Informationsmanagement in der klinischen Forschung - Studiendatenmanagementsysteme am Beispiel von OpenClinica I Matthias Löbe - IMISE Leipzig
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Informationsmanagement in der klinischen Forschung Studiendatenmanagementsysteme am Beispiel von OpenClinica I Matthias Löbe 11.04.2019 Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie
Übersicht Teil 1 1. Grundlagen der Datenerfassung in klinischen Studien 2. OpenClinica als CDMS am IMISE 3. Umsetzung einer Studie 2
Wiederholung Welches Ziel hat eine klinische Therapiestudie? • Nachweis der Wirksamkeit und der Unbedenklichkeit einer neuartigen Therapie (Medikament, Operation, ...) für eine definierte Indikation bei einer Versuchsgruppe im Vergleich zu einer Kontrollgruppe Wie kann die Intervention in der Kontrollgruppe aussehen? • Bisheriger Standard • Placebo • Keine Intervention 4
Klinische Studien sind „Experimente an/mit Menschen“ Am IMISE: 1. Akademische klinische Prüfungen (Onkologie, Kardiologie, Infektiologie, Adipositas) in Kooperation mit ZKS Leipzig – Erfassung einer Mindestzahl von Probanden mit gewünschten Eigenschaften, statistischer Analyseplan liegt vor – Therapieoptimierung/Dosisfindung, Verträglichkeitsvergleiche, Nebenwirkungen, Lebensqualität, Zufriedenheit 2. Epidemiologische Studien (LIFE-Kohorte, Nationale Kohorte) – Beobachtung von Bevölkerungsgruppen, Analyseplan liegt vor 3. Klinische Register – Erfassung aller Individuen einer bestimmten Population – Analysen werden später spezifiziert 5
Einleitung • Klinische Studien gelten als derzeit beste Methode zum Nachweis der Überlegenheit neuer Wirkstoffe oder Therapien • Register und Kohorten sind meist weniger interventionell • Klinische Studien sind streng reguliert – Good Clinical Practice (GCP), Good Automated Manufacturing Practice, FDA 21 Part 11, Datenschutz/HIPAA – Besonders streng: Zulassungsstudien – An Studien(-ergebnissen) hängen Milliarden von Euro jährlich • Die observierten phänotypischen Daten der Probanden müssen für die statistische Aufbereitung erfasst, gespeichert und aufbereitet werden 7
Voraussetzungen für die Vergleichbarkeit von Studienarmen • Strukturgleichheit: Gleichheit bzgl. wichtiger Merkmale – Balanciert nach Störgrößen: Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen • Behandlungsgleichheit: Gleichheit bzgl. der Behandlung neben der unterschiedlichen Therapie – Klinische Pfade, Medikamente gegen Nebenwirkungen • Beobachtungsgleichheit: Behandlungspersonal soll neutral berichten – Gleich detaillierte Dokumentation im CRF • Auswertungsgleichheit: Biometriker ohne Erwartungshaltung – Analyseplan im Voraus
Datenerfassung in klinischen Studien Alternativen: 1. Erfassung auf Papier (ausgedruckte Formulare) 2. Erfassung in elektronischen Masken (z.B. Excel/Access) 3. Erfassung in spezialisierten Systemen: Clinical Data Management Systems (CDMS) 4. Übernahme aus Drittsystemen 5. Direkteingabe durch Probanden 10
1. Erfassung auf Papier • Beliebt bei Ausfüllenden (passt in die Mappe zur Visite) • Unbeliebt beim Studienzentrum – Daten müssen abgetippt werden – Schrift schlecht lesbar – „Vergewaltigung“ von Listen, Pflichtfeldern, … möglich – Keine Prüfung der Eingaben ad hoc möglich – CRFs können verloren gehen oder zu spät ausgefüllt werden 11
2. Erfassung in elektronischen Masken • Einfach aufzusetzen und durchzuführen • Für Einzeleingaben • Aber leicht Fehlbedienung möglich => Sortierung nicht über alle Spalten …, „Intelligenz“ von Excel bei der Erkennung von Eingaben • Keine komplexen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Datenqualität 12
3. Erfassung in Clinical Data Management Systems • Spezialsoftware für regulierte klinische Studien – Wer hat was wann eingegeben, geändert oder exportiert? – FDA 21 Part 11 regulations on electronic records and electronic signatures CDMS sind inzwischen der Goldstandard! 13
4. Übernahme aus Drittsystemen • Üblicherweise aus Informationssystemen der Versorgung – Patientendatenverwaltungssysteme im Krankenhaus – Aber auch von niedergelassenen Ärzten, Krankenkassen, Registern oder Gensequenzierern denkbar • Nicht so problemlos wie man denkt! – Validierung der Quelldaten – Validierung der Übertragung und Umformung – Aktualität der überspielten Daten (z.B. bei Laborwerten), redundante Datenhaltung im KIS 14
5. Direkteingabe durch Probanden • Über Web-Browser, Handys, Tablets oder Telefon – Noch relativ neu, wenige Erfahrungen • Chancen: – Aktuellere und damit eventuell genauere Dokumentation (z.B. Schmerztagebuch), größere Mitmachbereitschaft • Risiken: – Sicherheit (offener Browser zu Hause) – Validierung der Übertragung und Umformung – Dateneingabe durch Nichtexperten (Fehleingaben, Spaßeingaben, Vermischung mit subjektiven Interessen (z.B. erhöhte Schmerzmittelgabe), Erkennen von schwerwiegenden Problemen wie Schlaganfall) 15
OPENCLINICA ALS CDMS AM IMISE 16
Exkurs: ein neues Großprojekt • IFB = Integriertes Forschungs- und Behandlungszentrum • BMBF-Ausschreibung, 8 IFBs in Deutschland, ortsgebunden zu einem Krankheitsbild • CSCC: IFB Sepsis und Sepsisfolgen Jena (2010 – 2015 – 2020) – IT-Strukturen und ZKS Jena gerade im Aufbau – Unterauftrag (3 Jahre): Aufbau IT-Unit durch IMISE Leipzig – Forschungsprogramm umfasst viele klinische Studien Elektronisches Datenmanagementsystem erforderlich! Nachhaltigkeit von IT-Lösungen statt Feature-Jagd! 17
Wie findet man das beste Clinical Data Management System? Eigentlich recht einfach: 1. Definiere Anforderungen und gewichte diese 2. Prüfe verfügbare Systeme auf der Grad der Erfülltheit der Anforderungen 18
CDMS-Evaluation des KKS Netzwerks • Ziel: Anforderungskatalog für die Re-Evaluierung aller im Netzwerk eingesetzten CDMS • 385 sehr detaillierte Anforderungen (Stand Februar 2012) 19
Anbieter von CDMS (Auswahl) http://edcmarket.appspot.com/ 20
Anforderungen des CSCC • GCP-konformes • Arbeitsplan Leipzig Qualitätsmanagement – 6 Monate Systemevaluation • Schnell einsatzbereit – Danach Produkteinführung, • Minimale Investitionskosten Tests, Dokumentation und Abnahme • Geringe Folgekosten – Jahr 2: Umsetzung der • Integrierbar in geplante produktiven Studien Forschungsinfrastruktur • Arbeitsplan Jena • Transferierbar von Leipzig – 10 Studien beginnen sofort nach Jena oder demnächst • Zukunftssicher 21
Blitzevaluation Aug. - Okt. 2010 Im Einsatz in Leipzig: • eResearchNet für KN Herzinsuffizienz und Sepsis, IFB Adipositas – Viel Erfahrung, Zukunft unklar, keine Hostinglizenz • Oracle Forms für KN Maligne Lymphome – Viel Erfahrung, Zukunft unklar, recht aufwendig • Webobjects für PROGRESS • LIME Survey/ Teleform für LIFE Oder doch ein weiteres System? OpenClinica? RedCAP? Phosco? 22
OpenClinica! Risiken: • Keine Produktiv-Erfahrungen mit dem System • Keine Kompetenz im Aufbau Chancen: • Geringe Kosten • Innovative Ansätze möglich • Moderne Schnittstellen Die Entscheidung für OpenClinica war 2010 situationsgetrieben Aber: DVMD-Challenge 2015 (Ulm): Unterschiede zwischen CDMS sind marginal 23
OpenClinica Facts • Gleichnamige Firma: OpenClinica, LLC – Gründung 2005, ca. 25 Mitarbeiter • “popular among academic institutions and small CROs” – Aber kaum konkrete Kundenstories verfügbar – Viele Installationen weltweit – Große Community, jährliche Konferenz – Firmensupport auf durch Dritte verfügbar 24
Architektur & Technisches • Open-Source-Stack: alle zwingend abhängigen Komponenten sind offene und freie Software • Programmiersprache: Java • APIs: Servlets & JSP, Spring, Hibernate, SOAP, Sitemesh, LiquiBase, LDAP • Datenmodell: CDISC ODM • Webserver: Apache und Tomcat • Datenbank: PostgreSQL • Browser: alle aktuellen Browser* Für IMISE: Ausschließlich bestehende Infrastruktur! OpenClinica im IFB Sepsis (CSCC) – Matthias Löbe – 02.09.2013 25
ODM in Beziehung zu anderen CDISC- Standards (kommt später genauer) 26
Systembetriebsvoraussetzungen • Hardware: einfache Dual-Core CPU, 2 GB RAM, 30 GB HD • Hosting: lokal, OpenClinica Cloud oder externe Firma • Design: selbst oder durch Firma – Jeder CRF-Bogen wird durch eine normative Exceldatei spezifiziert – Dadurch einfache Kommunikation mit klinischen Forschern 27
Development Roadmap • Kontinuierliche Weiterentwicklung: neue Versionen mehrfach jährlich, Updates möglich Version Release Date Version Release Date 1.0 12/2005 3.4 10/2014 1.1 06/2006 3.5 04/2015 2.0 03/2007 3.6 07/2015 2.2 03/2008 3.7 09/2015 2.5 09/2008 3.8 11/2015 3.0 10/2009 3.9 01/2016 3.1 09/2011 3.10 03/2016 3.1.2 01/2012 3.11 05/2016 3.1.4 08/2013 3.12 09/2016 3.2 04/2014 3.13 02/2017 3.3 07/2014 3.14 01/2018 28
Regulatory Compliance (Eigenaussagen) • Designed to support the use of Good Clinical Practice (GCP) • FDA-compliant Quality System • Compliance with 21 CFR Part 11 • HIPAA Regulatory Compliance • Validation Package customers may audit Systems Development Lifecycle (SDLC) documentation including Standard Operating Procedures (SOPs) 29
OpenClinica ist Open-Source-Software Nachteile Vorteile • Keine Gewährleistung bei • Quelltext vorhanden Mängeln • Keine Lizenzkosten • Kein Anspruch auf • Fehlerbehebung eigenständig Sonderentwicklungen (auch nicht möglich gegen Entgelt) • Schnelle Releasewechsel ohne • Eigene Erweiterungen Migrationsgarantie programmierbar • Geringere Unterstützung (Validierung, Qualifikation) 30
Community Edition • Support über Online-Ressourcen (Wiki, Mailingliste, Produktdokumentation usw.) – „Community Support“ – Im Fall von OpenClinica starke Unterstützung durch den Hersteller – Technisch identisch (einige Plugins nur für Enterprise) • Open Source: Lesser GNU Public License (LGPL) – ursprünglich für Programmbibliotheken – darf zusammen mit proprietärem Code gelinkt werden (Code bleibt aber getrennt) – kann für kommerzielle Zwecke verwendet werden – Beispiele: Open Office 31
Enterprise Edition 32
Typische Funktionen von Studiendatenmanagementsystemen • Audit Trail und Electronic Signatures • Rangechecks und Rules • Conditional Items, Partial Dates • Double Data Entry / Source Data Verification • Cross Field Edit Checks, komplexe Validierungen • Query Management and Filtering Discrepancy Note Types • Study Case Book • CRF-Versions, CRF Mapping • Rechte- und Rollenkonzept, Unterstützung für Zentren • Exporte CDISC, XLS, SPSS, SAS, … • Web-Services zur Anbindung externer Applikationen 33
Nicht dazu gehören Funktionen wie … • Studienregister • Visitenplaner • Vertragsverwalter • Budgetplaner • Randomisierungstool • Dokumentenverwalter • CRF-Tracker und -Mahner • SAE-Manager und -Melder • Auswerteplattform, Laborinformationssystem, Barcodeleser, KIS-Ersatz, Formularscanner, Screening-Datenbank, DRG-Grouper, Biomaterialverwalter, Gen-Mapper, Tumorboard, Datenintegrator, OCR-Modul, Therapiemanager… 34
Wir beschäftigen uns mit Datenmanagement! • Studienmanagement: Welche Studien werden an der Universitätsmedizin Leipzig durchgeführt? Sponsorhaftung? Verträge? Abrechnung studienbedingter Mehraufwand? • Patientenmanagement: Wann muss der Patient wiederkommen? Wie kann man ihn kontaktieren? Stehen noch CRFs aus? • Site Management: Sind die lokalen Prüfer qualifiziert? Arbeitet das Zentrum protokollkonform? Gibt es Audits? IT-Report der TMF 2015 35
Integration in die IT-Infrastruktur des CSCC 1. Screeningdatenbank 2. Pseudonymisierung 3. OpenClinica 4. Datenintegration 5. Forschungsdatenbank und Data Warehouse 36
Realisierte Studienprojekte (Auswahl) • INSEP – Schätzung der Inzidenz der schweren Sepsis und des septischen Schocks auf Intensivstationen in Deutschland – 1 Monat Laufzeit – 150 Zentren, 450 Dateneingabekräfte, keine Schulung – 12.300 Probanden – Kein Geld, kein Anwendertraining Webfähigkeit Bedingung, Dateneingabe durch einzelnes Zentrum nicht zu leisten Unterstützung für Zentren, Rechte & Rollen Keine größeren Probleme bei ungeschulten Dateneingebenden (!) 37
Realisierte Studienprojekte (Auswahl) • LIBRE – Untersuchung der Machbarkeit eines strukturierten körperlichen Bewegungsprogramms und einer mediterranen Ernährung bei Frauen mit BRCA1/2-Mutationen – 14 Events, 51 unterschiedliche CRFs Übersicht über den Stand der Dokumentation ohne CDMS schwer 38
Realisierte Studienprojekte (Auswahl) • MEDUSA – Multizentrische Studie (n=45) mit 250 Anwendern und 5.000 Pat. – Import von Daten aus externen Dokumentationssystemen gewünscht – Häufige Änderungen am CRF während Laufzeit Audit Trail nützlich bei vielen externen Anwendern Secondary Use über API (Web-Services-Schnittstelle) und ODM- Import realisiert (extern) OpenClinica unterstützt Versionen von CRF 39
Realisierte Studienprojekte (Auswahl) • REGISTRY – Zentrales Register aller Patienten mit septischem Schock – Langzeitprojekt (> 10 Jahre) – Viele komplexe Qualitätschecks – Zusammenführung mit KIS-Daten Terminplanung möglich, aber kein Patientenkalender, kein Mahnwesen Sehr komplexe Regeln möglich, aber aufwändig zu erstellen Datenzusammenführung geschieht in Forschungsdatenbank 40
Realisierte Studienprojekte (Auswahl) • ALERTS – Monitoringprojekt zum frühzeitigen Erkennen nosokomialer Infektionen – Alle stationären Patienten des Uniklinikums werden untersucht – Multiple, optionale CRF je Visite, Wiederverwendung von CRF – Pseudonymisierung und studienübergreifender Master-Patient-Index Screeningmodul extern angebunden OpenClinica unterstützt multiple Subject-IDs PID-Erzeugung mit TMF-PID-Generator 41
Ergebnisse • 16 Studien durchgeführt, mehrere in Vorbereitung – 50 aktive Nutzer mit und ohne Schulung – 25.000 Probanden eingeschlossen 42
Erfahrungen nach 9 Jahren Was wir mögen • Stabiler Betrieb, keinerlei Abstürze • Gute Community-Unterstützung über Mailingliste • Kontinuierliche Weiterentwicklung des Produkts • CRF-Erstellung in Excel erleichtert Absprache mit Medizinern • Nutzung von CDISC ODM als Datenmodell erleichtert Import und Weiterverwertung • WebService-API ermöglicht Anbindung externer Applikationen • Moderne technische Architektur, Code gut lesbar • Geringe Kosten, Möglichkeit zum Update • Beliebige Anwendbarkeit: Hosting für Dritte, Lehre, Industrie
Schlussfolgerung: Eignung von OpenClinica für translationale Forschungsprojekte Kosten Werkzeug Charakterisierung >– 1.000 c € Office Für kleine, multizentrische Studien mit Dateneingabe durch den 33% Investigator und ohne Nachnutzungsabsicht der erhobenen Daten > 10.000 € SQL, Forms Für einzelne Studien oder Studien mit sehr (Access, Oracle, speziellen Datentypen75% (z.B. Stammbäume, Sharepoint) Tumorboard, Bild-, Bio- und Genomdaten) > 100.000 € Kommerzielle Für große, generös finanzierte Zentren mit EDC-Systeme 90% vielen Studienprojekten (Industrie, AMG, FDA) und gesicherter Langzeitfinanzierung > 300.000 € Eigen- Notwendigkeit der Anbindung an spezifische entwicklungen In-House-Workflows, z.B. einer Ambulanz oder 75% mit verschiedenen einer longitudinalen Kohorte, Messapparaturen und speziellen QM-Checks Ein gewisser Einarbeitungs- und Betriebsaufwand ist nötig, ansonsten kann OpenClinica bedenkenlos empfohlen werden. 44
UMSETZUNG EINER STUDIE 45
Workflow beim Umsetzen einer Studie • Spezifikation => Implementierung => Test => Produktivschaltung Dementsprechend gibt es drei CDMS-Instanzen: • Entwicklungs-Instanz: Instanz, auf der die Studie vom Entwickler erstellt wird • Test-Instanz: Instanz, auf der die Studie vom Nutzer getestet wird • Produktiv-Instanz: Instanz, auf der die Studie produktiv läuft • Ggfs. gibt es eine vierte Instanz für Schulungszwecke • Test-Instanz und Produktiv-Instanz auf gleichem Server 46
Vorbereitung der Umsetzung • Vor Beginn der Umsetzung muss Spezifikation vorliegen – Umfang und Komplexität der Studie – Abschätzung des Aufwandes und der Zeitpunkte (First Patient In, …) – Erarbeitung durch klinische Forscher, Projektmanagement, Biometriker und IT/Datenmanagement • IT-Spezifikation besteht aus: 1. Studienprotokoll 2. Flowchart 3. Case Report Forms 4. Datenqualitätsprüfungen 5. Sonstige Vereinbarungen 47
Studienspezifikation: Studienprotokoll (1) • Strukturiertes Dokument, welches Ziele und Ablauf der Studie beschreibt • Muss i.A. einer Ethikkommission zur Genehmigung vorgelegt werden Harte Anforderungen an den Inhalt: • Titel, Rollen, IDs, Unterschriften • Aktueller Stand der Forschung • Fragestellungen und Hypothesen • Studiendesign (prospektiv/retrospektiv, Querschnitt/Längsschnitt, Intervention/Diagnostik/Beobachtung, Arme, Randomisierung, Verblindung) 48
Studienspezifikation: Studienprotokoll (2) • Auswertungsplan mit Analysemethoden • Klinische Endpunkte: Maßzahlen, welche das Ergebnis einer Studie verdeutlichen – Endpunkt: beim Erreichen eines Endpunkts wird die Beobachtung des Probanden beendet – Primäre (Studienziel) und sekundäre Endpunkte – Überlebensdauer, Remissionsrate, Eintreten eines Myokardinfarkts • Fallzahlplanung und Rekrutierungswege – Aufgabe des Biometrikers – Wie viele Probanden brauche ich für eine statistisch signifikante Aussage? • Einschluss- und Ausschlusskriterien (klarer Ja-Nein-Entscheid!) 49
Studienspezifikation: Studienprotokoll (3) • Studienablauf und Zeitplanung (Flowchart) • Beschreibung der Intervention, unerwünschte Ereignisse und Maßnahmen • Probandeninformation, Einwilligungserklärung, Versicherung • Datenmanagement – Datenerhebungen – Quelldatensysteme – Datenerfassung und –speicherung – Pseudonymisierung/Anonymisierung – Transfer und Archivierung 50
Studienspezifikation: Flowchart mit Erhebungszeitpunkten LIBRE-Studie 51
Studienspezifikation: Annotierter Case Report Form RAS-AZIC-Studie 52
Studienspezifikation: Vereinbarungen zur Sicherstellung der Datenqualität • Pflichtfelder • Auswahllisten • Formatprüfungen (TT.MM.JJJJ) • Datentypprüfungen (Gewicht als Fließzahl, keine Buchstaben) • Plausibilitätsprüfungen (Alter < 140 Jahre) • Normbereiche für Laborwerte (Körpertemperatur 26 – 43 °C) • Logische Abhängigkeiten (Datum KH-Aufnahme vor Datum ITS- Aufnahme) • Inhaltliche Abhängigkeiten (keine Schwangerschaft bei Männern) • Komplexe Kriterien (2 von 4 Merkmalen sollen erfüllt sein) 53
Sonstige Vereinbarungen („Pflichtenheft“) • Beteiligte Zentren, Nutzer und Rechte • Gewünschte Zusatz-Tools (Generierung von Probanden-Ids, Versand von Prüfmedikamenten, Reports zur Projektkontrolle …) • Umsetzung der gesamten Applikation zum Studienstart oder Teilimplementierung (Studienphasen) • Gewünschte Exportdatensätze und –formate • Verfügbarkeit des Systems, Nutzersupport 54
Implementierung • Der gesamte Prozess ist durch Arbeitsanweisungen (SOPs) strukturiert vorgegeben und wird für jede Studie dokumentiert • Case Report Form: – Ermöglicht standardisierte Erfassung aller notwendigen Informationen – Voraussetzung für Beobachtungsgleichheit! – Merkmalsarten • Eingabefelder für Texte, Zahlen, Datumsangaben (Formate angeben) • Auswahloptionen einfach und mehrfach (Skalenbereich sinnvoll wählen) – Mehr Details in Vorlesung zu Standards! 55
Warum nicht einfach so? Patientennummer: __________________________________ Adresse Hausarzt: __________________________________ __________________________________ Vorerkankungen: __________________________________ __________________________________ Schweregrad: __________________________________ • Man bekommt jede denkbare Schreibweise: – Härtelstraße, Härtelstrasse, Härtelstr., Härtel Strasse, haertelstrase – Herzinfarkt, Myokardinfarkt, Herzmuskelinfarkt, Herzschlag, Herzanfall, Herzattacke – Leicht, mittel, moderat, leicht-mittel, Typ 3, Atomnot 56
Hierarchischer Aufbau der Dokumentation • Hierarchie: – Studie – (Zentren) – Events (Visits) – Formulare (CRF) – Itemgruppen (Module, Pages) – Items (Datenelemente) – Codelists • Zwischen zwei Elementen dieser Liste besteht jeweils eine n:m- Beziehung • Idee: Wiederverwendbarkeit (auch studienübergreifend) 57
Protected Health Information (PHI) • Die Erfassung identifizierender Daten in CRFs wird von Ethikkommissionen ungern gesehen • US Health Insurance Portability and Accountability Act (HIPAA) definiert, was identifizierende Daten sind: 1. Names 11. Certificate/license numbers 2. Geographic data 12. Vehicle identifiers and serial numbers 3. All elements of dates including license plates 4. Telephone numbers 13. Device identifiers and serial numbers 5. FAX numbers 14. Web URLs 6. Email addresses 15. Internet protocol addresses 7. Social Security numbers 16. Biometric identifiers (i.e. retinal scan, fingerprints) 8. Medical record numbers 17. Full face photos and comparable images 9. Health plan beneficiary numbers 18. Any unique identifying number, 10. Account numbers characteristic or code 58
Ausgangsbasis Papier-CRF Formular Studie Itemgruppe Item Codelist 59
Formale Implementierung der CRFs • In OpenClinica mittels Excel-Vorlage • Best-Practices und Konventionen sind dokumentiert • Vertiefung in der Übung 60
e-CRF • Aus der Excel-Vorlage wird der e-CRF (Webmaske) und die Datenpersistenz generiert 61
Beziehung zu Visits • Typische Erhebungszeitpunkte – Screening – Randomisation – Baseline – Intervention – Follow-Up • Visiten können auch optional sein (Tod) oder mehrfach vorkommen (Lebensqualität, Unerwünschte Ereignisse) 62
Test und Validierung (1) • Kontrolle der Implementierung – Keine formale Verifikation! • Studienmanagementsoftware – Nur Test der Prüfregeln und der Masken – Alles Andere ist automatisch validiert • Eigenentwicklung – Umfangreiche Validierung notwendig (Spezifikation) – Test Eingabe gegen Datenbank – Kodierungen – Prüfregeln 63
Test und Validierung (2) • Strukturiertes Testen anhand sogenannter Validierungsprotokolle • Art und Umfang von Testung/Validierung sind in SOPs festgelegt • Nutzer (nicht der Entwickler) testet die Anwendung auf der Test- DB gegen die Spezifikation – Bestenfalls 3-5 Anwender aus verschiedenen Zentren! • Iterationsprozess: – Meldung bestehender Fehler (Nutzer) – Korrektur (Entwickler) – erneute Testung (Nutzer) • Bewährt hat sich das Testen mit Echtdaten! 64
Produktivschaltung der Studie • Nach erfolgreichem Durchlauf aller Tests erfolgt Abnahme der Studie – Sinnvoll: Dokumentation durch Übergabeprotokoll • Änderungen oder Erweiterungen sind häufig nötig – „Vergessene“ oder missverständliche Datenelemente – Im Test nicht gefundene Fehler – Dokumentation kann in der Realität nicht wie umgesetzt durchgeführt werden (Daten fehlen oder Patient ist schon weg) – Offizielle Änderungen an Dokumentationskonzept (Studien- Amendments) • Wichtig: Jeden Änderungswunsch schriftlich dokumentieren! 65
Sie können auch lesen