RECHTLICHE ASPEKTE DER BESTATTUNG IM FRIEDWALD
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Eingereicht von DI Herwig Schüssler Angefertigt am Institut für Kanonistik, Europäische Rechtsgeschichte und Religionsrecht RECHTLICHE ASPEKTE Beurteiler / Beurteilerin DER BESTATTUNG IM Univ. Prof. DDr. Herbert Kalb FRIEDWALD Mitbetreuung Dr.in Angelika Grobner September 2021 Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Graz, im September 2021 DI Herwig Schüssler ANMERKUNG Ich möchte vermerken, dass sich aus Gründen der besseren Lesbarkeit alle in dieser Arbeit vorkommenden personenbezogenen Bezeichnungen auf Frauen und Männer gleichermaßen beziehen und somit die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll. 2
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 5 1.1 Bestattung im Wald 5 1.2 Motivation zur Themenwahl 5 2 Bestattung im Friedwald 6 2.1 Feuerbestattung 7 2.1.1 Rechtliche Grundlagen der Feuerbestattung 7 2.1.2 Urnenbestattung in der Steiermark 8 2.1.3 Naturbestattungen und Bestattung außerhalb von Friedhöfen 9 2.2 Regelungen zur Urnen- und Naturbestattung der Religionsgemeinschaften 10 2.2.1 Kremation im Christentum 13 2.2.2 Glaubensgemeinschaften, die Feuerbestattung nicht gestatten 15 2.2.3 Urnen- und Naturbestattung in anderen Glaubensgemeinschaften 15 3 Friedwald in der Raumplanung 16 3.1 Friedwald in der Flächenwidmung 16 3.1.1 Rechtliche Grundlagen in der Raumplanung 18 3.1.2 Behördenzuständigkeit und Genehmigungsverfahren 18 3.2 Antragstellungs- und Widmungsverfahren 19 3.2.1 Parteistellung, Bürgerbeteiligung 20 3.2.2 Konkreter Ablauf eines Flächenwidmungsverfahrens für einen Waldfriedhof 21 4 Forstrechtliche und forstwirtschaftliche Fragestellungen bei der Nutzung von Wald als Bestattungsort 22 4.1 Rodungsverfahren 23 4.1.1 Rodungszweck 26 4.1.2 Dauernde und befristete Rodung für den Betrieb eines Friedwaldes 26 4.2 Forstwirtschaftliche Nutzung im Friedwald 27 4.2.1 Pflegemaßnahmen 28 4.2.2 Sicherheitsanforderungen 29 4.2.3 Forst- und Baumschutzmaßnahmen 30 5 Jagd-, Wasser- und Naturschutzrechtliche Rahmenbedingungen 31 5.1 Verbot der Jagdausübung auf Friedhöfen 32 5.1.1 Minderung des Jagdwertes 32 3
5.1.2 Jagdrechtliche und wildökologische Folgen des Verbotes der Jagdausübung 33 5.2 Wasserrechtliche Bewilligung von Friedhöfen 34 5.3 Bezug zum Natur- und Landschaftsschutz, Alpenkonvention 36 5.3.1 Relevante naturschutzrechtliche Bestimmungen in der Steiermark 36 5.3.2 Alpenkonvention 37 6 Wirtschaftliche Grundlagen für das Betreiben eines Friedwaldes 38 6.1 Gewerbeberechtigung für das Bestattungsgewerbe 38 6.2 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen für das Betreiben eines Friedwaldes 39 7 Abkürzungsverzeichnis 41 8 Abbildungsverzeichnis 43 9 Literaturverzeichnis 44 9.1 Quellen außerhalb der Gesetztestexte ohne Autor 45 9.2 Internetquellen 47 4
1 Einleitung Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen der Mitmenschen. (Albert Schweitzer) 1.1 Bestattung im Wald Ob es der Gedanke von Albert Schweitzer ist, ökonomische, ökologische oder andere Gründe sind, es gibt besonders im urbanen Raum einen Trend zur Feuerbestattung. Im Jahr 2005 gab es in Graz circa 50 Prozent Feuerbestattungen, 2010 stieg der Anteil dieser Bestattungsart auf etwa 67 Prozent. 2010 war der Anteil der Feuerbestattungen in der übrigen Steiermark etwas mehr als ein Drittel (34 Prozent).1 2021 beträgt der Anteil der Feuerbestattung in Österreich über 40%. Die Tendenz ist steigend.2 Die Formen der Bestattung sind durch die Entwicklung der letzten Jahre vielfältig, unter fast 30 Formen kann ausgewählt werden, die Varianten umfassen die Einarbeitung der Leichenasche in ein Amulett oder einen Diamanten, das Verstreuen derselben auf Almen, Wiesen, der hohen See oder die Beisetzung in einem Gräberfeld der Anhänger eines bestimmten Fußballclubs.3 Eine dieser Bestattungsformen ist die Bestattung im Wald, diese soll ins Zentrum dieser Arbeit gerückt werden. 1.2 Motivation zur Themenwahl Ich lebe in Graz und bin als Forstwirt in der Landesforstdirektion Steiermark als Referent für Forstliche Raumplanung beschäftigt. Die Verzahnung von raumrelevanten Rechtsfragen im Wald treten bei der Bestattung im Wald besonders konzentriert auf und interessieren mich. In der Nähe meines Zweitwohnsitzes konnte ich die Entstehung des FriedWaldes®4 Schöcklland beobachten und auch die Familie eines Freundes bei dessen Bestattung dort begleiten. 1 Vgl Hübner, Transformationen in der steirischen Funeralkultur, 4. 2 Vgl https://www.bestattungsinfo.at/bestattungsarten/feuerbestattung-in-oesterreich/ (26.7.2021). 3 Vgl Groß/Tag/Schweikardt, Who wants to live forever?, 11. 4 FriedWald® ist ein eingetragenes Markenzeichen, https://www.friedwald.at/impressum (27.7.2021). 5
Als Pfarrgemeinderat in der Pfarre St. Leonhard, die über einen innerstädtischen Friedhof mit langer Tradition verfügt, interessiert es mich, wie die neuen Bestattungsformen – im Speziellen die Baumwurzelbestattung – von den unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften angenommen und kommentiert werden. Mein Lebensmittelpunkt ist Graz, weshalb in dieser Arbeit in erster Linie die landesgesetzlichen Bestimmungen der Steiermark betrachtet werden. 2 Bestattung im Friedwald Historisch betrachtet findet man nicht nur die Erdbestattung, sondern auch die Feuerbestattung. Die Vielzahl an Bestattungsvarianten wird erst durch die Feuerbestattung möglich.5 Diese „Pluralisierung der Bestattung“ unterstreicht allgemeine gesellschaftliche Individualisierungstendenzen und ist als Ausdruck eines „postmortalen Gestaltungswillens“ zu qualifizieren, es steht auch für ein Zeichen einer persönlichen Erinnerungsvorsorge.6 Die Kremation der Verstorbenen stellt die physische Voraussetzung für diese Vielzahl der Bestattungsvarianten dar, gleichzeitig wird aber auch ein Auseinanderdriften von Bestattungs- und Erinnerungsort begünstigt.7 Dieser Trend bildet sich auch in der Bestattungsstatistik ab, die eine stetige Zunahme der Feuerbestattung bestätigt. (Abb.1) Abb 1: Feuerbestattung in Österreich (www.benu.at, 13.7.2021) 5 Vgl Hübner, Transformationen in der steirischen Funeralkultur, 15. 6 Vgl Groß/Tag/Schweikardt, Who wants to live forever?,12. 7 Vgl Fischer, Neue Inszenierung des Todes, 132. 6
Naturbestattungen fallen unter den Überbegriff der „alternativen Bestattungsformen“. Man versteht darunter jene Bestattungsformen, die nicht einer traditionellen Beisetzung, insb in einem Erdgrab oder einer Urnennische auf einem traditionellen Friedhof entsprechen. Eine Besonderheit der Naturbestattungen ist, dass sie zusätzlich zur Abweichung zur Tradition eine starke ökologische Komponente beinhalten und immer auch die Kremation der verstorbenen Person voraussetzen. Eine Baumwurzelbestattung im Friedwald ist immer auch eine Feuerbestattung.8 2.1 Feuerbestattung Als Bestattungsarten sehen die neun (Landes-) Leichenbestattungsgesetze die Erdbestattung und die Feuerbestattung vor.9 Die Einäscherung von Leichen wird als Feuerbestattung bezeichnet. Eine solche Einäscherung darf nur in Feuerbestattungsanlagen (Krematorien) stattfinden.10 Die Aschenreste der eingeäscherten Leiche sind in ein dicht schließendes Behältnis (Urne) aufzunehmen.11 Die Urne muss mit den Daten des Verstorbenen gekennzeichnet werden.12 2.1.1 Rechtliche Grundlagen der Feuerbestattung „Gem Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG ist das ‚Gesundheitswesen mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens‘ in Gesetzgebung und Vollziehung Sache des Bundes. Daraus folgt, dass das Leichen- und Bestattungswesen gem Art 15 Abs 1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit der Länder fällt. Zum Leichen- und Bestattungswesen als Teil des Gesundheitswesens gehören jedenfalls Regelungen über die hygienisch einwandfreie Bestattung der Leichen, die Verpflichtung zur Bestattung am Sterbeort innerhalb einer bestimmten Frist, die Festlegung der Art der Bestattung (Erdbestattung oder Feuerbestattung) und über die Voraussetzungen der Bestattung (zB nach erfolgter Totenbeschau oder Obduktion)“.13 In allen neun unterschiedlichen Landesgesetzen finden sich abweichende Normen zum Leichenwesen und den Bestattungsanlagen der Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich. In den meisten Bundesländern sind die Gemeinden von der allgemeinen Versorgungspflicht nur dann ausgenommen, wenn eine andere (juristische) Person oder religiöse Gemeinschaft eine 8 Vgl Gartner-Müller, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht im Wandel, 505. 9 § 20 Abs 1 Bgl Leichen- und BestattungswesenG; § 13 Abs 1 Ktn BestattungsG; § 12 Abs 1 Nö BestattungsG; § 17 Abs 1 Oö LeichenbestattungsG; § 14 Sbg Leichen- und BestattungsG; § 16 Abs 1 Stmk LeichenbestattungsG; § 23 Abs 1 Vbg BestattungsG; § 19 Abs 4 Wr Leichen- und BestattungsG. 10 § 22 Abs 1 Bgl Leichen- und BestattungswesenG; § 16 Abs 1 Nö BestattungsG; § 20 Abs 1 Oö LeichenbestattungsG; § 20 Abs 1 Sbg Leichen- und BestattungsG; § 22 Abs 1 Stmk LeichenbestattungsG; § 47 Abs 1 Tir GemeindesanitätsdienstG; § 25 Abs 1 Vbg BestattungsG. 11 § 23 Abs 1 Bgl Leichen- und BestattungswesenG; § 23a Abs 1 Ktn BestattungsG; § 16 Abs 4 Nö BestattungsG; § 20 Abs 3 Oö LeichenbestattungsG; § 23 Abs 1 Stmk LeichenbestattungsG; § 30 Abs 4 Wr Leichen- und BestattungsG. 12 Vgl Mayer, Umgang mit der Leiche, 159. 13 Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 101. 7
Bestattungsanlage im Gemeindegebiet betreibt und für die Gemeindebevölkerung dadurch im ausreichenden Maß vorgesorgt ist. Die Bedarfsdeckung einer Nachbargemeinde befreit in der Steiermark und im Burgenland von der Verpflichtung zur Errichtung und Erhaltung einer Bestattungsanlage, in Niederösterreich reicht der Betrieb einer kommunalen Bestattungsanlage durch Gemeindeverbände, sofern wiederum der Bedarf abgedeckt wird.14 Eine bloß demonstrative Aufzählung der Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches enthält Art 118 Abs 3 B-VG; das bedeutet, dass auch eine hier nicht genannte Angelegenheit in den eigenen Wirkungsbereich fällt, wenn die Kriterien des Abs 2 erfüllt sind. Es muss Art 118 Abs 2 B- VG immer dann herangezogen werden, wenn nach Art 118 Abs 3 B-VG die Grenzen der Begriffe nicht scharf gezogen werden können. Auf „behördliche Aufgaben“ bezieht sich die Aufzählung des Art 118 Abs 3 B-VG; die in den Z 1–11 genannten Aufgaben stellen daher solche der Hoheitsverwaltung dar. Maßnahmen zur Abwehr lokaler Gesundheitsgefährdungen werden durch die örtliche Gesundheitspolizei (Art 118 Abs 3 Z 7 B-VG) erfasst, ebenso die Vollziehung der RettungsG und der LeichenbestattungsG der Länder.15 Im Zuge der Novellierung des Stmk LeichenbestattungsG16 wurden in der Stmk 2010 bewusst Fragen alternativer Bestattungsformen eingearbeitet. § 1 Z 3 Stmk LeichenbestattungsG definiert Bestattungsanlagen als Friedhöfe, Feuerbestattungsanstalten, Urnenhallen und Urnenhaine sowie Anlagen, die dem Vergraben oder Verstreuen der Asche von Verstorbenen dienen. In weiterer Folge regelt § 24 leg cit Formen bzw Modalitäten von Naturbestattungen, ohne dass diese ausdrücklich als solche bezeichnet werden: Nach § 24 Abs 1 Stmk LeichenbestattungsG sind die Aschereste einer eingeäscherten Leiche in einem „den sanitätspolizeilichen“ Erfordernissen entsprechenden Behältnis (Urne) aufzubewahren. Es wird auch festgelegt, dass das Vermischen der Aschereste mehrerer Leichen verboten ist. In § 24 Abs 5 Stmk LeichenbestattungsG ist eine Ausnahme für das Verbot der Vermischung für das Vergraben oder Verstreuen der Asche vorgesehen. Soll die Urne einer Erdbestattung zugeführt werden, normiert § 24 Abs 1 S 3 Stmk LeichenbestattungsG, dass die Urne aus verrottbarem Material zu bestehen hat.17 2.1.2 Urnenbestattung in der Steiermark Urnen müssen gem § 24 Abs 3 Stmk LeichenbestattungsG auf einem Friedhof, einem Urnenhain oder in einer Urnenhalle beigesetzt oder verwahrt werden. Aschereste (Urne) dürfen mit Bewilligung der Gemeinde des Ortes, an dem die Urne beigesetzt bzw verwahrt werden soll, auch außerhalb eines Friedhofes, eines Urnenhaines oder einer Urnenhalle beigesetzt bzw verwahrt 14 Vgl Schürz, Haftet die Gemeinde für Unfälle auf Friedhöfen?, 236. 15 Vgl Muzak, B-VG6, Art 118. 16 Gesetz vom 6. Juli 2010 über die Bestattung von Leichen (Steiermärkisches Leichenbestattungsgesetz 2010), LGBl 78/2010 idF LGBl 54/2019. 17 Vgl Gartner-Müller, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht im Wandel, 511. 8
werden. Wenn mit Sicherheit erwartet werden kann, dass die Bewilligung nicht missbraucht wird und die beabsichtigte Beisetzungs- bzw Verwahrungsart nicht gegen Anstand und gute Sitten verstößt, ist diese zu erteilen. In dem Fall, dass die Urne verwahrt (und nicht beigesetzt) werden soll, hat die Bewilligungsbehörde durch Auflagen den pietätvollen Umgang mit der Urne, insb im Falle eines Besitzerwechsels zu gewährleisten. Nach § 24 Abs 5 Stmk LeichenbestattungsG ist das Vergraben oder Verstreuen der Asche von Verstorbenen nur in dafür genehmigten Bestattungsanlagen zulässig. Die Bestimmungen über die Vermischung von Ascheresten bzw deren Verwahrung in Urnen sind hier nicht anzuwenden.18 2.1.3 Naturbestattungen und Bestattung außerhalb von Friedhöfen Naturbestattungen sind derart gestaltet, dass die Asche entweder im Rahmen einer Baumbestattung in einer biologisch abbaubaren Urne im Wurzelbereich eines Baumes begraben oder, sofern dies aus öffentlich-rechtlicher Sicht zulässig ist, ausgestreut wird.19 „In Österreich herrscht grundsätzlich Bestattungspflicht, wobei die Bestattung nur in einer behördlich genehmigten Bestattungsanlage durchgeführt werden darf (‚Friedhofszwang‘)“.20 Als Bestattungsanlagen werden Friedhöfe, Feuerbestattungsanlagen, Urnenhallen und Urnenhaine bezeichnet. Grundsätzlich muss der Leichnam des Verstorbenen daher auf einem Friedhof, einem Urnenhain oder in einer Urnennische beigesetzt werden. An einem anderen als den genannten Orten ist die Bestattung der Leiche nur dann gestattet, wenn dies von Gesetzes wegen ausdrücklich für zulässig erklärt wird. Unter einem Friedhof ist regelmäßig eine als solche ausdrücklich gewidmete, (durch eine entsprechende Einfriedung auch äußerlich sichtbar) abgegrenzte Fläche zu verstehen, die der Bestattung Verstorbener dient.21 Die am häufigsten anzutreffende Naturbestattungsform bildet die sogenannte Baumbestattung. Das Konzept der Baumbestattung stammt, soweit ersichtlich, aus der Schweiz, wo 1999 in Mammern, im Karton Thurgau, die wahrscheinlich erste Baumbestattungsanlage unter der Bezeichnung „FriedWald®“ errichtet wurde.22 Der Begriff „FriedWald“ ist seit Längerem auch markenrechtlich geschützt23 und die „FriedWald GmbH“ zählt in Deutschland und der Schweiz neben dem Unternehmen „Ruheforst“ zu den „Hauptvermarktern“ von Baumbestattungen.24 Im Hinblick auf die (nunmehr) fehlende Unterscheidungskraft wurde vergleichbaren Angeboten für 18 Vgl Gartner-Müller, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht im Wandel, 511 f. 19 Vgl Walzel von Wiesentreu, Die Bestattung des menschlichen Leichnams, 630. 20 Kalb/Potz/Schinkele, Religionsrecht, 207. 21 Vgl Walzel von Wiesentreu, Die Bestattung des menschlichen Leichnams, 631. 22 Näher hierzu Rüter, Friedwald. Waldbewusstsein und Bestattungskultur, 48 f. 23 Näher hierzu Köster/Schulz, DÖV, 366. 24 Fischer, Neue Inszenierung des Todes, 131. 9
Urnenbestattungen in der Natur, die unter der Bezeichnung „Ruhwald“ oder „Ruheberg“ markenrechtlichen Schutz für ihre Dienstleistung in Deutschland beantragten, dieser hingegen nicht gewährt.25 Im Rahmen einer Baumbestattung wird die Totenasche im Wurzelbereich eines Baumes eingebracht. Das Konzept „FriedWald“ schreibt die Verwendung von (biologisch abbaubaren) Urnen nicht zwingend vor, es ist aber in Österreich aufgrund der entsprechenden landesgesetzlichen Bestimmungen, die in der Regel die Verwahrung der Leichenasche in einer Urne vorschreiben26, notwendig. Die Baumbestattung kann entweder in eigenen Bestattungswäldern oder in bestehenden Friedhöfen durchgeführt werden.27 Baumbestattungen werden u.a. in der Muster-Friedhofsordnung 2014 für die Diözese Graz- Seckau in § 5 lit e definiert: „Baumbestattungen sind Beisetzungen der Asche in verrottbarem Material rund um die Wurzeln eines Baumes (oder unter den Wurzeln eines Wunschbaumes je nach Platzgegebenheiten). Unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten können einzelne Urnenplätze oder aber auch mehrere Plätze an einem Baum erworben werden. Eine Wiederbelegung kann nach 10 Jahren erfolgen. Die Anbringung eines individuellen Grabdenkmals/Grabschmucks auf diesem Platz ist nicht möglich.“28 2.2 Regelungen zur Urnen- und Naturbestattung der Religionsgemeinschaften Um die Bedeutung der Urnen- und Naturbestattungen für die Menschen besser einordnen zu können, ist es sinnvoll, die Beziehung der Religionsgemeinschaften zur Urnenbestattung – und damit auch zur Naturbestattung – zu untersuchen. Es gibt historisch betrachtet eine starke religiöse Prägung von Bestattungen und den damit verbundenen Riten. Es wandelte sich die Bestattungskultur durch gesellschaftliche Veränderungen, die zunehmende Bedeutung ökologischer Überlegungen und auch durch den Trend zur individuellen Anpassung der Bestattung an die verstorbene Person.29 Das Bestattungs- und Friedhofswesen ist ungeachtet der Tatsache, dass die Ermöglichung einer würdigen Totenbestattung als öffentliche und damit staatliche Aufgabe verstanden wird, eng mit religiösen Vorstellungen verwoben. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass in vielen Kulturkreisen die würdevolle, den jeweiligen religiösen Geboten und Ritualen entsprechende Bestattung der Toten als religiöse Pflicht empfunden wird30, und deren ordnungsgemäße 25 Dt BPatG 30. 06. 2011, 30 W (pat) 96/10 („Ruhwald“) = BeckRS 2011, 22326; 09. 07. 2009, 30 W (pat) 14708 („Ruheberg“) = BeckRS 2009, 26938. 26 § 24 Abs 1 Stmk LeichenbestattungsG. 27 Vgl Gartner-Müller, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht im Wandel, 507. 28 Kirchliches Verordnungsblatt für die Diözese Graz-Seckau, Nr I, (2014), Muster-Friedhofsordnung, 3. 29 Vgl Obereder, Moderne Formen der Urnenbeisetzung, RFG 2018/15, 84. 30 Vgl Gaedke, Handbuch12, 1. 10
Durchführung in Zusammenhang mit dem „Seelenheil“ der Verstorbenen gebracht wird. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Sorge für die Totenbestattung in Europa bis zum Ende des 18. Jh als eine prinzipiell kirchliche Angelegenheit angesehen wurde.31 Die regulären und gemeinsamen Begräbnisplätze einer (Kirchen-) Gemeinde wurden bis zu diesem Zeitpunkt „Kirchhöfe“ genannt32. Der Begriff Religionsgemeinschaft bildet den Sammelbegriff für alle Kirchen, Religionsgesellschaften, Bekenntnisgemeinschaften und andere Glaubensvereinigungen, es ist aber auch der Überbegriff für die Kirchen und Religionsgesellschaften. Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften bestehen als privilegierte Körperschaften iSd Art 15 StGG 1867, welche die Stellung einer Körperschaft öffentlichen Rechts erlangt haben und die ihre Rechtsstellung aufgrund historischer Anerkennung, eigener Gesetze oder von Verordnungen aufgrund des AnerkG33 1874 besitzen.34 § 11 BekGG35 legt die Voraussetzungen für eine Anerkennung als gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft nach dem Anerkennungsgesetz 1874 (AnerkG) fest. Es sind mit dem Erwerb der Stellung als gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft Rechte und Pflichten verbunden.36 „Das österreichische Religionsrecht kennt derzeit drei Arten von juristischen Personen für Kirchen und Religionsgemeinschaften: • gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften als privilegierte Körperschaften im Sinn des Art 15 des StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, die die Stellung einer Körperschaft öffentlichen Rechts genießen und die diese Rechtsstellung aufgrund historischer Anerkennung, eigener Gesetze oder von Verordnungen aufgrund des AnerkG erlangt haben. • religiöse Bekenntnisgemeinschaften gemäß dem BekGG, unter der Voraussetzung, dass ihr mindestens 300 Personen mit Wohnsitz in Österreich angehören. • Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes37, insbesondere auch für Religionsgemeinschaften mit weniger als 300 Mitgliedern in Österreich.“38 Um einen Überblick zu geben, wie die einzelnen in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften mit der Urnenbestattung und damit mit der Bestattung im Friedwald umgehen, bietet es sich als Reihenfolge an, nach dem Anteil der Religionsgemeinschaften an der österreichischen Gesamtbevölkerung vorzugehen. 31 Vgl Gaedke, Handbuch12, Rz 30. 32 Vgl Gartner-Müller, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht im Wandel, 500. 33 Gesetz vom 20. Mai 1874, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften, RGBl 68/1874. 34 Vgl Eberwein, Das neue Islamgesetz 2015 – eine juristische Bewertung, 13. 35 Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften (BekenntnisgemeinschaftenG – BekGG), BGBl I 19/1998 idF BGBl I 146/2021. 36 VwGH Ro 2020/10/0018. 37 Bundesgesetz über Vereine (Vereinsgesetz 2002– VerG), BGBl I 66/2002 idF BGBl I 32/2018. 38 Krömer, Zur Problematik unterschiedlicher Rechtsvorschriften für Religionsgemeinschaften, öarr 2010, 199. 11
Abb 2: Religionszugehörigkeit in Österreich 2020 (https://de.statista.com, 13.7.2021) Um auf Friedhöfen einheitliche Verhaltensregeln fest zu machen, sind die Ge- und Verbote einheitlich kundzumachen. Es muss daher für jeden Friedhof einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft sowie einer statutengemäß hierzu berufenen juristischen Person von der Friedhofsverwaltung eine Friedhofsordnung erstellt werden. Betreibt die Gemeinde den Friedhof, erlässt die Gemeinde die Friedhofsordnung aufgrund eines Beschlusses des Gemeinderates, dies geschieht als im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erlassenen 12
Verordnung. Es besteht insofern eine Kundmachungspflicht, sodass die Friedhofsordnung ortsüblich kundzumachen und dauernd am Friedhof öffentlich anzuschlagen ist.39 2.2.1 Kremation im Christentum Christliche Gemeinden bestatteten ihre Toten seit Ende des 2. Jh nach Christus auf Friedhöfen, überirdisch und in langen Katakomben. Diese Friedhöfe wurden als „coemeterium“ (lateinisch) oder „koimeterion“ (griechisch) bezeichnet, das bedeutet übersetzt Schlaf- oder Ruhestätte, sie wurden von den zum niedrigen Klerus gehörenden Fossoren verwaltet. Das Coemeterium wurde im 9. Jh als Bestattungsplatz für alle Bewohnerinnen und Bewohner einer Gemeinde festgelegt, Beerdigungen auf heidnischen Familiengrabstätten wurden gleichzeitig verboten. Diese allgemeinen Bestattungsplätze befanden sich meist um die Pfarrkirchen, sie wurden mit einer Mauer umfriedet. Daher wird die Bezeichnung „Friedhof“ vom eigentlichen „Kirchhof“ abgeleitet. Wenn ein Grab wieder belegt wurde, wurden die ausgegrabenen Knochen der Toten in einem Gebeinhaus gelagert. Ebenfalls zum „Cimiterum“ gehörte noch eine Totenleuchte. Die Gräber wurden weder gepflegt noch bezeichnet40. Die Aufspaltung der Kirche in Konfessionen Ende des 16. Jh veränderte auch dauerhaft die räumlichen Strukturen. Durch die Reformation kam es zu einer grundlegenden Veränderung des Verhältnisses der Kirche zum Staat. Was sich auch auf die Gesellschaft selbst auswirkte.41 Die „Gottesäcker“ waren für die Reformatoren eine Stätte der Ruhe für die Toten und ein Ort der Besinnung für die Lebenden. Das widersprach dem bis dahin üblichen Treiben auf dem Kirchhof. Die Reformierten schafften jeden Bestattungsluxus und auch Familiengrabstätten ab.42 Anhand der Entwicklung der Friedhöfe wird eine große Transformation deutlich, es kommt nämlich zu einer Auslagerung der Friedhöfe vor die Städte und damit verbunden zu einer Verweltlichung des Bestattungswesens. Nicht die Kirche bestimmt die Bestattung, sondern sie liegt in der Hand des Staates. Regelungen über die Anzeige des Todes, der Leichenbeschau bis hin zu Verordnungen über die Grabgestaltung, entstehen in jener Form, wie wir sie heute kennen.43 Sowohl Erd- als auch Feuerbestattungen waren bei den Hochkulturen der Ägypter, der Babylonier und der Syrier bekannt. Bis Konstantin dem Großen war die Feuerbestattung bei Christen verbreitet. Aus „Ehrfurcht vor Jesus Christus, dessen Leichnam in ein Erdgrab gelegt wurde“, haben die Christen dann nur mehr die Erdbestattung vollgezogen. Einige Freimaurerlogen nützten 39 Vgl Walzel von Wiesentreu, Die Bestattung des menschlichen Leichnams, 635. 40 Vgl Hübner, Transformationen in der steirischen Funeralkultur, 7. 41 Vgl Wahl, Friedhöfe im Wandel, 10. 42 Vgl Sörries, Großes Lexikon der Bestattungs- und Friedhofskultur, 252 f. 43 Vgl Hübner, Transformationen in der steirischen Funeralkultur, 11. 13
im Mittelalter diese Tendenz, um ihre Distanz zur Kirche zu demonstrieren. Als Protest gegen den Vatikan haben 1869 die Freimaurer bei ihrem Kongress in Neapel die Feuerbestattung für ihre Mitglieder angeordnet.44 Die katholische Kirche trug selbst zur zögerlichen Akzeptanz der Feuerbestattung bei, indem 1886 unter Androhung der Exkommunizierung die Kremation verboten wurde.45 „Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) ist es allen Christen (Anm d. Autors: In dieser Aussage sind orthodoxe christliche Religionsgemeinschaften nicht mit umfasst, s.u.) freigestellt, welche Bestattungsform sie wünschen“.46 Die Österreichische Bischofskonferenz stimmt in ihrem Amtsblatt (Nr. 75) der Bestattung auf Waldfriedhöfen und der Begleitung durch einen Geistlichen zu: „Die kirchlichen Begräbnisriten sind grundsätzlich auch bei einer Naturbestattung möglich, sofern keine pantheistischen Vorstellungen damit verbunden werden sollen. Sie finden entweder an einem Ort mit klarer christlicher Symbolik statt, oder, wenn nicht anders möglich, direkt an der Beisetzungsstelle. Wünschenswert ist die Segnung dieser Stelle. Die seelsorgliche Begleitung einer Beisetzung in der Natur und eine eventuell kirchliche Gestaltung liegen im Ermessen der angefragten Seelsorger.“47 Die Bischofskonferenz stützt ihre Festlegungen auf die Ausführungen in Ad resurgendum cum Christo, Nr. 5.48 In Evangelischen Kirchen werden für manche Gemeinden „Lebensordnungen“ verschriftlicht. In der Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche der Union für die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg wird im Art 7 zu Bestattung, Sterbe- und Trauerbegleitung festgehalten, dass Einäscherungen mit der Beisetzung der Urne auf dem Friedhof „weit verbreitet sind“ und „da diese Bestattungsformen im Allgemeinen nicht gegen den Glauben gerichtet sind, werden in ihrem Zusammenhang Gottesdienste gefeiert.“49 „Die verschiedenen christlich-orthodoxen Kirchen sehen für ihre Verstorbenen ausschließlich Erdbestattungen vor, welche vom orthodoxen Glauben in der Hoffnung auf die Auferstehung die einzige erlaubte Bestattungsform ist. Feuerbestattungen widersprechen dem orthodoxen Ritus und werden in der Regel von orthodoxen Geistlichen nicht begleitet“.50 44 Vgl Hübner, Transformationen in der steirischen Funeralkultur, 16. 45 Vgl Sörries, Großes Lexikon der Bestattungs- und Friedhofskultur, 180 f. 46 Hübner, Transformationen in der steirischen Funeralkultur, 16. 47 Amtsblatt der Österreichischen Bischofskonferenz, Nr. 75, (2018) 11. 48 Instruktion Ad resurgendum cum Christo über die Beerdigung der Verstorbenen und die Aufbewahrung der Asche im Fall der Feuerbestattung vom 15.8.2016. 49 Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche der Union für die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg, 52. 50 https://www.bestattung-himmelblau.at/bestattung-nach-konfession/orthodoxe-bestattung/ (14.7.2021). 14
2.2.2 Glaubensgemeinschaften, die Feuerbestattung nicht gestatten Die Feuerbestattung wird im Hinblick auf die dadurch erfolgte Zerstörung des Leibes, der Eigentum Allahs ist, nicht erlaubt. Im Islam ist ausschließlich die Erdbestattung zulässig.51 „Das Judentum kennt als Bestattungsart laut der Halacha (religiöse Gesetze) nur die Erdbestattung. Nach dem jüdischen Religionsgesetz ist gläubigen Juden eine Feuerbestattung untersagt. Die Kremation wird als Entledigung und als Verfehlen der letzten Ehre und des pietätvollen Abschieds betrachtet.“52 2.2.3 Urnen- und Naturbestattung in anderen Glaubensgemeinschaften „Der Buddhismus hat seinen Ursprung in Asien. Wie er praktiziert wird, ist überall sehr unterschiedlich. Das gilt auch für die Bestattungsrituale. Doch der Tod ist für den Buddhisten kein Ende, denn nach seinem Glauben löst sich sein Bewusstsein vom Körper, um in einen anderen Körper überzugehen. […] Nach der Aufbahrung wird der Leichnam verbrannt. Die Knochen werden aus der Asche gesammelt und in sogenannten Pagoden bestattet. Die Asche selbst wird je nach Region im Boden vergraben oder in einem Fluss verstreut.“53 „Im Hinduismus ist eine rituelle Waschung der Toten vor der Kremation vorgeschrieben, […] Im Hinduismus ist festgelegt, dass der Verstorbene nicht allein gelassen werden soll, da die Seele noch im Raum anwesend sei. Nach der Waschung mit Wasser aus dem Ganges wird die Leiche in einem Aufbahrungsraum dekoriert, als ob sie noch am Leben wäre. Die Kremation – für Hindus die höchste Form der Reinheit – ist am Tag des Todes vorgesehen, damit der Geist sich vom Körper lösen kann.“54 „Bei einer Bestattung von Zeugen Jehovas findet die Ansprache mit Gesang, Gebet und einer Lebensrückschau des Verstorbenen, verbunden mit einer Verheißung für die Entschlafenen, entweder in der Gemeinde oder in der Kapelle eines Friedhofs mit vielen Gemeindemitgliedern statt. […] Jehovas Zeugen wählen zwischen der Erd- oder Feuerbestattung.“55 Naturbestattungsanlagen sind meist für alle Weltanschauungen und Religionen gleichermaßen zugänglich gemacht und es wird bewusst auf religiöse Symbolik und Rituale verzichtet, obwohl die Beisetzungszeremonie meistens individuell und damit auch religiös gestaltet werden kann.56 51 Vgl Reiter, Mythos Leichenwäscher (Teil II), 114. 52 https://www.bestattungsvergleich.de/ratgeber/bestattungsarten/juedische-bestattung/ (14.7.2021). 53 Gantevoort, So gehen die fünf Weltreligionen mit dem Tod um, Frankfurter Neue Presse, veröffentlicht am 23.11.2017. 54 Reiter, Mythos Leichenwäscher (Teil I), 92. 55 https://schulze-bestattungen.de/was-wir-fuer-sie-tun/trauerfeier/ (14.7.2021). 56 Vgl Gartner-Müller, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht im Wandel, 507; Neimes, Friedwaldbestattungen, 34; Rüter, Friedwald.Waldbewusstsein und Bestattungskultur, 55 f. 15
3 Friedwald in der Raumplanung In den Kompetenzartikeln der Bundesverfassung ist die Raumordnung nicht explizit genannt. Im Zusammenhang mit der Erlassung der ersten Raumordnungsgesetze formuliert der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einem zentralen Erkenntnis, dass Raumordnung als „planmäßige und vorausschauende Gestaltung eines bestimmten Gebietes in Bezug auf seine Verbauung insb für Wohn- und Industriezwecke einerseits und für die Erhaltung von im Wesentlichen unbebauten Flächen andererseits („Landesplanung“ – „Raumordnung“), ... nach Art. 15 Abs 1 B-VG. ... in Gesetzgebung und Vollziehung“ Landessache ist. Es gilt für die Raumordnung daher die Generalklausel, wonach die Länder in Gesetzgebung und Vollziehung zuständig sind, solange Angelegenheiten des Bundes nicht berührt werden. Raumordnung ist demnach „keine für sich bestehende Verwaltungsmaterie“, sondern ein Paket von Planungsbefugnissen mit Kompetenztatbeständen für Fachplanungen auf Bundesebene sowie einer generellen Raumordnungszuständigkeit auf der Länderebene (Querschnittsmaterie).57 „Die Raumordnungsgesetze enthalten detaillierte Bestimmungen über die Erstellung bzw Abänderung der örtlichen Raumpläne. Der Verordnungscharakter der örtlichen Raumpläne hat verfahrensrechtliche Auswirkungen und Erfordernisse, an welche die Entscheidungsträger bei der Planerstellung gebunden sind. Eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften hat in der Regel die Rechtswidrigkeit eines örtlichen Raumplanes zur Folge. Die einzelnen Verfahrensschritte sind in der Regel bei Planerstellungen zwingend einzuhalten, wobei das Verfahren vor allem gekennzeichnet ist durch: • Einbindung der Öffentlichkeit, Partizipation, • Umwelterheblichkeitsprüfung (UEP) und strategische Umweltprüfung (SUP) bei bestimmten Vorhaben, • Genehmigungsvorbehalt durch die Landesregierung.“58 3.1 Friedwald in der Flächenwidmung Parzellenscharfe Widmungsfestlegungen für alle Liegenschaften bildet den wesentlichen Inhalt des Flwp. Durch die Widmung entsteht eine räumliche Trennung einzelner Daseins- oder Nutzungsfunktionen: Ziel ist es, Nutzungs- und Interessenkonflikte durch die Entmischung und räumliche Trennung von gegensätzlichen Funktionen so weit wie möglich zu reduzieren. Folgende wesentliche Inhalte werden in den Raumordnungsgesetzen als zentrale Widmungskategorien vorgesehen. Sie können von den Gemeinden – im Rahmen der rechtlichen Vorgaben – selbstständig festgelegt werden: 57 Vgl Kanonier/Schindelegger, Kompetenzverteilung und Planungsebenen, ÖROK, 63; VfSlg 2674/1954. 58 Kanonier/Schindelegger, Raumplanungsverfahren und Prozesse, ÖROK, 128. 16
• Bauland, • Verkehrsflächen, • Grünland (Anm: gem § 26 Abs 1 StROG59 „Freiland“) Meist beinhaltet der Flwp einen Planteil und eine textliche Beschreibung. In der Stmk enthält der Flwp neben dem Flwp im engeren Sinn und allfälligen Ergänzungsplänen den Bebauungsplanzonierungsplan, durch den jene Teile des Baulandes und jene Sondernutzungen im Freiland festgelegt werden, für die Bebauungspläne zu erlassen sind. Durch die demonstrative Aufzählung möglicher Nutzungsarten legen die Raumordnungsgesetze den Inhalt von Grünflächen im Detail fest. Die vielfältigen Funktionen des Grünlandes und die Standort- und Nutzungsgebundenheit bestimmter Aktivitäten haben den Gesetzgeber dazu geführt, dass eine Vielzahl von Sondernutzungen im Grünland vorgesehen wurden.60 Die Möglichkeit, Flächen als Sondernutzungen auszuweisen, besteht nur im Freiland.61 „Aus raumordnungsrechtlicher Sicht fallen (gewöhnliche) Friedhöfe regelmäßig unter sogenannte ‚Vorbehaltsflächen‘. Bei Vorbehaltsflächen handelt es sich um Grundflächen, die für die Verwirklichung eines im besonderen öffentlichen Interesse gelegenen Vorhabens reserviert werden. Die einschlägigen Landesgesetze nennen in diesem Zusammenhang neben Schulen, Amtsgebäuden, Krankenhäusern, Parkanlagen, Schwimmbädern, Sportanlagen, Spielplätzen etc regelmäßig auch Friedhöfe. […] Im Gegensatz zu Friedhöfen und Urnenstätten bedürfen Sonderbestattungsanlagen62 keiner spezifischen Flächenwidmung.“63 Die Planzeichenverordnung64 legt gem §§ 21 Abs 4 und 25 Abs 4 StROG die Planzeichen, die im Flwp zu verwenden sind, fest. Abb 3: Sondernutzung im Freiland für FRIEDHOF65 59 Gesetz vom 23. März 2010 über die Raumordnung in der Steiermark (Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 2010 – StROG), LGBl 49/2010 idF LGBl 6/2020. 60 Vgl Kanonier/Schindelegger, Planungsinstrumente, ÖROK, 108 ff. 61 Vgl Herbst, Raumordnungsrecht, 217. 62 Die Bestattung in Sonderbestattungsanlagen ist nach dem Kärntner (§ 22 iVm § 17 Abs 2 lit c) und Wiener Leichengesetz (§ 20 Abs 3; dort allerdings als Privatbegräbnisstätte bezeichnet) vorgesehen; Mayer, Umgang mit der Leiche, 159. 63 Walzel von Wiesentreu, Die Bestattung des menschlichen Leichnams, 633 f. 64 Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Juli 2016, mit der die Form, der Maßstab und die Verwendung von Planzeichen für die zeichnerische Darstellung von Plänen der örtlichen Raumplanung geregelt werden (Planzeichenverordnung 2016), LGBl 80/2016. 65 PZVO, 8. 17
Die Kategorien in der PZVO sind nicht abschließend und können ergänzt werden, so hat eine Gemeinde (Gaal) als Sondernutzung „Sondernutzung im Freiland – Waldfriedhof (wfrh)“ gewählt. 3.1.1 Rechtliche Grundlagen in der Raumplanung Der Aufbau der Raumordnung ist so gestaltet, dass die landesgesetzlich festgelegten Raumordnungsziele sowie die auf überörtlicher Ebene erlassenen Raumordnungsprogramme keine direkte Rechtswirkungen auf den Einzelnen bedeuten. Es braucht eine weitere Konkretisierung auf örtlicher Ebene, welche in den Aufgabenbereich der einzelnen Gemeinden fällt. Eine Konkretisierung erlangen die überörtlichen Raumordnungsziele, Raumordnungsgrundsätze und Raumordnungsprogramme durch die Raumplanungsbefugnisse der Gemeinden. Für die örtliche Raumplanung verantwortlich sind die Gemeinden.66 „Auf örtlicher bzw kommunaler Ebene kennt das StROG drei bedeutende Regelungsinstrumente. An oberster Stelle stehen die örtlichen Entwicklungskonzepte und die räumlichen Leitbilder. Eine Ebene darunter befinden sich die Flächenwidmungspläne, die wiederum den örtlichen Entwicklungskonzepten entsprechen müssen. Als drittes Instrument stehen der Gemeinde die Bebauungspläne zur Verfügung. Diese dürfen, um § 8 Abs 1 StROG gerecht zu werden, weder den Flächenwidmungsplänen noch den örtlichen Entwicklungskonzepten widersprechen.“67 „Das örtliche Entwicklungskonzept stellt auf einen Planungszeitraum von 15 Jahren ab und muss spätestens nach zehn Jahren revidiert werden. Vorzeitige Berichtigungen können nur stattfinden, wenn es sich um eine wesentliche Änderung der Planungsvoraussetzung handelt.“68 Dasselbe gilt für den Flächenwidmungsplan, auch dieser wird als Verordnung vom Gemeinderat erlassen. Die Hauptaufgabe des Flächenwidmungsplanes ist die funktionale Gliederung des gesamten Gemeindegebiets. Der Flächenwidmungsplan beinhaltet einen Textteil und eine planliche Darstellung.69 3.1.2 Behördenzuständigkeit und Genehmigungsverfahren „In der Steiermark erteilt die Landesregierung den Gemeinden nach Vorlage ihrer Planunterlagen gem. § 24 Abs 9 und § 38 Abs 9 des StROG 2010 die Genehmigung für die Erlassung und Änderung des örtlichen Entwicklungskonzeptes und des Flächenwidmungsplanes. Für die Erteilung der Genehmigung stehen der Landesregierung 6 Monate zur Verfügung. Innerhalb 66 Vgl Fröhler/Binder, Bodenordnung und Planungsrecht, 93 f. 67 Weyringer, Das steiermärkische Raumordnungsgesetz, 20. 68 Reissner, Entwicklungskonzept, 5. 69 Vgl Auer, Änderung, 33. 18
dieser Zeit hat sie eine rechtliche und fachliche Prüfung sowie eine Prüfung des ordnungsgemäß durchgeführten Verfahrens vorzunehmen. […] Im Genehmigungsverfahren ist nach Prüfung der Plan- und Verfahrensunterlagen der Gemeinde auch der Raumordnungsbeirat zu befassen. […] Nach der Befassung des Raumordnungsbeirates ist über alle Anträge der Gemeinden auch die Regierungssitzung zu befassen. […] Erst nach Beschlussfassung der Landesregierung in ihrer Sitzung kann die zuständige Abteilung, eine Genehmigung erteilen. […] Die Landesregierung hat jedoch der Gemeinde die Genehmigung des örtlichen Entwicklungskonzeptes bzw des Flächenwidmungsplanes bzw deren Änderungen zu versagen, wenn landesgesetzlichen Bestimmungen insbesondere dem StROG und seinen Grundsätzen, einem Entwicklungsprogramm oder einem örtlichen Entwicklungskonzept widersprochen wird, die geordnete, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung anderer Gemeinden oder des Landes wesentlich beeinträchtigt wird, mit der Verwirklichung der vorgesehenen Maßnahmen unverhältnismäßig hohe finanzielle Belastungen für die Gemeinde entstehen würden, die die gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen der Gemeinde vereiteln könnten oder den Zielsetzungen der SUP-Richtlinie der EU oder den Zielen der Alpenkonvention widersprochen wird. In diesem Falle hat die Landesregierung der Gemeinde den Versagungsgrund schriftlich mitzuteilen und ihr eine mindestens vierwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme einzuräumen. Nach Genehmigung des örtlichen Entwicklungskonzeptes, des Entwicklungsplanes oder des Flächenwidmungsplanes durch die Landesregierung hat der Bürgermeister diese innerhalb von zwei Wochen (handelt es sich um ein Örtliches Entwicklungskonzept innerhalb von vier Wochen) ab Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides kundzumachen. […] Rechtswirksame örtliche Entwicklungskonzepte/Entwicklungspläne, Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne müssen im Gemeindeamt während der Amtsstunden zur allgemeinen Einsicht aufgelegt werden.“70 3.2 Antragstellungs- und Widmungsverfahren Bestattungsanlagen samt Nebeneinrichtungen, wie Aufbahrungshallen oder Leichenkammern, dürfen nur von einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer im kommunalen Eigentum stehenden wirtschaftlichen Unternehmung, von einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft oder von Bestattungsunternehmen errichtet und/oder betrieben werden.71 70 Raumordnungsrecht, Genehmigungsverfahren, https://www.verwaltung.steiermark.at/cms/beitrag/11682121/74835241/(10.8.2021). 71 § 32 Abs 1 Stmk LeichenbestattungsG. 19
Demzufolge kommen meist Bestattungsunternehmen gemeinsam mit den Grundeigentümern auf die Gemeinden mit konkreten Projekten zu. „Damit setzt man die Gemeinden potentiell dem Druck der Liberalisierung aus, wissend, dass sie es sind, die letztlich den Schlüssel zu einer Konkurrenzierung in Händen halten. Allerdings darf diesbezüglich nicht übersehen werden, dass eine fehlende Widmung dann, wenn sie unsachlich nur deshalb verweigert wird, um einen Konkurrenten vom Betrieb eines Friedhofs abzuhalten, als Marktzutrittsschranke verstanden werden kann. Dies ändert aber den Beurteilungsmaßstab und das (allzu) große Ermessen der Widmungsbehörde wird unionsrechtlich problematisch.“72 Wenn die Gemeinde für das konkrete Projekt einen Gemeinderatsbeschluss zur Einleitung der beschriebenen Änderungen des ÖEK und des Flwp gefasst hat, kommt es zum Auflageverfahren gem § 24 Abs 5 StROG. Der Grund für die Abhaltung einer verpflichtenden Bürgerversammlung zum ÖEK liegt darin, dass es sich um eine Entscheidung mit langfristigen Folgen handelt (Planungszeitraum von 15 Jahren), dadurch ist die Einbeziehung, Information und Beteiligung der Betroffenen notwendig.73 Sämtliche Bestattungsgesetze sehen als Voraussetzung für die Errichtung von Bestattungsanlagen eine entsprechende raumordnungsrechtliche Widmung vor. Zuständig für diese Widmungen sind die Gemeinden74, ein subjektives Recht auf entsprechende Widmung besteht nicht.75 3.2.1 Parteistellung, Bürgerbeteiligung Einwendungen müssen in der Stmk vom Gemeinderat behandelt werden und in Abwägung mit den örtlichen Raumordnungsinteressen nach Möglichkeit berücksichtigt werden. § 24 Abs 6 StROG legt fest, dass über die Ergebnisse der Beratungen eine Information zu erfolgen hat. Demzufolge sind nach Beschlussfassung diejenigen, die Einwendungen eingebracht haben, schriftlich über die Berücksichtigung der Einwendungen zu informieren, erfolgt keine Berücksichtigung der Einwendungen, ist dies zu begründen. Vorgebrachte Stellungnahmen oder Einwendungen fließen damit verpflichtend in den Planungsprozess mit ein, auch wenn sie schlussendlich nicht berücksichtigt werden müssen. Die zur Stellungnahme Berechtigten haben aber im Verfahren zur Erlassung oder Änderung örtlicher Raumpläne keine Parteistellung, da die örtlichen Raumpläne immer als Verordnungen erlassen werden. Es besteht weder für 72 Kahl, Von Kindergärten und Friedhöfen, 315. 73 Vgl Frank/Teschinegg/Skalicki, Raumordnungsrecht und Bauvorschriften für das Land Steiermark 4, 56. 74 Vgl Klaushofer, Raumordnungsrecht, Rz 74. 75 Vgl Klaushofer, Raumordnungsrecht, Rz 84. 20
Grundeigentümer noch für sonstige Planbetroffene ein Rechtsanspruch, dass die vorgebrachten Einwendungen berücksichtigt werden. Aus den Stellungnahmerechten ergibt sich kein Anspruch der Planbetroffenen auf bestimmte Planinhalte. Es leitet sich für Planungsbetroffene auch kein Anspruch auf die Erlassung oder Abänderung von Plänen ab. In welcher Weise die Öffentlichkeit über Entwürfe und Planungsergebnisse informiert wird, obliegt weitgehend den Verantwortlichen der Gemeinde. Offene Planungsprozesse oder kooperative Entscheidungsfindungen sind jedenfalls nicht ausgeschlossen und zählen mittlerweile in einigen Gemeinden zum Standard der Raumplanungsverfahren. Im modernen Verfahrensablauf ersetzen oft partizipative Prozesse die systematische Trennung von Planungsverantwortlichen und Planadressaten.76 3.2.2 Konkreter Ablauf eines Flächenwidmungsverfahrens für einen Waldfriedhof „Praktische Beispiele zeigen regelmäßig, dass der Zeitraum bis zur nächsten Änderung des Örtlichen Entwicklungskonzeptes für innovative, neue Projekte zu lang ist, und es oftmals vorzeitig zu Verfahren zur Änderung eines örtlichen Entwicklungskonzeptes gem § 24 StROG kommt. Da es auch zu einer Änderung des Flwp kommen muss, um das Projekt umzusetzen, wird das Verfahren zur Änderung des Flwp gem § 38 StROG gleichzeitig begonnen. Die steirischen Gemeinden gehen bei den angesprochenen Änderungen nach dem Leitfaden der zuständigen Abteilung beim Amt der Stmk Landesregierung vor. Änderungen von Plänen und Programmen müssen im Sinne der Rechtssicherheit dokumentiert und begründet werden. Daher sind die Erstellung eines Differenzplanes und die Evaluierung der bisherigen Ziele und Maßnahmen der Ortsplanung erforderlich. [...] Mit der Novelle des StROG 2010 erfolgt die rechtliche Umsetzung der EU Richtlinie (RL 2001/42/EG), wonach Pläne und Programme auf ihre Auswirkung auf die Umwelt zu prüfen sind. Die diesbezüglichen Vorgaben wurden ins StROG übernommen. […] Planungen mit erheblichen Umweltauswirkungen bedürfen einer besonderen Kontrolle. Je nach Umfang der Änderung des ÖEK sind folgende Stufen der Umweltprüfung erforderlich: • Prüfung nach Ausnahmekriterien • Umwelterheblichkeitsprüfung • Strategische Umweltprüfung mit Umweltbericht Wenn ein ÖEK hinsichtlich seiner Umweltauswirkungen hinreichend geprüft ist, ist eine solche Prüfung für den Flächenwidmungsplan nicht mehr erforderlich (Prinzip der Abschichtung).“77 Auf die Aspekte der Umwelterheblichkeitsprüfung wird im Kap. 5.3. eingegangen, da es bei Waldfriedhöfen in den überwiegenden Fällen naturschutzrechtliche Fragestellungen sind, die zu einer Umwelterheblichkeit führen können. 76 Vgl Kanonier/Schindelegger, Raumplanungsverfahren und Prozesse, ÖROK, 129 f. 77 Das örtliche Entwicklungskonzept, Leitfaden 2.0. 21
4 Forstrechtliche und forstwirtschaftliche Fragestellungen bei der Nutzung von Wald als Bestattungsort Die Betreiber von Naturbestattungsanlagen suchen ruhige Waldorte für ihre Betriebe, was sich auch in der Namensgebung widerspiegelt. Waldfriedhöfe tragen Namen wie „Friedwald“ oder „Ruheforst“, ob diese Grundflächen auch Wald iSd Forstgesetzes sind, muss im Detail untersucht werden. Dass sich die Frage, ob Wald iSd ForstG78 vorliegt, weder nach der Flächenwidmung noch nach der in der Katastral- oder Grundbuchsmappe ersichtlich gemachten Benützungsart richtet, wurde vom VwGH bereits entschieden.79 Vielmehr leitet sich die Waldeigenschaft aus der Definition des § 1a ForstG ab. „Nach § 1a Abs 1 ForstG handelt es sich bei Wald iSd ForstG um mit forstlichem Bewuchs bestockte Grundflächen, soweit die Bestockung mindestens eine Fläche von 1000 m2 und eine durchschnittliche Breite von 10 m erreicht und es sich um im Anhang zum ForstG angeführte (Bewuchs-)Arten handelt. Ferner liegt Wald auch bei Grundflächen, deren forstlicher Bewuchs infolge Nutzung oder aus sonstigem Anlass vorübergehend beseitigt ist, vor (§ 1a Abs 2 ForstG). Sofern es sich bei der betreffenden Baumbestattungsanlage um entsprechend bestockte Grundflächen handelt, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese als Wald iSd ForstG einzustufen sind. […] Nicht als Wald iSd ForstG zu qualifizieren sind hingegen gem § 1a Abs 4 lit b ForstG bestockte Flächen, die infolge des parkmäßigen Aufbaues ihres Bewuchses überwiegend anderen als Zwecken der Waldwirtschaft dienen.“80 Voraussetzung für die Annahme eines parkmäßigen Aufbaues ist das Vorliegen eines von Menschenhand unter Zuhilfenahme verschiedener, nicht nur in der Anpflanzung von Forstpflanzen gelegener Gestaltungsmittel angelegten "Landschaftsgartens".81 „Nach der Judikatur des VwGH nimmt eine teilweise nichtforstliche Verwendung einer auch forstbetrieblich benützten, unbestockten Fläche in räumlichem und forstbetrieblichem Zusammenhang mit Wald dieser nicht die Eigenschaft als Wald iSd ForstG. Entscheidend ist damit, dass ein direkter Bezug zur Waldbewirtschaftung vorliegt. Letzteres erscheint bei Baumbestattungsanlagen nicht zwingend der Fall zu sein, ist allerdings in Bezug auf die Waldeigenschaft parkmäßig aufgebauter Flächen insoweit von untergeordneter Bedeutung, als 78 Bundesgesetz vom 3. Juli 1975, mit dem das Forstwesen geregelt wird (Forstgesetz 1975), BGBl 440/1975 idF BGBl 56/2016. 79 JusGuide 2015/16/4192, VwGH 21.1.2015, Ra 2014/10/0056. 80 Gartner-Müller, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht im Wandel, 570. 81 VwGH 2003/10/0043. 22
Baumbestattungsanlagen für gewöhnlich nicht als ‚Landschaftsgärten‘ konzipiert sind. Umgekehrt bedeutet dies, dass Baumbestattungsanlagen, die über einen entsprechenden forstlichen Bewuchs iSd § 1a Abs 1 ForstG verfügen, rechtlich als Wald iSd ForstG zu qualifizieren sind.“82 Eine Rodung kann nur für Waldflächen bewilligt werden. Es darf einem Rodungsantrag für eine Maßnahme, die einer Rodungsbewilligung nicht bedarf, nicht stattgegeben werden. Ein auf eine Nichtwaldfläche gerichteter Rodungsantrag wäre daher abzuweisen.83 4.1 Rodungsverfahren Die Umwandlung der Benutzung eines Waldgrundes für waldfremde Zwecke ist daher als ‚Rodung‘ zu verstehen. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Waldfläche ‚eher locker‘ bestockt ist oder ob die waldfremde Nutzung überhaupt – ohne dass es einer Bewuchsbeseitigung bedürfte – zwischen dem vorhandenen forstlichen Bewuchs stattfindet und dieser damit überhaupt nicht beeinträchtigt wird. Es ist somit unerheblich, da § 17 ForstG auf die Verwendung des ‚Waldbodens‘ abstellt, ob für die waldfremde Verwendung Schlägerungsmaßnahmen oder sonstige Maßnahmen zur Beseitigung des forstlichen Bewuchses erforderlich sind. […] Ob ‚Waldboden‘ im Sinn des § 17 Abs 1 ForstG vorliegt, richtet sich nicht nach den Eintragungen in der Grundbuchsmappe. Das Vorliegen von ‚Wald‘ hängt vielmehr – unbeschadet der in § 3 Abs 1 ForstG ausgesprochenen Rechtsvermutung zu Gunsten der Waldeigenschaft einer Grundfläche – davon ab, ob auf eine bestimmte Fläche die Begriffsbestimmungen des § 1a Abs 1 bis 3 ForstG zutreffen. Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind und somit Waldeigenschaft iSd Forstgesetzes vorliegt, kommt die Anwendung der Rodungsbestimmungen – und damit die Erteilung einer Ausnahme vom Rodungsverbot in Form der Erteilung einer Rodungsbewilligung – in Betracht.84 „Eine Rodungsbewilligung kann nach der Systematik des § 17 ForstG erteilt werden, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung der fraglichen Flächen als Wald nicht entgegensteht (Abs 2), oder, falls dies nicht der Fall ist, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt (Abs 3), wobei § 17 Abs 4 ForstG eine demonstrative Aufzählung hiervon erfasster öffentlicher Interessen enthält. Im Fall der Bestattung im Wald erscheint allerdings weniger die Frage entscheidend, ob die Errichtung einer Naturbestattungsanlage im öffentlichen Interesse gelegen ist, schließlich hat der VfGH bereits ausgesprochen, dass die Ordnung der Leichenbestattung auf eine den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechende Weise in besonderem Maß im öffentlichen Interesse liegt und folglich 82 Gartner-Müller, Das Friedhofs- und Bestattungsrecht im Wandel, 570. 83 Vgl Rodungserlass, 10; vgl VwGH 7.4.1987, 84/07/0227 und 11.5.1987, 87/10/0043. 84 Vgl Rodungserlass, 9. 23
Sie können auch lesen