Werbewirksamkeit Red Bull nimmt auch den Tod in Kauf (F.A.Z.)
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CONCOURS ESSEC 2013 EPREUVE DE LANGUE VIVANTE 2 Werbewirksamkeit Red Bull nimmt auch den Tod in Kauf (F.A.Z.) 15.10.2012 · Für Red Bull hat sich der Felix Baumgartners Sprung aus der Stratosphäre gelohnt. Der Werbewert für den Getränkehersteller ist nicht zu beziffern. Doch es stellen sich Fragen: Wie viel ist ein Menschenleben wert? Was ist dagegen Publizität wert? Noch einmal ist alles gut gegangen. Der Österreicher Felix Baumgartner hat den Sprung aus der Stratosphäre offenbar unbeschadet überstanden. Für das Sponsoringunternehmen, den Getränkehersteller Red Bull, hat sich das Spektakel gelohnt. Der Werbewert für Red Bull ist nicht zu beziffern. Günter Schweiger, Präsident der Österreichischen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft (WWG), sagt: „Für die Marke ist das ein echter Turbo, weil das Thema in TV-Stationen und Printmedien auf der ganzen Welt rauf- und runtergespielt wurde.“ Die Aktion sei zielgruppenkonform verlaufen mit viel Abenteuer. Aus Sicht des Wissenschaftlers dürfte das Image auch auf Österreich als Nation abfärben. Denn die Alpenrepublik hat weniger Potential vor allem im Vergleich zu Deutschland, um durch Kraft, Stärke und Macht zu punkten. „Durch ein derartiges Manöver - wenn jemand an die Grenzen des Machbaren geht - gibt es auch eine Neubewertung des nationalen Images“. Auf der anderen Seite fragt sich Schweiger, ob ein solches Risiko gerechtfertigt ist. Wie viel ist ein Menschenleben wert? Was ist dagegen Publizität wert? Damit komme man an die Grenzen der werbewissenschaftlichen Quantifizierbarkeit. Sponsoring allein schafft noch keinen Gewinn, wissen Fachleute. Erfolg schafft erst das gesamte Marketing. Den Publizitätsgrad der Aktion rechnet Schweiger weniger Red Bull als den Medien an. Denn nicht nur der Boulevard habe hier äußerst sensationslüstern agiert, sondern auch seriöse Branchenvertreter. „Wenn sich hingegen österreichische Lehrlinge in internationalen Wettbewerben exzellent schlagen und damit Hinweise auf Standortqualität geben, interessiere das kein Medium.“ Tatsächlich hat der Sprung den Medien ein reges Interesse beschert. Davon profitierte auch die Videoplattform You Tube: Bis zu acht Millionen Menschen sahen zur Spitze gleichzeitig zu, teilten die Betreiber im offiziellen You Tube-Blog mit. Damit dürfte auch ein neuer Rekord für Live- Übertragungen im Internet aufgestellt worden sein: Als bisheriger Spitzenwert galten mehr als sieben Millionen Zuschauer, die der Internet-Dienstleister Akamai 2009 bei der Amtseinführung des Präsidenten Obama zählte. Das Budget für den Markenauftritt der Firma aus dem Salzkammergut scheint unerschöpflich. Etwa ein Drittel des trotz Krise in den zurückliegenden Jahren ständig steigenden Umsatzes wird dafür verwendet. Das macht unter dem Strich annähernd 1,5 Milliarden Euro. Die Kosten für das Projekt Stratos bilden da mit kolportierten 50 Millionen Euro einen verschwindend kleinen Anteil. Red Bull sponsert seit Jahren eine Vielzahl sportlicher Veranstaltungen, vor allem im Extremsport. Scharfe Kritik an seinem Extremsportengagement hat das Unternehmen vor drei Jahren erlebt. Zwei so genannte Basejumper, Menschen die mit einem Fallschirm etwa von Hochhäusern oder Klippen springen, sind in der Schweiz ums Leben gekommen. „Geht Red Bull über Leichen?“, fragten daraufhin eidgenössische Medien und sprachen von Perversionen des Event-Marketings. Das hat den Getränkeproduzenten von seinen unkonventionellen Werbemethoden nicht abgebracht. Nach Angaben des amerikanischen Marktforschungsunternehmens Millward Brown liegt Red Bull derzeit auf Platz 80 der wertvollsten Marken der Welt, Österreichs teuerste ist der Stier mit den Flügeln auch: Der Wert beträgt umgerechnet 7,5 Milliarden Euro. In Summe stehen mehr als 600
Athleten bei dem Unternehmen unter Vertrag. Die Gesellschaft versucht sich aber nicht nur durch spektakuläre Sportarten und Veranstaltungen zu profilieren - mit der Stiftung „wings for life“ engagiert sie sich seit Jahren bei Forschungsprojekten zur Heilung verletzten Rückenmarks.
Akademische Hochstapler Frankreich ist ein Plagiatoren-Paradies Die französische Literaturprofessorin Hélène Maurel-Indart kämpft seit langem gegen Plagiate. In ihrem Land treten Eliten nicht zurück, wenn sie ihren Titel verlieren. Im Interview spricht sie über skrupellose Abschreiber und über ihre beste Waffe: Humor. SPIEGEL ONLINE: In manchen Ländern treten Politiker zurück, weil sie eine Geliebte haben, in anderen, weil sie plagiiert haben, schrieb die französische Tageszeitung "Le Monde" zum Rücktritt von Annette Schavan - das klingt, als belächle man in Frankreich den deutschen Umgang mit Plagiatsaffären. Maurel-Indart: In Frankreich würde ein Politiker nicht zurücktreten, wenn er seinen Doktortitel verliert. Hier sind Plagiatsaffären heftige, kurze Skandale. Danach kann der prominente Plagiator seine Karriere weiterverfolgen. SPIEGEL ONLINE: Genügt in Frankreich ein Universitätsabschluss für eine große Karriere? Maurel-Indart: In Frankreich ist es leicht, Karriere zu machen, wenn man von einer Grande Ecole kommt. Diese Elitehochschulen sind sehr renommiert. Wer zum Beispiel an der ENA studiert hat, der französischen staatlichen Hochschule zur Ausbildung von hohen Verwaltungsbeamten, braucht keinen Doktortitel mehr. SPIEGEL ONLINE: Und welchen Wert hat der Doktortitel an der Universität in Ihrem Land? Maurel-Indart: In Frankreich braucht man den Doktortitel, um Hochschullehrer und dann Professor zu werden. Er ist also nur eine von mehreren Etappen im Lebenslauf. Allerdings ist er wichtig und notwendig für eine wissenschaftliche Karriere. SPIEGEL ONLINE: In Ihrem Buch "Die kleine Untersuchung über den skrupellosen Plagiator" wünschen Sie sich aber insgesamt mehr Prestige für Promovierte? Maurel-Indart: Ja, eigenständig angefertigte Doktorarbeiten sind Glanzleistungen. Es kostet Mühe und mindestens drei Jahre Zeit, eine Doktorarbeit zu schreiben. Mehr Wertschätzung ist wichtig, trotzdem verarbeite ich Plagiate mit Humor. SPIEGEL ONLINE: Was ist an Plagiaten lustig? Maurel-Indart: Ich decke die Skrupellosigkeit des Plagiators mit Humor auf. Plagiate sind oft so grotesk, dass der Schummler lächerlich wirkt: Wenn ein vielbeschäftigter Prominenter auf einmal ein großes Werk vorstellt und jeder weiß, dass er eigentlich gar keine Zeit dafür hat, ist das entlarvend. Doch weil sie hier kaum Konsequenzen fürchten müssen, juckt sie das wenig. Frankreich ist ein Plagiatoren-Paradies. SPIEGEL ONLINE: Wie erklären Sie sich das? Maurel-Indart: In Frankreich ist es sehr schwierig, eine Autorität in einer Institution zur Verantwortung zu ziehen. Aber ich sehe eine Veränderung in den letzten fünf Jahren: Die Medien interessieren sich mehr für Plagiatsaffären, die Gesellschaft will mehr Transparenz - und durch das Internet wird es auch einfacher, Plagiate aufzudecken. Abschreiben allerdings auch. SPIEGEL ONLINE: Sie selbst haben auch eine französische Webseite, die "Das Plagiat" heißt. Jagen Sie damit Plagiatoren? Maurel-Indart: Ich bezeichne mich nicht gerne als Plagiatsjägerin. Ich lehre und informiere über Plagiate, auch auf meiner Seite. Aber dort Plagiatoren zu melden, ist mir zu heikel. In meiner Funktion als Professorin muss ich nur Plagiate bei meinen eigenen Studenten bestrafen, wenn ich welche entdecke.
SPIEGEL ONLINE: Warum ist das zu heikel, wenn Franzosen das mit dem Plagiieren ohnehin nicht so eng sehen, wie Sie sagen? Maurel-Indart: Es ist manchmal immer noch weniger riskant zu plagiieren, als den Plagiatoren zu denunzieren. SPIEGEL ONLINE: In Ihrem neuen Buch jedoch prangern Sie Plagiatoren an. Maurel-Indart: Ja, ich habe aber auch lange und präzise daran gearbeitet und wissenschaftliche Maßstäbe angelegt. Das Buch enthält konkrete Beispiele und beschreibt Typen von Plagiatoren und ihre Art zu schummeln. Es ist für die breite Öffentlichkeit bestimmt, damit jeder nachvollziehen kann, was ein Plagiat ist und was nicht. Nur so viel: Um eins zu erkennen, muss man sehr genau hinschauen. SPIEGEL ONLINE: Was muss sich ändern im Kampf gegen Plagiatoren? Maurel-Indart: Wir müssen die Plagiatssoftware verbessern. Und es muss klar sein, welchen Schaden ein Plagiat insgesamt anrichtet: Ehrliche Schriftsteller werden entmutigt, Zeit und Mühe in ein eigenes Werk zu stecken. Kunstwerke, Schriftstücke und Institutionen, die Titel vergeben, verlieren ihren Wert durch Plagiate. Das Interview führte Vanessa Klüber
"Alternative für Deutschland": Warum die Anti- Euro-Partei Merkels Sieg gefährdet Eine Kolumne von Wolfgang Münchau Man kann sich lustig machen über diese älteren Herrschaften mit der Deutschland-Flagge und den D-Mark-Scheinen. Aber die "Alternative für Deutschland" ist mittlerweile die einzige echte Opposition in Deutschland - und Peer Steinbrücks letzte Chance auf den Wahlsieg. CDU/CSU führen mit großem Vorsprung vor der SPD. Wenn man die Koalitionen zusammenrechnet, wird es enger. Laut einer aktuellen Umfrage von INSA haben Union und FDP 44 Prozent, SPD und Grüne zusammen 41. Die "Alternative für Deutschland" (AfD) liegt mittlerweile bei drei Prozent. Die Euro-Gegner profitieren vom Trend, und ihr Timing ist gut. Die AfD ist jetzt in der Phase, in der gute Ergebnisse weitere gute Ergebnisse hervorbringen. Das ist wie im Marketing: Es gibt eine Welle von Pionierkäufern. Und dann gibt es Kunden, die erst dann zuschlagen, wenn das Produkt bereits Erfolg hat - wie beim iPhone. Sollte die AfD in den Umfragen jemals fünf Prozent erreichen, könnte ihr Stimmenanteil danach schlagartig ansteigen. Denn die Wähler können dann davon ausgehen, dass eine Stimme für die AfD bei der Bundestagswahl nicht verschenkt ist. Leser dieser Kolumne wissen, dass ich die der AfD diametral entgegengesetzte Position vertrete. Ich bin für den Euro - aber im Gegensatz zur Bundesregierung auch für die Dinge, die notwendig sind, um ihn zu erhalten. Wenn man Euro-Bonds nicht will und die gemeinsame Einlagensicherung der Sparkonten in Europa auch nicht; wenn die Bundesrepublik also nicht bereit ist, den notwendigen Preis für den Erhalt des Euro zu zahlen, dann sollte sie die Währungsunion verlassen. In diesem spezifischen Punkt stimme ich mit der AfD überein. Merkels angeblich so clevere Krisenpolitik Entscheidend für mein Urteil sind nicht Zypern oder Griechenland, sondern Italien und Spanien. In Italien steigt die Schuldenquote bald auf 130 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das Land ist politisch nicht bereit, sich ökonomisch Deutschland anzupassen. Dazu müsste Italien den Staatssektor reformieren, das Kartellrecht stärken und vor allem sein Arbeitsrecht dem von Deutschland anpassen. Das Land müsste sich praktisch neu erfinden. In Spanien führt die simultane Entschuldung von Privat- und Staatssektor in eine brutale Abwärtsspirale, aus der ein Ende nicht absehbar ist. Weder Italien noch Spanien sind unter den jetzigen Bedingungen im Euro-Raum lebensfähig. Ich glaube zwar nicht, dass die Mehrheit der deutschen Wähler vor der Bundestagswahl die Konturen der Alternativen ebenso scharf zeichnet wie ich gerade. Merkel ist ja zum Teil auch wegen ihrer angeblich so cleveren Krisenpolitik bei den Wählern so beliebt. Aber ich glaube, es gibt genug Leute im Land, die ihr Hasardspiel durchschauen. Interessanterweise ist die AfD auch für bestimmte Euro-Befürworter attraktiv. Für diejenigen nämlich, die glauben, dass man den Euro nur durch einen Austritt Deutschlands retten kann. Die AfD steht schließlich nicht für die Abschaffung des Euro, sondern lediglich für die freie Wahl eines Landes, die Währungsunion zu verlassen. Wenn Deutschland austritt, würde der Rest-Euro abwerten. Genau das ist notwendig, um dem Süden einen Wachstumsschub zu verleihen, der dann schnell die Schuldenquoten drücken wird.
Der Euro brachte den Wettbewerbserfolg, nicht die Reformen Im Gegenzug würde die neue Mark aufwerten. Deutschlands unanständig hohe Handelsüberschüsse würden dahinschmelzen. Und vielleicht würde man dann auch die Faktoren für Erfolge und Misserfolge der deutschen Wirtschaft besser verstehen. Das deutsche Wirtschaftswunder der fünfziger und sechziger Jahre hatte weniger mit Ludwig Erhard zu tun als mit der einfachen Tatsache, dass Deutschland von einem System fester Wechselkurse profitierte und mit relativer Lohnzurückhaltung seine Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten anderer sicherte. Genau dasselbe ist im Euro-Raum erneut passiert. Der Euro brachte den Wettbewerbserfolg, nicht die Reformen von Gerhard Schröder. Wenn der Wechselkurs wieder wild herumspringt, dann verpuffen diese Reformen komplett. Bis zur Bundestagswahl werden sicher noch unvorhersehbare Dinge passieren. Wenn sich bei der AfD die internen Pannen häufen sollten, dann kann es mit der Partei genauso schnell bergab gehen wie jetzt bergauf. Wichtig für sie ist vor allem die klare Abgrenzung nach rechts. Sie darf nicht zum Sammelbecken politisch heimatloser Deutschtümler werden. Wenn die Partei solche Pannen vermeidet und ihr Thema scharf umreißt, dann stehen die Chancen auf einen Einzug in den Bundestag nicht schlecht. Und dann wäre auch das Gesamt-Wahlergebnis wieder offen. Man könnte sagen: Die AfD ist Peer Steinbrücks einzige Chance. http://www.spiegel.de/wirtschaft/muenchau-ueber-afd-warum-die-partei-so-gefaehrlich-ist-fuer- angela-merkel-a-894861.html
Britische Innovations-Misere: "Deutsche Gründlichkeit ist wichtig" Großbritannien hat einen Nobelpreis für Ingenieure ins Leben gerufen. Mit- Initiator ist der ehemalige BP-Chef Lord John Browne. Im Interview erklärt er, warum vielen Briten die Lust am Tüfteln fehlt - und warum typisch deutsche Pedanterie für Ingenieure eine gute Eigenschaft ist. SPIEGEL ONLINE: Die Royal Academy of Engineers hat zum ersten Mal den Queen- Elizabeth-Preis verliehen, eine Art Nobelpreis für Ingenieure. Damit wollen Sie den Ingenieursmangel in Großbritannien bekämpfen. Ist dies ein Zeichen des Umdenkens nach der Finanzkrise? Browne: Wir brauchen mehr Ingenieure in Großbritannien, aber es gibt einen Mangel in fast allen Ländern. Es geht uns darum, Exzellenz zu fördern und den Nachwuchs zu inspirieren. Kinder brauchen Vorbilder. Der Preis ist in Großbritannien angesiedelt und trägt den Namen der Königin von England. Aber er ist ein Weltpreis, so wie die Nobelpreise in Schweden und Norwegen. SPIEGEL ONLINE: Seit dem Ende des Finanzbooms 2007 wird in Großbritannien viel über den Umbau der Wirtschaft debattiert. Die Finanzbranche schrumpft, und es gibt das Gefühl, das Land habe seine Industrie zu schnell aufgegeben. Kommt jetzt wieder die Zeit der Ingenieure? Browne: Es geht nicht darum, verschiedene Sektoren gegeneinander auszuspielen. Ingenieure können zusätzliches Wachstum schaffen, sei es in der Formel Eins in Oxfordshire oder in der Londoner Informatikszene. Das wollen wir unterstützen. Es wird jedoch keine schnelle Wende amArbeitsmarkt geben: Es dauert sieben Jahre, bis ein Ingenieur ausgebildet ist. SPIEGEL ONLINE: Jedes Jahr verlassen 90.000 Ingenieure die britischen Unis, gebraucht werden jedoch 100.000. Warum ist das Fach aus der Mode gekommen? Browne: Es ist sehr schwierig, und man lernt es nicht in der Schule. Medizin ist zwar auch kein Schulfach, aber als Kind sieht man alle diese Fernsehserien, in denen Ärzte die Helden sind. Es gibt keine Fernsehserien über Ingenieure. Die Schulabgänger wählen ein Fach, über das sie nichts wissen. Früher haben die Leute gefragt, wenn sie einen Ingenieur getroffen haben: "Gibt es noch etwas anderes, worüber Sie reden können?" Es war nicht sehr spannend. Das ändert sich langsam wieder. Die Leute finden neue Technologien faszinierend. SPIEGEL ONLINE: Es heißt immer, die besten Ingenieure kämen aus Deutschland. Warum? Browne: Seit Bismarcks Zeiten werden Ingenieure als Teil der deutschen Gesellschaft geschätzt und respektiert. Ich bewundere das. Hier in Großbritannien
hingegen wurde die Ingenieurskunst lange nicht angemessen gewürdigt. Aber das kann wieder werden. SPIEGEL ONLINE: Hilft die deutsche Neigung zur Pedanterie? Browne: Gründlichkeit ist sehr wichtig im Ingenieurwesen. Sie würden nicht in ein Flugzeug einsteigen wollen, in dem die Piloten sich darauf verlassen, dass alles läuft. Sie erwarten, dass sie vor dem Start pedantisch eine Checkliste abarbeiten und die Passagiere sicher ans Ziel bringen. Das Gleiche gilt für Ingenieure. Sie schaffen etwas Neues mithilfe von Chemie und Physik, aber am Ende kommt es darauf an, verlässlich zu liefern. SPIEGEL ONLINE: Sie sind einer der Wirtschaftsberater der Cameron-Regierung. Erfinder wie James Dyson haben in der Vergangenheit geklagt, dass der Staat nicht genug für Industrie und Eigenproduktion tue. Hat er Recht? Browne: Das ändert sich gerade. Natürlich gibt es Grenzen, was Regierungen tun können. Grundsätzlich ist die Marktwirtschaft der zentralen Planwirtschaft vorzuziehen. Aber die Tatsache, dass die Weltwirtschaft nicht mehr so automatisch wächst wie in früheren Dekaden, hat der Regierung gezeigt, dass sie aktiver sein muss. SPIEGEL ONLINE: Die ersten Gewinner des Queen-Elizabeth-Preises sind die Erfinder des Internets: Drei Amerikaner, ein Brite, ein Franzose. Wie könnte Europa die US-Dominanz in einem Fach wie Informatik brechen? Browne: Es gibt viele großartige Ingenieure in Europa. Wir hatten mehrere in der engeren Auswahl, und ich sehe keinen Grund, warum einer von ihnen nicht im kommenden Jahr den Preis erhalten könnte. Das Interview führte Carsten Volkery in London http://www.spiegel.de/wirtschaft/interview-mit-lord-browne-britannien-braucht-ingenierure-a- 889758.html
CITYMAUT "Die Deutschen gehen die Sache falsch an" ZEIT ONLINE: Sie haben für Stockholm eine Staugebühr entwickelt, die 2006 eingeführt wurde Welche Wirkung hatte das? Eliasson: Die Zahl der Autos sank während der Rushhour um 20 Prozent. Das war ein wesentlicher Grund, warum die Gebühr in Stockholm heute große Akzeptanz erfährt: Sie hat schnell nach der Einführung das gewünschte Ergebnis geliefert und den Stau reduziert. Das richtige Design für eine solche Gebühr zu entwickeln, ist allerdings nicht ganz leicht. Man darf das bloß nicht den Politikern überlassen. ZEIT ONLINE: Wie entstand denn das System in Stockholm? Eliasson: Wir hatten das Glück, dass unsere damaligen Politiker sich kaum eingemischt haben. Sie gaben nur ein Ziel vor: weniger Stau in Stockholm. Wir sollten eine Gebühr entwickeln, mit der sich der Autoverkehr zu Stoßzeiten um 10 bis 20 Prozent verringern lässt. Der Rest wurde uns überlassen. Eine Expertengruppe, zu der auch ich gehörte, entwickelte daraufhin mithilfe von Computermodellen ein Design. Das haben wir dann mehrfach durchgerechnet und verfeinert. ZEIT ONLINE: In Deutschland geht man die Sache anders an: Die Citymaut soll vor allem Geld für die Infrastruktur bringen, und die Verringerung von Staus nähme man nebenbei noch mit. Führen die Deutschen eine falsche Diskussion? Eliasson: Sie gehen die Sache falsch an. Das Hauptziel muss ein besser fließender Verkehr sein. Die Einnahmen sind eher ein netter Nebeneffekt. Wenn es der Politik nur um das Geld für Straßen und Brücken geht, sollte sie ein anderes Mittel wählen – zum Beispiel höhere Steuern. Das ist auch der günstigere Weg: Rund 10 bis 20 Prozent der Einnahmen der Citymaut gehen immerhin dafür drauf, die Gebühr zu erheben. ZEIT ONLINE: Welchen Vorteil hat die Maut gegenüber gesetzlichen Regelungen wie etwa Fahrbeschränkungen? Eliasson: Man sollte den Leuten nicht vorschreiben, wie sie sich zu verhalten haben. Die Maut lässt ihnen die Wahl. Sie teilt die Autofahrer in zwei Gruppen. Die eine findet, dass der Zeitgewinn, den die Stauverringerung bringt, die Gebühr nicht wert ist – das sind typischerweise Freizeitfahrer. Die andere Gruppe, die unbedingt mit dem Auto fahren muss, etwa täglich zur Arbeit, schätzt dagegen den Zeitgewinn höher als den Preis, den sie dafür bezahlt. ZEIT ONLINE: Die Gebühr in Stockholm ist sehr niedrig. Warum hatte sie dennoch einen so großen Effekt? Eliasson: Weil die Gelegenheitsfahrer in Stockholm rund zwei Drittel der Autofahrer ausmachen, die die Mautgrenze passieren. Viele, die bisher drei Mal pro Woche mit dem Auto in die Innenstadt fuhren, kommen nur noch zwei Mal. Allein das wirkt sich spürbar auf die Verkehrsdichte aus, obwohl es für den einzelnen keine große Veränderung bedeutet. Die meisten glauben, dass sie ihre Strecken wie bisher fahren und sich gar nicht umgestellt haben. ZEIT ONLINE: Viele Städte in Deutschland fürchten, dass durch eine Citymaut die Innenstädte verwaisen und der Einzelhandel leidet. Zu Recht? Eliasson: Das ist eines der gängigsten Gegenargumente. Zahlreiche Studien zeigen aber, dass die Maut sich nicht negativ auf den Einzelhandel auswirkt. Wir haben in Stockholm die Entwicklung von Umsatz und Gewinn vieler Geschäfte untersucht. Das Ergebnis: Die Maut hatte überhaupt keinen Einfluss. Das ist auch kaum verwunderlich. Die meisten Kunden kommen entweder mit öffentlichen
Verkehrsmitteln von außerhalb der Mautzone oder sie kommen mit dem Fahrrad oder zu Fuß, ohne die Mautgrenze zu überschreiten. ZEIT ONLINE: Bevor die Maut in Stockholm eingeführt wurde, waren 70 Prozent der Bürger dagegen. Heute sind 70 Prozent dafür. Wie erklären Sie sich den Stimmungsumschwung? Eliasson: Die meisten überschätzen, wie viel Mühe ihnen die Gebühr machen wird, und unterschätzen die Vorteile. Sobald die Gebühr eingeführt ist, ändert sich das: Die Vorteile stellen sich als viel größer heraus, als man zuvor dachte, und die Menschen merken, dass es weniger schwierig ist, sich an die neuen Regeln anzupassen. Außerdem wirkt die menschliche Neigung, sich gegen Veränderungen im Leben zu sträuben, in beide Richtungen. Sobald die Neuerung da ist, wird die Mehrheit aus dem Bauch heraus sagen: "Ja, das ist okay – verändere es bloß nicht wieder." Egal wie gut man die positiven Wirkungen einer Citymaut erklären kann: Politiker müssen einsehen, dass man die Effekte sehen und erleben muss. http://www.zeit.de/auto/2013-03/citymaut-stockholm-2/komplettansicht
Ein Pirat springt ab Twitter ist für mich gestorben 19.02.2013 · FAZ Von CHRISTOPHER LAUER […] Soziale Medien sind ein Versprechen: dauerhafte Verfüg- und Erreichbarkeit sowie die Möglichkeit, ein potentiell unendlich großes Publikum zu erreichen. Mittlerweile habe ich auf Twitter 22.500 Follower, was man beachtlich finden kann. Oder auch nicht. Der hauseigene Analysedienst Twitter Analytics brachte mich auf die Frage, ob Twitter überhaupt etwas bringt. Twitter Analytics zeigt mir an, wie oft ein Link, den ich verbreite, geklickt wird. Ernüchternde Erkenntnis: Mir mögen zwar 22.500 Menschen folgen, aber im besten Fall klicken 2.000 auf einen Link, den ich verbreite. Im Durchschnitt irgendetwas um die 500. Große Tageszeitungen haben eine Auflage von mehr als 350.000 Exemplaren. Selbst bei der konservativsten Rechnung, dass nur ein Prozent der Leser überhaupt bis hierhin gekommen ist und diesen Gastbeitrag liest, wären das noch immer mehr, als auf meine Links auf Twitter klicken. Wenn ich in einer Talkshow des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sitze, erreiche ich sogar ein Millionenpublikum. Dafür kostet mich Twitter Zeit. Jeden Tag geht, seit Mitte 2009 grob gerechnet, mindestens eine Stunde dafür drauf. Das sind 166 Acht-Stunden-Arbeitstage seit 2009, die ich nur mit Twitter verbracht habe. Wenn jeder meiner 60.000 Tweets die Maximallänge gehabt hätte, käme ich auf ungefähr 800 Gastbeiträge zu je rund 10.000 Zeichen; das sind mehr als zwei Zeitungsspalten. Dafür kostet mich Twitter Nerven. Jeden Tag aufstehen und mindestens einen doofen Kommentar, eine Beleidigung lesen. Seit ich Abgeordneter bin, habe ich mehr als 500 Personen auf Twitter geblockt, das heißt, diese können mir nicht mehr folgen, und wenn sie mir schreiben, sehe ich es nicht. Man stelle sich vor, ich hätte in einem Jahr 500 einstweilige Verfügungen erwirken müssen, die es Menschen untersagt, sich mir zu nähern oder mit mir zu kommunizieren. Dafür entsteht sozialer Stress. Menschen twittern über ihre Depressionen, sie twittern im Affekt Unkluges, Dinge, die ich nicht lesen möchte. Wenn ich diese Menschen abkoppele, muss ich mich dafür ihnen gegenüber rechtfertigen. Jetzt wird ein Social-Media-Experte dazwischenrufen: „Aber du kannst sie doch für einen Zeitraum X stumm stellen!“ Ja, sage ich, aber will ich das? Warum soll ich als Empfänger auf einmal eine Filterleistung vollbringen, die ich mir eigentlich vom Absender wünsche? Ist es zu viel verlangt, dass sich alle, egal, in welcher Kommunikationsform, vorher folgende drei Fragen stellen: Muss es gesagt werden? Muss es jetzt gesagt werden? Muss es jetzt von mir gesagt werden? Und: Welcher Mehrwert entsteht denn durch diese permanente Nabelschau auf Twitter konkret und für wen? Darüber hinaus zerfasert Twitter meine Kommunikation. Journalisten stellen mir Anfragen in einer privaten Nachricht auf Twitter. Ein Statement hierzu, wie ich dieses und jenes einschätze. Es würde auch in eine SMS oder E-Mail passen, aber Twitter bietet sich halt an, denn es suggeriert meine dauerhafte Verfügbarkeit. Dabei sind einzig und allein Tweets Kalorien für die mediale Fressmaschine. Sie sind der heilige Gral des Verlautbarungsjournalismus, denn es gibt nicht einmal mehr einen Kontext, aus dem sie gerissen werden müssen, sie hatten von Anfang an keinen. So füllen seit dem Erfolg der Piraten-Partei Schlagzeilen wie „XY hat dieses und jenes getwittert“ den Boulevard. Wo aber sind die behaupteten Vorteile der Online-Kommunikation angesichts solcher medialer Kollateralschäden? Vom Vertrauensverlust, der durch eine salopp formulierte Unflätigkeit auf Twitter entsteht, gar nicht zu sprechen. Und weiß ich, Stichwort Brüderle, ob nicht in drei Jahren irgendein Tweet rausgekramt wird, den ich 2010 möglicherweise im betrunkenen Zustand veröffentlicht habe? Kann ich sagen, wie prüde die Gesellschaft im Jahr 2020 sein wird und in welchem Lichte meine Tweets von 2012 dann betrachtet werden? Überhaupt: In was für ein Menschen- und Gesellschaftsbild lasse ich mich durch die Nutzung von Twitter eigentlich pressen? Ist es ein Wert, unbedarft jeden Gedanken, der vermeintlich in 140 Zeichen passt, in die Welt zu blasen? Soll jeder immer alles kommentieren? Möchten wir eine Diskussions- und
Aufmerksamkeitskultur des Rauschens, das nur durch besonders laute und plakative Themen unterbrochen wird? War das nicht lange Zeit die Kritik an den klassischen Medien? Christopher Lauer ist innen- und kulturpolitischer Sprecher sowie Vorsitzender der Piraten-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.
Finanzkritiker Jean Ziegler: "Die Schweiz ist die Hehlerzentrale der Welt" SPIEGEL ONLINE: Ba ye rn -Manage r Uli Ho neß hat Geld in de r S chwe iz depon iert. Überrasc ht S ie das? Ziegler: Ne in. Die Schweiz ha t eine s der höchsten Pr o-Kopf-Einkommen der Welt, di e stärk ste Währung und ist der gr ößte Finanz pla tz für ausländische Vermögen. D abei sin d wir ei n kle ines L and ohne Rohstoffe. Die Schweiz ist die Hehlerz entrale der Wel t. SPIEGEL ONLINE: Ein ha rte r Vorwurf. W ie ko mmen S ie dazu? Zie gle r: In de r Sc hweiz wird Ge ld a us drei illega len Que lle n ange leg t: der Steue rhin te rziehung in anderen Indu striestaa ten, d e m B lutg eld vo n Dikta to ren und anderen He rrschern in der d ritten We lt und de m orga nisie rten Verb re chen. SPIEGEL ONLINE: Sie habe n das S chwe ize r Geschäftsmode ll scho n vo r mehr a ls 20 J ahren kritisie rt. Hat sich se itd e m ga r n ich ts g eändert? Zie gle r: Doch. S teue rhinterz iehung wa r in der Sch weiz bisla ng kein S tra fde lik t, desha lb gab e s in Fä lle n wie de m von Ex -P ost-Che f Klaus Zu mwink e l ke ine A mtsh ilfe. Das hat sich auf Druc k der Indus trie länd er geändert. Doch die Sc hweiz lehn t noch immer d en au to ma tisch en In formationsaustausch ab. SPIEGEL ONLINE: Das war auch ein großer Stre itpun kt im gepla nten Steue rabko mmen mit Deutsc hlan d. Hoeneß hat offenba r auf das Abkommen gehofft, u m sein Vermöge n anon ym zu lega lisie ren. Doch dann wu rde d as Vorh ab en vo m Bunde srat gestop pt. Zie gle r: Go tt se i Dank ! Ich verste he n ich t, waru m Finanz ministe r W olfga ng Schäub le das Abko mmen ange no mmen h at. Das war d ie letzte Sch lau me ie re i de r Zürche r Banke r. SPIEGEL ONLINE: Sieh t denn die Sch weize r P olitik d ie Ro lle als Finanzp la tz inzwischen k ritisch er? Zie gle r: Übe rhaup t nic ht. Die Struktu r der S chwe izer Füh rungssch icht ist gran ithart und seit Napoleon s Ze ite n un verän dert. Die sitz en auf de m Go tth ard und erte ilen der Welt Lektionen in De mokratie - e ine unglaubliche Selbstzufriedenhe it und Arrog anz. SPIEGEL ONLINE: Na ja, in ein igen P unkten ha t sich die Schweiz in den ve rgangen en J ahren sch on beweg t. Zie gle r: Ja, a ber nur a uf Druck. Das war scho n im Stre it u m jüd ische Vermögen so, d ie Schwe izer Bank en nac h de m Krie g stillsch we igend e inbeha lten ha tte n. Da wurden e rs t Entschäd igung en gez ah lt, nachde m d ie USA de n Banken mit Bo ykott drohten. SPIEGEL ONLINE: Ex-Finan z minister P eer Steinb rück droh te sogar mit der Ka va lle rie und wurde d afür stark k ritisie rt. Wie fanden Sie se ine Dro hung? Zie gle r: Gu t. Ich habe nie ve rs tanden , waru m Deu tsc hlan d sich so here inlegen lässt. Die Schweiz er Banke n plünde rn den deutschen Fisku s seit Jahrz ehnte n aus. SPIEGEL ONLINE: Das is t wied er e in se hr harte r Vorwurf. Ist der Einfluss der Banken auf den S taa t z u groß? Zie gle r: Ja. Sehr viele Schweize r schä men sich diese r Bankenoliga rchie. Die Schweiz ist se it 750 J ahren e in mu ltik ulturelles Lan d. Nur wegen de s Bankg eheimnisse s sind wir n ich t in die EU ein getreten . SPIEGEL ONLINE: Aber da s wird lang sa m aufge weicht. Beko mmt die Schweiz jetz t Konkurrenz durch ande re S teueroasen? Zie gle r: Die Sch we iz ist konku rrenzlos: S ie lieg t mitten in Euro pa, ist techn isch höchst en twicke lt, rec hts sich er, und d ie p o litischen Verhä ltnisse werden sich nie ändern. SPIEGEL ONLINE: Wieso nic ht? Zie gle r: Weg en der sc heinhe ilige n europ äisc hen Eliten. S chauen S ie sich Frank reich an, da hatte der soz ialistisch e Ex -Hau shaltsmin ister Jérô me Ca huzac selb st e in geheimes Aus land skon to. Die Hoffnun g lieg t au f Deutschland - weil e s dort d en politisch en Willen und die wirtscha ftliche M ac ht g ibt.
SPIEGEL ONLINE: Auch die eno rmen Da ten lecks de r jüngsten Ze it sorgen fü r Druck. Zie gle r: S timmt. Die früh er prieste rhaft ve rwa lte ten Gehe imn isse u m Offsho re - Gesellscha ften müs se n heute auf den Co mp ute r - son st kann das Geld nich t elek tron isch u m d ie Welt ra sen. Dann ko mmen au sländische Mitarbe ite r wie Hervé Fa lc ian i, de r be i de r HSBC Steuerda ten sta hl und sie den franzö sischen Behö rden übergab. Das s ind d ie Guten. SPIEGEL ONLINE: Auch das ist letz tlic h eine Fo rm der Hehle rei, die Sie vorh in Ihre r Heimat vorg ewo rfen haben. Zie gle r: Abe r e ine lä sslich e Sünde im Ve rgle ich zu de m, was die Banken an P lünderung be fre undete r De mokratien b etre ibe n. SPIEGEL ONLINE: Sie wa ren ach t Jahre Uno -Sonde rberich terstatter für d as Rech t auf Nahrung. In Ihre m neuen Buch "W ir lasse n Sie verhun gern " g reifen Sie e rneu t die Finanzb ranche an. Is t d ie e twa auch fü r den H unger ve ran two rtlich? Zie gle r: S ie träg t groß e Mitveran twortung. D enn nachde m Großb ank en die Fin anzkris e ausge löst haben, zo ck en sie je tzt verstä rkt mit Leb ensmitteln . Zugle ich sind e ine Milliard e Mensch en p ermane nt s chwe rst unterern ährt, a lle fünf Se kunden stirbt e in Kind . SPIEGEL ONLINE: Die Zock ere i alle in e rk lärt abe r n ich t d en Hu nger in der Welt. Den Interna tiona len W ährungs fond s, d ie We lthande lso rgan isa tion u nd die We ltba nk bezeic hnen S ie weg en ih rer Wirtscha ftspo litik ga r als "ap okal yptische Re iter". Wie ko mmen S ie zu so lch h arte n Vorwü rfen? Ziegler: A us ei gener Er fahrung. Ich ha be kürz lich in Per u erlebt, wie Mütter in eine m Slum sich höchsten s e inen Plastikbe cher vol l Reis le isten k onnten. Das liegt an der Börsenspeku lation auf Nahrungsmittel, die morgen verboten werde n könnte. Aber da s widerspri ch t der neoli beralen Wahnidee, wonach Märk te mögli chst unregul iert sei n sol l ten. SPIEGEL ONLINE: Was fo rde rn Sie? Zie gle r: Es gib t ke in e Ohnmacht in d er Demok ra tie - und De utsch land ist d ie lebend igste De mok ra tie Europas. Die Wähle r könnten Schäub le da zu zwingen, be im IW F für die To ta len tsc huldung de r ä rmsten Länder zu stimmen. Ang ela Me rke l mü ss te dafür so rgen, das s Agrartre ibs toffe mit ho hen Zö llen be leg t werden, weil sie Millionen Tonnen an Nahrung vernich ten. Und der Bund estag kö nnte d as Börse ngese tz so ände rn, dass Nah rungs mittelspe kula tion en in Deutsch la nd un mög lich werden . Das Interview führte David Böcking http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/ affaere -um-uli-hoeness-interview-mit- dem-bankenkritiker-je an-ziegler-a-895868.html
Zehn Jahre Schröder-Reform: Das Erbe der Agenda 2010 Von David Böcking Hamburg - Die Gegner gab es von Anfang an. Bis heute demonstrieren sie montags in Freiburg, Bremen oder Eisenhüttenstadt gegen eine Reform, die aus ihrer Sicht vor allem eines gebracht hat: "rücksichtslosen Sozialkahlschlag". Doch in jüngster Zeit zeigen sich vor allem die Freunde der Agenda 2010. Zu ihnen gehört Frankreichs konservativer Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, der den Sozialdemokraten Gerhard Schröder als Reformkanzler lobte. Der Chef des US- Konzerns General Electric, der sagte: "Wir müssen mehr wie Deutschland werden." Und neuerdings auch Schröders Parteifreunde. "Wir können sehr stolz auf die Agenda 2010 sein", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel im Interview mit SPIEGEL ONLINE. Zehn Jahre ist es her, dass Gerhard Schröder die Agenda-Reformen ankündigte, deren Herzstück die Hartz-Gesetze für den Arbeitsmarktwaren. Die damals heftig umstrittenen Reformen erscheinen heute in einem anderen Licht, weil Deutschland die Wirtschaftskrise besser verdaut hat als die meisten anderen Länder. "Die Reformen haben uns in der Krise sehr geholfen", sagt Jochen Kluve, Arbeitsmarktexperte am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). "Ohne sie stünden wir heute da wie Frankreich oder Italien." Aber stimmt das wirklich? Viel spricht dafür, dass die Agenda Deutschland tatsächlich wettbewerbsfähiger gemacht hat. So stiegen die Lohnkosten viel langsamer als in EU-Ländern, die heute unter Wirtschaftseinbruch und Rekordarbeitslosigkeit leiden. Kluve zeigt in Vorlesungen eine Grafik mit der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen nach den Hartz-Reformen. Zunächst scheinen diese keinen Einfluss zu haben, die Zahl der Jobsuchenden steigt weiter. Dann aber geht sie plötzlich stark zurück - und bleibt trotz Krise weit unter dem früheren Niveau. […] Denn es gibt auch andere Erklärungen, warum Deutschland so glimpflich durch die Krise kam: Milliardenschwere Konjunkturhilfen wie die Abwrackprämie, mit denen die Bundesregierung die Wirtschaft in der Krise stützte. Die Ausweitung der Kurzarbeit - ein Instrument, das es bereits seit 1957 gibt. Die Skepsis deutscher Unternehmer, die im letzten Aufschwung 2005 bis 2007 mit Neueinstellungen zurückhaltend waren - und dadurch in der Rezession 2009 weniger Angestellte entlassen mussten. Laut den Ökonomen Michael Burda und Jennifer Hunt erklärt dies rund 40 Prozent des ausgebliebenen Einbruchs am deutschen Arbeitsmarkt. Der Aufstieg von Schwellenländern, die derzeit besonders auf deutsche Produkte angewiesen sind. "Die Chinesen würden unsere Maschinen auch kaufen, wenn die
Löhne höher wären", sagt Matthias Knuth, Arbeitsmarktexperte an der Universität Duisburg-Essen. Die Bescheidenheit der Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen. "Die jahrelange Lohnzurückhaltung hat die Exporte befördert und am Arbeitsmarkt mehr bewirkt als die Agenda", glaubt der frühere DIW-Chef Gert Wagner. Dennoch verlangen prominente Ökonomen zum zehnjährigen Agenda-Jubiläum nun mehr vom Gleichen: Der RWI-Präsident und neue Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, forderte weitere Reformen und kritisierte, dass stattdessen über einen Mindestlohn diskutiert werde. Die Korrekturarbeiten laufen noch Gerade die Mindestlohn-Debatte zeigt jedoch, dass die Politik noch damit beschäftigt ist, unbeabsichtigte Folgen der Agenda zu korrigieren. Die Reformer hatten Mini-Jobs mit geringer Bezahlung gestärkt - vor allem als Mittel zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Doch mittlerweile sind Niedriglöhne für jeden fünften Deutschen zum Normalfall geworden, mehr als eine Million Menschen benötigen trotz Arbeit staatliche Hilfen. Beim DIW-Ökonomen Wagner hat das zu einem Umdenken geführt. Vor zehn Jahren lehnte er Mindestlöhne noch ab, heute ist er dafür. "Früher habe ich gesagt, das erledigen die Tarifpartner. Das stimmt heute leider nicht mehr." Auch ein anderes Ziel der Hartz-Reformen wurde bislang verfehlt. Zwar verbesserte sich die Vermittlungsquote von Hartz-IV-Empfängern. Doch ohne finanzielle Förderung werden auch heute nur jährlich sieben Prozent von ihnen vermittelt, sagt Knuth. "Das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit ist nicht gelöst." Trotz solcher Kritik ist das Selbstbewusstsein bei den Reformern von heute groß. Vor zehn Jahren war Deutschland noch als "kranker Mann Europas" kritisiert worden. Kürzlich sprach Altkanzler Schröder nun von einer "gesunden Frau", von der andere Länder lernen könnten. Experten wie Knuth sind da deutlich vorsichtiger. "Ausländische Beispiele werden immer sehr holzschnittartig verwendet", sagt er. "Das war vor Hartz bei uns so - und jetzt ist es so in anderen Ländern, in denen Deutschland zum Vorbild erhoben wird.
Reformpaket Großbritannien stutzt den Sozialstaat zusammen 03.04.2013 · Auf der Insel beginnt der größte Umbau in der Geschichte des britischen Wohlfahrtsstaates. Kritiker warnen vor Ungerechtigkeit. Viele Bürger wollen indes die Umverteilung begrenzen. Von MARCUS THEURER, LONDON Kann ein Minister von 7,57 Pfund (8,90 Euro) am Tag leben? „Wenn ich müsste, dann könnte ich das“, antwortete der britische Arbeitsminister Iain Duncan Smith diese Woche in einem Radiointerview. Jetzt wollen viele Briten, dass der Politiker von der Konservativen Partei seinen Worten Taten folgen lässt: Ein Internetaufruf fordert, der Minister, der bislang netto 225 Pfund am Tag verdient, solle sich ein Jahr lang selbst mit dem Minimalbudget begnügen. Binnen anderthalb Tagen haben den Aufruf rund 260.000 Bürger unterzeichnet. Ein empörter Markthändler hatte Duncan Smith zuvor in der Radiosendung vorgerechnet, nach der Kürzung des staatlichen Mietzuschusses durch die Regierung bleibe ihm genau diese Summe zum Leben. Auf der Insel schlagen die Wogen hoch, nachdem die Regierung in London zu Monatsbeginn einen weitreichenden sozialpolitischen Umbau ins Werk gesetzt hat. Fachleute sprechen von der umfassendsten Reform des Sozialstaats in Großbritannien seit den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals ist der britische Wohlfahrtsstaat in seiner heutigen Form geschaffen worden. Jetzt, da die neuen Spielregeln Stück für Stück eingeführt werden, debattieren die Briten landauf, landab: Europas drittgrößter Volkswirtschaft droht die dritte Rezession binnen fünf Jahren, die Staatsschulden sind rapide gestiegen. Wie viel Sozialstaat kann und will sich das Land da noch leisten, und wie soll das Geld fair verteilt werden? Insgesamt sechs verschiedene Reformen treten bis Ende April in Kraft. Sie werden nach Schätzung von Ökonomen zu Einsparungen von rund 3,3 Milliarden Pfund im Jahr führen. Das entspricht zwar lediglich rund 1,5 Prozent der staatlichen Sozialausgaben insgesamt. Brisant sind die Neuregelungen dennoch. Geschätzte 660.000 britische Haushalte müssen zum Beispiel damit rechnen, dass ihnen der Mietzuschuss zu ihrer staatlichen Sozialwohnung gekürzt wird, weil ihre Wohnung von der Regierung als zu geräumig erachtet wird. Die Höchstsumme an staatlichen Zuwendungen soll für Familien unabhängig von der Zahl der Kinder auf 500 Pfund (589 Euro) in der Woche begrenzt werden. Das Heer der 3,2 Millionen Empfänger von Berufsunfähigkeitsrenten will die Regierung durch strengere Prüfungen um ein Fünftel verkleinern. Die meisten Sozialleistungen werden in den kommenden drei Jahren jeweils nur um 1 Prozent erhöht, während die Lebenshaltungskosten in Großbritannien derzeit um mehr als 2 Prozent im Jahr steigen. Reformen spalten das Land Als deutlichster Reformschritt gilt jedoch die bevorstehende radikale Vereinfachung des Sozialsystems. Ab Ende des Monats wird im ganzen Land schrittweise eine einheitliche Sozialhilfezahlung eingeführt. Der sogenannte Universal Credit ersetzt ein Sammelsurium von sechs staatlichen Hilfszahlungen. Das führt zu einer weitreichenden Umverteilung: Nach Schätzung der Regierung werden dadurch zwar 3,1 Millionen Haushalte bessergestellt, aber 2,8 Millionen Haushalte werden weniger Unterstützung bekommen. Die Regierung will zugleich stärkere Anreize schaffen, zu arbeiten, indem der Verdienst weniger stark auf die Sozialleistungen angerechnet wird als bisher. „Die Vereinfachung der Sozialhilfe und die Arbeitsanreize sind ein großer Schritt nach vorne“, sagt James Browne von der Londoner Denkfabrik Institute for Fiscal Studies, dem renommiertesten unabhängigen Forschungsinstitut auf dem Gebiet der Staatsfinanzen in Großbritannien. Der Großumbau spaltet das Land. Vergangenen Monat kritisierte Justin Welby, der neue Erzbischof von Canterbury und Oberhirte der Kirche von England, die Einschnitte im Sozialetat seien ungerecht und führten zu einem Anstieg der Kinderarmut. Andererseits scheinen sich immer mehr Briten weniger Sozialstaat zu wünschen: Meinungsumfragen zufolge glaubt inzwischen mehr als die Hälfte der Bürger, dass die staatlichen Hilfen zu hoch seien und die Empfänger davon abhielten, sich Arbeit zu suchen. Finanzminister George Osborne verteidigt die Sparmaßnahmen: „Manche behaupten, das sei das Ende des Wohlfahrtsstaates, aber das ist schriller Nonsens“, sagte Osborne am Montag. „Die Wahrheit ist: Die Steuerzahler glauben nicht, dass der Sozialstaat noch richtig funktioniert.“ Das bisherige Sozialhilfesystem sei zu kompliziert und großzügig gewesen. Als Beispiel nannte Osborne Familien im teuren London, die staatliche Mietzuschüsse von 100.000 Pfund im Jahr erhielten: „Keine Familie mit einem normalen Arbeitseinkommen würde auch nur davon träumen, sich eine solche Miete leisten zu können.“ F ra n kf u rt e r Al l ge m ei n e Z ei tu n g
Werbung Am Ende wollt ihr ja doch nur Pommes 02.06.2013 · Was ist da passiert? McDonald’s gilt jetzt als cool und junge Gesichter der deutschen Unterhaltungsbranche tauchen plötzlich in den Werbefilmen des amerikanischen Fast-Food-Unternehmens auf. Von JÖRG THOMANN Für Klaas Heufer-Umlauf, bärtige Hälfte der ewigen Fernseh-Duellanten Joko & Klaas, könnte das hart sein: Kontrahent Joko vergnügt sich in munterer Runde, und er, Klaas, ist nicht eingeladen. Wie Joko mit heißen Frauen wie Alexandra Maria Lara und Palina Rojinski flirtet und mit coolen Typen wie Moritz Bleibtreu und Elyas M’Barek abhängt, das kann sich Klaas nur im Fernsehen anschauen, und ein Trost wird es auch nicht sein, dass Joko dabei ein komisches T-Shirt trägt, auf dem „Hamburger“ steht. Aber so was muss eben tun, wer zur jungen, lässigen Entertainment-Elite zählen will, die sich hier versammelt hat - in den neuen Werbefilmen für McDonald’s. Mancher wird da erst mal schlucken müssen, vor allem, wenn er sich erinnern kann an die achtziger, neunziger Jahre des vergangenen Jahrtausends. Damals galt McDonald’s als goldenes Kalb der vom amerikanischen Food- Imperialismus verblendeten Massen, die nichts wussten von den Geboten guter Ernährung und fairer Unternehmenskultur; hinter der Clownsmaske verbarg sich ein Regenwälder und Betriebsräte verschlingendes Monster. „Ganz unten“ befand sich, wie Günter Wallraff recherchierte, wer hier arbeitete, und wer hier aß, nicht viel höher - jedenfalls in den Augen seiner besser essenden Mitmenschen. Und noch 2004 gruselte sich das Kinopublikum davor, wie Morgan Spurlock im Film „Super Size Me“ nach dreißigtägigem Verzehr der jeweils größtmöglichen McDonald’s-Portionen selbst mehr und mehr die Gestalt eines Big Mac annahm. Schluss mit Super Size Super Size war vorvorgestern: Die zehn durchweg schlanken Stars der neuen Kampagne schlüpfen in die Rollen kleiner Snacks und Getränke, die sich zum Preis von zwei Euro miteinander paaren. Zehn Prominente der A- Kategorie, angesagt bei der jungen bis sehr jungen Zielgruppe, sexy und gern auch etwas schräg. Rapper Cro spielt einen (Wortwitz!) Wrap, Jürgen Vogel - als Mittvierziger mit Oliver Korittke der Älteste der Runde - meditiert als Veggieburger TS im Yoga-Sitz, das Ehepaar Collien Ulmen-Fernandes und Christian Ulmen ist auch dabei, sie als Eisbecher und er als Bio-Apfeltüte, die keiner bestellt. Selbstironie à la McDonald’s 2013: Schaut her, so die Botschaft, bei uns gibt’s inzwischen auch kleingeschnittene Apfelstückchen - aber am Ende nehmt ihr ja alle doch bloß die Pommes. Vom unmanierlichen Schmuddelkind zum lustigen Kumpel, mit dem irgendwie jeder gut kann: Der Wandel, dem sich der Konzern unterzogen hat, ist erstaunlich, und er findet seinen Ausdruck nicht allein in der Apfeltüte. Bei McDonald’s gibt es heute Kalorienarmes und Kaffeekultur, Transparenz und Tarifverträge, Nährwerttabellen und Nachhaltigkeitsberichte. Das einstige Symbol des Raubtierkapitalismus setzt auf regionale Produkte, bildet Hauptschüler aus und viele Migranten. Der Personalvorstand bloggt über die Arbeitswelt, und bei Facebook nimmt man demütig Kundenklagen über kalte Fritten entgegen. Und Lob für seine Burger bekam man vom Starkoch Ferran Adrìa wie auch von Thilo Bode, dem Alpha-Rüden der Kampfhunde von Foodwatch. Ich liebe es: Auf jeden trifft der Firmenslogan nicht zu, aber immer weniger hassen es. McDonald’s ist Konsens wie Ikea oder, in einer anderen Branche, Angela Merkel. Für kleinere Erregungswellen aber ist man immer noch gut. Zum Beispiel, wenn Zürichs Schauspielhaus dagegen aufbegehrt, dass nebenan ein McDonald’s einzieht, wenn das Unternehmen in einem „Bündnis für Verbraucherbildung“ Schulkindern Ernährungstipps geben will oder wenn die „Stiftung Lesen“ Bücher in Happy-Meal-Tüten packt. Und auch über manch frischgebackenen Werbekopf zieht nun ein Shitstorm hinweg. So wird Korittke auf seiner Facebook-Seite beschimpft, da er als
vermeintlich „cooler, unabhängiger und sozialer Typ“ nun Massentierhaltung und Junk-Food fördere: „So unreflektiert und ignorant ist also heute unsere Schauspielergilde.“ Korittke mag sich dazu nicht äußern, seine Agentin erklärt, man habe nach längerer Diskussion entschieden, dass die Werbung zu ihm passe. Knappe Statements liefern zwei Kollegen: „Die Idee, die Produktpalette mit einem tollen Ensemble als Figuren zu spielen, fand ich sehr lustig“, lässt Moritz Bleibtreu verlauten, und auch Jürgen Vogel lobt „das Konzept der Kampagne“ und den „Spaß an der Arbeit“ mit dem Team. Man kennt sich aus der gemeinsamen Agentur oder von Filmen: Beim Casting für die Kampagne durfte McDonald’s auf die Gruppendynamik setzen. Werbestars geben sich entspannt Die neuen Werbestars geben sich postideologisch entspannt und scheinen auch nicht den „Geiz ist geil“- Beigeschmack der Spots zu fürchten. Und weil sie die McDonald’s-Produkte allesamt selbst spielen, müssen sie nicht mal wie ihre Vorgänger Stefan Raab oder Heidi Klum in einen Burger beißen; sie machen sich, auch im Wortsinn, die Finger nicht schmutzig. Gerade darin freilich sieht Andreas Pogoda, Gesellschafter der Markenberatung Brandmeyer, eine Schwäche der Spots: Der Einsatz der Prominenten wirkt auf ihn „hochgradig gestellt und unauthentisch“. Allen Salat-Feigenblättchen zum Trotze bleibt die klassische McDonald’s-Kost ziemlich fett, salzig und ballaststoffarm. Als Ernährungs-Vorbilder taugen die Testimonials, was sie nicht zu kümmern scheint, also nicht - was allerdings ebenso gilt für Milchschnitte mampfende Schwergewichtsboxer und für Nationalkicker, die Nutellabrötchen frühstücken. McDonald’s-Verächter können sich damit trösten, dass wenigstens Nora Tschirner nicht dabei ist. Und, wie gesagt, auch Klaas Heufer-Umlauf nicht, für den an Jokos Seite kein Platz war, weil McDonald’s nun mal keinen Doppel-Whopper im Angebot hat. Doch auch Klaas ist für McDonald’s längst im Einsatz gewesen und hat aus einem Kinderbuch vorgelesen. Ein Hauch von Bulettenduft umweht also auch ihn. Quelle: F.A.S.
Unternehmensberater mit 18 Ein Abiturient erklärt die digitale Welt 09.05.2013 · Wie denken Digital Natives und was wollen sie? Kaum einer gibt den Unternehmen so erfolgreich Nachhilfe wie ein 18 Jahre alter Abiturient aus der schwäbischen Provinz. Von NIKLAS WIRMINGHAUS Philipp Riederle und ein Ausschnitt aus der ersten Folge seiner Serie „Mein iPhone und ich“ Philipp Riederle hat erst mal eine Auszeit genommen: keine Vorträge, keine Vor-Ort-Termine, volle drei Monate lang. Angst vor einem Burnout? Quatsch. Riederle, 18 Jahre jung, steckt schlicht mitten in den Abiturprüfungen. In der kommenden Woche steht Deutsch schriftlich an. Davor wird noch sein erstes Buch veröffentlicht: „Wer wir sind und was wir wollen“. Der Untertitel: „Ein Digital Native erklärt seine Generation.“ Philipp Riederle ist ein digitaler Ureinwohner. Als er 1994 geboren wird, ist das World Wide Web schon seit einem Jahr für die Öffentlichkeit zugänglich. Er wächst auf mit tragbaren Computern und internetfähigen Handys. Facebook, Apps und Twitter gehören für ihn zum Alltag. Das unterscheidet ihn von den Digital Immigrants, die sich den Umgang mit den neuen Technologien mühsam aneignen mussten und oft noch heute, 20 Jahre nach dem Aufstieg des Internets zum Massenphänomen, mit der Lebenswelt der Digital Natives fremdeln. Auch in den Vorstandsetagen der Wirtschaft sitzen überwiegend digitale Immigranten: 51,3 Jahre alt sind deutsche Führungskräfte im Schnitt, hat der Wirtschaftsinformationsdienst Bürgel errechnet. Klassensprecher der Generation Y Weil die Unternehmen aber darauf angewiesen sind, dass sie erfahren, wie ihre Kunden und Arbeitskräfte von morgen ticken, hat sich ein Markt aufgetan für jene, die den Firmenstrategen die Werte, Wünsche und Gewohnheiten der Digital Natives glaubwürdig vermitteln können. Hier tummeln sich traditionelle Unternehmensberatungen, Jugendforscher, spezialisierte Social-Media- und Enterprise-2.0-Agenturen sowie eine ganze Reihe von selbsternannten Digitalexperten. Und eben ein 18-jähriger Abiturient aus Burgau in Bayerisch-Schwaben. Wie wird man zum Klassensprecher der Generation Y, wie die Digital Natives auch genannt werden? Die Geschichte beginnt, als Riederle 13 Jahre alt ist. Der technikbegeisterte Junge legt sich ein iPhone von Apple zu. Im Internet sucht er nach Anleitungen und Berichten über das Gerät - und findet nichts. Riederle erfindet selbst ein Magazin: Aus dem Kinderzimmer sendet er von nun an einmal die Woche „Mein iPhone und ich“: kurze Filmchen über Zusatzprogramme (Apps), den besten Umgang mit der Handykamera oder die neueste Generation des Geräts. Die Serie wird schnell populär. Tausende Nutzer schauen sich jede Folge an. Aus dem Hobby macht Riederle bald ein gutes Geschäft. Firmen schalten Werbung vor seine Beiträge. Mit 15 gründet er eine eigene Firma, die Geschäftsführung übernimmt der Vater. Im Partykeller der Großeltern richtet sich Riederle ein professionelles Aufnahmestudio ein. Und er wird zum ersten Mal für einen Vortrag vor Marketingexperten angefragt. Das Thema: sein Erfolg als Web-Filmer. Der Auftritt gelingt, und schnell hat er Anfragen aus der ganzen Industrie: Audi, SAP, Microsoft, Deutsche Telekom. Er erweitert sein Themenspektrum, liest sich Theorie an und spricht nun auch über das Kommunikationsverhalten seiner Generation, über entsprechendes Marketing, passende Geschäftsmodelle und sogar interne Unternehmensorganisation. Bis heute hat er knapp 100 Kunden beraten und über 150 Vorträge gehalten - all das neben dem Schulbesuch am Dossenberger-Gymnasium in Günzburg. Er hat jetzt eine Agentin, die Anfragen und Termine koordiniert, und fährt einen BMW als Dienstwagen. Seine Einnahmen verrät er aber nicht, so transparent sind die Digital Natives nun auch wieder nicht. Schnoddrig, belehrend, authentisch Anruf beim Digitalguru. „Ich bin ein ganz normaler Jugendlicher, der mit Kumpels in verrauchten Kneipen oder bei McDonald’s absteigt“, sagt Riederle. Er sei ein ganz normaler Jugendlicher, der Freunde und Freizeit habe. Er muss das sagen. Denn davon hängt auch seine Glaubwürdigkeit als Klassensprecher der Digital Natives ab. Als einer, der die digitalen Immigranten fast mitleidig betrachtet: „Diese Menschen haben meist kaum einen Schimmer davon, in welcher Welt wir uns bewegen“, wie er in seinem Buch schreibt.
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