Psychische Belastungen in der Schwangerschaft - Mind ...

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SCHWANGERSCHAFTSBETREUUNG                                                        tive Störungen, wobei sich oft kein
DIAGNOSTIK + THERAPIE
                                                                                                         ursächlicher Zusammenhang mit der

                        Psychische Belastungen                                                           vorangegangenen Schwangerschaft
                                                                                                         und Entbindung feststellen lässt. Das

                        in der Schwangerschaft
                                                                                                         Hauptaugenmerk bisheriger Studien
                                                                                                         liegt dabei hauptsächlich auf der ma­
                                                                                                         ternalen Depression, die am häufigs­
                        Teil 1: Ein häufiges Problem mit relevanten Auswirkungen –                       ten im zweiten und dritten Trimenon
                                                                                                         der Schwangerschaft auftritt (2). Die
                        Daten von über 38.000 Schwangeren aus dem Geburtenreport                         Gesamtprävalenz unter schwangeren
                        S. Wallwiener1, M. Götz1, L. M. Matthies1, A. Lanfer2, A. Gillessen2,            Frauen wird dabei mit bis zu 17 %
                        M. Suling2, H. Abele3, C. Sohn1, M. Wallwiener1                                  angegeben (8, 9). Eine schon beste­
                                                                                                         hende depressive Episode während
                        Psychische Belastungen in der Schwangerschaft werden in ihrer                    der Schwangerschaft stellt zusätzlich
                        Häufigkeit und Tragweite oft unterschätzt. Dabei stellen sie                     einen wichtigen Risikofaktor für
                        ­einen der häufigsten Risikofaktoren für ein ungünstiges Kurz-                   nachfolgende postpartale depressive
                         und Langzeit-Outcome bei Mutter und Kind dar. Alle materna-                     Episoden dar (4). Während in den
                         len psychischen Erkrankungen sind beispielsweise mit einer si­                  letzten Jahren maternale Angststö­
                         gnifikant höheren Sectiorate verbunden, die Depression ist zu-                  rungen ebenfalls in den Fokus gerückt
                         sätzlich mit einem im Durchschnitt niedrigeren Geburtsgewicht                   wurden (10–12), sind andere psychi­
                         und Frühgeburtlichkeit assoziiert. Im nachfolgenden Artikel                     sche Komorbiditäten in der Schwan­
                         möchten wir in Teil 1 eine Übersicht anhand der Geburtenko-                     gerschaft bislang nur wenig erforscht.
                         horte der Techniker Krankenkasse geben, in deren Auswertung
                         die Daten von 38.174 Schwangeren eingeflossen sind. In Teil 2,                  Allgemein konnten maternale psychi­
                         der in einer der folgenden Ausgaben des FRAUENARZT erschei-                     sche Erkrankungen während der
                         nen wird, möchten wir Einblicke in ein systematisches Scree-                    Schwangerschaft als ein Risikofaktor
                         ning- und Behandlungsprogramm im Rahmen des Innovations-                        für einen ungünstigen Schwanger­
                         fondsprojektes „Mind:Pregnancy“ geben, das ab 1.1.2019 in                       schaftsverlauf identifiziert werden
                         ganz Baden-Württemberg die Regelversorgung ergänzen wird.                       (13, 14). Mehrere Studien wiesen
                                                                                                         einen Zusammenhang zwischen un­
                        Psychische Belastungen in der Peri­     sion“) handeln. Trotz einer hohen        behandelten mütterlichen Depres­
                        partalperiode sind ein häufiges und     Prävalenz von etwa 10–15 % wird eine     sionen oder Angststörungen im Peri­
                        im praktischen Alltag fast immer un­    postpartale Depression bei Frauen oft    partalzeitraum und erhöhten Frühge­
                        terschätztes Problem. Die Zeit der      verkannt, weshalb nicht selten eine      burtsraten bzw. niedrigem kindlichen
                        Schwangerschaft stellt werdende Müt­    Diagnosestellung im Postpartalzeit­      Geburtsgewicht, Wachstums- und
                        ter grundsätzlich vor eine emotionale   raum ausbleibt (2). Die Risikofaktoren   Entwicklungsverzögerungen (15) so­
                        Belastung, auch hormonelle Umstel­      für eine postpartale Depression über­    wie Verhaltensauffälligkeiten in der
                        lungen beeinflussen die mentale Ge­     schneiden sich mit denen depressiver     Kindheit nach (16–18).
                        sundheit in hohem Maße (1). Kurz        Erkrankungen, die schon vor oder
                        nach der Geburt leiden viele Mütter     während der Schwangerschaft auftre­      Neben einem möglichen negativen
                        unter mehr oder weniger starken         ten. Neben Schwangerschaftskompli­       kindlichen Outcome stellt sich auch
                        Stimmungsschwankungen. Hält dieser      kationen (3), früheren depressiven       die Frage, inwiefern psychische Er­
                        Zustand an und zeigen sich neben        Episoden und belastenden Lebens­         krankungen in der Schwangerschaft
                        klassischen Symptomen einer Depres­     ereignissen spielen dabei auch die       die Wahl des Geburtsmodus beein­
                        sion außerdem Zeichen emotionaler       sozialen Verhältnisse der werdenden      flussen. Ein möglicher kausaler Zu­
                        Labilität, Gefühllosigkeit dem Baby     Mutter eine gewichtige Rolle (4–7).      sammenhang zwischen psychischen
                        gegenüber bis hin zu Zwangsgedan­                                                Erkrankungen und dem Geburtsmodus
                        ken, kann es sich um eine postparta­    Neben spezifischen Störungen im Wo­      ist angesichts hoher Sectioraten von
                        le Depression („Wochenbettdepres­       chenbett können Frauen rund um die       besonderer Bedeutung. Allein in
                                                                Geburt auch von sogenannten „peri­       Deutschland hat sich der Prozentsatz
                                                                partalen psychischen Erkrankungen“       an Schnittentbindungen in den letz­
                         1  Universitäts-Frauenklinik,         betroffen sein. Darunter fallen Stö­     ten 25 Jahren von 15,3 % im Jahr
                             Heidelberg
                         2 Techniker Krankenkasse, Hamburg     rungsbilder der Depression, Angster­     1991 auf 30,5 % in 2016 verdoppelt
                         3 Universitäts-Frauenklinik,          krankungen, akute schwerwiegende         (19). Aktuelle Studien konnten zei­
                             Tübingen                           Belastungs- und Anpassungsstörun­        gen, dass schwangere Frauen mit
                                                                gen sowie somatoforme und dissozia­      psychischen Komorbiditäten häufiger

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per Kaiserschnitt ohne klare medizi­      liche Auswertungen der Versorgungs­     folgte mithilfe der nach Vorgaben

                                                                                                                               DIAGNOSTIK + THERAPIE
nische Indikation entbinden. Als          forschung dienen. Dem Antrag auf        des Deutschen Instituts für medizi­
mögliche Ursache bei diesen Frauen        die Durchführung der Sekundärdaten-     nische Dokumentation und Informa­
werden ein geringeres mütterliches        Analyse wurde durch das Bundesver­      tion (DIMDI) kodierten Diagnosen
Selbstvertrauen sowie eine niedrige­      sicherungsamt stattgegeben.             nach ICD-10 (International Statisti­
re Schmerzschwelle angeführt, wo­                                                 cal Classification of Diseases and
durch der Geburtsfortschritt gehin­       Die Grundgesamtheit bildeten rund       Related Health Problems) aus der TK-
dert und dadurch häufiger zugunsten       50.000 Datensätze von Müttern, die      Datenbank zur stationären und am­
einer Sectio entschieden wird (20).       im Jahr 2008 entbunden haben und        bulanten medizinischen Behandlung
Tatsächlich gab es in den letzten         die innerhalb der letzten vier Quar­    der Versicherten. Für die Datenana­
Jahren ein Umdenken hinsichtlich          tale vor und sieben Quartale nach der   lyse wurden die Diagnosen zu psychi­
der Indikationen für einen Kaiser­        Geburt bei der TK versichert waren,     schen Erkrankungen in vier Gruppen
schnitt. Bei der Entscheidungsfin­        und deren Kindern. Um Zusammen­         zusammengefasst: Depression (ICD-
dung zum optimalen Geburtsmodus           hänge zwischen mütterlicher und         10-Codes F32-F33), Angsterkrankun­
fallen psychische Faktoren wie Angst      kindlicher Morbidität sowie dem Ge­     gen (F40-41), somatoforme/dissozia­
vor einer vaginalen Geburt, frühere       burtsgewicht bzw. Entbindungsmodus      tive Störungen (F44-45, F48.1,
traumatische Geburtserlebnisse sowie      statistisch untersuchen zu können,      F68.0) sowie akute Belastungsreak­
psychiatrische oder psychosomati­         mussten die Datensätze von Müttern      tion und sonstige Anpassungsstörun­
sche Erkrankungen der Mutter we­          und Kindern zunächst gematcht wer­      gen (F43, F62).
sentlich stärker ins Gewicht (21).        den. Insgesamt konnten dabei über
                                          80 % der im Jahr 2008 entbundenen       Zur Identifikation des Geburtsmodus
Methode                                   Mütter ihren Kindern zugeordnet wer­    wurden G-DRGs (German Diagnosis
                                          den. Der Umfang der im Weiteren         Related Groups System) herangezo­
Primäres Analyseziel war es, die Prä­     untersuchten Kohorte belief sich        gen, da die meisten Geburten in
valenz psychischer Erkrankungen und       nach dem Matching auf 38.174 Da­        Deutschland stationär stattfinden und
anderer Komorbiditäten von Schwan­        tensätze, wobei die gematchten          jeder Geburt, die im Krankenhaus er­
geren sowie mögliche Zusammenhän­         Mutter-Kind-Paare keine wesentli­       folgt, eine entsprechende DRG zuge­
ge zum Geburtsmodus, dem Geburts­         chen Unterschiede in Bezug auf Al­      ordnet wird. Das G-DRG System aus
gewicht und kindlicher Morbidität in      ter, Schnittentbindungen und niedri­    dem Jahr 2008 umfasst dabei 12 G-
einer großen, möglichst bevölke­          gem Geburtsgewicht im Vergleich zur     DRG-Codes für die Geburt, wobei klar
rungsrepräsentativen Kohorte zu un­       Grundgesamtheit aufwiesen (Tab. 1).     zwischen vaginaler Geburt (G-DRG
tersuchen. Hierfür wurden sogenann­                                               O02A, O02B, O60A–O60D) und
te Routine- bzw. Sekundärdaten der        Bei den Müttern wurde dabei der         Schnittentbindung (G-DRG O01A–
Techniker Krankenkasse (TK) heran­        Zeitraum von vier Quartalen vor dem     O01F) unterschieden wird. Die Defi­
gezogen, die vorrangig zur Leistungs­     Geburtsquartal sowie sieben Quartale    nition einer vaginalen Geburt umfass­
erfassung erhoben wurden und pri­         nach dem Geburtsquartal mit in die      te dabei zusätzlich Hausgeburten und
mär Abrechnungszwecken dienen.            Analysen einbezogen, sofern ein Zu­     ambulante Geburten in Abgrenzung
Unter Einhaltung entsprechender           sammenhang zwischen der jeweiligen      zu Kaiserschnittentbindungen, die
datenschutzrechtlicher Auflagen kön­      Diagnose und Geburt im angegebe­        immer im stationären Kranken­
nen solche anonymisierten Daten           nen Zeitfenster plausibel erschien.     haussetting stattfinden. Da die ICD-
auch als Grundlage für wissenschaft­      Die Beschreibung der Morbidität er­     Codes P07.2 und P07.3 (vor dem Ter­

 TK-Kohorten im Vergleich zur Gesamtpopulation in Deutschland (22–26)
                                                TK-Versicherte,           TK-Kohorte                Population
                                              ­Grundgesamtheit           nach Matching            in Deutschland
 Durchschnittsalter Mütter                       32,34 Jahre               32,14 Jahre              rd. 31 Jahre
 Anzahl Mütter                                     48.446                    38.174                   663.000
 Anzahl Kinder                                     52.137                    38.857                   683.000
 Anteil Kaiserschnittentbindungen                  30,0 %                    29,8 %                   30,2 %
 Anteil Kinder < 2.500 g Geburtsgewicht             3,8 %                     3,6 %                    4,7 %
 Anteil außerklinische Entbindungen                 2,9 %                     2,7 %                    1,3 %

Tab. 1

                                                                                            FRAUENARZT    59 (2018)   Nr. 10      761
min Geborene) sehr schlecht kodiert
DIAGNOSTIK + THERAPIE
                        waren und somit eine Untersuchung           Psychische Erkrankungen und Geburtsmodus
                        von Frühgeburtlichkeit nicht möglich
                        war, wurden die ICD-10-Codes P07.0             30 %
                                                                                     Gesamt
                        und P07.1 (Geburtsgewicht < 2500 g)            25            Summe Sectio
                        und P08.0 (Geburtsgewicht > 4500 g)                          Summe Vaginal
                                                                       20
                        der Sekundärdaten als Ersatz für das
                        Gestationsalter zum Zeitpunkt der              15
                        Geburt zu Rate gezogen. Ein kindli­            10
                        ches Geburtsgewicht von ≤ 2499 g
                        wurde dabei als untergewichtiges, ein           5
                        Geburtsgewicht von ≥ 4500 g als über­           0
                        gewichtiges Neugeborenes definiert.

                                                                                                                                                    st n tio e
                                                                                    n

                                                                                                         en

                                                                                                                                ge /

                                                                                                                                                  gs so ak nd
                                                                                                                              un en
                                                                                 sio

                                                                                                       ng

                                                                                                                                                      ör st n
                                                                                                                                  n

                                                                                                                                               un nd re ge
                                                                                                                            ör g
                                                                                es

                                                                                                                          St un
                                                                                                     ku

                                                                                                                                                        un ige
                                                                                                                                             ss u ngs wie
                                                                              pr

                                                                                                                                                             n
                                                                                                                         e tör
                                                                                                  an
                           Statistische Auswertung

                                                                            De
                        „„

                                                                                                                                                          ge
                                                                                                                                                      u r
                                                                                                kr

                                                                                                                                                    st e
                                                                                                                      tiv S

                                                                                                                                                  la hw
                                                                                              er

                                                                                                                    ia e
                                                                                                                  oz rm
                        Alle statistischen Analysen bezüglich

                                                                                                t

                                                                                                                                               B e e sc
                                                                                             gs

                                                                                                                ss fo
                                                                                           An

                                                                                                                                                 ut
                                                                                                              Di ato
                        der in dieser Untersuchung vorliegen­

                                                                                                                                              Ak
                                                                                                                 m
                                                                                                              So
                        den Daten wurden mittels SAS Ver­

                                                                                                                                          pa
                                                                                                                                       An
                        sion 9.3 durchgeführt (SAS Institute,
                        Cary, NC, USA). Die Datenanalyse
                                                                   Abb. 1: Prävalenzen psychischer Erkrankungen und Geburtsmodus (vaginal vs. Sectio). Statistisch
                        basierte dabei auf der Auswertung          signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen sind mit einem Stern (*) gekennzeichnet.
                        diagnostischer Daten hinsichtlich der
                        Prävalenz psychischer Erkrankungen         in der Patientenkohorte unterschied­                 36.632 Kinder mit normalem Ge­
                        in der Schwangerschaft und deren           lich häufig auf. Für das Jahr 2008 wur­              burtsgewicht (95,96 %) und 1.164
                        Assoziation zum Geburtsmodus sowie         den bei den untersuchten 38.174                      Fälle (3,05 %) mit der ICD-10-Kodie­
                        Geburtsgewicht. Die Prävalenzunter­        Schwangeren innerhalb der vier Quar­                 rung P07.0 oder P07.1 (niedriges
                        schiede je nach Geburtsmodus und           tale vor Entbindung bei 9,3 % der Fäl­               Geburtsgewicht < 2500 g). Bei 378
                        Geburtsgewicht wurden mittels Chi-         le eine Depression kodiert, in 16,9 %                Neugeborenen wurde hingegen ein
                        Quadrat-Tests auf ihre statistische        eine Angststörung, in 24,2 % der Fälle               Übergewicht diagnostiziert (0,99 %).
                        Signifikanz hin geprüft. Anschließend      eine somatoforme/dissoziative Stö­                   Lag die Diagnose im Jahr vor der Ge­
                        wurden für jede der vier Gruppen           rung und in 11,7 % der Fälle wurde                   burt vor, zeigte sich sowohl für die
                        psychischer Erkrankungen mittels lo­       eine akute schwerwiegende Belas­                     Diagnosegruppe der depressiven Stö­
                        gistischer Regression adjustierte          tungsreaktion kodiert (Abb. 1).                      rungen als auch für die „akute
                        Odds Ratios für die Wahrscheinlich­                                                             schwerwiegende Belastungsreaktion
                        keit eines Kaiserschnitts sowie eines      Für alle betrachteten Diagnosegrup­                  und sonstige Anpassungsstörungen“
                        niedrigen Geburtsgewichts berech­          pen zeigte sich, dass Mütter mit                     nach der Regressionsanalyse ein sta­
                        net. Für Faktoren, die mit relativ ho­     einer diagnostizierten psychischen                   tistisch signifikanter Zusammenhang
                        her Wahrscheinlichkeit Verzerrungen        Störung häufiger ihre Kinder per Sec­                für ein untergewichtiges Kind oder
                        der Ergebnisse hervorrufen könnten,        tio entbinden (Depression: OR =                      eine Frühgeburt (Abb. 2). Die höchs­
                        erfolgte eine Adjustierung. Diese wa­      1.257; 95% CI 1,14–1,39; Angststö­                   te Odds Ratio konnte dabei in der
                        ren das Alter der Mutter bei der Ge­       rung: OR 1.106, 95% CI 1,02–1,19;                    Gruppe der Mütter mit depressiven
                        burt und der Wohnort bei Geburt            Somatoforme Störungen: OR 1.122,                     Erkrankungen festgestellt werden (OR
                        (Westdeutschland vs. Ostdeutschland        95% CI 1,05–1,20; Akute Belastungs­                  = 1.337, 95 % CI 1,06–1,69).
                        inkl. Berlin), da bei den Kaiserschnitt­   reaktion: OR 1.170, 95% CI 1,07–
                        raten ein deutliches Ost-/Westgefäl­       1,28). Das höchste Risiko für eine                   Diskussion
                        le in der untersuchten Kohorte vor­        Kaiserschnittentbindung hatten da­
                        lag. Aufgrund einer hohen gegensei­        bei schwangere Frauen, die an jed­                   Die Zahlen aus dem Geburtenreport
                        tigen Korrelation wurden zusätzlich        weder Form einer depressiven Stö­                    unterstreichen die Notwendigkeit,
                        Odds Ratios für Kaiserschnittgebur­        rung erkrankt waren (OR 1.257).                      psychische Belastungen in ihrer
                        ten für das Geburtsgewicht des Kin­                                                             Häufigkeit als Risikofaktor in der
                        des und umgekehrt adjustiert.              Im Anschluss daran wurden die Zu­                    Schwangerenvorsorge unbedingt zu
                                                                   sammenhänge zwischen den vier un­                    berücksichtigen. In Ermangelung
                        Ergebnisse                                 tersuchten Diagnosegruppen der pe­                   epidemiologischer Daten aus öffent­
                                                                   ripartalen psychischen Erkrankungen                  lichen Registern zu psychischen Stö­
                        Die genannten psychischen Erkrankun­       und dem kindlichen Geburtsgewicht                    rungen in der Schwangerschaft kön­
                        gen der vier Diagnosegruppen traten        überprüft. Insgesamt ergaben sich                    nen wir anhand der ausgewerteten

   762                  FRAUENARZT    59 (2018)   Nr. 10
24,2 % im vorliegenden Studienkol­

                                                                                                                                                                       DIAGNOSTIK + THERAPIE
 Psychische Erkrankungen und Geburtsgewicht < 2500 g                                                                      lektiv. Eine vergleichbar hohe Präva­
                                                                                                                          lenz von 28,5 % konnte zwar im Rah­
                                         2,5                                                                              men einer WHO-Studie zur Prävalenz
 (Wahrscheinlichkeit für Untergewicht)

                                                                               1 J. prä-p
                                                                                                                          somatoformer Störungen in Allge­
                                         2,0
                                                                                                                          meinarztpraxen gefunden werden
        Adjustierte Odds Ratio

                                         1,5                                                                              (31). Allerdings beziehen sich diese
                                                                                                                          Zahlen auf ein nicht-schwangeres
                                         1,0                                                                              Studienkollektiv. Dabei erkrankten
                                         0,5
                                                                                                                          Frauen häufiger als Männer (RR 1.7),
                                                                                                                          wobei eine Kinderzahl > 1 im Ge­
                                         0,0                                                                              schlechtervergleich einen wesentli­
                                                                                                                          chen Risikofaktor für Frauen darstell­

                                                                                           st n tio e
                                                       n

                                                                        en

                                                                                                      ge /

                                                                                        gs so ak nd
                                                                                                   un en
                                                    sio

                                                                                             ör st n
                                                                      ng

                                                                                                        n

                                                                                     un nd re ge
                                                                                                 ör g
                                                                                                                          te (RR 1.8). Eine mögliche Erklärung
                                                 es

                                                                                               St un
                                                                    ku

                                                                                               un ige
                                                                                   ss u ngs wie
                                               pr

                                                                                                    n
                                                                                             e tör
                                                                  an
                                               De

                                                                                                 ge
                                                                                                                          für die hohe Prävalenzrate im TK-

                                                                                             u r
                                                                                          st e
                                                                kr

                                                                                          tiv S

                                                                                        la hw
                                                              er

                                                                                        ia e
                                                                                     oz rm

                                                                                     B e e sc
                                                                                                                          Kollektiv ist die Tatsache, dass die
                                                                t
                                                             gs

                                                                                   ss fo
                                                           An

                                                                                       ut
                                                                                Di ato

                                                                                    Ak                                    Diagnosegruppe zu den somatofor­
                                                                                    m
                                                                                 So

                                                                                pa
                                                                                                                          men/dissoziativen Störungen auch
                                                                             An                                           die Gruppe der hypochondrischen
                                                                                                                          Störungen (ICD-10 F45.2) beinhalte­
Abb. 2: Adjustierte Odds Ratios für Untergewicht beim Kind und maternaler psychischer Erkran-
kung. Signifikante Ergebnisse sind mit einem Stern (*) markiert.
                                                                                                                          te, unter der auch schwangerschafts-
                                                                                                                          oder geburtsbezogene Angst kodiert
Daten von mehr als 38.000 Mutter-                                                 als eine erste Quelle für deren Ge­     werden kann.
Kind-Paaren erstmals ein epidemio­                                                samtprävalenz dienen. Der hohe
logisches Profil psychischer Erkran­                                              Anteil von 11,7 % der schwangeren       „„ Geburtsmodus
kungen während der Schwanger­                                                     Frauen unterstreicht zudem die          Unsere Datenanalyse konnte signifi­
schaft für Deutschland präsentieren.                                              Wichtigkeit solcher Auswertungen.       kante Auswirkungen psychischer Er­
Dabei zeigen die eigenen gefunde­                                                 So standen zum jetzigen Zeitpunkt       krankungen auf den Geburtsmodus
nen Zahlen von 9,3 % mit Depressio­                                               tatsächlich keine vergleichbaren        nachweisen: So war die Sectiorate
nen eine hohe Übereinstimmung mit                                                 Studien oder Prävalenzraten in der      bei den Frauen, die mit irgendeiner
Prävalenzraten aus früheren Studien,                                              Literatur zur Verfügung. Lediglich      der vier untersuchten psychischen
insbesondere für diagnostizierte De­                                              für die Subgruppe der posttrauma­       Störungen diagnostiziert waren, si­
pressionen (ante-, peri- und post­                                                tischen Belastungsstörung (PTBS)        gnifikant erhöht. Auch hierzu exis­
partal). In einem systematischen                                                  konnten frühere Studienergebnisse       tieren bislang nur wenige vergleich­
Review von Bennett et al. konnten                                                 zum Vergleich herangezogen wer­         bare Studien. Eine schwedische Stu­
vergleichbare Prävalenzraten von                                                  den, welche Prävalenzraten von          die aus dem Jahr 2015 von Sydsjö et
7,4 % im ersten Trimenon, 12,8 % im                                               3,3 % bis hin zu 18,95 % in Hochri­     al. zeigte eine signifikant höhere
zweiten Trimenon und 12,0 % im                                                    siko-Populationen aufzeigten (29).      psychiatrische Komorbidität bei
dritten Trimenon nachgewiesen wer­                                                Die gefundene Prävalenz von 11,7 %      Frauen, die aktiv einen Kaiserschnitt
den (9), während Underwood et al.                                                 der TK-Kohorte mit Niedrig-Risiko-      einforderten (10 % vs. 3,5 %) (30).
eine durchschnittliche Prävalenz von                                              Profil kann dabei etwa in der Mitte     Die Untersuchungen basierten dabei
17 % für pränatale und 13 % für                                                   dieser beiden Ex­treme eingeordnet      auf einem Datensatz von 64.000
postnatale Depressionen in mehreren                                               werden.                                 Frauen aus dem schwedischen Ge­
Studien feststellten (8). Auch die                                                                                        burtenregister. Die Ergebnisse ma­
Prävalenz von 16,9 % der Schwange­                                                Ähnlich wie bei anderen psychischen     chen deutlich, dass diese Frauen
ren aus der TK-Kohorte mit diagnos­                                               Erkrankungen in der Schwangerschaft     eine besonders gefährdete Patien­
tizierter Angststörung lässt sich op­                                             waren auch die bisherigen Studien­      tengruppe mit speziellem Betreu­
timal in bisherige Prävalenzraten                                                 ergebnisse zu somatoformen/disso­       ungsbedarf darstellen. Nicht nur sind
von 11,1 % bzw. 15 % für prä- und                                                 ziativen Störungen dürftig, bei einer   eine Abklärung hinsichtlich des Vor­
postpartale Angsterkrankungen aus                                                 nachgewiesenen niedrigen Prävalenz      liegens einer psychischen Erkran­
früheren Untersuchungen einordnen                                                 unter Schwangeren von lediglich         kung in der Schwangerschaft sowie
(27, 28).                                                                         5,9 % in einer Untersuchung aus dem     das Angebot einer entsprechenden
                                                                                  Jahr 2015 (30). Umso überraschender     Beratung und Behandlung unabding­
Bezüglich der Diagnose einer akuten                                               war daher die unerwartet hohe Prä­      bar. Auch bei der Wahl des optimalen
Belastungsstörung in der Schwan­                                                  valenz an Fällen einer somatoformen     Geburtsmodus muss diese psychische
gerschaft kann unsere Datenanalyse                                                oder dissoziativen Störung von          Labilität mit in den Entscheidungs­

                                                                                                                                    FRAUENARZT    59 (2018)   Nr. 10      763
prozess einbezogen werden, um die       der Literatur ein uneinheitliches Bild     Depressions­prävalenz/-inzidenz, Ge­
DIAGNOSTIK + THERAPIE
                        Sectiorate in dieser Patientengruppe    ab (17).                                   burtsmodus und Sectioraten unter­
                        aus Mangel an Bewältigungsstrate­                                                  sucht, ob durch das Hilfsangebot die
                        gien nicht unnötig in die Höhe zu       Fazit                                      Inanspruchnahme einer Geburt per
                        treiben.                                                                           Kaiserschnitt verringert werden kann
                                                                Die Daten von über 38.000 Schwan­          (www.mindpregnancy.de).
                        „„ Kindliches Outcome                   geren aus dem Geburtenreport liefern
                        Neben Auswirkungen auf die mater­       erstmalig ein epidemiologisches Pro­       Datenquelle
                        nale Gesundheit stellen psychische      fil psychischer Erkrankungen während       Dieser Artikel basiert auf den Daten
                        Erkrankungen ebenfalls einen Risiko­    der Schwangerschaft für Deutschland.       einer Studienkohorte der Techniker
                        faktor für ein negatives kindliches     Es lässt sich festhalten, dass mater­      Krankenkasse zum Geburtenreport
                        Outcome dar. Unsere Zahlen zeigten,     nale Depressionen und bisweilen auch       2017 („Eine Routinedatenanalyse zu
                        dass Kinder von Müttern mit diagnos­    Angsterkrankungen als Risikofaktoren       Kaiserschnitt und Frühgeburt“) (36).
                        tizierter Depression signifikant häu­   für ungünstige Schwangerschaftsver­        Mehr Informationen zum Geburten­
                        figer untergewichtig entbunden wur­     läufe identifiziert wurden. Das erhöh­     report und der Routinedatenanalyse
                        den. Diverse Studien untersuchten       te Risiko für eine Frühgeburt oder die     der Techniker Krankenkasse können
                        eine mögliche Beziehung zwischen        Geburt eines Kindes mit einem Ge­          auf der TK Webseite unter der URL:
                        vorgeburtlicher Depression und Früh­    wicht unter 2.500 g ebenso wie die         https://www.tk.de/tk/themen/
                        geburt oder niedrigem Geburtsge­        signifikant erhöhte Kaiserschnittrate      praevention-und-fehlzeiten/gebur­
                        wicht (32–35). Eine Meta-Analyse        in dieser Patientengruppe verdeutli­       tenreport-2017/951934 abgerufen
                        von 23 Studien kam zu dem Ergebnis,     chen, dass psychische Komorbiditäten       werden.
                        dass eine unbehandelte Depression       auch bei der Wahl des optimalen Ge­
                        in der Schwangerschaft mit signifi­     burtsmodus in Betracht gezogen wer­        Literatur
                        kant erhöhtem Risiko für eine Früh­     den müssen. In jedem Fall sollten die
                        geburt (OR 1.56; 95 % CI 1,25–1,94)     gefunden Prävalenzraten für Depres­        Bei den Autoren oder in der Online-
                        und niedrigem Geburtsgewicht (OR        sion, Angststörungen und insbeson­         Version des Beitrags unter www.
                        1.96; 95 % CI 1,24–3,10) assoziiert     dere auch für die somatoformen Stö­        frauenarzt.de
                        war (16). Schon eine frühere Meta-      rungen Anlass dazu geben, diese zu­
                        Analyse von 2010 war zu einem ähn­      künftig in den Fokus weiterer Studien      Interessenkonflikte
                        lichen Ergebnis gekommen, Grote et      zu rücken.                                 S. W. gibt an, dass keine Interessenkonflikte
                                                                                                           vorliegen. M. G. gibt an, dass keine Interes-
                        al. zeigten jedoch, dass die Höhe                                                  senkonflikte bestehen. L. M. M. gibt an, dass
                        dieses Effektes abhängig von der je­    Ausblick: Mind:Pregnancy
                                                                                                           XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
                                                                                                           XX. A. L. gibt an, dass keine Interessenkon-
                        weiligen Messmethode, dem Wohnort                                                  flikte bestehen. A. G. gibt an, dass keine In-
                        oder sozioökonomischen Status war       Diese Ergebnisse mit bislang unge­         teressenkonflikte bestehen. M. S. gibt an,
                                                                                                           das keine Interessenkonflikte vorliegen. H.
                        (18). Insgesamt zeichnet sich hier in   ahnt hohen Prävalenzraten psychi­          A. gibt an, dass Interessenkonflikte in den
                                                                scher Erkrankungen in der Schwan­          Bereichen Gutachtertätigkeit, Fortbildung
                                                                gerschaft verdeutlichen, dass es           und Kongresse und wissenschaftliche Tätig-
                                                                                                           keiten vorliegen. C. S. gibt an, dass XXXXXX
                                                                dringend notwendig ist, ein Scree­         XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX. M.
                         9. ESSENER                             ning oder Beratungsdienste in die          W. gibt an, dass Interessenkonflikte im Be-
                                                                                                           reich wissenschaftliche Tätigkeiten vorlie-
                                                                klinische Regelversorgung zu etablie­
                            SYMPOSIUM                           ren. In Teil 2 möchten wir daher Ein­
                                                                                                           gen.
                              ZUR GYNÄKOLOGISCHEN
                              ONKOLOGIE UND SENOLOGIE
                                                                blick in das Innovationsfondsprojekt
                                                                Mind:Pregnancy geben. Dies stellt
                         16. FEBRUAR 2019                       ein systematisches Screeningpro­
                                                                gramm auf affektive Symptome in der
                                                                                                            Für die Autoren
                         +    AUSGABE DER NEUEN
                              THERAPIESTANDARDS 2019
                                                                Schwangerschaft dar. Eine koordi­
                                                                nierte Weiterbehandlung für auffällig
                                                                gescreente Patientinnen wird eben­           PD Dr. med.
                                                                falls sichergestellt. Die online-basier­     Stephanie Wallwiener
                                                                te, schwangerschaftsbegleitende              Universitäts-Frauenklinik
                                                                Achtsamkeitsintervention dient der           Heidelberg
                                                                Stärkung der psychischen Stabilität
                         2019 IM CC WEST                        von Schwangeren und Förderung
                                                                                                             Im Neuenheimer Feld 440
                                                                                                             69120 Heidelberg
                         CONGRESS CENTER ESSEN                  einer physiologischen Geburt. Im             stephanie.wallwiener@gmail.
                         www.essener-symposium.com
                                                                Projekt wird durch eine interventi­          com
                                                                onsbegleitende Evaluation bezüglich

   764                  FRAUENARZT   59 (2018)   Nr. 10
www.dggg2018.de

             62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe

                                                                      Berlin 31.10.– 03.11.2018

           Wir freuen uns auf Sie in Berlin!                      Frauenheilkunde im Fokus – wissenschaftlich fundiert und der Qualität verpflichtet

  Abele          Abou-Dakn     Albring   Alkatout     Axt-Fliedner       Aydeniz             Baessler             Bamberg           Barinoff            Battista           Bauer         Becker      Beckmann        Bedei         Beilecke        Berg

 Berger           Bischoff    Blohmer      Bock          Bojahr          Böttcher             Braun               Brucker           Buchholz            Bühling            Chaoui        Costa       Dannecker       David         De Wilde       Delisle

Denschlag         Diedrich     Dimpfl     Dittrich     Domschke        Dunstheimer             Ebert              Fasching            Fehm          Fill Malfertheiner      Fink         Fleisch       Friese     von Fritschen    Fünfgeld       Gaase

 Gabriel          Gabriel     Gembruch    Gerber        Germer           Germeyer           Goeckenjan             Grab             Griesinger          Günthert            Hadji         Hahn         Hampl        Harbeck        Harlfinger     Harter

Hartkopf         Hasenburg     Hegele    Hellmeyer       Henes           Henrich          Heß-Erdmann            Hillemanns         Holthaus           Hoopmann            Hoyme         Huber        Hübner         Janni           Jonat      Juhasz-Böss

  Jundt            Kagan       Kähler     Kainer     von Kaisenberg       Kalder               Kehl              Kentenich           Kiechle             Kiesel          Kociszewski   Kohlberger      Kölbl         König          Krentel        Kühn

 Kühnert          Lampe        Lange      Louwen        Ludwig           Mahner             Mallmann               Maul              Müller              Müller           Naumann         Neis         Neis          Neulen       Niederacher    Nitzsche

   Noé           Nordhoff      Oppelt     Oppelt       Ortmann         Oskay-Özcelik          Paepke             Peschers            Puppe             Purandare            Rack         Ratzel      Reisenauer     Renner           Rody         Römer

 Römer          Runnebaum      Salehin    Sänger        Schäfer        Schäfer-Graf           Scharl              Scharrel          Schaudig          Schlembach         Schleußner    Schmalfeldt    Schmidt       Schmidt       Schneider      Schneider

Schnürch          Scholz       Schott    Schüring    Schwenkhagen       Schweppe       Schwertner-Tiepelmann   Seelbach-Göbel        Sehouli         Seifert-Klauss        Sillem         Sinn         Sohn         Solbach       Solomayer       Stepan

Strowitzki         Stute       Surbek    Sütterlin       Taran          Tchartchian          Tchirikov            Tempfer            Thaler             Theurer             Thill      Thomssen        Thum         Torsten          Toth          Tunn

   Uhl             Ulrich      Untch        Veit       Verlohren          Vetter              Viereck              Visser       von Versen-Höynck       von Wolff        Vordermark      Wacker       Wagner        Wagner        Wallwiener    Wallwiener

                                                                                                                                                                                                     Geballte Fachkompetenz
                                                                                                                                                                                                      erwartet Sie in Berlin!
Wallwiener       Wallwiener    Wenz       Willruth     Wimberger          Windler             Witzel              Wöckel             Wodtke            Würstlein           Zoche        Zygmunt
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