Brandenburger Leitfaden für die Einführung von Mehrwegbecher-Pfandsystemen - MLUK
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Impressum Herausgeber: Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) Referat Öffentlichkeitsarbeit Henning-von-Tresckow-Straße 2-13, Haus S, 14467 Potsdam Telefon: +49 (0)331 866-7237 E-Mail: bestellung@mluk.brandenburg.de Internet: mluk.brandenburg.de oder www.agrar-umwelt.brandenburg.de Bearbeitung und Autoren: Marie-Luise Glahr, Potsdamer Bürgerstiftung Heidy Bachmann, Intelligenz System Transfer Dreilinden Titelbild: Johannes Walter, realstockvector – stock.adobe.com Layout und Satz: LGB (Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg) Stand: Mai 2020 Hinweis: Diese Veröffentlichung ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Landwirtschaft, Um- welt und Klimaschutz des Landes Brandenburg. Sie ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf nicht für Zwecke der Wahlwerbung oder in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner Gruppen verstanden werden könnte. Nachnutzung – auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers.
Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, in den vergangenen Jahren haben in Deutschland bereits mehrere Städte und Wirtschaftsregionen ihre eigenen Mehr- wegbecher-Pfandsysteme verwirklicht. Neben kommunalen Beteiligten, die ihre Systeme in Eigenregie betreiben, sind auch private Unternehmen auf dem Markt aktiv. Die Entwick- lung eines eigenen Mehrwegbecher-Pfandsystems stellt die Entscheidungsträger vor eine komplexe Aufgabe. Bereits die Informationsbeschaffung erweist sich als aufwendig. Daher hat das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klima- schutz beschlossen, diesen Einführungsleitfaden insbeson- dere für interessierte kommunale Entscheidungsträger sowie gemeinnützige Initiativen erarbeiten zu lassen. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass das Volumen der im öffentlichen Raum entsorgten Kartonbecher bereits bis zu 15 Prozent des Volumens der verfügbaren öffentlichen Abfallbe- hälter beansprucht. Und der Verbrauch von Einwegbechern, die zudem häufig in der Umwelt entsorgt werden (Littering), wird künftig weiter zunehmen – wenn ihm nicht mit effektiven und konzertierten Maßnahmen begegnet wird. Mit der Veröffentlichung der EU-Kunststoffstrategie im Januar 2018 und mit dem 5-Punkte-Plan des Bundesministeriums für Umwelt (BMU) im November 2018 wurde der politische Rahmen für einen nachhaltigen Umgang mit Kunststoffen geschaffen. Nach den EU-Plänen sollen ab 2030 alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt recyclingfähig sein. Die damit beschriebenen Ziele und Maßnahmen zeigen übernationale bzw. -regionale Interessen, ohne jedoch regionale Besonderheiten zu würdigen. Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz wird mit der Umsetzung von Maß- nahmen für einen ressourcen- und umweltschonenden Umgang mit Kunststoffen an die Intentio- nen der in Brandenburg ansässigen Akteure anschließen, die man in Industrie und Handel, aber auch in der Bevölkerung findet. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Abfallvermeidung durch Stär- kung von Mehrwegverpackungssystemen, die etwa im Außer-Haus-Verkauf von Heißgetränken noch nicht so weit verbreitet ist. Axel Vogel Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz des Landes Brandenburg VORWORT 3
Inhaltsverzeichnis Vorwort....................................................................................................................................... 3 Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... 5 1. Ziel und Anwendung des Leitfadens............................................................................. 6 2. Problembeschreibung.................................................................................................... 7 2.1 Das Abfallproblem Einwegbecher..................................................................................... 7 2.2 Pfandsysteme sind keine Selbstläufer.............................................................................. 8 3. Lösungsvarianten......................................................................................................... 10 3.1 Das Befüllen von Individualbechern ............................................................................... 10 3.2 Mehrwegbecher-Pfandsysteme.......................................................................................11 3.2.1 Voraussetzungen.............................................................................................................11 3.2.2 Grundsätzliche Empfehlungen........................................................................................ 13 3.3 Systemanbieter............................................................................................................... 14 4. Ausgestaltung eines kommunalen Pfandsystems.................................................... 16 4.1 Das Partner-Netzwerk..................................................................................................... 17 4.2 Becher- und Deckelauswahl........................................................................................... 18 4.3 Prozesse, Aufgaben und Personalbedarf........................................................................ 22 4.3.1 Aufgaben......................................................................................................................... 22 4.3.2 Einrichten der Ausgabestellen......................................................................................... 24 4.3.3 Logistik............................................................................................................................ 25 4.4 Finanzierung................................................................................................................... 25 4.5 Mehrweg auf Veranstaltungen........................................................................................ 26 5. Marketing und Öffentlichkeitsarbeit............................................................................ 28 6. Erfolgskontrolle............................................................................................................. 29 6.1 System-Evaluation.......................................................................................................... 29 6.2 Ökologische Evaluation................................................................................................... 29 Quellenverzeichnis.................................................................................................................. 31 Anlagen.................................................................................................................................... 34 BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN 5
1. Ziel und Anwendung des Leitfadens Der Leitfaden richtet sich an Mitarbeiter/innen Das vorliegende Material wurde aus eigenen interessierter Städte, Kommunen, Gemein- Erfahrungen, aus Internetrecherchen und aus den, Landkreise, Regionen, Vereine, an Politi- Erkenntnissen und Hinweisen kommunaler ker, Bürgerinitiativen und Durchführende. Projekte und Akteure gewonnen, die u.a. in Hannover, Potsdam und Eberswalde berich- Er soll die Entwicklung, die Einführung und tet wurden. Die Potsdamer Bürgerstiftung be- den Betrieb eines attraktiven und verbrau- schäftigt sich seit Mitte 2017 intensiv mit dem cher-freundlichen Mehrwegbecher-Pfandsys- Thema, ein stadtweites Pfandbechersystem in tems in Eigenregie erleichtern, beschleunigen Potsdam zu etablieren. und dazu beitragen, die operativen und ver- waltungsnahen Fragen zeitnah zu klären und Der Leitfaden wird durch Auszüge aus der den Aufwand an Personal, Finanz- und Sach- jüngsten Studie des Umweltbundesamtes mitteln realistisch abzuschätzen. „Untersuchung der ökologischen Bedeutung von Einweggetränkebechern im Außer-Haus- Er gibt Anleitung, wie ein Pfandsystem zu pla- Verzehr und mögliche Maßnahmen zur Ver- nen, strukturieren und zu organisieren ist und ringerung des Verbrauchs“ (UBA, 2019) mit wie der Betrieb des Pfandsystems effizient ge- kommunal relevanten Ergebnissen und Er- steuert werden kann. Es werden Übersichten kenntnissen aus weiteren Veröffentlichungen, und Abwägungshilfen zugänglich gemacht, z. B. der Deutschen Umwelthilfe (DUH, 2018), die praktische Antworten auf Fragen nach ergänzt. Rahmenbedingungen, Organisation, Prozes- sen, der Personalstruktur und der Finanzie- Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die rung geben. männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Personen- gruppen aller Geschlechter. 6 BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
Problembeschreibung 2. 2.1 Das Abfallproblem Einwegbecher ten – in der Papierkorbentleerung, aber auch in der Reinigung von öffentlichen Plätzen – Dass in den deutschen Bundesländern Abfall- hohe Ausgaben zu bewältigen. Abfallbehälter und Plastikprobleme zur Lösung anstehen, ist mit automatischen Presseinrichtungen an „To- allgemein bekannt. Ein Teilbereich dieser Pro- go-Abfall-Hotspots“, z. B. an Bahnhöfen, öf- bleme wird durch zunehmende Mengen der fentlichen und touristischen Plätzen, schaffen sogenannten „To-go-Verzehrangebote“ verur- nur unzureichend Abhilfe. sacht. An den Konsumbrennpunkten ist dies meist schon an überfüllten Abfallbehältern und Die tatsächlich lokal anfallenden Abfallmen- unsachgemäß entsorgtem Müll (Littering-Pro- gen lassen sich nur schwer ermitteln. Die blematik) erkennbar. Eine nach dem Verpa- meisten kommunalen Akteure behelfen sich ckungsgesetz vorgesehene stoffliche Verwer- hier einer groben Schätzung des Einweg-be- tung findet in der Regel aufgrund mangelnder cheraufkommens mittels Grundannahmen der Sammelsysteme für Einwegbecher, -Teller Deutschen Umwelthilfe aus dem Jahr 2014 und -Besteck (sog. Serviceverpackungen) oder den aktuellen Daten des Umweltbundes- nicht statt. Zudem ist die Verwendung von amtes. Im ländlichen Raum spielt die regel- Einwegprodukten, wie den Einwegbechern, mäßig anfallende Menge an Einwegbechern wegen ihrer extrem kurzen Nutzungsdauer eine untergeordnete Rolle. Allerdings kom- weder ressourcenschonend noch nachhaltig. men auch hier bei größeren Veranstaltungen häufig große Mengen an Einweggeschirr zum Zur derzeitigen Situation: Einsatz. Die dabei anfallenden Abfälle werden Deutschlandweit werden pro Jahr ca. 2,8 Mrd. in der Regel thermisch entsorgt. Einwegbecher verbraucht, davon ca. 1,1 – 1,2 Mrd. Becher im To-go-Bereich für Heißge- Um Einwegbecher deutlich zu reduzieren, tränke (UBA, 2019). Einwegbecher verursa- braucht es attraktive und verbraucherfreundli- chen vermeidbare Verluste an Rohstoff und che Alternativen. Eine vom Umweltbundesamt Energie. Allein durch den Verzehr von Heißge- empfohlene Systemänderung (UBA, 2019) hin tränken entstehen ca. 28.000 Tonnen Abfall. zu Mehrwegsystemen setzt auf kommunaler Ein Pfandsystem würde sich auf den Ressour- Ebene auf das Prinzip der Freiwilligkeit. Dies cenverbrauch und die allgemeine CO2-Bilanz erfordert eine breite Beteiligung der Bevöl- zweifelsfrei positiv auswirken (UBA, 2019). kerung sowie Sensibilisierungsmaßnahmen, welche die Verbraucher über wiederverwend- Die Einsparungen in der reinen Abfallentsor- bare Lösungen, abfallwirtschaftliche Optionen gung sind eher gering. Die in Summe erzeug- und Erfolgsmodelle informieren. ten Einwegbecher und Deckel sind mit etwa 28.000 Tonnen im Vergleich zu den übrigen Die Implementierung eines Mehrwegsystems Verpackungsabfällen aus dem haushaltsna- kann dabei als Umweltbildungsmaßnahme ei- hen Bereich nur eine marginale Menge. Hier nen positiven Effekt auf weiteres Konsumver- ist kein wesentliches Potenzial für die Erhö- halten haben. Sie erreicht große Anteile der hung der Verwertungsquoten zu erwarten Verbraucher, um den Aspekt der Abfallvermei- (UBA, 2019). dung mehr ins Bewusstsein zu rücken. Das Volumen der als Abfall und durch Littering Verpflichtende Preis- und mengenregulatori- anfallenden Becher ist gleichwohl unüberseh- sche Instrumente oder Kennzeichnungspflich- bar. Die Kommunen haben durch laufende ten wären Themen auf Bundesebene. Diese Entsorgungs- und vor allem Reinigungskos- Instrumente sind meist administrativ aufwen- BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN 7
dig und mit Einschränkungen für Produzen- laufen sogar Mehrwegbecher-Systeme von ten, Händler und Verbraucher verbunden. Es verschiedenen Anbietern parallel. bleibt abzuwarten, welche Lösungen hier in den nächsten Jahren übergreifend umgesetzt Leider laufen sie aber nicht alle gleich gut werden. oder haben zumindest Anlaufschwierigkeiten oder Nachfrageprobleme. Hier bietet sich ein Mögliche Einspar- und ökologische buntes Bild. Aus mehreren Städten wird be- Effekte sollten konsequent genutzt wer- richtet, das Pfandsystem entspreche nicht den, denn sie bringen Vorteile: den Erwartungen. tt Entlastung in der Entsorgung durch Die ökobilanzielle Bewertung von Mehrweg- Abfallvermeidung bechern im Verhältnis zu Einwegbechern er- tt Verbesserung des Stadtbildes bzgl. weist sich als anspruchsvoll und kann sachge- Ordnung und Sauberkeit recht nur von Spezialisten ausgeführt werden. tt positiver Effekt in der Klimaargumen- Die Studie des Umweltbundesamtes (UBA, tation. 2019) konnte Folgendes belegen: • Mehrwegsysteme bedürfen zur Nachweis- 2.2 Pfandsysteme sind keine Selbstläufer barkeit ihres Nutzens einer gewissen Um- laufhäufigkeit der Becher (mindestens 10 Etliche Kommunen und Städte haben be- Umläufe; bezogen auf die Wirkungskatego- reits Pfandsysteme eingeführt und auf loka- rie Klimawandel sogar 50 Umläufe). ler Ebene Erfahrungen gesammelt. Positive • Einwegdeckel haben wesentlichen Ein- Resonanz ist z. B. aus Hannover oder Wien fluss auf das Ergebnis einer ökobilanziellen (Vienna.at, 2010) zu hören. In einigen Städten Bewertung. Mehrwegbecher mit Einwegde- Gründe für Anlaufschwierigkeiten und Nachfrageprobleme von Pfandsystemen • Pfandsysteme funktionieren besser, soweit sie jemand engagiert betreibt, zumindest eine dauerhafte Finanzierung sicherstellt und die Wirksamkeit engmaschig überwacht. Der per- sonelle Aufwand wird teilweise unterschätzt und auf Grund der schmalen Haushaltsbudgets zu gering gehalten. • Es gibt eine unzureichende spontane Akzeptanz bei den Kunden. Die Beteiligungsquote ist unzureichend. Einwegbecher werden trotz Mehrwegsystem genutzt, da Mehrweg nicht das Regelangebot darstellt. • Die Rückgabe-Compliance ist unzureichend. Neuanschaffungen sind einzuplanen, um ca. 20-30 % Schwund pro Jahr auszugleichen. Zum einen werden Becher gerne als Sammel- objekte oder Urlaubstrophäen nach Hause mitgenommen, andererseits behindern zu lange Wege oder zu wenig Rücknahmestellen den Umlauf. • Die Deckelproblematik ist in einigen Systemen nicht abschließend geklärt und wirft sowohl Hygiene-, als auch Machbarkeitsfragen auf. Verschiedene Systeme arbeiten mit Kaufde- ckeln, Einwegdeckeln oder Pfanddeckeln. • Kleinere Verkaufsstellen verfügen nicht über geeignete Spülmöglichkeiten und bleiben vom Pfandsystem ausgeschlossen. Zentrale Spülstellen oder mobile Spülwagen sind logistisch und finanziell herausfordernd. 8 BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
ckel können in nahezu keiner Wirkungska- tegorie positive Effekte gegenüber Einweg- systemen erzielen. Mehrwegsysteme ohne Einwegdeckel dagegen zeigen in nahezu allen Wirkungskategorien bereits nach 10 Umläufen positive Ergebnisse. • Der Spülvorgang hat eine wesentliche, er- gebnisbestimmende Wirkung. Bei Verwen- dung von zertifiziertem Grünstrom für den Spülvorgang ist eine bessere Ökobilanz als für Einwegbecher darstellbar. • Die Gesamtumweltlasten durch die Nut- zung von Einwegbechern entsprechen un- gefähr der Gesamtumweltlast von ca. fünf bis sieben tausend Bundesbürgern für ein Jahr. Das heißt, Einwegbecher haben im Verhältnis zur gesamten Abfallmenge eine insgesamt eher geringe Gesamtbelastung. Als Umweltbildungsmaßnahme bewirken Mehrwegsysteme aber einen positiven Ef- fekt auf weiteres Konsumverhalten und ha- ben damit indirekt Einfluss auf die Gesamt- Müllvermeidung. Eine unkomplizierte und verbraucherfreundli- che Praxis ist auf eine gesicherte Infrastruktur, dauerhaftes Engagement und zuverlässige Kommunikation angewiesen. Ein alltagstaug- liches System muss sich einerseits an den tatsächlich bestehenden Nutzungsanforde- rungen aller Beteiligten orientieren, aber auch ökobilanzielle Aspekte berücksichtigen. Eine breite kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und ständige Schulung des oft wechselnden Per- sonals der Ausgabestellen ist unerlässlich. BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN 9
3. Lösungsvarianten In Deutschland werden derzeit zahlreiche den und Regionen hat sich diese Variante als Mehrwegbecher-Pfandsysteme konzipiert, „Stadtbecher“ etabliert (u.a. Esslingen, Bens- geplant, beraten, beantragt oder auch bereits heim, Marburg, Tübingen). Andere nutzen den eingeführt und mehrfach überprüft. Bisher Becher als Werbeträger für Kampagnen und unterscheidet man vier Systemarten (UBA, Projekte (u.a. Berlin, München). Dazu gibt 2019): es auch teils bundesweite (z. B. Coffee-to-go • Inhouse Mehrweggefäße für Ausflugver- again, (Post, 2019) ) und teils landesweite Ini- kehr (z. B. Kaffeehaus/ Biergarten) tiativen (Hessen mit Becherbonus, (HMUKLV, • private Mehrwegbecher zum Befüllen mit 2019) ). Rabatt-Angeboten • individuelle Mehrwegbecher in geschlos- Die Beteiligungsquoten sind allerdings stark senen Anbieter-Systemen (z. B. Hochschu- von den persönlichen Motiven und dem indi- len) viduellen Umweltbewusstsein der Zielgruppe • Mehrwegbecher-Pfandsysteme im Poo- abhängig. In den Verkaufsstellen müsste die- lingsystem. se Variante aktiv durch die Mitarbeiter bewor- ben und angeboten werden. Bezüglich einer Diese Varianten werden vielerorts auch paral- zu geringen Beteiligungsquote werden haupt- lel betrieben. Dies fördert die Akzeptanz, die sächlich zwei Aspekte diskutiert: Durchsetzungschancen von Mehrweglösun- gen und die Beteiligungsquoten der Nutzer Hemmnis Nr. 1 Mehrarbeit wegen Vor- durch verschiedene Auswahlmöglichkeiten. gaben der Lebensmittel-Hygienebestim- Die altbewährte Inhouse-Variante bietet die mungen beste Ökobilanz, aber gerade bei der jünge- ren Bevölkerung nimmt der Anteil an Coffee- Um mitgebrachte Kundenbecher zu befül- to-go zu. len, sind Hygienevorschriften zu beachten. Die Betreiber von Verkaufsstellen befürch- 3.1 Das Befüllen von Individualbechern ten daher zusätzlichen Aufwand wegen erweitaerter Arbeitsabläufe und erforder- Am sichersten und einfachsten lässt sich der liche Schulungen. Dabei ist dieses Sys- Einwegbecher im Coffee-to-go-Betrieb ver- tem einfacher umzusetzen und weniger meiden, wenn das Befüllen mitgebrachter Be- aufwendig als ein Pfandsystem. Auch laut cher möglich ist. Der Kunde trägt seinen Be- Lebensmittelhygieneverordnung ist das cher bei sich, reinigt ihn selbst und erhält dafür unproblematisch, sofern die Lebensmittel gegebenenfalls einen Preisnachlass. so in Verkehr gebracht werden, dass sie der Gefahr einer nachteiligen Beeinflus- Der mitgeführte Individualbecher kann Pfand- sung nicht ausgesetzt sind (§ 3 LMHV). systeme effizient ergänzen und ist deswegen bei weitgestreuten Standorten der Verkaufs- Der Lebensmittelverband Deutschland stellen besonderer Berücksichtigung wert. e.V. hat hierzu ein Merkblatt (LMVerband, Verkaufsstellen bieten dieses Verfahren zu- 2019) für den Umgang mit kundeneigenen nehmend an. Die Becherlieferanten reagieren Bechern herausgebracht. Gegebenenfalls zeitnah auf die unterschiedlichen Anforderun- gibt es abweichende Vorgaben der für die gen an den Becher. Das Angebot ist bisher Lebensmittelaufsicht zuständigen Behör- noch unübersichtlich, zumal der Becher mit den in den einzelnen Bundesländern. und ohne Werbeaufdruck als attraktives Wer- begeschenk platziert wird. In etlichen Gemein- 10 BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
Hemmnis Nr. 2 Unzureichende Machbarkeit und Attraktivität für die Konsumenten Eine Umfrage von YouGov (YouGov, 2017) zeigte, dass Abfallvermeidung und Mehrweg- praxis allgemein hohe Zustimmung fände, die Nutzung eines mitgebrachten Gefäßes aber bisher eine eher untergeordnete Rolle spielte. Das Hantieren des eigenen Bechers in der Verkaufsstelle scheint vielen Verbrauchern of- fensichtlich nicht praktikabel. Gründe könnten Transporthemmnisse (Platz in der Tasche, Gewicht, auslaufende Restflüssigkeit) oder fehlende Spülgelegenheiten (insbesondere bei täglicher Mehrfachnutzung) sein. Die Studie des UBA, Seite 111, ( (UBA, 2019) zeigt, dass preisliche Anreize (z. B. 10-30 Cent Rabatt pro Kaffee) insbesondere für Viel-Kaffeetrinker eher zu gering sind und sich nicht spürbar für alle lohnen. Der Ausweg höherer Rabatte wirkt sich andererseits negativ auf die Umsätze der Händler aus. Wirkungsvoller mit stärkerer Langzeitwirkung wären erhöhte Abgaben auf Einwegbecher wegen der bekannten Verlust-Aversion. Damit die Händler mit- machen, wären kommunal einheitliche Regelungen notwendig. 3.2 Mehrwegbecher-Pfandsysteme Tankstellen) verwenden für den Coffee-to-go- Verkauf den gleichen Mehrwegbechertyp. Ein Konzept, um Einwegbecher-Abfall zu vermeiden und die Mehrfachnutzung zu för- Der Kunde nimmt sein Getränk gegen Pfand dern, ist die Einführung eines Pfandsystems mit. Nach dem Trinken wird der Becher in ei- (EU Richtlinie 2018/852, Art. 5, Abs. 1 a (EU, ner der teilnehmenden Ausgabestellen wie- 2018). Ein bundesweites Pfandsystem im Cof- der abgegeben und der Kunde bekommt sein fee-to-go-Bereich ist derzeit nicht geplant, da Pfand zurück. Das Pfand sichert, dass die es schwierige Fragen zur rechtlichen Umsetz- Becher zurückgegeben bzw. möglichst häufig barkeit, zu Regulierung, Freiwilligkeit, Verwal- wiederverwendet werden. tungsaufwand und zu den damit verbundenen Kosten aufwirft. Daher wird von Sachkundi- 3.2.1 Voraussetzungen gen empfohlen, lokale Lösungen anzugehen. Die Umsetzung eines Mehrwegsystems be- darf einiger Voraussetzungen, um zu gelin- Abhängig von der Pfandhöhe kann ein Pfand- gen. Es kann nur mit dem Wissen und der Tat- system beträchtliche Wirkungen entfalten. Die kraft des Betreibers und der Ausgabestellen Rückgabequote ist dabei natürlich von der im engen Schulterschluss mit allen Beteiligten Pfandhöhe abhängig. Zudem haben Pfandgü- – von der Stadt bis zum Konsumenten – zum ter erfahrungsgemäß kaum mehr eine Bedeu- Erfolg führen: tung für das sogenannte Littering. Spätestens über Pfandsammler werden sie in den Pfand- Räumliche Dichte der Ausgabestellen kreislauf zurückgeführt (UBA, 2019). Ein Pfandsystem funktioniert am effektivsten mit einer hohen (z. B. in Fußgängerzonen Das Prinzip der Mehrwegbecher-Pfandsyste- oder Innenstädten) oder logistisch sinnvollen me ist tatsächlich insgesamt einfach: (z. B. an Bahnstationen oder touristischen Plätzen) räumlichen Dichte an Ausgabestel- Teilnehmende Systempartner (Verkaufsstel- len. Der Kaffeetrinker möchte seinen Becher len wie z. B. Cafés, Bäckereien, Kioske oder unkompliziert, einfach und schnell wieder ab- BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN 11
geben. Bei wenigen Ausgabestellen könnten täten), Kammern, Innungen und andere mehr. Rückgabeautomaten das System entlasten Mit dem gesellschaftlichen Konsens ist – un- oder vervollständigen. abhängig vom Projektträger – ein möglichst Beschluss der Stadtverwaltungen/ Gemeinde- Großer Einzugsbereich und vertretungen für die Einführung eines Pfand- Flächendeckung systems zu erreichen. Um eine möglichst große Flächendeckung zu erreichen, sind Nachbarkommunen, durch Bündelung der unterschiedlichen Akteure den öffentlichen Nahverkehr verbundene Ein Pfandsystem lebt von einem flächende- Städte (Pendlerverkehr), beliebte touristische ckenden Netzwerk unterschiedlichster Akteu- Ausflugsziele oder auch große Unternehmen re. Um lokal passende Konzepte zu entwi- im Umkreis einzubeziehen. ckeln, sind möglichst viele Beteiligte an einem „Runden Tisch“ zu vereinen. Durch Zusam- Freiwilligkeit der Beteiligten menarbeit auf kommunaler Ebene kann Ver- Eine wichtige Voraussetzung ist die freiwillige waltungsaufwand verringert und übergreifen- Teilnahme der Ausgabestellen und der Ver- de Akzeptanz geschaffen werden. braucher. Denkbar wären auch freiwillige Ver- einbarungen zwischen Stadt/ Kommune und Zielgerichtete Maßnahmen zur Stärkung dem lokalen Gastronomiebereich, in denen des Pfandsystems Mehrweg als Standard und Einweg als Aus- Idealerweise wird die Einführung durch ein nahme festgelegt werden. Voraussetzung für kommunales Verbot zur Verwendung von Ein- die Teilnahme der Ausgabestellen sind in je- weggeschirr auf öffentlichen Veranstaltungen dem Fall geeignete Spülmöglichkeiten. und in öffentlichen Gebäuden flankiert. Es können Auflagen bei Festen im öffentlichen Einbindung des zivilgesellschaftlichen En- Raum gemacht werden, in Brandenburg z. B. gagements nach § 27 Abs. 4 Brandenburgisches Abfall- Für den Erfolg hilfreich sind Engagement und und Bodenschutzgesetz Einbindung möglichst vieler Bürger (z. B. Bür- gerinitiativen). Erfahrungsgemäß erhöht sich Beispiel für kommunale Maßnahmen der Erfolg überproportional, wenn zivilge- zur Stärkung von Pfandsystemen sellschaftliche Kräfte an der Umsetzung des Pfandsystems mitwirken. Dadurch entsteht Stadt München seit 1991, Satzung über gemeinsame Identität und ein Wir-Gefühl vor die Entsorgung von Gewerbe- und Bauab- Ort. fällen in der Landeshauptstadt München (Gewerbe- und Bauabfallentsorgungssat- Einbindung wichtiger Akteure auf den ent- zung): scheidenden Ebenen (Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft, Verwaltung) § 4 (9) Bei Veranstaltungen, die auf Grund- stücken oder in Einrichtungen der Stadt Es ist ein weitgespannter Konsens der kom- durchgeführt werden, dürfen Speisen und munalen Gesellschaft anzustreben. Partner Getränke nur in pfandpflichtigen, wieder- sind Zivilgesellschaft (Mitwirkung schafft Ak- verwendbaren Verpackungen und Behält- zeptanz!), Betriebe, Systempartner, kommu- nissen sowie nur mit Mehrwegbesteck nale Politik, Verwaltungen und andere wichtige ausgegeben werden; diese Pflicht gilt Institutionen (z. B. Kirchen, Glaubensgemein- auch für Verkaufsflächen, die im Eigentum schaften, Forschungseinrichtungen, Universi- 12 BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
Umweltzeichen „Blauer Engel“ als mögli- der Stadt stehen. Eventuelle Förderungen ches Vergabekriterium von Einrichtungen und Veranstaltungen Seit Januar 2019 existieren Kriterien für das werden von der Einhaltung dieser Pflicht Umweltzeichen DE-UZ 210 für Mehrwegbe- abhängig gemacht. Ausnahmen von die- chersysteme (Blauer Engel, Das Umweltzei- ser Pflicht können nur in besonderen chen, 2019). Eine Informationsbroschüre „Der Einzelfällen zugelassen werden. Blaue Engel für Mehrwegbechersysteme“ (LH München, Stand 08.11.2018) kann von der Internetseite runtergeladen wer- den. 3.2.2 Grundsätzliche Empfehlungen Wiederholte Schulung des Verkaufsperso- Konkrete Hinweise und Vorschläge für eine er- nals in den Verkaufsstätten folgreiche Umsetzung eines Mehrwegsystems Schulung ist die wichtigste Komponente für ergeben sich aus der Studie des Umweltbun- das Kaufverhalten der Kunden! desamtes (UBA, 2019) und aus Befragungen zu bestehenden Mehrwegsystemen. Die genann- Durchführen öffentlichkeitswirksamer ten Voraussetzungen und Empfehlungen erhö- Kampagnen und Marketing hen die Erfolgschancen sowohl in der Akzep- Die Nutzung von Mehrwegpfandsystemen tanz als auch in Hinblick auf die Umweltbilanz. kann in besonderem Maße durch öffent- lichkeitswirksame Kampagnen beeinflusst Einführen einer Preisdifferenzierung an werden. Dies kann in Form von bewusst- der Verkaufsstätte seinsbildenden Maßnahmen oder Umweltbil- Ein höherer Preis für Einweggetränkebecher dungsmaßnahmen mit Titeln wie „Mehrweg ist besser als ein niedriger Preis für Mehrweg- schmeckt besser“, „Mehrweg ist in“, „Mehr- becher auf Grund der Verlust-Aversion. weg statt Müll“ erfolgen. Überregionales Mehrwegsystem mit Rück- Einführen eines jährlichen Monitorings führlogistik mit jährlichem Bericht von unabhängiger Stel- Es sollte ein überregionales flächendecken- le (z. B. Erreichung der Ziele, Litteringproble- des Mehrwegsystems, mit funktionierender matik, Ausweisung der Zahlen getrennt nach Rückführungs- und Reinigungslogistik aufge- Abgabeorten etc.) baut werden. Folgende Kriterien sollten dabei berücksichtigt werden: Stärkung von Mehrwegsystemen durch die • Spülvorgang mit (möglichst) Grünstrom Kommunalverwaltung • Möglichst hohe Umlaufzahlen (> 10 bis 50) • Einrichten eines kommunalen „Litterings- pro Mehrwegbecher fonds“ für die Erstattung der Kosten für das • Möglichst keine/ wenig Verwendung von Einsammeln der in die Umwelt entsorgten (Einweg-!)Deckeln Einwegbecher durch Gebühren oder Aus- • Nur eine ausreichende Bepfandung der gleichszahlungen der Veranstalter Mehrwegbecher (Pfand > 1 €) führt zu hö- • Konsequentes Einwegverbot bei Veran- heren Rückgabequoten. staltungen im öffentlichen Raum durch • Mehrwegbecher sollten am POS (point of entsprechende Klauseln und Sanktionsme- sales) das Regelangebot sein. Sie sollten chanismen (UBA, 2013). stets gut sichtbar platziert werden; Einweg- • Vorgaben zur Benutzung von Mehrweg- becher und Deckel sollte es nur auf Nach- bechern sowie Spülmobilen bei Veran- frage geben. staltungen im öffentlichen Raum durch BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN 13
entsprechende Klauseln und Sanktionsme- Geschäfte mit geringen Coffee-to-go-Mengen chanismen. (UBA, 2013). nicht mehr. Kriterien des Gütesiegels „Der Blaue Um ein kommerzielles System als stadtweites Engel“ für Mehrwegbechersysteme System zu etablieren, beteiligen sich Kom- munen meist über eine Anschubfinanzierung • Technische Anforderungen an Mehr- oder über eine Erstausstattung bei den lokal wegbecher und -deckel gekennzeichneten Bechern. Externe Anbieter ttAusschluss von Polycarbonat- und haben für die Kommunen den Vorteil, kein ei- Melaminhaltigen Kunststoffen genes Knowhow und Personal für den dauer- ttsortenreine Kunststoffe ohne Be- haften Betrieb und die Logistik aufbauen zu schichtung müssen. Das begrenzt das Haushaltsbudget. tt500 Spülzyklen für Becher, 100 Spül- zyklen für Deckel Aber eine Garantie für ein Gelingen ist das • Anforderungen an Mehrwegbechersys- nicht. Dies zeigen Erfahrungsberichte. Ei- tem-Anbieter und Ausschankbetriebe ner der Gründe: die Betreuung vor Ort bleibt ttPfandentgelt von mind. 50 Cent pro aus Kostengründen meistens auf die Einfüh- ausgeschenkten Mehrwegbecher rungszeit beschränkt. Ein großer Teil der fort- ttangebotene Deckel nur als Mehr- laufenden Akquisition sowie die begleitende wegdeckel Betreuung der Ausgabestellen, der Marke- ttErmittlung der mittleren Umlaufzahl tingmaßnahmen und der Öffentlichkeitsarbeit der Mehrwegbecher müssten durch die beauftragende Gemeinde abgedeckt werden. Der dafür erforderliche • Getränkeausschank auf Veranstaltungen Aufwand wird meistens unterschätzt. Einige ttmaximal 50 Prozent veranstaltungs- Systemanbieter beschränken sich daher auf spezifisch bedruckte Pfandbecher sehr große Partner (u.a. Städte, Unterneh- ttrestliche Pfandbecher unbedruckt mensketten, Großbetriebe), wobei kleinere oder nicht terminspezifisch bedruckt Kommunen die Akquisitions- und Betreuungs- ttPfandbecher direkt vor Ort reinigen arbeit selbst tragen müssen. Quelle: (Blauer Engel, Das Umweltzeichen, 2019) Die Tabelle 3-1 zeigt ein Beispiel für die Ab- 3.3 Systemanbieter wägung einer externen Vergabe des Pfand- Systemanbieter agieren überregional und systems im Vergleich zum Betrieb durch eine bundesweit (z. B. Recup, Con-Cup, LogiCup, lokale Bürgerinitiative oder die Kommune CupCycle und andere). Sie sind bereits in vie- selbst. len Städten vertreten. Die Anbieter finanzieren sich über System- beiträge der teilnehmenden Partner, über die Preise beim Ersterwerb bzw. über die Becher- mieten. Die Kosten werden überwiegend von den Systempartnern gedeckt. Das wirkt sich mitunter negativ auf die Beteiligungsquote aus. Wenn nämlich Teilnahme und Becher- ausgleich an Mindestmengen gebunden wer- den, lohnt sich das Mitmachen für kleinere 14 BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
Tabelle 3 1: Beispielabwägung: Externe Vergabe versus Vergabe an eine Bürgerinitiative Betrieb durch Bürgerinitiative/ Kommune Betrieb durch freies Pfandsystem-Unternehmen Vorteile: Nachteile: ttpersönliches Engagement und weitgehend un- ttGgf. wenig persönliche Betreuung vor Ort, d.h. abhängig von Gewinnmaximierung Engagement und Aufwand für die Kommune, ttBecher durch gemeindliches Engagement be- um das System dauerhaft am Laufen zu halten reits bekannt ttFinanzielles Interesse, Gewinnorientierung Fo- ttHohe Identifikation des Bechers mit der Stadt kussierung auf eher große Partner ttemotionaler Faktor inkl. Aufklärungseffekten ttGgf. geringere Identifikation in städtischem Um- der Umweltbildung feld ttHöhere Beteiligungsquote der Gastronomie ttUnsteuerbar hinsichtlich Umweltbildung ttTeilnahme auch kleinerer Betriebe mit geringen ttGefahr, dass Cafés/ Partner nicht mitmachen, Umsätzen möglich Kosten tragen die Systempartner ttLogistik/ Umverteilung des Bechermaterials ttSystem lohnt sich erst ab einer bestimmten An- auch bei kleinen Mengen machbar zahl Coffee-to-go pro Tag und Ausgabestelle ttBeteiligungsangebote an benachbarte Kommu- ttUmverteilung/ Logistik der Becher erfolgt oft nen sind i.d.R. bereits bekannt erst ab einer bestimmten Stückzahl ttLeichteres Gewinnen von Sponsoren Nachteile: Vorteile: ttSystem bleibt lokal/regional begrenzt ttbundesweites bzw. regionalweites System ttProjektträger muss erst eigene Betriebserfah- ttVorhandene Betriebserfahrung rung mit Pfandsystemen sammeln ttFinanzierung über Partner durch monatliche ttdauerhafte Finanzierung über öffentliche Mittel Systemgebühr + Sponsoren erforderlich ttGeringere Gesamtkosten für die Stadt ttEinerseits höhere Gesamtkosten (insbesondere ttGgf. Beteiligung auch großer Ketten Personal, Marketing),andererseits bessere bzw. ttAPP vorhanden mehr Betreuungs-/ Akquisitionsaktivitäten ttGrößere Ketten verweigern ggf. den Anschluss ttGgf. Programmieraufwand für eine APP BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN 15
Ausgestaltung eines kommunalen 4. Pfandsystems Initiatoren und Projektträger eines kommu- einer sauberen Stadt oder einem klaren Be- nalen Pfandsystems sind in der Regel Kom- kenntnis zum Klimaschutz vor Ort sein. munen, kommunale Unternehmen (z. B. Müllentsorgungsbetriebe) oder lokale Bürger- Ein kleiner Fragebogen für die Recherche von initiativen vor Ort. Die Kommunen schaffen Eckdaten bestehender kommunaler Pfand- politische Voraussetzungen und setzen Rah- systeme ist in Anlage 1 beigefügt menbedingungen, Bürgerinitiativen sorgen durch ihr gesellschaftliches Engagement für Die Gründung eines eigenen Pfandbetriebes eine breite Beteiligung und Akzeptanz in der will grundsätzlich gut überlegt sein. Nutzen, Bevölkerung. Je mehr System-partner und Kosten und Risiken der Projektidee sind im Ausgabestellen gewonnen werden, desto at- Vorfeld zu prüfen und abzuwägen. Es emp- traktiver wird das Pfandsystem. Idealerweise fiehlt sich, einen Businessplan aufzustellen. gibt es einen Projektträger, der von mehreren Eine genaue Beschreibung des Projektes un- Partnern unterstützt wird, die ein Eigeninter- terstützt die spätere Entscheidungsfindung. esse am Gelingen des Projektes haben und damit ihren Anteil beitragen. Das können zum Neben breiter Informations- und Öffentlich- Beispiel Stadtverwaltungen und Betriebe mit keitsarbeit ist die Sicherstellung der Finanzie- Interesse an steigender Nachhaltigkeit, an rung vorrangig. Es sollte gelingen, die Becher- Beispiel aus der Praxis Gemeinnützige Initiative: Initiative eines kommunalen Betriebes: Frankfurt am Main, „Cup2gether“. „Hannoccino“ in Hannover In Frankfurt initiierten die „Lust auf besser Der „Hannoccino“ wurde vom Reinigungsbe- Leben gGmbH“ und andere das Projekt „Cup- trieb des aha Zweckverband Abfallwirtschaft 2gether“. Starthilfe gab es von der Stadt, vom Region Hannover 2017 initiiert und bis heute Fond des Rats für nachhaltige Entwicklung betrieben. Der Projektstart erfolgte mit Zu- und der Deutschen Postcodelotterie. Nach stimmung und Kooperation des Rates Han- schnellem Erfolg und medialer Aufmerksam- nover und der Stadtverwaltung. Schirmherrin keit übernahm 2019 die Stadtentsorgung ist die Erste Stadträtin und Wirtschafts- und Frankfurt a.M. (FES) das Projekt als „Main- Umweltdezernentin (LHP Hannover, 2019). becher“ und betreibt es stadtweit. Die Initia- 2019 hat das Pfandsystem mehr als 100 tive cup2gether begleitet weiterhin beratend Kooperationspartner mit über 180 Wechsel- (FES, 2019). stuben gewonnen (Hannoccino, 2019). Initiative einer Stadt: Initiative einer Hochschule: „Freiburg Cup“ in Freiburg „Nachfüllbar Eberswalde“ In Freiburg initiierte die Stadt das Pfand- In Eberswalde (Brandenburg) kam die Initia- bechersystem „Freiburg Cup“. Es wird vom tive 2017 als Pilotprojekt „Nachfüllbar Ebers- städtischen Abfallentsorger Abfallwirtschaft walde“ aus der Hochschule für Nachhaltige und Stadtreinigung Freiburg GmbH (ASF) Entwicklung Eberswalde (HNEE). Mit ersten und der Stadt Freiburg gemeinsam finanziert Partnern wurde es vom Kreis der Studieren- und von der ASF mit mehr als 134 Ausgabe- den ausgeweitet auf die Stadt. Es startete stellen betrieben (AFS, 2019). 2017. (HNEE, 2019) 16 BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
nisse gedeckt werden. Der personelle Auf- Elemente des Businessplans für ein wand sollte hier nicht unterschätzt werden. Mehrwegbecherpfandsystem 4.1 Das Partner-Netzwerk • Projektbeschreibung: Darlegung des Geschäftskonzeptes und der Ziele Der Pool der Teilnehmenden aus vielen Bä- • Projektträger und Beteiligte ckereien und Gastronomen in der Kommune • Markteinschätzung, Ausdehnung des sollte ein engmaschiges Netz an Ausgabestel- Ausgabegebietes len bilden. Alle vorhandenen lokalen Akteure • Personalbedarf und fortlaufende Finan- wie kommunale Politik, Nahverkehrsunter- zierung nehmen, Handelskammern, Studentenwer- • Marketing und Öffentlichkeitsarbeit ke, Vereine usw., sind als Multiplikatoren und • Zeitplan und Vorgehen für die Einfüh- Partner einzubinden. Zum Einsatz könnte der rungsphase. Pfandbecher kommen • in Gastronomiebetrieben, wie Bäckereien, Cafés, Eisdielen, Fleischereien produktion komplett vorzufinanzieren, damit • bei allen Händlern, die Getränke „To go“ Partner und Ausgabestellen möglichst ohne ausgeben, z. B. auch Tankstellen, Fitness- größere finanzielle Vorleistung in das System center, Internetcafés, Bowling Center einsteigen können. Es sollten auch Koopera- • bei Veranstaltungen im öffentlichen Raum tionen zwischen Initiativen aus benachbarten (Weihnachtsmarkt, Stadt- und Straßenfeste) Kommunen angedacht werden. Dies erhöht • bei Sportveranstaltungen oder in Koopera- die Akzeptanz bei den Nutzern durch ein grö- tion mit Vereinen ßeres Netz an Ausgabe- und Rücknahmestel- • in Kantinensystemen (Studentenwerk, Ins- len und senkt die administrativen Kosten der titute, Unternehmen, Behörden). einzelnen Beteiligten. Es muss berücksichtigt werden, dass das Mehrwegsystem sich nicht Dabei erleichtern niederschwellige Angebote ohne weiteres selbst trägt. Hierfür müssten die das Mitmachen, z. B. durch gratis Becherkon- Systemkosten den Nutzern bzw. Systempart- tingente, kostenlose Teilnahme am Pfandsys- nern auferlegt werden können, was eine hohe tem (keine Lizenzgebühr) und eine durchdach- Akzeptanz des Systems bei den Beteiligten te Logistik. Die Systempartner haben ggf. sogar erfordert. Die Finanzierung ist insofern über einen finanziellen Vorteil, da keine Einwegbe- einen mehrjährigen Zeitraum sicherzustellen. cher mehr angeschafft werden müssen. Die Erwartungen der Partner an das Pfandsystem Mit dem größten personellen Aufwand ist in können unterschiedlich sein (siehe Kasten). der Einführungsphase zu rechnen. Es gilt Runde Tische und Diskussionsforen zu ini- Möchte man auch kleinere Händler ohne ei- tiieren, Becher auszuwählen und zu gestal- gene Spülmöglichkeiten einbeziehen, ist über ten, politische Entscheidungen zu forcieren, eine zentrale Spüllogistik bzw. die Einbindung Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, Verträge zu professioneller Spüldienstleister nachzuden- entwerfen, Finanzmittel und Partner zu gewin- ken. Die Senatsverwaltung Berlin hat 2019 nen, Allianzen zu schmieden oder auch einen deshalb ein Pilot-Pfandsystem als Konzes- geeigneten Projektträger festzulegen. Wenn sion mit zentralen Spülmöglichkeiten ausge- das geschafft ist, müssen in der späteren Be- schrieben (Berlin, et al., 2019). Ggf. können triebsphase dauerhaft Logistik sichergestellt auch Kooperationen zwischen verschiedenen sowie Informations- und Beratungserforder- Händlern zum Spülen abgeschlossen werden. BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN 17
Erwartungen der Kommunen Erwartungen der Händler/ Ausgabestellen an das Pfandsystem an das Pfandsystem ttEinsparungen in der Müllentsorgung ttautomatischer Aufstieg zum „Klimahel- tteine sichtbar saubere Kommune den“ ttImagegewinn als nachhaltige und kli- ttkostenlose Teilnahme mafreundliche Kommune ttkein finanzielles Risiko, da Pfandaus- ttmehr ‚Wir-Gefühl‘ der Menschen in der gleich Stadt ttKosteneinsparung für Einkauf Einweg- becher ttEigene Edition mit Werbeeffekten (Branding muss sich lohnen) ttKostenloses Werbematerial ttAnsprechpartner mit Rundumbetreuung ttUnkomplizierte Vertragsgestaltung mit schnellen Ausstiegsmöglichkeiten Eine wichtige Zielgruppe stellen die Hoch- Bestimmte Materialeigenschaften sind für schulen, Universitäten und Studentenwerke den Betrieb, die Logistik, die Praktikabilität dar. An den Hochschulen verkehren regel- und damit für das langfristige Gelingen des mäßig mehrere Tausend Studierende, Pro- Pfandsystems wichtig. Erfolgsparameter fessoren und Mitarbeiter. Zudem werden die sind hier u.a. Gewicht, Gestalt, Haptik, Sta- Mensen und Kantinen auch von ansässigen pelbarkeit, Umlaufhäufigkeit oder auch das Unternehmen aus der Umgebung frequen- Aussehen nach vielen Spülvorgängen. Rei- tiert. Einige Hochschulen haben bereits ein ei- ne Materialeigenschaften der Becher und genes System etabliert, welches meist jedoch Deckel spielen auf der anderen Seite in der lokal auf den eigenen Campus begrenzt ist Ökobilanz eine nachgeordnete Rolle (UBA, oder unterstützen die Nutzung mitgebrachter 2019). Mehrwegbecher (u. a. auch durch den Verkauf entsprechender Becher). Eine Anbindung an Auch die Vermeidung von gesundheitlichen ein kommunales Pfandsystem lohnt sich. Risiken ist zu beachten. Insbesondere die Verwendung von Polycarbonat, Melamin oder 4.2 Becher- und Deckelauswahl beschichtetem Kunststoff wird als ungünstig gesehen (Blauer Engel, Das Umweltzeichen, Der Becher ist das Herzstück des Pfandsys- 2019). Vorsicht ist zum Beispiel beim soge- tems. Inzwischen wurden viel Zeit und Dis- nannten „Bambusbecher“ geboten, der als kussion in die Auswahl des womöglich erfolg- Füllstoff synthetisches Melaminharz enthält. reichsten Bechers gesteckt: der Becher soll Bei Temperaturen über 70 Grad Celsius kön- praktisch, schön im Design und vor allem öko- nen davon gesundheitlich bedenkliche Men- logisch korrekt sein. Das Angebot am Markt gen an das heiße Getränk abgegeben werden ist unerwartet vielseitig in Ausführung und (DUH, 2018). Gestaltung. Mehrwegbecher gibt es in allen Größen, unterschiedlichstem Material, Farbe Das Umweltbundesamt hat mittlerweile um- und Design. fangreiche Studien zur Materialbeschaffenheit 18 BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
Beispiel aus der Praxis Universität Potsdam: Verkauf Thermo-Mehrwegbecher über den Universitätsshop Zitat: „Dass viele Studierende an unseren Universitäten Kaffeejunkies sind und damit ihren Teil zum Müllproblem beitragen, weiß auch das Potsdamer Studentenwerk. Deshalb wurde das Bechersystem in unseren Mensen und Cafeterien im letzten August umgestellt. Seitdem bezahlen wir für Heißgetränke in Mehrwegbechern zehn Cent weniger. Wer trotzdem einen Einwegbecher nutzt, muss zehn Cent draufzahlen. Außerdem wurden eigene Mehrwegbe- cher vom Studentenwerk eingeführt.“ Es wurden bisher ca. 690 solcher Mehrwegbecher verkauft an Studierende in Potsdam, Wildau und Brandenburg (SpeakUp, 2018). und zur Ökobilanz von Mehrwegbechern in Aus rein ökologischer Sicht wäre es richtig, Auftrag gegeben (UBA, 2019). In der Anlage die Becher nicht zu bedrucken (Blauer Engel, 2 ist eine Checkliste zu prüfender Merkmale Das Umweltzeichen, 2019). Das ist das Prin- von Mehrwegbechern beigefügt. zip von FairCup, Göttingen. Unbedruckte Be- cher zeigen weniger Schwund und lassen sich Becher-Design besser recyceln. Becher mit ästhetischem Design und hoher Qualität werden meistens leicht akzeptiert und Andererseits erhöhen lokalpatriotisch desi- erreichen vergleichsweise höhere Akzeptanz- gnte Becher (Beispiele: Hannoccino für Han- werte und Beteiligungsquoten. Das Design nover, Mainbecher für Frankfurt a.M., Pots- kann auch Zielgruppen ansprechen, die nicht PRESSO für Potsdam) die Identifikation der aus Gründen des Umweltschutzes zum Mehr- Stadtgesellschaft mit dem System („Unser wegbecher greifen, sondern weil es trendy ist. Stadtbecher“). Dadurch werden Emotionen Aber je „schöner“, auffälliger oder ortsspezifi- angesprochen, was die Akzeptanz in einem scher ein Becher ist, desto eher eignet er sich weiteren Bevölkerungskreis erhöhen dürfte. auch als Sammel- oder Liebhaberobjekt. Da- Überdies können bedruckbare Becher den mit werden die Becher dem Stoffkreislauf ent- Werbungsaufgaben der Sponsoren und Un- zogen. Umgekehrt kann ein invalides Design terstützer entgegenkommen, die möglichst eine geringere Nutzung des Pfandsystems große und gut sichtbare Werbeflächen bevor- bewirken. zugen. Das ist eine weitere Einnahmequelle. Beispiel aus der Praxis Freiburg-Cup: Nach dem Start 2016 und anfänglicher Euphorie wurde 18 Monate später eine zu geringe Nutzung des Pfandbechers festgestellt. Laut einer Untersuchung war der Becher zu wenig ansprechend und die Beratung in den Verkaufsstellen ineffizient. Laut Bericht erhielt er da- raufhin 2019 ein neues Design; eine Studentische Hilfskraft soll zudem Händler beraten. (Badische Zeitung, 2018) BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN 19
scheinen Silikondeckel in der Umweltbilanz Praxisempfehlung als akzeptabel. Aus Gesundheitsgründen soll- Für die Becherbestellung sind unbedingt te bei Silikondeckeln darauf geachtet werden, die Herstellungs- und Lieferzeiten zu be- dass diese getempert sind. Bei dieser Wärme- achten. Diese betragen oft 6-8 Wochen behandlung verflüchtigen sich Restchemikali- und mehr. Bei Diskussionen über Material en aus dem Herstellungsprozess. und Design mit verschiedenen Stakehol- dern kann es dann zum geplanten Projekt- Füllstrich start auch mal knapp in der Zeit werden. Füllstriche sind für Kaffee-, Tee-, Kakao- und Schokoladengetränke nicht erforderlich. Für den gewerbsmäßigen Ausschank von Kaltge- Deckel tränken sind definierte Volumen einzuhalten. Deckel sollten tunlichst vermieden und andern- Daher sollte je nach Einsatzbereich bei der falls nur auf Nachfrage als Pfanddeckel ange- Beschaffung darauf geachtet werden, dass boten werden (UBA, 2019). Kaufdeckel halten für die Mehrwegbecher eine EG-Konformi- viele Verbraucher wohl zu Recht für „unprak- tätserklärung vorliegt, aus der die Einhaltung tisch“ und werden wenig geschätzt. Soweit dies der Verordnung 2014/32/EU hervorgeht. Zu- beobachtet wurde, wird bei Verlust oder Verle- dem müssen die Mehrwegbecher mit der CE- gen eines Kaufdeckels kein Ersatz gekauft. Kennzeichnung sowie einem Füllstrich verse- hen sein. Falls es doch unbedingt ein Deckel sein soll: eine mögliche Variante sind Deckel aus Sili- Anzahl der in den Verkehr zu bringenden kon. Diese werden mit verschließbarer La- Pfandbecher sche angeboten. Die Vorteile bestehen in der Exakte Zahlen zum Verbrauch und zum Langlebigkeit und Robustheit des Materials. Konsumverhalten im Coffee-to-go-Bereich Silikondeckel lassen sich gut schließen. Nach- lassen sich noch nicht vorlegen. Hier muss teilig ist, dass Silikon kein nachhaltiger Werk- jede Kommune, bezogen auf die lokalen Be- stoff ist. Aber aufgrund der langen Haltbarkeit sonderheiten, den Bedarf an Mehrwegbe- 20 BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
chern abschätzen. In Städten wird der Be- er als Leihbecher für lokale Feste, Veran- darf an Pfandbechern höher ausfallen als im staltungen, Schulen etc. zur Verfügung ge- ländlichen Raum. Hier kommt vor allem den stellt werden kann. Tankstellen als Ausgabestellen eine höhere Bedeutung zu. Eine konservative Betrach- Statistische Jahresberichte oder Statistiken tungsweise hat sich hier jedenfalls bewährt. zu Gästeankünften, Touristen, Bahnfahrern, Als Anhaltspunkte für die Abschätzung könnte Anzahl von Mitarbeitern und Studenten etc. man folgende Überlegungen einbeziehen: liefern gute Hinweise. Ebenso können vor- • Jüngere Menschen nutzen eher Coffee-to- handene Untersuchungen zum Konsumver- go-Angebote als Senioren. (Hier ist die De- halten herangezogen werden, z. B. eine im mografie der jeweiligen Region zu berück- Rahmen der Studie des Umweltbundesamtes sichtigen.) (UBA, 2019) durchgeführte Befragung von • Verbrauchsberichte einzelner Regionen Passagieren im Busverkehr 2017 von YouGov bleiben oft hinter den Hochrechnungen der (YouGov, 2017). Planer zurück. • Innerhalb von Pendlerverkehren, an tou- Grob kann man sagen: größere Bäckereien ristischen Plätzen sowie in Stadien, Uni- erhalten ca. 150-250 Start-Becher, Cafés ca. versitäten, städtischen Hotspots oder 20-50 Becher, Kantinen benötigen je nach kommunalen Jugendtreffs ist mit erhöhtem Größe ab 1000 Becher. Allgemein wird in den Becherbedarf zu rechnen. ersten Jahren ein „Becherschwund“ von ca. • Ein „Gemeindebecher“ lohnt sich in einigen 20-30 % angegeben. Becher werden gerne Fällen trotz wenig „To-go-Aufkommen“, da als Sammelobjekte gehortet, sind beliebtes Tabelle 4 1: Vergleich Anzahl der "Startbecher" ausgewählter Städte Anzahl Pfandbecher und Anzahl Stadt/ Pfandsystem Ausgabestellen zum Pfandhöhe Einwohner Start Freiburg Ca. 26.000 Becher 2016: ca. 230.000 1,- € Freibug-CUP, Start 2016 100 Ausgabestellen Hannover Ca. 50.000 Becher 2016: ca. 535.000 2,- € Hannoccino, Start 80 Ausgabestellen Potsdam Ca. 10.000 Becher 2017: ca. 178.000 2,- € PotsPresso, Start: 2019 134 Ausgabestellen Zu Beginn Kaufbecher: Eberswalde 2017: ca. 41.000 Ca. 690 Becher verkauft; Uni-Projekt der HNE (ca. 2080 Studierende 2019 Pfandbecher: Nachfüllbar Eberswalde, 2,50 € HNE) Ca. 2000 Becher Start: 2017 5 Ausgabestellen inkl. Uni Ca. 30.000 Becher 25 Ausgabestellen Frankfurt am Main 2018: ca. 740.000 Geplant 2021: 3,- € MainBecher, Start: 2019 150.000 Cups 200 Ausgabestellen Göttingen Becher: keine Angaben 2016: ca. 119.000 1,- € Fair Cup, Start: 2017 64 Ausgabestellen BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN 21
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