Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

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Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode
Bericht des Landesbeauftragten
für politische Bildung
in der 19. Wahlperiode
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Bericht des Landesbeauftragten
für politische Bildung
in der 19. Wahlperiode
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode
tische Bildung entlang von sieben Themen­feldern.
                                                       Ein eigenes Kapitel ist dem Besuch des Bundes­
                                                       präsidenten Frank-Walter Steinmeier im März 2019
                                                       in Neumünster gewidmet. Projekte zu den im Be-
                                                       richtszeitraum stattgefundenen Wahlen werden
                                                       ebenfalls in einem separaten Kapitel dargestellt. Der
                                                       Bericht endet mit konkreten Handlungsempfehlun-
                                                       gen für eine Weiterentwicklung und Stärkung der
                                                       politischen Bildung in Schleswig-Holstein.
                                                       Laut § 7 des Gesetzes zur Einrichtung des Amtes
                                                       eines oder einer Landesbeauftragten für politische
                                                       Bildung (PolBiLBeauftrG SH) legt der Landesbeauf-
                                                       tragte in jeder Wahlperiode einen Bericht über die
                                                       Situation der politischen Bildung sowie seine Tätig-
                                                       keit vor. Der Berichtszeitraum des vorliegenden Be-
                                                       richts reicht vom 1. Februar 2017 bis zum 30. Juni 2020.
Foto: Kaja Grope.                                      Alle Zahlenangaben dieses Berichts geben – soweit
                                                       nicht anders angegeben – den Stand des 30. Juni 2020
                                                       wieder.
                                                       Mein Dank gilt dem Präsidenten des Schleswig-­
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,                  Holsteinischen Landtages und seinen Stellvertrete-
sehr geehrte Mitglieder des                            rinnen, allen Mitgliedern des Schleswig-Holsteini-
Schleswig-Holsteinischen Landtages,                    schen Landtages sowie den Mitarbeiter*innen der
sehr geehrte Damen und Herren,                         Fraktionen und der Landtagsverwaltung für die gute
                                                       Zusammenarbeit und die entgegengebrachte Wert-
politische Bildung leistet einen unverzichtbaren Bei- schätzung für meine Arbeit. Ebenso danke ich den
trag, um die Bürger*innen – insbesondere Jugend­ Mitgliedern des Kuratoriums des Landesbeauftrag-
liche und junge Erwachsene – für unsere Demokratie ten für politische Bildung und den vielen Kooperati-
zu gewinnen. Die Einsicht in die Vorzüge unserer frei- onspartner*innen im gesamten Bundesland für den
heitlich-demokratischen Grundordnung vererbt sich gemeinsamen und gewinn­bringenden Einsatz für die
nicht von allein. Diejenigen, die erst neu in ­unsere politische Bildung in Schleswig-­Holstein.
poli­tische Ordnung hineinwachsen, müssen diese
Ordnung mit ihren Werten und Normen verstehen Kiel, den 30. September 2020
lernen. Und wir müssen versuchen, die­jenigen, die an
unserer Demokratie und an unserem Rechtsstaat
zweifeln, mit guten Argumenten und gesamtgesell-
schaftlichen Bemühungen für unser Gemeinwesen Dr. Christian Meyer-Heidemann
                                                       Landesbeauftragter für politische Bildung
zurückzugewinnen.
Ich freue mich, Ihnen – auch im Namen meiner Mit-
arbeiter*innen – den Bericht über meine Tätigkeit in
der 19. Wahlperiode vorlegen zu können. Der Bericht
zeigt die grundlegende Bedeutung politischer Bil-
dung in sechs Handlungsfeldern auf und dokumen-
tiert die Aktivitäten des Landesbeauftragten für poli-

                                                                                                            3
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

Inhalt
                                Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3

            1          Der Landesbeauftragte für politische Bildung
                       1.1      Mission Statement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6

                       1.2      Kuratorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7

                       1.3      Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7

            2          Handlungsfelder der politischen Bildung
                       2.1      Politische Bildung in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  8

                       2.2 Außerschulische politische Jugendbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  11

                       2.3 Politische Erwachsenenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  14

                       2.4 Politische Bildung für Menschen mit

                                Flucht- und Migrationserfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  15

                       2.5 Publikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  16

                       2.6 Digitales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  18

            3        	Aktivitäten und Projekte in verschiedenen
                       Themen­feldern der politischen Bildung
                       3.1      Grundfragen der politischen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  20

                       3.2 Historische Bildung und Erinnerungskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  22

4
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode
3.3     Bürgerschaftliches Engagement und

            kommunale Kinder- und Jugendbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  25

    3.4 Extremismusprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  27

    3.5 Digitalisierung und Medienkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  30

    3.6 Europäische und internationale Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  32

    3.7 Landeskunde Schleswig-Holstein und

            nationale Minderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  34

4   	Besuch des Bundespräsidenten
    Frank-Walter Steinmeier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  36

5   Projekte und Aktivitäten zu Wahlen
    5.1     jung & wählerisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  38

    5.2 Wahl-O-Mat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  40

    5.3 Wahl-O-Mat zum Aufkleben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  42

    5.4 Juniorwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  44

    5.5 Diskussionen und Seminare für Erstwähler*innen . . . . . . . . . . . . . . . . . .  45

    5.6 Weitere Projekte im Vorfeld von Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  46

6   Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  48

7   Ansprechpartner*innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  54

                                                                                                                                               5
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

1.
Der Landesbeauftragte
für politische Bildung

                                                                           1.1 Mission Statement

                                                                           Der Landesbeauftragte für politische Bildung nimmt
                                                                           in Schleswig-­Holstein die Aufgaben der früheren

                                14          Mitglieder im
                                                                           Landeszentrale für politische ­Bildung wahr. Er berät
                                            Kuratorium                     die Landesregierung und den Landtag in Grund­
                                                                           satzangelegenheiten der politischen Bildung. Der
                                                                           Landesbeauftragte und sein Team arbeiten über­

                      70
                                                                           parteilich und politisch unabhängig. Die Bildungs­
                                                                           angebote richten sich an alle Bürger*innen, um die
                                                                           freiheitlich-demokratische Grundordnung zu stär-
        Landesweit                                                         ken und die politische Kultur in Schleswig-Holstein
             mehr
               als
                                                                           zu bereichern. Gemeinsam mit verschiedenen Ko-
                           Kooperations-                                   operationspartner*innen entwickelt der Landes­
                           partner*innen                                   beauftragte neue Ideen für die politische Bildung

                                         7
                                                                           und setzt diese in die Praxis um.
                                                                           Die Themen der Veranstaltungen und Projekte sind
                                                                           vielfältig. Neben aktuellen politischen Fragen werden
                                               Mitarbeiter*innen           auch historische Ereignisse und Entwicklungen auf-

       144
                                                                           gegriffen. Oft steht der thematische Bezug zu
                                                                           Schleswig-­Holstein im Mittelpunkt, aber es werden
                                                                           ebenso nationale und internationale politische Ent-
                                                                           wicklungen analysiert. Der Landesbeauftragte für
                                                                           politische Bildung setzt bei Veranstaltungen und
                                         abgeschlossene                    Projekten auf Formate und Methoden, die einen Aus-
                                         Kooperations­                     tausch zwischen den Teilnehmer*innen ermögli-
                                         vereinbarungen
                                                                           chen. Die Teilnahme an Veranstaltungen und Pro­
                                                                           jekten ist grundsätzlich kostenfrei.
                                                                           Der Landesbeauftragte für politische Bildung macht
                                                                           vielfältige digitale Bildungsangebote. Zunehmend
                                                                           werden Veranstaltungen auch auf digitalen Plattfor-

6
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode
Mitglieder des Kuratoriums des
Landesbeauftragten für politische
Bildung in der 19. Wahlperiode,
v.l.n.r.: Tobias von der Heide, MdL;
Karsten Biermann (Vorsitzender
des Kuratoriums); Jette
Waldinger-­Thiering, MdL
(stellvertretende Vorsitzende
des Kuratoriums); Jan
Oliver Kammesheidt; Lasse
Peters­dotter, MdL; Anita Klahn,
MdL; Tobias von Pein, MdL;
Monika Peters; Jens Henriksen.
Es fehlen: Dr. Frank Brodehl, MdL;
Helmut Landsiedel; Doris
Lorenz; Christian Waldheim;
Anna Weigand. Foto: Der
Landesbe­auftragte für politische
Bildung / Dr. Hauke Petersen.

 men angeboten, um den Kreis der Teilnehmer*innen        Das Kuratorium nimmt regelmäßig Berichte des
zu erweitern. Die Website politische-bildung.sh bildet   Landesbeauftragten über seine Arbeit entgegen,
 eine zentrale Plattform für die politische Bildung in   diskutiert zu fachlichen Fragen und gibt Anregun-
Schleswig-Holstein. Außerdem bietet der Landes­          gen für die politische Bildungsarbeit. Es kann bei Be-
 beauftragte Informationen und Diskussionsbeiträge       darf weitere Expert*innen zur Beratung hinzuziehen.
in den sozialen Medien auf Facebook, Twitter und         Die Sitzungen des Kuratoriums sind grundsätzlich
­Instagram an. Im Online-Shop können Bürger*innen        öffentlich.
 kostengünstig Bücher, Broschüren und weitere Mate-
 rialien versandkostenfrei bestellen.
                                                         1.3 	Ausstattung mit Personal- und
                                                               Sachmitteln
1.2 Kuratorium
                                                         Die Personal- und Sachmittel des Landesbeauftrag-
Das 14-köpfige Kuratorium besteht aus Vertreter*in-      ten für politische Bildung sind in einem eigenen
nen der Landtagsfraktionen sowie je einer von jeder      Haushaltskapitel aufgeführt. Der Landesbeauftragte
Fraktion zu benennenden sachverständigen Person,         wird von einem Team von sieben Mitarbeiter*innen
die in Institutionen oder Verbänden mit Fragen der       unterstützt. In der aktuellen 19. Wahlperiode wurden
politischen Bildung befasst ist. Die parteinahen Bil-    Stellen mit den Themenschwerpunkten „Parteien­
dungseinrichtungen der im Landtag vertretenen Par-       demokratie und Populismus“ sowie „Bildungsarbeit
teien benennen ebenso wie die Landesschüler*in-          gegen Antisemitismus“ eingerichtet.
nenvertretungen jeweils eine*n gemeinsame*n              Die Sachmittel für politische Bildungsmaßnahmen
Vertreter*in. Die Mitglieder werden für die Dauer der    betragen 280.000 Euro pro Jahr. Hinzu kommen wei-
Wahlperiode des Schleswig-­Holsteinischen Landta-        tere zweckgebundene Mittel, wie etwa 30.000 Euro
ges vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen         für Projekte zu Wahlen und Europa, sowie Verwal-
Landtages bestellt.                                      tungsausgaben.

                                                                                                             7
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

2.
Handlungsfelder der
politischen Bildung

Die Aktivitäten des Landesbeauftragten für politi-                         Daher sollte in der Betrachtung der Ausgangslage
sche Bildung lassen sich in sechs Handlungsfelder                          und der Beurteilung der Bildungspotenziale grund­
untergliedern. Angebote für Jugendliche und junge                          legend zwischen dem Fachunterricht der politischen
Erwachsene finden sowohl im schulischen Kontext                            Bildung und der Demokratiebildung als Aufgabe al-
als auch in der außerschulischen politischen Kinder-                       ler Schulfächer sowie der Schule insgesamt unter-
und Jugendbildung statt. Hinzu kommt der allge-                            schieden werden. Beide Ansätze haben unterschied-
meine Bereich der Erwachsenenbildung. Als Hand-                            liche Schwerpunkte und Bildungspotenziale; sie
lungsfeld mit eigenen Herausforderungen wird die                           stehen nicht in Konkurrenz, sondern verhalten sich
politische Bildung für Menschen mit Flucht- oder                           komplementär zueinander.
Migrationserfahrung aufgefasst. Neben der Heraus-                          Der Fachunterricht der politischen Bildung an den
gabe und Verbreitung von Publikationen hat das                             Gymnasien findet in erster Linie im Fach Wirtschaft/
Handlungsfeld der digitalen Bildungsangebote zu-                           Politik statt. Damit ist an den Gymnasien eine deut­
nehmend an Bedeutung gewonnen.                                             liche Verankerung der politischen Bildung in einem
                                                                           Schulfach gegeben. Die Ausbildung der Wirtschaft/
                                                                           Politik-Lehrkräfte erfolgt in Schleswig-Holstein
2.1 Politische Bildung in der Schule                                       durch Studiengänge mit fundierten fachwissen-
                                                                           schaftlichen Anteilen, die auf die fachlichen Heraus-
      Der politischen Bildung in der Schule kommt eine                     forderungen der schulischen Curricula abgestimmt
      zentrale Bedeutung zu. Kennzeichnend für dieses                      sind. Durch das Instrument der Kontingentstunden-
      Handlungsfeld sind die allgemeine Erreichbarkeit                     tafel variieren die in der Sekundarstufe I tatsächlich
      junger Menschen sowie die Verbindlichkeit und der                    unterrichteten Wochenstunden im Fach Wirtschaft/
      hohe Grad an Formalisierung der Bildungsangebote.                    Politik jedoch deutlich – ebenso die Jahrgangsstufe,
      Politische Bildungsprozesse werden sowohl durch                      in der mit dem Fachunterricht Wirtschaft/Politik be-
      den Fachunterricht der politischen Bildung als auch                  gonnen wird. Der Durchschnitt der erteilten Jahres-
      durch innerschulische Beteiligungserfahrungen so-                    wochenstunden in der Sekundarstufe I lag im Schul-
      wie durch die allgemeinen Bestrebungen der Schule                    jahr 2017/2018 bei 2,8, im Schuljahr 2018/2019 bei 2,7.1
      zur Demokratiebildung angeregt.                                      Ab dem Schuljahr 2020/2021 soll aufwachsend ab

1   Kleine Anfrage der Abgeordneten Jette Waldinger-Thiering und Antwort der Landesregierung –
     Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur; Drucksache 19/1753 vom 23.10.2019.

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Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode
Jahrgangsstufe 7 für das Fach Wirtschaft/­Politik ein                  lag nach Angaben des Ministeriums für Bildung,
verbindliches Mindestkontingent von vier Jahres­                       Wissen­schaft und Kultur im Fach Weltkunde bei 14,1
wochenstunden in der Sekundarstufe I ein­geführt                       Wochen­stunden (Schuljahr 2018/19) an Gemein-
werden.2                                                               schaftsschulen mit Oberstufe3, im gleichen Jahr lag
Der Fachunterricht der politischen Bildung an den                      der Durchschnitt im Fach Weltkunde an Gemein-
Gemeinschaftsschulen hat bislang keine eindeutige                      schaftsschulen ohne Oberstufe bei 10,5. Für das Fach
Verankerung in einem Schulfach. Im Bereich Gesell-                     Wirtschaft/Politik lagen die Zahlen hingegen bei
schaftswissenschaften integriert das Fach Weltkunde                    durchschnittlich 3,2 Wochenstunden (Gemein-
vor allem historische und geographische, aber mit                      schaftsschulen mit Oberstufe, 2018/19) bzw. 4,9 Wo-
geringerem Anteil auch politische Themen. Jedoch                       chenstunden (Gemeinschaftsschulen ohne Ober-
sind die Lehrkräfte des Faches Weltkunde über­                         stufe, 2018/19). Ab dem Schuljahr 2020/2021 soll
wiegend durch ein Lehramtsstudium des Faches Ge-                       auch an den Gemeinschaftsschulen aufwachsend ab
schichte oder Geographie qualifiziert. Die politi-                     Jahrgangsstufe 7 das Fach Wirtschaft/Politik mit ei-
schen Themen im Weltkundeunterricht werden da-                         nem verbindlichen Mindestkontingent von vier Jah-
her in der Regel fachfremd unterrichtet und ihre tat-                  reswochenstunden in der Sekundarstufe I unterrich-
sächlichen Anteile am Unterrichtsfach sind gering.                     tet werden. 4
Erschwerend kommt hinzu, dass ebenfalls politische                     Der Politikunterricht an den Berufsschulen findet im
Inhalte an den Gemeinschaftsschulen im Fach Wirt-                      Fach Wirtschaft/Politik statt, das in der Regel zwei-
schaft/Politik verortet sind, dieses Fach aber nicht                   stündig pro Woche unterrichtet werden soll. In der
dem Bereich Gesellschaftswissenschaften, sondern                       Lehramtsausbildung für dieses Fach besteht an der
dem Bereich „Arbeit, Wirtschaft und Verbraucher­                       Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Profil Wirt-
bildung“ zugeordnet ist. Daraus ergibt sich, dass für                  schaftspädagogik) das strukturelle Problem, dass
die politische Bildung an den Gemeinschaftsschulen                     Studierende das Fach Wirtschaftswissenschaft zwar
keine klare Fachzuordnung vorliegt, da sie auf zwei                    mit elf weiteren Fächern, nicht aber mit dem Fach
Fächer in zwei unterschiedlichen Bereichen der Kon-                    Wirtschaft/Politik kombinieren können. Dies führt
tingentstundentafel verteilt stattfindet. Das kann zur                 in der Praxis an den Berufsschulen dazu, dass die po-
Folge haben, dass Unterrichtsthemen entweder                           litischen Inhalte im Schulfach Wirtschaft/Politik von
mehrfach oder teils überhaupt nicht behandelt wer-                     Lehrkräften unterrichtet werden, die überwiegend
den, die ohnehin knappe Unterrichtszeit insgesamt                      kein politikwissenschaftliches oder politikdidakti-
nicht effizient genutzt wird oder vertiefende Unter-                   sches Studium absolviert haben.
richtsinhalte der politischen Bildung in keinem der                    Die allgemeine Demokratiebildung bildet einen
beiden Fächer ihren Raum finden.                                       wichtigen komplementären Ansatz zum Fachunter-
In Verbindung mit den Gestaltungsmöglichkeiten                         richt der politischen Bildung. Diese Aufgabe ergibt
der Kontingentstundentafel ergibt sich ein äußerst                     sich aus dem allgemeinen Bildungs- und Erziehungs-
heterogenes Bild der politischen Bildung im Fachun-                    auftrag der Schule, insbesondere den pädagogischen
terricht der Gemeinschaftsschulen. Der durch-                          Zielen (§ 4 SchulG). Hierzu können alle Schulfächer
schnittlich erteilte Unterricht in der Sekundarstufe I                 sowie fächerübergreifende und außerunterrichtliche

2	Schreiben der Ministerin Prien vom 4. Februar 2020 an die Schulleitungen der Gymnasien und
    Gemeinschaftsschulen.
3	Kleine Anfrage der Abgeordneten Jette Waldinger-Thiering und Antwort der Landesregierung –
    Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur; Drucksache 19/1753 vom 23.10.2019.
4 	Schreiben der Ministerin Prien vom 4. Februar 2020 an die Schulleitungen der Gymnasien und
    Gemeinschaftsschulen.

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Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

Politische Bildung in der Schule: Eine Fortbildung für Lehrkräfte und
Schülervertretungen, die der Landesbeauftragte für politische Bildung
gemeinsam mit Minister­präsident Daniel Günther eröffnete.
Foto: Staatskanzlei.

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Bildungsangebote ihren Beitrag leisten. Da Demo-                            tungen sowie Schulprojekte im Vorfeld von Wahlen
kratiebildung nicht rein kognitiv, sondern durch die                        (siehe dazu ausführlich Kapitel 5).
Erfahrungen des eigenen Handelns erfolgt, kommt
den realen demokratischen Handlungsmöglich­
keiten ein besonderer Stellenwert zu. Hier sind in                          2.2 	Außerschulische politische
erster Linie innerschulische Beteiligungsmöglich­                                 Jugendbildung
keiten von Schüler*innen, wie z. B. Klassenrat und
Schüler*innenvertretung sowie die Mitbestimmung                                  Das Handlungsfeld der außerschulischen politischen
in Schulkonferenzen, zu nennen.                                                  Jugendbildung umfasst vor allem die verbandliche
Außerdem ist für gelingende politische Bildungs­                                 und offene Kinder- und Jugendarbeit, kommunale
prozesse die Begegnung mit realer Politik und den                                Kinder- und Jugendbeteiligung sowie Projekte mit
dort handelnden Personen besonders förderlich.                                   Jugendbildungsstätten oder anderen Trägern.
Diese Begegnungen können außerschulisch erfolgen
(z. B. durch Besuche des Landtages, der Kommunal-                           Die verbandliche Jugendarbeit bildet ein breites
vertretungen oder weiterer politischer Organisatio-                         Spektrum gesellschaftlichen Engagements ab. In Ju-
nen) oder durch die Einladung von Politiker*innen in                        gendverbänden kommen Kinder und Jugendliche zu-
Schulen. Der Erlass zur politischen Bildung in Schu-                        sammen, werden gemeinsam aktiv, gestalten ihre
len5 hebt dieses Bildungspotenzial hervor und zeigt                         Freizeit und engagieren sich für ihre Interessen. Trotz
Einbindungsmöglichkeiten von Politiker*innen in                             der inhaltlichen Vielfalt der Jugendverbände verfü-
Schulveranstaltungen auf. Insbesondere vor Wahlen                           gen alle über eine verbandliche Organisation, die das
(siehe Kapitel 5) führte der Landesbeauftragte für po-                      Engagement strukturiert und eine Vielzahl an Bil-
litische Bildung auf dieser Grundlage etliche Dialog-                       dungsangeboten bereitstellt. Die Arbeit der Ver-
veranstaltungen in Schulen gemeinsam mit dem Ver-                           bände wird überwiegend ehrenamtlich getragen. Ne-
band Politischer Jugend (VPJ) durch. Das vom                                ben dem hohen Organisationsgrad ist dieser Bereich
Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in                         durch Freiwilligkeit und vergleichsweise hohes En-
Kooperation mit Kumulus e.V. durchgeführte Format                           gagement der Heranwachsenden geprägt.
dialog.P leistet ebenfalls einen Beitrag zur Einbindung                     Auch wenn die politische Bildung bei vielen Aktivitä-
von Politiker*innen in Schulen.                                             ten der Jugendarbeit nicht explizit im Mittelpunkt
Im Berichtszeitraum lassen sich die Tätigkeiten des                         steht, leistet die verbandliche Jugendarbeit einen
Landesbeauftragten im Handlungsfeld der politi-                             wichtigen Beitrag zur politischen Bildung und
schen Bildung in der Schule wie folgt kennzeichnen:                         Soziali­sation von Jugendlichen. Im Rahmen ihres En-
Entwicklung und Distribution von Unterrichtsmate-                           gagements lernen junge Menschen, ihre Interessen
rial (jeweils zur Kommunal- und Landespolitik in                            zu artikulieren, diese mit anderen abzustimmen und
Schleswig-Holstein, zur Revolution 1918 sowie zur                           Kompromisse zu bilden. Da diese Selbstorganisation
Cap-Arcona-Katastrophe), projektbezogene Koope-                             sich in verbandlichen Zusammenhängen vollzieht,
rationen (z. B. Jugend debattiert, Schule ohne Rassis-                      die auch Repräsentationsorgane und Wahlen umfas-
mus – Schule mit Courage), Fortbildungen für Lehr-                          sen, lernen Jugendliche in ihrem Engagement demo-
kräfte, Durch­führung von Fachtagen, verschiedene                           kratische Prozesse und Strukturen kennen. Das Wis-
Projekttage u. a. zum Thema Grundrechte, Vorträge                           sen um demokratische Abläufe und Erfahrungen mit
und Workshops an Schulen, Vermittlung von Refe-                             politischer Entscheidungsfindung sind daher eben-
rent*innen und Zeitzeug*innen für Schulveranstal-                           falls ein Kennzeichen dieses Bereichs.

5   Erlass des Ministeriums für Schule und Berufsbildung vom 6. Juli 2016

                                                                                                                                11
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

                                                                                   Außerschulische politische
                                                                                   Jugendbildung: Dr. Christian
                                                                                   Meyer-Heidemann und
                                                                                   Vertreter*innen kommunaler
                                                                                   Jugendbeteiligung am 20.
                                                                                   September 2019 im Kieler
                                                                                   Landeshaus. Foto: Der Landes­
                                                                                   beauftragte für politische
                                                                                   Bildung / Michael Holldorf.

Ein weiterer wichtiger Bereich im Handlungsfeld der teilweise einen sozial prekären Hintergrund bzw.
außerschulischen politischen Jugendbildung ist die sind bildungsbenachteiligt und damit für die politi-
offene Kinder- und Jugendarbeit mit ihren ca. 290 Ju- sche Bildung außerhalb von Jugendzentren und
gendzentren und -treffs in Schleswig-Holstein. Be- -treffs sowie Schule kaum erreichbar.
merkenswert an diesem Handlungsfeld ist, dass die Somit bieten diese Orte einerseits umfassende Mög-
Jugendlichen sich freiwillig für gemeinsame Aktivitä- lichkeiten, verschiedene Angebote der politischen Bil-
ten treffen und dass die Angebote kaum formalisiert dung in einer flexiblen, persönlich offenen und ver-
sind. Die Orte der offenen Kinder- und Jugendarbeit trauensvollen Atmosphäre umzusetzen. Andererseits
sind vergleichsweise niedrigschwellig und flexibel in können Jugendliche praktisch erfahren, was es bedeu-
Bezug auf mögliche Bildungsangebote.                  tet, an Entscheidungsprozessen beteiligt zu sein.
Die besondere Beziehung der Pädagog*innen zu den Ein weiterer Bereich der außerschulischen politi-
Kindern und Jugendlichen ist ein weiteres wichtiges schen Jugendbildung ist die kommunale Kinder- und
Kennzeichen dieses Handlungsfeldes. Die freiwillige Jugendbeteiligung. In Schleswig-Holstein existieren
Teilnahme und die Freiräume in den Einrichtungen, 70 Kinder- und Jugendvertretungen auf kommunaler
die sich an den Interessen der Heranwachsenden ori- Ebene. In den unterschiedlichen Vertretungs­gremien
entieren, ermöglichen den Mitarbeiter*innen in den partizipieren junge Menschen an kommunalen Ent-
Jugendzentren und -treffs ein vertrauensvolles Ver- scheidungen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 47 f der
hältnis zu den Kindern und Jugendlichen. Letztlich Gemeindeordnung Schleswig-Holstein, der eine an-
sollen die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit un- gemessene Beteiligung von Kindern und Jugend­
ter Einbeziehung der Jugendlichen selbst ent­stehen lichen bei Planungen und Vorhaben, die ihre In­
und sie zur Selbstbestimmung befähigen.               teressen berühren, vorschreibt. Institutionalisierte
Weiterhin sind Jugendzentren und -treffs auch An- Kinder- und Jugendvertretungen sowie weitere an-
laufpunkte für Jugendliche, die aus unterschiedli- lass- oder projektbezogene Beteiligungsformen bie-
chen Gründen an anderen sozialen Aktivitäten von ten Jugendlichen eine Möglichkeit, sich in kommu-
Gleichaltrigen nicht teilnehmen bzw. zu ihnen kei- nalpolitischen Themen ein Urteil zu bilden und ihre
nen Zugang haben. Diese Heranwachsenden haben Interessen zu artikulieren.

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Da sich die Jugendlichen für die Vertretungsgremien      im Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Fa-
selbst zur Wahl stellen müssen und sie häufig in den     milie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein
Kommunalvertretungen und den Ausschüssen mit             (MSGJFS), das gemeinsam mit dem Kreisjugendring
Rede- und Antragsrecht beteiligt sind, lernen sie        Stormarn e. V. sowie dem MSGJFS angebotene Lan-
kommunale Entscheidungs- und Verwaltungsstruk-           desforum PartizipAction! sowie die Jugendinitiative
turen sowie Akteur*innen kennen und sammeln Er-          zu den landesweiten Wahlen #LaWa_SH. Neben die-
fahrungen mit politischen Prozessen in ihren Ge-         sen landesweit aktiven Akteur*innen sind die Inter-
meinden. Durch diese Erfahrungen eignen die              nationale Bildungsstätte Jugendhof Scheersberg, die
Jugendlichen sich Wissen über politische Strukturen      Nordseeakademie Leck und die JugendAkademie Bad
und demokratische Entscheidungsfindung an. Da­           Segeberg als wichtigste Kooperationspartner*innen
rüber hinaus ist die Freiwilligkeit des jugendlichen     im Bereich der außerschulischen politischen Bildung
Engagements ein wichtiges Kennzeichen der kom-           zu nennen.
munalen Beteiligungsstrukturen.                          Die landesweite Zusammenarbeit im Bereich der
Der Landesbeauftragte für politische Bildung organi-     außer­schulischen politischen Jugendarbeit wird in
siert im Handlungsfeld der außerschulischen politi-      der beim Landesbeauftragten für politische Bildung
schen Jugendbildung außerdem einzelne Jugend­            angesiedelten Arbeitsgemeinschaft (AG) Politische
projekte mit Jugendbildungsstätten oder anderen          Jugendbildung koordiniert. Das Netzwerk OKJA-SH,
Trägern. Auch dieser Bereich ist durch die Freiwillig-   der Landesjugendring, das MSGJFS, das Ministerium
keit der Jugendlichen, sich an den Workshops oder        für Bildung, Wissenschaft und Kultur, die genannten
Seminaren zu beteiligen, und die Offenheit und           Bildungsstätten sowie weitere landesweit aktive Or-
Flexi­bilität in Bezug auf mögliche Bildungsangebote     ganisationen sind Mitglieder dieser AG, die auf Einla-
gekennzeichnet. Ein weiteres wichtiges Merkmal be-       dung des Landesbeauftragten für politische Bildung
steht darin, dass es sich häufig um einmalige Ange-      ca. vier Mal pro Jahr tagt.
bote handelt und die Teilnehmer*innen einander un-       Beispiele für die Tätigkeiten des Landesbeauftragten
bekannt sind.                                            für politische Bildung im Handlungsfeld der außer-
Die hohe Anzahl an Akteur*innen in der außerschu-        schulischen politischen Bildung waren im Berichts-
lischen politischen Jugendbildung führt dazu, dass in    zeitraum die Vernetzung der Akteur*innen in der AG
der verbandlichen und offenen Jugendarbeit die je-       Politische Jugendbildung, die Entwicklung eines Bil-
weiligen Dachorganisationen die wichtigsten Koope-       dungsmaterials zum Thema Kommunal­politik in Ko-
rationspartner*innen in diesem Handlungsfeld dar-        operation mit dem Landesjugendring Schleswig-­
stellen. Im Bereich der verbandlichen Jugendarbeit       Holstein e. V. und dem Kreisjugendring Stormarn e. V.,
ist der Landesjugendring Schleswig-Holstein e. V. mit    ein politisches Speed-Dating für Mädchen und junge
seinen 23 Mitgliedsverbänden und weiteren An-            Frauen mit Spitzenpolitikerinnen, die jährliche Ko-
schlussverbänden der wichtigste Kooperationspart-        operation im Landesforum für Kinder- und Jugendver-
ner für den Landesbeauftragten. In der offenen Ju-       tretungen PartizipAction!, die Einrichtung eines Infor-
gendarbeit ist es das Netzwerk Offene Kinder- und        mationsportals zur Kinder- und Jugendbeteiligung
Jugendarbeit in Schleswig-Holstein (OKJA-SH), das        unter politische-bildung.sh/jugendbeteiligung, die
ein Gremium der haupt- und ehrenamtlichen Ju-            zweimalige Unterstützung der landesweiten Wahlen
gendpfleger*innen ist. Angesichts der Vielzahl an        der kommunalen Kinder- und Jugendvertretungen so-
Vertretungsgremien stellen auch im Bereich der           wie mehrere ein- und mehrtägige Seminare für Erst-
kommunalen Kinder- und Jugendbeteiligung landes-         wähler*innen (siehe ausführlich im Kapitel 5).
weite Initiativen, Institutionen und Formate Partner
für eine Zusammenarbeit dar. Zu nennen sind hier
vorrangig die für Jugendbeteiligung zuständige Stelle

                                                                                                            13
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

2.3 Politische Erwachsenenbildung                                          boten konkurrieren, stellen eine Herausforderung
                                                                           für die politische Bildungsarbeit dar. Vielfach brin-
      Das Handlungsfeld der politischen Erwachsenen­                       gen Senior*innen Zeit und Interesse für Angebote
      bildung ist geprägt durch eine Vielzahl an Institutio-               der politischen Erwachsenenbildung auf. Überwie-
      nen, Akteur*innen und Formaten. Grundsätzlich soll                   gend werden klassische Präsenzformate (Vorträge,
      die politische Erwachsenenbildung Interesse für                      Diskussionsrunden) in Form von Abendveranstal-
      Politik wecken, historisches und politisches Wissen                  tungen nachgefragt.
      vermitteln und die politische Urteilskraft stärken.                  Der Landesbeauftragte für politische Bildung koope-
      Veranstaltungen der politischen Erwachsenen­                         riert hier mit zahlreichen Akteur*innen der politi-
      bildung sollen einen Raum bieten, in dem Bür-                        schen Bildung, z. B. mit den parteinahen Bildungs-
      ger*innen sachlich und konstruktiv über politische                   einrichtungen, der Landesarbeitsgemeinschaft
      und historische Themen diskutieren können. Darü-                     Schleswig-Holstein von Gegen Vergessen – Für Demo-
      ber hinaus beabsichtigt politische Bildung, die Bür-                 kratie e. V., dem Landesverband der Volkshochschulen,
      ger*innen zur Teilnahme an politischen Beratungs-                    der Deutsch-Französischen Gesellschaft Schleswig-­
      und Entscheidungsprozessen zu motivieren und zu                      Holstein e. V., dem Bündnis Eine Welt Schleswig-­
      befähigen.                                                           Holstein e. V. und vielen anderen Partnern.
                                                                           Das Angebot im Handlungsfeld der politischen Er-
Eine wesentliche Herausforderung besteht darin,                            wachsenenbildung umfasste im Berichtszeitraum
Menschen zu erreichen, die sich weder politisch en-                        klassische Formate wie Vorträge, Seminare und Dis-
gagieren noch bereits politisch interessiert sind. Sie                     kussionsveranstaltungen, aber auch Workshops, Ta-
bilden eine für die politische Bildung schwer zu er-                       gungen, Lesungen und Ausstellungen. Bei allen For-
reichende Zielgruppe. Aber auch diejenigen, in de-                         maten konnte sich das Publikum durch Fragen und
ren Alltag politische Bildungsangebote mit Beruf,                          Diskussionsbeiträge beteiligen.
Familie, Sport, Kultur und weiteren Freizeit­ange­

                                                                                                      Politische Erwachsenenbildung:
                                                                                                      Die Veranstaltung Wozu
                                                                                                      Gedenkstätten? am 29. Juni 2018
                                                                                                      im Kieler Landeshaus, v.l.n.r:
                                                                                                      Prof. Dr. Jan Philipp Reemtsma,
                                                                                                      Moderator Guido Froese, Prof. Dr.
                                                                                                      Stefanie Endlich und Dr. Felix
                                                                                                      Klein, Beauftragter der Bundes­
                                                                                                      regierung für jüdisches Leben in
                                                                                                      Deutschland und den Kampf
                                                                                                      gegen Antisemitismus. Foto: Der
                                                                                                      Landesbeauftragte für politische
                                                                                                      Bildung / Christian Kniese.

14
Feierlicher Abschluss des ersten Projektdurchlaufs von All in im
Jüdischen Museum in Rendsburg: Projektteil­nehmer Wasim Tattan,
Landtagspräsident Klaus Schlie, Idun Hübner (ZBBS), Dr. Christian
Meyer-Heidemann und Ehsan Abri (Projektleiter All In) (v.l.n.r.).
Foto: Hamid Saeidi.

2.4 	Politische Bildung für Menschen mit                           Im Berichtszeitraum wurde das 2016 gegründete Pro-
     Flucht- und Migrationserfahrung                                jekt New Ways for Newcomers in Kooperation mit
                                                                    der Zentralen Bildungs- und Beratungsstelle für
      Es besteht nach wie vor ein großer Bedarf an politi-          Migrant*innen e. V. (ZBBS) an mehreren Standorten
      schen Bildungsangeboten für Menschen mit Flucht-              in Schleswig-Holstein ausgebaut. Neben der ZBBS
      und Migrationserfahrung. Hier gilt es, Angebote und           waren u. a. Create Future e.V., das Diakonische Werk
      Projekte zu konzipieren und zu unterstützen, die den          Altholstein und das Quartiersmanagement Vicelin-
      grundlegenden Orientierungsbedürfnissen von Ge-               viertel in Neumünster weitere Kooperationspart-
      flüchteten entsprechen. Ebenfalls werden Bildungs-            ner*innen. Das Projekt wurde am 8. März 2019 in
      angebote für Menschen mit Migrationserfahrung,                Neumünster von Bundespräsident Frank-­Walter
      die schon länger in Schleswig-Holstein leben, benö-           Steinmeier besucht (siehe Kapitel 4). Darüber hinaus
      tigt. Dabei steht nicht allein die Wissensvermittlung         wurde ebenfalls in Kooperation mit der ZBBS und
      über das politische System Deutschlands im Vorder-            weiteren Partnern All In, das Transkulturelle Netz-
      grund, sondern vor allem die wertebasierten Grund-            werk gegen Antisemitismus und Rassismus ins Leben
      lagen des demokratischen und freiheit­lichen Zusam-           gerufen, welches seit 2018 durchgeführt wird (siehe
      menlebens. Die Besonderheit von Bildungsformaten              Kapitel 3.4).
      in diesem Bereich besteht in dem teilweise mutter-
      sprachlichen Angebot für die Teilnehmer*innen.

                                                                                                                    15
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

2.5 Publikationen                                                          Der Landesbeauftragte für politische Bildung hat etwa
                                                                           100 verschiedene Titel im Angebot, die auf der Web-
      Der Landesbeauftragte für politische Bildung bietet                  site des Landesbeauftragten bestellt oder direkt in
      zahlreiche aktuelle Publikationen (Bücher, Broschü-                  den Räumlichkeiten im Karolinenweg 1 in Kiel erwor-
      ren, Zeitschriften etc.) zu politischen und histori-                 ben werden können. Zudem besteht bei Veranstaltun-
      schen Themen an. Die Publikationen werden gegen                      gen regelmäßig die Möglichkeit, themenverwandte
      eine geringe Bereitstellungspauschale oder sogar                     Publikationen am Büchertisch zu erhalten.
      kostenfrei abgegeben und an alle Schleswig-Holstei-                  Die Bandbreite des Publikationsangebotes reicht von
      ner*innen kostenfrei versendet. Durch eine inten-                    Fragen der Digitalisierung über zahlreiche histori-
      sive Kooperation mit den Landeszentralen und der                     sche und landeskundliche Werke bis hin zu Büchern,
      Bundeszentrale für politische Bildung werden regel-                  die sich mit gesellschaftspolitischen Aspekten und
      mäßig aktuelle Verlagstitel in Form von Sonderaus-                   mit Fragen zur Zukunft der Demokratie befassen.
      gaben in das Angebot aufgenommen.                                    Zunehmend wird angestrebt, auch ein jüngeres Pub-
                                                                           likum an die Publikationsangebote des Landesbeauf-
                                                                           tragten heranzuführen, z. B. über Graphic Novels zu
                                                                           historisch-politischen Themen.

      21.275
                                                                           Außerdem ist der Landesbeauftragte für politische
                                                                           Bildung zu ausgewählten Themen selbst publizis-
                                                                           tisch tätig. Im Berichtszeitraum wurden etwa die
                                                                           Unter­richtsmaterialien Demokratie in Schleswig-­
                   abgegebene                                              Holstein. Institutionen, Akteure und Prozesse in der
                 Publikationen
           im Berichtszeitraum
                                                                           Landespolitik (2020 in 2. Auflage erschienen) sowie

               100
                                                                           Demokratie d  ­ irekt vor unserer Tür. Politische Gestal-
                                                                           tungsmöglichkeiten in der Gemeinde (2020 in 3. Auf-
                                                                           lage erschienen) herausgegeben. Speziell für den
               Ca.
                                                                           Geschichts­unterricht gab der Landesbeauftragte
                                                                           die Unterrichtsmaterialien Revolution 1918. Auf-
                                                                           bruch in Schleswig-Holstein und Die Geschichten um
                                                                           die Cap Arcona. Erinnern oder Vergessen? heraus. In
                                                                           jeweils zweiter Auflage sind Meine manipulierte Ju-
                                      aktuelle Titel im
                                                                           gend, Jugend­erinnerungen der Flensburgerin Inge-
                                 wechselnden Angebot
                                                                           burg Feddersen über das Aufwachsen im National-
                                                                           sozialismus, sowie die Broschüre Minderheiten und
                                                                           Volksgruppen in Schleswig-Holstein. Informationen
                                                                           und Selbstverständnisse (Autor: Frank Lubowitz) er-
Hauptziel der politischen Bildungsarbeit via Publikati-                    schienen.
onen ist die Vermittlung von Informationen, die zu                         Das gesamte Publikationsangebot ist auf der Web-
Einsichten und Kenntnissen, aber auch zu Denk­                             site des Landesbeauftragten für politische Bildung
anstößen auf allen Gebieten des politischen, sozialen                      unter politischer-bildung.sh/shop zu finden.
und wirtschaftlichen Lebens führen sollen – Informa-
tionen, um gegenwärtige Probleme und Zukunftsauf-
gaben wahrzunehmen, um in der politischen Ausein-
andersetzung darüber mitreden und urteilen sowie
sich informiert politisch beteiligen zu können.

16
Umfangreiches Publikationsangebot für Bürger*innen: Der Publikationsraum des
Landesbeauftragten für politische Bildung im Karolinenweg 1 in Kiel.
Foto: Der Landesbe­auftragte für politische Bildung / Dr. Hauke Petersen.

                                                                               17
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

2.6 Digitales

      Der Landesbeauftragte für politische Bildung stellt

                                                                                                         1.111
      digitale Angebote zur politischen Bildung zur Ver­
                                                                                                         Follower auf Twitter:
      fügung. Neben der Website ­politische-bildung.sh und
      der Präsenz in den sozialen Medien bietet er digitale
      Veranstaltungsformate z.B. in Form von Webtalks an.

                                                                               1.203
                                                                               Follower auf Instagram:

                   563
               Teilnehmer*innen am Webtalk
                                                                                                                 Follower auf

                                                                                                              1.915
                                                                                                                  Facebook:

                    mit Alice Hasters zum
                   Thema Alltagsrassismus

Digitales Bildungsangebot: Ausschnitt aus dem Webtalk „Glaubt ihr das
echt?!“ Ver­schwörungserzählungen in Zeiten der Corona-­Pandemie.
Screenshot: Der Landes­beauftragte für politische Bildung.

18
Im Berichtszeitraum wurden die digitalen Angebote      und Veranstaltungen sowie aktuelle politische The-
auf mehreren Ebenen ausgebaut und mit der Einrich-     men aufgegriffen. Weiterhin wird auf die vielfältigen
tung eines eigenen, datenschutzkonformen Video-        Angebote politischer Bildung anderer Akteur*innen
konferenzservers die Voraussetzungen für die Reali-    im Bundesland aufmerksam gemacht.
sierung unterschiedlicher Online-Formate geschaffen.   Die Website politische-bildung.sh wird laufend tech-
Angesichts der besonderen Herausforderung durch        nisch und graphisch um neue Elemente erweitert,
die Corona-Pandemie wurden ab März 2020 mehrere        um zeitgemäß politische Bildung anzubieten. Wei-
ursprünglich als Präsenzveranstaltungen geplante       terhin wurde die Website im Berichtszeitraum um
Vortrags- und Diskussionsformate sowie kurzfristig     Informationen auf Englisch, Dänisch, Plattdeutsch
konzipierte Angebote zu aktuellen Themen online        sowie Frasch und Fering ergänzt. Auch ein Bereich
durchgeführt. So haben beispielsweise Webtalks an-     mit Informationen in Leichter Sprache wurde einge-
lässlich des 75. Jahrestages des Endes des Zweiten     richtet. Im Sommer 2020 wurde der Internetauftritt
Weltkriegs, mit Alice Hasters zum Thema Alltags­       grundlegend überarbeitet und die Website bietet
rassismus und mit Katharina Nocun zu Verschwö-         nun technisch die Möglichkeit, den Ansprüchen ei-
rungserzählungen stattgefunden.                        nes weitestgehend barrierefreien Auftritts gerecht
Durch die digitalen Veranstaltungsformate werden       zu werden.
auch Personen erreicht, die üblicherweise nicht an     Die digitalen Kanäle bieten auch Raum für neue
den Präsenzveranstaltungen teilnehmen oder teil-       Ideen der politischen Bildung: Kurz vor der Bundes-
nehmen können. Die digitale Verfügbarkeit macht        tagswahl 2017 wurde beispielsweise ein Instawalk
sowohl eine ortsungebundene Teilnahme als auch         mit Influencer*innen aus Schleswig-Holstein im
eine asynchrone Nutzung möglich, sodass Personen       Kieler Landeshaus durchgeführt, um auf die Wahlen
unabhängig von ihrem Wohnort und dem Zeitpunkt         und die Angebote des Landesbeauftragten auf-
der Veranstaltung an den Bildungsangeboten teil-       merksam zu machen. Außerdem wurden zur Land-
nehmen können. Die Teilnehmer*innen können mit-        tagswahl 2017 Erklärvideos in Leichter Sprache pro-
tels Videokonferenz mit den Referent*innen ins Ge-     duziert und auf der Website zur Verfügung gestellt.
spräch kommen. Neben der Möglichkeit, sich im          Bei Instagram rief der Landesbeauftragte unter dem
digitalen Veranstaltungsraum an den Diskussionen       Hashtag #meinpolitischesbild dazu auf, sich kreativ
zu beteiligen, werden die digitalen Formate auf der    mit dem Begriff Politik auseinanderzusetzen. Wei-
Website des Landesbeauftragten als Livestream zur      terhin konnten Bürger*innen in einem Gewinnspiel
Verfügung gestellt und diese können auch nach der      ihre Gedanken zum Begriff Heimat über die digita-
Veranstaltung in der Infothek abgerufen werden. Ins-   len Kanäle mitteilen. Bei einem weiteren Gewinn-
besondere jüngere Menschen, für die Streams und        spiel im Juni 2020 wurden mehrere Online-Plan-
Videos zur alltäglichen Mediennutzung gehören,         spiele an Schulen in Schleswig-Holstein verlost, bei
werden über digitale Angebote besser erreicht.         denen die Schüler*innen sich als Politiker*innen ei-
Die Präsenz des Landesbeauftragten in den sozialen     nes fiktiven Staates mit der Legitimität von Grund-
Medien ermöglicht es, auf Bildungsangebote auf-        rechtseinschränkungen angesichts des Corona-Vi-
merksam zu machen und digitalaffine Zielgruppen an-    rus auseinandersetzten.
zusprechen. Im Berichtszeitraum wurden die digitalen   Die digitalen Angebote des Landesbeauftragten für
Aktivitäten daher erheblich erweitert. Neben den be-   politische Bildung können über die Website
reits bestehenden Facebook- und Twitter-­Accounts      politische-bildung.sh sowie auf den Social-Media-­
wurde 2018 ein Instagram-Account eingerichtet. Auf     Kanälen bei Facebook (@lpbsh), Twitter (@lpb_sh) und
diesen digitalen Kanälen informiert der Landesbeauf-   Instagram (@lpb_sh) besucht werden.
tragte über Angebote der politischen Bildung in
Schleswig-Holstein. Dabei werden eigene Projekte

                                                                                                        19
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

3.
Aktivitäten und Projekte
in verschiedenen Themenfeldern
der politischen Bildung

            255
        Projekte und
     Veranstaltungen
                                                                           Die Aktivitäten und Projekte des Landesbeauf­tragten
                                                                           für politische Bildung lassen sich grob in sieben The-
                                                                           menfelder unter­gliedern: Grundfragen der politischen
                                                                           Ordnung, historische Bildung und Erinnerungskultur,
                                                                           bür­gerschaftliches Engagement und kommunale Kin-
                                                                           der- und Jugendbeteiligung, Extremismusprävention,

                                         49
                                                                           Digitalisierung und Medienkompetenz, Europa und
                                                                           internationale Politik, Landeskunde Schleswig-­
                                                                           Holstein und nationale Minderheiten. In den nach­
                                                                           folgenden sieben Abschnitten werden wenige ausge-

       1.024
           Teilnehmer*innen
       an Peer-Guide-Führungen
                                              verschiedene
                                              Veranstaltungsorte in
                                              Schleswig-Holstein
                                                                           wählte Projekte vorgestellt, die stellvertretend für eine
                                                                           Vielzahl weiterer Aktivitäten des Landesbeauftragten
                                                                           für politische Bildung in den jeweiligen Themen­
                                                                           feldern stehen.
          während der Anne-­
           Frank-Ausstellung

                                                                           3.1 	Grundfragen der politischen

                      17.224
                                                                                 Ordnung

                                                                                 Die Vermittlung und Reflexion von Grundfragen
                            Besucher*innen der                                  ­unserer politischen Ordnung sind eine dauerhafte
                           Anne-Frank-Ausstellung

            130
                                                                                Aufgabe politischer Bildung. Dieses Themenfeld be-
                                                                                 inhaltet Aktivitäten und Projekte, die sich mit den
                                                                                zentralen Strukturen, Prozessen und Institutionen
                                                                                 des politischen Systems in Deutschland und seinen
                                                                                tragenden Akteur*innen auseinandersetzen. Ebenso
                                                                                werden grundlegende Werte und Normen der frei-
                                                                                 heitlich-demokratischen Ordnung thematisiert.
                                   Teilnehmer*innen
                                   an der
                                   Jugendaktionskonferenz                  Eine Konstante im Jahreskalender des Landesbeauf-
                                   im Landeshaus                           tragten für politische Bildung ist die Ausrichtung der

20
Das Landesfinale von Jugend debattiert am 14. März 2018 im
Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages.
Foto: Der Schleswig-Holsteinische Landtag / Regina Baltschun.

Landesqualifikation und des Landesfinales von Ju-               schaft des Bundespräsidenten. Gefördert wird das
gend debattiert. Schüler*innen üben in diesem Wett­             Projekt von der Hertie-Stiftung und der Heinz Nixdorf
bewerb den sachlichen und faktenbasierten Diskurs               Stiftung sowie dem Bundesministerium für Bildung
ein. Sie erlernen und erleben so, dass politische Aus-          und Forschung. Die Kultusministerkonferenz ist Part-
einandersetzungen und konstruktive, kontroverse                 nerin von Jugend debattiert. In Schleswig-Holstein
Diskurse zu den Grundlagen unserer Demokratie ge-               wird das Projekt auf Landesebene vom Landesbeauf-
hören. Die landesweit ca. 5.000 Teilnehmer*innen                tragten für politische Bildung und dem Ministerium
von Jugend debattiert treten mit guten Gründen für              für Bildung, Wissenschaft und Kultur (MBWK) ausge-
einen – nicht zwingend ihren eigenen – Standpunkt               richtet. Eine Fortführung der erfolgreichen Koopera-
ein und erkennen in der Debatte, dass es auch für die           tion wurde bereits bis einschließlich 2024 vertraglich
Gegenposition überzeugende Argumente gibt. Die                  vereinbart.
Schüler*innen lernen, dass politische Fragen stets              100 Jahre nach der Einführung des Frauenwahlrechts
komplexe Fragen sind. Im Landesfinale treten in zwei            lud der Landesbeauftragte im November 2018 ge-
Altersgruppen je vier Jugendliche gegeneinander an.             meinsam mit dem Landesfrauenrat Schleswig-­
Die besten zwei Schleswig-Holsteiner*innen je                   Holstein zu einer Diskussion über Frauenrechte und
Alters­gruppe qualifizieren sich für den Bundesent-             Gleichstellungspolitik ein. Landtagsabgeordnete von
scheid. Jugend debattiert steht unter der Schirmherr-           CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen, FDP und SSW

                                                                                                                 21
Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

sowie 160 weitere Gäste folgten der Einladung und                          3.2 	Historische Bildung und
diskutierten unter dem Titel Macht für die Mehrheit!                             Erinnerungskultur
über politische Verantwortung von Frauen, über eine
verbindliche Frauenquote und über die Vereinbarkeit                             Historische Bildung und Erinnerungskultur sind
von Familie und Beruf.                                                          feste Bestandteile politischer Bildung. Um politische
Ebenso 100 Jahre nach dem historischen Ereignis hielt                           Entwicklungen und Entscheidungen verstehen und
FAZ-Herausgeber und Max Weber-Biograf Jürgen                                    beurteilen zu können, bedarf es historischer Kennt-
Kaube auf Einladung des Landesbeauftragten im Ja-                               nisse über die Herkunft des politischen Gemein­
nuar 2019 im voll besetzen Konferenzsaal des Kieler                             wesens. In Deutschland meint dies vor allem das
Landeshauses einen Vortrag über Politik als Beruf.                              Wissen um den Zivilisationsbruch, den die Verbre-
Kaube stellte die Kernaussagen Webers von 1919 – Po-                            chen in der Zeit des Nationalsozialismus markieren,
litik als Bohren harter Bretter, die Unterscheidung von                         und die Verantwortung, die damit für das Gemein-
Verantwortungs- und Gesinnungsethik, sowie Leiden-                              wesen insgesamt einhergeht. Aber auch andere his-
schaft, Verantwortung und Augen­maß als Eigenschaf-                             torische Ereignisse und Strukturen, wie der Matro-
ten eines geeigneten Politikers – vor, um dann im Ver-                          senaufstand von 1918 oder die SED-Diktatur in der
gleich zur Gegenwart heraus­zuarbeiten, wie enorm                               DDR, werden hier behandelt.
sich in den letzten 100 Jahren der Charakter von Poli-
tik verändert hat.                                                         In diesem Themenfeld standen im Berichtszeitraum
Die Bedeutung der Grundrechte für das Leben jun-                           Aktivitäten im Vordergrund, die in unterschiedlicher
ger Menschen stellte der Landesbeauftragte im Juni                         Form die Zeit des Nationalsozialismus thematisiert
2019 gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der                             haben. Eine ganz besondere Veranstaltung führte der
parteinahen politischen Bildungsträger und Stiftungen                      Landesbeauftragte zusammen mit dem Jüdischen
in drei Projekttagen an Schulen in Schleswig-Hol-                          Museum in Rendsburg am 27. Mai 2019 durch. Die
stein dar. In Workshops diskutierten die Schüler*in-                       Holocaust-Überlebende Esther Bejerano las zu-
nen anhand ausgewählter Grundrechtsartikel u. a.                           nächst aus ihren Erinnerungen an ihre Gefangen-
die Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit so-                         schaft im Konzentrationslager Auschwitz. Im An-
wie die Frage, was die Unantastbarkeit der Würde                           schluss gab sie gemeinsam mit der Band Microphone
des Menschen konkret bedeutet. Besucht wurden                              Mafia ein Konzert.
die Friedrich-Paulsen-Schule Niebüll, die Richard-­                        Zwei Ausstellungsprojekte im Sommer 2019 holten
Hallmann-­S chule Trappenkamp und das Berufs­                              ebenfalls die Erinnerung an die NS-Verbrechen in das
bildungszentrum Plön/­Fachschule für Sozialpädago-                         Zentrum der Aufmerksamkeit. Im August 2019 zeigte
gik in Preetz. Anlass war der 70. Jahrestag der                            der Landesbeauftragte – in Kooperation mit der Lan-
Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 2019. Im                           deshauptstadt Kiel und in Zusammenarbeit mit dem
Herbst 2020 soll das Projekt mit drei weiteren Pro-                        Zentrum deutsche Sportgeschichte e. V. ­sowie den Uni-
jekttagen fortgesetzt werden.                                              versitäten Potsdam und Hannover – an der Kiel­linie
                                                                           die Ausstellung Zwischen Erfolg und Verfolgung – Jü-
                                                                           dische Stars im deutschen Sport bis 1933 und danach.
                                                                           Die Ausstellung würdigte mit Hilfe großformatiger
                                                                           Skulpturen jüdische Athlet*innen; diese hatten einen
                                                                           großen Anteil an der Entwicklung des modernen
                                                                           Sports in Deutschlawnd. Als Nationalspieler*innen,
                                                                           Welt- oder Europameister*innen, Olympiasieger*in-
                                                                           nen oder Rekordhalter*innen zählten sie zu den ge-
                                                                           feierten Idolen ihrer Zeit. Nur weil sie Juden*Jüdin-

22
nen waren, wurden sie im NS-Staat ausgegrenzt, Im Berichtszeitraum war ein weiteres wichtiges
entrechtet oder sogar ermordet. In der Ausstellungs- Themen­feld im Bereich der historischen Bildung die
eröffnung am 2. August 2019 wurde über die Schick- Beschäftigung mit der Geschichte der DDR und dem
sale der jüdischen Sportler*innen im Nationalsozia- Unrecht, das vielen Menschen in der SED-Diktatur wi-
lismus sowie über Ausgrenzung und Diskriminierung derfahren ist. So trug der Fotograf und Zeitzeuge
damals und heute diskutiert.                           Siegfried Wittenburg an mehreren Schulen in Schles-
Vom 25. August bis 25. September 2019 zeigte der wig-Holstein vor, wie sich das Fehlen von Freiheit und
Landesbeauftragte zusammen mit der Aktion Kinder- Demokratie im Alltag auswirkte. Zugleich zeigte er
und Jugendschutz in Schleswig-Holstein e. V. die Aus- mit seinen Vorträgen, die er mit eigenen Foto­grafien
stellung Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte bebilderte, wie sich Menschen mit Mut, List und Klug-
in Kiel. Fünf Wochen gastierte die Wanderausstel- heit aus einer Unterdrückung befreien konnten.
lung des Anne-­F rank-Zentrums (Berlin) in der Wittenburg war im Oktober 2017, im April und No-
St.-Nikolai-­Kirche. In diesem Zeitraum besuchten ins- vember 2018 sowie im Juni und Oktober 2019 jeweils
gesamt 17.224 Personen die Ausstellung. Darunter eine Woche im Auftrag des Landesbeauftragten im
waren auch 1.024 Kinder und Jugendliche, die an den gesamten Bundesland an Schulen unterwegs. Die Ko-
Führungen von 16 Peer-Guides teilnahmen. Schü- operation wird im Herbst 2020 fortgesetzt.
ler*innen der Jahrgangsstufen 7 bis 10 von Schulen Im Jahr 2018 stand die 100. Wiederkehr der Novem-
aus ganz Schleswig-Holstein, Konfirmand*innen und berrevolution von 1918 im Mittelpunkt der Arbeit
weitere Jugendgruppen sowie junge Erwachsene von des Landesbeauftragten für politische Bildung. Mit
mehreren Berufsschulen und der Polizeidirektion für der großen Wanderausstellung Revolution 1918. Auf-
Aus- und Fortbildung wurden von den Peer-­Guides bruch in Schleswig-Holstein, deren pädagogische Be-
durch die Ausstellung begleitet.                       gleitung (Betreuung durch Teamer*innen sowie

Schüler*innen während einer
Peer-Guide-­Führung durch die
Ausstellung Deine Anne. Ein
Mädchen schreibt Geschichte im
August 2019 in Kiel. Foto: Aktion
Kinder- und Jugendschutz in
Schleswig-Holstein / Kathrin
Gomolzig.

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Bericht des Landesbeauftragten für politische Bildung in der 19. Wahlperiode

Der Fotograf und Zeitzeuge Siegfried Wittenburg im März
2017 bei seinem Vortrag im RBZ Wirtschaft in Kiel.
Foto: RBZ Wirtschaft/Karsten Goepel.

Erstellung und Verbreitung von Unterrichtsmaterial 3. November 2018 im Landeshaus) an die Beschäfti-
zur Ausstellung) der Landesbeauftragte verantwor- gung mit den Ereignissen von 1918 herangeführt.
tete, wurde von Mai bis November 2018 über die his- Durch die aktive Teilnahme der überwiegend jungen
torischen Hintergründe des „Matrosenaufstandes“ Gäste entstand ein breit gefächertes Programm. Die
an acht Orten in Schleswig-Holstein informiert und einzelnen ­Sessions warfen interessante Fragen auf:
die Frage aufgeworfen, was uns die Motive und Welchen Mut brauchten die Matrosen? Welche
Handlungen der Revolutionär*innen heute sagen Rolle spielten die Frauen? Und wofür würden Men-
können. Die Wanderausstellung war in Flensburg, schen heute auf die Straße gehen? Gefördert wur-
Kiel, Lübeck, Rendsburg, Brunsbüttel, Husum, Neu- den die pädagogische Begleitung der Ausstellung
münster und Molfsee zu sehen. Außerdem wurde und das Barcamp von der Bundeszentrale für politi-
mit dem innovativen Format eines Barcamps (2. und sche ­Bildung.

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Die historischen Bezugspunkte der Arbeit in diesem           ­ olitisch aktiven Jugendlichen und bietet ihnen in
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Themenfeld wurden in einer großen Veranstaltung am          ­jugendgerechten Formen Fortbildungsmöglich­
9. November 2018 im Kieler Landeshaus zusammen-              keiten für ihr Engagement in der Gemeinde an.
geführt. Über 200 Gäste erschienen zu einem Abend            Der Landesbeauftragte tauscht sich im Rahmen von
mit vier Vorträgen über die zentralen Ereignisse die-        PartizipAction! regelmäßig in verschiedenen Ge-
ses besonderen Datums der deutschen Geschichte:              sprächsformaten mit den Jugendlichen aus. Hierbei
Prof. Dr. Karl-Heinrich Pohl referierte über die Novem-     wurde deutlich, dass die Themen Kommunalpolitik
berrevolution 1918/19, Dr. Harald Schmid trug zur            und Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche im
Reichspogromnacht 1938 vor und Dr. Anna Kaminsky            Schulunterricht nur wenig thematisiert wurden. Dies
nahm die Öffnung der Berliner Mauer 1989 in den              nahm der Landesbeauftragte zum Anlass, das Unter-
Blick. Prof. Dr. Karl-Heinz Breier führte schließ­lich die   richtsmaterial Demokratie direkt vor unserer Tür zu
historischen Ereignisse unter dem Titel „Freiheit ist        entwickeln, welches an alle weiterführenden Schulen
immer republikanisch“ zusammen.                             in Schleswig-Holstein verschickt wurde und seit sei-
                                                             nem Erscheinen im April 2018 weiterhin stark nach-
                                                             gefragt wird. Das Material umfasst außerdem eine
 3.3 	Bürgerschaftliches Engagement                        Arbeitshilfe für die außerschulische Jugendarbeit,
       und kommunale Kinder- und                             die in der Juleica-Aus- und Fortbildung eingesetzt
       Jugendbeteiligung                                    wird und über den Landesjugendring Schleswig-­
                                                             Holstein e.V. und die Moderator*innenfortbildung zur
       Politische Bildung umfasst immer die politische Pra- Jugendbeteiligung des Ministeriums für Soziales, Ge-
       xis und die damit verbundene Erfahrung, an der Ge- sundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes
       staltung der gemeinsamen Angelegenheiten teilha- Schleswig-Holstein zur Verfügung gestellt wird. Das
       ben zu können. Die Beteiligung an politischen Bera- gesamte Material ist mittlerweile in der dritten Auf-
       tungs- und Entscheidungsprozessen vermittelt den lage erschienen.
       Bürger*innen ein konkretes Verständnis von Politik. Weiterhin unterstützte der Landesbeauftragte die lan-
       Außerdem ist die Demokratie auf Bürger*innen desweiten Wahlen der Kinder- und Jugendvertretun-
       ange­wiesen, die durch ihr Engagement die Demo- gen, die im Berichtszeitraum zwei Mal durchgeführt
       kratie mit Leben füllen. Eine bedeutende Aufgabe wurden. Die landesweiten Wahlen wurden erstmalig
       politischer Bildung besteht somit in der Befähigung vom 20. bis 27. November 2017 in über 20 Gemeinden
       und Ermutigung – insbesondere junger Menschen – durchgeführt. Vom 18. bis 24. November 2019 fanden
       zu politischem und gesellschaftlichem Engagement. diese Wahlen zum zweiten Mal an einem landesweit
                                                             einheitlichen Termin statt. In diesem Zeitraum wur-
 Den Schwerpunkt in diesem Themenfeld bildet die den in 32 Gemeinden in Schleswig-­Holstein die Kin-
 kommunale Kinder- und Jugendbeteiligung. Der der- und Jugendvertretungen neu gewählt. Neben der
 Landesbeauftragte für politische Bildung beteiligte Beratung der jugendlichen Initiativen zu den Wahlen
 sich mit unterschiedlichen Formaten von 2017 bis 2017 und 2019 wurden die Organisation und die Aus-
 2019 am Landesforum der Kinder- und Jugendver­ richtung der jeweiligen Auftaktveranstaltung maß-
 tretungen in Schleswig-Holstein PartizipAction! des geblich unterstützt. In dieser Weise wurde den in den
 Kreisjugendrings Stormarn e. V. Seit dem Jahr 2020 ist Gemeinden aktiven Jugendlichen die Möglichkeit ge-
 er auch formal offizieller Kooperationspartner in geben, auf die Wahlen und das Thema der kommuna-
­d iesem Projekt. PartizipAction! ist Schleswig-­ len Kinder- und Jugendbeteiligung aufmerksam zu
 Holsteins Vernetzungs- und Fortbildungstreffen für machen. Durch die Beteiligung des Städteverbandes
 Kinder- und Jugendvertretungen. Es dient dem Schleswig-Holstein an der Podiumsdiskussion der Auf-
­Austausch der in den kommunalen Vertretungen taktveranstaltung 2019 und den großen Zuspruch, den

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