Begutachtung im ÖGD - Dr. Peter Tinnemann, MPH - SalusCon
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
• Was ist der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) • Welche Gutachten Anlässe gibt es im ÖGD? • Gutachten Rechtsgrundlagen Praktische Grundlagen Der/die Gutachter:in • Rechte & Pflichten, Formalia
Spannungsfeld: Öffentliche Gesundheit Krank Gesund
Spannungsfeld: Öffentliche Gesundheit Individum Krank Gesund Bevölkerung
Spannungsfeld: Öffentliche Gesundheit Individum Regulativ/Ordnung Krank Gesund Bevölkerung Caritativ/Fürsorge
Spannungsfeld: ÖGD • Ordnungspolitisch orientiert (Überwachungs- und Aufsichtsaufgaben) • Historisch: Medizinal- und Sanitätsaufsicht • z.B. Aufsicht über Berufe und Einrichtungen des Gesundheitswesens, Seuchenverhütung und - bekämpfung • Fürsorgegedanken (sozialmedizinisch – sozialkompensatorisch – subsidiär Aufgaben im Rahmen kommunaler Gesundheitsfürsorge) • Gesundheitsvorsorge, -hilfe, Beratung, Betreuung, • z.B. Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, sozial-psychiatrischer Dienst, Beratung von Menschen mit Behinderungen • (Gesundheitsversorgung) • z.B. gesellschaftliche Randgruppen (Obdachlose), humanitäre Sprechstunden
Spannungsfeld: ÖGD
Aufbau des Gesundheitsamtes • Bereiche des Gesundheitsamtes, klassisch Gesundheitsschutz, Hygiene, Infektionsschutz Amtsärztlicher Dienst Kinder- und Jungengesundheitsdienst, Jugendärztlicher Dienst o Zahnärztlicher Dienst Sozialpsychiatrischer Dienst o Kinder-und Jugendpsychiatrischer Dienst o Pflegestützpunkt Andere o Heimaufsicht o Asyl-/Humanitäre Aufgaben o Schwangerschaftsberatung o Opferschutz
Bereiche des Gesundheitsamtes, klassisch • Gesundheitsschutz, Hygiene, Infektionsschutz Begehungen von Einrichtungen Baugutachten Trinkwasseranlagen Umweltmedizinische Fragen, z.B. Schimmel, Raumluft health-impact assessments
Bereiche des Gesundheitsamtes, klassisch • Amtsärztlicher Dienst Verbeamtungen Beamtenrecht, Beihilfe (z.B. Lehrer, Polizisten, Richter..) Einstellungs-/Dienstfähigkeit Prüfungsfähigkeit Befähigung zum Führen von Waffen Teilkapitalisierung (Kapitalabfindungen) Heilbehandlung Reisefähigkeit
Bereiche des Gesundheitsamtes, klassisch • Kinder- und Jungengesundheitsdienst, Jugendärztlicher Dienst Schuleingangsuntersuchungen Frühförderung Sonderpädagogische Überprüfungsverfahren Eingliederungshilfe Kitareihenuntersuchungen • Zahnärztlicher Dienst Reihenuntersuchungen Förderungen
Bereiche des Gesundheitsamtes, klassisch • Sozialpsychiatrischer Dienst EGH Krisenintervention Betreuungsgutachten Hilfeplan Verhandlungsfähig, Haftfähig • Pflegestützpunkt Pflegegutachten
Klassische Leistungen für Individuen • Entscheidungshilfe • Feststellungen, oder Planungen • Störungen • Maßnahmen, Sach-/Betreuungsleistungen & Kombi • Pflegemittel
Grundlage • Gutachtenauftrag braucht Grundlage • Rechtsgrundlage (grundsätzliche Verpflichtung) Gesetz Verordnungen Erlasse der zuständigen Behörden u. Ministerien Rechtsprechungen
Rechtliche Grundlagen von Gutachten • Rechtsprechung (Gerichtsurteil) • Strafprozessordnung (§§ 72 ff. StPO) • Strafprozessordnung (stop §455- Strafausstand wg Vollzungsuntauglichkeit) • Zivilprozessordnung (§§ 402 ff. ZPO, § 52 ZPO - Prozessfähigkeit ) • sozialgerichtlichen Verfahren: Zivilprozessordnung (§ 118 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). 22.03.2021 16
Rechtliche Grundlagen von Gutachten • SGB II (Arbeitslosengeld 2) • Unfallversicherungsrecht • SGB V (Krankenversicherung) • Schwerbehindertenrecht • SGB VI (Rentenversicherung) • SGB VIII (Kinder- und • Beamtenrecht Jugendhilfe) • Beamtenversorgungsrecht • SGB IX (Teilhabe) • SGB XI (Pflegeversicherung) • Unterbringungsrecht (PsychKG) • SGB XII (Sozialhilfe) • Betreuungsrecht • Soziales Entschädigungsrecht (verschiedene Gesetze) 22.03.2021 17
Gutachter prüft bei Erhalt des Gutachtenauftrags • grundsätzliche Verpflichtung (Rechtsgrundlage) • Fachgebiet • eigene Zuständigkeit (persönliche Verpflichtung) • eventuelle Befangenheit • eigene Sachkunde • berufliche Überlastung (angemessene Zeit) • Genehmigung (öffentlicher Dienst) • Inhalt (Fragestellung), Umfang des Gutachtenauftrags • Gegebenenfalls „Rückkoppelung“ zum Auftraggeber 22.03.2021 18
Pflichten im Rahmen der Begutachtung • Sorgfaltspflicht Anlass bezogen, Problem der Fragestellung nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen Vollständigkeit, Schlüssigkeit Vermeiden missverständlicher Ausdrucksweisen • persönliche Erstattung des Gutachtens • Beratungs- / Aufklärungspflicht Aufklärung des Betroffenen über Gegenstand und Zweck der Untersuchung und der Begutachtung • Verschwiegenheitspflicht • Dokumentationspflicht / Aufzeichnungen über Untersuchung • Grenzen eigener Erkenntnismöglichkeit erkennen und darlegen • Pflicht zur Fortbildung 22.03.2021 19
Amtsärztliches Gutachten • durch eine Behörde / Institution in Auftrag gegeben • gesetzliche oder sonstige Verfahrensvorschrift, in der konkret ein amtsärztliches Gutachten verlangt wird Amtsarzt: s. Ländergesetze jeder Arzt im Gesundheitsamt nur Leiter des Gesundheitsamt ist Amtsarzt/ärztin, Ärzte im Gesundheitsamt handeln im Auftrag des/r Amtsarzt/ärztin HEUTE: FA für Öffentliches Gesundheitswesen
Vertrauensärztliches Gutachten • auch durch einen anderen, gezielt beauftragten Arzt möglich • i.d.R. eigene angestellte oder bei anderen Behörden beschäftigte Ärzte, um Unabhängigkeit zu gewährleisten • Prinzipiell aber freie Arztwahl durch Auftraggeber 21
Vertrauensärzte Meist sind damit Ärzte/innen gemeint die: bei einem Sozialversicherungsträger arbeiten im Auftrag einer Krankenkasse die Notwendigkeit einer Krankschreibung oder sonstiger Versicherungsleistungen überprüfen Aber auch: Ärzte/innen aus dem Krankenhaus / niedergelassenen Praxis, sofern sie nicht zuvor mit dem Fall befasst waren 22
Sozialmedizinisches Gutachten Übergeordneter Begriff Gutachten zur Entscheidung über gesetzliche oder soziale Leistung, wenn diese von medizinischem Sachverhalt abhängt d.h. auch amtsärztliche Gutachten Speziell Gutachten des Gesundheitsamt für das Sozialamt 23
Gerichtsärztliches Gutachten • Durch ein Gericht in Auftrag gegeben um sachverständige Beratung zu erhalten • Im Gesundheitsamt amtsärztliches Gutachten, da gerichtlicher Auftrag einer gesetzlichen Vorgabe gleichgesetzt • Gericht ist in der Beauftragung der Gutachter frei vielfach auch Fachgutachter aus Kliniken etc. 24
Gerichtsarzt Länder - Gegebenheiten Amtsarzt-Aufgabe Ärzte an Gerichtmedizinischen Instituten o Untersuchung unklarer Todesfälle, o 2. Leichenschau 25
Was ist ein Gutachten? ... Das medizinische Gutachten dient einer Behörde (oder einem Gericht) bei der Aufgabe, darüber eine bindende Feststellung zu treffen, was als medizinische Wahrheit anzusehen ist ...
Was ist ein Gutachten? „Der Gutachtenauftrag verlangt eine ... Bewertung von Beschwerden, Befunden, Befundmustern, Krankheitsbildern und Krankheitsverläufen. Der Krankheitswert tritt stärker in den Vordergrund ... als bei der üblichen ärztlichen Beurteilung, die in einer Therapie einmündet...“ nach Hartmann, F. Logik der ärztlichen Begutachtung, 1978
Was ist ein Gutachten? • Der Sachverständige hat sein Gutachten (§ 410 ZPO) unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten. • Ärztliche Untersuchungen (§ 96 SGB X) sollen so vorgenommen und ihre Ergebnisse so festgehalten, folglich Gutachten so gefasst werden, dass sie auch für einen anderen Leistungsträger verwertbar sind
Was ist ein Gutachten? Ein brauchbares Gutachten beruht auf: Detaillierter Kenntnis des Gegenstandes Exakten Untersuchungsergebnissen Umfassendem Wissen von gesetzlichen Grundlagen Umfassender Kenntnis der aktuellen, anerkannten wissenschaftlichen Fakten Unabhängigem Urteilsvermögen
Dr. Claudia Kaufhold 30
Sachverständiger vs. sachverständiger Zeuge • Sachverständige vermittelt / interpretiert / schlussfolgert aufgrund seiner Sachkunde fachspezifische Lehr- & Erfahrungssätze abstrakte fachspezifische Lehr- und Erfahrungssätze werden auf den Einzelfall übertragen begutachtet vom Gericht (der Behörde) abschließend festzustellenden & zu würdigenden Sachverhalt • Zeuge vermittelt eigene Beobachtungen • sachverständige Zeuge ist Zeuge; er macht – unabhängig von einem konkreten Auftrag – aufgrund seines Fachwissens Beobachtungen, die er in einem Verfahren mitteilt
Anforderungen an den Begutachtenden • Begutachtung der Rechtsgrundlage • Unparteilichkeit und Unabhängigkeit • Eigenverantwortlichkeit • Kompetenz • Vollständige Erfassung des Sachverhaltes • Vermeidung von Interaktionsfehlern • Klarheit und gutachtliche Relevanz der Darstellungen und Aussagen • Beschränkung auf die vom Auftraggeber gestellten Fragen • Termingerechte Erstellung • Beachtung der Schweigepflicht • Beachtung der Rechte des zu Begutachtenden 22.03.2021 32
Was ist ein Gutachter • „Gehilfe“ (BGH St 3,28) bzw. fachkundiger Berater • für Gerichte oder sonstige Dritte ist kraft Gesetzes zur Übernahme des Gutachtens verpflichtet • Ausnahme: gestellte Frage außerhalb pers. Kompetenz- & Fachbereiches nicht in der Lage Gutachten in angemessener Zeit zu erstatten Zeugnis- oder Auskunftsverweigerung Misstrauen gegen die Unparteilichkeit 22.03.2021 33
Wer ist ärztlicher Gutachter ? Jeder Arzt/ jede Ärztin kann Gutachter sein (abgeleitet aus der Approbation) • Verpflichtung zu gutachterlicher Tätigkeit • Aber Gründe, Gutachtenaufträge abzulehnen: Vorherige / bestehende therapeutische Beziehung (Befangenheit) Nicht ausreichende Fachkunde Fristgerechte Abwicklung nicht möglich Kollision mit Schweigepflicht 34
Herausforderungen • Begutachtungsstandards NICHT einheitlich NICHT verbindlichen • Selektive Untersuchung oft nur einzelner Gesundheitsrisiken • Fehlende belastbare Daten/Empirik zu gesundheitlichen Einschränkungen Risikofaktoren im Hinblick auf die Dienstfähigkeit psychischen Belastbarkeit
Gutachten Typ: EGH • Seelische Behinderung körperlich nicht begründbare Psychosen, seelische Störungen als Folge von Krankheiten oder Verletzungen des Gehirns, von Anfallsleiden oder von anderen Krankheiten oder körperlichen Beeinträchtigungen, Suchtkrankheiten, Neurosen und Persönlichkeitsstörungen
Teilhabefähigkeit • Hintergrund: Anamnese • Feststellung: ICF (international classification functioning) • Hilfeplan: IBRP (Integrierter Behandlungs- und Rehabilitationsplan)
Anamnese • Schulbildung, Ausbildung? • Berufstätigkeit • Familienstand, Lebensform • Vorliegende Diagnosen? • Bisherige Maßnahmen? • Klinikaufenthalte? • Bisherige Begutachtungen • Besteht eine gesetzliche Betreuung?
ICF • Internationales Klassifikationssystem, WHO (2001) Beschreibung der funktionalen Auswirkung von Krankheiten auf das Leben des Betroffenen. • Kein Instrument zur Ermittlung des Ausmaßes! Anwendung des bio-psycho-sozialen-Modells Systematisierung des rehabilitativen Denkens Einbeziehung von Kontextfaktoren (Barriere- bzw. Förderfaktoren), z.B. Umwelt, personenbezogene Faktoren
Pflichten des/der Begutachtenden • DULDUNGSPFLICHT Strafrecht • DIENSTPFLICHT Beamtenrecht • MITWIRKUNGSPFLICHT bei Beamtenbewerbern Sozialrecht 22.03.2021 41
Pflichten des/der Begutachtenden • Strikte DULDUNGSPFLICHT Strafrecht (Strafprozessordnung, § 81a Körperliche Untersuchung des Beschuldigten; Zulässigkeit körperlicher Eingriffe) gegebenenfalls mit staatlicher Gewalt durchsetzbar Maßnahmen gegen den erklärten Willen des Betroffenen möglich • CAVE! Keine absolute Duldungspflicht Im Bereich des SGB kann der Versicherte : jederzeit die Mitwirkung verweigern Er hat dann Konsequenz zu tragen, dass er die betreffende 22.03.2021 Leistung nicht erhält bzw. behält. 42
Pflichten des/der Begutachtenden • Duldungspflicht (ärztlichen Untersuchung zu unterziehen (§ 62 SGB I)) durch Arzt oder Psychologen Auswahl trifft der Leistungsträger Adressat ist der Antragsteller und andere Person, von deren Zustand die Leistung abhängt Duldung umfasst auch aktives Verhalten, z.B. bestimmte Ernährung, Untersuchung muss erforderlich sein 22.03.2021 43
Pflichten des/der Begutachtenden • DIENSTPFLICHT Beamtenrecht, im öffentlichen Dienstrecht gegenüber dem öffentlichen Dienstherrn Verweigerung der Mitwirkung ist für den Beamten ein Verstoß gegen beamtenrechtliche Verpflichtung (Rechtskonsequenzen) 22.03.2021 44
Pflichten des/der Begutachtenden • MITWIRKUNGSPFLICHT Beamtenbewerbern Sozialrecht (§§ 60 ff SGB I) gegenüber Sozialleistungsträger o alle Tatsachen angeben, die für Leistung des SV-Trägers erheblich sind (§ 60 SGB I ) o rechtserhebliche Tatsachen, auch Zustimmung zu Auskünften Dritter, z.B. Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, rechtserhebliche Änderungen in den Verhältnissen, z.B. veränderte Einkommensverhältnisse, anderer Wohnsitz, Vorlage von Beweismitteln; o auf Verlangen des SV-Trägers zur mündlichen Erörterung persönlich erscheinen (§ 61 SGB-I), z.B. Antragsteller ist „schreibunfähig“, keine zwangsweise Vorführung, keine Duldungspflicht von Hausbesuchen (Besonderheit § 18 II SGB XI ) o sich den erforderlichen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen (§ 62 SGB I) 22.03.2021 45
Grenzen der Mitwirkungspflicht • Mitwirkung steht in keinem angemessenen Verhältnis zur Sozialleistung SV-Träger kann sich die erforderlichen Kenntnisse mit geringerem Aufwand selbst beschaffen; (§ 65 I Nr. 3) • aufgeführte Grenzen der Zumutbarkeit setzen eine rechtlich wirksame, d.h. die gebotene umfassende, Aufklärung des Patienten/Probanden voraus bezieht sich auf die Mitwirkung bei Untersuchungen und auf die Mitwirkung bei Behandlungen 22.03.2021 46
Auskunftsplicht!? • Auskunft gegenüber dem Veranlasser der Begutachtung • GRUNDSÄTZLICH UNTERLIEGT DER AMTSARZT DER ÄRZTLICHEN SCHWEIGEPFLICHT. Die Weitergabe der durch amtsärztliche Untersuchung getroffenen Feststellungen bedarf, wenn keine Entbindung von der Schweigerpflicht vorliegt, eines Rechtfertigungsgrundes. 22.03.2021 47
Einsichtsrecht des Patienten in „Krankenunterlagen“ • Dokumentationspflicht (BGH) therapeutischen Pflicht beruht auf Arzt-Patienten-Verhältnis Aufzeichnungen über Einzelheiten der Behandlung (BGH) aus Ihnen wird erkennbar (sorgfältigen Führung): 1. objektiven Feststellungen über Befindlichkeit des Patienten, einschl. Röntgenaufnahmen, EKG Aufzeichnungen, Laborergebnisse etc. 2. Verlauf und Umstände der Therapie, Medikationen, Operationen, Narkoseprotokolle, sonstige Befunde und Aufzeichnungen mit Bezug auf Therapiemaßnahmen, d.h. naturwissenschaftlich konkretisierbare Befunde und Aufzeichnungen 22.03.2021 48
Einsichtsrecht des Patienten in „Krankenunterlagen“ • Dokumentationspflicht (BGH) therapeutischen Pflicht beruht auf Arzt-Patienten-Verhältnis Aufzeichnungen über Einzelheiten der Behandlung aus Ihnen wird erkennbar (sorgfältigen Führung): 3. subjektive Wertungen, Hinweise auf später aufgegebene Verdachtsdiagnosen enthalten oder andere Inhalte mit einer „personellen Komponente“ enthalten. 4. vollständig und zeitnah sein; die Aufnahme der Erfüllung der angemessenen Aufklärungspflicht und der der Aufklärung folgenden Einwilligung des Patienten ist unabdingbar. 22.03.2021 49
Einsichtsrecht des Patienten in „Krankenunterlagen“ • Dokumentationspflicht (§ 10 Musterberufsordnung) Abs. 1 Ärztinnen und Ärzte haben über die in Ausübung ihres Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen. Diese sind nicht nur Gedächtnisstütze für die Ärztin oder den Arzt, sie dienen auch dem Interesse der Patientin oder des Patienten an einer ordnungsgemäßen Dokumentation. Abs. 2 Ärztinnen und Ärzte haben Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen grundsätzlich in die sie betreffenden Krankenunterlagen Einsicht zu gewähren; ausgenommen sind diejenigen Teile, welche subjektive Eindrücke oder Wahrnehmungen der Ärztin oder des Arztes enthalten. Auf …. 22.03.2021 50
Einsichtsrecht des Patienten in „Krankenunterlagen“ • Selbstbestimmungsrecht Recht auf Einsicht in die Krankenunterlagen des Patienten. Es wird außerdem – bei Vertragsverhältnissen als Nebenrecht/Nebenpflicht angesehen und unabhängig von Vertragsverhältnissen als Anspruch aus § 810 BGB abgeleitet. wird durch ein sachliches Interesse des Patienten gerechtfertigt Besondere schutzwürdige Interessen brauchen seitens des Patienten nicht dargelegt zu werden 22.03.2021 51
Einsichtsrecht des Patienten in „Krankenunterlagen“ • Selbstbestimmungsrecht Der Begutachtete hat grundsätzlich ein Einsichtsrecht in die „objektivierbaren Befunde“ einschließlich des Ergebnisses. erstreckt sich auf die naturwissenschaftlich konkretisierbaren Befunde und Aufzeichnungen, NICHT auf die Inhalte mit einer „personellen Komponente“ Bei gerichtlich bestelltem Gutachten ist der Gutachter NICHT VERPFLICHTET, auch NICHT BERECHTIGT, von sich aus das Gutachten dem Untersuchten verfügbar zu machen. (Entscheidung liegt bei dem Gericht) Bei anderen Gutachten - auch wenn der Arzt auf Veranlassung eines Dritten (z.B. einer Behörde) handelt, ist er dem 22.03.2021 Patienten gegenüber auskunftspflichtig. 52
Einsichtsrecht des Patienten in „Krankenunterlagen“ • Selbstbestimmungsrecht besondere Einschränkung: Vorliegen besonderer therapeutischer Situationen o vornehmlich im Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie o Anwendung dieser Ausnahme ist nur begrenzt für zulässig erachtet worden. Die Rechtsprechung verfolgt die Tendenz, das Recht des Patienten auf Einsicht in die Unterlagen zu stärken. 22.03.2021 53
Einsichtsrecht des Patienten in „Krankenunterlagen“ • Selbstbestimmungsrecht Soweit der Patient ein Einsichtsrecht hat, kann er dieses Recht in eigener Person oder durch einen Bevollmächtigten wahrnehmen. Anspruch kann auch durch Überlassung von Kopien (kostenpflichtig) erfüllt werden Die Teile, die vom Einsichtsrecht nicht erfasst werden, können in der Kopie unkenntlich gemacht werden 22.03.2021 54
Rechtliche Grundlagen von Gutachten Jeder Gutachtenauftrag muss auf einer Rechtsgrundlage (Gesetz, Verordnung) oder einem richterlichen (Beweis)Beschluss beruhen. WICHTIG ! (bevor Sie sich an die Arbeit machen) abklären auf welcher Rechtsgrundlage der Auftrag beruht eindeutige Nennung der Auftragsgrundlage / Präzisierung durch den Auftraggeber verlangen sonst Auftrag ablehnen 22.03.2021 55
Bedeutung der Fragestellung • Der Gutachtenauftrag muss eine eindeutige Fragestellung an den Arzt enthalten o Akzeptieren einer unklaren Fragestellung führt zu fehlerhaften oder unzureichenden Gutachten die Fragestellung ist ebenso eindeutig zu beantworten o Vorgehen hat sich an der Fragestellung zu orientieren (z.B. geeignete Untersuchungsmethoden, keine überflüssigen Untersuchungen) Daher: Rückfragen, Nachfragen im Zweifelsfall Ablehnung des Gutachtens 22.03.2021 56
Bedeutung der Fragestellung NICHT auf Fragen antworten die man Ihnen nicht gestellt hat 22.03.2021 57
Gutachtenlogik: 3 wesentliche Aspekte 1. Umfassende Klärung der Befundlage z.B. eigene Befunde, Fremdbefunde, Fremdanamnesen, Vorgutachten, relevanter Akteninhalt 2. Bezeichnung der für den Fall erheblichen „Erfahrungssätze“ z.B. Richtlinien, Beurteilungsgrundsätze und Merkblätter medizinischer Fachgremien, zusätzliche Information bei neueren Forschungsergebnissen 3. Schlussfolgerungen des Sachverständigen nach den für die Wissenschaft maßgeblichen Möglichkeiten einer logischen Ableitung für Fallgestaltungen die dem vorliegenden Fall entsprechen, nach „Denkgesetz“ und Logik unter Berücksichtigung eines für das „praktische Leben“ ausreichenden Gewissheitsgrades 22.03.2021 58
Formen des Gutachtens (1/2) 1. Fachgutachten, wissenschaftlich begründete Überwiegt deutlich 2. Gutachten, mit Untersuchung Fragestellungen, die auf Einzelfall bezogen sind 3. Aktengutachten Sinnvoll bei mehrfach vorkommenden Fragestellungen (z.B. bei Stellungnahmen zu bestimmten diagnostischen oder therapeutischen Verfahren – GKV) Werden oft – irrtümlich – als „Notlösung“ angesehen. 22.03.2021 59
Formen des Gutachtens (2/2) 4. Formulargutachten Häufig bei Versicherungen (Renten-, Unfall-, Krankenversicherungen) Ärztliche Atteste 5. Form Gutachten Häufig Gutachten für Gerichte „klassische“ Gliederung standardisiert, aber mit Ermessensspielraum 6. Freie (wissenschaftliche) Gutachten 22.03.2021 60
Formalien Briefkopf, Auftraggeber Begutachteter (Name, Vorname, Geburtsdatum, Adresse, Identifikation durch Personalausweis) Aktenzeichen des Auftraggebers und ggf. eigenes Archivzeichen des Gutachters Angaben, worauf das Gutachten beruht (Akten, gutachtliche Untersuchung, Zusatzbefunde) Datum der Untersuchung und der Fertigstellung des Gutachtens, ggf. Delegation deklarieren Unterschrift Fragestellung bei Beantwortung der Fragen aufführen Kontakte mit Parteien –außerhalb der gutachtlichen Untersuchung grundsätzlich nur über Auftraggeber 22.03.2021 61
Gutachtenstruktur 1. Umfassende Klärung der Befundlage z.B. eigene Befunde, Fremdbefunde, Fremdanamnesen, Vorgutachten, relevanter Akteninhalt 2. Bezeichnung der für den Fall erheblichen „Erfahrungssätze“ z.B. Richtlinien, Beurteilungsgrundsätze und Merkblätter medizinischer Fachgremien, zusätzliche Information bei neueren Forschungsergebnissen 3. Schlussfolgerungen des Sachverständigen nach den für die Wissenschaft maßgeblichen Möglichkeiten einer logischen Ableitung für Fallgestaltungen, die dem vorliegenden Fall entsprechen, nach „Denkgesetz“ und Logik unter Berücksichtigung eines für das „praktische Leben“ ausreichenden Gewissheitsgrades. 22.03.2021 62
Detaillierter Gutachtenaufbau 1. für wen & über wen wird das Gutachten erstattet 2. exakte Angabe der Fragestellung 3. Verwendete Quellen Fremdunterlagen, mit genauen Quellenangaben 4. Angabe des Datums der Untersuchung/ Exploration 5. (wenn erforderlich) negatives & positives Leistungsbild 6. Beantwortung der Fragestellung (grundsätzlich nur mitteilen: Ergebnis der Untersuchung & festgestellten Risikofaktoren) 7. (wenn erforderlich) Prognose 22.03.2021 63
Allgemeine Qualitätsaspekte (1/2) • Schlüssigkeit • Verständlichkeit Erstellung notwendige Vorgehen (Methode) fertiger Gutachtentext (Ergebnis, Diskussion) • Ärztliche Fachlichkeit • Kommunikative Kompetenz der Beteiligten ärztliche Gutachter, Mitarbeiter/ Mitarbeiterinnen 22.03.2021 64
Allgemeine Qualitätsaspekte (2/2) • Zufriedenheit der Patienten/ Klienten und der Auftraggeber • Praktikabilität im Sinne von Verhältnismäßigkeit des Begutachtungsaufwandes • Wirtschaftlichkeit bei der Gutachtenerstellung • Der Gutachter ist kein Kliniker / Diagnostiker 22.03.2021 65
Dokumentation & Datenschutz • Alles, was im Zusammenhang mit einem Gutachten steht, muss dokumentiert werden: Auftragsschreiben, Schriftwechsel mit dem Auftraggeber Zusatzinformationen, Schreiben der Patienten etc. Einverständniserklärungen Fremdbefunde, Arztbriefe etc. Einladungsschreiben Ihr Untersuchungsbefund/ Ihre Aufzeichnungen Ergänzende Untersuchungen (Labor, Zusatzgutachten etc.) Fertiger Gutachtentext Begleitschreiben Zusätzliche telefonische Informationen sind in der Regel keine Informationen 22.03.2021 66
Dokumentation & Datenschutz häufige und oft strittige Frage: Was ist dem Auftraggeber mitzuteilen? Grundsatz („need to know“): Mitzuteilen sind alle Sachverhalte, die zur Beantwortung der Fragestellung erforderlich sind (Plausibilität und Nachvollziehbarkeit) Andere Erkenntnisse, Befunde, Diagnosen werden nicht mitgeteilt Auch Gutachter unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht Maßstab der mitgeteilten Daten ist stets die Erforderlichkeit im konkreten Einzelfall (Beschränkung auf das jeweils unverzichtbare Minimum) 22.03.2021 67
Dokumentation & Datenschutz Weitergabe eines Gutachtens an Dritte • nur MIT: Zustimmung des Auftraggebers Schweigepflichtentbindung der Patienten eigener Zustimmung 68
Dokumentation & Datenschutz Wer darf Einsicht nehmen in Ihre Unterlagen ? Patienten haben Recht auf Einsicht in Akten über sich selbst Empfehlenswert: o vorher Sichtung der Unterlagen o Einsichtnahme nicht ohne Ihre Anwesenheit (oder Mitarbeiter) o Herausnahme von Info über Dritte (z.B. Kinder der Klienten) Einsicht durch Dritte (z.B. Rentenversicherung, Versorgungsämter) immer mit gültiger Schweigepflichtentbindung Kopien können angefertigt werden (Patienten tragen die Kosten) 22.03.2021 69
Dokumentation & Datenschutz • Aufbewahrungsfristen sind zumeist definiert (mindestens 10 Jahre) sollten dem Gutachtenanlass entsprechen (bis lebenslange Aufbewahrung) • datenbankgestützte Dokumentation Voraussetzung für Auswertungen und Berichte kann der Qualitätssicherung dienen 22.03.2021 70
MERKE! 1. Alle Gutachtenformen stehen gleichwertig im Rang einer gutachterlichen Äußerung und sind entsprechend ernsthaft zu bearbeiten 2. Rollentransparenz gegenüber den Patienten und kommunikative Kompetenz der Gutachterin/ des Gutachters sind wesentliche Faktoren für das Gelingen eines Gutachtens 22.03.2021 71
MERKE! 3. Der Gutachter ist kein Entscheider, sondern sachkundiger Entscheidungsvorbereiter 4. Klären Sie ab auf welcher Grundlage der Auftrag an Sie beruht, bevor Sie sich an die Arbeit machen. Verlangen Sie eine eindeutige Nennung der Auftragsgrundlage/ Präzisierung durch den Auftraggeber. Sonst: Ablehnung 22.03.2021 72
MERKE! 5. der Gutachtenauftrag muss eine eindeutige Fragestellung an den Arzt enthalten. Sie ist ebenso eindeutig zu beantworten. 6. Antworten Sie nicht auf Fragen, die man Ihnen nicht gestellt hat. 22.03.2021 73
MERKE! 5. Jedes Gutachten enthält definierte Elemente. Abweichungen richten sich immer nach der Fragestellung 6. Der Gutachter ist kein Kliniker/ Diagnostiker 7. Telefonische (Zusatz-)informationen sind in der Regel keine Informationen. 22.03.2021 74
Sie können auch lesen