Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

 
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Bestehende Systeme Weißer Zertifikate
Institut für betriebliche und regionale Umweltwirtschaft, Johannes Kepler Universität Linz
  Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz, Abteilung Energiewirtschaft

                  Bestehende Systeme
                   Weißer Zertifikate

                                    Simon Moser

                         Arbeitspapier / Working Paper
                                       01/2011

                                                                              Linz, Mai 2011
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

Dieser Text „Bestehende Systeme Weißer Zertifikate“ wurde im
Zuge der Dissertationsarbeit „Möglichkeiten der Einführung
handelbarer Energieeffizienz-Zertifikate (Tradable White
Certificates) in Österreich“ angefertigt. Das Dissertationsprojekt
„EnergieZer“ wird vom Institut für betriebliche und regionale
Umweltwirtschaft mit finanzieller Mitwirkung des Energieinstituts
an der Johannes Kepler Universität Linz durchgeführt.

Das Projekt wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds
gefördert und im Rahmen des Programms "Neue Energien
2020" durchgeführt.

Inhaltsverzeichnis

0.    Einführung und Kurzfassung .......................................................................................... 3
1.    Großbritannien ............................................................................................................... 5
2.    Italien ............................................................................................................................17
3.    Frankreich .....................................................................................................................35
4.    Dänemark......................................................................................................................45
5.    Polen .............................................................................................................................52
6.    Flandern (Belgien) .........................................................................................................56
7.    Weitere (geplante) Programme mit EVU-Obligationen ..................................................57
Literaturnachweis .................................................................................................................58

Mag. Simon Moser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des
Instituts für betriebliche und regionale Umweltwirtschaft
der Johannes Kepler Universität Linz und des
Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität Linz
(Abteilung Energiewirtschaft).

Altenbergerstraße 69
4040 Linz, Austria
www.jku.at/uwi
www.energieinstitut-linz.at
www.energyefficiency.at

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Bestehende Systeme Weißer Zertifikate
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

0. Einführung und Kurzfassung
In diesem Text sollen Systeme Weißer Zertifikate bzw. Versorgerobligationen dargestellt
werden. Da sowohl deren Auslegung als auch deren Ergebnisse ständigen Veränderungen
unterworfen sind, handelt es sich hierbei um eine Momentaufnahme mit Stand März 2011.
International bestehen bereits einige Systeme Weißer Zertifikate im weiteren Sinne des
Wortgebrauchs (d.h. inklusiver sogenannter Versorger-Obligationssysteme). Ein „reines“
System, das alle Flexibilitätsmechanismen voll ausschöpft, ist in der Praxis nicht zu finden.
Einschränkungen zur Vermeidung verminderter Additionalität und zur Erreichung der Ziele in
den gewünschten Sektoren und Energieträgern sind gegeben. Die Literatur bietet gute
Einsichten in die Systeme in Großbritannien, Italien, Frankreich und Dänemark. Das System
in Flandern wird mehrmals erwähnt, aktuelle Informationen sind spärlich vorhanden. In Polen
wird derzeit über die Installation eines in Teilen konkretisierten TWC-Systems entschieden.
Zum Zweck der Vertiefung in das Datenmaterial und Evaluierung der Systeme wurden
Experteninterviews durchgeführt. Ergebnisse der Experteninterviews flossen ausschließlich
bei der Beschreibung des erwarteten polnischen Systems ein, denn hier mangelte es an
konkreten Informationen. Die Ergebnisse der Experteninterviews, v.a. hinsichtlich
Evaluierung, werden separat veröffentlicht.

Kurzfassung
Großbritannien: Das derzeit laufende britische System besteht in einer ähnlichen Form seit
2002. Auch davor gab es Effizienzprogramme mit Einbindung von EVU. Die Ziele wurden
seit 2002 mehrmals gesteigert. Der administrative Aufwand der Maßnahmenbestätigung ist
seitens der Behörde äußerst gering, da EVU ihre Einsparungen nach von der Behörde
festgelegten standardisierten Richtlinien selbst berechnen und vierteljährlich einsenden. Es
erfolgt eine stichprobenartige Kontrolle. Es können nur die Obligationsnehmer Einsparungen
deklarieren, die Einsparungen werden nicht zertifiziert. Mangels Zertifikaten gibt es auch
keinen vertikalen Handel zwischen ESCOs und EVU. Aufträge werden vertraglich
ausgelagert und dem EVU als Einsparung angerechnet. Es besteht äußerst geringer
horizontaler Handel mit Einsparungen oder Obligationen. Energiearme Haushalte und
Haushalte mit Personen über 70 müssen mit zumindest 40% der Einsparungen unterstützt
werden.
Italien: Das derzeit laufende italienische System besteht seit 2005 und läuft bis zumindest
2014, wobei vorerst Einsparziele bis 2012 definiert sind. Als Obligationsnehmer werden die
regulierten Netzbetreiber herangezogen, da die italienischen EVU auch nach der
Liberalisierung noch stark vertikal integriert sind. Es sind nach einer indirekten Beschränkung
auf Strom und Gas nun alle Energieträger und alle Sektoren für die Durchführung von
Maßnahmen erlaubt. Die Maßnahmen, die mit wenigen Ausnahmen (im Gebäudebereich)
eine Lebensdauer von fünf Jahren haben, werden hauptsächlich von Energiedienstleistern
(ESCOs) umgesetzt und diesen angerechnet. Die Obligationsnehmer erwerben die
Zertifikate (Titoli) entweder bilateral (was zu einem großen Teil in der Eigenschaft der
ESCOs als Tochterfirmen der Netzbetreiber begründet ist) oder über eine zentrale Börse.
Die mit 100 Euro pro Zertifikat regulierte Rückholung der durch das TWC-System
verursachten Kosten über die Netztarife ist ein essenzieller Bestandteil des italienischen
Systems.

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Frankreich: Das französische TWC-System verteilt Einsparobligationen an Energievertriebe,
wobei neben den netzgebundenen Strom- und Gasvertrieben auch Öl-, Fernwärme- und
LPG-Lieferanten verpflichtet werden. Die durchgeführten Maßnahmen, welche keinen
Restriktionen hinsichtlich Sektor (außer EU-ETS) und Energieträger unterliegen, werden auf
Basis standardisierter oder spezifischer Methoden berechnet und an das zentrale Register
zur Eintragung weitergeleitet. Mit dem Erscheinen im zentralen Register entsteht ein
Zertifikat, das dort verschoben, gelöscht und eingelöst werden kann. Das zentrale Register
stellt keine Handelsplattform dar, das französische System verzichtet zur Vermeidung von
Spekulationen bewusst auf ein solches.
Dänemark: In Dänemark werden vorrangig im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen
Obligationen an Strom- und Gasnetzbetreiber bzw. Öllieferanten vergeben.
Fernwärmenetzbetreiber werden gesetzlich verpflichtet. Die jährliche Einsparung betrug ab
2006 820 GWh, seit 2010 1.500 GWh. Anrechenbar sind nur Einsparungen, die im ersten
Jahr nach Maßnahmenumsetzung erzielt wurden. Es gibt keine Beschränkung hinsichtlich
Sektoren, Energieträgern oder Art der Maßnahmenumsetzung. Zumindest bis 2010 war das
dänische System so zu verstehen, dass die verpflichteten Parteien mittels Beratungs- und
Informationstätigkeit Energieeinsparungen bei ihren Kunden erzielten und sich diese –
großteils von den Kunden bezahlten – Einsparungen anrechnen lassen konnten. Eine direkte
Involvierung des EVU ist nachzuweisen. Einsparungen werden von den EVU gesammelt, die
dänische Energieagentur hat Kontrollrechte. Es erfolgen keine Zertifizierung und kein
Handel.
Polen: Das polnische System befindet sich voraussichtlich am Ende seiner
Entstehungsphase. Aus vorhandener Literatur und Interviews wird abgeleitet, dass sich die
Auslegung an existenten europäischen Systemen anlehnt, aber durchaus neue Wege
gegangen werden. Verpflichtet werden netzbasierte Vertriebe, d.h. Vertriebe von Strom, Gas
und Fernwärme. Erlaubt ist quasi jede tatsächliche Einsparung von Endenergie außerhalb
des EU-ETS.

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1. Großbritannien
Kurzfassung: Das derzeit laufende britische System besteht in einer ähnlichen Form seit
2002. Auch davor gab es Effizienzprogramme mit Einbindung von EVU. Die Ziele wurden
seit 2002 mehrmals gesteigert. Der administrative Aufwand der Maßnahmenbestätigung ist
seitens der Behörde äußerst gering, da EVU ihre Einsparungen nach von der Behörde
festgelegten standardisierten Richtlinien selbst berechnen und vierteljährlich einsenden. Es
erfolgt eine stichprobenartige Kontrolle. Es können nur die Obligationsnehmer Einsparungen
deklarieren, die Einsparungen werden nicht zertifiziert. Mangels Zertifikaten gibt es auch
keinen vertikalen Handel zwischen ESCOs und EVU. Aufträge werden vertraglich
ausgelagert und dem EVU als Einsparung angerechnet. Es besteht äußerst geringer
horizontaler Handel mit Einsparungen oder Obligationen. Energiearme Haushalte und
Haushalte mit Personen über 70 müssen mit zumindest 40% der Einsparungen unterstützt
werden.

Energieverbrauchsstruktur: Im Jahr 2004 lagen der britische Energieverbrauch etwa im
europäischen Schnitt und die Energieintensität (Energieverbrauch in Relation zum BIP) bei
73% des Durchschnitts der anderen 26 EU-Staaten. Äußerst gering ist die
Importabhängigkeit mit nur 5,2% des Endverbrauchs.1 Der britische Energieverbrauch ist
zwischen 1990 und 2009 um 2,5% gesunken, klammert man den Transportsektor aus sind
es 12%. Dennoch steigerte sich der Verbrauch der Haushalte mit einem Plus von 7%
(Tabelle 1-1). Begründet ist der steigende Verbrauch in der steigenden Anzahl von
Haushalten (+18%), einer steigenden Bevölkerungszahl (+8%) und einem real gestiegenen
Einkommen (+58%). Allerdings sank der Verbrauch seit einem Spitzenwert im Jahr 2004.
58% des Verbrauchs in Haushalten entfallen auf die Heizung, 24% auf Warmwasser und
16% auf Beleuchtung und Geräte.2
Tabelle 1-1: Verteilung des britischen Endverbrauchs auf Sektoren in den Jahren 2009 und 1990. Daten
                        3
übernommen aus Quelle.

Sektor                                                       2009        Anteil 2009      1990

                                                             TWh             %            TWh

Industrie                                                     310           18,5           450

Transport                                                     657           39,3           565

Private Haushalte                                             507           30,3           474

Landwirtschaft, Dienstleistungen, Öffentliche                 199           11,9           223
Einrichtungen

GESAMT                                                       1.673          100           1.713

1
  Vgl. DG TREN (2007e), S.1.
2
  Vgl. DECC (2010c), S.6.
3
  Vgl. DECC (2010c), S.5.
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Der „Energy Flow Chart 2008“ des britischen Ministeriums für Energie und Klimawandel
DECC zeigt, dass 68% der in Haushalten verwendeten Energie aus Naturgas kommen,
wovon 33,4% importiert werden. 22% der Energie stellt Elektrizität dar, die mit 60%
Umwandlungsverlusten zu 42% aus Naturgas und zu 40% aus Kohle erzeugt wird, der Rest
entfällt fast ausschließlich auf Kernkraft. Die restlichen 10% der in Haushalten verbrauchten
Energie verteilen sich auf Ölprodukte (6,5%-Punkte), Kohle und Fernwärme.4 Das britische
Committee on Climate Change erstellte die in Abbildung 1-1 dargestellte
Vermeidungskostenkurve für den britischen Haushaltssektor, die viel volkswirtschaftlich
kosteneffektives und kostengünstiges Potenzial aufzeigt.5
Abbildung 1-1: CO2-Emissionsvermeidungskostenkurve für den britischen Haushaltssektor 2020. Dunkles Blau
steht für Licht und Geräte, helles Blau für Verhaltensmaßnahmen, Rot für Erneuerbare, Mikrogeneration und
                                                                                                    6
KWK, Grau für Isolierungsmaßnahmen und Grün für Heizungsmaßnahmen. Grafik übernommen aus Quelle.

1.1 Ausgangssituation
Ex-ante-Bewertung Obligationssystem: Eine Reihe von Studien zeigte für Großbritannien,
dass ein Obligationssystem die kosteneffizienteste Methode zur Steigerung der
Energieeffizienz darstellt.7 Durch das Elektrizitätsgesetz 1989 und das Gasgesetz 1986 ist es
dem zuständigen Minister (anfangs Department of Environment, Food, and Rural Affairs
DEFRA, zuletzt Department of Energy and Climate Change DECC) erlaubt,
Einsparverpflichtungen für EVU festzulegen. Per Erlass wurde 2001 die legale Basis für ein
Obligationssystem geschaffen und der Regulator OFGEM (Office of the Gas and Electricity
Markets) mit der Administration des Programms betraut.8
Programme: Derzeit läuft in Großbritannien ein TWC-Programm, das als „Carbon Emissions
Reduction Target“ (CERT) bezeichnet wird und – dem Namen entsprechend – als
vorrangigen Zweck die Senkung des CO2-Ausstoßes hat. Die erste Phase von CERT läuft
von 1. April 2008 bis 31. Dezember 2012. Ursprünglich war eine dreijährige Laufzeit bis 31.

4
  Vgl. DECC (2009b), S.2.
5
  Vgl. Purchas (2009), S.4.
6
  Vgl. Purchas (2009), S.4.
7
  Vgl. Leprich und Schweiger (2007), S.26.
8
  Vgl. DEFRA (2005), S.1.
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März 2011 angedacht. Mitte 2010 erfolgte die Verlängerung der Periode.9,10 CERT folgte den
in zwei dreijährigen Perioden durchgeführten Programmen des „Energy Efficiency
Commitment” nach, die zwischen 2002 und 2005 (EEC-1) und 2005 und 2008 (EEC-2)
liefen.11 Ursprünglich war eine dritte Periode des EEC-Systems vorgesehen. Grundsätzlich
handelt es sich bei CERT auch um eine Fortsetzung desselben Programms, die Zielvariable
wurde aber von Energie- auf CO2-Einsparung geändert. Das EEC selbst entstand aus dem
zwischen 1994 und 2002 in drei Perioden laufendem Programm „Energy Efficiency
Standards of Performance“ (EESOP),12 in dem erstmals die Energieversorger zur
Umsetzung von Einsparmaßnahmen bei Elektrizitäts- und später auch Gaskonsumenten
verpflichtet wurden. Die Finanzierung von EESOP erfolgte über die Einhebung von 1 Pfund
pro Konsumenten und Jahr.13

1.2 Nachfrageseite
Verpflichtete Parteien: Als Obligationsnehmer wurden die Elektrizitäts- und Gasvertriebe
gewählt, da sie Erfahrungen mit direktem Marketing (persönliche Gespräche, telefonische
und Mail-Kontakte, etc.) haben und gute Kontakte zu Installateuren, Einzelhändlern und
Erzeugern aufweisen. Die Auswahl von kostengünstigen Maßnahmen mit hohen
Einsparungen wird aufgrund des Wettbewerbs angenommen. Außerdem führe die Wahl der
Vertriebe als Obligationsnehmer für diese zu neuen Möglichkeiten der Marktpositionierung,
der Kundenakquisition und der Erhöhung der Kundenloyalität.14 Darüber hinaus verfügen die
Lieferanten über „upfront capital“, also die nötigen Finanzreserven, um die anfallenden
Kosten auch im Vorfeld der Umsetzungen zu finanzieren.15
Höhe des Einsparziels: In EEC-1 mussten die EVU Einsparungen durch über die Lebenszeit
diskontierte Effizienzmaßnahmen im Ausmaß von 62 TWh nachweisen. Die Einsparung
wurde dabei „fuel standardised“, d.h. auf die impliziten CO2-Emissionen eines
Energieträgers hin angepasst.16 Die Emissionen von Haushalten sollten sich durch das
Programm um 1% verringern.17 Der im Dezember 2005 veröffentlichte Energy Efficiency
Innovation Review wies auf das Potenzial für eine weitere Steigerung der
Einsparverpflichtung hin.18 EEC-2 verlangte eine Einsparung von 130 TWh.19 Die
Interpretation einer grob gerechneten „Verdoppelung“ ist aufgrund in beiden Perioden
unterschiedlicher über die Maßnahmenlebensdauer verwendeten Diskontraten nicht zulässig
(auf Diskontraten wird in 1.4 genauer eingegangen).20 Eigene Berechnungen auf Basis von
Angaben von Bertoldi und Rezessy ergeben, dass diese Einsparung bei Verwendung der
Diskontsätze von EEC-1 100 TWh entsprochen hätte. (Bertoldi und Rezessy schreiben, dass
der nach Diskontraten von EEC-1 berechnete Überschuss von 24,8 TWh aus EEC-1 nach
Transformation in Diskontraten von EEC-2 ¼ des Ziels von EEC-2 ausmachte, womit das
Ziel von EEC-2 bei Anwendung von Diskontraten aus EEC-1 bei 99,2 TWh liegen müsste.21

9
  Vgl. DECC (2009a), S.13f.
10
   Vgl. DECC (2010b), k.S.
11
   Vgl. DECC (2009a), S.13f.
12
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.41.
13
   Vgl. OFGEM (2003), S.10.
14
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2009b), S.2.
15
   Vgl. Phillips (2011), S.7.
16
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.41.
17
   Vgl. DEFRA (2005), S.1.
18
   Vgl. EuroWhiteCert Project (2006b), S.5f.
19
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.41.
20
   Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1457.
21
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2008), S.243.
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Durch das „fuel standardising“ der Einsparung wurde erstens ein Anreiz gesetzt, besonders
treibhausgasintensive Energieträger einzusparen und zweitens impliziert, dass es sich bei
EEC-1     und    EEC-2     um     keine   reinen   Energiesparsysteme,     sondern    um
Emissionsreduktionsprogramme handelte. Leprich und Schweiger beschrieben im Jahr 2007
einen aus dem „fuel standardising“ entstehenden Umrechnungsaufwand, der einen direkten
Wechsel hin zur Bezugsgröße CO2 nahelegte.22 So war für CERT eine einzusparende
Lebensdauer-CO2-Menge von anfänglich 154 Megatonnen CO2 (MtCO2) vorgesehen, was
1% des jährlichen CO2-Ausstosses entspricht. Laut OFGEM stellt dies eine Verdoppelung
des EEC-2-Ziels dar.23 Im Jahr 2009 wurde die Obligation auf 185 MtCO2 erhöht.24 Nach
Mitte 2010 beschlossenen Verlängerung von CERT bis Dezember 2012 erfolgte nochmals
eine Ausweitung um 108 MtCO2 auf 293 MtCO2, was etwa 2% der jährlichen CO2-
Emissionen entspricht.25 Zur angegebenen Relation von Gesamtobligation und derzeitigen
CO2-Emissionen ist anzumerken, dass die Einsparmenge nicht auf ein Jahr, sondern die
gesamte Lebensdauer der Maßnahmen gerechnet wird. Folglich senkt ein Einsparziel von
1% der jährlichen Emissionen diese Emissionen nicht um 1%.
Verteilung der Gesamtobligation: In der letzten Phase des EESOP wurden als
Obligationsnehmer jene Vertriebsgesellschaften von Elektrizität und Gas definiert, welche
über 50.000 Haushaltskunden beliefern.26 In EEC-1 wurde die Schwelle auf 15.000
Haushaltskunden gesenkt, in EEC-2 wurde sie wieder auf 50.000 Haushalte27 erhöht und ist
auch in CERT noch gültig.28 Der britische Energiemarktregulator OFGEM ist mit der
Verteilung der Obligationen beauftragt. Die Verteilung geschieht in Relation zur Zahl der
Haushaltskunden und geschah bis zum Programm EEC-1 progressiv mit deren Anzahl, da
Skaleneffekten Rechnung getragen werden sollte.29 Seit EEC-2 ist die Progression wieder
abgeschafft.30 Obwohl die Complianceperiode eine dreijährige ist, erfolgt die Verteilung der
Obligation jährlich. Am Ende von EEC-1 waren 14 EVU belastet.31 Andere Quellen sprechen
von 8 Obligationsnehmern in EEC-1.32 Während EEC-1 gingen zwei EVU „out of business“
und erfüllten ihre Obligationen nicht.33 In EEC-2 wurde der Schwellenwert der Kundenanzahl
auf 50.000 erhöht und in CERT beibehalten, womit im derzeit laufenden System 6 EVU
verpflichtet sind.34
Strafdrohung: Im britischen System wird bei Nichterfüllung der Obligation die Strafe von
OFGEM festgelegt, es gibt aber keine genauen Vorschriften, in welcher Höhe diese ausfällt.
Strafzahlungen würden Staatseinnahmen darstellen, sie würden nicht zweckgewidmet.35 Die
Strafe beträgt generell maximal 10% des Jahresumsatzes des Vertriebs.36 Dies gibt der
straffestlegenden Stelle OFGEM Spielraum, um die Strafe bei tatsächlicher Verhängung in

22
   Vgl. Leprich und Schweiger (2007), S.26.
23
   Vgl. OFGEM (2008a), S.1.
24
   Vgl. OFGEM (2009b), S.4.
25
   Vgl. DECC (2010b), k.S.
26
   Vgl. OFGEM (2003), S.8.
27
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2008), S.243.
28
   Vgl. OFGEM (2008a), S.2.
29
   Vgl. DEFRA (2005), S.2.
30
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.50.
31
   Vgl. DEFRA (2005), S.2f.
32
   Vgl. Mundaca und Neij (2009), S.4567f.
33
   EuroWhiteCert Project (2006b), S.5.
34
   Vgl. OFGEM (2010b), S.1.
35
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.76.
36
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.78.
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Relation zur Anstrengung, der bisherigen Leistung und den gegebenen Schwierigkeiten
festzulegen.37

1.3 Angebotsseite
Im    britischen    System     werden   keine    Zertifikate   ausgestellt.   Ausschließlich
Obligationsnehmern werden Einsparungen bestätigt, damit ist vertikaler Handel (von ESCOs
zu den verpflichteten EVU) nicht möglich, eine vertragliche Auslagerung ist aber erlaubt.38,39
Aus Sicht der britischen Haushalte ist das Obligationssystem als ein System von
Förderungen zu betrachten. Haushalte „übertragen“ ihre Ersparnisse gegen eine Förderung
finanzieller, materieller, oder beratender Natur an die EVU.40 Die Additionalität einer
Maßnahme ist Voraussetzung für die Anrechnung.41
Erlaubte Maßnahmen und Energieträger: Eine nichtausschließende Liste von Maßnahmen
wurde zur standardisierten Bewertung definiert, grundsätzlich sind aber alle Arten von
Maßnahmen erlaubt, wenn eine Energieeinsparung nachgewiesen werden kann. Für
Einsparungen anrechenbare Energieträger (vgl. CO2-Standardisierung) sind Strom, Gas,
LPG, Öl und Kohle. Es besteht keine Beschränkung auf den durch das EVU selbst
vertriebenen Energieträger.42,43 Ab EEC-2 sind auch Kleinstkraftwerke (Mikro-Kraft-Wärme-
Kopplungen) als Einsparung zugelassen. DEFRA erwartete sich 2005 keinen großen Anteil
dieser Maßnahme.44 (Im Februar 2010 machen Kleinstkraftwerke und KWK tatsächlich nur
0,4% der Einsparungen in CERT aus.)45 Demonstrations- und Markttransformationsprojekte
sind anrechenbar und dürfen gemeinsam 6% des individuellen Einsparziels ausmachen, 8%
dann,     wenn      2%-Punkte       durch    Kleinstkraftwerke   bereitgestellt    werden.
Demonstrationsprojekte dienen dem Test von innovativen Maßnahmen und
Kundenreaktionen.     Markttransformationsprojekte     dienen   der   Erleichterung    der
                                                                                       46,47
Marktdurchdringung und werden mit einem Einsparungsmultiplikator von 1,5 gefördert.
Mit den Beschlüssen des Parlaments vom 20. Juli 2009 dürfen Demonstrations- und
Markttransformationsprojekte 10% bzw. 12% der Einsparungen ausmachen. Begleitend
wurden im Haus installierte Verbrauchsdisplays und sogenannte „Home Energy Advice
Packages“ als Maßnahmen erlaubt.48 Mit Juni 2010 wurden Energiesparlampen
(Kompaktleuchtstoffröhren und Halogenlampen) aus der Liste der anrechenbaren
Maßnahmen gestrichen.49 Dies geschah zum einen aus der verminderten Additionalität
(EcoDesign-Richtlinie), zum anderen um einen starken Fokus auf die Isolierung von
Gebäuden zu richten. Diese soll vor allem in nicht mit Gas versorgten Gebieten
vorangetrieben werden. 50 (Eine Aufwertung der Einsparung ist dann möglich, wenn
Haushalte, bei denen eine Anbindung an das Gasnetz nicht möglich ist, mit
Erdwärmepumpen und Wandisolierungen ausgestattet werden.51) Mit den Beschlüssen von

37
   Vgl. Capozza et al. (2006), S.103.
38
   Vgl. Capozza et al. (2006), S.46.
39
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.75.
40
   Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1462.
41
   Vgl. OFGEM (2010a), k.S.
42
   Vgl. Leprich und Schweiger (2007), S.26.
43
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.41 ,S.52.
44
   Vgl. EuroWhiteCert Project (2006b), S.10f.
45
   Vgl. OFGEM (2010b), S.2.
46
   Vgl. Leprich und Schweiger (2007), S.26.
47
   Vgl. OFGEM (2008a), S.2.
48
   Vgl. OFGEM (2009b), S.4.
49
   Vgl. DECC (2010a), k.S.
50
   Vgl. DECC (2010b), k.S.
51
   Vgl. OFGEM (2008a), S.1.
                                                   -9-
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

Juni 2010 wurde eine           weitere Schwelle eingeführt, die die Umsetzung von
Isolierungsmaßnahmen im Ausmaß von zumindest 68% der Ersparnisse fordert. Zuzüglich
der erlaubten Do-it-yourself-Maßnahmen soll der Anteil der Gebäudeisolierung am gesamten
Einsparziel auf über 80% angehoben werden. Das Department of Energy and Climate
Change geht davon aus, dass durch Isolierungsmaßnahmen in den ineffizientesten
Haushalten 550 Mio. Pfund pro Jahr gespart werden können.52
Beschränkung auf Haushaltskunden: Die Anrechenbarkeit von Maßnahmen ist auf den
Sektor privater Haushalte beschränkt. Ein Grund ist die Vermeidung sich überschneidender
Förderungen.53 Dabei besteht keine Restriktion auf die EVU-eigene Kundschaft bzw. den
EVU-eigenen Energieträger.54
Priority group: Die beiden Perioden des Energy Efficiency Commitment und das laufende
Programm CERT stellen eine Unterstützung einkommensschwacher Haushalte und damit
einen Strategiebestandteil im Bereich des in Großbritannien politisch bedeutsamen Themas
der Energiearmut dar.55 Grundsätzlich besteht in einem Obligationssystem ein Anreiz für
verpflichtete EVU, die Kosten einer Maßnahmenumsetzung zu minimieren. Es ist davon
auszugehen, dass einkommensstarke Haushalte einen höheren Anteil der
Umsetzungskosten zu tragen bereit und fähig sind als einkommensschwache Haushalte.
Diesem für EVU bestehenden Anreiz soll vorgebeugt werden, indem 40% des
Einsparvolumens in der sogenannten priority group erzielt werden müssen, wobei es sich
dabei um Haushalte mit niedrigem Einkommen oder um Haushalte mit älteren Menschen
über 70 Jahren handelt.56 Nach den Beschlüssen im Juni 2010 müssen die EVU darüber
hinaus zumindest 15% der Einsparungen in einer sogenannten „super priority group“
durchführen, welche die Haushalte mit den niedrigsten Einkommen umfasst.57,58 Als weiterer
positiver Aspekt der priority group ist zu erwähnen, dass bei energiearmen Haushalten eher
davon auszugehen ist, dass Additionalität gegeben ist, d.h. Maßnahmen außerhalb des
Obligationssystems nicht umgesetzt worden wären.59 Angaben über die Höhe des Rebound-
Effekts in der priority group liegen nicht vor.60 Zu den Qualifikationskriterien der priority group
zählen (Originaltext wurde vom Autor aufbereitet): “Pension Credit claimants, Child Tax
Credit recipients under a £16,190 income threshold, income-based Job Seeker’s Allowance,
income-related Employment and Support Allowance (that includes a work-related activity or
support component) or Income Support, and one of the following: (i) pensioner premium (ii)
disability or severe disability premium (iii) award of child tax credit that also includes an
element for a disabled, or severely disabled, child or young person (iv) child under the age of
five.”61

1.4 Anrechnung der Maßnahmen
Additionalität: Die Additionalität von Maßnahmen muss seitens der EVU klar dargestellt
werden.62 Effizienzmaßnahmen müssen bei Gebäuden Mindeststandards und bei Geräten
den nationalen Marktdurchschnitt übertreffen. Unabhängig von der finanziellen Beteiligung

52
   Vgl. DECC (2010b), k.S.
53
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2009b), S.2.
54
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.41.
55
   Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1457ff.
56
   Vgl. DECC (2009a), S.13f.
57
   Vgl. DECC (2010a), k.S.
58
   Vgl. DECC (2010b), k.S.
59
   Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1457ff.
60
   Vgl. Capozza et al. (2006), S.42.
61
   DECC (2010b), k.S.
62
   Vgl. Leprich und Schweiger (2007), S.26.
                                                  - 10 -
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des EVU wird ihm die gesamte Einsparung zuerkannt, was laut Bertoldi und Rezessy
Bedenken hinsichtlich der Additionalität auslöste.63
Berechnung der Einsparung: Die Lebensdauereinsparung einer Maßnahme wird nach
Umsetzung vor der tatsächlichen Einsparung ex-ante angerechnet, in einem zentralen
Register gelistet und kann am Ende der Periode zur Compliance verwendet werden.64 Es
bestünde auch die Möglichkeit des Monitoring und der damit einhergehenden ex-post-
Verifikation, diese wurde aber nie genutzt.65,66 Für die Größe der Einsparprojekte ist keine
Minimalschwelle definiert. Die kleinsten im Jahr 2006 vorliegenden Projekte hatten eine
Größe von 300 MWh. Es wird angenommen, dass die umsetzenden Parteien Großprojekte
zur Verringerung der Kosten pro eingesparter Energieeinheit vorziehen.67 Die Einsparung
wird von der tatsächlichen jährlichen Einsparung, der Lebensdauer der Maßnahme, dem
Komfort- (Rebound) und dem Dead-Weight-Faktor (Free-Rider) und in den beiden Perioden
des EEC vom Diskontfaktor und der Art des Energieträgers bestimmt:68
 In EEC-1 wurde die verbrauchte Energie über die Lebensdauer mit einem Faktor von 6%
  diskontiert, in EEC-2 mit 3,5%, in CERT wird aufgrund der Langlebigkeit von CO2 zur
  Vereinfachung gänzlich auf einen Diskontfaktor verzichtet.69
 Die Einsparungen werden mittels sogenannten Komfort- und Dead-Weight-Faktoren
  korrigiert, die den durchschnittlichen Reboundeffekt und den durchschnittlichen Anteil von
  Free-Ridern widerspiegeln sollen.70
 In EEC1 und EEC-2 wird die Einsparung nach der Art des Energieträgers standardisiert,
  die Koeffizienten sind für Kohle 0,56, für Strom 0,8, für Gas 0,35, für LPG 0,43 und für Öl
  0,46.71 Ob diese Angaben bereits andere Abwertungsfaktoren wie Rebound- und Free-
  Rider-Faktor enthalten, ist nicht bekannt, aber es ist auffällig, dass kein Wert größer gleich
  eins ist.
Registrierung, Einlösung: Vierteljährlich senden die Obligationsnehmer einen Bericht an
OFGEM, in dem die durchgeführten Maßnahmen und die mit den Standardwerten
berechneten      erzielten Einsparungen      aufgeschlüsselt   werden.   Die    Art  der
Maßnahmenimplementierung (z.B. Do-it-yourself vs. professionelle Installation) muss vom
EVU dargestellt werden. Monitoring und Reporting tatsächlicher Einsparungen sind
verpflichtend.72
Der Regulator OFGEM beurteilt, bestätigt und registriert die von den Obligationsnehmern
durchgeführten  Maßnahmen.       OFGEM      führt   stichprobenartige   Kontrollen  der
Effizienzmaßnahmen bei den Obligationsnehmern durch. Das Ministerium DEFRA (jetzt
DECC) entwickelte die hinter den standardisierten Berechnungen stehenden Modelle, die
dann von OFGEM verwendet wurden.73

63
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.60.
64
   Vgl. Leprich und Schweiger (2007), S.26.
65
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.62f.
66
   Kürzlich (2011) erneuert durch die Aussage von Charles Phillips auf dem JRC Workshop „White Certificates
and Supplier Obligations“ in Varese, Italien, 27./28.1.2011.
67
   Vgl. Capozza et al. (2006), S.41.
68
   Vgl. EuroWhiteCert Project (2006b), S.12.
69
   Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1460.
70
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.60.
71
   Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1457.
72
   Vgl. EuroWhiteCert Project (2006b), S.12.
73
   Vgl. EuroWhiteCert Project (2006b), S.12.
                                                  - 11 -
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1.5 Handel
Intertemporal: Banking von bestätigten Maßnahmen ist im britischen System zur Kontinuität
des Programms74 nach Erfüllung der einzelnen Obligation uneingeschränkt möglich und war
sowohl von EEC-1 in EEC-2 als auch von EEC-2 in CERT erlaubt.75
Horizontal: In Großbritannien gibt es keine Zertifikate, nur eine Bestätigung von
Einsparungen. Entsprechend werden keine tatsächlichen Zertifikate ausgegeben und es
existiert kein Marktplatz. Nach der Erfüllung der eigenen Obligation können mit schriftlichem
Einverständnis des Regulators OFGEM bestätigte Einsparungen oder Obligationen
gehandelt werden.76
Vertikal: Nur die verpflichteten EVU können sich im britischen Obligationssystem
Einsparungen bestätigen lassen. Ein vertikaler Handel von ESCOs zum EVU ist daher nicht
möglich, da diesen keine Einsparungen bestätigt werden.77 Eine starke Verknüpfung
zwischen ESCOs und EVU besteht dennoch, da die EVU einen Großteil der Umsetzung ihrer
Einsparverpflichtung vertraglich an Auftragsnehmer ausgelagert haben.78
Nationaler Emissionshandel: In EEC wäre eine Übertragung der überschüssigen
Einsparungen in den nationalen Emissionshandel möglich gewesen. Mangels klarer
legislativer Vorgaben wurde diese Möglichkeit von keinem EVU genutzt. Es finden sich keine
Hinweise, dass diese Möglichkeit immer noch besteht oder nun genutzt wird.79

1.6 Ergebnisse
Systemkosten EEC-1 (Tabelle 1-2): Die direkten Kosten betragen in EEC-1 600 Mio. Pfund.
Die indirekten Kosten werden auf etwa 20% geschätzt, wobei diese je nach Maßnahme stark
zwischen z.B. 24% für Isolierungen und 9% für die Verteilung von Energiesparlampen
variieren. Pro verkaufter kWh Strom kostete das System zwischen 0,010 und 0,013 Pfund,
pro verkaufter kWh Gas 0,005 Pfund, was 20% unter der Vorabschätzung von DEFRA liegt.
Den direkten und indirekten Kosten steht in EEC-1 ein Barwert von 3,1 Mrd. Pfund für die
Haushalte gegenüber. Lees berechnete, dass jedes von einem Vertrieb investierte Pfund
einen Vorteil von neun Pfund für Haushalte ergäbe. DEFRA analysierte, dass EEC-1 etwa
3,2 Pfund pro Haushalt, Jahr und Energieträger (Strom, Gas) kostete. EEC-1 verursachte
OFGEM Kosten in Höhe von etwa 1 Mio. Pfund (bei einem Gesamtbudget der Behörde von
400 Mio. Pfund). OFGEM nahm seine Aufgaben als Kontrolleur der Umsetzung wahr und
veranschlagte in EEC-1 für ein erstes Audit im Jahr 2004 90.000 Pfund und für ein weiteres
im Jahr 2005 60.000 Pfund. Beide Kontrollen waren zufriedenstellend.80,81,82
Systemkosten EEC-2 (Tabelle 1-2): Alle sechs Obligationsnehmer erreichten in EEC-2 ihre
Zielvorgaben.83 Insgesamt wurden etwa 187,2 TWh angerechnet.84 Die erwarteten Kosten
beliefen sich auf 9 Pfund pro Haushalt, Jahr und Energieträger.85 Die Gesamtkosten der
Maßnahmenumsetzung belaufen sich in EEC-2 auf 1,115 Mrd. Pfund. Die Kosten von EEC-2

74
   Vgl. OFGEM (2010a), k.S.
75
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.72.
76
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.75-78.
77
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.75.
78
   Vgl. Capozza et al. (2006), S.46.
79
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.75.
80
   Vgl. Energy Charter Secretariat (2010), S.28ff.
81
   Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1464f.
82
   Vgl. EuroWhiteCert Project (2006b), S.5f, S.12.
83
   Vgl. OFGEM (2008a), S.1.
84
   Vgl. OFGEM (2008b), S.1.
85
   Vgl. EuroWhiteCert Project (2006b), S.5f, S.12.
                                                     - 12 -
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

lagen bei 0,0235 Euro (2,0 Pence) pro verkaufter kWh Strom bzw. 0,007 Euro (0,6 Pence)
pro verkaufter kWh Gas. Die Strom- bzw. Gaspreise exklusive Steuern waren im Jahr 2008
0,139 bzw. 0,037 Euro pro kWh. Die nicht genauer definierte „most likely alternative policy
option“ hätte höhere durchschnittliche Kosten von 0,025 Euro pro kWh verursacht.86,87,88 Die
Angaben über den Barwert einer eingesparten Tonne CO2 liegen bei 44 (Pfund-Euro-
Wechselkurs vom 3. August 2010) und 57 Pfund.89
Tabelle 1-2: Direkte und indirekte Kosten in EEC-1 und EEC-2 (in Pfund). Angaben aus Quellen und eigene
            90,91,92
Berechnung.

                              Direkte           Anteil             Indirekte      Gesamtkosten      Anteil
                              Kosten                                Kosten

                             Mio. Pfund           %               Mio. Pfund         Mio. Pfund       %

                                                        EEC-1

                            850 für alle     91% >>>>> 937,5
                            Ersparnisse,

                                                                     87,5
                             600 für die                         (unklar ob für
Obligationsnehmer           Erfüllung der                        Ersparnis oder                      n/A
                             Obligation                            Obligation
                           (exklusive der                          berechnet)
                               beiden
                            insolventen
                                EVU)         87% >>>>> 687,5

                                                        EEC-2

Obligationsnehmer               775              85%                  140               915          73%

Haushalte                       232                                                     232          18%

Andere                          108                                                     108          9%

Gesamtkosten                    1.115            89%                  140              1.255        100%

Verwendet man zur Berechnung der Kosten von EEC-2 die Angaben aus Tabelle 1-2, dann
ergeben sich Kosten von (Wechselkurs vom 2011-03-08):
 0,0086 Pfund (0,01 Euro) pro eingesparter kWh, bei Gesamtkosten von 1.115 Mio. Pfund
  und einer Einsparung in Obligationshöhe von 130 TWh.

86
   Vgl. Energy Charter Secretariat (2010), S.28ff.
87
   Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1464f.
88
   Vgl. EuroWhiteCert Project (2006b), S.5f, S.12.
89
   Vgl. Energy Charter Secretariat (2010), S.9, S.30.
90
   Vgl. Energy Charter Secretariat (2010), S.28.
91
   Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1464.
92
   Vgl. EuroWhiteCert Project (2006b), S.5f.
                                                        - 13 -
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

 0,0060 Pfund (0,0070 Euro) pro eingesparter kWh, bei Gesamtkosten von 1.115 Mio.
  Pfund und einer Einsparung in der durchgeführten Höhe von 187 TWh.
 0,006 Pfund (0,007 Euro) pro eingesparter kWh für einen Obligationsnehmer
  (Gesamtausgaben 775 Mio. Pfund) und einer Einsparung in Obligationshöhe von 130
  TWh.
 0,0041 Pfund (0,0047 Euro) pro eingesparter kWh für einen Obligationsnehmer
  (Gesamtausgaben 775 Mio. Pfund) und einer Einsparung in Obligationshöhe von 187
  TWh.

Systemkosten CERT: Die Kosten des bis 2012 laufenden Programms CERT werden bei
einer vollständigen und gleichmäßigen Weitergabe der Systemkosten an die Kunden mit 50
Pfund pro Kunde beziffert, um 9 Pfund mehr als bei der bis 2011 laufenden
Systemauslegung mit 41 Pfund pro Kunde.93 Ob bei der Berechnung auf die um 1,5 Jahre
ausgeweitete Dauer des Programms Rücksicht genommen wurde, ist nicht bekannt. Es wird
erwartet, dass zur Erreichung des Ziels 2,4 Mrd. Pfund seitens der EVU aufgewendet
werden müssen.94 Das entspricht bei einer Verpflichtung zur Einsparung von 293 MtCO2
Kosten von 8,2 Pfund pro tCO2.
Durchführende Parteien: Die sechs Obligationsnehmer British Gas, EdF Energy, Eon, RWE
Npower, Scottish and Southern Energy und Scottish Power haben eigene Programme zur
Umsetzung von Maßnahmen entwickelt, die sie auch zum Marketing und zur Positionierung
als Anbieter von Effizienzmaßnahmen einsetzen. Sowohl Bertoldi et al. als auch Pavan et al.
stellen fest, dass die Integration von Energiedienstleistungen in das Kerngeschäft nicht
stattgefunden hat, da diese Umsetzungsprogramme separat geführt werden. Die
ausführenden Vertragspartner verwenden zwar die Marke der Obligationsnehmer, sind aber
eben nicht Teil von diesem. Gerade im Bereich der Gebäudeisolierung findet die
Auslagerung von Maßnahmen statt, die Obligationsnehmer sehen darin kein neues
Geschäftsfeld, obwohl – wie oben erwähnt – in der Schlussphase von CERT über 80% der
Einsparungen aus diesem Bereich kommen sollen.95,96 Kurzum: Obligationsnehmer lagern
die Umsetzung der Maßnahmen vertraglich an ESCOs aus (nicht im Sinne der
Legaldefinition der Energieeffizienzrichtlinie).97,98 Als Kostenrisiko wird die Möglichkeit
angesehen, dass zu schnelle Steigerungen der Zielsetzung bei umsetzenden ESCOs
monopolistisches Verhalten entstehen lässt und die Preise für die Maßnahmenumsetzung
steigen.99
Eingesparte Energieträger: Durch die Standardisierung der Einsparung nach dem CO2-
Ausstoß des Energieträgers wurden vorrangig Maßnahmen in emissionsintensiven
Energieträgern gesetzt. 64,7% der Einsparungen wurden im Energieträger Gas (inkl. LPG
0,3%) erzielt, gefolgt von Elektrizität mit einem Anteil von 27,3%, Kohle (4,8%) und Öl
(3,2%).100
Durchgeführte Maßnahmen EEC1: 98,7% aller Einsparungen lassen sich auf 17
unterschiedliche Maßnahmen zurückführen.101 Decken- und Wandisolierungen machten 56%

93
   Vgl. DECC (2010b), k.S.
94
   Vgl. DECC (2010b), k.S.
95
   Vgl. Pavan et al. (2009), S.435.
96
   Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1467.
97
   Vgl. Capozza et al. (2006), S.46.
98
   Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.75.
99
   Vgl. Energy Charter Secretariat (2010), S.65.
100
    Vgl. OFGEM (2008b), S.42f.
101
    Vgl. Leprich und Schweiger (2007), S.26.
                                                   - 14 -
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

der Einsparungen aus, 24% wurden mit Energiesparlampen erreicht, 11% mit
energieeffizienten Geräten und 9% mit Maßnahmen im Bereich der Heizung.102 Der Anteil
von Free-Ridern (deren nichtadditionale Einsparung mit dem Dead-Weight-Faktor
ausgeglichen wird) liegt bei 20,7%.103
Durchgeführte Maßnahmen EEC2: DEFRA ging ursprünglich von 42 Mio. verteilten
Energiesparlampen in EEC-2 aus, tatsächlich waren es über 100 Mio. Die erwarteten 1,7
Mio. Zwischenwandisolierungen wurden sehr genau erreicht, genauso wie die 1,6 Mio.
Deckenisolierungen (Tabelle 1-3).104,105
Tabelle 1-3: Die zehn hinsichtlich ihrer Gesamteinsparung wichtigsten Maßnahmen in EEC-2 (inkl. Überschüsse).
                                                                                    106
Übernommen aus Quelle. Einzeleinsparung und Maßnahmenanteil: eigene Berechnung.

Alle Aktivitäten in EEC-2 (2005-2008)

                               Einsparungen         Maßnahmen          Einzeleinsparung         Maßnahmenanteil

                                    fuel-              Anzahl                kWh pro                  An den
                                standardised                               Maßnahme              Einsparungen der
                                    GWh                                                            10 häufigsten

Wandisolierung                     76.654            1.760.828               43.533                     43%
(Zwischenwand)

Deckenisolierung                   31.267             493.515                63.356                     18%
(erstmalige)

Kompaktleucht-                     21.911           101.876.023                215                      12%
stoffröhren

Deckenisolierung                   18.824            1.286.787               14.629                     11%
(ergänzend)

Deckenisolierung                    9.073             799.573                11.347                     5%
(Eigeninstallation)

Boiler und Heizkessel               7.837            2.082.812                3.762                     4%

Wechsel des                         4.462              78.010                57.198                     3%
Energieträgers

iDTV*                               3.471            9.450.182                 367                      2%

Wandisolierung                      2.250              41.410                54.335                     1%
(Außenwand)

Stand-by-Sparer                     2.005            2.943.384                 681                      1%

Gesamtsumme der 10                 177.754          120.812.524               1.471                    100%
einsparungsstärksten
Maßnahmen

* iDTV steht für „integrated digital television“ und bedeutet, dass in den Fernseher die Set-Top-Box integriert ist.
Set-Top-Boxen haben bekanntlich einen hohen Energieverbrauch.

102
    Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.52.
103
    Vgl. EuroWhiteCert Project(2006b), S.10f.
104
    Vgl. EuroWhiteCert Project (2006b), S.10f.
105
    Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1464f.
106
    Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1465.
                                                       - 15 -
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

Durchgeführte Maßnahmen CERT: Die Verteilung des Einsparvolumens auf die Maßnahmen
in CERT ist in Tabelle 1-4 dargestellt.
Tabelle 1-4: Anteil einzelner Maßnahmenbereiche an den Einsparungen in CERT (inkl. Überträge aus EEC-2),
                                                    107
Stand Februar 2011. Angaben übernommen aus Quelle.

Alle Aktivitäten in CERT inkl. Überträge aus EEC-2
Einsparungen                                Maßnahmenanteil

Isolierungen                                       61,4%

Beleuchtung                                        25,9%

Wärme/Heizung                                      6,5%

Geräte                                             4,7%

Kleinstkraftwerke inkl. KWK                        0,7%

Verhalten (Echtzeitdisplays)                       0,8%

Handel: Intertemporaler Handel in Form von Banking wird durch die britischen
Obligationsnehmer sehr stark betrieben. In EEC-1 wurde mit Einsparungen in Höhe von 86,8
TWh ein Überschuss von 40% gegenüber dem Ziel von 62 TWh erreicht. Dieser Überschuss
wurde in EEC-2 mitgenommen. Auf die bereits beschriebene Änderung des Diskontsatzes
und der damit einhergehenden Aufwertung der aufgesparten Zertifikate sei nochmals
hingewiesen. Die überschüssigen 24,8 TWh aus EEC-1 dürften etwa 25% (also etwa 32
TWh) des Ziels von EEC-2 entsprochen haben.108 OFGEM stellt in EEC-2 einen Überschuss
von 57 TWh fest, was einen Überschuss von 44% gegenüber der Zielsetzung von EEC-2
darstellt. Der Übertrag bedeutet für CERT anrechenbare 37,8 MtCO2, was 25% des
ursprünglichen (154 MtCO2) und nur 13% des letztendlichen Einsparziels (293 MtCO2)
entspricht.109 Der horizontale Handel zwischen den Obligationsnehmern ist mit derzeit etwa
0,25% des Einsparziels äußerst gering. Ein tatsächlicher Handel von Zertifikaten als „Güter“
findet auch vertikal von der ein Projekt umsetzenden Partei zum Obligationsnehmer nicht
statt, da es sich hier rein um eine vertragliche Auslagerung der Umsetzung handelt, deren
Ersparnisse aber den Obligationsnehmern angerechnet werden.110,111
Priority group: In EEC-2 entfielen 82 TWh auf die priority group, das entspricht 63% der
Obligation oder 44% der Einsparungen in der Periode.112 In CERT wurden mit Stand Februar
2011 42% der Effizienzmaßnahmen in der priority group umgesetzt. Im Bereich der
Isolierungsmaßnahmen wurde in der priority group mit 42 MtCO2 bisher fast genauso viel
eingespart wie in der non-priority group mit 43 MtCO2. Deutliche Unterschiede zeigen sich
im Bereich der Heizungsmaßnahmen (etwa 2,5fach mehr Maßnahmen bei der non-priority
group), im Bereich der Beleuchtung (etwa 1,5fach) und bei Geräten (etwa 2,3fach). Auch im
Bereich Kleinkraftwerke inkl. KWK und Verhalten lässt sich ein Trend zur non-priority-group
feststellen.113

107
    Vgl. OFGEM (2011a), S.2.
108
    Vgl. Bertoldi und Rezessy (2008), S.243.
109
    Vgl. OFGEM (2008a), S.1
110
    Vgl. Energy Charter Secretariat (2010), S.9.
111
    Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.75.
112
    Vgl. OFGEM (2008a), S.1.
113
    Vgl. OFGEM (2011a), S.1ff.
                                                      - 16 -
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

2. Italien
Kurzfassung: Das derzeit laufende italienische System besteht seit 2005 und läuft bis
zumindest 2014, wobei vorerst Einsparziele bis 2012 definiert sind. Als Obligationsnehmer
werden die regulierten Netzbetreiber herangezogen, da die italienischen EVU auch nach der
Liberalisierung noch stark vertikal integriert sind. Es sind nach einer indirekten Beschränkung
auf Strom und Gas nun alle Energieträger und alle Sektoren für die Durchführung von
Maßnahmen erlaubt. Die Maßnahmen, die mit wenigen Ausnahmen (im Gebäudebereich)
eine Lebensdauer von fünf Jahren haben, werden hauptsächlich von Energiedienstleistern
(ESCOs) umgesetzt und diesen angerechnet. Die Obligationsnehmer erwerben die
Zertifikate (Titoli) entweder bilateral (was zu einem großen Teil in der Eigenschaft der
ESCOs als Tochterfirmen der Netzbetreiber begründet ist) oder über eine zentrale Börse.
Die mit 100 Euro pro Zertifikat regulierte Rückholung der durch das TWC-System
verursachten Kosten über die Netztarife ist ein essenzieller Bestandteil des italienischen
Systems.

Energieverbrauchsstruktur: Im Jahr 2008 wurden in Italien 128 Mio. Tonnen Öläquivalent
(1.488 TWh) Endenergie konsumiert, wobei 43% der Energie aus Ölprodukten, 29% aus
Naturgas und 21% aus elektrischer Energie kamen.114 Italien hat einen niedrigeren Pro-Kopf-
Energieverbrauch und eine geringere Energieintensität (in Einheiten Energie pro Einheit BIP)
als der Durchschnitt der anderen 27 EU-Mitgliedsstaaten. Die Abhängigkeit von Importen ist
dennoch äußerst hoch (Tabelle 2-1).
Tabelle 2-1: Vergleich des italienischen Energieverbrauchs im Jahr 2004 mit den EU-27. Daten übernommen aus
       115
Quelle.

(Daten aus 2004)                          Einheit                 Italien                  EU-27

Pro-Kopf-Energieverbrauch             kg Öläquivalent /            3.177                    3.689
                                         Einwohner

Energieintensität                   Tonne Öläquivalent /            150                      185
                                       Mio. Euro BIP

Importabhängigkeit                           %                      85                       50

Der italienische Transportsektor hat im Jahr 2004 mit 34% den höchsten Anteil am
Endverbrauch, gefolgt von der Industrie mit 31% und Haushalten mit 23%. Der Sektor
„Commerce“ hat mit 12% den geringsten Anteil, ist seit 1990 aber am stärksten gewachsen
(mit einem Plus von 42%).116

2.1 Ausgangssituation
Italien hat historisch einen geringeren Pro-Kopf-Energieverbrauch als andere westliche
Länder. Was als sehr effiziente Nutzung fehlinterpretiert wurde, resultiert v.a. aus einem

114
    Vgl. Eurostat (2010a), S.165.
115
    Vgl. DG TREN (2007g), S.1.
116
    Vgl. DG TREN (2007g), S.2.
                                                     - 17 -
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

geringen Anteil von energieintensiven Industrien, einem hohen Anteil des primären und
tertiären Sektors, den guten klimatischen Bedingungen und einer starken staatlichen
Steuerung des Energieverbrauchs (etwa drei Viertel des Strom- und Gaspreises entfielen auf
Steuern). Mehrere Analysen des Verbrauchs zeigten signifikantes Potenzial für
Einsparungen auf, welches sich auf alle Wirtschaftssektoren verteilt. Im „nationalen Plan zur
Reduktion der Treibhausgasemissionen“ aus dem Jahr 1998 fixiert die Regierung, dass etwa
26% des Kyoto-Ziels (minus 6,5% Emissionen) durch Effizienzmaßnahmen erreicht werden
sollen. In den zwei Liberalisierungsgesetzen für Strom und Gas in den Jahren 1999 und
2000 wird festgelegt, dass Netzbetreiber eine Erhöhung der Endverbrauchseffizienz
vorzusehen haben. Zwei entsprechende Dekrete („Zwillingsdekrete“, eines für den Strom-
und eines für den Gasmarkt) verabschiedete das Ministerium schon im Jahr 2001. Die
beiden Dekrete wurden 2004 nochmals angepasst und ließen so ab Jänner 2005 ein TWC-
System entstehen (Titoli di Efficienza Energetica). Nachträglich bildet auch die Richtlinie
über Endenergieeffizienz eine Rechtfertigung des Systems, die bekanntlich Vorgaben an
EVU vorsieht. Leprich und Schweiger stellen in der italienischen Umweltpolitik generell einen
Paradigmenwechsel fest, der die Konzentration auf Umweltmärkte stärkt: Es wurde ein
System Weißer Zertifikate eingerichtet, daneben bestehen ein System Grüner Zertifikate und
der Emissionshandel der EU.117,118 Die Einführung des italienischen TWC-Systems wurde
seitens der Stakeholder kontroversiell betrachtet, denn zum einen herrschte Zustimmung, da
die Zielvorgaben mit regulatorischen Zugeständnissen verbunden waren, zum anderen fand
sich als zentrales Gegenargument die Komplexität der Regelung und ihrer tatsächlichen
Marktanwendung.119 Ohne existente komplementäre Instrumente ist ein TWC-System
schwer durchzuführen bzw. die Bildung eines Marktes erschwert. In Italien werden zu diesen
„enabling“ Instrumenten gezählt:
     Informationskampagnen,
     Abrechnungsstellen (Clearing House),
     Energielabelling,
     Mindeststandards,
     Studien und Statistiken zur Verfolgung der Baselines.120
Die erste Periode des TWC-Systems sollte von 2005 bis 2009, also fünf Jahre dauern.
Aufgrund bis dahin aufgetretener Erkenntnisse und Probleme wurden im Dezember 2007
legislative Veränderungen durchgeführt, die ab 2008 galten. Daneben wurden die
Einsparziele für 2008 und 2009 erhöht, das System bis 2014 verlängert und bis 2012
Einsparziele definiert.121,122

2.2 Nachfrageseite
Obligationsnehmer: In Italien werden die Gas- und Elektrizitätsnetzbetreiber als
Obligationsnehmer herangezogen. Die Obligationen werden jährlich neu verteilt, auch die
Einlösung der Zertifikate („Compliance“) hat jährlich stattzufinden.123,124 Als Schwelle wurde
anfänglich eine Kundenanzahl von 100.000 im Jahr t-2 herangezogen.125 Damit waren 10

117
    Vgl. Leprich und Schweiger (2007), S.27.
118
    Vgl. Capozza et al. (2006), S.48
119
    Vgl. Energy Charter Secretarial (2010), S.64f.
120
    Vgl. Pavan (2008), S.265.
121
    Vgl. Pavan (2008), S.264.
122
    Vgl. Energie Plus Roma (2008), S.1.
123
    Vgl. Pavan et al. (2009), S.431.
124
    Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.51.
125
    Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.50.
                                                     - 18 -
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

Stromnetzbetreiber und 20 Gasnetzbetreiber belastet.126 Die größten Obligationsnehmer
waren Enel Distribuzione mit 88% Marktanteil am Strommarkt und Italgas mit 20%
Marktanteil am Gasmarkt. Am Gasmarkt waren Gasnetzbetreiber mit einem
Versorgungsanteil von 40% der gesamten Kundenanzahl nicht belastet, im Bereich der
Elektrizität waren es 2%.127 Durch die Änderungen im Dezember 2007 wurde ab 2008 die
Schwelle auf 50.000 Kunden gesenkt, was die Anzahl der verpflichteten Stromnetzbetreiber
auf 14 und die der Gasnetzbetreiber auf 61 anhob.128
Höhe der Gesamtobligation: Die Einsparungen sind in Primärenergieeinheiten zu erzielen,
Messgröße und Zertifikatseinheit ist eine Tonne Öläquivalent (1 toe = 11,63 MWh).129,130 Laut
Zieldefinition im Jahr 2005 sollte sich das jährliche Einsparziel in den fünf Jahren bis 2009
von 0,2 Mtoe auf 2,9 Mtoe steigern.131 Diese Vorgaben begründen sich auch in der (mit
Ausnahmen) allgemein gültigen Maßnahmenlebensdauer von fünf Jahren.132 Mit dem Dekret
vom Dezember 2007 wurden die Ziele für 2008 und 2009 erhöht und Ziele für die ersten drei
Jahre der nachfolgenden Fünfjahresperiode festgelegt.133 Nach dem Stand der bis 2012
definierten Einsparungen errechnet sich bei einer Maßnahmenlebensdauer von fünf Jahren
eine Lebensdauereinsparung des TWC-Systems von 33,7 Mtoe (392 TWh). (Tabelle 2-2,
Abbildung 2-1 und Abbildung 2-2.)
Tabelle 2-2: Einsparverpflichtungen für italienische Netzbetreiber (Stand Juli 2010). Angaben aus Quelle und
                     134,135
eigene Berechnungen.

                 Jährlich zu erbringende Einsparungen der Netzbetreiber in Mtoe
                        (nach Änderung 2007; in Klammer: nach Stand 2004)

      Jahr           Strom        Gas            Gesamt            Einsparung aus          Zusätzliche
                                                                    vier Vorjahren       Durchführung

      2005             0,1         0,1              0,2                                         0,2

      2006             0,2         0,2              0,4                    0,2                  0,2

      2007             0,4         0,4              0,8                    0,4                  0,4

      2008          0,8 (1,2)   0,7 (1,0)        2,2 (1,5)                 0,8                  1,4

      2009          1,6 (1,8)   1,3 (1,4)        3,2 (2,9)                 2,2                  1,0

      2010             2,4         1,9              4,3                    3,0                  1,3

      2011             3,1         2,2              5,3                    4,1                  1,2

      2012             3,5         2,5              6,0                    4,9                  1,1

126
    Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1457.
127
    Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.50.
128
    Vgl. Bertoldi et al. (2010), S.1457.
129
    Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.49.
130
    Vgl. Capozza et al. (2006), S.56.
131
    Vgl. Leprich und Schweiger (2007), S.28.
132
    Vgl. Bertoldi et al (2010), S.1457.
133
    Vgl. Energie Plus Roma (2008), S.4.
134
    Vgl. Capozza et al. (2006), S.51.
135
    Vgl. AEEG (2008a), S.8.
                                                  - 19 -
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

                    Jährlich zu erbringende Einsparungen der Netzbetreiber in Mtoe
                           (nach Änderung 2007; in Klammer: nach Stand 2004)

        Jahr           Strom         Gas            Gesamt           Einsparung aus     Zusätzliche
                                                                      vier Vorjahren   Durchführung

        2013                                    (verbleibend: 4,3)            4,3             -

        2014                                    (verbleibend: 3,6)            3,6             -

        2015                                    (verbleibend: 2,3)            2,3             -

        2016                                    (verbleibend: 1,1)            1,1             -

          Lebensdauereinsparung                     33,7 Mtoe
  (Maßnahmenlebensdauer: 5 Jahre)                  (392 TWh)

Abbildung 2-1: Jährliche Gesamtobligation nach dem Stand 2005. Darstellung übernommen aus und modifiziert
            136
nach Quelle.

136
      Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.40.
                                                      - 20 -
Bestehende Systeme Weißer Zertifikate

Abbildung 2-2: Skizzierter Verlauf der jährlichen Gesamtobligation nach dem Stand 2010. Darstellung
                                           137,138
übernommen aus und modifiziert nach Quelle.

Verteilung der Obligationen: Die Obligationen werden jährlich neu in linearer Relation zum
Marktanteil (der Anzahl der Konsumenten) von vor 2 Jahren (t-2) verteilt.139 Anfänglich
wurden 22% der Gesamtobligation nicht verteilt, dies entspricht dem Anteil der
Netzbetreiber, die bzgl. ihrer Kundenanzahl unter dem Schwellenwert von 100.000 lagen.140
Somit berechnet sich die für das Jahr 2009 tatsächlich geforderte Einsparung auf 2,26 Mtoe
(2,9 multipliziert mit (1 - 0,22)). (Togeby et al. führen 2,6 Mtoe an, es dürfte sich angesichts
der gegebenen Werte um einen Fehler handeln).141 Nach den Änderungen im Jahr 2007
wurde ein Mechanismus eingeführt, mit dem sich die Obligationen bei einer signifikanten
Steigerung des Absatzes anpassen. Auch wird ab Mitte 2008 die gesamte Obligation an die
Obligationsnehmer vergeben, für deren Definition nun ein Schwellenwert von 50.000
angesetzt wird.142
Cost Recovery: Da in Italien regulierte Strom- und Gasnetzbetreiber verpflichtet werden, die
ihre Mehrkosten nicht im Energiepreis weitergeben können, ist eine Möglichkeit der
Kostenrückholung vorgesehen. Pavan vom italienischen Strom- und Gasmarktregulator
AEEG (Autorità per l'energia elettrica e il gas) sieht hier eine große regulatorische
Herausforderung.143 Über die Tarife wird ein Beitrag von 0,03 Euro pro abgesetzter kWh
eingehoben, was einer Entschädigung von 100 Euro pro eingesparter toe entspricht. Eine
pauschale Entschädigung ist ein Anreiz für den Netzbetreiber, möglichst kosteneffiziente
Maßnahmen umzusetzen. Sobald die Obligationsnehmer ihre vorgegebene Zielsetzung
erreicht haben, erlischt ihr Anspruch auf weitere Entschädigung für z.B. verkaufte oder
aufgesparte (Banking) Zertifikate im Jahr der Obligation. Die Einnahmen der Tarife werden in

137
    Vgl. Energie Plus Roma (2008), S.4.
138
    Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.40.
139
    Vgl. Bertoldi und Rezessy (2006), S.50.
140
    Vgl. Bertoldi und Rezessy (2008), S.243.
141
    Vgl. Togeby et al. (2007), S.15.
142
    Vgl. Pavan (2008), S.264.
143
    Vgl. Pavan (2008), S.259.
                                                  - 21 -
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