell fast 50% (KBV 2011). Zu-      es, die Versorgung der Bevölkerung mit
                                                                                                             in der Augenheilkunde
dem sucht bereits jeder Zweite in der    medizinischen Leistungen im ambulan-
                                                      ten wie auch stationären                               Die Kassenärztliche Bundesvereinigung
                                                      Sektor sicherzustellen. Für                            (KBV) legt auf der Basis der Bedarfs-
     Der augenärztliche Fachbereich den Bereich der Augenheil-                                               planung des G-BA die Anzahl der of-
     entwickelt sich aufgrund des                     kunde spielt die ambulante                             fenen Planungsbereiche, bei insgesamt
                                                      Bedarfsplanung die zentrale                            395 Planungsbereichen in Deutschland,
     steigenden Lebensalters zu                       Rolle. Zur Bestimmung des                              fest. Unter offenen Planungsbereichen
     einem Grundversorger.                            Bedarfs wird die Relation                              versteht man solche Bereiche, die nicht
                                                      der Einwohner je Vertrags-                             überversorgt (Versorgungsgrad < 110%)
                                                      arzt herangezogen, wobei                               sind und in denen sich Vertragsärzte frei
Altersgruppe der 70- bis 84-Jährigen die Verhältniszahlen nach Facharztgrup-                                 niederlassen können.
jährlich einen Augenarzt auf. Prognos- pen differenziert werden und sich zwi-                                   In der Augenheilkunde sinkt die An-
tiziert wird, dass sich die Anzahl der schen urbanen und ländlichen Regionen                                 zahl der freien Arztsitze wie auch die
an Makuladegeneration bzw. Glaukom unterscheiden (s. Tab 1).                                                 Anzahl der offenen Planungsbereiche
Erkrankten bis 2050 um 169% bzw.            Erstellt wird der Bedarfsplan von                                stetig. Im Jahr 2000 gab es 103 offene
72% erhöhen wird (Fritz Beske Institut dem Landesausschuss der Ärzte und                                     Planungsbereiche mit 150 freien Arzt-
2009). Auch das Zentralinstitut für die Krankenkassen nach § 99 SGB V. Da-                                   sitzen, während es in 2011 nur noch 53
kassenärztliche Versorgung (ZI) ermit- für wird die Relation von Einwohner zu                                offene Planungsbereiche mit 93 freien
telte, dass die medizinischen Leistungen Arzt für jeden Planungsbezirk berechnet                             Arztsitzen waren (KBV 2011). Dabei
durch Internisten, Urologen, Hausärzte und mit den allgemein festgelegten Ver-                               liegt der höchste Anteil an freien Arzt-
und Augenärzte am stärksten zunehmen hältniszahlen verglichen. Liegt der Ver-                                sitzen in Bayern (18), Niedersachsen (19)
werden (Schallock et al. 2009). Vor die- sorgungsgrad um mehr als 10% höher                                  und Rheinland-Pfalz (15) und dement-

                                                       https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44
                                               Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46.
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                                                                                                                               G+S      3/2012               45
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Tabelle 2 Planungsbereich mit höchsten bzw. niedrigsten Versorgungsgrad (Quelle: Deutscher Bund
2011)

 Tabelle 2: Planungsbereich mit höchsten bzw. niedrigsten Versorgungsgrad (Quelle: Deutscher Bundestag 2011)

                       Planungsbereich                       Versorgungsgrad max.                      Planungsbereich              Versorgungsgrad min.

     Neubrandenburg, Stadt/Mecklenburg-Strelitz                          227,9                   Odenwaldkreis                              47,7
     Weiden i.d. Opf., Stadt/Neustadt a.d. Waldnaab                      216,2                   Mittlerer Erzgebirgskreis                  55,7
     Prignitz                                                            214,2                   Mainz-Bingen                               60,2
     Osterode am Harz                                                    198,7                   Fürth                                      63,7
     Würzburg, Stadt                                                     198,5                   Bad Doberan                                65,9
     Uckermark                                                           193,5                   Peine                                      67,3
     Greifswald, Hansestadt/Ostvorpommern                                188,6                   Enzkreis                                   68,5
     Miesbach                                                            185,1                   Gifhorn                                    74,5
     Stralsund, Hansestadt/Nordvorpommern                                183,9                   Schwandorf                                 79,3
     Löbau-Zittau                                                        182,5                   Gotha                                      79,8

sprechend befinden sich auch in diesen            sich teilweise durch den Bevölkerungs-                          ■■   Altersstruktur der Ärzte (Durch-
KV-Bezirken die meisten offenen Pla-              rückgang nach der Wiedervereinigung                                  schnittsalter der Vertragsärzte, Anteil
nungsbereiche.                                    erklären, wodurch bei gleichbleibender                               der Ärzte mit 55, 60 bzw. 65 Jahren)
   Die kontinuierliche Abnahme von                Anzahl an Augenärzten eine geringere                            ■■   Nachfolgeregelung in überversorgten
offenen Planungsbereichen führt dazu,             Einwohner-Arzt-Relation entsteht. Al-                                Gebieten
dass Augenärzte auf bisher noch nicht             lerdings muss berücksichtigt werden,                            ■■   »Feminisierung der Medizin«
gesperrte Planungsbereiche ausweichen.            dass auch drei der zehn Planungsberei-                          ■■   Trend zu kürzeren Arbeitszeiten der
Damit nähert sich die räumliche Ver-              che mit den geringsten Versorgungsgra-                               Ärzte
teilung der augenärztlichen Versorgung            den in den neuen Bundesländern liegen.                          ■■   Rekrutierungspotenzial des augen-
dem Bedarf an, wie er in den Richtlini-           Neben dem deutlichen Bevölkerungs-                                   ärztlichen Nachwuchs (Reglemen-
en des G-BA ausgewiesen wird. Trotz               rückgang sind die neuen Bundesländer                                 tierung und Honorierung)
dessen bestehen aber zwischen den Pla-            auch durch eine starke Alterung der
nungsbereichen große Versorgungsun-               Bevölkerung gekennzeichnet, da der                              Die Altersstruktur der Ärzte gehört zu
terschiede. Dies bestätigen auch aktuelle         Bevölkerungsrückgang überwiegend                                den ausschlaggebenden Faktoren für das
Zahlen der KBV, die von der Bundesre-             durch die Abwanderung junger Men-                               zukünftige augenärztliche Angebot, da
gierung angefordert wurden (Deutscher             schen in die alten Bundesländer erfolgte.                       an der Altersstruktur der Ersatzbedarf
Bundestag 2011). Es zeigt sich, dass der          Die demografischen Faktoren sollten in                          an Augenärzten in den nächsten Jahren
Versorgungsgrad mit augenärztlichen               der Bedarfsplanung angemessen berück-                           abgelesen werden kann. Derzeit liegt
Leistungen in den 395 Planungsberei-              sichtigt werden, insbesondere der höhe-                         das Durchschnittsalter der Augenärz-
chen zwischen 48% (Odenwaldkreis)                 re Versorgungsbedarf älterer gegenüber                          te bei 52,2 Jahren und stieg damit in
und 228% (Neubrandenburg) stark                   jüngerer Menschen. Dies würde den                               den letzten 15 Jahren um 4,7 Jahre an
schwankt. Darüber hinaus weisen 342               bisher ausgewiesenen Versorgungsgrad                            (Wille 2011). Insgesamt haben 34% der
der 395 Planungsbereiche einen Versor-            in den neuen Bundesländern teilweise                            berufstätigen Augenärzte bereits das 55.
gungsgrad von über 110% auf, was auf              deutlich senken. Der bisher eingeführte                         Lebensjahr überschritten.
eine Überversorgung schließen lässt. Le-          Demografiefaktor scheint diesen Aspekt                             Die Nachfolgeregelung in überver-
diglich 8 Planungsbereiche liegen unter           nicht vollständig auszugleichen.                                sorgten Gebieten besitzt ebenso einen
einem Versorgungsgrad von 75% und                                                                                 entscheidenden Einfluss auf den Ersatz-
ein Planungsbereich ist mit einem Ver-            4. Prognosen des zukünftigen                                    bedarf. Bisher kann jeder Vertragsarzt,
sorgungsgrad von unter 50% gemäß der              augenärztlichen Bedarfs                                         der aus Altersgründen seine Praxis auf-
Bedarfsrichtlinie des G-BA von Unter-                                                                             gibt, seine KV mit der Ausschreibung
versorgung betroffen (siehe Tab. 2). Um           4.1. Einflussfaktoren des Angebots                              des Vertragsarztsitzes beauftragen. Dies
in allen Planungsbereichen mindestens             an und der Nachfrage nach                                       ist auch in überversorgten Gebieten
die Normversorgung von 100% zu er-                augenärztlichen Leistungen                                      möglich. Durch die Regelung wird die
reichen, müssen bundesweit 44 Arztsitze                                                                           Neubesetzung von Arztsitzen in weniger
(in 27 Planungsbereichen) besetzt wer-            Um prognostische Aussagen über die                              begehrten Planungsbereichen erschwert,
den. Bis zum Erreichen der Überversor-            zukünftige augenärztliche Versorgung                            die tendenziell von Unterversorgung be-
gung (Versorgung > 110%) fehlen sogar             zu erheben, müssen verschiedene Ein-                            troffen sind. Die Erfahrungen zeigen,
93 Arztsitze in 53 Planungsbereichen.             flussfaktoren des Angebots an und der                           dass Vertragsärzte auf nicht gesperrte
   Besonders auffällig ist der hohe Ver-          Nachfrage nach augenärztlichen Leis-                            Planungsbereiche ausweichen, wenn
sorgungsgrad vieler Planungsbereiche              tungen berücksichtigt werden. Zu den                            Niederlassungsmöglichkeiten in attrak-
in den neuen Bundesländern (sechs der             Determinanten, die das augenärztliche                           tiven Regionen gesperrt sind.
zehn Planungsbereiche mit dem höchs-              Angebot bedingen, gehören:                                         Zudem ist ein deutlicher Trend zur
ten Versorgungsgrad). Dieser Effekt lässt                                                                         »Feminisierung der Medizin« in der

                                                          https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44
46              G+S    3/2012                     Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46.
                                           Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
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                               30

                               25
       Anzahl der Ärzte in %

                               20

                               15

                               10                                                                                        Ärzte ab 55 bis 59 Jahre
                                                                                                                         Ärzte ab 60 bis 64 Jahre
                                                                                                                         Ärzte ab 65 Jahren und älter
                               5

                               0

   Abbildung 1: Augenärzte über 55, 60 und 65 Jahren, die an der kassenärztlichen Versorgung beteiligt sind (Quelle: KBV 2011)

  Ärzteschaft zu beobachten. In den letz-       4.2. Bedarfsanalyse auf Basis                                   geringeren Arztbestand eine Normver-
Abbildung
  ten 18 Jahren1stieg
                 Augenärzte       über
                      der Anteil der Ärz-55, 60 und 65 Jahren,
                                           prognostizierter        dieam
                                                            Arztzahlen an der sorgung
                                                                              kassenärztlichen         Versorgung
                                                                                      von 100% aufrechterhalten   (vo- beteili
(Quelle: KBV 2011)
  tinnen an den Vertragsärzten  von  29%   Beispiel von Niedersachsen         rausgesetzt es gelingt eine erfolgreiche
  auf 36% an. Dieser Trend wird sich auch                                                                       Umverteilung von hochversorgten zu
  zukünftig mit aktuell 61% weiblichen          Die KV Niedersachsen (KVN) führte                               geringversorgten Planungsbereichen in
  Medizinstudenten fortsetzen (Destatis         2007 eine Hochrechnung der Arzt-                                Niedersachsen). Damit entsprechen auch
  2011). Diese Entwicklung wirkt sich auf       zahlen bis 2020 durch. Dafür wurde                              die notwendigen Zulassungen mit 232,3
  das Angebot an Versorgungsleistungen          ausgehend vom aktuellen Arztbestand                             Augenärzten den kumulierten prognos-
  aus, da Ärztinnen (zumindest derzeit          die Entwicklung der Zu- und Abgän-                              tizierten Zugängen (234,0 Augenärzte)
  noch) durchschnittlich häufiger in Teil-      ge an Augenärzte prognostiziert. Für                            bis 2020, um einen Versorgungsgrad
  zeit beschäftigt sind als ihre männlichen     die Ermittlung der Zugänge wurden                               von 100% zu sichern. Zur Vermeidung
  Kollegen. Aber auch insgesamt zeichnet        die Facharztzulassungen von 2002 bis                            von Unterversorgung (Versorgungsgrad
  sich der Trend hin zu kürzeren Arbeits-       2006 verwendet und anschließend für                             < 50%) werden lediglich 31,5 neue Au-
  zeiten bei jüngeren Ärzten ab. So liegt       die Jahre 2008 bis 2020 geschätzt. Zur                          genärzte benötigt.
  die Wochenarbeitszeit von Ärzten bis          Bestimmung der Abgänge an Augenärz-                                Im Szenario 2 mit Altersabgängen ab
  35 Jahren bei ca. 46 Stunden, während         ten wurde das Alter herangezogen und                            68 Jahren stellt sich die Versorgungssitu-
  die durchschnittliche Wochenarbeitszeit       anhand von zwei Szenarien simuliert                             ation erheblich besser dar. In diesem Fall
  aller Ärzte ca. 49 Stunden beträgt (Wille     mit: (1) Altersabgänge erfolgen mit 60                          liegen die Zugänge an Augenärzten mit
  2010).                                        Jahren und (2) Altersabgänge erfolgen                           234 deutlich über den Altersabgängen
      Entscheidenden Einfluss auf die           erst mit 68 Jahren. Darüber hinaus be-                          an Augenärzten von 146. Nur 50% der
  Nachfrage nach augenärztlichen Leis-          rücksichtigte die KVN einen Bevölke-                            erwarteten Facharztabsolventen (113
  tungen besitzt die demografische Ent-         rungsrückgang bis 2020 um ca. 3,1%                              von 234) müssen bis 2020 zur kassen-
  wicklung, da viele Augenerkrankungen          bzw. 240.000 Einwohner verglichen zu                            ärztlichen Versorgung zugelassen wer-
  erst im Alter auftreten. Während die          2008.                                                           den, um die Normversorgung von 100%
  demografische Alterung zu einer stei-            Die Bedarfsanalyse der KVN für den                           in allen Planungsbereichen aufrechtzu-
  genden Inanspruchnahme von ärztli-            Bereich Augenheilkunde zeigt, dass die                          erhalten. Soll nur eine Unterversorgung
  chen Leistungen führt, reduziert sich         prognostizierten Altersabgänge mit 60                           vermieden werden, müssen lediglich 3
  die Nachfrage ceteris paribus bei sin-        Jahren nicht vollständig durch die er-                          neue Augenärzte zugelassen werden.
  kender Bevölkerung. Der Nettoeffekt           warteten Zugänge ausgeglichen werden                               Bei der Bewertung der Bedarfspro-
  ist entscheidend, ob mehr oder weniger        können. So sinkt im Szenario 1 (Alters-                         gnose der KVN muss allerdings eine
  augenärztliche Leistungen zukünftig in        abgänge mit 60 Jahren) der Arztbestand                          differenzierte Betrachtung erfolgen.
  Anspruch genommen werden.                     bis 2020 um ca. 8,2% bzw. 38 Augen-                             Auf dem ersten Blick scheint die Ver-
                                                ärzte, allerdings lässt sich auch mit dem                       sorgung in Niedersachsen bis 2020 ge-

                                                           https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44
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Tabelle 3 Bevölkerungsprognose (Quelle: Statistischen Bundesamtes 2009)
    THEMA

     Tabelle 3: Bevölkerungsprognose (Quelle: Statistischen Bundesamtes 2009)

        Altersgruppe                        2008                                            2020                                   2030
                                Bevölkerung in 1.000           %          Bevölkerung in 1.000                 %       Bevölkerung in 1.000     %
        Gesamt                         82.002                                      79.914                                    77.350
        Unter 20 Jahre                 15.619                 19,0                 13.624                    17,0            12.927            16,7
        20 bis unter 60 Jahre          45.426                 55,4                 41.743                    52,2            35.955            46,5
        60 Jahre und älter             20.958                 25,6                 24.547                    30,7            28.469            36,8

    sichert zu sein, jedoch gibt es regional     der überwiegende Anteil an Augener-                             werden die mittleren Prognosevarianten
    deutliche Versorgungsunterschiede. So        krankungen erst im Alter auftritt und                           der Bevölkerungsberechnung herange-
    wird derzeit bereits in 6 von 44 Pla-        somit durch die Zunahme der älteren                             zogen. Wie aus der Tabelle 3 ersichtlich
    nungsbereichen in Niedersachsen nicht        Bevölkerungsteile auch eine Ausweitung                          wird, steigt der Anteil der über 60-Jäh-
    die Normversorgung von 100% erreicht         der in Anspruch genommenen augen-                               rigen von 25,6% (2008) auf 36.8%
    und weitere 2 Planungsbereiche liegen        ärztlichen Leistungen zu vermuten ist.                          (2030). Damit ist eine Zunahme um 7,5
    sogar unter einem Versorgungsgrad von                                                                        Mio. der älteren Bevölkerungsgruppe ab
    75%. Im Gegensatz dazu gibt es aber          4.3. Bevölkerungsprognose                                       60 Jahren zu erwarten bei gleichzeitiger
    auch 11 Planungsbezirke (also 25% aller      und Hochrechnung                                                Verringerung der Gesamtbevölkerung
    Planungsbereiche der KVN), die einen                                                                         um 4,7 Mio. bis zum Jahr 2030.
                                                 der augenärztlichen
    Versorgungsgrad zwischen 125% und                                                                                Auf der Basis der Bevölkerungsprog-
    200% aufzeigen. Zudem variiert der
                                                 Patientenzahlen bis 2030                                        nose können nun im zweiten Schritt die
    Ersatzbedarf in den Planungsbereichen        Zur Abschätzung der zukünftigen                                 Patientenzahlen in der Augenheilkunde
    stark durch die unterschiedliche regio-      Nachfrage nach augenärztlichen Leis-                            bis 2030 prognostiziert werden. Dafür
    nale Altersstruktur der Augenärzte. Da-      tungen ist eine Prognose über die Bevöl-                        wird zunächst analysiert, wie viele Pa-
    rüber hinaus liegt hier im Wesentlichen      kerungsentwicklung und einer darauf                             tienten derzeit pro Jahr einen Augenarzt
    eine angebotsorientierte Prognose vor.       aufbauenden Hochrechnung der augen-                             aufsuchen. Diese Berechnungen beruhen
    Bei der Nachfrage nach augenärztlichen       ärztlichen Patienten notwendig.                                 auf Daten der KBV (2011). Demzufolge
    Leistungen wurde nur der Bevölkerungs-          Für die Bevölkerungsprognose konnte                          konsultieren ca. 50% der über 75-jäh-
    rückgang berücksichtigt, aber nicht die      auf Daten des Statistischen Bundesamtes                         rigen GKV-Versicherten mindestens
    zunehmende Alterung der Bevölkerung.         (2009) zugegriffen werden. Das Statis-                          einmal im Jahr einen Augenarzt, wäh-
    Um den demographischen Wandel an-            tische Bundesamt hat in seiner mittler-                         rend es in der Altersgruppe der 15 bis
    gemessen zu berücksichtigen, wurden          weile 12. Koordinierten Bevölkerungs-                           50-jährigen GKV Versicherten lediglich
    eigene Hochrechnungen für die zukünf-        berechnung verschiedene Varianten mit                           10 bis 20% sind. Wie vorab vermutet,
    tige augenärztliche Versorgung durch-        den demografischen Faktoren Gebur-                              ist die Leistungsinanspruchnahme stark
    geführt. Der demographische Wandel           tenrate, Mortalität und Migration ge-                           abhängig vom Alter des Patienten (siehe
    spielt insofern eine besondere Rolle, da     bildet. Für die nachfolgenden Analysen                          Abb. 2).

                    60.000

                    50.000

                    40.000

                    30.000

                    20.000

                    10.000

                         0

                 Abbildung 2: Patienten beim Augenarzt je 100.000 Versicherte der Altersgruppe in 2010 (Quelle: KBV 2011)

Abbildung
   48     2 Patienten
          G+S 3/2012 beim Augenarzt            je 100.000 Versicherte der Altersgruppe in 2010 (Que
                                  https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44
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THEMA

                 3.000.000

                 2.500.000

                 2.000.000

                 1.500.000
                                                                                                                                            2010
                 1.000.000                                                                                                                  2020
                                                                                                                                            2030

                   500.000

                          0

                              Abbildung 3: Prognose der Patientenzahlen in der Augenheilkunde (eigene Darstellung)

      Abbildung 3 Prognose der Patientenzahlen in der Augenheilkunde (eigene Darstellung)
   Nachdem die aktuelle Patientenzahl,                        Patientenzahlen Pti für die Jahre 2010, um 14,5 bis 15,5% und in Baden-Würt-
untergliedert in Altersgruppen, ermittelt                     2020 und 2030 (siehe Abb. 3). Zwei Ent- temberg um 16 bis 17% (Wille 2010,
wurde, erfolgt die Hochrechnung der                           wicklungen werden dabei in der Progno- S. 67). Die unterschiedlichen Ergebnisse
zukünftigen Patientenzahlen gemäß der                         se widergespiegelt: (1) Die Verringerung zwischen den Studien sind auf mehrere
folgenden Gleichung:                                          der Gesamtbevölkerung von 82,0 Mio. Einflussfaktoren zurückzuführen. Die
                                                              (2010) über 79,9 Mio. (2020) auf 77,4 Studie von Wille ist nur eingeschränkt
Pt = ∑ Pti = ∑ a 2010,i ⋅ G2010,. i ⋅ ( Bti / B2010,i )       Mio. (2030) bei (2) gleichzeitigem An- auf Gesamt-Deutschland übertragbar,
          i        i                                          stieg der Bevölkerungsgruppe der über da zum einen der Bevölkerungsrück-
mit                                                           65-Jährigen von 16,8 Mio. (2010) über gang in Bayern und Baden-Württemberg
Pt        Patientenanzahl im Jahr t (t = 2010 bis             18,7 Mio. (2020) auf 22,3 Mio. (2030). deutlich geringer ausfällt als im Bundes-
          2030)                                                  Insgesamt wird die Patientenzahl in durchschnitt und zum anderen die Le-
Pti       Patientenanzahl der Altersgruppe i im               der Augenheilkunde kontinuierlich von benserwartung in Baden-Württemberg
          Jahr t (Altersgruppen 0–15 / 15–20 /                17,9 Mio. in 2010 auf 18,8 Mio. in 2020 über dem Bundesdurchschnitt liegt.
          20–25 / … / 85–90 und >90 Jahre)                    bzw. 19,0 Mio. in 2030 zunehmen, was Insofern wird die Nachfrage nach Au-
a2010,i   Anteil der GKV-Versicherten der Alters-             einem Anstieg von 5,2% bis 6,4% ent- genarztleistungen (bezogen auf Deutsch-
          gruppe i im Basisjahr 2010, die einen Au-           spricht. Demzufolge kann konstatiert land insgesamt) in der Studie von Wille
          genarzt konsultiert haben (ausgedrückt              werden, dass der Alterungseffekt (An- überschätzt. Umgekehrt ist es plausibel,
          als Anzahl der GKV-Versicherten der                 stieg der über 65-jährigen von 2008 bis dass die Arztkontakte (Wille-Studie)
          Altersgruppe i, die 2010 einen Augen-               2030 um 5,5 Mio.) den Bevölkerungs- stärker ansteigen als die Patientenzahlen
          arzt konsultierten, je 100.000 GKV-                 effekt (Abnahme der Gesamtbevölke- (vorliegende Hochrechnung), da nicht
          Versicherte der Altersgruppe i)                     rung von 2008 bis 2030 um 4,6 Mio.) nur ein größerer Anteil älterer Versi-
G2010     Anzahl GKV-Versicherte im Jahr 2010                 bei der Nachfrage nach augenärztlichen cherter (gegenüber jüngeren Versicher-
Bt        Anzahl der Personen der Altersgruppe i              Leistungen übersteigt. Folglich wird die ten) den Augenarzt konsultiert, sondern
          im Jahr t                                           Nachfrage nach augenärztlichen Leis- ältere Patienten (die einen Augenarzt
                                                              tungen stetig anwachsen.
Um zukünftige Patientenzahlen der                                Die Ergebnisse werden durch al-
GKV zu prognostizieren, wird von den                          ternative Prognosen zum zukünf-
                                                                                                     Ein Nachfrageanstieg in
aktuellen altersspezifischen Patienten-                       tigen Bedarf an Augenärzten ge-        Deutschland von 10–12%
zahlen beim Augenarzt (a2010,i · G2010,i)                     stützt. Beispielsweise geht der Be-
ausgegangen und mit der zukünfti-                             rufsverband der Augenärzte (BVA)
                                                                                                     scheint plausibel.
gen Altersstruktur der Bevölkerung in                         von einem Anstieg nach augenärzt-
Deutschland (Bt,,i / B 2010,i) hochgerech-                    lichen Leistungen in Höhe von 10% bis aufsuchen) auch mehr Arztkontakte als
net. Dabei wird angenommen, dass die                          zum Jahr 2030 aus. Wille (2010) führte jüngere Patienten haben. Insofern wird
altersspezifische Inanspruchnahme im                          eine Studie zur Entwicklung der Arzt- die Nachfrage in der vorliegenden Stu-
Zeitablauf konstant bleibt (a2010,i = a2020,i                 kontakte in Baden-Württemberg und die unterschätzt. Insgesamt erscheint ein
= a2030,i).                                                   Bayern durch. Prognostiziert wurde Nachfrageanstieg in Deutschland von
   Die durchgeführte Analyse gibt nun                         eine Zunahme der augenärztlichen Arzt- 10–12% plausibel (bei einer Bandbreite
Aufschluss über die altersdifferenzierten                     Patienten-Kontakte bis 2030 in Bayern von 6–15%).

                                                                         https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44
                                                                 Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46.
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Veränderungen der Nachfrage, der Arztanzahl und der Wochenarbeitszeit (eigene Darstellun
  THEMA

   Tabelle 4: Veränderung des Versorgungsniveaus 2020 gegenüber 2008 – Szenarien in Abhängigkeit von Veränderungen der
   Nachfrage, der Arztanzahl und der Wochenarbeitszeit (eigene Darstellung)

                                                           Szenarien der zukünftigen augenärztlichen Versorgung bis 2020

                                                                                                                            Nachfrageanstieg
                                                                 Angebot
                   Änderung des Versorgungsniveaus

                                                                                                             3%                       5%        7%
                                                     Altersabgänge 60
                                                     (Anzahl Augenärzte -7%)

                                                     Konstante Wochenarbeitszeit                           -10%                     -11%       -13%

                                                     Sinkende Wochenarbeitszeit (5%)                       -14%                     -16%       -17%

                                                     Altersabgänge 68
                                                     (Anzahl Augenärzte +19%)

                                                     Konstante Wochenarbeitszeit                          +16%                      +13%       +11%

                                                     Sinkende Wochenarbeitszeit (5%)                      +10%                       +8%       +6%

  5. Szenarien der zukünftigen                                         dass die Altersabgänge der Augenärzte
                                                                                bezirken ein durchschnittlicher Versor-
  augenärztlichen Versorgung                                           das Versorgungsniveau bis 2020 erheb-
                                                                                gungsgrad von 120% erreicht.
                                                                                   Szenario 3: Das Szenario 3 stellt eine
                                                                       lich beeinflussen. Die extremen Szena-
  Nachdem das Angebot an und die Nach-                                 rien zeigen folgendes Bild:
                                                                                mittlere Variante der vorangegangenen
  frage nach augenärztlichen Leistungen                                   Szenario 1: Im ersten extremen Sze-
                                                                                Szenarien dar. Hierfür wird mit einem
  ermittelt wurden, können diese Daten in                                       Anstieg des Arztangebotes von 6% (der
                                                                       nario wird die Änderung des Versor-
  verschiedene Szenarien zur zukünftigen                                        sich aus dem Mittelwert der extremen
                                                                       gungsniveaus gekennzeichnet durch
  augenärztlichen Versorgung zusammen-                                 Altersabgänge mit 60 Jahren (Redukti-
                                                                                Szenarien Rückgang um 7% und An-
  geführt werden. Die Szenarien werden                                 on der Arztanzahl um ca. 7%) und eine
                                                                                stieg um 19% erklärt), einer konstanten
  nur bis zum Jahr 2020 fortgeschrieben,                               Minderung der Wochenarbeitszeit der
                                                                                durchschnittlichen Wochenarbeitszeit
  da die Ergebnisse für das augenärztliche                                      der niedergelassenen Augenärzte und
                                                                       niedergelassenen Augenärzte um 5% bei
  Angebot ebenfalls nur bis 2020 belast-                               einem Nachfrageanstieg um 7%. In die-
                                                                                einem Anstieg der Nachfrage um 5%
  bar vorliegen. Für die Szenarien wird                                sem Fall würde das Versorgungsniveau
                                                                                gerechnet. In diesem Szenario kann das
  auf die Prognosen zum Arztangebot der                                um ca. 17% verglichen zur aktuellen
                                                                                derzeitige Versorgungsniveau auch in
  KV Niedersachsen zugegriffen und auf                                 Versorgungssituation schrumpfen. Da-
                                                                                2020 sichergestellt werden.
  Deutschland insgesamt übertragen.                                    mit sinkt der durchschnittliche Versor-
                                                                                   In den Szenarien konnte das Versor-
     Als Determinanten für das augenärzt-                              gungsgrad in den Planungsbereichen auf
                                                                                gungsniveau nur durch eine Verlänge-
  liche Angebot werden die Altersabgän-                                etwa 83%. Eine flächendeckende Norm-
                                                                                rung der Lebensarbeitszeit der Augen-
  ge mit 60 bzw. 68 Jahren entsprechend                                versorgung ist dann auch rechnerisch –
                                                                                ärzte aufrechterhalten werden. Zwar
  der KVN-Prognose herangezogen: bei                                   wenn also ein Ausgleich von über- und
                                                                                zeigen sich bereits erste Anzeichen dafür,
  Altersabgängen mit 60 Jahren muss                                    unterversorgten Planungsbereichen er-
                                                                                dass die niedergelassenen Ärzte länger
  mit einer Verminderung des Angebots                                           praktizieren. Allerdings muss beobach-
                                                                       folgt – nicht mehr realisiert.
  von ca. 7% gerechnet werden, während                                    Szenario 2: Für das zweite extreme
                                                                                tet werden, ob zusätzliche Anreize zur
  das Arztangebot bei Altersabgängen                                   Szenario erfolgen die Altersabgänge
                                                                                Verlängerung der Lebensarbeitszeit not-
  mit 68 Jahren um 19% ansteigt.                                                     wendig sind. Darüber hinaus muss
  Zusätzlich wird in einer Sensitivi-                                                die regionale Bevölkerungsentwick-
  tätsanalyse angenommen, dass die       Bis 2020 ist kein substantieller lung stärker berücksichtig werden,
  durchschnittliche Arbeitszeit der
  Ärzte bis 2020 um 5% sinkt. Für
                                         Engpass in der Augenheilkunde um                auch zukünftig flächendeckend
                                                                                     die augenärztliche Versorgung zu
  die Nachfrage nach augenärztli-        zu erwarten.                                gewährleisten.
  chen Leistungen werden die eigenen
  Berechnungen zur bundesweiten                                                      6. Fazit
  Hochrechnung der Patientenzahlen bis erst mit 68 Jahren (Anstieg der Arztan-
  2020 und die Analysedaten der Wille- zahl um ca. 19%), die durchschnittliche Ursprünglich wurde die Bedarfsplanung
  Studie einbezogen. Dementsprechend Wochenarbeitszeit bleibt konstant und eingeführt, um die Anzahl niedergelas-
  liegt der erwartete Anstieg der nach- die Nachfrage nimmt um 3% zu. Diese sener Vertragsärzte zu begrenzen. Die-
  gefragten Leistungen bei 5% mit einer Kombination führt zu einem Anstieg ses Ziel wurde teilweise erreicht. Auch
  Bandbreite von 3 bis 7% (siehe Tab. 4). des Versorgungsniveaus in 2020 um ca. wenn die Vertragsarztzahlen weiter an-
     Die verschiedenen Szenarien zeigen, 16%. Dadurch wird in allen Planungs- gestiegen sind, ist der Anstieg geringer

                                                                               https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44
  50       G+S     3/2012                                              Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46.
                                                                Das Erstellen und Weitergeben von Kopien dieses PDFs ist nicht zulässig.
THEMA

als vor der Einführung der Bedarfspla-                2030 um 10 bis 12%). Gleichzeitig wird                          Zunahme des Arztangebots um 6%
nung. Auch die räumliche Verteilung der               vermutet, dass das zukünftige Arztan-                           (Szenario 3) ausgehen, lassen aber zu-
Versorgung nähert sich dem Bedarf (wie                gebot sinkt, weil in den nächsten 10                            mindest bis 2020 erwarten, dass kein
er in den Richtlinien des G-BA ausge-                 bis 15 Jahren ein überproportionaler                            substantieller Engpass in der Augen-
wiesen ist) an. In der Augenheilkunde                 Anteil an Vertragsärzten altersbedingt                          heilkunde auftritt. Die Aufhebung der
gibt es nur einen Planungsbereich, der                ausscheidet. Außerdem wird erwartet,                            Altersgrenze von 65 Lebensjahren für
von Unterversorgung bedroht ist. Den-                 dass die »Feminisierung der Medizin«                            Vertragsärzte scheint sich positiv auf das
noch bestehen deutliche Versorgungs-                  zu sinkenden Wochenarbeitszeiten der                            Arztangebot auszuwirken. Um Unter-
unterschiede zwischen den Planungsbe-                 Ärzteschaft führt. Um die Versorgung                            versorgung in weniger attraktiven Pla-
reichen.                                              aufrecht zu erhalten, müssen die Zugän-                         nungsbereichen zu verhindern, müssen
   Die zukünftige Versorgung ist durch                ge an neuen Vertragsärzten die Abgänge                          Strategien entwickelt werden, wie un-
einen steigenden Bedarf charakterisiert,              an ausscheidenden Vertragsärzten über-                          terversorgte Planungsbereiche prioritär
der sich aus der Alterung der Bevölke-                steigen.                                                        besetzt und inwieweit augenärztliche
rung in Deutschland ergibt (demogra-                     Sowohl die Analysen der KVN als                              Leistungen substituiert werden können.
fisch bedingter Nachfrageanstieg bis                  auch die eigene Analyse, die von einer                                                                  n

   Literatur
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 strukturen und –herausforderungen in der              über die Bedarfsplanung sowie Maßstäbe                         gung in dünn besiedelten ländlichen Räumen
 Augenheilkunde, Medizinisch Wissenschaftli-           zur Feststellung von Überversorgung und                        Thüringens: Eine kleinräumige Analyse zum
 che Verlagsgesellschaft, Berlin.                      Unterversorgung in der vertragsärztlichen                      Jahr 2020, im Auftrag des Zentralinstituts für
 BARMER GEK Arztreport (2010): Schwerpunkt:            Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie).                       die kassenärztliche Versorgung, Berlin
 Erkrankungen und zukünftige Ausgaben,                 Bundesanzeiger 2011: 2768.
                                                                                                                      Statistisches Bundesamt (2009): Bevölke-
 unter: http://www.svr-gesundheit.de/Gutach-           Hess R. (2011): Reformbedarf der ambulanten                    rung Deutschlands bis 2060: 12. koordinierte
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 ärztliche Versorgung in der Bundesrepublik            Kassenärztliche Bundesvereinigung (2011):
                                                                                                                      kerung/pressebroschuere__bevoelkerungsen
 Deutschland, unter: http://www.bundesaerz-            Daten zur augenärztlichen Versorgung in
                                                                                                                      twicklung2009,property=file.pdf (abgerufen
 tekammer.de/page.asp?his=0.3.8175 (abgeru-            Deutschland. (auf Anfrage zur Verfügung
                                                                                                                      am 12.10.2011)
 fen am 18.09.2011)                                    gestellt am 16.09.2011).
 Deutscher Bundestag (2011): Über- und unter-                                                                         Statistisches Bundesamt (2010): Mikrozensus.
                                                       Kassenärztliche Bundesvereinigung (2008):
 versorgte ärztliche Planungsbereiche in Ver-                                                                         Erwerbstätige nach Berufsgruppen, ausge-
                                                       Die Bedarfsplanung des ambulanten Sektors
 bindung mit der Relation Ärzte/Ärztinnen zur                                                                         wählten Berufsordnungen und normalerweise
                                                       in Deutschland und die Notwendigkeit ihrer
 Bevölkerung, unter: http://dipbt.bundestag.                                                                          je Woche geleisteten Arbeitsstunden. In:
                                                       Weiterentwicklung. Bericht. Berlin.
 de/dip21/btd/17/066/1706632.pdf (abgerufen                                                                           Fachserie 1 Reihe 4.1.2. Wiesbaden.
 am 12.11.2011)                                        Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen
                                                       (2007): Prognose der Entwicklung der Arztzah-                  Statistisches Bundesamt (2011): Bildung und
 Finger R.P.; Fenwick E.; Marella M.; Dirani                                                                          Kultur. Studierende an Hochschulen. In: Fach-
                                                       len für das Jahr 2020. Hannover.
 M.; Holz F.G.; Chiang P.P.C.; Lamoureux E.L.                                                                         serie 11 Reihe 4.1. Wiesbaden.
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 Finger R.P.; Fimmers R.; Holz F.G.; Scholl                                                                           heits- und Sozialpolitik 1/2011: 26–33.
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 severe visual impairment in Germany – projec-
                                                       Haben wir ein Mengen- oder ein Verteilungs-                    Fact Sheet No. 282. Magnitude and causes of
 tions for 2030. Investigative Ophthalmology &
                                                       bzw. Allokationsproblem? In: Gesundheit und                    visual impairment, unter: http://gat4provip.
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 heitswesen auf eine älternde Bevölkerung              Resnikoff S.; Pascolini D.; Etya’ale D.; Kocur I.;
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 fen am 12.11.2011)                                    96862004001100009                                              mer Runde e. V.

                                                                 https://doi.org/10.5771/1611-5821-2012-3-44
                                                         Generiert durch IP '46.4.80.155', am 24.12.2021, 09:10:46.
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