Übergänge gestalten! Antworten für junge begleitete und unbegleitete Geflüchtete - Flüchtlingsrat Niedersachsen
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Übergänge gestalten! Liebe Leserin, lieber Leser, Antworten für junge begleitete und unbegleitete Geflüchtete junge geflüchtete Menschen werden nach ihrer An- kunft in Deutschland mit vielen Herausforderungen Autorinnen konfrontiert. Wir haben mit Jugendlichen gespro- Hannah von Grönheim chen und sie gefragt, welche Situationen für sie Christa Paulini besonders schwierig waren und wie sie damit um- Jelena Seeberg gegangen sind. In diesem Heft möchten wir dir die Geschichten von Aleyna und Amir erzählen. Diese unter Mitarbeit von Geschichten beruhen auf den Erzählungen und Er- Gadir Choumar fahrungen der Jugendlichen, mit denen wir gespro- chen haben. Gestaltung Wenn du die Geschichten liest, findest du auf Farina Lichtenstein der einen Seite immer eine Situation aus dem Le- ben von Aleyna und Amir in Deutschland. Auf der Danksagung anderen Seite findest du mögliche Antworten auf Diese Broschüre ist auf Grundlage der Erfahrungen ent- diese schwierigen Situationen. Dort haben wir zu- standen, die 49 junge Geflüchtete im Rahmen des For- sammengetragen, wie andere junge Geflüchtete mit schungsprojektes »JuFlu: Übergänge im Leben junger solchen Situationen umgegangen sind und Tipps Geflüchteter« mit uns geteilt haben. (HAWK – Hoch- aufgeschrieben, was du tun kannst, wenn du in einer schule für angewandte Wissenschaft und Kunst, http:// ähnlichen Situation bist wie Aleyna oder Amir. blogs.hawk-hhg.de/juflu/) Hier beginnt die Geschichte von Aleyna, sie ist mit Wir möchten uns noch einmal von Herzen für eure Unter- ihrer Familie nach Deutschland geflüchtet. Wenn du stützung sowie eure Offenheit und euren Mut bedanken! die Geschichte von Amir lesen möchtest, der allei- Ihr seid großartig! Geht euren Weg und lasst euch nicht ne nach Deutschland geflüchtet ist, dann dreh das entmutigen! Heft um. Wenn du selbst gerade in einer schwierigen Situ- ation bist und Unterstützung brauchst, kannst du dich zum Beispiel an eine Beratungsstelle wenden. In Deutschland gibt es verschiedene nichtstaat- Flüchtlingsrat Niedersachsen liche Menschenrechtsorganisationen, die sich für Röpkestraße 12 die Rechte und den Schutz von geflüchteten Kin- 30173 Hannover dern und Jugendlichen einsetzen. Dort kannst du Beratung, Informationen und Hilfe bekommen sowie Mail: nds@nds-fluerat.org Unterstützung, um dich besser zu orientieren. Sie http://nds-fluerat.org können dir auch dabei helfen, eine Beratungsstelle in deiner Nähe zu finden. Das Heft »Übergänge gestalten! Antworten für junge be- gleitete und unbegleitete Geflüchtete« erscheint in der Schriftenreihe der Zeitschrift FLÜCHTLINGSRAT als Heft Nr. 157, Ausgabe 1/2021 In Niedersachsen: Flüchtlingsrat Niedersachsen juf@nds-fluerat.org Hildesheim, 2021 Röpkestraße 12 0511 98246030 30173 Hannover 0157 38201758 www.kennedeinerechte.org www.nds-fluerat.org
Aleyna Das ist Aleyna. Sie ist 16 Jahre alt und gemeinsam mit ihren El- tern geflüchtet, denn in ihrer Hei- mat ist Krieg. Aleyna musste ihre Freunde und vieles was ihr im Leben wichtig ist zurücklassen. Die Flucht war lang und schwer. Aleyna ist froh, als sie und ihre Familie endlich in Deutschland ankommen. Doch auch hier gibt es viele Herausforderungen. •••
Aleyna Ankommen »Wenn man in Deutschland ankommt, weiß man nicht wie das System hier funktio- niert, man muss sich erstmal orientieren. Das schafft man nicht alleine, dafür braucht man jemanden, der sich auskennt. Wenn du drei oder vier Jahre hier lebst, dann kannst du alles selber machen aber erstmal, wenn man neu ankommt, Aleyna und ihre Eltern werden dann braucht man Hilfe.« –Samir in einer Gemeinschaftsunter- kunft für geflüchtete Menschen untergebracht. Das Zimmer der Familie ist klein. In der gesamten Unterkunft ist es ziemlich laut, nirgendwo kann sie mal alleine sein. Aleyna hört viele Sprachen, die sie nicht kennt. Ihre Eltern ha- ben Schwierigkeiten mit den Mit- Das kannst du in einer Situation wie Aleynas tun: arbeitenden in der Unterkunft zu sprechen, niemand aus der Fami- • Rede mit anderen Jugendlichen in der Unterkunft: Vielleicht sind lie spricht deutsch und die Mitar- manche schon etwas länger da als du und können dir alles zeigen und beitenden sprechen kein Arabisch können dir sagen, wie es weitergeht. und alle nicht so gut Englisch. • Rede mit Sozialarbeitenden oder Ehrenamtlichen und bitte sie da- Aleyna weiß nicht, wie es für ihre rum, dir alles genau zu erklären. Jede*r braucht Hilfe, das ist okay! Familie jetzt weitergehen wird. Trau dich und frage nach, wenn du etwas nicht verstehst. Gibt es Keiner erklärt ihnen so richtig, Schwierigkeiten mit der Sprache, bitte um einen Dolmetscher oder was nun passiert. Aleyna fühlt eine Dolmetscherin. sich unsicher und ist überfordert. • Lerne die anderen besser kennen: Wer sind sie? Was machen sie Sie ist froh endlich angekommen gerne? Wo kommen sie her? zu sein. Aber ist das jetzt ihr neu- • Rufe deine Freund*innen in der Heimat an, manchmal tut es gut ein- es Zuhause? Außerdem vermisst fach eine bekannte Stimme zu hören. sie ihre Freund*innen und ihre • Denk immer daran: Du hast es bis hierher geschafft, du kannst stolz Familie in ihrer Heimat. ••• auf dich sein!
Aleyna Asyl Inzwischen sind mehrere Mona- te vergangen. Aleyna hat Freun- »Wenn es keinen Krieg in unserer Heimat dinnen gefunden, mit denen sie viel Zeit verbringt. Manchmal gäbe, wären wir nicht geflüchtet. kommt die Polizei in die Unter- kunft und nimmt Leute mit. Davor Wir sind nach Deutschland gekommen, haben alle Angst. Aleyna versteht um in Sicherheit zu sein.« –Alia nicht so richtig, warum diese Das kannst du in einer Situation wie Aleynas tun: Menschen gehen müssen. Ihre Freundin Faheema hat ihr erzählt, • Informiere dich mit deiner Familie über eure Rechte! Ihr könnt euch dass manchmal Leute abgescho- dafür zum Beispiel an Sozialarbeitende, Beratungsstellen und den ben, also zurück in ihre Heimat Flüchtlingsrat wenden, um Informationen und Beratung zum Aufent- gebracht werden. halt und zum Asylverfahren zu bekommen. Aleyna weiß, dass ihre Eltern • Das Aufenthaltsrecht in Deutschland ist kompliziert. Es ist wichtig, einen Asylantrag gestellt haben, dass ihr versteht, wie das Asylverfahren abläuft. Nur dann könnt ihr damit sie in Deutschland bleiben euch gut vorbereiten oder euch auch gegen eine Ablehnung wehren. dürfen. Damit sind sie jetzt erst- • Sucht euch dafür eine Beratungsstelle und/oder einen Anwalt oder mal im Asylverfahren, in dem ent- eine Anwältin, der oder die euch dabei unterstützt. schieden wird, ob sie eine Aufent- • In dieser Broschüre für Jugendliche, die mit ihrer Familie nach haltserlaubnis bekommen oder Deutschland gekommen sind, findest du wichtige Informationen zum nicht. Die Familie weiß deshalb Asylverfahren und zu deinen Rechten: „Neu anfangen: Tipps für ge- nicht genau, wie es für sie weiter- flüchtete Jugendliche“. geht. Sie sind oft gestresst und • Du kannst sie dir ganz einfach herunterladen: https://b-umf.de/ma- fühlen sich nicht richtig sicher. ••• terial/neu-anfangen/ • Kenne deine Rechte, damit du sie auch einfordern kannst! Im Asylverfahren wird geprüft, ob ihr in Deutschland als geflüchtete Familie Schutz bekommt. Es wird entschieden, welche Schutzform ihr wegen eurer Fluchtgründe (Gründe warum, ihr euer Herkunftsland verlassen musstet) bekommt. • Wenn deine Familie im Heimatland vom Staat verfolgt wird, könnt ihr eine Asylberechtigung in Deutschland bekommen. • Wenn ihr in eurem Herkunftsland wegen bestimmter Merk- male, wie beispielsweise eurer Religion, eurer Nationalität, eu- rer Herkunft, oder eurer politischen Meinung verfolgt werdet oder Angst davor habt verfolgt oder bedroht zu werden, könnt ihr Flüchtlingsschutz bekommen. • Wenn es in eurem Herkunftsland eine besondere Gefahr für euch gibt, zum Beispiel Folter, Krieg oder die Todesstrafe, dann könnt ihr subsidiären Schutz bekommen. • Wenn eine andere Gefahr für dich, dein Leben und deine Frei- heit besteht, zum Beispiel, wenn du sehr krank bist oder dir eine persönliche Gefahr droht, dann kannst du ein Abschie- bungsverbot bekommen.
Aleyna Alltag »Ich mache viel Sport, koche gerne und treffe mich mit Freunden. Viele meiner Freunde habe ich in meinem Fußballverein kennengelernt.« –Hoshyar Aleyna ist inzwischen mit ihrer Das kannst du in einer Situation wie Aleynas tun: Familie in ein kleines Haus in einem sehr kleinen Dorf umge- • Hobbys können dir guttun, gegen den Stress helfen und du kannst zogen. Sie wartet immer noch auf neue Leute kennenlernen. Schau und frag mal, was es für Angebote einen Schulplatz. Ihre Freund*in- und Vereine in deiner Nähe gibt (z.B. Fußball, Tanzen, Boxen, Basket- nen aus der Unterkunft sieht sie »Als ich mit meiner Familie in der Unterkunft ball, Musik machen und vieles mehr). Wenn du unsicher bist, suche dir nicht mehr so oft, weil der Weg dorthin so weit ist. Aleyna hat- gelebt habe, ging es uns nicht so gut. jemanden, der sich gemeinsam mit dir informiert, zum Beispiel eine Freundin oder ein Freund oder Sozialarbeiter*innen, zum Beispiel in te sich auf den Umzug gefreut, Jeder Tag war gleich: Frühstück, Mittagessen, Migrationsberatungsstellen oder Vereinen. in der Unterkunft sah jeder Tag • Vielleicht gibt es in deinem Ort auch Stadtteilfeste oder andere Frei- gleich aus: Essen und Schlafen. Abendessen, Schlafen. Wir konnten unsere zeitangebote, an denen du mit deinen Eltern oder deinen Freund*in- Nun langweilt sie sich ein biss- nen teilnehmen kannst chen in ihrem neuen Haus, auch Zeit nicht nutzen, weil niemand uns gesagt • Schau dich in deiner Umgebung um: Hast du deine Nachbar*innen wenn sie froh ist endlich ein biss- hat, was wir tun können oder wie es schon kennengelernt? chen mehr Ruhe und Zeit für sich • Triff dich mit deinen Freund*innen, vielleicht könnt ihr gemeinsam zu haben. ••• weitergeht.« –Hakim etwas machen, zum Beispiel etwas kochen oder in die Stadt gehen.
Aleyna Bildung Endlich steht Aleynas erster Aleyna freut sich über das An- Schultag vor der Tür! Inzwischen gebot. In den nächsten Wochen spielt sie oft Fußball im Verein freunden sich Hannah und Aleyna mit ihren Freundinnen. Sie freut an, sie verbringen jede Pause zu- sich darauf, endlich wieder in die sammen und sitzen im Unterricht Schule gehen zu können und an- nebeneinander. Aleyna fällt es dere Jugendliche kennenzulernen. immer noch schwer dem Unter- In ihrer Heimat hat sie die Schu- richt zu folgen. Sie will unbedingt le bis zur 9. Klasse besucht. Sie den Realschulabschluss schaf- wollte auf das Gymnasium gehen fen, noch sind ihre Noten aber »Es war ziemlich schwer die Sprache zu und danach studieren. nicht gut genug. Ihr Lehrer rät ihr Jetzt soll Aleyna in die 8. Klas- vielleicht doch lieber den Haupt- verstehen und zu lernen. Aber ich habe mir se der Gesamtschule in ihrem Ort gehen. So ganz hat sie das Schul- schulabschluss zu versuchen und eine Ausbildung zu machen. ••• nach und nach immer mehr Mühe gegeben. system hier noch nicht verstan- Ich habe mit meinem Handy Fotos von allen den. An ihrem ersten Tag in der Sachen gemacht und die passenden Worte Klasse kommt sie sich ziemlich verloren vor. Sie versteht kaum dazu geschrieben und auswendig gelernt. etwas von dem, was die Leh- rer*innen und die Schüler*innen Das hat mir dabei geholfen, mir die Begriffe sagen. Aleyna fühlt sich unwohl. zu merken.« –Fero Sie würde gerne mit ihren Mit- schüler*innen reden, aber es fällt ihr schwer auf die anderen zuzu- gehen. Außerdem ist da immer noch die Sache mit der Sprache. Aleyna hat das Gefühl, dass die Das kannst du in einer Situation wie Aleynas tun: anderen denken sie sei nicht so schlau und deswegen so still. • Informiere dich über das Schulsystem in Deutschland und darüber In der Pause kommt ein Mäd- welche Möglichkeiten du hast, um deine beruflichen Ziele zu errei- chen auf sie zu. Hannah stellt chen. Dafür kannst du dich an Sozialarbeitende in Beratungsstellen sich Aleyna vor und fragt, ob sie wie dem Jugendmigrationsdienst, an deine Schulsozialarbeiterin, an ihr ein bisschen die Schule zei- deine Lehrer*innen oder auch an Mitschüler*innen wenden. gen soll. • Wenn du Unterstützung beim Lernen brauchst, frage nach Nach- hilfe! Solche Angebote gibt es in deiner Schule und manchmal auch in deiner Nachbarschaft. Nachhilfe kann in Deutschland über das Bil- dungs- und Teilhabepaket bezahlt werden. • Es kann auch helfen eigene Lernideen zu entwickeln, beispielsweise eigene Karteikarten anzufertigen oder Youtube Videos zu schauen. • Suche dir Unterstützung, um deine Ziele zu erreichen! • Gib dein Ziel nicht so schnell auf, auch wenn andere an dir zweifeln sollten oder dir raten einen anderen Weg zu gehen. Es kann sein, dass du in Deutschland ein paar Umwege gehen musst, um dein Ziel zu erreichen. Informiere dich jedoch ganz genau (z.B. bei der Berufsbe- ratung) bevor du dich für einen anderen Berufsweg als den zu deinem Wunschberuf entscheidest.
Aleyna Soziale Kontakte »Am Anfang habe ich nicht verstanden, was die Lehrer gesagt und was die Schüler geant- »In meiner Heimat sind alle sehr herzlich wortet haben. Ich habe mich gefühlt wie ein und offen. Die Deutschen sind eher kalt, daran Stuhl. Ja wirklich, ich habe echt gar nichts musste ich mich erst gewöhnen.« –Nesrin verstanden. Zum Glück hatte ich eine net- te Lehrerin, die mir geholfen hat schnell die Sprache zu lernen.« –Samar »Es ist mir schwer gefallen mich mit den an- deren in meinem Alter zu unterhalten. Wenn meine Mitschüler über Rapmusik geredet haben oder über Käsebrötchen konnte ich nicht mitreden weil ich beides nicht mochte. Aleyna ist kurz vor ihrem Real- schulabschluss. Sie ist stolz auf Wenn du keine Gemeinsamkeiten mit je- sich und möchte bald eine Aus- bildung machen und im sozialen mandem hast ist die Beziehung immer ein Bereich arbeiten. bisschen schlechter oder kälter.« –Samir Auch wenn es eigentlich ganz gut läuft und Aleyna viele ande- re Jugendliche kennengelernt hat, fühlt sie sich manchmal ein- Das kannst du in einer Situation wie Aleynas tun: sam. Besonders in ihrer Klasse fühlt sie sich nicht immer zuge- • Such dir eine Person, der du vertrauen kannst und bei der du dich hörig. Irgendwie reden ihre Mit- sicher und verstanden fühlst. Das können Familienmitglieder, Mit- schüler*innen über ganz anderen schüler*innen, Freund*innen aus der Heimat, oder auch deine Schul- Themen als sie. Aleyna hat das sozialarbeiterin oder deine Lehrerin sein. Es ist wichtig, dass du mit Gefühl nicht so richtig mitreden jemandem über deine Sorgen sprechen kannst! zu können und dass die anderen • Manchmal hilft es dir vielleicht mit einer Person zu sprechen, die sie nicht wirklich verstehen. Sie ähnliche Erfahrungen gemacht hat wie du. hat Dinge erlebt, die sie nicht mit • Nutze die Schule, deine Hobbys und Freizeitaktivitäten, um neue Worten erklären kann. Aleyna ver- Leute kennenzulernen. Auch wenn ihr vielleicht nicht sofort beste misst ihre Freund*innen aus der Freund*innen werdet, manchmal kann es helfen zusammen auf die Heimat. Suche nach Gemeinsamkeiten zu gehen: Welche Musik hört ihr gerne? Heute geht sie mit Hannah zu Was macht ihr gerne in eurer Freizeit? Was esst ihr gerne? einem Fest im Ort. Zu Beginn • Wenn du mit Leuten in deinem Alter nicht so viele Gemeinsamkeiten sind die Leute oft ein bisschen findest, kann es helfen sich mit älteren Jugendlichen zu treffen. komisch zu ihr, das kennt Aley- • Hör dich um, was in deiner Nähe so los ist. Vielleicht kannst du mit na schon. Mit der Zeit werden sie deinen Freund*innen Feste oder andere Aktionen besuchen und dort aber offener und freundlicher. ••• neue Leute kennenlernen.
Aleyna Ich-Sein »Ich mache alles mit meinen Eltern: Arzttermine, Papierkram, Übersetzungen. Das ist ziemlich stressig. Ich bekomme auch Aleyna trifft sich inzwischen re- keine Bescheinigung für die Schule, wenn ich gelmäßig mit Hannah, die beiden sind beste Freundinnen gewor- meine Eltern zum Jobcenter begleiten muss. den und machen viel zusammen. Auch in der Schule läuft es ganz Manchmal habe ich das Gefühl ich muss viel gut. Trotzdem ist Aleyna noch oft gestresst. Neben dem Lernen für mehr leisten als die anderen Jugendlichen in »Jeder Mensch hat drei Gesichter. Ein die Klausuren begleitet sie ihre meinem Alter.« –Alia Eltern zu Terminen und küm- Gesicht, das du allen zeigst, ein Gesicht, das mert sich um den Papierkram. Ihre Mutter und ihr Vater be- du nur deiner Familie und deinen ganz suchen beide einen Sprachkurs. Trotzdem fällt es ihnen schwer engen Freund*innen zeigst. Und ein Gesicht, Deutsch zu lernen. Aleynas Vater das du nur dir selbst zeigst.« –Haias ist gelernter Ingenieur, sein Ab- schluss wird hier jedoch nicht an- erkannt, jetzt arbeitet er als Ta- xifahrer. Ihre Mutter ist gelernte Krankenschwester. Auch sie darf hier mit ihrer Ausbildung nicht arbeiten. Nun ist sie häufig allei- ne zu Hause. Es fällt ihr schwer Menschen kennenzulernen. Aley- Das kannst du in einer Situation wie Aleynas tun: na macht sich Sorgen um ihre Eltern, besonders um ihre Mutter. • Nimm dir Zeit und geh auf die Suche nach dir selbst: Es fällt ihr schwer ihren eige- – Wer bist du? nen Weg zu finden. Sie hat das – Was macht dich aus? Gefühl, dass die Menschen um – Wer möchtest du sein? sie herum von ihr erwarten, dass – Wie siehst du dich selbst? sie sich anpasst. Auf der einen – Wie sehen andere dich? Seite muss sie viele Entscheidun- – Welche Erwartungen an dich gibt es und von wem? gen treffen, auch für ihre Eltern, – Was machen diese Erwartungen mit dir? die andere junge Menschen in ih- – Du entscheidest wer du bist! rem Alter noch nicht treffen müs- • Wer ist dir wichtig in deinem Leben? Such dir Unterstützung und sen. Auf der anderen Seite hat sie Kraft bei den Menschen, die du magst und denen du vertraust, wie manchmal das Gefühl, dass an- beispielsweise Familie und Freund*innen! dere ihr ihren Lebensweg vorge- • Sprich es an, wenn du das Gefühl hast, dass jemand dich nicht so ben und dass sie nicht sie selbst akzeptiert und respektiert wie du bist! sein kann. Sie möchte aber auch • Gehe zu Beratungsstellen wie die Migrationsberatung, um Unter- nicht mehr immer als »Fremde« stützung für dich und deine Familie zu bekommen. Die Menschen dort gesehen werden. ••• können euch auch bei Papieren und Terminen helfen.
Aleyna Freiheit & Sicherheit »Ich möchte Frauen mit Kopftuch helfen, »In der Schule sagen manche Leute schlechte damit sie nicht dieselben schlechten Erfah- Dinge über mich. Sie sagen ich gehöre rungen machen und dieselben schlechten hier nicht her und ich solle mein Kopftuch Gefühle haben müssen wie ich.« –Rachida abnehmen, wenn ich hierbleiben wolle. Sonst müsste ich in mein Land zurück gehen.« –Rachida »An Deutschland gefällt mir besonders, dass jeder seine Freiheit hat und seine Meinung Mittlerweile haben sich auch Aleynas Eltern in Deutsch- sagen darf.« –Haias land eingelebt. Ihre Mutter hat Freund*innen gefunden und ihr Vater macht eine Weiterbildung, damit er hier wieder in seinem al- ten Beruf arbeiten kann. Das kannst du in einer Situation wie Aleynas tun: Die Familie fühlt sich sicher in Deutschland und ist froh wieder • Versuche dir in einer schwierigen Situation, in der dich jemand be- mehr Freiheiten und Möglichkei- leidigt und diskriminiert, Hilfe zu suchen, beispielsweise von umste- ten zu haben. Im Krieg wurden henden Menschen, Lehrer*innen, Schüler*innen etc. ihnen viele Freiheiten genommen. • Sprich über deine Erfahrungen. Teile sie mit deinen Freund*innen, Auch bei Aleyna läuft es gut. Sie deiner Familie oder anderen Menschen denen du vertraust. hat eine Ausbildung zur Erziehe- • Du kannst dich auch mit anderen Jugendlichen austauschen, die rin angefangen und ist sehr zu- ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie du, vielleicht könnt ihr euch frieden mit ihrer Entscheidung. gegenseitig unterstützen. In der Krippe, in der sie arbeitet, • Diskriminierung ist in Deutschland verboten: Niemand darf wegen haben sie alle herzlich aufge- seines Geschlechts, seiner Heimat und Herkunft, seiner Sprache, sei- nommen. nes Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung oder In der Berufsschule hat sie seiner Behinderung benachteiligt und diskriminiert werden! Informie- heute ihren ersten Schultag. Eini- re dich über deine Rechte im Grundgesetz (GG) und im Allgemeinen ge ihrer Mitschüler*innen starren Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Beratung zu dem Thema findest du sie an, beleidigen sie und machen auch bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: https://www.anti- sich über sie lustig. Sie rufen diskriminierungsstelle.de/DE/Home/home_node.html »Geh zurück in dein Land« und • Vielleicht möchtest du dich auch politisch engagieren und dich so »Was machst du überhaupt hier, gegen Diskriminierung, Rassismus und Vorurteile wehren: Schau dir verzieh dich an den Herd wo du doch mal die Gruppe „Jugendliche ohne Grenzen“ an. Das ist eine hingehörst!«. Aleyna weiß nicht Selbstorganisation von jungen Geflüchteten in ganz Deutschland, die was sie tun soll. Sie hat Angst sich gegen Diskriminierung, Rassismus und für ihre (Bleibe-)Rechte und fühlt sich allein. ••• einsetzen: http://jogspace.net
Aleyna Emotionen Inzwischen konnten die Pro- Trotzdem fühlt Aleyna sich und kaputt und hat Kopfschmer- bleme in Aleynas Klasse gelöst manchmal einsam. Sie macht zen. Trotzdem kann sie abends werden. Sie hat sich ihrem Leh- sich Sorgen um ihre Zukunft und nicht einschlafen, weil ihr noch so »In der Nacht frage ich mich oft: Habe ich rer anvertraut. Anschließend ha- die Zukunft ihrer Eltern. Sie hat viele Dinge durch den Kopf gehen. ben sich alle bei einem Workshop Angst, dass die Familie irgend- Auch wenn sie in Deutschland das richtig gemacht? Was soll ich als ausgetauscht und besser ken- wann doch zurück in den Krieg schon viele große und glückliche nengelernt. Die beiden Jungen muss. Erfolgserlebnisse hatte, fühlt es nächstes tun? Ich denke an so viele Sachen haben sich bei Aleyna entschul- Sie versucht ihre Ausbildung so sich doch so an als müsste sie aber finde doch keine Antworten auf digt. Mittlerweile hat sie viele gut wie möglich abzuschließen, immer wieder kämpfen. ••• Freund*innen in ihrer Klasse, mit um den Aufenthalt für sich und meine Fragen.« –Faheema denen sie auch nach der Schule ihre Familie zu sichern. Das kos- Zeit verbringt. tet viel Kraft. Aleyna ist oft müde »Ein guter Tag ist für mich, wenn ich mich ins Bett legen und sofort einschlafen kann, das ist ziemlich selten bei mir.« –Amina Das kannst du in einer Situation wie Aleynas tun: • Denk immer daran was du schon alles geschafft hast: Was hat dir bisher Kraft gegeben, um Herausforderungen zu überstehen? Nutze diese Kräfte und Stärken! • Wenn es dir oft schlecht geht, du Schlafstörungen hast oder deine Gedanken immer wieder um dieselben Dinge kreisen sprich mit deiner Schulsozialarbeiterin darüber. Vielleicht kommt eine Therapie für dich in Frage. Dort kannst du über alle deine Sorgen sprechen. Es ist völlig okay sich psychologische Hilfe zu suchen. • Sprich mit einer Vertrauensperson über deine Gefühle, Ängste und Sorgen. Das können deine Familie, deine Freunde oder auch deine Schulsozialarbeiterin sein. Du musst da nicht alleine durch!
Aleyna Ziele »Viele meiner Ziele habe ich schon erreicht. »Die Lehrer haben die ganze Zeit versucht Was ich mir noch wünsche ist ein bisschen uns zu motivieren und uns immer wieder mehr Toleranz in bestimmten Bereichen. gelobt, wenn wir etwas gut gemacht haben. Leider gewinnen gerade Parteien wie die Das war ziemlich schön. Ich habe mich dann AfD immer mehr Macht in der Politik. Das immer so stark gefühlt und gedacht: Ja, du steht eher für eine Abnahme, als für eine Zu- kannst das wirklich schaffen!« –Fawad Aleyna hat inzwischen ihre Ausbildung zur Erzieherin erfolg- nahme von Toleranz und macht mir ehrlich reich beendet. Die Motivation gesagt ziemlich große Sorgen.« –Varwin ihrer Mitschüler*innen und ihrer »Hör niemals auf. Irgendwann Lehrer*innen haben ihr dabei ge- holfen, an sich zu glauben und kriegst du das hin. Erreichst du den Mut nicht zu verlieren. Sie ist stolz auf sich, dass sie diesen deine Ziele. Glaub mir.« –Nesrin großen Schritt geschafft hat und ihrem beruflichen Ziel ein ganzes Stück nähergekommen ist. Auch wenn noch viele Heraus- forderungen auf sie und ihr Fami- lie warten, blickt Aleyna positiv in Das kannst du in einer Situation wie Aleynas tun: die Zukunft. Ein Punkt, der ihr jedoch große • Mache dir klar was genau deine Ziele sind: Sorgen bereitet sind die politi- – Was willst du erreichen? schen Entwicklungen in Deutsch- – Wo willst du in einem Jahr sein? land und in Europa. Der Anstieg – Wer kann dir dabei helfen deine Ziele zu erreichen? rechter Parteien kann schlimme – Überlege dir kleine Schritte, die du gehen kannst um deine großen Folgen haben. Inzwischen ist Ziele zu erreichen. Aleyna in der Gruppe »Jugendli- • Suche dir Unterstützer*innen auf deinem Weg. Das können zum che ohne Grenzen« aktiv. Dort re- Beispiel Freund*innen, deine Familie, Schulsozialarbeiter*innen, Leh- den und diskutieren sie viel über rer*innen Kolleg*innen oder andere Personen in deiner Nähe sein. die Sprache und die Ziele der AfD • Verliere niemals den Mut! und anderer rechter Parteien. • Glaube an dich selbst! Aleyna macht sich Sorgen, dass • Manchmal hilft es sich politisch zu engagieren, um seine Meinung sie doch noch um die Zukunft ih- zu vertreten und sich nicht so machtlos zu fühlen! Politisches Enga- rer Familie in Deutschland Angst gement ist beispielsweise über Vereine oder auch über Parteien direkt haben muss. ••• möglich.
Aleyna man gut kennt. ••• zu besprechen und zu teilen, den seine Erfahrungen mit jemanden haben. Es tut gut zu reden und bisher alles erlebt und geschafft berichten, was sie in Deutschland jeweils anderen beschäftigt. Sie aussprechen, sie wissen was den ge, die sie im Kopf haben nicht stundenlang. Sie müssen die Din- fallen sich in die Arme und reden lie umziehen musste. Die beiden hen, weil Amir mit seiner Fami- haben sie sich nicht mehr gese- Kindertagen. Kurz vor der Flucht seine beste Freundin Aleyna aus kann er es kaum glauben: Es ist die Schulter. Als er sich umdreht Plötzlich tippt ihm jemand auf tration für Vielfalt und Toleranz. Heute ist Amir bei einer Demons- Heute besucht Amir eine Dem- Heute ist Aleyna mit Hannah auf einer Demonstration für Viel- falt und Toleranz. Auf der ande- ren Seite des Platzes entdeckt sie einen Jungen der ihr bekannt vorkommt. Sie tippt ihm auf die Schulter. Als er sich umdreht kann sie es kaum glauben: Es ist ihr bester Freund Amir aus Kindertagen. Kurz vor der Flucht haben sie sich aus den Augen verloren, weil Amir mit seiner Fa- milie umziehen musste. Die bei- den fallen sich in die Arme und reden stundenlang. Sie müssen die Dinge, die ihnen im Kopf he- rumgehen nicht aussprechen, sie wissen was den jeweils anderen beschäftigt. Sie berichten, was sie in Deutschland bisher alles erlebt und geschafft haben. Es tut gut zu reden, sich auszutau- schen und seine Erfahrungen mit jemandem zu teilen, den man gut kennt. ••• Amir
Amir Ziele »Mein Ziel ist es mir hier eine Zukunft auf- »Ich nehme das Leben mit Humor, ich zubauen, sodass ich meine Familie herholen nehme keinen Stress mit mir mit.« –Eason kann und wir dann gemeinsam ein schönes Leben haben können.« –Fawad »Ich habe meine Heimat gerade erst zurückgelassen und mir hier eine zweite auf- »Man nimmt seine Zukunft selbst in die gebaut. Ich habe in drei Jahren so viel getan Hand. Sie liegt vor dir. Man kann sich selber Amir hat es geschafft, er hat und geschafft wie noch nie in meinem Leben verstärken, wenn man einen Plan hat, sein Abitur in der Tasche und be- ein Ziel.« –Ashtar wirbt sich nun auf Studienplätze! zuvor. Ich will nicht das mir das irgend- Trotz all der Herausforderungen hat er sein Ziel nicht aus den Au- jemand vom einen auf den anderen Tag gen verloren: Er möchte Arzt wer- den! Auch wenn die Leute manch- plötzlich wegnimmt, dass ich alles verliere, mal an ihm gezweifelt haben, hat was ich mir aufgebaut habe. Davor habe ich er selbst den Glauben an sich nicht verloren. Inzwischen ist er in große Angst.« –Amar eigene Wohnung gezogen. Er freut sich über seine neuen Freiheiten, kämpft jedoch auch mit den neuen Veränderungen. Er hat beispiels- weise weniger Geld. Das kannst du in einer Situation wie Amirs tun: Darüber hinaus stehen ihm auch noch weitere Herausforde- • Mache dir klar was genau deine Ziele sind: rungen bevor: Sein Aufenthalt ist – Was willst du erreichen? immer noch nicht ganz sicher. Es – Wo willst du in einem Jahr sein? ist deshalb noch nicht klar, ob und – Wer kann dir dabei helfen deine Ziele zu erreichen? wann seine Familie zu ihm nach – Überlege dir kleine Schritte, die du gehen musst, um deine großen Deutschland kommen kann. Ziele zu erreichen. Trotzdem lässt Amir sich nicht • Suche dir Unterstützer*innen auf deinem Weg. Das können zum Bei- von seinem Ziel abbringen: Er will spiel Freund*innen, Betreuer*innen, deine Familie, das Jugendamt, sich und seiner Familie eine besse- Schulsozialarbeiter*innen, Lehrer*innen, Kolleg*innen oder andere re Zukunft in Sicherheit und in Frei- Personen in deiner Nähe sein. heit aufbauen, auch wenn er dafür • Manchmal kann es helfen Herausforderungen mit Humor anzuge- ein paar Umwege und Schwierig- hen. keiten in Kauf nehmen muss. ••• • Verliere niemals den Mut! • Glaube an dich selbst!
Amir Emotionen »Manchmal gehe ich zweimal am Tag zum Sport, damit ich nicht so viel Zeit zum Nach- denken habe. Ich habe Angst diese Depres- sionen zu bekommen. Ich weiß zwar nicht genau wie man sowas kriegt aber manchmal bekommt man das einfach so automatisch wenn man viel alleine Zuhause ist und zu viel nachdenkt. Ich muss ja auch an mei- ne Familie denken, die braucht auch meine Unterstützung, deswegen muss ich schnell weiterkommen.« –Hakim Amir hat sich mit seinem Be- zugsbetreuer und seinen Freunden über die Erfahrung vor dem Club »Am meisten fehlen mir Familie und Freun- ausgetauscht. Inzwischen fühlt er sich ein bisschen besser auf sol- de, weil die immer hinter dir stehen und dich che Situationen vorbereitet. Trotz- unterstützen, egal was kommt.« –Abdo dem hat er Angst davor. Auch sonst spürt Amir in letzter Zeit wieder häufiger den Druck, die Sorgen, die Angst um seine Fami- lie und all die Dinge, die ihn sonst noch so beschäftigen. Er schläft häufig schlecht. Die vielen Erfolgserlebnisse und Das kannst du in einer Situation wie Amirs tun: schönen Momente mit seinen Freunden helfen ihm nicht immer • Sprich mit einer Vertrauensperson über deine Gefühle, Ängste und über seine Unsicherheit und Ein- Sorgen. Das können dein Bezugsbetreuer, deine Freunde oder deine samkeit hinweg. Er vermisst seine Familie am Telefon sein. Du musst da nicht alleine durch! Familie und auch wenn er sich in • Denk immer daran was du schon alles geschafft hast: Was hat dir der Schule anstrengt, ist immer bisher Kraft gegeben um Herausforderungen zu überstehen? Nutze noch nicht ganz klar wie es für ihn diese Stärken! weitergeht. • Wenn es dir oft schlecht geht, du Schlafstörungen hast oder deine Manchmal, wenn Amir wieder Gedanken immer wieder um die gleichen Dinge gehen, sprich mit dei- aus einem besonders schlimmen nen Betreuer*innen darüber. Vielleicht kommt eine Therapie für dich Albtraum erwacht, hat er Angst ein in Frage. Dort kannst du über deine Sorgen sprechen. Es ist völlig okay bisschen verrückt zu werden. ••• sich psychologische Hilfe zu suchen.
Amir Freiheit & Sicherheit »Wir werden nicht an bestimmte Orte wie Clubs oder so gelassen, weil wir schwarz sind. Manchmal haben die Leute sogar Angst vor uns. Dabei sollte es nicht darum gehen wie wir aussehen, sondern was uns von innen ausmacht.« –Abdo »Wenn ich einen Wunsch frei hätte Amir hat seinen Realschul- würde ich mir wünschen, dass die Leute abschluss geschafft und lernt nun für das Abitur. Bisher läuft keine Angst mehr vor mir haben.« –Jamal alles gut. Er fühlt sich sicher in Deutschland und genießt die neuen Freiheiten, die ihm in sei- ner Heimat durch den Krieg ge- nommen wurden. Das kannst du in einer Situation wie Amirs tun: Heute will er mit ein paar Freunden in einem Club feiern • Versuche dir in einer akuten Situation, in der dich jemand beleidigt gehen. und diskriminiert, Hilfe zu suchen, beispielsweise von umstehenden Als die drei ankommen schaut Personen oder Freund*innen. der Türsteher sie komisch und • Sprich über deine Erfahrungen. Erzähle sie deinen Freund*innen, kritisch an. Er spricht leise mit deiner Familie oder anderen Menschen denen du vertraust. seinem Kollegen. Nachdem sich • Du kannst dich auch mit anderen Jugendlichen austauschen, die die beiden geredet haben, sagt ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie du. Vielleicht könnt ihr euch der eine: »Solche wie euch lassen gegenseitig unterstützen. wir heute nicht mehr rein.« • Diskriminierung ist in Deutschland verboten: Niemand darf wegen »Solche wie uns?« fragt Amir. seines Geschlechts, seiner Heimat und Herkunft, seiner Sprache, sei- »Wir haben heute schon genug nes Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung oder Ausländer im Club, das gibt nur seiner Behinderung benachteiligt und diskriminiert werden! Informie- Ärger. Ihr könnt nach Hause ge- re dich über deine Rechte im Grundgesetz (GG) und im Allgemeinen hen«, sagt der Türsteher. Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Beratung zu dem Thema findest du Amir und seine Freunde sind auch bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: https://www.anti- wütend und schockiert. Sie wis- diskriminierungsstelle.de/DE/Home/home_node.html sen nicht was sie tun sollen. Sie • Vielleicht möchtest du dich auch politisch engagieren und so Wider- sind traurig und machen sich stand gegen Diskriminierung, Rassismus und Vorurteile leisten: Schau auf den Weg zurück in die Wohn- dir doch mal „Jugendliche ohne Grenzen“ an, ein bundesweite Gruppe gruppe. So hatten sie sich ihren von jungen Geflüchteten, die sich gegen Diskriminierung und für mehr Abend nicht vorgestellt. ••• (Bleibe-)Rechte kämpfen: http://jogspace.net
Amir Ich-Sein »Ich glaube ich habe alles zu schnell erlebt. Plötzlich war ich alleine und musste alles »Momentan bin ich deutscher Kanacke, also Amir hat inzwischen einen rich- tigen besten Freund gefunden. selber machen. Eine Pubertät hatte ich nicht, halb Deutscher, halb Kanacke.« –Wajih Mit Tufan verbringt er eine Men- dafür war keine Zeit.« –Ashtar ge Zeit. Trotzdem fühlt sich Amir manchmal ein bisschen verloren. Er stellt sich oft die Frage »Wer »Im einen Moment denkst du, du hast es ge- bin ich eigentlich?«. Für seine Freund*innen aus der Heimat schafft: du hast die Sprache gelernt, du hast und seine Familie sei er inzwi- Freunde, du hast einen Ausbildungsplatz schen »deutsch« geworden. Von den Menschen in Deutschland und im nächsten Moment klatscht deine wird er manchmal immer noch als »Fremder« gesehen. Klasse weil du eine einfache Matheaufgabe Irgendwie hängt er immer ein bisschen zwischen zwei Welten. gelöst hast und du fühlst dich wieder extra Auf der einen Seite muss er fremd.« –Samir viele Entscheidungen alleine tref- fen, die andere Jugendliche in seinem Alter noch nicht treffen müssen. Er ist verantwortlich für sich selbst und fühlt sich auch verantwortlich für seine Familie Das kannst du in einer Situation wie Amirs tun: in der Heimat. Auf der anderen Seite ist sein • Nimm dir Zeit und geh auf die Suche nach dir selbst: Weg abhängig von seinem Auf- – Wer bist du? enthaltsstatus, seinen Noten, der – Was macht dich besonders? Unterstützung seiner Betreu- – Wer möchtest du sein? er*innen und seines Vormun- – Wie siehst du dich selbst? des. Das ist manchmal ziemlich – Wie sehen andere dich? schwer. – Welche Erwartungen an dich nimmst du wahr und von wem? Amir empfindet einen großen – Welchen Einfluss haben diese Erwartungen auf dich? Anpassungsdruck. Bald wird er – Du entscheidest, wer du bist! 18 Jahre alt, dann wird geschaut, • Wer ist dir wichtig in deinem Leben? Such dir Unterstützung und ob er in der Wohngruppe bleiben Zuspruch bei den Menschen, dir die Nahe stehen, wie Freund*innen, darf oder ausziehen muss. Dann Betreuer*innen und deine Familie! müsste er plötzlich alles ganz al- • Sprich es an, wenn du das Gefühl hast, dass jemand dich nicht so leine schaffen. Über seinen Asyl- akzeptiert, wie du bist oder dich in eine bestimmte Richtung drängt, antrag wurde bisher noch nicht mit der du nicht einverstanden bist. entschieden. Menschen in sei- • Wenn du weitere Unterstützung auch nach dem Erreichen des 18. nem Umfeld raten ihm eine Aus- Lebensjahres brauchst, wende dich an das Jugendamt. Die Jugend- bildung zu machen, um seinen hilfe kann auch noch über die Volljährigkeit hinaus verlängert werden. Aufenthalt zu sichern. Dabei will Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, sowohl stationäre (wie bspw. Amir doch eigentlich studieren Wohngruppen) oder ambulante (das bedeutet, dass Sozialarbeiter*in- und Arzt werden. ••• nen dich in deiner eigenen Wohnung besuchen).
Amir Soziale Kontakte »Ich habe noch niemanden gefunden dem ich alles anvertrauen kann, aber »Ich habe mich direkt willkommen manchmal brauche ich so unbedingt gefühlt, es war wie in den Arm genommen jemanden zum Reden.« –Enis zu werden.« –Tahmineh »Wir haben uns unterhalten, aber nicht über Probleme, sondern jeder hat genau verstanden wie es dem anderen geht, ganz ohne Worte.« –Walid Amir kämpft weiter dafür sei- nen Realschulabschluss machen Das kannst du in einer Situation wie Amirs tun: zu dürfen, um seinem Traum Arzt zu werden ein Stück näher zu • Such dir eine Person, der du dich anvertrauen kannst und bei der kommen. Sein Betreuer Martin du dich sicher und verstanden fühlst, das können Betreuer*innen, und sein Vormund Klaus unter- Freund*innen, Mitschüler*innen, Familienmitglieder oder Freund*in- stützen ihn dabei, auch wenn bei- nen aus der Heimat, oder auch deine Schulsozialarbeiterin oder deine de wenig Zeit haben. Lehrerin sein. Es ist wichtig, dass du mit jemandem über deine Sorgen Es gibt Tage, an denen fühlt sprechen kannst! Amir sich immer noch ziemlich • Manchmal hilft es dir vielleicht mit einer Person zu sprechen, die einsam. Er vermisst seine Familie ähnliche Erfahrungen gemacht hat wie du. und seine Freund*innen aus der • Nutze die Schule, deine Hobbys und Freizeitaktivitäten um neue Heimat und weiß nicht so richtig »Manchmal bin ich mir nicht sicher, Leute kennenzulernen. Auch wenn ihr vielleicht nicht sofort beste mit wem er über seine Sorgen Freund*innen werdet, manchmal kann es helfen zusammen auf die sprechen soll. Er hat zwar ein ob ich in die Gruppe passe, ich glaube ich Suche nach Gemeinsamkeiten zu gehen: Welche Musik hört ihr gerne? paar coole Leute an der BBS ken- Was macht ihr gerne in eurer Freizeit? Was esst ihr gerne? nengelernt, trotzdem kommen habe viel durchgemacht und denke viel • Wenn du mit Leuten in deinem Alter nicht so viele Gemeinsamkeiten ihm in Deutschland immer noch weiter. Ich bin kein Kind mehr, in Gedanken findest kann es manchmal helfen sich mit älteren Jugendlichen zu viele Verhaltensweisen fremd vor. treffen. Irgendwie sind die Leute distan- bin ich vielleicht schon ein bisschen • Hör dich um was in deiner Gegend so los ist. Vielleicht kannst du mit zierter und «kühler” als in seiner deinen Freund*innen Feste oder andere Aktionen besuchen und dort Heimat. ••• erwachsener.« Samir neue Leute kennenlernen.
Amir Bildung Amir hat sich inzwischen mit den meisten seiner Mitbewoh- ner*innen angefreundet. Alle ma- chen viel zusammen und gehen fast jeden Tag gemeinsam laufen. Heute ist Amirs erster Schul- tag. Nach langer Wartezeit hat er »Wenn ich jetzt noch in meiner Heimat wäre, endlich einen Platz bekommen. Sein Bezugsbetreuer Martin be- dann wäre ich im zweiten Jahr vom Studium. gleitet ihn an seinem ersten Tag Alle meine Freunde und Freundinnen in zur berufsbildenden Schule (BBS) in seinem Ort. Dort besucht er der Heimat sind Ärzt*innen, Ingenieur*innen ab jetzt die Sprachlernklasse. Amir hat das Bildungssystem in und so weiter. Das ist für mich noch ein Deutschland noch nicht so ganz weiter Weg.« –Fatima verstanden. Martin hat ihm er- klärt, dass sein Realschulab- schluss hier in Deutschland nicht anerkannt wird. Offiziell ist Amir in Deutschland aber auch nicht mehr schulpflichtig. Deswegen hat er an der Gesamtschule kei- nen Platz mehr bekommen. An der Berufsschule soll er nun die Sprache besser lernen und sich auf eine Ausbildung vorbereiten. Das kannst du in einer Situation wie Amirs tun: Eigentlich möchte Amir keine Ausbildung machen. Er möchte • Überlege dir, wie dein Bildungsweg aussehen soll und plane Ziele für studieren und Arzt werden. dich. Vielleicht können dich dein Bezugsbetreuer, deine Freunde oder Amir hat ein bisschen das Ge- deine Familie bei diesen Planungen helfen. Du kannst zum Beispiel fühl als müsste er hier nochmal auch ein Praktikum machen, um herauszufinden welchen Beruf du von vorne anfangen. magst. An seinem ersten Tag ist Amir • Informiere dich über das Schulsystem in Deutschland und darüber ziemlich aufgeregt, versteht welche Möglichkeiten du hast, um deine beruflichen Ziele zu errei- sich aber schnell gut mit seinen chen. Dafür kannst du dich beispielsweise an deinen Bezugsbetreuer, Mitschüler*innen. Die meisten an deine Schulsozialarbeiterin, an deine Lehrer*innen oder auch an mussten auch flüchten. Es wer- Mitschüler*innen wenden. den viele verschiedene Sprachen • Gib dein Ziel nicht so schnell auf. Es kann sein, dass du in Deutsch- gesprochen. Alle reden und ler- land ein paar Umwege gehen musst, um dein Ziel zu erreichen. nen sich kennen. Die Lehrerin • Sei mutig und sage etwas dagegen, wenn du das Gefühl hast, dass Frau Müller ist auch nett. Sie dir ein Weg aufgezwungen wird. Informiere dich über Alternativen (z.B. unterrichtet Deutsch. Amir fühlt bei der Berufsberatung)! sich wohl in seiner Klasse. Trotz- • Suche dir Unterstützung, um deine Ziele zu erreichen! dem kommen ihm nach ein paar • Wenn du Unterstützung beim Lernen brauchst, frage nach Nach- Tagen Zweifel: Wie soll es jetzt für hilfe. Solche Angebote gibt es in deiner Schule und manchmal auch in ihn weitergehen? ••• deiner Nachbarschaft.
Amir Alltag »Wenn ich traurig bin oder zu viel nachdenke treibe ich Sport, dann geht es mir besser.« –Abdo Amir hat sich entschlossen ge- meinsam mit Klaus einen Asylan- trag zu stellen. Klaus hat ihm al- les genau erklärt und bereitet ihn nun auf seine Anhörung vor. Zurzeit wartet Amir noch auf einen Schulplatz. Er verbringt viel Zeit alleine in seinem Zimmer in der Wohngruppe. Ihm gehen viele Fragen im Kopf herum: Wie wird die Entscheidung über meinen Asylantrag ausfallen? Wie geht es meiner Familie? Werde ich sie nach Deutschland holen können? Wie wird es für mich weitergehen? Amir ist froh und stolz auf sich, dass er es soweit geschafft hat. Trotzdem macht er sich Sorgen. Auf der einen Seite wünscht er Das kannst du in einer Situation wie Aleynas tun: sich in der Wohngruppe manch- mal mehr Zeit für sich allein. Die • Sprich mit deinen Betreuer*innen über die Dinge, die dich bedrücken. anderen kommen manchmal in Bei Problemen und Sorgen sind sie für dich da! Wenn du mit deinen sein Zimmer ohne zu klopfen. Auf Betreuer*innen nicht so gut klar kommst, kannst du dich auch an die der anderen Seite fühlt er sich oft Mitarbeiter*innen vom Jugendamt oder deinen Vormund wenden. einsam. • Tausche dich mit anderen jungen Geflüchteten über deine Erfahrun- Es sind auch nicht immer die gen und Ängste aus. Vielleicht könnt ihr euch gegenseitig helfen oder gleichen Betreuer*innen da. Mit einfach etwas gemeinsam machen, wie zum Beispiel kochen oder zu- vielen versteht Amir sich gut, sammen in die Stadt gehen. doch nur mit ein paar kann er • Wenn du Zeit für dich brauchst, fordere diese ein. Deine Mitbewoh- richtig gut reden. Außerdem ner*innen und deine Betreuer*innen werden das verstehen. müssen sich die Betreuer*innen • Hobbys können dir helfen Stress abzubauen und neue Leute ken- um alle Jugendlichen kümmern. nenzulernen. Hör dich doch mal um, was für Angebote und Vereine Amir traut sich nicht immer sie es in deiner Nähe gibt (z.B. Fußball, Tanzen, Boxen, Basketball, Musik nach einem Gespräch zu bitten, machen und vieles mehr). Wenn du unsicher bist, suche dir jemanden, wenn er traurig ist oder ihn etwas der sich gemeinsam mit dir informiert, zum Beispiel deine Betreu- bedrückt. ••• er*innen oder Freund*innen.
Amir Asyl »Wenn dein Aufenthalt in Deutschland nicht gesichert ist, lebst du immer mit der Angst wieder zurück zu müssen. Meiner Meinung nach demotiviert das viele junge geflüchtete Menschen.« –Walid Amir hat sich inzwischen in sei- ner Wohngruppe eingelebt. Er ver- »Ich wusste einfach nicht was ich machen soll, steht sich gut mit seinen Mitbe- wohner*innen und redet viel mit also habe ich meinen Lehrern und seinem Bezugsbetreuer Martin. Amir hat auch seinen Vor- Mitschülerinnen von meiner Ablehnung mund Klaus kennengelernt. Klaus erzählt. Die ganze Schule hat Unterschriften möchte mit ihm über sein Asyl- verfahren in Deutschland spre- für mich gesammelt und gefordert, chen. Seine Mitbewohnerin Rahel ist gerade 19 geworden und hat dass ich bleiben darf.« –Fero einen Ablehnungsbescheid be- kommen. Sie steckt mitten im Abitur. Ihr Anwalt hat ihr geraten sich schnell einen Ausbildungs- Das kannst du in einer Situation wie Amirs tun: platz zu suchen. Rahel ist trau- rig und weiß nicht wie es für sie • Informiere dich über deine Rechte! Du kannst dich dafür zum Bei- weitergehen soll. Sie möchte un- spiel an deinen Bezugsbetreuer, deinen Vormund, an Beratungsstellen, bedingt ihr Abitur schaffen und den Flüchtlingsrat oder andere Anlaufstellen für Informationen zum hier in Deutschland Informatike- Aufenthalt und zum Asylverfahren wenden. rin werden. Zurzeit sammeln ihre • Das Aufenthaltsrecht in Deutschland ist kompliziert, es ist wichtig, Lehrer*innen und ihre Mitschü- dass du verstehst, wie Entscheidungen im Asylverfahren entstehen, ler*innen Unterschriften, damit damit du dich gegebenenfalls dagegen wehren kannst! Rahel doch bleiben darf. • Such dir einen Anwalt oder eine Anwältin, der oder die dich unter- Auch Amir muss sich nun Ge- stützt. danken machen, ob er gemein- • In diesem Heft vom Flüchtlingsrat findest du viele wichtige Informa- sam mit Klaus einen Asylantrag tionen zum Asylverfahren, Wegen zu einem Bleiberecht und allgemein stellt. Er wird bald 18 Jahre alt. zu deinen Rechten: „Neu anfangen: Tipps für geflüchtete Jugendliche“ Amir hat noch nicht so ganz ver- Du kannst sie dir ganz einfach herunterladen: https://www.nds-fluerat. standen, wie das mit dem Aufent- org/38219/aktuelles/das-asylverfahren-deine-rechte-deine-perspek- halt eigentlich funktioniert. Er hat tiven-erklaert-fuer-unbegleitete-minderjaehrige/ Angst, dass er Deutschland wie- • Lass dich nicht von deinem Weg abbringen. Informiere dich gut und der verlassen muss. Außerdem genau über deine Möglichkeiten. macht er sich Sorgen um seine • Unterstützt euch gegenseitig, sprecht zum Beispiel über Erfahrun- Eltern, er möchte sie gern zu sich gen und redet über eure Ängste und Sorgen. nach Deutschland holen. ••• • Kenne deine Rechte, damit du sie auch einfordern kannst!
Amir Ankommen »Nach meiner Flucht und meiner Ankunft in Deutschland habe ich mich gefühlt wie ein neuer Mensch, alles war fremd. Ich wusste nicht wie ich ohne meine Als Amir in Deutschland an- Familie neu anfangen soll. Das war als würde kommt, begegnen ihm zwei Poli- zisten. Amir hat Angst, weil er ich noch einmal geboren werden. auf der Flucht schlechte Erfah- Als wäre ich ein Kind, das nicht weiß was gut rungen mit der Polizei gemacht hat. Er läuft weg und versteckt ist und was schlecht ist.« –Samir sich. Kurz darauf trifft er Jamal. Jamal ist erst seit kurzer Zeit in Deutschland und erklärt ihm, dass die Polizei ihm helfen kann. Er begleitet Amir zur Polizei. Dort lernt er eine Mitarbeiterin vom Jugendamt kennen. Er wird vom Jugendamt aufgenommen und in Das könntest du in Amirs Situation tun: einer Wohngruppe untergebracht. In der Einrichtung wohnen noch • Spreche mit deinen Mitbewohner*innen. Vielleicht können sie dir da- 20 andere Jugendliche aus vielen bei helfen dich einzuleben. Sie waren auch mal neu und können mit dir verschiedenen Ländern. Amir be- über ihre Erfahrungen sprechen! kommt einen Bezugsbetreuer: • Wende dich bei Fragen an deinen Bezugsbetreuer oder an die an- Martin. Martin erklärt auf Eng- deren Betreuer*innen. Sie können dir wichtige Fragen zum Leben in lisch, dass Amir mit seinen Fra- Deutschland und in der Wohngruppe beantworten. Jede*r braucht gen zu ihm kommen kann und sie Hilfe, das ist okay! Trau dich und frage nach, wenn du etwas nicht zusammen reden können. Danach verstehst. Gibt es Schwierigkeiten mit der Sprache, bitte um einen wird Amir von seinen Mitbewoh- Dolmetscher oder eine Dolmetscherin. ner*innen Enis, Malia und Fawad • Such dir Personen mit denen du reden kannst, wenn du Sorgen hast. auf seiner Muttersprache be- Das können andere Jugendlichen sein, die Sozialarbeitenden dort grüßt. Sie zeigen ihm sein Zimmer oder Menschen im Jugendamt (insbesondere auch wenn du Schwie- und die Gemeinschaftsräume. rigkeiten mit deinen Betreuer*innen hast). Danach gibt es Essen. Amir ist • Dein Vormund ist dafür da, deine Interessen und Wünsche zu ver- unsicher, ob er das was da auf treten. seinem Teller liegt wirklich essen • Oder vielleicht rufst du deine Freund*innen oder deine Familie aus möchte. Es gibt »Eintopf«. Aber der Heimat an. ist das auch Halal? • Wenn du dir beim Essen unsicher bist, sprich es an: Vielleicht gibt es Viele Dinge in der Wohngruppe die Möglichkeit gemeinsam mit den Menschen in der WG dein Lieb- und in dem Verhalten der Men- lingsgericht aus deiner Heimat zu kochen. schen auf der Straße sind ihm • Lerne die anderen besser kennen: Wer sind sie? Was macht sie aus? fremd. Amir hat Heimweh und Wo kommen sie her? fühlt sich einsam, er vermisst • Denk immer daran: Du hast es bis hierher geschafft, du kannst stolz seine Familie. ••• auf dich sein!
Amir Das ist Amir. Er ist 17 Jahre alt und musste ohne seine Eltern aus seiner Heimat flüchten. In seiner Heimat ist Krieg. Amir musste seine Familie, seine Freunde und alles was ihm in seinem Leben wichtig war verlassen. Die Flucht war lang und schwer. Amir ist froh, als er endlich in Deutsch- land ankommt. Doch auch hier wird er mit vielen Herausforde- rungen konfrontiert. •••
Liebe Leserin, lieber Leser, Übergänge gestalten! Antworten für junge begleitete junge geflüchtete Menschen werden nach ihrer An- und unbegleitete Geflüchtete kunft in Deutschland mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Wir haben mit Jugendlichen gespro- Autorinnen chen und sie gefragt, welche Situationen für sie Hannah von Grönheim besonders schwierig waren und wie sie damit um- Christa Paulini gegangen sind. In diesem Heft möchten wir dir die Jelena Seeberg Geschichten von Aleyna und Amir erzählen. Diese Geschichten beruhen auf den Erzählungen und Er- unter Mitarbeit von fahrungen der Jugendlichen, mit denen wir gespro- Gadir Choumar chen haben. Wenn du die Geschichten liest, findest du auf Gestaltung der einen Seite immer eine Situation aus dem Le- Farina Lichtenstein ben von Aleyna und Amir in Deutschland. Auf der anderen Seite findest du mögliche Antworten auf Danksagung diese schwierigen Situationen. Dort haben wir zu- Diese Broschüre ist auf Grundlage der Erfahrungen ent- sammengetragen, wie andere junge Geflüchtete mit standen, die 49 junge Geflüchtete im Rahmen des For- solchen Situationen umgegangen sind und Tipps schungsprojektes »JuFlu: Übergänge im Leben junger aufgeschrieben, was du tun kannst, wenn du in einer Geflüchteter« mit uns geteilt haben. (HAWK – Hoch- ähnlichen Situation bist wie Aleyna oder Amir. schule für angewandte Wissenschaft und Kunst, http:// Hier beginnt die Geschichte von Amir, er ist allei- blogs.hawk-hhg.de/juflu/) ne nach Deutschland geflüchtet. Wenn du die Ge- Wir möchten uns noch einmal von Herzen für eure Unter- schichte von Aleyna lesen möchtest, die mit ihrer stützung sowie eure Offenheit und euren Mut bedanken! Familie nach Deutschland geflüchtet ist, dann dreh Ihr seid großartig! Geht euren Weg und lasst euch nicht das Heft um. entmutigen! Wenn du selbst gerade in einer schwierigen Situ- ation bist und Unterstützung brauchst, kannst du dich zum Beispiel an eine Beratungsstelle wenden. In Deutschland gibt es verschiedene nichtstaatli- che Menschenrechtsorganisationen, die sich für die Flüchtlingsrat Niedersachsen Rechte und den Schutz von geflüchteten Kindern Röpkestraße 12 und Jugendlichen einsetzen. Dort kannst du Be- 30173 Hannover ratung, Informationen und Hilfe bekommen sowie Unterstützung, um dich besser zu orientieren. Sie Mail: nds@nds-fluerat.org können dir auch dabei helfen, eine Beratungsstelle http://nds-fluerat.org in deiner Nähe zu finden. Das Heft »Übergänge gestalten! Antworten für junge be- gleitete und unbegleitete Geflüchtete« erscheint in der Schriftenreihe der Zeitschrift FLÜCHTLINGSRAT als In Niedersachsen: Heft Nr. 157, Ausgabe 1/2021 Flüchtlingsrat Niedersachsen Röpkestraße 12 0511 98246030 Hildesheim, 2021 30173 Hannover 0157 38201758 www.kennedeinerechte.org www.nds-fluerat.org juf@nds-fluerat.org
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