Bibliotheken müssen ihre organisatorische Verfasstheit überdenken
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Bergmann REPORTAGEN 233 Bibliotheken müssen ihre organisatorische Verfasstheit überdenken Eine Zusammenfassung der Abschlussdiskussion auf dem virtuellen BibliotheksLeiterTag 2020 Helga Bergmann „Perspektiven für Wissenschaftliche Bibliotheken in der neuen Normalität“ war das Thema der Abschlussdiskussion auf dem virtuellen BibliotheksLeiterTag am 9. Dezember 2020. Haben sich vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie die relevanten Zukunftsaufgaben geändert? Welche Auswirkungen hat der Lockdown auf die innerbetriebliche Kommunikation? Welche Unterstützung wünschen sich die wissenschaftlichen Bibliotheken? Diese Fragen beantworteten und diskutierten Reinhard Altenhöner, Ständiger Vertreter der Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz (SBB-PK), Dr. Achim Bonte, Generaldirektor der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Prof. Dr. Klaus Tochtermann, Direktor des ZBW, Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft und Dr. Axel Kaschte, Product Strategy Director bei OCLC EMEA. Die Fragen stellte Andreas Mittrowann (nachvorndenken.de). Veranstalter war OCLC (Online Computer Library Center). ❱ Gleich vorweg berichtet: Es bestand unter den Dis- kutierenden Einigkeit, dass die Pandemie die Zu- kunftsaufgaben der wissenschaftlichen Bibliotheken nicht verändert hat. Insgesamt seien jedoch eine Dy- namisierung und ein enormer Schub bei der Digitali- sierung festzustellen. Habituelle Aneignung von neuen Verfahren Reinhard Altenhöner betonte, dass im Umgang mit einander und in vielen Arbeitsweisen habituelle An- eignungen von neuen Verfahren zu beobachten seien. Der BibliotheksLeiterTag 2020 selbst zeige, wie virtu- os neue Kanäle bespielt würden und Chatfunktionen sozusagen als zusätzliches dynamisches Laufband unter der Abschlussdiskussion liefen. Wenn Bibliothe- ken z.B. Schreibwerkstätten virtuell anbieten, die sich großen Interesses erfreuten, dann gingen sie von ei- nem eingeführten Format aus, würden ihm aber eine neue Präsentationsform geben. Bibliotheken müssten, so Altenhöner, ihre organisatorische Verfasstheit zu- nehmend auch nach innen überdenken. Im Hinblick auf das haptische Erleben des Arbeitsplatzes, der fühlten sich durch die extrem hohe Anzahl an Arbeits- Einrichtung, der Vorgesetzten, des Umfelds und der tagen zu Hause vom sozialen Umfeld der Bibliothek Kunden entstünden für die Bibliotheksmitarbeiter/- abgeschnitten. Um dem entgegenzuwirken, habe die innen neue kreative Formen, die in eine spannende ZBW Formate auf drei Ebenen eingeführt. Zunächst Richtung gehen, aber auch Verunsicherung mit sich wurde eine Wiki-Plattform für die Kommunikation un- brächten. Klaus Tochtermann ergänzte, für die unmit- ter den Beschäftigten eingerichtet, der abteilungswei- telbare Zukunft sei es wichtig, die Balance zwischen se informelle virtuelle Mittagessen und von Seiten der virtuellem Arbeiten im Homeoffice und Arbeiten im Direktion Zukunftscafes folgten. In den Zukunftscafes Büro ausgewogener zu gestalten. Viele Beschäftigte werden 14-tägig in einer halben Stunde Themen ange- www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 2 online Bibliothek. Information. Technologie.
234 REPORTAGEN Bergmann sprochen, die für alle Beschäftigten von Interesse sind Jetzt müssten sie externes Wissen in die Bibliothek und die sie auch mit auswählen können, erklärte er. In holen, denn der Ausschnitt dessen, was eine Biblio- der physischen Welt wäre das mit 300 Beschäftigten thek wissen könne, werde von Tag zu Tag kleiner an- an zwei Standorten nicht möglich gewesen. Dennoch gesichts des enormen Wachstums an Wissen. Heute ersetzten all diese Maßnahmen nicht das tatsächliche seien Bibliotheken mehr Wissensbroker, Organisato- Treffen in der Bibliothek. ren von Wissensaustausch. Um diese Aufgabe in La- boren auf Augenhöhe mit den Nutzenden zu gestalten, Veränderung der innerbetrieblichen hat die SLUB u.a. einen Makerspace der Worte, das Kommunikation Textlab2, eingerichtet. Achim Bonte verwies auf eine Veränderung der inner- betrieblichen Kommunikation durch die Einführung Volle Lesesäle im digitalen Zeitalter virtueller Formate. Da gehe es oft um die beste Idee, Altenhöner hat in der Pandemie auch eine sozusagen um schnelles Reagieren und um interdisziplinäre Zu- contra-faktische Entwicklung verzeichnet. In der SBB- sammenarbeit, mit der Folge, dass Hierarchien und PK wurde relativ früh per Buchungstools die Reser- Abteilungsgrenzen weniger stark wirkten. Bonte zi- vierung von Plätzen im Lesesaal ermöglicht. Die 700 tierte in diesem Zusammenhang John P. Kotters Buch Slots, die pro Tag angeboten werden konnten, waren „Die Kraft der zwei Systeme“1. Darin gehe es um die in kürzester Zeit ausgebucht. Die Nachfrage reichte Frage, wie man mit komplexen Wirklichkeiten zurecht bis hin zur Lastgrenze des Systems. Auch in Dresden, komme. Kotter vertrete die Ansicht, dass in einer Or- ergänzte Bonte, sei ein Run auf die Bibliothek zu spü- ganisation sowohl hierarchische als auch unhierarchi- ren gewesen; ein Vorgang, der immer schon mit der sche Strukturen gebraucht würden. Gehe es um Pro- Digitalisierung einhergegangen sei. Man nehme ei- bleme, die Regeln und genaue Abläufe betreffen wie nerseits die Segnung der Digitalisierung gerne in An- beispielsweise Fragen zu Ausleihe und Verzugsgebüh- spruch, möchte sich aber auch physisch begegnen. ren, müssten diese hierarchisch gelöst werden. Bei Problemen, die mit der Digitalisierung einhergehen, Beschleunigter Übergang zu nicht-textuellen stehe die Frage im Vordergrund, wer am besten darü- Wissensvermittlungsformen ber Bescheid wisse, wer zu deren Lösung eine Idee ha- Bonte machte auf eine Tendenz aufmerksam, die schon be. Je nach Problemstellung müsse die Lösung daher vor der Pandemie bestanden, durch sie aber eine Be- entweder hierarchisch oder unhierarchisch gefunden schleunigung erfahren habe. Nachdem die Retrodigi- werden, so Bonte. talisierung von 380.000 Bänden und 110.000 Titeln in Dresden schon weit fortgeschritten sei, stehe dort als Neue Bibliotheksdienste sind ganz nah nächste Aufgabe das Rechnen auf Daten an. Das füh- an den Nutzenden re zu Fragestellungen „Wie schöpfen wir Mehrwerte?“, Altenhöner machte auf einen weiteren Aspekt des Co- „Wie machen wir z.B. aus Textbildern prozessierbare rona-bedingten Digitalisierungsschubs aufmerksam. Volltexte?“, „Wie können wir dann die entsprechend Bei digitalen Services könnten sich Bibliotheken sehr großen Textmengen explorieren?“, „Wie können wir sie viel unmittelbarer mit Nutzenden über Inhalte austau- in Beziehung bringen?“, „Was passiert im Bereich der schen. Hier könne man die Krise durchaus als Kataly- Wissensrepräsentation?“, umriss Bonte das weite Feld sator sehen, denn es verändere sich auch die klassi- noch ungelöster Fragen. Die Veränderung von einem sche Sicht, dass die Bibliothek ausschließlich Wissen stark textuell geprägten Wissenskosmos hin zu nicht- und Information zur Verfügung stelle. In der Stiftung textuellen Wissensvermittlungsformen habe durch Preußischer Kulturbesitz kenne man aus der Zusam- die Corona-Krise einen Schub bekommen. Das werfe menarbeit mit vielen anderen Organisationen durch- auch Fragen auf, wie die Personalentwicklung laufe, aus die Frage, ab welchem Punkt man die Hoheit über wie Bibliotheken mehr Bewertungskompetenz gewin- das, was man als Sammlung kuratiere, aufgebe und nen könnten und dann in der nächsten Stufe ausrei- zu einem gleichberechtigten Miteinander in der Ar- chend Handlungskompetenz, um mit diesen Anfor- beit an diesem Material komme. Dieser Austausch sei derungen, insbesondere der Unterstützung rund um existentiell wichtig für die Weiterentwicklung der Bi- den Forschungskreislauf, tatsächlich fertig zu werden. bliotheksdienste. Bonte ergänzte: Bibliotheken hätten Nach Tochtermanns Bewertung sind hierfür drei Kom- bisher Weisheiten eingekauft, erzeugt und exportiert. ponenten für die Bibliotheken wesentlich: die Litera- 1 Erschienen in Harvard-Business-Manager 2015; 37: 80-93. ISSN 0945-6570. ZDB-ID 1138095-0. Siehe auch: https://www.interconsilium.de/ die-kraft-der-zwei-systeme/ 2 https://www.slub-dresden.de/en/participate/slub-textlab/ online 24 (2021) Nr. 2 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Bergmann REPORTAGEN 235 tur, die Forschungsdaten und die Analysesoftware, die sei insofern auch bei OCLC angekommen. Auch das auf den Forschungsdaten aufsetzt. Thema Open A ccess (OA) sei beschleunigt worden. Im WorldCat seien sehr viele Titel verzeichnet und es sei OCLC – Kommunikationsplattform bekannt, welche Bibliothek den jeweiligen Titel besitzt. zur Soforthilfe WorldCat.org sei frei zugänglich für alle und bei OA Welche Auswirkungen die aktuelle Situation auf die könne man direkt ohne jegliche weitere Maßnahme Strategie von OCLC hat, erläuterte Axel Kaschte. auf die Titel zugreifen. Der Weltkatalog biete Verweise OCLC habe als Community-Zentrum in den letzten auf elektronische Ressourcen, die OA vorhanden sind. sechs bis acht Monaten verstärkt Informationssuche und Fragestellungen der Transition und Transformati- Wünschenswerte Hilfestellung on vor dem Hintergrund der Pandemie erlebt. Neben für Bibliotheken den Software-Services für Bibliotheken stelle OCLC Tochtermann wies auf ein Phänomen hin, das unab- auch eine Kommunikationsplattform bereit, auf der hängig von Corona existiert, aber durch Corona noch einfache pragmatische Fragen diskutiert würden und einmal deutlicher wurde: die Nutzung von sozialen nachher in die Anwendungslösungen führten. Wäh- Medien und von Werkzeugen, die nicht unter der Kont- rend des Lockdowns wären z.B. nur noch elektroni- rolle der eigenen Einrichtung und von OCLC sind, son- sche Bezahlungen möglich gewesen oder konnten dern die angeboten werden wie beispielsweise Chat- Bücher nicht mehr zurückgeben werden, weil die Bi- systeme, Umgebungen wie Dropbox oder Zoom als bliothek geschlossen hatte. OCLC hätte die entspre- Videokonferenzsystem. Für den Datenschutzbeauf- chenden Funktionen im Ausleihmodul des Cloud-ba- tragten der ZBW waren die letzten Monate vor allem sierten WMS im Hintergrund schnell anpassen kön- dadurch geprägt, den Beschäftigten Rechtssicherheit nen. Die Änderung auf elektronische Bezahlung und zu geben und zu prüfen, was datenschutzkonform und elektronische Verlängerung sei enorm schnell von- wo ein Auftragsverarbeitungsvertrag abzuschließen statten gegangen: von der Diskussion auf der Kommu- sei. In diesem Bereich sei Unterstützung enorm wich- nikationsplattform bis zur Auslieferung innerhalb we- tig und hilfreich. niger Wochen. Immer wieder sei auch angefragt wor- Altenhöner fragte nach, ob der Anspruch von OCLC, den, wie Bibliotheksmitarbeitende von zu Hause aus auch als Plattform und als Diskussionsformat wahrge- die elektronischen Ressourcen freischalten könnten. nommen zu werden, das verstärkte Aufgreifen größe- In den letzten sechs Monaten, so Kaschte im Dezem- rer Themen erlaube. Als Beispiel nannte er die Nach- ber 2020, sei international mehr EZproxy- Software in haltigkeitsentwicklungsziele der UNO. Seiner Meinung stalliert worden als in den letzten drei Jahren davor zu- nach ist es außerordentlich wichtig, dass OCLC mit ei- sammengenommen. Der Schub für die Digitalisierung ner groß angelegten spartenübergreifenden Umfrage3 3 https://www.oclc.org/go/en/sustainable-development-goals/survey.html An dieser Umfrage können Sie sich noch beteiligen. wbv OpenLibrary Open Access gemeinsam ermöglichen Das Crowdfunding für die wbv OpenLibrary 2022 hat begonnen! Wir bündeln die Neuerscheinungen des kommenden Jahres aus den Bereichen Erwachsenenbildung sowie Berufs- und Wirtschaftspädagogik. wbv.de/openlibrary Ab sofort können sich Bibliotheken und Wissenschaftsinstitutionen mit Kontakt: einer verbindlichen Zusage an der Finanzierung beteiligen und damit die Jennifer Eichler Veröffentlichung aller Titel des Pakets im Open Access ermöglichen. openaccess@wbv.de wbv Media GmbH & Co. KG · Bielefeld In Zusammenarbeit mit Geschäftsbereich wbv Publikation Telefon 0521 91101-0 · E-Mail service@wbv.de · Website wbv.de www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 2 online Bibliothek. Information. Technologie.
236 REPORTAGEN Bergmann in diesem Jahr nach der Relevanz der sustainable de- struktur für andere Services zur Verfügung gestellt. velopment goals (SDG) in Bibliotheken gefragt habe. Nach einjähriger Laufzeit erhält die Mellon Founda- Eine solche Umfrage in mehr als 100 Nationen und tion einen Bericht darüber, wie diese Analysen funk- vielen tausend Bibliotheken rücke das Thema Nachhal- tionieren und wie Personen-Entitäten und Werke aus tigkeit und dabei auch die ökologische Nachhaltigkeit verschiedenen Quellen wie WorldCat und z.B. VIAF er- der Bibliotheksarbeit in den Blickpunkt. Die Staats zeugt wurden. OCLC hätte dabei feststellen müssen, bibliothek zu Berlin habe wie viele andere Bibliotheken dass die Analyse von Daten in der MARC-Welt keine gerade während der Pandemie damit begonnen, aus leichte Aufgabe ist. Man habe aber auch gesehen, dass der Erfahrungswelt der Mitarbeiter/-innen Ideen zu es Quellen gibt, die schon eine sehr gute Ausgangs- sammeln, wie große Einrichtungen mit viel Publikums- qualität haben. Besonders aus Deutschland kämen betrieb, wie Bibliotheken es nun einmal sind, ihren Daten, die man sehr einfach in die Entitätenwelt über- ökologischen Fußabdruck optimieren können. Damit führen könne. Die GND (Gemeinsame Normdatei) wä- soll in kleinen, überschaubaren Zusammenhängen ein re zu erwähnen (bereits in VIAF integriert), aber auch valider Beitrag zu einem nachhaltigen, im Sinne auch die ZDB (Zeitschriftendatenbank). OCLC hat sich laut von dauerhaft angelegten, vor allem aber schonenden Kaschte dazu entschlossen, die ZDB Daten im World- Umgang mit den Ressourcen geleistet werden. Cat ganz besonders zu behandeln. Die gesamten ZDB- Ein zweiter Punkt, der für Altenhöner in Richtung Zeitschriftentiteldaten würden im WorldCat so über- OCLC als Datenplattform und Plattformbetreiber nommen als wären sie Normdaten. Damit könnten sie wichtig ist, sind die Themen Daten, Datenvernetzung, im nächsten Schritt in Entities überführt werden. Der Datenmanagement im Hinblick auf eine verstärkte Qualitätsstandard in Deutschland helfe beim globalen Durchlässigkeit und Anknüpfungsfähigkeit von Da- Aufbau. Das sei ein Projekt von vielen, um in dieser ten der verschiedenen Kulturerbeeinrichtungen, also neuen Entitätenwelt die Daten-Qualität herzustellen. auch M useen und Archiven. Er wünsche sich, dass der Im Anschluss an die Diskussion wurden Fragen bzw. WorldCat als wichtiger Sammler von Daten sich noch Kommentare von Zuhörenden eingespielt. Annette stärker an Entitäten orientiere als er das schon in An- Strauch von der Universitätsbibliothek Hildesheim sätzen tue. Auch die Bibliothekswelt müsse sich ver- schrieb, die große Herausforderung in den Bibliothe- stärkt dafür einsetzen, dass die Verknüpfung von Da- ken sei die Stärkung der digitalen Kompetenzen im ten, die Identifizierung von Entitäten, der Austausch Sinne des Rates für Informationsinfrastruktur (RfII). über Entitäten und das Anhängen weiterer Informatio- Neues Personal sei erforderlich im Schub der Digita- nen an Bedeutung gewinne. Für Bibliotheken wäre es lisierung. Überall herrsche jedoch finanzielle Not, si- wünschenswert, dass OCLC diesen Komplex in einer cherlich nicht nur in Niedersachsen. Technisch gebe Mehrwert-Strategie beschleunigt aufnehme. es die besten Lösungen, aber beim Support partizipa- In seiner Antwort ging Kaschte auf den Punkt Daten- tiver Services fehlten die Mitarbeiter/-innen. Das sei haltung – und speziell WorldCat – ein, da diese in der schon vor Corona so gewesen und es sei so geblie- Tat eine zentrale Rolle spiele. Bei vielen OCLC-Re- ben. Tochtermann warf ein, die Entwicklungsfähigkeit search-Projekten der vergangenen Jahre habe OCLC der eigenen Beschäftigten nicht unterzubewerten. Es festgestellt, dass die im WorldCat gesammelten bib- sei ein Mythos, dass die Beschäftigten in Bibliotheken liografischen Metadaten ein wesentlicher Aspekt sein den Anforderungen der Digitalisierung nicht gewach- könnten bei der Analyse, um aus einzelnen Informatio- sen seien. Er könne aus der Perspektive der ZBW vol- nen nachvollziehbar Wissen zu generieren. Diese Ana- ler Überzeugung das Gegenteil feststellen. Es gehe lysen führten unweigerlich zu den neuen Technologi- nicht, ständig neues Personal für die neuen Aufgaben en, Entitäten in einem Wissens-Graph aufzubauen, die zu akquirieren. Der Schwerpunkt liege deshalb darauf, über das hinaus gehen, was in Deutschland als kon das Bibliothekspersonal in Richtung Digitalkompetenz trollierte Normdaten-Dateien bekannt ist und die das zu entwickeln. Digitalkompetenz werde in zunehmen- tiefere Prinzip von Linked Data nutzen. Auf diesem Ge- dem Maß in den Einrichtungen gebraucht. Dafür könne biet, berichtete Kaschte, gäbe es jetzt ein sehr profes- man Strategien entwickeln. In der ZBW beispielsweise sionelles, von der Andrew W. Mellon Foundation un- werde bei jeder Stellenneubesetzung hinterfragt, ob terstütztes Projekt mit dem Namen SEMI (Shared En- die bisherige Kompetenz in der Form noch gebraucht tity Management Infrastructure4). Dabei werden wei- werde oder ob umstrukturiert werden könne. Eine tere Daten neben dem WorldCat in einem Knowledge zweite Möglichkeit sei das Eingehen von Partnerschaf- Graph aufbereitet und in einer neuen Software-Infra- ten. Bei Bibliotheken, die im Kontext von Hochschulen 4 https://www.oclc.org/de/news/releases/2020/20200109-oclc-awarded-mellon-grant-linked-data-management-infrastructure.html online 24 (2021) Nr. 2 Bibliothek. Information. Technologie. www.b-i-t-online.de
Bergmann REPORTAGEN 237 angesiedelt sind, gebe es sicherlich Fachbereiche, die ihrer Nutzenden sind, die kooperations- und kompro- entweder Informatik- oder Datenkompetenz besäßen. missfähig sind, um mit großen Einrichtungen digitale Solche Partnerschaften gelte es auf- und auszubauen, Dienste zu bauen. Am Ende würden beide Einrichtun- um Lücken in den Bibliotheken zu schließen. gen davon profitieren. Die SLUB erhalte eine zusätz- Anja Emmerich, Leiterin der Bibliothek der Evange- liche Aufgabe, indem sie die Steuerungs- und Koor- lischen Kirche von Westfalen, bemängelte, wissen- dinierungsfunktion ausübe und in einer Sache helfe, schaftliche Bibliothek werde in dieser Veranstaltung die im Bibliothekswesen immer noch zu kurz kommt, meist analog mit Hochschulbibliothek gesetzt. Für nämlich die Standardisierung von Workflows, die eine kleine wissenschaftliche Spezialbibliothek sei- gleichmäßige Erledigung von gleichen Herausforde- en digitale Ressourcen schwer zu finanzieren. Es ge- rungen. Altenhöner fügte hinzu, dass die Staatsbiblio- be Personal aus von COVID-19 bedrohten Risikogrup- thek keine Hochschulanbindung und keinen Auftrag, pen. Homeoffice sei organisatorisch nicht möglich. wie die Staatsbibliothek in Dresden habe. Dennoch le- Das Restpersonal fange es auf. Sie habe den Eindruck be die Bibliothek sehr stark von dem Input und der Ko- einer Spaltung in der Bibliothekslandschaft, die von operation mit vielen, auch kleinen Einrichtungen, die Corona verstärkt werde. als Partner viele interessante und zusätzliche A spekte Zustimmung kam von Bonte. Die Digitalisierung füh- mit einbrächten. Dasselbe gelte natürlich auch umge- re dazu, dass Betriebsgröße ein Riesenvorteil bei der kehrt. Als Beispiel für spartenübergreifende Aktivitä- Entwicklung der Institution sei. In Sachsen habe die ten nannte Altenhöner den Berliner Bibliotheksent- Staatsbibliothek einen Koordinierungs- und Dienst- wicklungsplan, in dem verschiedene Bibliothekstypen leistungsverbund geschaffen. Er beinhalte, dass die zusammenwirkten. SLUB über ein sog. Landesdigitalisierungsprogramm Die Diskussion ist in voller Länge unter www.biblio- kleinen und mittleren Einrichtungen Sichtbarkeit und theksleitertag.de einsehbar. Für Nicht-Teilnehmer/-in- Reichweite verschaffen könne, indem sie wissen- nen ist dazu eine Anmeldung nötig. ❙ schaftlich oder kulturell wertvolle Kollektionen für die- se Einrichtungen digitalisiere. Seines Erachtens müs- Helga Bergmann-Ostermann sen solche Partnerschaften so aussehen, dass man in Journalistin der Fläche potente Bibliotheken und engagierte Biblio- Dipl.-Übersetzerin thekare und Bibliothekarinnen hat, die ihre Bestände h.bergmann-ostermann@t-online.de kennen, die sehr nah an den spezifischen Interessen Premiere: Großstadt-Bibliothek geht in die Cloud Zu groß gibt es nicht für Koha: Die Stadtbibliothek Duisburg nutzt als erste aus der Sektion 1 jetzt das von der LMSCloud gehostete Open Source Bibliothekssystem. Im neuen OPAC zeigen die Zentralbibliothek, 13 Filialen und der Bücherbus so richtig, was sie den Bürger*innen zu bieten haben: Hier wird Stöbern im Gesamtbestand von 500.000 Medien zur spannenden Entdeckungsreise! sb-duisburg.lmscloud.net www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 2 online Bibliothek. Information. Technologie.
Sie können auch lesen