Bose-Einstein-Kondensate am Chip

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58   THEM ENHEFT FORSCHUNG   Q U A N T E N M AT E R I E

            Bose-Einstein-
          Kondensate am Chip
                             Ultrakalte Atome in miniaturisierten Fallen eröffnen faszinierende
                             Möglichkeiten, atomare Materiewellen zu manipulieren und Atome
                             mit Festkörperoberflächen gezielt in Wechselwirkung zu bringen.
                             Möglicherweise stehen wir damit am Anfang einer neuen Quanten-
                             technologie mit einer Reihe spannender Anwendungen für die
                             Konstruktion besonders empfindlicher und kompakter Sensoren für
                             Kräfte und Beschleunigungen, Sensoren für die Oberflächenanalyse,
                             oder für die Entwicklung von „Atomchips” für die Quanten-
                             informationsverarbeitung.

                             Moderne Quantentechnologie hat längst              ten in geeigneten Potentialen einfangen.
                              Einzug in unser Alltagsleben gehalten und         Die Techniken sind inzwischen so perfek-
                              begegnet jedem, der einen CD-Spieler              tioniert worden, dass es sogar möglich ist,
                              bedient oder ein internationales Fernge-          erste, allerdings noch sehr einfache Quan-
                              spräch führt. Seien es nun die Elektronen         tencomputer damit zu realisieren. Nimmt
                              in den Laserdioden der optischen Daten-           man noch die jüngsten Erfolge der Quan-
                              speicher oder die Photonen, die in den            tenkryptographie hinzu, so zeichnet sich
                              Glasfasern der Telekommunikation auf die          ein Bild ab, das auch für die Zukunft span-
                              Reise geschickt werden – in beiden Fällen         nende quantentechnologische Entwick-
                              sind es quantenmechanische Teilchen, die          lungen erwarten lässt.
                              in künstlichen Potentialen ihre Arbeit ver-     In unseren Laboratorien entwickeln wir
                              richten. Auch kompliziertere Teilchen wie         magnetische Mikrofallen für ultrakalte
                              z.B. Ionen lassen sich bereits seit Jahrzehn-     Atome, um die Physik ultrakalter Gase
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  und die Optik mit Materiewellenoptik           Magnetische Fallen beruhen        S U M M A RY
  experimentell zu untersuchen. Die Mikro-        auf der Kraft F, die auf das
  fallen entstehen in der unmittelbaren           magnetische Moment µ             The manipulation of ultracold atoms in miniaturized
  Nähe einer nanostrukturierten Chipober-         des Atoms in einem inho-         traps opens fascinating experimental possibilities in
  fläche. Es bietet sich dabei ganz natürlich     mogenen Magnetfeld B(r)          atom optics and for controlling interactions between
  an, Atome an Festkörperoberflächen kon-         wirkt: F(r)=grad(µB(r))          cold atoms and solid surfaces. This research area
  trolliert heranzuführen und die Wechsel-        Für genügend langsame            promises a number of exciting applications in a new
  wirkung von Atomen mit Oberflächen zu           Bewegungen des Atoms im          quantum technology. These range from precision
  untersuchen. Die Physik ist dabei sehr viel-    Magnetfeld folgt die Ori-        force sensing, surface analysis to the development of
  fältig. Neben fundamentalen Effekten, wie       entierung des magneti-           atom chips for quantum information processing.
  die Anziehung zwischen Atomen und               schen Moments der loka-
  Oberflächen durch die attraktiven van der       len Richtung des Magnet-
  Waals- und Casimir-Polder-Kräfte, erhält
  man Zugang zur Kopplung von Atomen
  an Festkörper-Systeme. Besonders span-
  nend ist dabei die Konstruktion von künst-
  lichen Atom-Festkörper Quantensystemen
  und deren Anwendung in der Präzisions-
  messung von Kräften – als Oberflächen-
  sensoren. Erste Experimente in dieser
  Richtung, die Entwicklung eines hochemp-
  findlichen Magnetfeldmikroskops, die Rea-
  lisierung von integrierten Atominterfero-
  metern und neue experimentelle Konzepte
  zur Kopplung von Atomen an Supraleitern
  werden in diesem Beitrag dargestellt.

1. Magnetische Mikropotentiale

Ausgangspunkt ist das magnetische Spei-
 chern von Atomen in magnetischen Fel-
 dern. Magnetfallen werden routinemäßig
 zur Erzeugung von Bose-Einstein-Konden-
 saten (BECs) verwendet und beruhen auf                                                                                                        01
 der Kraft, die Atome in einem inhomoge-                                                               Der Bose-Einstein-Chip. Die mikro-
 nen Magnetfeld erfahren. Für die Kon-             feldes und der Ausdruck vereinfacht sich              strukturierten Goldleiterbahnen auf
 struktion solcher magnetischer Fallen las-        F(r)=µ grad(B(r)). In dieser sehr gut er-           dem Saphirsubstrat erzeugen röhren-
 sen sich dünne stromdurchflossene Drähte          füllten Näherung ist das Fallenpotential              förmige Fallen, in denen das Bose-
 und mikrofabrizierte Leiterbahnen auf             also direkt proportional zum Betrag des                 Einstein-Kondensat schwebt. Die
 Chipoberflächen genauso verwenden wie             Magnetfeldes. Im Falle von Alkaliatomen,               feinen Leiterbahnstrukturen bilden
 kleine permanentmagnetische Strukturen.           die in den aktuellen Experimenten ver-             atomoptische Elemente, mit denen das
 Mit dieser Technik können fast beliebige          wendet werden, wird das magnetische Mo-               schwebende Kondensat manipuliert
 Potentiale maßgeschneidert werden, deren          ment durch das ungepaarte Valenzelek-                                        werden kann.
 räumliche Formen auf der Mikrometer-              tron in der s-Schale erzeugt. Es beträgt für
 Skala variieren und die zudem noch zeit-          den am stärksten gefangenen Hyperfein-              The Bose-Einstein-Chip. The micro-
 lich geschaltet und verändert werden kön-         strukturzustand ein Bohr’sches Magneton,         patterned gold conductors on a sapphire
 nen (01). Dadurch eröffnet sich eine Viel-        was ausreicht, um das Atom bereits in mo-           substrate generate a magnetic trap in
 zahl neuer Möglichkeiten im Bereich der           deraten Gradienten von einigen 10 G/cm             which the Bose-Einstein-condensate is
 Atomoptik. Die bereits realisierten Syste-        gegen die Schwerkraft zu halten. In mag-         levitating. The narrow conducting paths
 me umfassen Wellenleiter, in denen sich           netischen Mikrofallen sind die Gradienten             are forming atom-optical elements,
 Atome quantisiert bewegen, analog etwa            allerdings sehr viel größer und können              which enable the manipulation of the
 zu Photonen in Glasfasern, magnetische            Werte von bis zu 106 G/cm annehmen. Die                                      condensate.
 Förderbänder für Einzelatome oder Grup-           damit verbundene Kraft überschreitet die
 pen von Atomen bis hin zu komplizierten           Schwerkraft um bis zu einen Faktor von
 dreidimensionalen Strukturen, in denen            105. Im einfachsten Fall besteht die Mikro-
 atomare Wellenfunktionen gezielt zerlegt,         falle aus einem stromdurchflossenen dün-
 manipuliert und zur Interferenz gebracht          nen Draht und einem dazu senkrecht ori-
 werden [1].                                       entierten (homogenen) Bias-Magnetfeld.
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02a                                                                                                                                          02b

      a) Die Apparatur im Ultrahoch-          a) The apparatus in ultra-high vacuum
      vakuum ist kompakt und effizient. Der   is compact and efficient. The Bose-         Das Bias-Feld kann ebenfalls mit strukturierten Leiterbah-
      Bose-Einstein-Chip wird von Spulen      Einstein-Chip is surrounded by coils,       nen erzeugt werden (01). Auf der einen Seite des Drahts
      umgeben, die beim Laden helfen. Eine    which help to load the atoms. First, an     addiert sich das zirkulare Feld des Leiters zum homogenen
      Atomwolke wird zunächst in einer        atom cloud is prepared in a magneto-        Feld, was insgesamt zu einer Felderhöhung führt. Auf der
      magnetooptischen Falle, durch opti-     optical trap, by means of optical           gegenüberliegenden Seite sind die Feldlinien entgegenge-
      sches Kühlen mit Hilfe von Laser-       cooling via laser beams. After loading      setzt gerichtet und es gibt einen bestimmten Abstand d
      strahlen präpariert. Nachdem etwa       of approximately 100 million atoms,         vom Draht, an dem das homogene Feld das Feld des Drah-
      100 Millionen Atome geladen sind,       the 50 μK cold cloud is transferred         tes gerade kompensiert. Hier entsteht parallel zum Draht
      wird die 50 μK kalte Wolke in das       into the magnetic field of the left pair    eine Linie mit verschwindendem Magnetfeld. Senkrecht
      Magnetfeld des linken Spulenpaars       of coils; it is then further cooled and     zu dieser Nulllinie steigt der Feldbetrag zunächst linear
      verschoben, etwas gekühlt und dann      subsequently shifted towards the chip       an.
      geht es aufwärts zum Chip.              on top.                                    Der Feldgradient erzeugt eine rücktreibende Kraft, die die
                                                                                          Atome entlang der Nulllinie gefangen hält. Die Lage der
      b) Laden, Kühlen, Kondensieren!         b) Loading, cooling, condensation! The      Nulllinie wandert näher an den Draht, wenn man den
      Die weiß gestrichelte Linie markiert    white dashed line marks the chip surfa-     Strom im Draht verringert oder alternativ das homogene
      die Chipoberfläche. Die atomare         ce. The atomic cloud is loaded on the       Feld erhöht. Entscheidend für die Stärke des Einschlusses
      Wolke wird in den Chip geladen          chip (top). Evaporative cooling remo-       ist der Feldgradient um die Nulllinie. Das homogene Feld
      (oben). Das Verdampfungskühlen ent-     ves „hot“ atoms; this decreases the         kann zum Gradient nichts beitragen, der daher ausschließ-
      fernt Atome, wobei die Temperatur       temperature to below 1 μK. In this          lich durch das Drahtfeld zustande kommt. Der Betrag des
      unter 1 μK sinkt. In diesem             temperature range the transition to the     Drahtfeldes wächst zum Draht hin mit 1/d an, dessen Gra-
      Temperaturbereich findet der Über-      quantum-degenerate regime and the           dient also sogar mit 1/d2. Mit unendlich dünnen Drähten
      gang zum quantenentarteten Regime       condensation takes place (middle).          könnte man unendlich enge Potentialröhren für Atome
      und die Kondensation statt (Mitte).     The Bose-Einstein condensate in free        erzeugen. In der Praxis ist man natürlich durch die Breite
      Das Bose-Einstein-Kondensat im          fall, after the magnetic fields at the      der Leiterbahn beschränkt. Unterschreitet der Abstand
      freien Fall, nachdem die Magnetfelder   chip have been turned off (bottom).         zum Draht die Breite der Leiterbahn, so wächst der Gra-
      am Chip ausgeschaltet wurden                                                        dient nicht weiter an. Um die Atome auch in axialer
      (untere Zeile).                                                                     Richtung entlang des Drahtes zu fangen verwendet man
                                                                                          ein weiteres Magnetfeld, dessen Hauptkomponente paral-
                                                                                          lel zum Draht orientiert ist und das in seiner Stärke ent-
                                                                                          lang des Drahts variiert. Dadurch ist es nicht nur möglich
                                                                                          den Wellenleiter an den Enden zu verschließen, sondern es
                                                                                          können auch zeitlich variable Potentialbarrieren erzeugt
                                                                                          werden.

                                                                                         2. Laden von Atomen in Mikrofallen

                                                                                         Um die Atome in die Mikrofalle zu laden, verwendet man
                                                                                          zunächst eine so genannte magnetooptische Falle, in der
                                                                                          die Atome gesammelt und optisch auf Temperaturen von
                                                                                          etwa 100µK vorgekühlt werden. Für den Transfer in die
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  Mikrofalle gibt es unterschiedliche Metho-      man dann eine gemeinsame Wellenfunk-
  den. Die Atome werden entweder mit              tion finden, die genauso wie die Wellen-
  magnetooptischen oder rein magneti-             funktion für ein Atom eine räumlich und
  schen Hilfspotentialen möglichst kontinu-       zeitlich abhängige Phase hat. Diese Phase
  ierlich und ohne zusätzliches Heizen in die     kann benutzt werden, um ein Materie-
  Mikrofalle überführt. Dort werden die           welleninterferometer zu konstruieren. Die
  Atome, in unserem Fall bosonisches 87Rb,        Wellenfunktion ist jetzt allerdings auf die
  durch so genanntes Verdampfungskühlen           Atomzahl normiert. Die Wellenfunktion
  bis zur Bose-Einstein-Kondensation abge-        gehorcht der sogenannten Gross-
  kühlt. Es ist aber auch möglich ein kom-        Pitaevskii-Gleichung, die sich von der
  plettes Kondensat mit einer „optischen          Schrödinger-Gleichung nur durch einen
  Pinzette”, also einem rein optischen Hilfs-     Energieterm unterscheidet, mit dem die
  potential, direkt in die Mikrofalle zu          Wechselwirkung zwischen den Atomen
  laden. Um Stöße mit den Restgasatomen           berücksichtigt wird:
  zu vermeiden, finden die Experimente im
  Ultrahochvakuum statt. Die Mikrostruk-
  turen befinden sich im Vakuum bei Raum-
  temperatur. Sie sind mit der Oberfläche
  nach unten montiert, um nach Abschal-         Der Wechselwirkungsterm g|Ψ(r,t)|2 ent-
  ten der Falle die Atome nach einer be-         hält die Teilchendichte der Atome und ist
  stimmten Fallzeit optisch abbilden zu          daher proportional zum Betragsquadrat
  können. Aus solchen Fallzeitbildern erhält     der Wellenfunktion, was die Gleichung
  man Informationen über die Teilchenzahl        nichtlinear und damit besonders interes-
  und Impulsverteilung der Atome in der          sant macht.
  Falle. Unsere experimentelle Apparatur,
  das Laden der Atome in die Mikrofalle und     4. Atome als Oberflächensonden
  die Bose-Einstein-Kondensation ist in 02
  dargestellt. Die Aufnahmen von den            Je feiner die Stromleiter strukturiert sind,
  Atomen entstehen durch den Schatten,             umso näher müssen sich die Atome an der
  den das Kondensat in einem resonanten            Chipoberfläche bewegen, um den räumli-
  Laserlicht wirft und der mit einer Optik         chen Variationen der Mikropotentiale
  auf eine CCD Kamera abgebildet wird.             auch folgen zu können. Winzige Struktu-
                                                   ren mit Abmessungen im µm-Bereich
3. Bose-Einstein-Kondensate                        wird man anstreben, wenn man erreichen
                                                   will, dass Atome zwischen zwei Potential-
Ein Gas aus identischen bosonischen Ato-           töpfen tunneln können. Tunneln zwi-
  men kann mit inzwischen sehr gut ver-            schen zwei Wellenleitern könnte z.B. ver-
  standenen optischen und thermodynami-            wendet werden um einen kohärenten
  schen Methoden auf extrem tiefe Tempe-           Strahlteiler zu realisieren. Mit möglichst
  raturen von 1 µK und darunter abgekühlt          kleinen Strukturen lassen sich außerdem
  werden. Die Wellenfunktion eines einzel-         hohe Fallenfrequenzen erreichen. Hohe
  nen Atoms innerhalb des Gases dehnt sich         Fallenfrequenzen sind günstig, um atom-
  dabei aufgrund der Orts-Impuls-Unschärfe         optische Experimente unempfindlicher
  immer mehr aus, da der Impuls des Atoms          gegen seismische und elektromagnetische
  mit sinkender Temperatur immer mehr              Störungen zu machen, die typischerweise
  auf Werte in der Nähe von Null einge-            bei niedrigen Frequenzen im Bereich bis
  schränkt wird. Ein prinzipiell neues Re-         1kHz auftreten. Wie nahe kann man also
  gime wird erreicht, wenn die Ausdehnung          die Atome an die Oberfläche bringen? Dies
  der Wellenfunktion den interatomaren             ist eine interessante Frage, da man es hier
  Abstand überschreitet und benachbarte            mit einem spektakulären Temperatur-
  Atome nicht mehr vollständig durch ihre          unterschied zu tun hat: Die Oberfläche
  Position unterschieden werden können.            der Leiterbahnen bei Raumtemperatur
  Ein Teil der Atome bildet dann einen ge-         übersteigt die Temperatur der gefangenen
  meinsamen Quantenzustand aus, der                Atome um etwa neun Größenordnungen
  durchaus mehrere Millionen Atome ent-            bei einem Abstand von nur wenigen µm.
  halten kann. Diese Atome sind in allen           Trotzdem beobachtet man bisher in den
  Eigenschaften völlig identisch. Für diesen       Experimenten keine Heizeffekte, jedoch
  Zustand (Bose-Einstein-Kondensat) kann           Atomverluste [1]. Diese entstehen durch
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                                                                   thermische Ladungsfluktua-      können. Dabei erreichen wir eine räumli-
                                                                   tionen im Leiter, die ein       che Genauigkeit von etwa zehn Nanome-
                                                                   zeitabhängiges Magnetfeld       tern.
                                                                   am Ort der Atome erzeu-        Mit der hochpräzisen Positionierung konn-
                                                                   gen. Das magnetische Mo-        ten wir unmittelbar eine Methode zur
                                                                   ment der Atome kann             richtungssensitiven Magnetfeldmikrosko-
                                                                   durch das Hochfrequenzfeld      pie demonstrieren. Die Methode beruht
                                                                   der Fluktuation seine Orien-    auf der kontrollierten Verschiebung eines
                                                                   tierung ändern und von          Bose-Einstein-Kondensats in einer bekann-
                                                                   einem gefangenen in einen       ten Magnetfalle über eine unbekannte
                                                                   ungefangenen Zustand            Feldverteilung auf einem Chip. Nachdem
                                                                   übergehen. Die Fluktuatio-      das Kondensat stets das Minimum des
                                                                   nen begrenzen die Lebens-       Potentials anzeigt, kann aus der Differenz
                                                                   dauer der Atome in der Fal-     der Soll- und der gemessenen Ist-Position
                                                                   le und damit die Dauer          der unbekannte Magnetfeldgradient be-
                                                                   atomoptischer Experimente       stimmt werden. Nach Integration der
03                                                                 auf unter einer Sekunde bei     Datenpunkte erhält man das unbekannte
     Fragmentierung ultrakalter atomarer                           Abständen von wenigen           Feld. Durch die präzise dreidimensionale
     Wolken an einem stromdurchflossenen           µm. Dies ist für eine ganze Reihe von Ex-       Positionskontrolle auf dem Bose-Einstein-
     Draht. Unser Experiment hat bewie-            perimenten noch keine sehr ernste Ein-          Chip ist es möglich, jede Raumkompo-
     sen, dass die Fragmentierung auf ein          schränkung. Für die Zukunft ist es aller-       nente eines unbekannten Magnetfeldes
     Magnetfeld zurückzuführen ist. Zu             dings interessant, die Fallenoberflächen        separat zu messen. Das wiederum ermög-
     sehen ist die Seitenansicht einer am          abzukühlen. Insbesondere, wenn man              licht die vollständige Rekonstruktion
     Chip gefangenen Wolke. Der Strom-             Atome an Festkörpersysteme, wie z.B.            einer unbekannten Feldverteilung. Das
     leiter verläuft parallel zur horizontalen     supraleitende Schaltungen, koppeln will.        Mikroskop haben wir mithilfe von Test-
     gestrichelten Linie. Im oberen Bild ist       Damit befasst sich unser aktuelles For-         strukturen, welche auf dem Bose-Einstein-
     das Testfeld parallel zur Stromrich-          schungsprojekt „Supraleitende Mikrofal-         Chip befestigt wurden, demonstriert. So
     tung, im unteren anti-parallel. Dass          len“, wie im letzten Abschnitt dieses Bei-      wurde beispielsweise das Magnetfeld einer
     sich dabei die Positionen der maxima-         trags dargestellt.                              1 mm breiten Leiterbahn und eines nano-
     len Atomdichten mit denen der               Bei der Annäherung der Atome an eine Lei-         strukturierten Magnetgitters (04a) ge-
     Minima vertauschen, beweist, dass die         teroberfläche beobachtet man noch einen         messen. Das Mikroskop bietet neue Mög-
     Fragmentierung durch eine räumliche           weiteren, sehr viel drastischeren Effekt        lichkeiten für die Entwicklung und
     Fluktuation des Magnetfelds zustande          (03). Bereits in den ersten Experimenten        Charakterisierung von Halbleiter-Bauele-
     kommt. Sie ist auf Unregelmäßigkeiten         mit ultrakalten Atomen in Mikrofallen           menten, indem Feldverteilungen über
     der Leitergeometrie zurückzuführen.           zeigte sich die bemerkenswerte Empfind-         Chips mit hoher Präzision vermessen und
     Ultrakalte Wolken und Kondensate              lichkeit der Atome auf kleinste Magnetfel-      damit Strom- und Ladungsverteilungen
     sind ultragenaue Magnetfeldsensoren!          der. Räumlich variierende Magnetfelder          im Chip bestimmt werden können.
                                                   addieren sich auf das magnetische Fallen-
     Fragmentation of ultracold atom clouds        potential und verändern die Position oder      5. Atominterferometer
     at a current carrying wire. Our experi-       Dichteverteilung der Atomwolke. Damit
     ment has shown that the fragmentation         eröffnen sich neuartige Möglichkeiten,         Das volle Potential von Atomen in Mikro-
     is due to a magnetic field. The side          ultrakalte Atome und Bose-Einstein-             fallen kommt dann zum Tragen, wenn die
     view shows a cloud trapped at the chip.       Kondensate zur hochempfindlichen Diag-          quantenmechanische Phase eines Bose-
     The current line runs parallel to the         nostik von Oberflächen und zur Messung          Einstein-Kondensats genutzt wird. Sie ist
     horizontal dashed line. In the upper          elektromagnetischer Felder an Oberflä-          Ausdruck des Wellencharakters der Atome
     graph, the test field is parallel to the      chen zu nutzen.                                 und bietet entsprechende Möglichkeiten,
     current direction; in the lower graph it    Für einen breiten Einsatz im Bereich der          die über die klassische Physik hinausge-
     is anti-parallel. The positions of            Oberflächenanalyse ist es erforderlich, ato-    hen. Zwei Kondensate, die sich dieselbe
     maximum and minimum atom densities            mare Wolken mit hoher Präzision an einer        Zeit in unterschiedlichen Potentialen be-
     are inverted by changing current              Chipoberfläche zu positionieren. Für die-       finden, sammeln eine relative Phasenver-
     direction. This proves that the frag-         sen Zweck bietet sich das in 01 dargestell-     schiebung an. Überlagert man beide Kon-
     mentation is due to spatial fluctuations      te magnetische Förderband hervorragend          densate anschließend, können sich deren
     of the magnetic field, which in turn is       an. Durch präzise Kontrolle der Ströme in       Materiewellen teilweise auslöschen und es
     caused by irregularities of the conduc-       den mikrofabrizierten Leiterbahnen wer-         entsteht ein charakteristisches Interferenz-
     tor geometry. Ultracold clouds and            den Magnetfelder erzeugt, mit denen             muster. Das ist die Grundlage der inter-
     condensates are ultra-precision               Kondensate weitgehend beliebig in drei          ferometrischen Kraftmessung. Vorausset-
     magnetic field sensors!                       Raumrichtungen über der Chipoberfläche          zung zur Realisierung solcher Materie-
                                                   transportiert und positioniert werden           wellen-Interferometer ist eine Methode,
K O N D E N S AT E A M C H I P           63

  mit der sich ein Kondensat teilen und wie-
  der zusammenführen lässt, ohne die Phase
  des Kondensats unkontrolliert zu verän-
  dern. Eine nahe liegende Möglichkeit am
  Chip ist die Verwendung eines periodi-
  schen Potentials, an dem das Kondensat
  gebeugt wird, ähnlich wie Licht in einem
  optischen Gitterspektrograph.
Die Demonstration eines solchen Beugungs-
  gitters für atomare Materiewellen auf
  einem Chip war daher ein entscheidendes
  Ziel und wurde durch die reproduzierbar
  präzise Positionierung von Bose-Einstein-
  Kondensaten an einem integrierten mag-
  netischen Gitter erreicht. Das Gitterpo-
  tential wird von dem Magnetfeld zweier
  ineinander verflochtener, mäanderförmig
  geführter Leiter gebildet. Die nur ein Mik-                                                                                                           04b
  rometer breiten Leiterbahnen haben wir                          a) Das magnetische Gitter am Chip
  mit aktueller höchstauflösender Technik                        haben wir mit mäanderförmig geführ-
  auf einem Siliziumplättchen strukturiert                        ten Leiterbahnen erzeugt. Die Leiter
  (04a). Das entstehende Magnetfeld, steigt                                haben eine Breite von einem
  zur Chipoberfläche hin exponentiell an                                                  Mikrometer.
  und ändert entlang der Oberfläche alle
  vier Mikrometer periodisch seine Rich-                         b) Schwingt das Kondensat gegen das
  tung. Der exponentielle Anstieg wirkt wie                        Gitter, wird es gebeugt: S=0 unge-                                                   04a
  eine Art „elektromagnetische Reflexions-                         beugtes Kondensat, S=1.2 und 1.4        a) The magnetic lattice at the chip is
  beschichtung” und verhindert, dass Ato-                       gebeugte Kondensate mit zunehmender         realized by meandering current lines;
  me die Chipoberfläche berühren. Wegen                              Stärke der Beugung. Die vertikal      those have a width of one micrometer.
  der periodischen Modulation des Poten-                           gemittelten Dichteprofile zeigen die
  tials wird das Kondensat jedoch nicht nur                     Beugungsordnungen. Gestrichelt ist der         b) When the condensate approaches
  reflektiert, sondern auch gebeugt. Die                          Untergrund thermischer Atome. Die               the lattice, it is diffracted: S=0
  Beugung entsteht durch die Modulation                         inkohärente Summe (rote Linie) ergibt         undiffracted condensate, S=1.2 and
  der makroskopischen Phase des Konden-                            die Gesamtatomzahl. Die Form des                  1.4 diffracted condensate with
  sats während der Berührung mit dem                                 Kondensats wird jedoch erst durch         increasing order of diffraction. The
  Gitterpotential.                                              Berücksichtigung der quantenmechani-            vertically averaged density profiles
Eine einfallende Materiewelle spaltet sich bei                         schen Phase und Interferenz der    show the diffraction orders. The dashed
  der Beugung in mehrere Wellen mit                                       gebeugten Ordnungen korrekt        line is the background due to thermal
  unterschiedlichen Wellenlängen auf. Die                                                  beschrieben.     atoms. The incoherent sum (red line)
  verschiedenen Wellenlängen entsprechen                                                                    yields the total number of atoms. The
  verschiedenen Geschwindigkeiten parallel                                                                  shape of the condensate, however, can
  zur Oberfläche, so dass sich das Kondensat                                                                      only be described correctly if the
  im zeitlichen Verlauf auch räumlich in           der „über Kopf” montierten Oberfläche                   quantum-mechanical phase and inter-
  mehrere „Beugungsordnungen” aufteilt.            des Chips weg. In Abwesenheit der Fallen-                   ference of the diffraction orders are
  Die Stärke der Beugung wird durch die            potentiale dehnen sich die einzelnen Beu-                                      taken into account.
  Amplitude der Magnetfeldmodulation               gungsordnungen aufgrund der abstoßen-
  bestimmt und kann daher mit dem Strom            den Kraft zwischen den Atomen räumlich
  im Gitter eingestellt werden. 04b zeigt          weiter aus. Das resultierende Interferenz-
  die Beugungsordnungen rechts und links           muster der sich überlagernden Beugungs-
  vom ursprünglichen Kondensat. Mit                ordnungen kann jetzt mit einer Kamera
  wachsender Modulationsamplitude wer-             beobachtet werden (04b).
  den sie zunehmend ausgeprägter. Nach           Bei dieser neuen interferometrischen Metho-
  dem Kontakt mit dem Gitter und einer             de beruht das Aufteilen des Kondensats auf
  kurzen nachfolgenden Zeit, in der sich die       einer Phasenmodulation und die Rekombi-
  Beugungsordnungen um wenige Mikro-               nation der Wellenpakete erfolgt aufgrund
  meter räumlich trennen, werden alle              der repulsiven Wechselwirkung zwischen
  Ströme des Chips ausgeschaltet. Das              den Atomen. Ein besonderes Merkmal die-
  Kondensat bewegt sich im freien Fall von         ser neuen Methode ist, dass durch das
64   THEM ENHEFT FORSCHUNG   Q U A N T E N M AT E R I E

                               simultane Auftreten von benachbarten             lyse und in der medizinischen Diagnostik
                               Beugungsordnungen nicht nur Kräfte,              bei der Messung von schwachen Magnet-
                               sondern auch deren Gradienten und höhe-          feldern. Bei einem SQUID handelt es sich
                               re Ableitungen gemessen werden können.           im Prinzip um einen supraleitenden Ring,
                               Solche integrierte Atominterferometer            der von einem oder zwei Josephson-Kon-
                               sind als integrierte, hochempfindliche           takten unterbrochen ist. Die Funktions-
                               Kraftsensoren besonders interessant. Noch        weise von SQUIDs beruht auf der Kombi-
                               bevor eine Kraft den Schwerpunkt eines           nation der Flussquantisierung mit dem
                               einzelnen frei schwebenden Atoms ver-            Josephson-Effekt in Supraleitern. Hierbei
                               schieben könnte, reagiert die quantenme-         bewirkt die Änderung des magnetischen
                               chanische Phase der Atome im Kondensat           Flusses im SQUID-Ring ein messbares
                               auf die Kraft und die interferometrische         Spannungssignal, und die Funktionsweise
                               Messung gibt Vollausschlag.                      eines SQUIDs kann auch als räumliches
                                                                                Interferometer der Wellenfunktionen der
                             6. Supraleitende Mikrofallen                       Supraleiter in den beiden Armen des
                                                                                SQUID-Rings aufgefasst werden. Ähnliche
                             Supraleitung ist eines der faszinierendsten        Ringinterferometer sind vor kurzem mit
                               Phänomene in der Festkörperphysik.               Bose-Einstein-Kondensaten ebenfalls
                               Durch eine Paarung von Elektronen zu             demonstriert worden.
                               sogenannten „Cooper-Paaren“ bei tiefen          Neben diesen prinzipiellen Ähnlichkeiten
                               Temperaturen verschwindet der elektri-           weisen Supraleiter und Kondensate jedoch
                               sche Widerstand, und das Magnetfeld wird         auch wesentliche Unterschiede auf. Zum
                               aus dem Supraleiter verdrängt („Meissner-        einen haben Cooper-Paare eine elektrische
                               Effekt“) oder in ein Gitter aus sogenann-        Ladung, während Atome neutral sind,
                               ten Abrikosov-Flusswirbeln gezwungen             zum anderen findet die Supraleitung in
                               (siehe 01 in [2]). Hierbei trägt jeder Fluss-    dichten atomaren Gittern von Festkörpern
                               wirbel den quantisierten magnetischen            statt, während Kondensatatome bei extrem
                               Fluss Φ0 = 2.07·10-15 Tesla·m2. Man spricht      kleinen Dichten, etwa 1.000mal dünner als
                               hier von einem Flusswirbel, oder „Vortex“,       Luft, in optischen oder magnetischen Fal-
                               da dieser von supraleitenden zirkulieren-        lenpotentialen im Vakuum schweben.
                               den Ringströmen umgeben ist. Die Quan-           Kann man denn diese, bereits einzeln sehr
                               tisierung dieser Flusswirbel ist hierbei eine    vielseitigen Quantensysteme miteinander
                               direkte Konsequenz aus der Tatsache, dass        in Wechselwirkung bringen, um eine kohä-
                               die Gesamtheit aller Cooper-Paare durch          rente Kopplung zwischen atomaren Gasen
                               eine einzige „makroskopische“ Wellen-            und Festkörpern zu realisieren? Mit dieser
                               funktion beschrieben werden kann (für            Frage befassen wir uns im Rahmen des
                               weitere Informationen zur Supraleitung           Sonderforschungsbereichs SFB TRR21.
                               und Flussquantisierung siehe [2]).              Um ultrakalte Atome an Supraleiter heran-
                             Das makroskopische Quantenphänomen der             zuführen haben wir einen Helium-Durch-
                               Supraleitung ist mit der Bose-Einstein-          flusskryostaten in eine Bose-Einstein-
                               Kondensation von Atomen eng verwandt.            Apparatur integriert. Der Kryostat hängt
                               In beiden Fällen kann man dem System             frei als „Kaltfinger“ neben den Elektro-
                               eine Wellenfunktion zuordnen und die             magneten der BEC-Apparatur im Vaku-
                               physikalischen Vorgänge auf Wellenverhal-        um. Die Temperatur des Kaltfingers kann
                               ten und eine Vielzahl von Interferenz-           hierbei variabel zwischen Raumtempera-
                               effekten zurückführen. Die Josephson-            tur (ca. 300 K) und der Siedetemperatur
                               Oszillationen zwischen zwei Supraleitern         von flüssigem Helium (ca. 4 K) eingestellt
                               sind schon lange bekannt. Hierbei handelt        werden. Als supraleitendes Material ver-
                               es sich um eine zeitliche Interferenz der        wenden wir derzeit Niob (Nb), das unter-
                               Wellenfunktionen von zwei Supraleitern,          halb der Sprungtemperatur Tc = 9 K
                               die über eine „Schwachstelle“ (dem               supraleitend wird. Alternativ können aber
                               Josephson-Kontakt) gekoppelt sind. Bose-         auch sogenannte „Hochtemperatur-
                               Einstein-Kondensate zeigen ähnliches             supraleiter“, wie z.B. YBa2Cu3O7 (YBCO,
                               Verhalten, wenn man sie in einem Dop-            Tc = 92 K), verwendet werden. Atome
                               pelmuldenpotential miteinander schwach           werden zunächst in einer magnetoopti-
                               koppelt. Supraleitende Quanteninterfero-         schen Falle gefangen, darauf folgend in
                               meter (SQUIDs) finden bereits breite An-         Magnetfallen auf Temperaturen von weni-
                               wendung, vor allem in der Materialana-           gen Mikrokelvin gekühlt und schließlich
K O N D E N S AT E A M C H I P           65

  mit einer „optischen Pinzette“ zur Ober-
  fläche des Kryostaten transportiert. Am
  Kryostat wird die Atomwolke in das Mag-
  netfeld einer supraleitenden Falle geladen.
Supraleitenden Fallen stellen wir im Haus
  her. Diese bestehen aus mikrostrukturier-
  ten Nb-Dünnfilmleiterbahnen mit typi-
  schen Strukturbreiten ähnlich zu den
  Gold-Mäandern in 04a. In 05a ist das
  Design einer solchen supraleitenden
  Mikrofalle gezeigt. Zehn geschlossene Nb-
  Leiterbahnen der Breite von 2 μm sind in
  einem Quadrat angeordnet. Kühlt man
  diese Struktur in einem Magnetfeld unter
  die kritische Temperatur und schaltet
  anschließend das Magnetfeld ab, so werden                                                                                                      05
  in den Nb-Leitern Dauerströme angewor-                                                                   (a) Design der supraleitenden
  fen die in den Ringstrukturen verlustfrei        anordnung aus. Man kann aber durch ge-          Mikrofalle für den Betrieb im „persi-
  zirkulieren ohne dass die Ströme von             zieltes Einbringen von Defekten geeigneter        stent Mode“. Mehrere Leiterbahnen
  einer externen Stromquelle gespeist wer-         Größe – im einfachsten Fall sind dies            sind ringförmig angeordnet. An einer
  den müssen. Man spricht in diesem Fall           „Antidots“, d.h. Löcher im supraleitenden           Stelle des Rings sind einige Leiter
  von einem „persistent Mode“ Betrieb. Die-        Film – die Flusswirbel an diesen Defekten                        S-förmig angeordnet.
  ser hat den Vorteil, dass aufgrund der           verankern und dadurch in verschiedenste              Hier entsteht das Fallenpotential.
  Flussquantisierung in einem supraleiten-         Konfigurationen zwingen. Ein interessan-           (b) Rasterelektronenmikroskopische
  den Ring der Effekt von externen fluktu-         tes Beispiel ist in 06 dargestellt: Hier bil-            Aufnahme der supraleitenden
  ierenden Magnetfeldern auf elegante Weise        den die Antidots im Nb-Film ein Penrose-                Mikrofalle, bestehend aus Nb-
  abgeschirmt wird und die supraleitende           Muster; diese regelmäßige Anordnung von         Dünnfilmleiterbahnen mit 2 μm Breite
  Falle mit einer extrem hohen Stabilität          „dicken“ und „dünnen“ Rhomben zeich-              im gegenseitigen Abstand von 2 μm.
  arbeitet. An einer Stelle der quadratischen      net sich dadurch aus, dass sie keine Trans-
  Struktur verlaufen Teile der Leiter in einer     lationssymmetrie aufweist. Eine solche            (a) Design of superconducting micro-
  S-Form. An dieser Stelle erzeugen die            Anordnung wird auch als „Quasikristall“          trap for operation in a persistent mode.
  Supraströme eine (magnetische) Potential-        bezeichnet. Unsere Experimente an sol-            Several current lines are arranged in a
  mulde für das Kondensat von Atomen.              chen Strukturen haben gezeigt, dass in           closed circular geometry. At one loca-
Der Einsatz supraleitender Fallenstrukturen        „passenden“ Magnetfeldern die Anord-                   tion within the ring geometry some
  lässt eine drastische Reduzierung der            nung der Flusswirbel kommensurabel mit          lines form an S-shaped structure, which
  Atomverluste aufgrund thermischer Fluk-          dem Antidot-Gitter ist, d.h. dass sich ein                  creates the trapping potential.
  tuationen in den Stromleitern erwarten.          „Vortex-Quasikristall“ ausbildet. Damit                 (b) Scanning electron microscope
  Dies sollte also zu einer enormen Erhö-          eröffnen sich möglicherweise völlig neuar-           image of the superconducting micro-
  hung der Lebensdauern der Kondensate             tige Wege der Strukturierung von BECs in        trap, consisting of Nb thin film current
  führen, was in einem der ersten Experi-          zweidimensionalen Fallenpotentialen.               lines of 2 μm width with a separation
  mente mit unseren supraleitenden Fallen        Vor dem Einsatz komplexer supraleitender                                            of 2 μm.
  experimentell überprüft werden soll. Die-        Strukturen haben wir ein einfaches Ex-
  ser zunächst rein technische Vorteil gegen-      periment durchgeführt, in dem die supra-
  über normalleitenden Mikrofallen ermög-          leitende Falle aus einem einfachen Niob-
  licht die Strukturierung von Kondensaten         draht besteht. Das Ziel war, die neue Tech-
  auf den physikalisch relevanten Längen-          nologie des Kryostaten im BEC-System zu
  skalen im Mikrometerbereich, und da-             testen. Es ist uns dabei gelungen, Atome
  durch eröffnen sich eine Vielzahl von Mög-       effizient in die supraleitende Falle zu
  lichkeiten für neue spannende Experi-            laden, und wir haben bereits den Meißner-
  mente.                                           Effekt des Supraleiters mit kalten Atomen
Zudem kann man versuchen die spezielle             detektiert. Als nächstes stehen experimen-
  Eigenschaft von Supraleitern im Magnet-          telle Aufgaben zur Spin-Kohärenz von
  feld – die spontane Ausbildung von quanti-       Atomen an der supraleitenden Oberfläche
  sierten Flusswirbeln – für die Realisierung      und zur Kopplung von Atomen an supra-
  neuartiger zweidimensionaler Fallenpoten-        leitende Schaltungen an. Auf diesem expe-
  tiale auszunutzen. Im homogenen „Typ-II          rimentellen Neuland ist besonders span-
  Supraleiter“ bildet sich ein periodisches        nende Physik zu erwarten.
  Abrikosov-Vortexgitter in einer Dreiecks-
66   THEM ENHEFT FORSCHUNG                    Q U A N T E N M AT E R I E

                                              7. Ausblick                                                  kräften, wie sie bei Rotationen oder Be-
                                                                                                           schleunigungen auftreten, sondern bietet
                                              Ähnlich zu elektronischen Heterostruktu-                     auch die Möglichkeit, gespeicherte Atome
                                                ren, in denen die Wellenfunktionen der                     mit anderen nanoskaligen Objekten, Mak-
                                                Elektronen auf vielseitige Weise maßge-                    romolekülen, oder Nano-Instrumenten,
                                                schneidert werden können, bieten Experi-                   wie z.B. supraleitende Schaltungen oder
                                                mente mit Bose-Einstein-Kondensaten an                     nanomechanische Resonatoren, kontrol-
                                                Chipoberflächen einzigartige Möglichkei-                   liert in Wechselwirkung zu bringen. Die
                                                ten, atomare Materiewellen zu manipulie-                   Konstruktion von Quanteninstrumenten
                                                ren und für neue Technologien nutzbar zu                   auf der Grundlage dieser neuen Technolo-
06                                              machen. Die winzigen Wolken ultrakalter                    gien an der Schnittstelle der Physik ultra-
     Rasterelektronenmikroskopische             Atome sind interferenzfähig und verhalten                  kalter Quantengase und der Nanowissen-
     Aufnahme eines Nb Dünnfilms mit            sich ähnlich wie Laserlicht in einer Glas-                 schaften ist ein lohnendes und äußerst fas-
     nanostrukturierten Löchern (Antidots).     faser. Der Chip kann dabei alle „atomopti-                 zinierendes Ziel, welches wir in unseren
     Die Antidots sind auf den Kreuzungs-       schen” Komponenten enthalten, die zur                      Arbeitgruppen aktiv verfolgen.                 •
     punkten eines 5-faltigen Penrose-          Manipulation notwendig sind. Zur Detek-                       József Fortágh, Dieter Kölle, Claus Zimmermann
     Gitters (gelbe Linien) platziert.          tion des Interferenzmusters entwickeln wir
                                                neuartige Detektoren, welche in der Lage                 Referenzen
     Scanning electron microscope image of      sind, einzelne Atome nachzuweisen.
     a Nb thin film with nanopatterned        Die sich aus Mikrofallen entwickelnde neue                 [1] J. Fortágh and C. Zimmermann, Rev.
     holes (antidots). The antidots are         Quantentechnologie findet ihre Anwen-                       Mod. Phys. 79, 235 (2007).
     placed on the vertices of a 5-fold         dung nicht nur in hochsensitiven Messun-                 [2] E. Goldobin, R. Kleiner, D. Kölle, W.
     Penrose lattice (yellow lines).            gen magnetischer oder elektrischer Kräfte                   Schleich, K. Vogel, R. Walser, „Fraktionale
                                                bei sehr kleinen Abständen und in inter-                    Flussquanten – Steuerbare „Atome“ im
                                                ferometrischen Messungen von Inertial-                      Supraleiter“ (in diesem Heft).

     D I E AU TO R E N

                                                                       Claus Zimmermann
                                                                       (l.) promovierte 1990 in München und ist seit 1998 Professor in Tübingen. Bevor er
                                                                       sich der Physik ultrakalter Atome zuwandte, lag sein Hauptinteresse im Bereich der
                                                                       Präzisionsspektroskopie und der Entwicklung von Laserquellen mit Hilfe von Halbleiter-
                                                                       lasern und Frequenzkonversion in nichtlinearen Kristallen. Seine aktuellen Forschungs-
                                                                       interessen sind ultrakalte Gemische, Quantengase in optischen Resonatoren, und
                                                                       Quantenoptik an Oberflächen.

                                                                       József Fortágh
     (m.) hat in Budapest und München studiert und 2003 in Tübingen promoviert. Er kam über sein Interesse an statistischer Physik und Festkörperphysik
     zu den Experimenten an ultrakalten atomaren Gasen. Seine aktuellen Forschungsinteressen sind an der Schnittstelle der Atom- und Festkörperphysik an-
     gesiedelt. Er entwickelt supraleitende Mikrofallen für ultrakalte Atome und untersucht die Wechselwirkung von Atomen mit Oberflächen. Für sein Projekt
     „Kohlenstoff-Nanoröhrchen und Quantengase“ erhielt er 2006 den Forschungspreis „NanoFutur“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
     Seit 2007 ist er Professor für Experimentalphysik in Tübingen.

     Dieter Kölle
     (r.) studierte in Tübingen (Promotion 1992) und war anschließend an der UC Berkeley, der Universität Köln und am Forschungszentrum Jülich tätig.
     Seit 2001 ist er Professor für Experimentalphysik im Bereich Festkörperphysik in Tübingen. Seine aktuellen Forschungsinteressen liegen im Bereich supra-
     leitender und magnetischer Schichtsysteme, mit Schwerpunkten auf Dünnschichttechnologie, Josephson-Kontakte, SQUIDs, nicht-lineare Dynamik und
     abbildende Verfahren bei tiefen Temperaturen.

     Kontakt
      Physikalisches Institut der Eberhard Karls Universität Tübingen, CQ Center for Collective Quantum Phenomena and their Applications
      Auf der Morgenstelle 14, 72076 Tübingen, Tel.: 07071/2976270, Fax: 07071/295829
      E-Mail: fortagh@uni-tuebingen.de, Internet: www.CQ.physik.uni-tuebingen.de
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