Blockchain-Anwendungen in der Immobilienbranche - Diskussionspapier 2018/04 Herausgegeben von der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Blockchain-Anwendungen in der Immobilienbranche Sesterhenn, Georg Schaaf, Jan Ittner, Andreas Diskussionspapier 2018/04 Herausgegeben von der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen ISSN 1436-2716 ____________________________________________________________________________ Hochschule Mittweida · University of Applied Sciences I
Heft 2018/04: Blockchain-Anwendungen in der Immobilienbranche von Andreas Ittner, Hochschule Mittweida Jan Schaaf, Hochschule Mittweida Georg Sesterhenn, Hochschule Mittweida Herausgeber: Hochschule Mittweida · University of Applied Sciences Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen Schriftleitung: Prof. Dr. Johannes N. Stelling Technikumplatz 17 09648 Mittweida Tel: 03727 / 58 12 89 Fax: 03727 / 58 12 95 E-Mail: stelling@hs-mittweida.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer- tung, sei es durch Fotokopie, Übersetzung, Mikroverfilmung oder elektronische Verar- beitung, ist ohne Zustimmung des Herausgebers nicht zulässig. ISSN 1436-2716 © 2017 Copyright beim Herausgeber II
InhaltsverzeichnisInhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................................................... IV Abbildungsverzeichnis.................................................................................................................................V Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................................................. VI Abstract ..................................................................................................................................................... VII 1 Die Ausgangslage in der Immobilienbranche ....................................................................................... 1 2 Grundlagen der Blockchain-Technologie ............................................................................................. 2 3 Tokenisierung von Immobilieneigentum .............................................................................................. 5 4 Marktanalyse: Blockchain-Start-ups im Immobiliensektor .................................................................. 8 4.1 Blockchain-Anwendungen in der Grundbuchverwaltung und bei Vergabe von Hypothekendarle- hen 9 4.2 Blockchain-Anwendungen in der Immobilienfinanzierung 10 4.3 Blockchain-Anwendungen im kaufmännischen Gebäudemanagement 12 4.4 Blockchain-Anwendungen im technischen Gebäudemanagement und im Energiemanagement13 4.5 Blockchain-Anwendungen im Bereich der Sharing Economy 14 5 Schlussbetrachtungen ......................................................................................................................... 16 5.1 Entwicklungsausblick 16 5.2 Handlungsempfehlungen für die öffentliche Hand 20 5.3 Handlungsempfehlungen für die Immobilienbranche 21 Anlagen ....................................................................................................................................................VIII Anlage 1: Häufigkeit der untersuchten Geschäftsmodelle VIII Anlage 2: Geografische Verteilung der Blockchain-Start-ups VIII Anlage 3: Blockchain-Start-ups im Immobiliensektor (ohne ICOs) IX Anlage 4: ICO-Projekte im Immobiliensektor X Anlage 5: Blockchain-Pilotprojekte in der Grundbuchverwaltung XIV Literaturverzeichnis ................................................................................................................................ XVI Quellen zur Marktanalyse ...................................................................................................................... XXV III
Abbildungsverzeich- nis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Tokenisierung einer Immobilie6 Abbildung 2: Kartografische Übersicht: Pilotprojekte in der Grundbuchverwaltung10 Abbildung 3: Gartner Hype Cycle for Emerging Technologies16 Abbildung 4: Blockchain-Adoptionskurve17 Abbildung 5: Unwissen bezüglich Blockchains ‒ Symptome der Übertreibung20 Abbildung 6: Häufigkeit der untersuchten GeschäftsmodelleVIII Abbildung 7: Geografische Verteilung der Blockchain-Start-upsVIII Abbildung 8: Blockchain-Start-ups im Immobiliensektor (ohne ICOs)IX Abbildung 9: ICO-Projekte im Immobiliensektor (Teil 1)X Abbildung 10: ICO-Projekte im Immobiliensektor (Teil 2)XI Abbildung 11: ICO-Projekte im Immobiliensektor (Teil 3)XII Abbildung 12: ICO-Projekte im Immobiliensektor (Teil 4)XIII Abbildung 13: Übersicht von Pilotprojekten in der Grundbuchverwaltung (Teil 1)XIV Abbildung 14: Übersicht von Pilotprojekten in der Grundbuchverwaltung (Teil 2)XV IV
Abkürzungsverzeich- nis Abkürzungsverzeichnis AI (englisch Artificial Intelligence) KI bzw. Künstliche Intelligenz CEO (englisch Chief Executive Officer) Geschäftsführer eines Unternehmens DAO dezentrale autonome Organisation DLT (englisch Distributed Ledger Technologie) verteiltes Register oder Kontenblatt ICO (englisch Initial Coin Offering) erstmaliger Verkauf eines Kryptotokens IoT (englisch Internet of Things) Internet der Dinge MLS (englisch Multiple Listing Service) eine von mehreren Immobilienmaklern gemeinschaft- lich genutzte Datenbank mit zum Verkauf oder zur Vermietung stehenden Immobilien PoS (englisch Proof-of-Stake) ein Konsensmechanismus PoW (englisch Proof-of-Work) ein Konsensmechanismus P2P (englisch Peer-to-peer) direkte Verknüpfung von gleichberechtigten Teilnehmern REIT (englisch Real Estate Investment Trust) Sonderform einer Immobilien-Aktiengesellschaft TBA (englisch to be announced) wird angekündigt V
Abstract Abstract Das Ziel der vorliegenden Veröffentlichung ist es, den Leser über mögliche Einsatzgebiete und den aktuellen Entwicklungsstand von Blockchain und Distributed-Ledger-Technologien in der Immobilienbranche zu informieren. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Anwendun- gen im Bereich der Grundbuchverwaltung und der Tokenisierung von Eigentumsrechten. Der Kern dieses Diskussionspapiers ist eine Marktanalyse, bei der insgesamt 105 Block- chain-Start-ups im Immobilienbereich untersucht wurden. Im Schlussteil werden mögliche Entwicklungsszenarien diskutiert und Handlungsempfehlungen für die Immobilienbranche und die öffentliche Hand ausgesprochen. VII
Die Ausgangslage in der Immobilienbranche 1 Die Ausgangslage in der Immobilienbranche Der Wert aller Immobilien weltweit betrug im Jahr 2015 schätzungsweise 217 Billionen Dollar. Im- mobilien entsprechen damit etwa 60 % aller weltweiten Besitztümer. 1 Der Immobilienmarkt ist somit einer der größten und wichtigsten Wirtschaftssektoren. Trotzdem gilt die Immobilienbranche weithin als träge, rückständig und intransparent. 2 Der Immobilienmarkt ist in eine Vielzahl von regionalen Teilmärkten untergliedert und wird gleichzeitig von wenigen großen Unternehmen dominiert. Auf- grund von Informationsdefiziten können die Risiken von Investitionen oft nur unzureichend einge- schätzt werden. Dies führt regelmäßig zur Entstehung von Immobilienblasen, die im schlimmsten Fall − wie zuletzt 2007 in den USA − die gesamte Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen können. Immobilientransaktionen sind außerdem sehr zeit- und kostenintensive Prozesse. An einer einzigen Transaktion sind diverse Akteure beteiligt, die die Transaktion jeweils parallel abwickeln. Dies führt zu hohem bürokratischem Aufwand und vermeidbaren zeitlichen Verzögerungen. Besonders inter- nationale Transaktionen werden durch hohe Gebühren und unabwägbare Risiken erschwert. Ein Großteil der Geschäftsprozesse in der Immobilienbranche ist ineffizient, fehleranfällig und arbeits- intensiv, da die Dokumentation nach wie vor in Papierform stattfindet. In weiten Teilen der Welt kommt es immer noch zu Landenteignungen und Korruption ist weit verbreitet. Selbst in hoch ent- wickelten Staaten kommt es regelmäßig zu Betrugsfällen. 3 Die Blockchain-Technologie verspricht, bei all diesen Problemen zukünftig Abhilfe schaffen zu können. 1 Vgl. beispielsweise Savills 2016, S. 4. 2 Vgl. Seifert 2016, S. 61. 3 Siehe bspw.: https://www.californiarealestatefraudreport.com/. 1
Grundlagen der Blockchain-Technologie 2 Grundlagen der Blockchain-Technologie Im Jahr 2008 wurde unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ein Whitepaper mit dem Titel „Bit- coin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“ 4 veröffentlicht. Bis heute ist nicht bekannt, welche Person oder Gruppe sich hinter diesem Pseudonym verbirgt. In diesem Dokument wurden erstmals die Grundlagen für ein dezentralisiertes Onlinebezahlsystem beschrieben, welches Transaktionen in einem P2P-Netzwerk ermöglicht, ohne dass die Gefahr eines Double Spendings 5 besteht. Dies wird als die Geburtsstunde der Blockchain angesehen. Die große Innovation besteht darin, dass keine zentrale Abwicklungsstelle etwa in Form einer Bank mehr benötigt wird, um betrügerisches Handeln zu unterbinden. Bisher wurde die Umsetzung von digitalen und vollständig dezentralen Zahlungs- systemen verhindert, da es bis zur Veröffentlichung des Bitcoin-Whitepapers keine effiziente Lösung für das Double-Spending-Problem oder auch das sogenannte Problem der byzantinischen Generäle 6 gab. Dies wurde nun erstmalig durch den Einsatz des Proof-of-Work-Protokolls 7 gelöst. Dieser Kon- sensmechanismus verhindert Betrug, indem er eine Belohnung an die sogenannten Miner 8 ausschüt- tet, solange diese die Regeln des Protokolls ordnungsgemäß umsetzen. Neben Proof of Work (PoW) gibt es viele weitere − zum größten Teil noch experimentelle − Konsensmechanismen. Zu unter- scheiden ist dabei zwischen öffentlichen Blockchains wie Bitcoin oder Ethereum und zugangsbe- schränkten Systemen − sogenannten privaten Blockchains. Die wesentliche Gemeinsamkeit all die- ser Systeme besteht in der Verwendung eines verteilten Kontenbuchs. Aus diesem Grund wird oft- mals auch der englische Oberbegriff „Distributed Ledger Technology“ (kurz DLT) verwendet. Bei einer klassischen Blockchain handelt es sich also um eine „Dezentrale, chronologisch aktualisierte Datenbank mit einem aus dem Netzwerk hergestellten Konsensmechanismus zur dauerhaften digita- len Verbriefung von Eigentumsrechten.“ 9 Oder mit anderen Worten ausgedrückt: um einen ausge- klügelten Verschlüsselungsmechanismus, mit dem Eigentum in einer digitalen Datenbank den Be- sitzer wechseln kann, ohne dass diese Transaktion von Dritten manipuliert werden kann. Wie der Name schon sagt, besteht eine Blockchain aus einer Kette von einzelnen „Blöcken“. Üblicherweise werden mehrere Transaktionen zu einem Block zusammengefasst. Für jeden Block wird eine unver- änderliche Prüfsumme, ein sogenannter Hashwert, berechnet. Der Hashwert des vorherigen Blocks 4 Vgl. Nakamoto 2008. 5 Auch bei Immobilientransaktionen spielt das Double-Spending-Problem eine Rolle. Es kann bspw. vorkommen, dass ein Immobilienverkäufer, der bereits einen Kaufvertrag geschlossen hat, einen weiteren Kaufvertrag mit einem anderen Kaufinteressenten eingeht, bevor das Eigentum an den ersten Kaufinteressenten übergeben wurde. Das Whitepaper „Pro- ject Hurricane or how to implement Blockchain Technology in German Real Estate Transactions“ [vgl. Adam 2017, S. 1.] verdeutlicht, wie dieses Problem in Deutschland mithilfe von Blockchain-Technologie besser angegangen werden könnte. 6 Vgl. Lamport, Shostak, Pease 1982. 7 PoW basiert auf dem Hashcash-Algorithmus, der ursprünglich dazu entwickelt wurde, E-Mail-Spam zu vermeiden [vgl. Back 2002]. 8 Ein Knotenpunkt bspw. im Bitcoin-Netzwerk, der seine Rechenleistung aufwendet, um eine Blockbelohnung für die Durchführung des Proof-of-Work-Protokolls zu erhalten. 9 Mitschele 2016. 2
Grundlagen der Blockchain-Technologie wird als fester Bestandteil in den darauffolgenden Block hineingeschrieben. Durch dieses kryptolo- gische Verfahren werden die einzelnen Blöcke in chronologischer Reihenfolge miteinander verket- tet. Dies macht es unmöglich, Daten von vergangenen Transaktionen nachträglich abzuändern. Die Transaktionshistorie wird außerdem nicht zentral, sondern von jedem Netzwerkteilnehmer separat gespeichert. Durch den ständigen Abgleich mit anderen Netzwerkteilnehmern können potenzielle Manipulationsversuche unterbunden werden. Grundsätzlich kann jede Art von Transaktion auf einer Blockchain abgebildet werden. Damit bildet sie die Basis für die Weiterentwicklung des derzeitigen Internets, mit dem sich bisher nur digitale Kopien einer Information übertragen lassen. So postuliert bspw. der Blockchain-Bundesverband: „Blockchains werden die treibende Kraft hinter dem nächsten Evolutionsschritt des Internets sein.“ 10 Durch deren Einsatz soll sich unser heutiges Informationsin- ternet zu einem Internet der digitalen Werte und Originale weiterentwickeln. Parallel wird auch vom „Internet of Trust“ oder der „Vertrauensmaschine“ gesprochen. 11 Diese Innovation soll es jedem einzelnen Bürger weltweit ermöglichen, digitale Werte sicher, effizient und ohne Mittelsmänner zu transferieren. Neben digitalem Geld wie Bitcoin lassen sich mit Blockchain aber noch weitaus kom- plexere Applikationen entwickeln, die auch für die Immobilienbranche von höchstem Interesse sind. Großes Potenzial steckt bspw. in der Digitalisierung von Immobilientransaktionen. 12 Laut Carsten Schlabritz, CEO von Immowelt, wird bald nicht nur die Objektauswahl, sondern auch die Kaufver- tragsabwicklung digital verlaufen. 13 Möglich werden soll dies durch die Verwendung von sogenann- ten Smart Contracts. Diese „intelligenten Verträge“ wurden erstmals 1996 von Nick Szabo in dem Artikel „Smart Contracts: Building Blocks for Digital Markets“ beschrieben. 14 Laut der Definition im Gabler Wirtschaftslexikon ist ein Smart Contract ein „Elektronischer Vertrag, der hinterlegte Re- geln automatisch überwacht und definierte Aktionen bei Vorliegen eines Trigger-Events selbsttätig ausführen kann.“ 15 Hiermit können komplexe Wenn-Dann-Beziehungen auf einer Blockchain dar- gestellt werden. Zwei Vertragsparteien können eine verbindliche Vereinbarung treffen, sodass, wenn eine bestimmte Bedingung erfüllt ist, automatisch eine bestimmte Konsequenz eintreten soll. Auch hier kann jede durchgeführte Aktion oder Transaktion über die Blockchain nachvollzogen werden. Es ist aber wichtig zu beachten, dass es sich bei Smart Contracts keineswegs um Verträge in einem zivilrechtlichen Sinne handelt. Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, kann ein Smart Contract aber durchaus stellvertretend für einen legalen Vertrag zum Einsatz kommen. 16 Ein mögli- ches Verfahren für die Erstellung von rechtskräftigen Smart Contracts sind z. B. sogenannte „Ricar- dian Contracts“ 17. Viktor Weber, Gründer des Future Real Estate Institute, sieht die Verwendung 10 Blockchain Bundesverband 2017, S. 4. 11 Vgl. The Economist 2015. 12 Vgl. Immobilienmanager 2016, S. 16. 13 Vgl. Schlabritz 2016, S. 43. 14 Vgl. Szabo, 1996. 15 Mitschele: Smart Contract. 16 Vgl. Voshmgir, Kalinov 2017, S. 24. 17 Ricardian Contracts müssen von Menschen und Maschinen gleichzeitig lesbar sein. Es handelt sich um digital signierte und kryptografisch verifizierte Dokumente, die Vereinbarungen zwischen mehreren Parteien enthalten. Die Besonderheit ist, dass diese Dokumente sowohl in normaler Sprache als auch in Computercode formuliert werden (vgl. Grigg: The Ri- cardian Contract). 3
Grundlagen der Blockchain-Technologie von Smart Contracts in der Immobilienbranche aktuell noch kritisch. „Die zurzeit genutzten Pro- grammiersprachen können die Komplexität der Rechtsprechung und die Interpretierbarkeit von Recht noch nicht abbilden.“ 18 Viele Experten vergleichen den aktuellen Entwicklungsstand der Blockchain-Technologie mit dem des Internets in den Jahren 1991−1992. 19 Für die Zukunft ergibt sich also noch ein immenses Entwicklungspotenzial. 18 Weber 2017. 19 Vgl. Smith 2016. 4
Tokenisierung von Immobilieneigentum 3 Tokenisierung von Immobilieneigentum Der Begriff Smart Property wurde bereits 1996 von Nick Szabo in dem Artikel „Smart Contracts: Building Blocks for Digital Markets“ beschrieben. 20 Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff für alle Formen von Eigentum, die sich mithilfe von Smart Contracts kontrollieren lassen. Es kann sich dabei um materielle Güter wie z. B. ein Auto oder um immaterielle Vermögensgegenstände wie Aktien handeln. 21 Für die Immobilienbranche ist vor allem die mögliche Digitalisierung von Immo- bilieneigentum von Bedeutung. Dieser Digitalisierungsprozess wird im Englischen als „Tokeniza- tion“ (Tokenisierung) bezeichnet. Durch die Tokenisierung von Immobilieneigentumsrechten kön- nen die physischen Limitationen von Immobilien und eine Menge bürokratischer Aufwand umgan- gen werden. Die Tokenisierung von Immobilieneigentum bietet die Möglichkeit, Immobilienobjekte in beliebig viele Fragmente aufzuteilen und einzeln zu handeln. Transaktionen von einzelnen Token können mit sehr geringem Zeit- und Kostenaufwand durchgeführt werden. 22 Eine höhere Liquidität bietet u. a. Vorteile im Portfoliomanagement, da schnellere Anpassungen stattfinden können. Chris- topher Clausen, Associate Director bei JLL Asia Pacific Research, geht davon aus, dass institutio- nelle Investoren hiervon profitieren könnten. 23 Weitere Vorzüge sind: „easy distribution of profits from real estate, simplified title registries, lowered entry thresholds for real estate investors, and complete traceability and verifiability of all transactions ensured by Blockchain.“ 24 Außerdem er- möglicht Tokenisierung beinahe unbegrenzte Möglichkeiten für innovative Geschäftsmodelle im Be- reich Crowdinvestment. Darvin Kurniawan von REIDAO erklärt: „Property tokenization is all about making programmable property, so that this property can be used in other smart contract based ser- vices.“ 25 Ein Großteil der ICO-Projekte, die in der in den Anlagen befindlichen Marktanalyse unter- sucht wurden, setzt auf ein solches Geschäftsmodell. Abbildung 1 verdeutlicht den Prozess der To- kenisierung einer Immobilie noch einmal grafisch. 20 Szabo 1996. 21 Vgl. Bitcoin Wiki 2016. 22 Vgl. Ray 2015. 23 Vgl. JLL 2017, S. 10. 24 Marshall 2017. 25 Kurniawan 2017. 5
Tokenisierung von Immobilieneigentum Abbildung 1: Tokenisierung einer Immobilie (Kurniawan 2017) Ein relativ simples Verfahren zur Digitalisierung von realen Wertgegenständen sind die sogenannten Colored Coins oder auch Metacoin-Protokolle. Dabei handelt es sich um eine Art Informationslayer, der auf die Bitcoin-Blockchain aufgesetzt wird. 26 Dieser Layer kann genutzt werden, um relevante Informationen an den Token einer bestimmten Kryptowährung zu knüpfen und somit manipulations- sicher abzuspeichern. Dadurch kann bspw. die Funktionalität von Bitcoin erweitert werden. Ein Bit- coin kann dadurch reale Wertgegenstände wie z. B. Aktien, Rohstoffe oder Immobilien repräsentie- ren. Der Besitzer eines solchen „Colored Coins“ kann also gleichzeitig als Besitzer eines entspre- chenden realen Wertgegenstandes angesehen werden. Der Vorteil besteht darin, dass der Transfer dieses Coins genügt, um das Eigentum an einer Sache von einer Person auf die andere zu übertragen. In der Immobilienbranche können mit diesem Verfahren bspw. die Metadaten einer Transaktion (wie Objektadresse, Grundstücksfläche, Kaufpreis etc.) hinterlegt werden. Colored Coins werden daher als Grundlage für viele Blockchain-Projekte im Immobilienbereich verwendet. In Kapitel 5.3 wird anhand des Cook-County-Pilotprojekts in Illinois erläutert, wie dadurch eine komplett papierlose Immobilientransaktion durchgeführt werden kann. Der intrinsische Wert des verwendeten Tokens spielt hierbei überhaupt keine Rolle und kann dementsprechend gering ausfallen (bspw. ein Satoshi). 26 Vgl. Anand, McKibbin, Pichel 2016, S. 6. 6
Tokenisierung von Immobilieneigentum Grundsätzlich können Colored Coins weiter aufgespalten werden, wodurch anteiliges Eigentum ab- gebildet werden kann. 27 Das Colored-Coin-Protokoll war eines der ersten Verfahren, um Eigentums- rechte digital abzubilden, die Funktionalität ist aber durch die Eigenschaften der zugrundeliegenden Bitcoin-Blockchain beschränkt. Durch die Verwendung von Smart Contracts können auf der Ethereum-Plattform noch weitaus komplexere Beziehungen abgebildet werden. Verstärkt seit 2017 sorgen sogenannte ICOs regelmäßig für Aufmerksamkeit in den Medien. Der Begriff Initial Coin Offering ist eine Anlehnung an Initial Public Offering (englisch für Börsengang). Manchmal werden auch die Begriffe Initial Token Offering (ITO) oder Token Generating Event (TGE) verwendet. Eine ICO ist vergleichbar mit einer Crowdfunding-Kampagne. Das ICO-Start-up verkauft dabei eigens entwickelte Token bzw. Coins gegen andere Kryptowährungen (meist Bitcoin oder Ethereum). Die ICO wird als erfolgreich bewertet, wenn das Start-up sein persönliches Finanzierungsziel erreicht. Die Einnahmen werden anschließend genutzt, um die Entwicklung des Projekts voranzutreiben. Meistens sind die zu erwerbenden Token so konzipiert, dass sie eine bestimmte Funktion innerhalb der geplanten Blockchain-Plattform erfüllen. Dadurch soll dem Token ein intrinsischer Wert verlie- hen werden. ICOs können bspw. auch genutzt werden, um einzelne Immobilienprojekte zu finanzie- ren. 28 27 Vgl. Github 2017a. 28 Siehe Kapitel 4.2 7
Marktanalyse: Blockchain-Start-ups im Immobiliensek- tor 4 Marktanalyse: Blockchain-Start-ups im Immobilien- sektor Blockchain ist bei fast allen Kernprozessen in der Immobilienbranche anwendbar. Hierzu gehören Kauf und Verkauf, die Finanzierung, die Vermietung und der Betrieb von Immobilien. 29 Teilweise ergeben sich vollkommen neue Organisationsformen und Geschäftsmodelle. Aktuell gibt es sehr viele verschiedene Blockchain-Projekte in der Immobilienbranche, die sich zum größten Teil noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden. Um einen umfassenden Überblick zu gewinnen, wurde eine Marktanalyse zu insgesamt 105 Blockchain-Start-ups im Immobilienbereich erstellt, für die die Blockchain-Technologie eine wesentliche Geschäftsgrundlage darstellt. Bei der Einordnung der untersuchten Start-ups lassen sich insgesamt sieben differenzierbare Anwendungsbereiche in der Immobilienbranche identifizieren. 30 Diese werden in den folgenden Unterkapiteln näher erläutert. Grundsätzlich wurde zwischen Start-ups mit und solchen ohne ICO unterschieden. Mit einem Ver- hältnis von 81 zu 24 sind die ICO-Start-ups wesentlich häufiger vertreten. Von den ICO-Projekten basieren wiederum ganze 60 auf dem ERC20 Token Standard 31 bzw. der Ethereum-Blockchain. ICOs sind für die meisten Blockchain-Anwendungen in der Immobilienbranche nicht zwingend not- wendig, sondern dienen in erster Linie dazu, das jeweilige Start-up bereits in einem sehr frühen Sta- dium zu finanzieren. Es gibt aber auch einige interessante Blockchain-Start-ups im Immobilienbe- reich, die nicht auf ICOs als Finanzierungsmodell zurückgreifen. Dieser Verzicht ist durchaus positiv zu bewerten, da dies zeigt, dass das Geschäftsmodell des Unternehmens nicht alleine durch den „Kryptohype“ getragen wird, sondern auch traditionelle Kapitalgeber überzeugen kann. Im Durch- schnitt erscheinen diese Start-ups professioneller, praxisorientierter und weiter fortgeschritten als die ICO-Projekte. Viele der ICOs sind im Vergleich noch weiter von einem marktfähigen Produkt ent- fernt, da sie weniger versuchen, bestehende Prozesse zu optimieren, sondern komplett neue Systeme schaffen wollen. Dies heißt aber nicht, dass alle ICOs pauschal zum Scheitern verurteilt sind. Denn in den radikalsten Ansätzen steckt auch das größte disruptive Potenzial 32. Der Aufstieg von Airbnb hat gezeigt, wie stark sich der Erfolg von nur einem innovativen Unternehmen auf eine ganze Bran- che auswirken kann. Derartige Geschäftsmodelle bergen aber ein höheres Risiko und sollten dem- entsprechend intensiver geprüft werden. Zu beachten ist, dass sich diese Untersuchung ausschließlich mit immobilienspezifischen Projekten befasst. Start-ups, deren Geschäftsmodelle sich nicht explizit mit immobilienwirtschaftlichen Prozessen befassen, wurden also nicht berücksichtigt. In anderen Wirtschaftszweigen wie z. B. dem Energie- oder dem Finanzsektor gibt es aber viele weitere Block- chain-Anwendungen, die für die Immobilienbranche von Interesse sein können. Ebenfalls ausge- schlossen wurden Blockchain-Projekte von etablierten Immobilienunternehmen. Eine vollständige 29 Vgl. Deloitte 2017, S. 1. 30 Siehe Anlage 4, Kopfzeile, Spalte C bis I. 31 Siehe: https://theethereum.wiki/w/index.php/ERC20_Token_Standard. 32 „Das disruptive Potential (einer Innovation) ist das Potential einen Markt zu erschüttern und zu einer Neuordnung zu zwingen (lat. disrumpere ‚aufbrechen‘). Ähnlich dem Begriff der kreativen Zerstörung (Schumpeter) sorgen disruptive Innovationen für eine Neukombination von Produktionsfaktoren, die alte Strukturen verdrängen und schließlich ‚zerstö- ren‘.“ (Innovationsmanager 2015). 8
Marktanalyse: Blockchain-Start-ups im Immobiliensek- tor Auflistung der 105 untersuchten Start-ups befindet sich in Anlage 3 und 4. Geografisch betrachtet stammen zurzeit die meisten Blockchain-Start-ups im Immobiliensektor aus den USA (23 Stück), Russland (12) und dem Vereinigten Königreich (11). In Deutschland sind immerhin vier Projekte ansässig. 33 Die für die gesamte Marktanalyse verwendeten Quellen sind am Ende des Literatur- und Quellenverzeichnisses gesondert aufgelistet. 4.1 Blockchain-Anwendungen in der Grundbuchverwaltung und bei Vergabe von Hypothekendarlehen Die Registrierung von Grundeigentum und damit einhergehend das Abwickeln von Immobilientrans- aktionen ist der wahrscheinlich offensichtlichste und am meisten diskutierte Anwendungsfall von DLT in der Immobilienbranche. Zurzeit gibt es zahlreiche Start-ups, die an dezentralen Registrie- rungsverfahren arbeiten, die u. a. für die Verwaltung von Landrechten genutzt werden können. Ähn- lich dem Beispiel von Bitfury in Georgien 34 sollen Grundstückseigentümer mithilfe solcher Plattfor- men selbstständig Eintragungen auf einer Blockchain durchführen können. Bei vielen der untersuch- ten Projekte wird aber auch direkt mit den lokalen Grundbuch- oder Katasterämtern zusammengear- beitet. Das größte Potenzial für solche Verfahren besteht dort, wo es bisher keine funktionierenden Systeme zur Registrierung von Grundeigentum gibt und dementsprechend nur ein geringer Anteil der existierenden Grundstücke öffentlich registriert ist. Laut Weltbank sind hiervon noch immer 70 % der Weltbevölkerung betroffen. Für die Vereinten Nationen sind Grundeigentumsrechte eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung. 35 Die Registrierung von Grundbe- sitz ist aufgrund von Korruption für einen großen Teil der Bevölkerung in Entwicklungsländern schlicht zu teuer. Dies zieht weitere negative Folgen nach sich. Grundstücke, die nicht registriert sind, können leicht enteignet werden. Blockchain-Technologie hat aber nicht nur das Potenzial, den Besitz von Grundeigentum einfacher nachweisbar zu machen, sondern könnte auch die Prozesse bei der Vergabe von Hypothekenkrediten optimieren. Die Grundbuchämter in Schweden und Großbri- tannien beschäftigen sich bereits mit konkreten Lösungen in diesem Bereich. 36 Das Blockchain-Start- up Factom bietet mit seinem Dokumentenmanagementsystem namens Harmony 37 bereits einen nütz- lichen Service für Hypothekenanbieter. Harmony 38 ermöglicht es, Hypothekenunterlagen von ver- schiedenen Quellen in Echtzeit zu erfassen und deren Hashwerte in der Blockchain zu sichern. Die Metadaten dieser Dokumente können eingesehen werden, ohne dass vertrauliche Informationen preisgegeben werden müssen. Damit lässt sich nachträglich nachvollziehen, wann die Dokumente erstellt wurden und ob Veränderungen vorgenommen wurden. 39 Während Anwendungen im Bereich der Grundbuchverwaltung bei den ICO-Start-ups nur an zweiter Stelle stehen, sind diese bei den 33 Siehe Anlage 2: Geografische Verteilung der Blockchain-Start-ups. 34 Siehe Anlage 5: Blockchain-Pilotprojekte in der Grundbuchverwaltung. 35 Vgl. Heider, Connelly 2016. 36 Siehe Anlage 5: Blockchain-Pilotprojekte in der Grundbuchverwaltung. 37 Siehe: https://www.factom.com/products/harmony. 38 Siehe: https://www.factom.com/products/harmony. 39 Laurence, S. 94. 9
Marktanalyse: Blockchain-Start-ups im Immobiliensek- tor Start-ups ohne ICO mit Abstand am häufigsten vertreten. Im Gegensatz zu den ICO-Start-ups nutzen die meisten der anderen Projekte außerdem nicht die Ethereum-Blockchain, sondern greifen auf Co- lored Coins oder eigens entwickelte Blockchain-Lösungen zurück. 40 Die folgende Karte zeigt alle Länder, in denen es zurzeit Bestrebungen gibt, DLT in der Grundbuchverwaltung einzusetzen. An- lage 5 enthält zusätzlich eine tabellarische Übersicht mit den wichtigsten Informationen zu all diesen Pilotprojekten. Abbildung 2: Kartografische Übersicht von Pilotprojekten in der Grundbuchverwaltung 41 4.2 Blockchain-Anwendungen in der Immobilienfinanzierung Wie in Kapitel 3 beschrieben ermöglicht Blockchain die Tokenisierung von Immobilieneigentum und schafft damit vollkommen neue Möglichkeiten im Bereich des Immobilieninvestments. Die voll- ständige Digitalisierung von Immobilieneigentum mithilfe von Kryptotoken, einhergehend mit einer Aufspaltung in sehr kleine Blöcke, bereitet den Weg für zahlreiche innovative Geschäftsmodelle. Das Blockchain-Start-up Bitpropery bspw. hat sich auf die Finanzierung von großen Solar- und Windparks spezialisiert. Über den Erwerb von sogenannten BTP-Token werden Investoren an den jährlichen Einnahmen aus der Stromerzeugung beteiligt. Eine erste Solarfarm in Japan wurde bereits erworben. 42 DAOs bieten zudem erstmals die Möglichkeit, Kapital für Immobilieninvestitionen zu bündeln, ohne dass die Investoren dabei auf einen Fondsmanager zurückgreifen müssen. Durch den Einsatz von Smart Contracts können dabei diverse Prozesse automatisiert oder vereinfacht werden. Dies ist die Grundlage für beinahe die Hälfte aller untersuchten Start-ups. Die einzelnen Projekte können noch einmal in drei Untergruppen aufgeteilt werden. Die erste Gruppe der Projekte ist 40 Siehe Anlage 5: Blockchain-Pilotprojekte in der Grundbuchverwaltung. 41 Erstellt unter folgendem Link: https://mapchart.net/detworld.html. 42 Vgl. Bitproperty 2017, S. 6. 10
Marktanalyse: Blockchain-Start-ups im Immobiliensek- tor grundsätzlich mit offenen Immobilienfonds oder Real Estate Investment Trusts (REITs) 43 vergleich- bar. Hierbei wird in ein breites Portfolio an Immobilien investiert und dadurch das Risiko auf viele Objekte verteilt. Der Einsatz von Token ermöglicht dabei gewisse Vorteile gegenüber den klassi- schen Investmentformen. Bei der zweiten Gruppe handelt es sich dagegen eher um Crowdfunding- Kampagnen für einzelne konkrete Immobilienprojekte. Diese Projekte sind also eher mit geschlos- senen Immobilienfonds vergleichbar. Beispiele hierfür sind: Sosnovkino, Xaurum Gamma oder Es- tate Coin. Bei den meisten dieser Projekte ist aber kein Mehrwert durch die Verwendung einer Block- chain erkennbar. Die dritte Gruppe adaptiert die Geschäftsmodelle von Crowdinvestment-Plattfor- men wie Zinsland 44 oder Exporo 45. Zum Teil gibt es aber auch Mischformen oder vollkommen neue Konzepte. Die niedrigeren Eintrittshürden bei blockchain-basierten Crowdinvestments würden vor allem Marktteilnehmer mit begrenzten finanziellen Mitteln zu Gute kommen. Dies könnte zu einer zunehmenden Dezentralisierung und Demokratisierung von Immobilieninvestitionen führen. Ein zentrales Management könnte durch eine sogenannte „Schwarmintelligenz“ 46 ersetzt werden. Ein weiterer bereits erprobter Anwendungsfall sind Immobilientreuhandgeschäfte. Durch den Einsatz von Smart Contracts können Treuhandgeschäfte ohne die aktive Beteiligung einer dritten Instanz durchgeführt werden. 47 Dazu wird der jeweilige Kauf- oder Kautionsbetrag auf eine sogenannte „Multisignature-Adresse“ überwiesen. Um auf dieses Guthaben zugreifen zu können werden min- destens zwei von insgesamt drei Private-Keys benötigt. Käufer und Verkäufer verfügen über je einen davon, den dritten Schlüssel erhält ein unabhängiger Vermittler. Wenn beide Vertragsparteien sich einig sind, dass keine Mängel vorliegen, übergibt der Käufer (bzw. der Vermieter) seinen Schlüssel an den Verkäufer (bzw. den Mieter), sodass dieser den ihm zustehenden Betrag abbuchen kann. Der unabhängige Vermittler muss nur im Streitfall einschreiten, um seinen Schlüssel an die Partei zu übergeben, die aus seiner Sicht im Recht ist. Da der Vermittler nur einen Schlüssel besitzt, kann er selbst nicht über das Guthaben verfügen. 48 Das kalifornische Start-up Propy hat auf diesem Weg bereits im Oktober 2017 eine erste Immobilientransaktion mithilfe der Ethereum-Blockchain abge- wickelt. Anstatt eines Anderkontos kam dabei ein Smart Contract in Form einer Multisignature-Ad- resse zum Einsatz. 49 43 REITs sind eine besondere Form von Immobilien-Aktiengesellschaften. Ihre genauen Voraussetzungen sind in Deutsch- land im REIT-Gesetz (REITG) festgelegt. In anderen Ländern gibt es häufig ähnliche Regularien (vgl. Murfeld 2014, S. 694−695). 44 Siehe: https://www.zinsland.de. 45 Siehe: https://exporo.de. 46 „Schwarmintelligenz meint den gezielten Einsatz von Fähigkeiten von Individuen und der Macht der Masse zur Lösung von Problemen und Bewältigung von Anforderungen.“ (Bendel: Schwarmintelligenz). 47 Vgl. Anand, McKibbin, Pichel, 2016, S. 7. 48 Vgl. Bitcoin Wiki 2017. 49 Die technischen Details können in dem Artikel „Technical Overview: the first real estate deal on the blockchain“ nach- gelesen werden. Siehe hierzu: https://blog.propy.com/technical-overview-the-first-real-estate-deal-on-the-blockchain- 18a34979403. 11
Marktanalyse: Blockchain-Start-ups im Immobiliensek- tor 4.3 Blockchain-Anwendungen im kaufmännischen Gebäudemanagement Auf einer Blockchain können nicht nur objektbezogene Daten, sondern auch den Mieter betreffende Informationen gesichert werden. Außerdem können Miet- und Kautionszahlungen mithilfe von Smart Contracts automatisiert werden. Dadurch können viele Prozesse in der Mietverwaltung oder im kaufmännischen Gebäudemanagement optimiert werden. Viele der Start-ups in diesem Bereich übernehmen diesbezüglich die Rolle eines zentralen Plattformbetreibers und verlangen geringe Nut- zungsgebühren. Das Start-up Popety aus Singapur bspw. nutzt bereits seit Dezember 2016 DLT in der Mietverwaltung. Jede Immobilie verfügt über eine Art eigenes „Logbuch“, das mehrere Parteien, u. a. Mieter und Vermieter, einsehen können. Hier können relevante Informationen wie bspw. Ab- nahmeprotokolle von Wohnungsübergaben oder Nachweise von durchgeführten Reparaturen in chronologischer Reihenfolge eingetragen werden. Ähnlich dem „Logbuch für Immobilienobjekte“ von Popety erstellt das Untervermietungsportal Flip einen Bericht mit finanziellen Daten und der Kreditwürdigkeit von jedem Untermieter. 50 Diese Berichte sollen das Vertrauen beider Parteien stär- ken und gleichzeitig einen Anreiz zu besserem Verhalten schaffen. Auch diese Daten werden mithilfe von Colored Coins mit der Bitcoin-Blockchain verknüpft und damit gegen Manipulation gesichert. 51 Die Immobiliengesellschaft Swiss Prime Site AG 52 hat kürzlich eine Partnerschaft mit dem Block- chain-Beratungsunternehmen inacta 53 bekannt gegeben. Laut Pressemitteilung werden bereits erfolg- reich Smart Contracts zur automatischen Abwicklung von Mietkautionsprozessen eingesetzt. „Dadurch kann der Verwaltungs- und Papieraufwand bedeutend reduziert werden.“ 54 4.4 Blockchain-Anwendungen im technischen Gebäudemanage- ment und im Energiemanagement Die meisten Blockchain-Anwendungen im technischen Gebäudemanagement ergeben sich erst in Kombination mit dem Internet der Dinge. Durch die zunehmende Ausstattung von Städten und Ge- bäuden mit intelligenten Sensoren müssen immer größere Datenmengen verarbeitet werden. „‚Mit Hilfe von Blockchain-Technologie lassen sich diese Daten effizient und sicher verwalten und als 50 Ein Musterbeispiel für einen solchen Mieterbericht ist verfügbar unter: https://cdn.vox-cdn.com/thum- bor/8C7YY0ktbzHmEGBcjNaTByulpD0=/1000x0/filters:no_upscale()/cdn.vox-cdn.com/uploads/chorus_as- set/file/4352119/unnamed_20_1_.0.png, abgerufen am 19.08.2018. 51 Vgl. Buntinx 2016. 52 Siehe: https://www.sps.swiss/de. 53 Siehe: http://inacta.ch/. 54 Vgl. Swiss Prime Site: 2017. 12
Marktanalyse: Blockchain-Start-ups im Immobiliensek- tor wichtige Rohstoffe unserer digitalisierten Welt nutzen‘, sagt Stephan Zimprich, Leiter der ‚Kompe- tenzgruppe Blockchain‘ von Eco.“ 55 Bisher ungelöste Herausforderungen von Anwendungen im Be- reich Smart Home und Smart Building sind vor allem sicherheitstechnische und datenschutzrechtli- che Bedenken. Hierbei bietet der Einsatz von Blockchain signifikante Vorteile: „Blockchain-Technologien ermöglichen authentifizierte, sichere und nachweisbare Kommunikation und Transaktionen zwischen Anlagen, Geräten und Marktteilnehmern. Auf dieser Grundlage ist eine Vollautomatisierung von Abrechnungssystemen, Vertragsmanagement und weiteren Marktprozessen technisch möglich. Dabei ermöglicht Blockchain wie keine andere Technologie vor ihr die Datensou- veränität des Endnutzers.“ 56 Ein weiterer Vorteil für den Endnutzer ist, dass in Anspruch genommene Leistungen nach dem „Pay- per-Use“-Modell abgerechnet werden können. Das Immobilienunternehmen Beos bspw. erprobt ak- tuell eine zeitgenaue Abrechnung von Parkgebühren. „In Rechnung gestellt wird also nicht mehr eine feste monatliche Miete für den Parkplatz, sondern der Betrag für die tatsächlich erfolgte Nutzung.“ 57 Großes Potenzial sieht Daniel Seifert-Ziehe, der Leiter für Digitale Transformation bei Beos, außer- dem bei der Abrechnung von Nebenkosten: „Dabei könnte die Abrechnung des Verbrauchs von Strom, Wasser und Gas direkt zwischen Nutzer und Versorger erfolgen, sodass der Vermieter keine entsprechenden Verträge mehr abschließen müsste.“ 58 Auch Christian Schulz-Wulkow, Real Estate Market Segment Leader für Deutschland, Österreich und die Schweiz bei Ernst & Young, geht davon aus, dass die Kombination von Blockchain und IoT „die genaue Erfassung von Mietraumnutzung, Medien (Strom, Wasser, Wärme, Konnektivität) und […] somit eine vollautomatische, minutenge- naue Abrechnung“ 59 ermöglicht. Einhergehend mit einer papierlosen und manipulationssicheren Do- kumentation der Verbrauchsdaten könnte dies enorme Effizienzgewinne im technischen Gebäude- management ermöglichen. In Kombination mit weiteren smarten Geräten und Sensoren könnte Blockchain außerdem eine Schlüsselfunktion bei der Generierung und Verwertung von gebäudebe- zogenen Daten einnehmen. Das Start-up slock.it aus Mittweida arbeitet zurzeit an einer Blockchain- Plattform für das Internet der Dinge und die Sharing Economy. Ziel des sogenannten Universal Sha- ring Network (USN) ist es, ein finanzielles Internet für „Smarte Objekte“ (Haushaltsgeräte, Maschi- nen, Sensoren, 3D-Drucker, Fahrzeuge etc.) zu schaffen. Jeder mit dem Internet verbundene Gegen- stand könnte über ein eigenes Konto mit einem Guthaben an Kryptowährung verfügen. Mithilfe von Smart Contracts sollen einzelne Objekte eigenständig miteinander interagieren und Transaktionen durchführen können. 60 Durch den Einsatz von Smart Contracts könnten außerdem sowohl während der Bau- als auch während der Nutzungsphase Prozesse automatisiert werden. Anwendungen in den Bereichen Smart Building und Construction Monitoring sind zwar bei nur jeweils drei der untersuch- ten Start-ups vorgesehen. Es gibt jedoch zahlreiche weitere Blockchain-Projekte, die sich mit An- wendungen im Bereich IoT oder Energiemanagement befassen und damit nicht in diese Marktana- lyse eingegangen sind. Eines der bekanntesten Pilotprojekte wurde im New Yorker Stadtteil 55 Kern 2017. 56 Blockchain Bundesverband 2017, S. 13. 57 Hunziker 2017, S. 30. 58 Hunziker 2017, S. 30. 59 Rodeck, Schulz-Wulkow, Bauer, Graf-Abersfelder, Kremer 2017, S. 70−71. 60 Vgl. slock.it: Autonomous Objects. 13
Marktanalyse: Blockchain-Start-ups im Immobiliensek- tor Brooklyn von Siemens Digital Grid und LO3 Energy durchgeführt. Der Brooklyn Microgrid 61 er- möglicht es Nachbarn, eigens erzeugten Solarstrom untereinander in einem P2P-Netz auszutauschen. Durch den Einsatz von Blockchain kann dabei jede einzelne Transaktion dokumentiert werden. 62 Überschüssige Kapazitäten können dadurch besser verteilt und u. a. zum Aufladen von Elektroautos genutzt werden. Der Blockchain Bundesverband sieht großes Potenzial in solchen dezentralen Ener- gienetzen und fordert, ein ähnliches Projekt auch in Deutschland durchzuführen. 63 4.5 Blockchain-Anwendungen im Bereich der Sharing Economy Der Grundgedanke von Blockchain ist, dass nicht nur bestimmte Personengruppen, sondern wirklich jeder sich daran beteiligen kann. Dies macht die Technologie besonders interessant, um innovative Geschäftsmodelle im Bereich der Sharing Economy zu realisieren. Die Start-ups Lockchain, Crypto BnB und REALT haben sich z. B. zum Ziel gesetzt, eine dezentrale Version von Airbnb zu entwi- ckeln. Der wesentliche Unterschied zu bereits bestehenden Onlineportalen ist, dass direkte Transak- tionen zwischen zwei Vertragsparteien ohne externe Kontrolle möglich sind. Dies ist sowohl bei kurzfristigen als auch bei längerfristigen Mietverhältnissen interessant. Derartige Plattformen könn- ten als Non-Profit-Organisationen konzipiert werden und würden somit allein durch deren Nutzer getragen. Zudem besteht durch den Einsatz von Token die Möglichkeit, gezielte Anreize für die Nutzer solcher Plattformen zu schaffen. Auch das Institut für Innovation und Technik (iit) sieht für Blockchain großes Potenzial bei digitalen Plattformen. „Damit können bei sinkenden Kosten mehr und komplexere Transaktionen […] abgewickelt werden.“ 64 Ein weiteres Beispiel für die mögliche Dezentralisierung von digitalen Plattformen sind die in den USA weit verbreiteten Multiple Listing Services. MLS werden von mehreren Immobilienmaklern genutzt, um Objektdaten miteinander zu teilen, sodass jeder einzelne Makler auf ein größeres Portfolio von Immobilien zurückgreifen kann. Ein MLS ist also nichts anderes als eine Art verteilte Datenbank. Aufgrund dieser Eigenschaft kann auch hier der Einsatz von Blockchain durchaus sinnvoll sein. Das Start-up REX zeigt auf, wie MLS mithilfe von Blockchain weiterentwickelt werden können. REX hat sich zum Ziel gesetzt, eine de- zentrale Plattform zum Austausch von Informationen für die gesamte Immobilienbranche zu entwi- ckeln. Dieser Online-Immobilienmarktplatz soll es ermöglichen, Objektdaten direkt mit anderen Nutzern zu teilen und zu handeln. Zusätzlich sollen auch lokale Marktdaten, Analysen, Trends und Berichte in die Plattform eingespeist werden, um einen zusätzlichen Layer an Informationen zur Verfügung zu stellen. Dadurch soll die bisher sehr aufwendige Recherchearbeit beim Immobilien- kauf stark verkürzt werden. Im Endeffekt sollen alle relevanten Informationen zu einer Immobilie in einem einzigen Portal ersichtlich sein. 65 61 Siehe: http://brooklynmicrogrid.com/. 62 Vgl. Siemens 2017. 63 Vgl. Blockchain Bundesverband 2017, S. 43−44. 64 Engelhardt, Wangler, Wischmann 2017, S. 6. 65 Vgl. ebd. 14
Schlussbetrachtungen 5 Schlussbetrachtungen Um realistische Aussagen über die Anwendbarkeit von Blockchain-Technologie treffen zu können, muss man die Wechselbeziehungen zu anderen Technologien berücksichtigen. Die vier Technolo- gien, die sicherlich am engsten mit Blockchain zusammenhängen, sind Big Data, Cloud Computing, IoT und AI. 66 Häufig werden diese Technologien in der Praxis gemeinsam mit Blockchain eingesetzt, da deren Kombination für synergistische Effekte sorgt und sich so erst das vollständige Potenzial dieser Technologien ausschöpfen lässt. Blockchain sollte daher nicht isoliert, sondern im gesamten Kontext des technologischen Fortschritts betrachtet werden. 5.1 Entwicklungsausblick Zurzeit ist es noch sehr schwierig, exakte zeitliche Prognosen zum Einsatz von Blockchain in der Immobilienbranche zu treffen. Die Meinungen zu diesem Thema unterscheiden sich teilweise deut- lich. Die Fraunhofer-Gesellschaft kommt in ihrem Blockchain-Positionspapier zu folgendem Schluss: „Es fehlt der Technologie aktuell noch an Infrastrukturen für den jeweiligen Einsatz, an adäquaten Kapazitäten, der Skalierbarkeit und kurzen Reaktionszeiten, einem stimmigen Gover- nance-Modell und dem entsprechenden Rechtsrahmen.“ 67 Ragnar Lifthrasir, Gründer der Internatio- nal Blockchain Real Estate Association, rechnet trotzdem schon bald mit dem Durchbruch von Blockchain in der Immobilienbranche. „2017 ist das Jahr, in dem die Immobilienwirtschaft beginnt, sich die Blockchain zu eigen zu machen.“ 68 Auch Viktor Weber, Gründer und Leiter des Future Real Estate Institute, ist optimistisch: „Es steht außer Frage, dass eine mittelfristige Implementierung in der Immobilienwirtschaft, aber auch darüber hinaus, Einzug finden wird.“ 69 In Anbetracht der zahl- reichen ICO-Projekte im Immobilienbereich erscheinen diese Aussagen durchaus gerechtfertigt. Ak- tuell könnte sich aber die Geschichte der Dotcom-Spekulationsblase Anfang der 2000er-Jahre mit Blockchain wiederholen. In den Medien wird momentan immer öfter von der „Krypto-Blase“ ge- sprochen. 70 Die zum Teil massiven Kursverluste bei vielen Kryptowährungen seit dem Allzeithoch zum Ende des Jahres 2017 sind ein deutliches Indiz dafür, dass der Hype um die Blockchain-Tech- nologie seinen Gipfel bereits überschritten hat. Dennoch bedeutet dies nicht, dass die Entwicklung der Technologie nicht weiter vorangetrieben werden kann. Schließlich ist auch das Internet, nach dem Platzen der Dotcom-Blase nicht einfach wieder verschwunden, sondern hat sich danach noch beachtlich weiterentwickelt und damit unseren Alltag nachhaltig verändert. 66 Weitere für die Immobilienbranche relevante Technologien, die an dieser Stelle nicht näher erläutert werden, sind Aug- mented und Virtual Reality sowie Building Information Modelling. 67 Fraunhofer 2017, S. 5. 68 Hunziker 2017, S. 31. 69 Weber 2016. 70 Vgl. Dohms 2017. 15
Schlussbetrachtungen Abbildung 3: Gartner Hype Cycle for Emerging Technologies (Gartner 2017) Der Hype-Zyklus wurde vom Marktforschungsunternehmen Gartner entwickelt, um zu veranschau- lichen, welche Phasen eine neue Technologie nach ihrer Einführung typischerweise durchläuft. An- fangs kommt es meist zu übertriebenen Erwartungen, während die Technologie noch gar nicht markt- reif ist. Sobald diese Diskrepanz offensichtlich wird, flacht der Hype sehr schnell wieder ab. An- schließend schreitet die Weiterentwicklung der Technologie trotzdem kontinuierlich solange voran, bis das sogenannte „Plateau der Produktivität“ erreicht wird. Laut Gartner hat Blockchain den „Gip- fel der überzogenen Erwartungen“ im Juli 2017 bereits deutlich überschritten und steht kurz davor, in das „Tal der Enttäuschungen“ einzutreten. Gartner prognostiziert, dass Blockchain erst in fünf bis zehn Jahren das „Plateau der Produktivität“ erreichen wird. Der kürzliche Einbruch insbesondere im Bereich der ICO-Projekte sollte allerdings positiv gesehen werden, da es sich hierbei um einen na- türlichen, immer wiederkehrenden Prozess handelt, der langfristig zu einer nachhaltigeren Entwick- lung führt. Bei einer Umfrage im Rahmen der zweiten Digitalisierungsstudie von ZIA und EY Real Estate waren viele Akteure in der Immobilienbranche aber noch sehr vorsichtig, was den Einsatz von Blockchain angeht. Nach Aussage der über 300 befragten Mitarbeiter von privatwirtschaftlichen und öffentlichen Unternehmen im Immobilienbereich ist Blockchain im Vergleich zu den anderen unter- suchten Technologien noch am weitesten von der Praxistauglichkeit entfernt. Bis zur vollständigen Marktreife sollen noch etwa zehn Jahre vergehen. 71 Langfristig sehen die Befragten aber großes Po- tenzial bei der Immobilienfinanzierung und bei Prozessen und Dienstleistungen, die mit dem Verkauf 71 Vgl. Abbildung 4. 16
Schlussbetrachtungen von Immobilien in Verbindung stehen. 72 Da es bisher nur wenige direkte Untersuchungen dieser Art in der Immobilienbranche gibt, ist es hilfreich, allgemeine Einschätzungen oder solche aus anderen Wirtschaftssektoren als Vergleich heranzuziehen. Bei einer Umfrage des Weltwirtschaftsforums prognostizierten 58 % der befragten Experten, dass im Jahr 2025 zehn Prozent des weltweiten Brut- toinlandsprodukts mit Blockchain-Technologie abgebildet werden. Sogar 73 % gehen davon aus, dass Blockchain spätestens ab 2023 zum Einziehen von Steuern genutzt werden wird. 73 Bei einer Potenzialanalyse von Sopra Steria und YouGov schätzten nur sieben Prozent der Teilnehmer Block- chain als marktreif ein. 47 % dagegen halten Blockchain bisher noch für eher experimentell, aber hoffen, damit „wertvolle Erfahrungen für die Zukunft [zu] sammeln“ 74. Allerdings gaben 61 % der Befragten an, dass sie davon ausgehen, dass Blockchain-Technologie in den nächsten fünf Jahren mehr als nur geringe Auswirkungen auf ihre jeweilige Branche haben wird. Unter den Personen, die sich schon näher mit Blockchain befasst haben, lag dieser Wert sogar bei 71 %. 75 Abbildung 4: Blockchain Adoptionskurve (Accenture 2015, S. 5) Das Beratungsunternehmen Accenture hat bereits im Jahr 2015 eine detaillierte Prognose für die Adoption von Blockchain im Finanzsektor abgegeben. Im Vergleich mit aktuellen Ereignissen er- scheint diese Beurteilung bisher durchaus zutreffend. Sie deckt sich außerdem mit der Einschätzung von Moritz Gerdes von der comdirect bank AG: 72 Vgl. Rodeck, Schulz-Wulkow, Bauer, Graf-Abersfelder, Kremer 2017, S. 12. 73 Vgl. World Economic Forum 2015, S. 7. 74 Sopra Steria Consulting 2017, S. 21. 75 Vgl. ebd. S. 31. 17
Schlussbetrachtungen „2020 werden dann die ersten Distributed-Ledger-Anwendungen unter Effizienzgesichtspunkten pro- duktiv eingesetzt sein und ab 2025 werden einige der Wertschöpfungsketten durch die Blockchain- Technologie und neue Geschäftsmodelle enorm verändert.“ 76 Ein ähnlicher Verlauf könnte auch für die Immobilienbranche angenommen werden. Die Finanz- branche hat jedoch einen gewissen Vorsprung, da sie zuallererst begonnen hat, sich mit Blockchain- Technologie auseinanderzusetzen. Zudem sollte berücksichtigt werden, dass die meisten Projekte und Prozesse in der Immobilienwirtschaft über relativ lange Zeiträume stattfinden. Da dies die Im- plementierung von neuen Technologien verlangsamt, ist davon auszugehen, dass die Adoption erst mit einer zeitlichen Verzögerung eintreten wird. Damit Blockchain sich zu mehr als nur einer Ni- schenanwendung in der Immobilienbranche entwickeln kann, müssen noch viele Hürden gemeistert werden. Das langfristige Potenzial ist aber trotzdem immens. Ragnar Lifthrasir kommt diesbezüglich zu folgender Schlussfolgerung: „Digitizing real estate assets with blockchain has far reaching implications, some that will be realized immediately and other over several years. These include lowered dependency on third parties, greater liquidity, increased ownership transparency, decreased fraud, shorter escrow periods, and lower clos- ing costs.“ 77 Auch Lewis Cohen von Hogan Lovells ist optimistisch: „I do believe that in the fullness of time, we’ll see real estate in the U.S. all recorded and tracked in some distributed ledger system“ 78. 5.2 Handlungsempfehlungen für die öffentliche Hand „Die Politik kann durch gezielte Maßnahmen Zeichen setzen, die die internationale Anziehungs- kraft des Innovationsstandorts Deutschland entscheidend erhöhen.“ 79 Um illegale Nutzungen (bspw. Geldwäsche) einzuschränken und die Entwicklung von Blockchain in eine nachhaltigere Richtung zu lenken, bedarf es definitiv mehr Regulierung durch die einzelnen rechtsstaatlichen Institutionen. Ein komplettes Verbot von ICOs oder Kryptowährungen würde aber dazu führen, dass Start-ups in andere Länder mit vorteilhafteren Bedingungen wie Singapur oder die Schweiz abwandern. Damit würde die Chance, wirklich sinnvolle Projekte zu fördern, vertan. Es sollten also beherzte regulatorische Maßnahmen ergriffen werden, die nicht jede Innovation im Keim ersticken, aber dennoch einen eindeutigen Rechtsrahmen für alle Beteiligten schaffen. Private Un- ternehmen brauchen klare Vorgaben, nach denen sie sich richten können. Anhaltende Rechtsunsi- cherheiten verzögern die Umsetzung von möglichen Blockchain-Anwendungen. 80 Von sinnvollen Regulierungsmaßnahmen können alle Beteiligten nur profitieren. Die Staaten, die als erste Klarheit über die Regulierung von Blockchain-Technologie schaffen, haben die besten Argumente, um inter- nationale Start-ups anzulocken. Der Blockchain Bundesverband hat aus diesem Grund bereits ein 76 Erle 2017. 77 Lifthrasir 2017b. 78 Melendez 2017. 79 Blockchain Bundesverband 2017, S. 6. 80 Vgl. ebd. S. 17. 18
Sie können auch lesen