Rohstoffstrategie der Bundesregierung - Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen

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Rohstoffstrategie der Bundesregierung - Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen
Energie

Rohstoffstrategie
der Bundesregierung
Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands
mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen

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Rohstoffstrategie der Bundesregierung - Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen
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Stand
Oktober 2010
Rohstoffstrategie der Bundesregierung - Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen
Energie

Rohstoffstrategie
der Bundesregierung
Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands
mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen
Rohstoffstrategie der Bundesregierung - Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen
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Rohstoffstrategie der Bundesregierung - Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen
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     Inhalt

1.    Vorbemerkung...................................................................................................................................... 6

2.    Ordnungspolitischer Rahmen.. ............................................................................................................ 8

3.    Bekämpfung von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen......................................... 9

4.    Maßnahmen zu Diversifizierung von Rohstoffbezugsquellen.........................................................10

5.    Rohstoffeffizienz ................................................................................................................................ 13

6. Recycling.. ............................................................................................................................................ 13

7.    Rohstoffe in der Wertschöpfungskette . .......................................................................................... 15

8. Materialeffizienz................................................................................................................................. 15

9. Förderung der Aus- und Weiterbildung ausländischer Fach- und Führungskräfte
		 im Rohstoffbereich . ...........................................................................................................................18

10. Bedeutung von Derivaten und Finanzfragen im Rohstoffhandel ...................................................19

11. Strukturelle Maßnahmen . ................................................................................................................ 20

12. Politische Flankierung . ...................................................................................................................... 21

13. Entwicklungszusammenarbeit.......................................................................................................... 22

14. Bilaterale Rohstoffpartnerschaften . ............................................................................................... 24

15. Europäische Rohstoffpolitik.............................................................................................................. 25

16. Rohstoffpolitik im internationalen Kontext.................................................................................... 26
Rohstoffstrategie der Bundesregierung - Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen
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    Vorbemerkung

                                                                 Maße geologisch verfügbar. Verknappungen können
                                                                 lediglich dann vorüber­gehend entstehen, wenn zu
                                                                 wenig exploriert wird, Engpässe bei den Gewin­
                                                                 nungs-, Transport- oder Verarbeitungskapazitäten,
                                                                 Spekulationseffekte oder politische Markteingriffe
                                                                 auftreten; die Preissignale werden aber, eventuell mit
                                                                 mehrjähriger Verzögerung, zu einer Balance zwischen
                                                                 Angebot und Nachfrage führen.

                                                                     Rohstoffpolitik und Rohstoffwirtschaft tragen
                                                                 eine besondere Verantwortung: Natürliche Lebens­
                                                                 grundlagen müssen in Verantwortung für künftige
                                                                 Generationen erhalten bleiben und geschützt werden.
                                                                 Dies erfordert, dass der Leitgedanke der Nachhaltigen
    Die Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versor­            Entwicklung bei der Gewinnung und Nutzung von
    gung der Industrie mit mineralischen Rohstoffen ist          Bodenschätzen, bei der Gestaltung, Produktion und
    von grundlegender Bedeutung für die Wirtschaft               Nutzung von Gütern und bei der Verwertung von
    Deutschlands. Dies trifft in besonderem Maß für die          Wertstoffen in Abfallströmen möglichst umfassend
    Industrierohstoffe zu, bei denen eine hohe Import­           implementiert wird.
    abhängigkeit besteht.
                                                                      In 2007 hat die Bundesregierung auf der Grund­
           Nachhaltige Rohstoffpolitik ist integraler Bestand­   lage eines intensiven Dialogs zwischen Wirtschaft
    ­teil der Wirtschaftspolitik. Unter den Bedingungen          und Politik Elemente einer Rohstoffstrategie ent­
     der Marktwirtschaft und eines fairen Welthandels            wickelt und zur Richtschnur ihres Handelns erklärt.
     gleichen sich Angebot und Nachfrage auch bei Markt­         Gleichzeitig hat die Bundeskanzlerin 2007 einen
     änderungen immer wieder aneinander an. Funktio­             Interministeriellen Ausschuss Rohstoffe (IMA Roh­
     nie­­rende Märkte sorgen so für stabile Verhältnisse        stoffe) eingesetzt, der rohstoffbezogene Problem­
     und langfristige Versorgungssicherheit. Gravierende         bereiche der Wirtschaft identifiziert und ressortüber­
     Marktstörungen können allerdings zu Verwerfungen            greifende Lösungsansätze entwickelt. Der Vorsitz
     führen, die erhebliche Auswirkungen auf Wirtschaft,         wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und
     Umwelt und Beschäftigung haben können. Die Roh­             Technologie (BMWi) wahrgenommen. Dem Bundes­
     stoffstrategie soll dazu beitragen, mit geeigneten          tag wurde 2009 ein umfassender Zwischenbericht
     rohstoffpolitischen Maßnahmen derartige Markt­              über die Tätigkeit des IMA Rohstoffe vorgelegt.
     störungen zu begrenzen und ihre Folgen zu mildern.
     Gleichzeitig will die Bundesregierung durch die                 Mit dieser frühzeitigen strategischen Vorgehens­
     Schaffung politischer, rechtlicher und institutioneller     weise hat die Bundesregierung auch international
     Rahmenbedingungen ihren Beitrag zu einer nach­              eine Vorreiterrolle übernommen. Nicht zuletzt die
     haltigen, international wettbewerbsfähigen Rohstoff­        rohstoffpolitische Diskussion in Deutschland hat dazu
     versorgung der deutschen Industrie leisten.                 geführt, dass die EU-Kommission im Jahr 2008 eine
                                                                 EU-Rohstoffstrategie1 vorgelegt hat. Im Mittelpunkt
         Mineralische Rohstoffe sind Bodenschätze aus            der EU-Initiative stehen Themen, die effizienter und
    natürlichen Lagerstätten, die durch Bergbau gewon­           mit größerem Nachdruck auf EU-Ebene vorangebracht
    nen werden. Lagerstätten sind Ergebnis geologischer          werden können, vor allem im Bereich der Handels-
    Prozesse, sie sind damit ortsgebunden, räumlich              und Entwicklungspolitik. Mitte Juni 2010 hat die EU-
    begrenzt und nicht reproduzierbar. Gegenwärtig sind          Kommission im Rahmen ihrer Rohstoffinitiative
    bei Rohstoffen weltweit keine physischen Verknap­
                                                                  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und
                                                                 1
    pungen zu befürchten. Einzige Ausnahme dürfte in
                                                                  den Rat: Die Rohstoff-Initiative – Sicherung der Versorgung
    absehbarer Zeit der Rohstoff Erdöl sein. Alle anderen         Europas mit den für Wachstum und Beschäftigung notwendi­
    Rohstoffe sind weltweit zur Zeit in ausreichendem             gen Gütern (Dok. 16053/08 – KOM (2008) 699 endg.)
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Berichte zweier Expertengruppen vorgelegt, die effi­                  legend verändern werden. Es ist sicherzustellen, dass
ziente Genehmigungsverfahren für Rohstoffgewin­                       wichtige Innovationen, u. a. im Bereich von Umwelt­
nungsvorhaben2 in den EU-Mitgliedstaaten („best                       technologien, nicht durch mangelnde Rohstoffver­
practices“) aufzeigen sowie für die Gemeinschaftsin­                  fügbarkeiten behindert werden.
dustrien kritische Rohstoffe3 identifizieren. Auf dieser              3 In der rohstoffverarbeitenden Industrie setzt sich
Grundlage beabsichtigt die EU-Kommission in enger                     zunehmend die Erkenntnis durch, dass Verknappun­
Abstimmung mit den Mitgliedstaaten am Ende dieses                     gen an den Rohstoffmärkten zu Produktionsein­
Jahres Schlussfolgerungen und Empfehlungen in einer                   schränkungen führen und Innovationen behindern
Mitteilung vorzulegen. Ziel wird sein, Fragen der                     können. Hier ist auch die Eigenverantwortung der
ge­sicherten Rohstoffversorgung noch stärker in die                   Industrie gefordert, rechtzeitig Antworten auf mög­
Handels-, Industrie- und Entwicklungspolitik der                      liche Engpässe zu entwickeln.
Gemeinschaft einzubinden und Fragen der Senkung                       3 Die EU-Kommission hat eine Rohstoffinitiative er­
des Primärrohstoffverbrauchs durch Recycling sowie                    griffen, mit der die nationale Rohstoffpolitik Deutsch­
Forschung und Entwicklung anzugehen.                                  lands eng verzahnt werden muss.

    Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages                      Kernziele der weiterentwickelten Rohstoffstrategie
trägt die EU in Zukunft eine größere Verantwortung                    der Bundesregierung sind:
beim Schutz ausländischer Direktinvestitionen, was                    3 Abbau von Handelshemmnissen und Wettbe­
gerade im Rohstoffsektor eine zunehmende Bedeu­                       werbsverzerrungen,
tung erlangt.                                                         3 Unterstützung der deutschen Wirtschaft bei der
                                                                      Diversifizierung ihrer Rohstoffbezugsquellen,
    Auf nationaler Ebene hat der Bundeswirtschafts­                   3 Unterstützung der Wirtschaft bei der Erschlie­
minister im Mai und Juni 2010 einen weiteren Rohstoff­                ßung von Synergien durch nachhaltiges Wirtschaften
dialog mit Vertretern des BDI, der rohstoffver­arbei­ten­             und Steigerung der Materialeffizienz,
den Industrie, der Recyclingwirtschaft und Gewerk­­                   3 Weiterentwicklung von Technologien und
schaften initiiert. Die Ergebnisse dieses Rohstoffdialogs             Instrumenten zur Verbesserung der Rahmenbedin­
sind in diese Rohstoffstrategie eingegangen.                          gungen für das Recycling,
                                                                      3 Aufbau bilateraler Rohstoffpartnerschaften mit
      Die Weiterentwicklung der „Elemente einer Roh­                  ausgewählten Ländern,
stoffstrategie der Bundesregierung“ vom März 2007                     3 Eröffnung neuer Optionen durch Substitutions-
ist insbesondere aus folgenden Gründen erforderlich                   und Materialforschung,
geworden:                                                             3 Fokussierung rohstoffbezogener Forschungspro­
3 Wichtige rohstoffverbrauchende Entwicklungs-                        gramme,
und Schwellenländer, insbesondere China und                           3 Herstellung von Transparenz und Good Gover­
Indien, haben mittlerweile ihre Rohstoffpolitik strate­               nance bei der Rohstoffgewinnung,
gisch ausgerichtet und Maßnahmen ergriffen, um                        3 Verzahnung nationaler Maßnahmen mit der
ihre rohstoffwirtschaftlichen Interessen zu befriedi­                 europäischen Rohstoffpolitik.
gen. Dies kann mittelfristig Auswirkungen für deut­
sche und europäische Unternehmen beim Zugang                          Die Bundesregierung ist bestrebt, Maßnahmen im Zu­
zu Rohstoffbezugsquellen haben.                                       sammenhang mit diesen Zielen im Sinne des Leitge­
3 Neue Studien lassen erkennen, dass sich die Roh­                    dankens der Nachhaltigen Entwicklung ausgewogen
stoffbedarfsprofile in den kommenden Jahrzehnten                      umzusetzen. Dabei sollen ökonomische, ökologische
aufgrund neuer Technologieentwicklungen grund­                        und soziale Belange einer nachhaltigen Rohstoffwirt­
                                                                      schaft gleichrangig berücksichtigt werden. Darüber
2
  Improving framework conditions for extracting minerals for         hinaus strebt die Bundesregierung mit dieser Roh­
   the EU. Report of the Ad-hoc Working Group on Exchanging
                                                                      stoffstrategie einen ganzheitlichen rohstoffpolitischen
   Best Practice on Land Use Planning, Permitting and Geological
   Knowledge Sharing. Europäische Kommission, Juni 2010.              Ansatz für eine möglichst enge Verzahnung aller
3
   Critical raw materials for the EU. Report of the Ad-hoc Working   natio­nalen und internationalen politischen Ebenen
    Group on defining critical raw materials. Europäische Kom­        im Bereich der Rohstoffpolitik an.
    mission, Juni 2010.
Rohstoffstrategie der Bundesregierung - Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen
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    2
    Ordnungspolitischer Rahmen

    Die Bundesregierung ist sich mit der Wirtschaft einig,        Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, im Be­
    dass es grundsätzlich Aufgabe der Wirtschaftsunter­      reich der Rohstoffwirtschaft selbst unternehmerisch
    nehmen ist, ihre Rohstoffversorgung sicherzustellen.     tätig zu werden, etwa durch Gründung einer Staats­
    Die staatlichen Aktivitäten auf Bundesebene konzen­      gesellschaft für Explorations- oder Rohstoffgewin­
    trieren sich darauf, die Rohstoffsicherungsbemühun­      nungsvorhaben. Auch einer staatlichen Bevorratung
    gen der Wirtschaft nachdrücklich und effizient zu        von Industrierohstoffen steht die Bundesregierung
    flankieren, wobei sich konkrete Maßnahmen am Leit­       ablehnend gegenüber.
    gedanken der Nachhaltigen Entwicklung orientieren.
                                                                   Die Bundesregierung unterstreicht, dass nachhal­
        Die flankierenden Maßnahmen betreffen vor            tige Entwicklung sowie wirtschaftlicher und sozialer
    allem die Unterstützung der Wirtschaft durch das         Fortschritt ohne gute Regierungsführung, ohne Ach­
    rohstoffpolitische Förderinstrumentarium, die For­       tung der Menschenrechte und ohne Beachtung öko­
    schungsförderung sowie die kohärente gestaltende         logischer und sozialer Standards nicht möglich ist. Sie
    Rohstoffaußenpolitik unter Berücksichtigung außen-,      tritt verstärkt dafür ein, dass die deutsche Wirtschaft
    wirtschafts- und entwicklungspolitischer Ziele. Die      unternehmerisches Handeln an international aner­
    Bundesregierung setzt sich darüber hinaus bei den        kannten Instrumenten und Initiativen wie der OECD-
    Landesregierungen dafür ein, dass bei der Explora­       Leitsätze für multinationale Unternehmen ausrichtet.
    tion und Gewinnung heimischer Rohstoffe den Inter­
    essen der Rohstoffwirtschaft im Rahmen der Raum­
    ordnung und Landesplanung sowie bei Geneh­mi­
    gungs­verfah­ren angemessen Rechnung getragen
    wird.
Rohstoffstrategie der Bundesregierung - Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen
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3
Bekämpfung von Handelshemmnissen
und Wettbewerbsverzerrungen

Bodenschätze sind ortsgebunden und – global ge­          Reform des Allgemeinen Präferenzsystems – soweit
sehen – ungleich verteilt. Der weltweite Handel von      ärmere und ärmste Entwicklungsländer nicht nach­
Rohstoffen und Verarbeitungsprodukten ist daher          teilig betroffen sind – zusätzlich berücksichtigt
zwingend. Deshalb ist für die weltwirtschaftliche Ent­   werden. Ebenso wird die Bundesregierung den bilate­
wicklung ein möglichst unbeschränkter, fairer Han­       ralen Dialog mit Ländern, die Handels- und Wettbe­
del mit Rohstoffen besonders wichtig. Dies hat auch      werbsverzerrungen einsetzen, noch konsequenter
die Welthandelsorganisation WTO in ihrem jüngsten        nutzen, um einen Abbau politischer Eingriffe in die
Bericht mit Nachdruck unterstrichen.4                    Märkte zu erzielen.

     Die stark gestiegene Nachfrage nach zahlreichen         Der Abbau von Exportbeschränkungen spielt
wichtigen Industrierohstoffen hat allerdings dazu        eine wichtige Rolle für eine gesicherte Rohstoffver­
geführt, dass verschiedene Länder handelspolitische      sorgung. Armen/ärmsten Entwicklungsländern sollte
Maßnahmen (u. a. Exportzölle, Exportquoten, Import­      eine gewisse Flexibilität wie Übergangsfristen beim
vergünstigungen) ergriffen haben, die die jeweilige      Zollabbau eingeräumt werden, um Alternativen zur
heimische Industrie begünstigen und damit den in­        Sicherstellung der Staatseinnahmen aufzubauen.
ternationalen Wettbewerb verzerren. Exportrestrik­
tionen wie Exportzölle, ‑quoten u. Ä. sind vor allem
bei metallischen Rohstoffen aber auch Energieträ­
gern zu verzeichnen. Dieses Vorgehen kann mittel­
fristig Wachstum und Beschäftigung in Deutschland
gefährden.

     Die Bundesregierung wird deshalb im Rahmen
der EU-Handelspolitik nachdrücklich darauf drän­
gen, dass den Verzerrungen im internationalen Roh­
stoffhandel noch konsequenter als bisher begegnet
wird. Dazu werden sämtliche Möglichkeiten auf mul­
tilateraler (v. a. WTO-Beitrittsverhandlungen, Streit­
schlichtungsverfahren) als auch auf bilateraler
EU-Ebene (Freihandelsabkommen, bilateraler Dialog)
umfassend genutzt und ausgeschöpft. Zusätzlich
sollen auch einseitig gewährte Handelspräferenzen
der EU in dieser Hinsicht überprüft werden. So sollte
aus Sicht der Bundesregierung die rohstoffpolitische
Interessenlage der EU im Rahmen der anstehenden
                                                         4
                                                             WTO Annual Report 2010
Rohstoffstrategie der Bundesregierung - Sicherung einer nachhaltigen Rohstoffversorgung Deutschlands mit nicht-energetischen mineralischen Rohstoffen
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     4
     Maßnahmen zu Diversifizierung
     von Rohstoffbezugsquellen

     Deutschland ist als Industrieland und Export­nation      2. Investitionsgarantien
     in besonderem Maße auf eine sichere Rohstoffversor­
     gung angewiesen. Die Bundesregierung unterstützt         Die Bundesregierung unterstützt mit den Investitions­
     die deutsche rohstoffverarbeitende Industrie durch       garantien im Rahmen der Außenwirtschaftsförde­
     gezielte politische Flankierung darin, sich Roh­stoffe   rung Direktinvestitionen deutscher Unternehmer in
     über Lieferverträge, Explorations- und Bergbauenga­      Entwicklungs- und Schwellenländern. Diese Garantien
     gements, Konzessionserwerb oder Beteiligungen in         bieten Schutz vor politischen Risiken durch staatliche
     ausreichender Menge und Qualität bedarfsgerecht zu       Eingriffe und sind daher ein wichtiger Baustein der
     sichern. Die Industrie sollte deshalb konkrete Engage­   unternehmerischen Risikovorsorge. Sie erleichtern
     ments im In- und Ausland zur Absicherung des Be­         die Kreditaufnahme zur Refinanzierung der Auslands­
     zugs von Rohstoffen ausweiten, sich bietende Chan­       investition und werden bereits intensiv genutzt, um
     cen bei rohstoffrelevanten Projekten noch forcierter     die Versorgung Deutschlands mit Rohstoffen sicher­
     ergreifen und die Rohstoffbezugsquellen diversifi­zie­   zustellen.
     ren. Die Bundesregierung flankiert Aktivitäten der
     Wirtschaft insbesondere mit folgenden Maßnahmen:         3. Exportgarantien (Hermes-Deckung)

     1. Garantien für Ungebundene Finanzkredite               Die Hermes-Deckungen helfen deutschen Anlagen­
     (UFK-Garantien)                                          bauern (auch von Bergbau-Equipment) bei der Er­
                                                              schließung neuer oder schwieriger Märkte, indem sie
     Mit den UFK-Garantien sichert die Bundesregierung        Exportgeschäfte gegen den Zahlungsausfall ausländi­
     Finanzierungen von ausländischen Rohstoffvorhaben        scher Kunden absichern können. Damit werden un­
     gegen politische und wirtschaftliche Risken ab. Im       ternehmerische Risiken besser kalkulierbar.
     Gegenzug erhalten deutsche rohstoffverarbeitende
     Unternehmen langfristige Lieferverträge. Die UFK-        4. Geologische Erkundung im Vorfeld
     Garantien wurden bereits 2009 in enger Abstimmung        kommerzieller Exploration
     mit Wirtschaft und Verbänden umfassend reformiert:
     Kernelemente dieser Reform sind die Aufnahme der         Im Auftrag der Bundesregierung führt die Bundesan­
     wirtschaftlichen Risiken, die Reduzierung des Selbst­    stalt für Geowissenschaften und Rohstoffe im Rahmen
     behalts, der Verzicht auf Fremdwährungszuschläge         von Forschungsprojekten geologische Übersichts­
     sowie ein risikoadäquates Entgeltsystem.                 arbeiten durch, insbesondere im Bereich der Ozeane
                                                              und in so genannten Frontier-Gebieten. Diese Vorfeld­
          Das Interesse an diesem Garantie-Instrument         erkundung hat zum einen das Ziel, den Wissensstand
     besteht industrieseitig weiterhin. Aufgrund verlager­    über weltweite Rohstoffpotenziale zu erhöhen, zum
     ter Wertschöpfungsketten erwartet die deutsche           anderen kommen die Ergebnisse der deutschen Wirt­
     Wirtschaft neben der bereits starken Konkurrenz im       schaft zugute: Unternehmen werden dadurch in die
     Rohstoffbereich einen zunehmenden Wettbewerb             Lage versetzt, gezielte Explorationsarbeiten in höffi­
     um Produkte der ersten Verarbeitungsstufe. Daher         gen, d. h. in Gebieten mit vermutetem Erzpotenzial,
     besteht ein zunehmendes Interesse der deutschen          durchzuführen. Die Bundesanstalt für Geowissen­
     Wirtschaft, auch in diesem Bereich frühzeitig lang­      schaften und Rohstoffe leistet dadurch einen wichti­
     fristige Lieferbeziehungen aufzubauen. Die Bundes­       gen Beitrag zur wissenschaftlich-technischen Infra­
     regierung und die Wirtschaft werden vor diesem           struktur Deutschlands.
     Hintergrund den Dialog darüber intensivieren, ob die
     Kriterien der Förderungswürdigkeit auf die erste              Beispiele sind Untersuchungen über das Auftre­
     Verarbeitungsstufe ausgeweitet werden können.            ten und die Entstehung von Manganknollen in der
                                                              pazifischen Tiefsee, die mittel- bis langfristig eine
                                                              Bezugsquelle für wichtige Industrierohstoffe werden
                                                              können, sofern es gelingt, umweltverträgliche Ge­
                                                              winnungsmethoden zu entwickeln. Forschungsarbei­
                                                              ten in den zirkumarktischen Schelfgebieten tragen
11

                                                           5. Explorationsförderung

                                                           Die deutsche rohstoffverarbeitende Industrie ist in den
                                                           1990er Jahren fast vollständig aus dem internationa­
                                                           len Bergbau ausgestiegen. Unter derzeitigen Markt­
                                                           bedingungen ist der Wiedereinstieg in produzie­
                                                           rende Rohstoffgewinnungsprojekte nach Angaben
                                                           der Wirtschaft aufgrund der hohen finanziellen Hür­
                                                           den für die deutsche Industrie nur schwer realisier­
                                                           bar. Gleichwohl muss aus Sicht der Bundesregierung
                                                           dieser Weg in die Rückwärtsintegration eingeschla­
                                                           gen werden. Mit Blick auf die langfristige, nachhaltige
                                                           Rohstoffsicherung kommt den Explorationsaktivitä­
                                                           ten im Vorfeld der eigentlichen Rohstoffgewinnung
                                                           auch mit Blick auf die Einstiegskosten eine besondere
                                                           Bedeutung zu.

                                                                Derzeit gibt es in Deutschland nur einige wenige
                                                           Unternehmen, die in der Lage sind, Konzessionen im
                                                           Ausland zu erwerben und gezielte Explorationskam­
                                                           pagnen durchzuführen. In der Regel fehlt es diesen
dazu bei, Kohlenwasserstoffpotenziale zu erkunden          Unternehmen nicht an Kenntnis über attraktive Pro­
mit Blick auf spätere kommerzielle Explorations­           jekte, sondern an der erforderlichen Kapitalbasis, um
projekte der Wirtschaft.                                   zusätzliche Projekte in Angriff zu nehmen. Dies umso
                                                           mehr, als Explorationsarbeiten, besonders in Nicht-
    Auch durch die Entwicklung neuer geowissen­            OECD-Staaten, besonderen Risiken unterliegen, die
schaftlicher Methoden, etwa auf den Gebieten der           einzelne Unternehmen im Misserfolgsfall vor existen­
Fernerkundung, der Geophysik oder der Geochemie            zielle Probleme stellen können.
trägt die Bundesanstalt zur Weiterentwicklung deut­
scher Explorations- und Rohstoffexpertise bei.                  Die Bundesregierung ist, bereit zu prüfen, ob durch
                                                           Umschichtung im geltenden Finanzplan des Bundes­
     Die Vorfeldarbeiten der Bundesanstalt werden          haushaltes Spielräume geschaffen werden können,
nachhaltig und damit auch naturverträglich ausge­          diese Risiken durch gezielte Explorations­förderung in
staltet. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Schlie­   Form bedingt rückzahlbarer Darlehen zu vermindern
ßung von Wissenslücken, etwa im Bereich der Tiefsee­       und dadurch Anreize für Explorationsvorhaben zu
ökologie. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser          schaffen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Wirt­
Untersuchungen ist es der Bundesregierung möglich,         schaft geeignete, rohstoffpolitisch förderwürdige,
sich mit einem hohen Maß an wissenschaftsbasierter         nachhaltige Explorationsprojekte identifiziert und zur
Expertise an der Erarbeitung internationaler Regel­        staatlichen Förderung vorschlägt. Bei diesen Projekten
werke für die Rohstoffgewinnung in Tiefseeregionen         ist auch der Schutz von Klima, Boden, Wasser, Luft und
oder in Frontiergebieten zu beteiligen.                    biologischer Vielfalt zu berücksichtigen.

    Gleichzeitig stehen die Ergebnisse der Vorfeld­             Für die Förderung derartiger Vorhaben könnte
erkundungsarbeiten auch der deutschen Rohstoff­            sich die Bundesregierung an das Explorationsförder­
indus­trie zur Verfügung. Die Bundesregierung würde        programm des Bundes anlehnen, mit dem Unterneh­
es begrüßen, wenn die Wirtschaft diese Leistungen          men zwischen 1972 und 1990 unterstützt wurden. Da­
stärker als bisher nutzen würde, insbesondere mit          bei kommt Rohstoffen eine besondere Bedeutung zu,
Blick auf die notwendige Diversifikation von Rohstoff­     die im Rahmen der vor Kurzem veröffentlichten Studie
bezugsquellen.                                             einer Expertengruppe der EU-Kommission als beson­
                                                           ders kritisch identifiziert wurden.
12      Maßnahmen zu Diversifizierung von Rohstoffbezugsquellen

     6. Heimische Rohstoffgewinnung

     Deutschland verfügt über ein beachtliches Potenzial an
     heimischen Rohstoffen. Diese Rohstoffe werden in be­
     deutendem Umfang in Deutschland gefördert und ver­
     arbeitet und stellen ganz oder anteilig die Versorgung
     der Wirtschaft sicher. Dabei handelt es sich insbeson­
     dere um Rohstoffe für die Glas- und Keramikindustrie,
     die Eisen- und Stahlindustrie, die Elektronik-, die Che­
     mie- und Düngemittelindustrie sowie die Bauwirtschaft.

          Die bedarfsgerechte Versorgung der Industrie ins­
     besondere mit Baurohstoffen, Salzen und speziellen
     Nichtmetallrohstoffen ist aus vorhandenen heimischen
     Lagerstätten aus geologischer Sicht langfristig möglich.
     Allerdings befürchtet die Wirtschaft Versorgungspro­
     bleme aufgrund konkurrierender Flächennutzungen.
                                                                Hintergrund sollten die Länder bei der Raumplanung
          Die bundesrechtlichen Grundlagen für die Roh­         im Interesse der Wertschöpfung und der Arbeits­
     stoffgewinnung in Deutschland sind ausreichend.            plätze in Deutschland die Fragen der Rohstoffsiche­
     Neuer gesetzlicher Regelungen bedarf es nicht. Dar­        rung einbeziehen. Dabei müssen die ökonomischen,
     über herrscht Einvernehmen bei den Raumordnungs­           ökologischen und sozialen Aspekte der nationalen
     behörden von Bund und Ländern sowie innerhalb der          Nachhaltigkeitsstrategie und der Nationalen Biodi­
     Bundesregierung. Das betrifft zum einen Fachgesetze        versitätsstrategie gleichrangig berücksichtigt werden.
     wie das Bundesberggesetz und das Lagerstättengesetz,
     zum anderen die Gesetze des deutschen Raumpla­                  Allerdings bieten diese konkurrierenden Interes­
     nungs­systems: Baugesetzbuch, Raumordnungsgesetz           sen gleichzeitig auch Perspektiven für Lösungen zum
     des Bundes und Landesplanungsgesetze der Länder.           gegenseitigen Vorteil der bisherigen Konkurrenten.
                                                                Konkret bedeutet dies: Die Sicherung der Rohstoffver­
          Die zunehmende Bedeutung der Rohstoffversor­          sorgung der Wirtschaft und die Verbesserung der
     gung und deren Sicherung zur Gewährleistung und            Wirt­schaftskraft der Länder kann in Übereinstimmung
     Entwicklung der Leistungskraft der Wirtschaft in der       mit deren regionalen umwelt- und sozialpolitischen
     Fläche spiegeln sich zum Teil sehr unterschiedlich in      Zielsetzungen erreicht werden. Landschaftsgestal­
     den Entscheidungen der einzelnen Bundesländer              tung, Naherholung, Umweltbiotope und Rohstoffab­
     wider. Aus Sicht der Bundesregierung muss die Roh­         bau, verbunden mit der Schaffung zusätzlicher Arbeits­
     stoffgewinnung mit den anderen Flächennutzungen            plätze, sind nicht zwangsläufig konträre Ziel­setzun­gen.
     wie z. B. dem Siedlungsbau, Infrastrukturplanungen         Sie lassen sich vielmehr im eigentlichen drei­­teiligen
     und den Kategorien des Natur- und Umweltschutzes           Sinne des Nachhaltigkeitsgedankens von Ökonomie,
     in sinnvoller und ausgewogener Weise in Einklang           Ökologie und Sozialem zu einem Interessensausgleich
     gebracht werden.                                           zusammenführen.

          Die Bundesregierung sieht die Notwendigkeit,              Die Bundesregierung hat sich in diesem Sinne
     unter Einbeziehung aller Beteiligten Möglichkeiten zu      bereits zu Vorschlägen der Wirtschaftsministerkon­
     entwickeln, wie die erkundeten, bedeutsamen Lager­         ferenz geäußert und die Wirtschaftsminister der
     stätten in Einklang mit anderen Raumansprüchen ei­         Länder gebeten, die vom Bund-Länder-Ausschuss
     ner Nutzung zugeführt werden können. Hierzu bedarf         Bodenforschung vorgelegten Handlungsempfehlun­
     es eines kontinuierlichen Dialogs mit den zuständigen      gen zur Verbesserung der heimischen Rohstoffgewin­
     Stellen in den Ländern. Dabei kommt der Rohstoff­          nung in Zusammenarbeit mit den anderen zuständi­
     wirtschaft selbst eine besondere Rolle zu. Vor diesem      gen Länderministerien umzusetzen.
13

5                                                       6
Rohstoffeffizienz                                       Recycling

                                                        Die Rückführung der in Abfällen enthaltenen sekun­
                                                        dären Rohstoffe in den Wertstoffkreislauf ist ein wich­
                                                        tiger Baustein nachhaltiger Ressourcenwirtschaft.
                                                        Deutschland nimmt hier innerhalb Europas und der
                                                        Welt eine Vorreiterrolle ein. Das im Oktober 1996 in
                                                        Kraft getretene Kreislaufwirtschafts- und Abfallge­
                                                        setz war mit seiner Verknüpfung von Produktverant­
                                                        wortung und Ressourcenschutz wegweisend; zusam­
                                                        men mit den produktbezogenen Regelungen für
                                                        Verpackungen, Batterien, Altautos und Elektro(nik)­
                                                        altgeräte hat es den regulativen Rahmen für ein roh­
                                                        stoffeffizientes Wirtschaften geschaffen. Das seit
                                                        1. Juni 2005 geltende Vorbehandlungsgebot für bio­
                                                        logisch abbaubare und organikhaltige (Siedlungs-)
                                                        Abfälle vor ihrer Deponierung hat wesentlich zur
                                                        Schließung von Stoffkreisläufen beigetragen, indem
                                                        es zu einer verstärkten Trennung und damit zu einer
Nachhaltige Rohstoffgewinnung bedeutet nicht nur,       besseren Nutzung der Wertstoffe aus dem Abfall
Rohstoffe umweltverträglich zu gewinnen, sondern        geführt hat.
auch bestehende Rohstoffpotenziale bestmöglich zu
nutzen. Voraussetzung dafür sind die Anwendung               Bei einigen Materialien, z. B. Kupfer, hat Deutsch­
neuester Erkenntnisse der Lagerstättenforschung, der    land mit 54 % die höchste Recyclingquote weltweit
Einsatz moderner bergbaulicher Gewinnungstechno­        (EU 45 %, USA 41 %, Welt 13 %). Die Recyclingraten an­
logien sowie die Weiterentwicklung von Erzaufberei­     derer wichtiger Rohstoffe betragen 35 % bei Alumi­
tungs- und Weiterverarbeitungstechnologien.             nium, 59 % bei Blei, 90 % bei Stahl, 20 bis 25 % bei
                                                        Kobalt und 10 % bei Molybdän. Beachtliche Werte er­
     Die Bundesregierung unterstützt diesbezügliche     reicht auch der Einsatz von Sekundärrohstoffen: von
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten durch institu­     45 % bei Stahl bis hin zu 94 % bei Glas. Die Verwertungs­
tionelle Förderung wissenschaftlicher Einrichtungen.    quoten der Hauptabfallströme liegen sämtlich deut­
Zusätzlich zu den vor allem von der Bundesanstalt für   lich über 60 %, bei Bau- und Abbruch­abfällen erreichen
Geowissenschaften und Rohstoffe durchgeführten          sie 88 %. Altfahrzeuge werden zu 92,3 % verwertet, die
Arbeiten plant das Bundesministerium für Bildung        Quoten für Verpackungsabfälle liegen je nach Mate­
und Forschung (BMBF) die Einrichtung eines neuen        rial zwischen 68 % und 93 %.
Instituts für Ressourcentechnologien in der Helm­
holtz-Gemeinschaft. Dort sollen effiziente Rohstoff-         Auch bestehende, aber nicht mehr genutzte
Technologien erforscht und weiterentwickelt wer­        Wohngebäude sind potenzielle Quellen für Sekun­
den.                                                    därrohstoffe. So befinden sich allein im Wohnbestand
                                                        von Städten und Gemeinden ca. 10,5 Mrd. Tonnen
     Darüber hinaus setzt sich die Bundesregierung      mineralische Baustoffe (Ziegel, Beton etc.) und 100 Mio.
bei den Bundesländern dafür ein, dass geowissen­        Tonnen Metalle, die bei Rückbau- und Abrissmaßnah­
schaftlich, rohstoffwirtschaftlich und bergbautech­     men – etwa infolge Leerstands – als Sekundärroh­
nisch ausgerichtete Fakultäten an den Hochschulen       stoffe zur Verfügung stehen. Und dieses Materiallager
gestärkt werden. Insbesondere muss die Ausbildung       wird voraussichtlich weiter wachsen (20 % bis 2020).
von qualifizierten Nachwuchswissenschaftlern auf        Bereits heute ist der Rohstoffabbau im Gebäudebe­
diesen Gebieten wieder einen besonderen Stellenwert     stand ein wichtiges Ressourcenthema. Daten hierzu
erhalten, um die künftigen Herausforderungen der        werden derzeit in einer Reihe von Forschungsvorha­
Rohstoffsicherung zu meistern.                          ben erhoben, auf deren Grundlage dann konkrete
                                                        Maßnahmen zur Nutzung der vorhandenen Sekundär­
                                                        rohstoffquellen entwickelt werden.
14      Recycling

          Mit der laufenden Novelle des Kreislaufwirt­        verordnung zu einer Wertstoffverordnung und die
     schafts- und Abfallgesetzes wird die Bundesregierung     flächendeckende Einführung einer „trockenen Wert­
     die Rahmenbedingungen für die Rückführung der in         stofftonne“. Die notwendigen Rechtsgrund­lagen
     Abfällen enthaltenen Wertstoffe in den Wirtschafts­      sollen bereits mit dem neuen Kreislaufwirt­schafts­
     kreislauf weiter verbessern und den mit der EU-Abfall­   gesetz gelegt werden, um auf dieser Basis nach Aus­
     rahmenrichtlinie vom November 2008 eingeschlage­         wertung der zur „Wertstofftonne“ gegenwärtig noch
     nen Weg in die Recyclinggesellschaft um- und fort­       laufenden Forschungsvorhaben konkrete Regelungen
     setzen. Eine Stärkung des Recyclings ist dabei           zur Ausgestaltung der haushaltsnahen Wertstoff­
     insbesondere durch die Umsetzung der neuen, fünf­        erfassung, insbesondere zu Inhalt, Finanzierung und
     stufigen Abfallhierarchie und die Festlegung von         Trägerschaft einer „Wertstofftonne“, verabschieden
     Mindestquoten für das Recycling von Siedlungsab­         zu können. Ziel ist es, die bei Verkaufsverpackungen
     fällen und die Verwertung mineralischer Abfälle zu       bereits erfolgreich implementierten Ansätze auch auf
     erwarten. Im Rahmen der laufenden Ressortabstim­         die Erfassung, Sortierung und Verwertung der im
     mung wird zu entscheiden sein, ob und in welchem         Restmüll enthaltenen Wertstoffe zu erstrecken.
     Umfang die Quoten über die Mindestvorgabe der
     Abfallrahmenrichtlinie hinausgehen. Die Marktgän­
     gigkeit von Sekundärrohstoffen wird zudem durch
     die Regelungen zu Nebenprodukten und zum Ende
     der Abfalleigenschaft verbessert. EU-konforme Prä­
     zisierungen der Aufgabenverteilung zwischen kom­
     munaler und privater Entsorgungswirtschaft sollen
     die Rechts- und Planungssicherheit der betroffenen
     Unternehmen erhöhen.

          Auch das im Restmüll enthaltene Wertstoff­
     potenzial soll noch in dieser Legislaturperiode besser
     für das Recycling erschlossen werden. In diesem
     Kontext prüft die Bundesregierung derzeit die Mög­
     lichkeiten für eine Fortentwicklung der Verpackungs­
15

7                                                        8
Rohstoffe in der                                         Materialeffizienz
Wertschöpfungskette

In einer zunehmend globalisierten Wirtschaftswelt        1. Erhöhung der Materialeffizienz
ist die Rohstoffverarbeitung in der Wertschöpfungs­
kette vom Rohstoff bis zum Endprodukt in steigen­        Nach Auffassung der Bundesregierung kann die
dem Maße arbeitsteilig ausgestaltet. Nicht in jedem      Erhöhung der Materialeffizienz einen wichtigen
Industriestaat müssen für alle Rohstoffe oder Roh­       Beitrag dazu leisten, die Wettbewerbsfähigkeit der
stoffgruppen auch alle Stufen der Wertschöpfungs­        Unternehmen zu verbessern, den Ressourceneinsatz
kette mit entsprechenden Industrieanlagen vor­           in Deutschland weiter zu verringern und somit Res­
handen sein.                                             sourcen zu schonen sowie Umweltbelastungen zu
                                                         minimieren. Deshalb sollen die Programme der Bun­
     Allerdings hat die Erfahrung der vergangenen        desministerien zielgerichtet fortentwickelt werden.
Jahre und Jahrzehnte gezeigt, dass integrierte Indus­
triestrukturen mit großer Wertschöpfungstiefe weni­           Das BMWi wird die Förderung der einzelbetrieb­
ger krisenanfällig sind. Deshalb liegt es im Interesse   lichen Beratung zur Verbesserung der Materialeffizi­
des Industrie- und Technologiestandorts Deutsch­         enz von kleinen und mittelständischen Unternehmen
land, für wichtige Rohstoffe oder Rohstoffgruppen        neu ausrichten und effizienter gestalten. Die jährliche
über eigene industrielle Rohstoffverarbeitungskapa­      Vergabe des Materialeffizienzpreises durch das BMWi
zitäten zu verfügen. Diese stehen im internationalen     soll weiter optimiert werden, um das Bewusstsein für
Wettbewerb und müssen daher ständig optimiert            die ökonomisch und ökologisch positive Wirkung der
werden. Eigene Rohstoffverarbeitungsbetriebe in          Effizienzerhöhung bei Rohstoff- und Materialeinsatz
Deutschland tragen daher nicht nur maßgeblich zur        in der deutschen Wirtschaft zu stärken.
Wertschöpfung, sondern auch zur Technologieent­
wicklung bei.                                                 Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
                                                         und Reaktorsicherheit (BMU), BMWi und BMBF wer­
     In den vergangenen Jahren sind deutsche Roh­        den im Dezember 2010 gemeinsam mit dem Bundes­
stoffverarbeitungskapazitäten in größerem Umfang         verband der deutschen Industrie einen Workshop zu
geschlossen bzw. ins Ausland verlagert worden.           Rohstoffeffizienzfragen durchführen. Dabei sollen
Gründe sind u. a. hohe Energiekosten, aber auch ver­     insbesondere Best-Practice-Beispiele diskutiert und
gleichsweise hohe Umweltschutzanforderungen und          der interessierten Fachwelt zugänglich gemacht
ein hohes Lohnkostenniveau.                              werden.

     Nachhaltige Rohstoffpolitik bedeutet auch, den          Das BMU entwickelt derzeit ein nationales Res­
Industrie- und Technologiestandort Deutschland im        sourceneffizienzprogramm, das insbesondere auf die
Interesse künftiger Generationen international wett­     Minimierung von Beeinträchtigungen der Umwelt­
bewerbsfähig zu erhalten. Die Bundesregierung wird       medien durch Rohstoffgewinnung und -verarbeitung
sich daher dafür einsetzen, dass die Rohstoffverarbei­   ausgerichtet ist. In diesem Zusammenhang ist beab­
tung in Deutschland unter Berücksichtigung umwelt-       sichtigt, die diesbezüglichen Programme und Pro­
und sozialpolitischer Zielsetzungen weiterhin mög­       jekte verschiedener Bundeseinrichtungen besser
lich bleibt und mit Unterstützung von F&E‑Maßnah­        miteinander zu verzahnen und ggf. Ergebnisse von
men zukunftsfähig weiterentwickelt wird. Die             Projekten anderer Einrichtungen miteinzubeziehen.
Bundesregierung wird im Dialog mit der Wirtschaft        Die Bundesregierung strebt an, über dieses Pro­
diesbezügliche konkrete Problemfelder analysieren.       gramm rechtzeitig vor der UN-Konferenz für nach­
Nationale und europäische Regelwerke müssen ge­          haltige Entwicklung (Rio-plus-20) im Mai 2012 zu
gebenenfalls evaluiert und im Lichte neuer technolo­     entscheiden.
gischer Entwicklungen und ökonomischer Gegeben­
heiten an­gepasst oder weiterentwickelt werden.
16      Materialeffizienz

     2. Unterstützung effizienter Produktions­
     techniken

     Im Rahmen seines „Umweltinnovationsprogramms“
     fördert das BMU seit 1979 beispielhafte Effizienzvor­
     haben vor allem in kleinen und mittleren Unterneh­
     men. Innovative Recyclingtechnik für den internatio­
     nalen Markt wird u. a. im Rahmen der Exportinitiative
     Recycling und Effizienztechnik (RETech) unterstützt.
     Mit der Gründung des „Zentrums für Ressourceneffi­
     zienz“ (ZRE) wurde gemeinsam mit dem Verein Deut­
     scher Ingenieure (VDI) eine Informationsbörse für die
     Firmenberatung und ein „Technologieradar“ für
     Effizienztechnologien geschaffen. Seit 2007 vermittelt
     das vom BMU initiierte „Netzwerk Ressourceneffi­
     zienz“ erfolgreich den Austausch von Know-how
     zwischen Unternehmen, Wissenschaft, Multiplikatoren
     und Verbänden.

          Neben der Verbesserung bestehender Techniken         rung von Anlagen zur Energieerzeugung ent­wickelt
     ist die Entwicklung neuer Technologien der Schlüssel      werden. Ein weiterer Schwerpunkt soll auf die Siche­
     zu einer weiteren Steigerung der Materialeffizienz.       rung der Rohstoffversorgung durch neue, an den
     Das BMWi fördert dies mit seinen Technologie-             Rohstoffwandel angepasste Katalysatoren und auf die
     offenen Programmen. Über das vorwettbewerbliche           Intensivierung von chemischen Prozessen abzielen.
     Programm zur Förderung der industriellen Gemein­
     schaftsforschung (IGF) und das Zentrale Innovations­           Gute Ergebnisse der Materialeffizenzforschung
     programm Mittelstand (ZIM) stellt das BMWi erheb­         konnten in Projekten im Rahmen der Innovations­
     liche Mittel für die Erforschung und den Einsatz          allianz „Kohlenstoffnanomaterialien erobern Märkte –
     ressourceneffizienter Techniken oder Materialien          CNT“ erzielt werden, etwa bei der Strukturverstär­
     sowie für Substitution und Recycling bereit.              kung von Helmen bei gleichzeitiger Gewichts­reduk­
                                                               tion oder bei mit Kohlenstofffasern verstärkten
     3. Forschung und Entwicklung                              Kunststoffen für Rotorblätter von Windkraftanlagen.

     Neue oder verbesserte Materialien und chemische               Auch konsequenter Leichtbau leistet einen Bei­
     Verfahren bieten ein hohes Potenzial, industrielle        trag zum nachhaltigen Wirtschaften und bietet dort
     Prozesse auf allen Wertschöpfungsebenen mit erheb­        Vorteile, wo aufgrund der Gewichtsreduzierung des
     lich höherer Leistung bei gleichzeitig reduziertem        Materials Energieeinsparungen, Kraftreduzierungen
     energetischen und stofflichen Ressourceneinsatz zu        oder eine höhere Beschleunigung bei bewegten Mas­
     führen. Die Ressourceneffizienz ist deshalb ein zentra­   sen erzielt werden. Daher fördert das BMBF Projekte
     les Handlungsfeld im Rahmenprogramm des Bundes­           zum Thema „Multimaterialsysteme – Zukünftige Leicht­
     ministeriums für Bildung und Forschung „Werkstoff­        bauweisen für ressourcensparende Mobilität“. Leicht­
     innovationen für Industrie und Gesellschaft – WING“.      bauweisen haben gegenwärtig und auch zukünftig in
     Mit neuen materialspezifischen Ansätzen sollen die        allen verkehrstechnischen Systemen große Bedeu­
     Abhängigkeit von strategischen Metallen verringert        tung. Dem Einsatz maßgeschneiderter Werkstoff­
     und spezifische Materialausbeuten erhöht werden.          kombinationen und der Weiterentwicklung der dafür
     Außerdem sollen verbesserte Oberflächenschutzsys­         notwendigen Fügetechnologien kommt in diesem
     teme und neue Materialien mit deutlich erhöhter           Zusammenhang besondere Bedeutung zu. Durch den
     Korrosionsbeständigkeit zur Lebensdauererhöhung           Einsatz von Nanotechnologien kann die Materialeffi­
     von Bauteilen und Anlagen und zur Effizienzsteige­        zienz erfolgreich gesteigert werden. Beispiele sind
17

                                                         schutz und zur Erweiterung der Rohstoffbasis und
                                                         damit einem schonenden Umgang mit fossilen Res­
                                                         sourcen (Stichwort: „Weg vom Öl“) gefördert.

                                                         3 Ein wichtiger Schwerpunkt ist auch die Koopera­
                                                         tion mit Schwellenländern: Im Rahmen der Förder­
                                                         maßnahme „CLIENT“ werden Forschungs- und Ent­
                                                         wicklungskooperationen u. a. auf den Gebieten nach­
                                                         haltige Ressourcennutzung und Klimaschutz gefördert.

                                                         3 Derzeit bereitet das BMBF eine neue Fördermaß­
                                                         nahme zum Thema nachhaltige Nutzung strategisch
                                                         relevanter Rohstoffe vor. Damit will die Nachhaltig­
                                                         keitsforschung einen Beitrag zur Versorgungssicher­
                                                         heit mit seltenen Rohstoffen für Schlüsseltechnolo­
                                                         gien in Deutschland leisten.

                                                         3 Vorbereitet wird außerdem als weitere Förder­
                                                         maßnahme die intelligente und effiziente Nutzung
moderne Betonwerkstoffe, Stähle und anderen Me­          von natürlichen Ressourcen. Dabei soll mit neuen
talle, die über gleiche oder bessere Eigenschaften als   materialspezifischen Ansätzen die Abhängigkeit von
konventionelle Materialien verfügen. Die Nanotech­       kritischen Metallen durch Substitutionsstrategien
nologie ermöglicht in der Produktionstechnik und in      verringert werden.
der Chemie alternative Produktionsprozesse, die mit
weniger Energie und Rohstoffen auskommen.                Als weiterer Beitrag zur Rohstoffforschung wird im
                                                         Rahmen eines gemeinsam von BMBF und BMU getra­
    Ein zentrales innovationspolitisches Ziel der        genen Forschungsvorhabens die Gewinnung von
Hightech-Strategie der Bundesregierung ist die För­      Phosphat als mineralischer Dünger aus sekundären
derung von Spitzentechnologien zur Steigerung der        Phosphatquellen, wie z. B. Klärschlamm oder Tier­
Ressourceneffizienz. Im Rahmenprogramm „For­             mehl, untersucht. Die Ergebnisse können möglicher­
schung für nachhaltige Entwicklungen“ des Bundes­        weise dazu beitragen, Importabhängigkeiten zu
ministeriums für Bildung und Forschung ist das           reduzieren und die mit der Phosphatgewinnung aus
Thema „Nachhaltiges Wirtschaften und Ressourcen“         natürlichen Ressourcen einhergehenden Umwelt­
eines von fünf zentralen Aktionsfeldern. Dabei wer­      belastungen zu reduzieren.
den u. a. die folgenden Fördermaßnahmen finanziert:
                                                              Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass der
3 Steigerung der Rohstoffproduktivität in Indus­         Substitution von kritischen oder problematischen
trien mit hohem Materialeinsatz, wie beispielsweise      Rohstoffen eine große und tendenziell zunehmende
der Stahlindustrie (Fördermaßnahme „Innovative           Bedeutung zukommt. Grundlegende Voraussetzung
Technologien für Ressourceneffizienz-Rohstoffintensive   für die Entwicklung neuer Substitutionsmöglichkei­
Produktionsprozesse r2“),                                ten ist die verstärkte Ausrichtung von werkstoffwis­
                                                         senschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsarbei­
3 Förderinitiative „KMU-innovativ: Ressourcen- und       ten, insbesondere für rohstoffintensive Anwendun­
Energieeffizienz“,                                       gen. Substitution trägt langfristig zur Flexibilisierung
                                                         des Materialeinsatzes in den Verarbeitungsstufen der
3 Förderschwerpunkt „Technologien für Nachhaltig­        Wertschöpfungskette bei, und sie ermöglicht es,
keit und Klimaschutz – Chemische Prozesse und stoff­     Knappheiten und physischen Versorgungsstörungen
liche Nutzung von Kohlendioxid“: Hierdurch werden        entgegenzuwirken sowie die Nachhaltigkeit durch
industrienahe Forschungsvorhaben, u. a. zum Klima­       Einsatz ökonomisch und ökologisch vorteilhafter
                                                         Materialien zu fördern.
18

     9
     Förderung der Aus- und Weiterbildung
     ausländischer Fach- und Führungskräfte
     im Rohstoffbereich

     Bei ihrem Engagement im Rohstoffbereich im Aus­                Um die deutsche Wirtschaft bei der Versorgung
     land ist es nützlich, wenn deutsche Unternehmen auf       mit Rohstoffen zu unterstützen, wird die Bundes­
     nationales Fachpersonal zurückgreifen können, das         regierung in geeigneten Aus- und Weiterbildungs­
     in Deutschland ausgebildet wurde. Der Einsatz sol­        programmen und Stipendien den Rohstoffsektor mit
     cher Fachkräfte mindert die Hemmnisse eines Markt­        einbeziehen. Bei Projekten der Bergbauhochschulen
     einstiegs, weil Informationsdefizite leichter abgebaut    und anderer in der Geo- und Rohstoffforschung tätiger
     werden können, Schwierigkeiten bei der Identifika­        wissenschaftlicher Einrichtungen sowie auch bei der
     tion geeigneter Partner leichter überwunden und           Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
     interkulturelle Barrieren eher abgebaut werden            soll ebenfalls die Aus- und Weiterbildung von Fach-
     können.                                                   und Führungskräften noch stärkeres Gewicht bekom­
                                                               men.
          Gleichzeitig schließen Jahr für Jahr tausende aus­
     ländische Studenten ihre Ausbildung an deutschen
     Bildungseinrichtungen, zum Großteil von der Bundes­
     regierung gefördert, ab und kehren als hochqualifi­
     zierte Fachkräfte und zukünftige Führungskräfte in
     ihre Herkunftsländer zurück, um dort das neu erwor­
     benen Know-how einzusetzen. Durch ihren Aufent­
     halt in Deutschland dürften sie gegenüber deutschen
     Belangen aufgeschlossen sein.
19

10
Bedeutung von Derivaten und
Finanzfragen im Rohstoffhandel

Die steigende Rohstoffnachfrage der rasch wachsen­             Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen,
den Schwellenländer sowie die unerwartet schnelle         dass die zuständigen nationalen Behörden die Markt­
konjunkturelle Erholung führen zu einer zunehmen­         strukturentwicklung im Rohstoffbereich unter wett­
den Verknappung von Rohstoffen am Markt. Darüber          bewerbsrechtlichen Aspekten weiter aufmerksam be­
hinaus ergeben sich durch Konzentrationstendenzen         obachten werden. Um eine längerfristige Preisgestal­
auf der Rohstoffangebotsseite preistreibende Wir­         tung im Rohstoffmarkt besser abschätzen zu können,
kungen.                                                   sollten Politik und Wirtschaft gemeinsam dazu bei­
                                                          tragen, die Transparenz im Rohstoffbereich insbeson­
     Die zunehmende Volatilität der Preise auf dem        dere hinsichtlich der Finanztransaktionen und der
Rohstoffmarkt führt verstärkt zu Planungsunsicher­        physischen Lagerbestände für Nutzer und Aufsichts­
heiten und kostenmäßigen Belastungen für die Un­          behörden zu erhöhen. Die Bundesregierung unter­
ternehmen. Als Folge der Finanz- und Wirtschafts­         stützt in diesem Zusammenhang grundsätzlich ent­
krise sind die Preise für Rohstoffe zeitweise gesunken.   sprechende Initiativen der EU-Kommission sowie Be­
Seit Mitte 2009 steigen sie wieder. Die Bundesregie­      mühungen um eine verstärkte Zusammenarbeit zur
rung ist der Auffassung, dass marktgetriebene Ver­        Verbesserung der Funktionsfähigkeit von Rohstoff­
fahren (u. a. Preisverhandlungen zwischen Produzen­       märkten auf internationaler, insbesondere auf G20-
ten und verarbeitender Industrie) nicht von der Poli­     Ebene.
tik beeinflusst werden sollten.
                                                               In Hinblick auf die anstehende EU-Finanzmarkt­
     Rohstoffe sind verstärkt auch als Vermögens­         regulierung wird die Bundesregierung in der Vorbe­
anlage in den Fokus der Finanzbranche gerückt. Das        reitung der deutschen Position gegenüber der EU-
Volumen der an Warenterminbörsen gehandelten              Kommission einen engen Dialog mit der Wirtschaft
Terminkontrakte übersteigt das physische Marktvolu­       führen. Ziel ist es dabei, mögliche negative Auswir­
men dabei um ein Vielfaches. Derartige Finanz­            kungen der Regulierungen (z. B. hinsichtlich der
geschäfte sollten allerdings differenziert betrachtet     internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher
werden. Solange sich Spekulation darauf beschränkt,       Unternehmen) zu vermeiden.
für liquide Kassa- und Termingeschäfte zu sorgen,
kann sie für die Preisbildungsprozesse förderlich sein.
Geht dagegen aufgrund massiver spekulativer Über­
treibungen der realwirtschaftliche Bezug verloren
und koppelt sich die Preisentwicklung an der Börse
von den Fundamentaldaten des entsprechenden Roh­
stoffmarktes ab, besteht die Gefahr von Einbußen für
das reale Wachstum und Beschäftigung.
20

     11
     Strukturelle Maßnahmen

     1.   Deutsche Rohstoffagentur

     Das BMWi hat am 4.Oktober 2010 in der Bundesanstalt
     für Geowissenschaften und Rohstoffe die Deutsche
     Rohstoffagentur eingerichtet. Der Rohstoffagentur
     wurden insbesondere folgende Aufgaben übertragen:

     3 Aufbau eines Rohstoffinformationssystems: Da­
     mit soll die Transparenz auf den Rohstoffmärkten er­
     höht werden. So erhält die deutsche Wirtschaft eine
     bessere Entscheidungsgrundlage für ihre Bemühun­
     gen zur Rohstoffsicherung.

     3 Kundenspezifische Beratung und Unterstützung
     von Unternehmen und Unternehmensverbänden:               gesteinen (so genanntes Shale Gas) in Deutschland
     Insbesondere klein- und mittelständische Unterneh­       analysieren. In Verbindung mit der Entwicklung
     men sollen unterstützt werden, ihre Rohstoffversor­      umwelt­freund­licher Gewinnungsmethoden könnte
     gungsrisiken zu senken, Rohstoff-Bezugsquellen zu        Erdgas aus Tongesteinen einen Beitrag zur nachhalti­
     diversifizieren, Beteiligungen an Explorations- oder     gen Energieversorgung Deutschlands leisten.
     Rohstoffgewinnungsprojekten zu erwerben und effi­
     ziente Verfahren bei der Rohstoffgewinnung und           2. Ressourcentechnologieinstitut in den
     Rohstoffverarbeitung anzuwenden.                         neuen Bundesländern

     3 Fachliche Unterstützung der Bundesregierung            Deutschland nimmt aufgrund seiner jahrhunderte­
     bei der Einrichtung und Durchführung von Förder­         alten Bergbautradition, seiner Expertise bei der Roh­
     programmen auf den Gebieten der Rohstofferkun­           stoffverarbeitung, seines umfassenden Bergbau­
     dung, der Rohstoffgewinnung sowie der Rohstoff-          rechtsrahmens und seiner jüngsten, weltweit an­
     und Materialeffizienz; hierzu gehört auch die fach­      erkannten Erfolge bei der Stilllegung und Sanierung
     liche Bewertung von Anträgen auf Garantien für           von Bergbaualtlasten international eine technologi­
     Ungebundene Finanzkredite für Rohstoffvorhaben.          sche Vorreiterrolle ein. Diese Position soll erhalten
                                                              und weiter ausgebaut werden.
     3 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Vor­
     feld der Industrie: Neue Rohstoffpotenziale sollen un­       Entsprechend der Koalitionsvereinbarung wird die
     tersucht sowie neue rohstoff- und bergwirtschaftliche    Bundesregierung die rohstoffbezogenen Forschungs-
     Instrumente und Methoden entwickelt werden.              und Entwicklungsarbeiten durch die Gründung eines
                                                              neuen Forschungsinstituts für Ressourcen­tech­no­lo­
     3 Kooperation mit rohstoffreichen Ländern: Die           gien in der Helmholtz-Gemeinschaft unterstützen und
     Rohstoffagentur wird Kontakte aufnehmen und roh­         damit stärken. Diesbezügliche konzeptionelle Vor­
     stoffwirtschaftliche Kooperationen anstreben. Bei der    schläge werden derzeit evaluiert. Mit dem Aufbau der
     Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern wird die          Einrichtung soll im Jahr 2011 begonnen werden.
     Rohstoffagentur in enger Abstimmung mit dem Bun­
     desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit        3. Interministerieller Ausschuss Rohstoffe
     (BMZ) der nachhaltigen Nutzung der jeweiligen Roh­
     stoffpotenziale besondere Bedeutung beimessen.           Der im Jahr 2007 eingerichtete Interministerielle Aus­
                                                              schuss Rohstoffe unter Beteiligung des BDI hat sich
     Darüber hinaus wird die Deutsche Rohstoffagentur in      bewährt und wird weitergeführt. Künftig wird die
     Zusammenarbeit mit den Staatlichen Geologischen          Deutsche Rohstoffagentur im Ausschuss vertreten
     Diensten der Bundesländer in den kommenden Jah­          sein und regelmäßig über aktuelle rohstoffwirtschaft­
     ren das Potenzial der Erdgasgewinnung aus Ton­           liche Entwicklungen berichten.
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