Bericht der Ad-hoc Arbeitsgruppe Sanktionsniveau Verkehrsordnungswidrigkeiten
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Stuttgart, den 24.02.2020 Bericht der Ad-hoc Arbeitsgruppe Sanktionsniveau Verkehrsordnungswidrigkeiten zur Gemeinsamenkonferenz der Verkehrs- und Straßenbauabteilungsleiter der Länder (GKVS)am 4./5. März 2020 in Saarbrücken und zur Verkehrsministerkonferenz TOP 6.3 / Verbesserung der Verkehrssicherheit in Deutschland TOP 6.2 Auf der Verkehrsministerkonferenz am 4./5. April 2019 wurde die Forderung vom 19./20. April und 18./19. Oktober 2018 wiederholt, das Sanktionsniveau für Ver- kehrsordnungswidrigkeiten mit einem besonderen Gefährdungspotential zügig zu erhöhen, um die erforderliche abschreckende Wirkung zu erreichen. Dazu wurde der einstimmige Beschluss gefasst, eine Länderarbeitsgruppe mit dem Ziel einzurichten, Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einem hohen Gefährdungspotential zu identifizie- ren, Vorschläge zur Erhöhung des Sanktionsniveaus zu erarbeiten und der GKVS vorzulegen. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Sanktionsniveau Verkehrsordnungswidrigkeiten“ stellt fest, dass der Rückgang der Zahl der Verkehrstoten in den vergangenen Jahren nicht im angestrebten Maße eingetreten ist. Deutschland ist im europäischen Ver- gleich der Getöteten im Straßenverkehr auf Platz 8 im Jahr 2018 zurückgefallen. Die Anpassung der Sanktionshöhe stellt – neben anderen wichtigen Maßnahmen der Verkehrssicherheitsarbeit (u. a. Verbesserung der Straßeninfrastruktur) – einen viel- versprechenden Ansatz für die weitere Verbesserung der Verkehrssicherheit dar. Deutschland hat im Vergleich zu anderen in der Verkehrssicherheit erfolgreichen eu- ropäischen Ländern die geringsten Sanktionshöhen für Fehlverhalten im Straßenver- kehr aufweist (siehe Tabelle im Anhang). Aufgrund der vergangenen Anpassungen der StVO sowie punktueller Anpassungen im Bußgeldkatalog ist das System der Sanktionierung aus StVO, Tatbestands- und Bußgeldkatalog, Anlage 13 der Fahrerlaubnis-Verordnung und Fahreignungs- Bewertungssystem in sich nicht mehr stimmig und bedarf einer Justierung (siehe An- hang hinsichtlich der punktuellen Erhöhung zur Rettungsgasse). Eine Halterhaftung hätte auch im fließenden Verkehr eine große Bedeutung zur Ahn- dung von Verstößen. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Im weitest gehenden Fall der unmittelbaren Halterhaftung haftet die Fahrzeughalterin oder der Fahrzeughalter für alle Verstöße, die mit ihrem Fahrzeug begangen worden sind. Eine weitere Mög- lichkeit besteht darin, die Haftung der Fahrzeughalterin oder des Fahrzeughalters auf eine Kostentragungspflicht zu beschränken. Eine solche Halterkostenhaftung würde die Ausdehnung des § 25 a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) auf den fließenden Verkehr bedeuten. Fahrzeughalterinnen oder Fahrzeughalter müssten demnach auch bei Verstößen im fließenden Verkehr zumindest die Kosten des Verfahrens tra- gen. Somit werden sie nicht bestraft, sind aber verpflichtet, die Verwaltungsgebühren
für die Erstellung des Bußgeldbescheides zu tragen. Eine weitere Ausgestaltungs- möglichkeit einer Halterhaftung stellt die Einführung einer bußgeldbewehrten Aus- kunftspflicht der Halterin oder des Halters über die Fahrerin oder den Fahrer dar. Kommt die Halterin oder der Halter dieser Verpflichtung nicht nach, drohen ihr oder ihm Sanktionen. Ein weiteres Modell der Halterhaftung sieht vor, dass der Halterin oder dem Halter die Verpflichtung zur verantwortungsvollen Auswahl der Fahrerin oder des Fahrers obliegt und bei einem Verstoß mit dem jeweiligen Fahrzeug die Halterin oder der Halter ebenjene Pflicht missachtet. Im Gegensatz zur bußgeldbe- wehrten Auskunftsverpflichtung zielt dieses Modell nicht primär auf die Fahrerermitt- lung ab, sondern soll die Halterin oder den Halter zu einem verantwortungsvollen Umgang bei der Überlassung des Fahrzeuges bewegen. Zahlreiche Verstöße werden bei den Verkehrsteilnehmenden aufgrund sehr geringer Sanktionshöhen als „Kavaliersdelikte“ eingeordnet und als vom Staat „noch akzep- tiertes Verhalten“ wahrgenommen. Für einen Teil solcher Verstöße z. B. in Bezug auf Geschwindigkeitsüberschreitungen aufgrund 3 km/h technischer Messtoleranz plus bis zu 5 km/h Ermessenstoleranz, findet in der Realität keine Sanktionierung statt. Vorsatz und Gefährdung können bei Ordnungswidrigkeiten in der Praxis nur unzu- reichend sanktioniert werden. Das Punktesystem sollte nach Prüfung des Gefährdungspotentials angepasst wer- den. Auch bei geringeren Verstößen sollte eine frühere Vergabe von Punkten und Erhöhung der Anzahl an Punkten je Verstoß geprüft werden. Im Hinblick auf die im Zuge der StVO-Novelle erfolgten Änderungen („Bei Benutzung eines Fahrzeugs unnötigen Lärm oder vermeidbare Abgasbelästigungen verursacht“ Erhöhung des Regelsatzes von 10 auf 80 Euro; „Innerhalb einer geschlossenen Ort- schaft unnütz hin-und hergefahren und dadurch Andere belästigt“ Erhöhung des Re- gelsatzes von 20 auf 100 Euro) hält es die Ad-hoc-Arbeitsgruppe derzeit nicht für angezeigt, eine weitere Erhöhung der Bußgelder für Tatbestände im Zusammenhang des „Autoposings“ anzustreben. Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Sanktionsniveau Verkehrsordnungswidrigkeiten“ stellt fest, dass eine Untersuchung aller Tatbestände des Bußgeldkataloges hinsichtlich ihres Gefährdungspotentials unter Berücksichtigung der Unfallzahlen in dem vorhan- denen zeitlichen Rahmen nicht realisierbar ist und spricht sich deshalb dafür aus, in einem ersten Schritt folgende Anpassungen der Sanktionshöhen zu prüfen: 1. Zentral für Unfallentstehung sowie daraus resultierende Folgen ist die Ge- schwindigkeit. Durch eine spürbare Erhöhung der Bußgelder zur Sanktionie- rung von Geschwindigkeitsüberschreitungen wird eine hohe Wirkung auf das tatsächliche Geschwindigkeitsverhalten erwartet. Es steht aber auch symbo- lisch dafür, dass die Missachtung von Verkehrsregeln von Seiten des Gesetz- gebers nicht toleriert wird. Aufbauend auf der Diskussion des eingerichteten Expertengremiums wurde ein Fachvorschlag entwickelt, welcher mit einer Anhebung der Regelsätze für Geschwindigkeitsüberschreitungen um Faktor 4 innerorts und Faktor 3 außer- orts eine Annäherung an andere in der Verkehrssicherheit erfolgreiche Länder in Europa gewährleistet (siehe hierzu auch Anhang 1). Zusätzlich wurden die Regelsätze im Verwarnungsgeldbereich bis 20 km/h Überschreitungen ange- hoben, um der Einordnung solcher Verstöße als „Kavaliersdelikte“ bei den
Verkehrsteilnehmenden entgegenzuwirken und einen stärker stetigen Anstieg der Bußgelder entsprechend der tatsächlichen Gefährdung abzubilden. Der Fachvorschlag bezieht sich auf Bußgelder für Pkw und andere Kfz bis 3,5t. Die Sanktionierung mit Punkten und Fahrverboten sowie die Geldbußen für die anderen Fahrzeugklassen sind entsprechend anzupassen. Ausgehend vom Fachvorschlag schlägt die Ad-hoc-AG vor, die im Zuge der am 14.02.2020 beschlossenen StVO-Novelle erfolgten Anpassungen zu über- nehmen und nur Anpassungen ab Überschreitungen von 20km/h und mehr entsprechend dem Fachvorschlag vorzunehmen. Außerdem soll der Anstieg zwischen Überschreitungsstufen von 16-20 km/h und 21-25 km/h abgemildert werden (siehe nachfolgende Tabelle). Tabelle 1: Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts und außerorts (Pkw, andere Kfz bis 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht) Regelsätze Über- Innerorts Außerorts schreitung Fach- Vorschlag bis- bis- Fach- Vorschlag künftig vor- Ad-hoc- künftig her her vorschlag Ad-hoc-AG schlag AG bis 5 km/h 60 € 40 € 15 € 10 € 6-10 km/h 30 € 80 € 30 € 20 € 60 € 20 € 11-15 km/h 25 € 50 € 140 € 50 € 20 € 40 € 100 € 40 € 16-20 km/h 35 € 70 € 220 € 70 € 30 € 60 € 150 € 60 € 21-25 km/h 80 € 320 € 220 € 70 € 210 € 150 € 26-30 km/h 100 € 400 € 400 € 80 € 240 € 240 € 31-40 km/h 160 € 640 € 640 € 120 € 360 € 360 € 41-50 km/h 200 € 800 € 800 € 160 € 480 € 480 € 51-60 km/h 280 € 1.120 € 1.120 € 240 € 720 € 720 € 61-70 km/h 480 € 1.920 € 1.920 € 440 € 1.320 € 1.320 € über 70 km/h 680 € 2.720 € 2.720 € 600 € 1.800 € 1.800 € 2. Aufbauend auf dem Beschluss der Innenministerkonferenz der Bundesländer werden für Überschreitungen der zulässigen Gesamtmasse von Fahrzeugen durch Überladung, Überschreitungen der zulässigen Achslasten sowie man- gelnde Ladungssicherung ebenfalls die Sanktionen erhöht, da die bisherigen Sanktionshöhen keine abschreckende Wirkung entfalten. Grundlage sind die Empfehlungen einer europäischen Studie zur Harmonisierung der Sanktionie- rung im gewerblichen Verkehr1. Ein erhöhter Bußgeldsatz für Gefährdungen wird als nicht praktikabel angesehen, da deren Überwachung und Sanktionie- rung in der Praxis kaum möglich ist. 1 European Commission Directorate-General for Mobility and Transport DM 28 (2013). “Study on sanctions in the field of commercial road transport” (https://ec.europa.eu/transport/sites/transport/files/modes/road/studies/doc/2013-02-harmonisation-of-sanctions-commercial-road- transport-part-i.pdf)
Tabelle 3: Überladung eines Kfz mit einem zulässigen Gesamtgewicht von >7,5t oder einem Anhänger mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 2t Überladung Regelsatz Fahrer Halter bisher neu bisher neu 2-5% 30 € 200 € 35 € 1.600 € mehr als 5% 80 € 550 € 140 € 6.500 € mehr als 10% 110 € 750 € 235 € 11.000 € mehr als 15% 140 € 1.000 € 285 € 13.500 € mehr als 20% 190 € 1.350 € 380 € 17.500 € mehr als 25% 285 € 2.000 € 425 € 20.000 € mehr als 30% 380 € 2.600 €
Anhang In Tabelle 3 werden die aktuellen Bußgelder für Geschwindigkeitsüberschreitungen den Regelsätzen andere Länder in Europa gegenübergestellt. Die Auswahl orien- tiert sich an Ländern, welche in der Statistik der tödlichen Unfallopfer führend in Be- zug auf geringe Opferzahlen sind, sowie Ländern, welche in näherer Vergangenheit Sanktionshöhen verschärft haben (CH, F). Die stärkere Anpassung der Regelsätze innerorts im Vergleich zu außerorts wird mit der Gefährdung besonders schutzbedürftiger Verkehrsteilnehmender wie Kin- der, Hilfsbedürftiger, Senioren, Zufußgehender und (mit steigender Relevanz) Rad- fahrender begründet. Zusätzlich wird die in 2017 erfolgte Anpassung der Bußgelder in Bezug auf das Bil- den einer Rettungsgasse als Orientierung für die Anpassung der Bußgelder für Ge- schwindigkeitsüberschreitungen aufgezeigt. Tabelle abelle 3: Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts im Vergleich Bußgeldern anderer Länder und einer Anhebung analog der Anhebung zur Rettungsgasse im Jahr 2017 (Pkw, andere Kfz bis 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht) Regelsätze Innerorts Außerorts Sta- andere Länder Anpas- Sta- andere Länder Anpas- tus sung ana- tus sung ana- Über- quo log Erhö- quo log Erhö- schrei- hung hung tung Rettungs- Rettungs- Deutschland* Deutschland* Niederlande Niederlande gasse gasse Frankreich Frankreich Schweden Schweden Norwegen Norwegen (Anpassung (Anpassung Schweiz Schweiz 2017 von 2017 von 20 auf 240 20 auf 240 €) €) 13 18 bis 5 km/h 40 34 79 40 32 68 141 79 15 5 8 10 180 120 (30) 12 13 18 20 (20) 6-10 km/h 72 100 67 68 141 208 0 5 8 8 25 13 13 22 37 20 11-15 km/h 25 300 160 129 68 188 337 240 (50) 3 5 5 6 (40) 0 Gel 240 35 dst 19 13 26 54 30 16-20 km/h 420 183 68 225 466 360 (70) ra- 1 5 3 5 (60) fe An 84 An- 25 13 30 21-25 km/h 80 zei 2 960 70 zei 241 135 263 634 840 6 5 0 ge ge 33 13 33 317 26-30 km/h 100 1.200 80 135 300 842 960 4 5 8 13 37 375 1,55 31-40 km/h 160 1.920 120 135 1.440 5 5 k An 13 An- 41-50 km/h 200 2.400 160 135 1.920 zei 5 zei 51-60 km/h 280 ge 1,5k 3.360 240 ge 1,5 2.880 k 61-70 km/h 480 5.760 440 5.280 über 70 680 8.160 600 7.200 km/h *Werte in Klammern entsprechend StVO-Novelle 2020
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