Brandenburger Leitfaden für die Einführung von Mehrwegbecher-Pfandsystemen - MLUK

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Brandenburger Leitfaden für die Einführung von Mehrwegbecher-Pfandsystemen - MLUK
Abfallwirtschaft

                   Brandenburger Leitfaden
                   für die Einführung von
                   Mehrwegbecher-Pfandsystemen
Brandenburger Leitfaden für die Einführung von Mehrwegbecher-Pfandsystemen - MLUK
Impressum

Herausgeber:
Ministerium für Landwirtschaft,
Umwelt und Klimaschutz (MLUK)
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Henning-von-Tresckow-Straße 2-13, Haus S, 14467 Potsdam
Telefon: +49 (0)331 866-7237
E-Mail: bestellung@mluk.brandenburg.de

Internet: mluk.brandenburg.de oder www.agrar-umwelt.brandenburg.de

Bearbeitung und Autoren:
Marie-Luise Glahr,
Potsdamer Bürgerstiftung

Heidy Bachmann,
Intelligenz System Transfer Dreilinden

Titelbild: Johannes Walter, realstockvector – stock.adobe.com

Layout und Satz:
LGB (Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg)

Stand:
Mai 2020

Hinweis:
Diese Veröffentlichung ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums für Landwirtschaft, Um-
welt und Klimaschutz des Landes Brandenburg. Sie ist nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf
nicht für Zwecke der Wahlwerbung oder in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme
der Landesregierung zugunsten einzelner Gruppen verstanden werden könnte. Nachnutzung –
auch auszugsweise – nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers.
Brandenburger Leitfaden für die Einführung von Mehrwegbecher-Pfandsystemen - MLUK
Vorwort

                                      Liebe Leserinnen und Leser,

                                      in den vergangenen Jahren haben in Deutschland bereits
                                      mehrere Städte und Wirtschaftsregionen ihre eigenen Mehr-
                                      wegbecher-Pfandsysteme verwirklicht. Neben kommunalen
                                      Beteiligten, die ihre Systeme in Eigenregie betreiben, sind
                                      auch private Unternehmen auf dem Markt aktiv. Die Entwick-
                                      lung eines eigenen Mehrwegbecher-Pfandsystems stellt die
                                      Entscheidungsträger vor eine komplexe Aufgabe. Bereits die
                                      Informationsbeschaffung erweist sich als aufwendig. Daher
                                      hat das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klima-
                                      schutz beschlossen, diesen Einführungsleitfaden insbeson-
                                      dere für interessierte kommunale Entscheidungsträger sowie
                                      gemeinnützige Initiativen erarbeiten zu lassen.

Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass das Volumen der im öffentlichen Raum entsorgten
Kartonbecher bereits bis zu 15 Prozent des Volumens der verfügbaren öffentlichen Abfallbe-
hälter beansprucht. Und der Verbrauch von Einwegbechern, die zudem häufig in der Umwelt
entsorgt werden (Littering), wird künftig weiter zunehmen – wenn ihm nicht mit effektiven und
konzertierten Maßnahmen begegnet wird.

Mit der Veröffentlichung der EU-Kunststoffstrategie im Januar 2018 und mit dem 5-Punkte-Plan
des Bundesministeriums für Umwelt (BMU) im November 2018 wurde der politische Rahmen für
einen nachhaltigen Umgang mit Kunststoffen geschaffen. Nach den EU-Plänen sollen ab 2030
alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt recyclingfähig sein. Die damit beschriebenen
Ziele und Maßnahmen zeigen übernationale bzw. -regionale Interessen, ohne jedoch regionale
Besonderheiten zu würdigen.

Das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz wird mit der Umsetzung von Maß-
nahmen für einen ressourcen- und umweltschonenden Umgang mit Kunststoffen an die Intentio-
nen der in Brandenburg ansässigen Akteure anschließen, die man in Industrie und Handel, aber
auch in der Bevölkerung findet. Ein wesentlicher Bestandteil ist die Abfallvermeidung durch Stär-
kung von Mehrwegverpackungssystemen, die etwa im Außer-Haus-Verkauf von Heißgetränken
noch nicht so weit verbreitet ist.

Axel Vogel
Minister für Landwirtschaft, Umwelt und
Klimaschutz des Landes Brandenburg

                                                                                     VORWORT        3
Inhaltsverzeichnis

Vorwort....................................................................................................................................... 3

Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... 5

1.       Ziel und Anwendung des Leitfadens............................................................................. 6

2.       Problembeschreibung.................................................................................................... 7
2.1      Das Abfallproblem Einwegbecher..................................................................................... 7
2.2      Pfandsysteme sind keine Selbstläufer.............................................................................. 8

3.       Lösungsvarianten......................................................................................................... 10
3.1      Das Befüllen von Individualbechern ............................................................................... 10
3.2      Mehrwegbecher-Pfandsysteme.......................................................................................11
3.2.1    Voraussetzungen.............................................................................................................11
3.2.2    Grundsätzliche Empfehlungen........................................................................................ 13
3.3      Systemanbieter............................................................................................................... 14

4.       Ausgestaltung eines kommunalen Pfandsystems.................................................... 16
4.1      Das Partner-Netzwerk..................................................................................................... 17
4.2      Becher- und Deckelauswahl........................................................................................... 18
4.3      Prozesse, Aufgaben und Personalbedarf........................................................................ 22
4.3.1    Aufgaben......................................................................................................................... 22
4.3.2    Einrichten der Ausgabestellen......................................................................................... 24
4.3.3    Logistik............................................................................................................................ 25
4.4      Finanzierung................................................................................................................... 25
4.5      Mehrweg auf Veranstaltungen........................................................................................ 26

5.       Marketing und Öffentlichkeitsarbeit............................................................................ 28

6.       Erfolgskontrolle............................................................................................................. 29
6.1      System-Evaluation.......................................................................................................... 29
6.2      Ökologische Evaluation................................................................................................... 29

Quellenverzeichnis.................................................................................................................. 31

Anlagen.................................................................................................................................... 34

                      BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN                                                       5
1.     Ziel und Anwendung des Leitfadens

     Der Leitfaden richtet sich an Mitarbeiter/innen   Das vorliegende Material wurde aus eigenen
     interessierter Städte, Kommunen, Gemein-          Erfahrungen, aus Internetrecherchen und aus
     den, Landkreise, Regionen, Vereine, an Politi-    Erkenntnissen und Hinweisen kommunaler
     ker, Bürgerinitiativen und Durchführende.         Projekte und Akteure gewonnen, die u.a. in
                                                       Hannover, Potsdam und Eberswalde berich-
     Er soll die Entwicklung, die Einführung und       tet wurden. Die Potsdamer Bürgerstiftung be-
     den Betrieb eines attraktiven und verbrau-        schäftigt sich seit Mitte 2017 intensiv mit dem
     cher-freundlichen Mehrwegbecher-Pfandsys-         Thema, ein stadtweites Pfandbechersystem in
     tems in Eigenregie erleichtern, beschleunigen     Potsdam zu etablieren.
     und dazu beitragen, die operativen und ver-
     waltungsnahen Fragen zeitnah zu klären und        Der Leitfaden wird durch Auszüge aus der
     den Aufwand an Personal, Finanz- und Sach-        jüngsten Studie des Umweltbundesamtes
     mitteln realistisch abzuschätzen.                 „Untersuchung der ökologischen Bedeutung
                                                       von Einweggetränkebechern im Außer-Haus-
     Er gibt Anleitung, wie ein Pfandsystem zu pla-    Verzehr und mögliche Maßnahmen zur Ver-
     nen, strukturieren und zu organisieren ist und    ringerung des Verbrauchs“ (UBA, 2019) mit
     wie der Betrieb des Pfandsystems effizient ge-    kommunal relevanten Ergebnissen und Er-
     steuert werden kann. Es werden Übersichten        kenntnissen aus weiteren Veröffentlichungen,
     und Abwägungshilfen zugänglich gemacht,           z. B. der Deutschen Umwelthilfe (DUH, 2018),
     die praktische Antworten auf Fragen nach          ergänzt.
     Rahmenbedingungen, Organisation, Prozes-
     sen, der Personalstruktur und der Finanzie-       Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die
     rung geben.                                       männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger
                                                       beziehen sich die Angaben auf Personen-
                                                       gruppen aller Geschlechter.

 6     BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
Problembeschreibung                                   2.

2.1 Das Abfallproblem Einwegbecher               ten – in der Papierkorbentleerung, aber auch
                                                 in der Reinigung von öffentlichen Plätzen –
Dass in den deutschen Bundesländern Abfall-      hohe Ausgaben zu bewältigen. Abfallbehälter
und Plastikprobleme zur Lösung anstehen, ist     mit automatischen Presseinrichtungen an „To-
allgemein bekannt. Ein Teilbereich dieser Pro-   go-Abfall-Hotspots“, z. B. an Bahnhöfen, öf-
bleme wird durch zunehmende Mengen der           fentlichen und touristischen Plätzen, schaffen
sogenannten „To-go-Verzehrangebote“ verur-       nur unzureichend Abhilfe.
sacht. An den Konsumbrennpunkten ist dies
meist schon an überfüllten Abfallbehältern und   Die tatsächlich lokal anfallenden Abfallmen-
unsachgemäß entsorgtem Müll (Littering-Pro-      gen lassen sich nur schwer ermitteln. Die
blematik) erkennbar. Eine nach dem Verpa-        meisten kommunalen Akteure behelfen sich
ckungsgesetz vorgesehene stoffliche Verwer-      hier einer groben Schätzung des Einweg-be-
tung findet in der Regel aufgrund mangelnder     cheraufkommens mittels Grundannahmen der
Sammelsysteme für Einwegbecher, -Teller          Deutschen Umwelthilfe aus dem Jahr 2014
und -Besteck (sog. Serviceverpackungen)          oder den aktuellen Daten des Umweltbundes-
nicht statt. Zudem ist die Verwendung von        amtes. Im ländlichen Raum spielt die regel-
Einwegprodukten, wie den Einwegbechern,          mäßig anfallende Menge an Einwegbechern
wegen ihrer extrem kurzen Nutzungsdauer          eine untergeordnete Rolle. Allerdings kom-
weder ressourcenschonend noch nachhaltig.        men auch hier bei größeren Veranstaltungen
                                                 häufig große Mengen an Einweggeschirr zum
Zur derzeitigen Situation:                       Einsatz. Die dabei anfallenden Abfälle werden
Deutschlandweit werden pro Jahr ca. 2,8 Mrd.     in der Regel thermisch entsorgt.
Einwegbecher verbraucht, davon ca. 1,1 –
1,2 Mrd. Becher im To-go-Bereich für Heißge-     Um Einwegbecher deutlich zu reduzieren,
tränke (UBA, 2019). Einwegbecher verursa-        braucht es attraktive und verbraucherfreundli-
chen vermeidbare Verluste an Rohstoff und        che Alternativen. Eine vom Umweltbundesamt
Energie. Allein durch den Verzehr von Heißge-    empfohlene Systemänderung (UBA, 2019) hin
tränken entstehen ca. 28.000 Tonnen Abfall.      zu Mehrwegsystemen setzt auf kommunaler
Ein Pfandsystem würde sich auf den Ressour-      Ebene auf das Prinzip der Freiwilligkeit. Dies
cenverbrauch und die allgemeine CO2-Bilanz       erfordert eine breite Beteiligung der Bevöl-
zweifelsfrei positiv auswirken (UBA, 2019).      kerung sowie Sensibilisierungsmaßnahmen,
                                                 welche die Verbraucher über wiederverwend-
Die Einsparungen in der reinen Abfallentsor-     bare Lösungen, abfallwirtschaftliche Optionen
gung sind eher gering. Die in Summe erzeug-      und Erfolgsmodelle informieren.
ten Einwegbecher und Deckel sind mit etwa
28.000 Tonnen im Vergleich zu den übrigen        Die Implementierung eines Mehrwegsystems
Verpackungsabfällen aus dem haushaltsna-         kann dabei als Umweltbildungsmaßnahme ei-
hen Bereich nur eine marginale Menge. Hier       nen positiven Effekt auf weiteres Konsumver-
ist kein wesentliches Potenzial für die Erhö-    halten haben. Sie erreicht große Anteile der
hung der Verwertungsquoten zu erwarten           Verbraucher, um den Aspekt der Abfallvermei-
(UBA, 2019).                                     dung mehr ins Bewusstsein zu rücken.

Das Volumen der als Abfall und durch Littering   Verpflichtende Preis- und mengenregulatori-
anfallenden Becher ist gleichwohl unüberseh-     sche Instrumente oder Kennzeichnungspflich-
bar. Die Kommunen haben durch laufende           ten wären Themen auf Bundesebene. Diese
Entsorgungs- und vor allem Reinigungskos-        Instrumente sind meist administrativ aufwen-

              BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN              7
dig und mit Einschränkungen für Produzen-        laufen sogar Mehrwegbecher-Systeme von
    ten, Händler und Verbraucher verbunden. Es       verschiedenen Anbietern parallel.
    bleibt abzuwarten, welche Lösungen hier in
    den nächsten Jahren übergreifend umgesetzt       Leider laufen sie aber nicht alle gleich gut
    werden.                                          oder haben zumindest Anlaufschwierigkeiten
                                                     oder Nachfrageprobleme. Hier bietet sich ein
     Mögliche Einspar- und ökologische               buntes Bild. Aus mehreren Städten wird be-
     Effekte sollten konsequent genutzt wer-         richtet, das Pfandsystem entspreche nicht
     den, denn sie bringen Vorteile:                 den Erwartungen.

     tt Entlastung in der Entsorgung durch           Die ökobilanzielle Bewertung von Mehrweg-
        Abfallvermeidung                             bechern im Verhältnis zu Einwegbechern er-
     tt Verbesserung des Stadtbildes bzgl.           weist sich als anspruchsvoll und kann sachge-
        Ordnung und Sauberkeit                       recht nur von Spezialisten ausgeführt werden.
     tt positiver Effekt in der Klimaargumen-        Die Studie des Umweltbundesamtes (UBA,
        tation.                                      2019) konnte Folgendes belegen:
                                                     • Mehrwegsysteme bedürfen zur Nachweis-
    2.2 Pfandsysteme sind keine Selbstläufer           barkeit ihres Nutzens einer gewissen Um-
                                                       laufhäufigkeit der Becher (mindestens 10
    Etliche Kommunen und Städte haben be-              Umläufe; bezogen auf die Wirkungskatego-
    reits Pfandsysteme eingeführt und auf loka-        rie Klimawandel sogar 50 Umläufe).
    ler Ebene Erfahrungen gesammelt. Positive        • Einwegdeckel haben wesentlichen Ein-
    Resonanz ist z. B. aus Hannover oder Wien          fluss auf das Ergebnis einer ökobilanziellen
    (Vienna.at, 2010) zu hören. In einigen Städten     Bewertung. Mehrwegbecher mit Einwegde-

      Gründe für Anlaufschwierigkeiten und Nachfrageprobleme von Pfandsystemen

      • Pfandsysteme funktionieren besser, soweit sie jemand engagiert betreibt, zumindest eine
        dauerhafte Finanzierung sicherstellt und die Wirksamkeit engmaschig überwacht. Der per-
        sonelle Aufwand wird teilweise unterschätzt und auf Grund der schmalen Haushaltsbudgets
        zu gering gehalten.
      • Es gibt eine unzureichende spontane Akzeptanz bei den Kunden. Die Beteiligungsquote ist
        unzureichend. Einwegbecher werden trotz Mehrwegsystem genutzt, da Mehrweg nicht das
        Regelangebot darstellt.
      • Die Rückgabe-Compliance ist unzureichend. Neuanschaffungen sind einzuplanen, um ca.
        20-30 % Schwund pro Jahr auszugleichen. Zum einen werden Becher gerne als Sammel-
        objekte oder Urlaubstrophäen nach Hause mitgenommen, andererseits behindern zu lange
        Wege oder zu wenig Rücknahmestellen den Umlauf.
      • Die Deckelproblematik ist in einigen Systemen nicht abschließend geklärt und wirft sowohl
        Hygiene-, als auch Machbarkeitsfragen auf. Verschiedene Systeme arbeiten mit Kaufde-
        ckeln, Einwegdeckeln oder Pfanddeckeln.
      • Kleinere Verkaufsstellen verfügen nicht über geeignete Spülmöglichkeiten und bleiben vom
        Pfandsystem ausgeschlossen. Zentrale Spülstellen oder mobile Spülwagen sind logistisch
        und finanziell herausfordernd.

8     BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
ckel können in nahezu keiner Wirkungska-
  tegorie positive Effekte gegenüber Einweg-
  systemen erzielen. Mehrwegsysteme ohne
  Einwegdeckel dagegen zeigen in nahezu
  allen Wirkungskategorien bereits nach 10
  Umläufen positive Ergebnisse.
• Der Spülvorgang hat eine wesentliche, er-
  gebnisbestimmende Wirkung. Bei Verwen-
  dung von zertifiziertem Grünstrom für den
  Spülvorgang ist eine bessere Ökobilanz als
  für Einwegbecher darstellbar.
• Die Gesamtumweltlasten durch die Nut-
  zung von Einwegbechern entsprechen un-
  gefähr der Gesamtumweltlast von ca. fünf
  bis sieben tausend Bundesbürgern für ein
  Jahr. Das heißt, Einwegbecher haben im
  Verhältnis zur gesamten Abfallmenge eine
  insgesamt eher geringe Gesamtbelastung.
  Als Umweltbildungsmaßnahme bewirken
  Mehrwegsysteme aber einen positiven Ef-
  fekt auf weiteres Konsumverhalten und ha-
  ben damit indirekt Einfluss auf die Gesamt-
  Müllvermeidung.

Eine unkomplizierte und verbraucherfreundli-
che Praxis ist auf eine gesicherte Infrastruktur,
dauerhaftes Engagement und zuverlässige
Kommunikation angewiesen. Ein alltagstaug-
liches System muss sich einerseits an den
tatsächlich bestehenden Nutzungsanforde-
rungen aller Beteiligten orientieren, aber auch
ökobilanzielle Aspekte berücksichtigen. Eine
breite kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und
ständige Schulung des oft wechselnden Per-
sonals der Ausgabestellen ist unerlässlich.

               BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN   9
3.       Lösungsvarianten

      In Deutschland werden derzeit zahlreiche             den und Regionen hat sich diese Variante als
      Mehrwegbecher-Pfandsysteme          konzipiert,      „Stadtbecher“ etabliert (u.a. Esslingen, Bens-
      geplant, beraten, beantragt oder auch bereits        heim, Marburg, Tübingen). Andere nutzen den
      eingeführt und mehrfach überprüft. Bisher            Becher als Werbeträger für Kampagnen und
      unterscheidet man vier Systemarten (UBA,             Projekte (u.a. Berlin, München). Dazu gibt
      2019):                                               es auch teils bundesweite (z. B. Coffee-to-go
      • Inhouse Mehrweggefäße für Ausflugver-              again, (Post, 2019) ) und teils landesweite Ini-
         kehr (z. B. Kaffeehaus/ Biergarten)               tiativen (Hessen mit Becherbonus, (HMUKLV,
      • private Mehrwegbecher zum Befüllen mit             2019) ).
         Rabatt-Angeboten
      • individuelle Mehrwegbecher in geschlos-            Die Beteiligungsquoten sind allerdings stark
         senen Anbieter-Systemen (z. B. Hochschu-          von den persönlichen Motiven und dem indi-
         len)                                              viduellen Umweltbewusstsein der Zielgruppe
      • Mehrwegbecher-Pfandsysteme im Poo-                 abhängig. In den Verkaufsstellen müsste die-
         lingsystem.                                       se Variante aktiv durch die Mitarbeiter bewor-
                                                           ben und angeboten werden. Bezüglich einer
      Diese Varianten werden vielerorts auch paral-        zu geringen Beteiligungsquote werden haupt-
      lel betrieben. Dies fördert die Akzeptanz, die       sächlich zwei Aspekte diskutiert:
      Durchsetzungschancen von Mehrweglösun-
      gen und die Beteiligungsquoten der Nutzer              Hemmnis Nr. 1 Mehrarbeit wegen Vor-
      durch verschiedene Auswahlmöglichkeiten.               gaben der Lebensmittel-Hygienebestim-
      Die altbewährte Inhouse-Variante bietet die            mungen
      beste Ökobilanz, aber gerade bei der jünge-
      ren Bevölkerung nimmt der Anteil an Coffee-            Um mitgebrachte Kundenbecher zu befül-
      to-go zu.                                              len, sind Hygienevorschriften zu beachten.
                                                             Die Betreiber von Verkaufsstellen befürch-
      3.1 Das Befüllen von Individualbechern                 ten daher zusätzlichen Aufwand wegen
                                                             erweitaerter Arbeitsabläufe und erforder-
      Am sichersten und einfachsten lässt sich der           liche Schulungen. Dabei ist dieses Sys-
      Einwegbecher im Coffee-to-go-Betrieb ver-              tem einfacher umzusetzen und weniger
      meiden, wenn das Befüllen mitgebrachter Be-            aufwendig als ein Pfandsystem. Auch laut
      cher möglich ist. Der Kunde trägt seinen Be-           Lebensmittelhygieneverordnung ist das
      cher bei sich, reinigt ihn selbst und erhält dafür     unproblematisch, sofern die Lebensmittel
      gegebenenfalls einen Preisnachlass.                    so in Verkehr gebracht werden, dass sie
                                                             der Gefahr einer nachteiligen Beeinflus-
      Der mitgeführte Individualbecher kann Pfand-           sung nicht ausgesetzt sind (§ 3 LMHV).
      systeme effizient ergänzen und ist deswegen
      bei weitgestreuten Standorten der Verkaufs-            Der Lebensmittelverband Deutschland
      stellen besonderer Berücksichtigung wert.              e.V. hat hierzu ein Merkblatt (LMVerband,
      Verkaufsstellen bieten dieses Verfahren zu-            2019) für den Umgang mit kundeneigenen
      nehmend an. Die Becherlieferanten reagieren            Bechern herausgebracht. Gegebenenfalls
      zeitnah auf die unterschiedlichen Anforderun-          gibt es abweichende Vorgaben der für die
      gen an den Becher. Das Angebot ist bisher              Lebensmittelaufsicht zuständigen Behör-
      noch unübersichtlich, zumal der Becher mit             den in den einzelnen Bundesländern.
      und ohne Werbeaufdruck als attraktives Wer-
      begeschenk platziert wird. In etlichen Gemein-

 10      BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
Hemmnis Nr. 2 Unzureichende Machbarkeit und Attraktivität für die Konsumenten

 Eine Umfrage von YouGov (YouGov, 2017) zeigte, dass Abfallvermeidung und Mehrweg-
 praxis allgemein hohe Zustimmung fände, die Nutzung eines mitgebrachten Gefäßes aber
 bisher eine eher untergeordnete Rolle spielte.
 Das Hantieren des eigenen Bechers in der Verkaufsstelle scheint vielen Verbrauchern of-
 fensichtlich nicht praktikabel. Gründe könnten Transporthemmnisse (Platz in der Tasche,
 Gewicht, auslaufende Restflüssigkeit) oder fehlende Spülgelegenheiten (insbesondere bei
 täglicher Mehrfachnutzung) sein.
 Die Studie des UBA, Seite 111, ( (UBA, 2019) zeigt, dass preisliche Anreize (z. B. 10-30 Cent
 Rabatt pro Kaffee) insbesondere für Viel-Kaffeetrinker eher zu gering sind und sich nicht
 spürbar für alle lohnen. Der Ausweg höherer Rabatte wirkt sich andererseits negativ auf
 die Umsätze der Händler aus. Wirkungsvoller mit stärkerer Langzeitwirkung wären erhöhte
 Abgaben auf Einwegbecher wegen der bekannten Verlust-Aversion. Damit die Händler mit-
 machen, wären kommunal einheitliche Regelungen notwendig.

3.2 Mehrwegbecher-Pfandsysteme                     Tankstellen) verwenden für den Coffee-to-go-
                                                   Verkauf den gleichen Mehrwegbechertyp.
Ein Konzept, um Einwegbecher-Abfall zu
vermeiden und die Mehrfachnutzung zu för-          Der Kunde nimmt sein Getränk gegen Pfand
dern, ist die Einführung eines Pfandsystems        mit. Nach dem Trinken wird der Becher in ei-
(EU Richtlinie 2018/852, Art. 5, Abs. 1 a (EU,     ner der teilnehmenden Ausgabestellen wie-
2018). Ein bundesweites Pfandsystem im Cof-        der abgegeben und der Kunde bekommt sein
fee-to-go-Bereich ist derzeit nicht geplant, da    Pfand zurück. Das Pfand sichert, dass die
es schwierige Fragen zur rechtlichen Umsetz-       Becher zurückgegeben bzw. möglichst häufig
barkeit, zu Regulierung, Freiwilligkeit, Verwal-   wiederverwendet werden.
tungsaufwand und zu den damit verbundenen
Kosten aufwirft. Daher wird von Sachkundi-         3.2.1 Voraussetzungen
gen empfohlen, lokale Lösungen anzugehen.          Die Umsetzung eines Mehrwegsystems be-
                                                   darf einiger Voraussetzungen, um zu gelin-
Abhängig von der Pfandhöhe kann ein Pfand-         gen. Es kann nur mit dem Wissen und der Tat-
system beträchtliche Wirkungen entfalten. Die      kraft des Betreibers und der Ausgabestellen
Rückgabequote ist dabei natürlich von der          im engen Schulterschluss mit allen Beteiligten
Pfandhöhe abhängig. Zudem haben Pfandgü-           – von der Stadt bis zum Konsumenten – zum
ter erfahrungsgemäß kaum mehr eine Bedeu-          Erfolg führen:
tung für das sogenannte Littering. Spätestens
über Pfandsammler werden sie in den Pfand-         Räumliche Dichte der Ausgabestellen
kreislauf zurückgeführt (UBA, 2019).               Ein Pfandsystem funktioniert am effektivsten
                                                   mit einer hohen (z. B. in Fußgängerzonen
Das Prinzip der Mehrwegbecher-Pfandsyste-          oder Innenstädten) oder logistisch sinnvollen
me ist tatsächlich insgesamt einfach:              (z. B. an Bahnstationen oder touristischen
                                                   Plätzen) räumlichen Dichte an Ausgabestel-
Teilnehmende Systempartner (Verkaufsstel-          len. Der Kaffeetrinker möchte seinen Becher
len wie z. B. Cafés, Bäckereien, Kioske oder       unkompliziert, einfach und schnell wieder ab-

               BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN               11
geben. Bei wenigen Ausgabestellen könnten         täten), Kammern, Innungen und andere mehr.
     Rückgabeautomaten das System entlasten            Mit dem gesellschaftlichen Konsens ist – un-
     oder vervollständigen.                            abhängig vom Projektträger – ein möglichst
                                                       Beschluss der Stadtverwaltungen/ Gemeinde-
     Großer Einzugsbereich und                         vertretungen für die Einführung eines Pfand-
     Flächendeckung                                    systems zu erreichen.
     Um eine möglichst große Flächendeckung
     zu erreichen, sind Nachbarkommunen, durch         Bündelung der unterschiedlichen Akteure
     den öffentlichen Nahverkehr verbundene            Ein Pfandsystem lebt von einem flächende-
     Städte (Pendlerverkehr), beliebte touristische    ckenden Netzwerk unterschiedlichster Akteu-
     Ausflugsziele oder auch große Unternehmen         re. Um lokal passende Konzepte zu entwi-
     im Umkreis einzubeziehen.                         ckeln, sind möglichst viele Beteiligte an einem
                                                       „Runden Tisch“ zu vereinen. Durch Zusam-
     Freiwilligkeit der Beteiligten                    menarbeit auf kommunaler Ebene kann Ver-
     Eine wichtige Voraussetzung ist die freiwillige   waltungsaufwand verringert und übergreifen-
     Teilnahme der Ausgabestellen und der Ver-         de Akzeptanz geschaffen werden.
     braucher. Denkbar wären auch freiwillige Ver-
     einbarungen zwischen Stadt/ Kommune und           Zielgerichtete Maßnahmen zur Stärkung
     dem lokalen Gastronomiebereich, in denen          des Pfandsystems
     Mehrweg als Standard und Einweg als Aus-          Idealerweise wird die Einführung durch ein
     nahme festgelegt werden. Voraussetzung für        kommunales Verbot zur Verwendung von Ein-
     die Teilnahme der Ausgabestellen sind in je-      weggeschirr auf öffentlichen Veranstaltungen
     dem Fall geeignete Spülmöglichkeiten.             und in öffentlichen Gebäuden flankiert. Es
                                                       können Auflagen bei Festen im öffentlichen
     Einbindung des zivilgesellschaftlichen En-        Raum gemacht werden, in Brandenburg z. B.
     gagements                                         nach § 27 Abs. 4 Brandenburgisches Abfall-
     Für den Erfolg hilfreich sind Engagement und      und Bodenschutzgesetz
     Einbindung möglichst vieler Bürger (z. B. Bür-
     gerinitiativen). Erfahrungsgemäß erhöht sich       Beispiel für kommunale Maßnahmen
     der Erfolg überproportional, wenn zivilge-         zur Stärkung von Pfandsystemen
     sellschaftliche Kräfte an der Umsetzung des
     Pfandsystems mitwirken. Dadurch entsteht           Stadt München seit 1991, Satzung über
     gemeinsame Identität und ein Wir-Gefühl vor        die Entsorgung von Gewerbe- und Bauab-
     Ort.                                               fällen in der Landeshauptstadt München
                                                        (Gewerbe- und Bauabfallentsorgungssat-
     Einbindung wichtiger Akteure auf den ent-          zung):
     scheidenden Ebenen (Gesellschaft, Kultur,
     Wirtschaft, Verwaltung)                            § 4 (9) Bei Veranstaltungen, die auf Grund-
                                                        stücken oder in Einrichtungen der Stadt
     Es ist ein weitgespannter Konsens der kom-         durchgeführt werden, dürfen Speisen und
     munalen Gesellschaft anzustreben. Partner          Getränke nur in pfandpflichtigen, wieder-
     sind Zivilgesellschaft (Mitwirkung schafft Ak-     verwendbaren Verpackungen und Behält-
     zeptanz!), Betriebe, Systempartner, kommu-         nissen sowie nur mit Mehrwegbesteck
     nale Politik, Verwaltungen und andere wichtige     ausgegeben werden; diese Pflicht gilt
     Institutionen (z. B. Kirchen, Glaubensgemein-      auch für Verkaufsflächen, die im Eigentum
     schaften, Forschungseinrichtungen, Universi-

12     BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
Umweltzeichen „Blauer Engel“ als mögli-
 der Stadt stehen. Eventuelle Förderungen        ches Vergabekriterium
 von Einrichtungen und Veranstaltungen            Seit Januar 2019 existieren Kriterien für das
 werden von der Einhaltung dieser Pflicht         Umweltzeichen DE-UZ 210 für Mehrwegbe-
 abhängig gemacht. Ausnahmen von die-            chersysteme (Blauer Engel, Das Umweltzei-
 ser Pflicht können nur in besonderen            chen, 2019). Eine Informationsbroschüre „Der
 Einzelfällen zugelassen werden.                 Blaue Engel für Mehrwegbechersysteme“
 (LH München, Stand 08.11.2018)                   kann von der Internetseite runtergeladen wer-
                                                  den.

3.2.2 Grundsätzliche Empfehlungen                 Wiederholte Schulung des Verkaufsperso-
Konkrete Hinweise und Vorschläge für eine er-     nals in den Verkaufsstätten
folgreiche Umsetzung eines Mehrwegsystems         Schulung ist die wichtigste Komponente für
ergeben sich aus der Studie des Umweltbun-        das Kaufverhalten der Kunden!
desamtes (UBA, 2019) und aus Befragungen zu
bestehenden Mehrwegsystemen. Die genann-          Durchführen         öffentlichkeitswirksamer
ten Voraussetzungen und Empfehlungen erhö-        Kampagnen und Marketing
hen die Erfolgschancen sowohl in der Akzep-       Die Nutzung von Mehrwegpfandsystemen
tanz als auch in Hinblick auf die Umweltbilanz.   kann in besonderem Maße durch öffent-
                                                  lichkeitswirksame Kampagnen beeinflusst
Einführen einer Preisdifferenzierung an           werden. Dies kann in Form von bewusst-
der Verkaufsstätte                                seinsbildenden Maßnahmen oder Umweltbil-
Ein höherer Preis für Einweggetränkebecher        dungsmaßnahmen mit Titeln wie „Mehrweg
ist besser als ein niedriger Preis für Mehrweg-   schmeckt besser“, „Mehrweg ist in“, „Mehr-
becher auf Grund der Verlust-Aversion.            weg statt Müll“ erfolgen.

Überregionales Mehrwegsystem mit Rück-            Einführen eines jährlichen Monitorings
führlogistik                                      mit jährlichem Bericht von unabhängiger Stel-
Es sollte ein überregionales flächendecken-       le (z. B. Erreichung der Ziele, Litteringproble-
des Mehrwegsystems, mit funktionierender          matik, Ausweisung der Zahlen getrennt nach
Rückführungs- und Reinigungslogistik aufge-       Abgabeorten etc.)
baut werden. Folgende Kriterien sollten dabei
berücksichtigt werden:                            Stärkung von Mehrwegsystemen durch die
• Spülvorgang mit (möglichst) Grünstrom           Kommunalverwaltung
• Möglichst hohe Umlaufzahlen (> 10 bis 50)       • Einrichten eines kommunalen „Litterings-
  pro Mehrwegbecher                                 fonds“ für die Erstattung der Kosten für das
• Möglichst keine/ wenig Verwendung von             Einsammeln der in die Umwelt entsorgten
  (Einweg-!)Deckeln                                 Einwegbecher durch Gebühren oder Aus-
• Nur eine ausreichende Bepfandung der              gleichszahlungen der Veranstalter
  Mehrwegbecher (Pfand > 1 €) führt zu hö-        • Konsequentes Einwegverbot bei Veran-
  heren Rückgabequoten.                             staltungen im öffentlichen Raum durch
• Mehrwegbecher sollten am POS (point of            entsprechende Klauseln und Sanktionsme-
  sales) das Regelangebot sein. Sie sollten         chanismen (UBA, 2013).
  stets gut sichtbar platziert werden; Einweg-    • Vorgaben zur Benutzung von Mehrweg-
  becher und Deckel sollte es nur auf Nach-         bechern sowie Spülmobilen bei Veran-
  frage geben.                                      staltungen im öffentlichen Raum durch

              BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN                 13
entsprechende Klauseln und Sanktionsme-          Geschäfte mit geringen Coffee-to-go-Mengen
       chanismen. (UBA, 2013).                          nicht mehr.

      Kriterien des Gütesiegels „Der Blaue              Um ein kommerzielles System als stadtweites
      Engel“ für Mehrwegbechersysteme                   System zu etablieren, beteiligen sich Kom-
                                                        munen meist über eine Anschubfinanzierung
      • Technische Anforderungen an Mehr-               oder über eine Erstausstattung bei den lokal
        wegbecher und -deckel                           gekennzeichneten Bechern. Externe Anbieter
        ttAusschluss von Polycarbonat- und              haben für die Kommunen den Vorteil, kein ei-
          Melaminhaltigen Kunststoffen                  genes Knowhow und Personal für den dauer-
        ttsortenreine Kunststoffe ohne Be-              haften Betrieb und die Logistik aufbauen zu
          schichtung                                    müssen. Das begrenzt das Haushaltsbudget.
        tt500 Spülzyklen für Becher, 100 Spül-
          zyklen für Deckel                             Aber eine Garantie für ein Gelingen ist das
      • Anforderungen an Mehrwegbechersys-              nicht. Dies zeigen Erfahrungsberichte. Ei-
        tem-Anbieter und Ausschankbetriebe              ner der Gründe: die Betreuung vor Ort bleibt
        ttPfandentgelt von mind. 50 Cent pro            aus Kostengründen meistens auf die Einfüh-
          ausgeschenkten Mehrwegbecher                  rungszeit beschränkt. Ein großer Teil der fort-
        ttangebotene Deckel nur als Mehr-               laufenden Akquisition sowie die begleitende
          wegdeckel                                     Betreuung der Ausgabestellen, der Marke-
        ttErmittlung der mittleren Umlaufzahl           tingmaßnahmen und der Öffentlichkeitsarbeit
          der Mehrwegbecher                             müssten durch die beauftragende Gemeinde
                                                        abgedeckt werden. Der dafür erforderliche
      • Getränkeausschank auf Veranstaltungen
                                                        Aufwand wird meistens unterschätzt. Einige
        ttmaximal 50 Prozent veranstaltungs-
                                                        Systemanbieter beschränken sich daher auf
          spezifisch bedruckte Pfandbecher
                                                        sehr große Partner (u.a. Städte, Unterneh-
        ttrestliche Pfandbecher unbedruckt
                                                        mensketten, Großbetriebe), wobei kleinere
          oder nicht terminspezifisch bedruckt
                                                        Kommunen die Akquisitions- und Betreuungs-
        ttPfandbecher direkt vor Ort reinigen
                                                        arbeit selbst tragen müssen.
      Quelle: (Blauer Engel, Das Umweltzeichen, 2019)

                                                        Die Tabelle 3-1 zeigt ein Beispiel für die Ab-
     3.3 Systemanbieter                                 wägung einer externen Vergabe des Pfand-
     Systemanbieter agieren überregional und            systems im Vergleich zum Betrieb durch eine
     bundesweit (z. B. Recup, Con-Cup, LogiCup,         lokale Bürgerinitiative oder die Kommune
     CupCycle und andere). Sie sind bereits in vie-     selbst.
     len Städten vertreten.

     Die Anbieter finanzieren sich über System-
     beiträge der teilnehmenden Partner, über die
     Preise beim Ersterwerb bzw. über die Becher-
     mieten. Die Kosten werden überwiegend von
     den Systempartnern gedeckt. Das wirkt sich
     mitunter negativ auf die Beteiligungsquote
     aus. Wenn nämlich Teilnahme und Becher-
     ausgleich an Mindestmengen gebunden wer-
     den, lohnt sich das Mitmachen für kleinere

14     BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
Tabelle 3 1: Beispielabwägung: Externe Vergabe versus Vergabe an eine Bürgerinitiative

 Betrieb durch Bürgerinitiative/ Kommune             Betrieb durch freies Pfandsystem-Unternehmen

 Vorteile:                                           Nachteile:
 ttpersönliches Engagement und weitgehend un-        ttGgf. wenig persönliche Betreuung vor Ort, d.h.
   abhängig von Gewinnmaximierung                      Engagement und Aufwand für die Kommune,
 ttBecher durch gemeindliches Engagement be-           um das System dauerhaft am Laufen zu halten
   reits bekannt                                     ttFinanzielles Interesse, Gewinnorientierung  Fo-
 ttHohe Identifikation des Bechers mit der Stadt       kussierung auf eher große Partner
 ttemotionaler Faktor  inkl. Aufklärungseffekten    ttGgf. geringere Identifikation in städtischem Um-
   der Umweltbildung                                   feld
 ttHöhere Beteiligungsquote der Gastronomie          ttUnsteuerbar hinsichtlich Umweltbildung
 ttTeilnahme auch kleinerer Betriebe mit geringen    ttGefahr, dass Cafés/ Partner nicht mitmachen,
   Umsätzen möglich                                    Kosten tragen die Systempartner
 ttLogistik/ Umverteilung des Bechermaterials        ttSystem lohnt sich erst ab einer bestimmten An-
   auch bei kleinen Mengen machbar                     zahl Coffee-to-go pro Tag und Ausgabestelle
 ttBeteiligungsangebote an benachbarte Kommu-        ttUmverteilung/ Logistik der Becher erfolgt oft
   nen sind i.d.R. bereits bekannt                     erst ab einer bestimmten Stückzahl
 ttLeichteres Gewinnen von Sponsoren

 Nachteile:                                          Vorteile:
 ttSystem bleibt lokal/regional begrenzt             ttbundesweites bzw. regionalweites System
 ttProjektträger muss erst eigene Betriebserfah-     ttVorhandene Betriebserfahrung
   rung mit Pfandsystemen sammeln                    ttFinanzierung über Partner durch monatliche
 ttdauerhafte Finanzierung über öffentliche Mittel     Systemgebühr
   + Sponsoren erforderlich                          ttGeringere Gesamtkosten für die Stadt
 ttEinerseits höhere Gesamtkosten (insbesondere      ttGgf. Beteiligung auch großer Ketten
   Personal, Marketing),andererseits bessere bzw.
                                                     ttAPP vorhanden
   mehr Betreuungs-/ Akquisitionsaktivitäten
 ttGrößere Ketten verweigern ggf. den Anschluss
 ttGgf. Programmieraufwand für eine APP

               BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN                     15
Ausgestaltung eines kommunalen
4.      Pfandsystems

      Initiatoren und Projektträger eines kommu-        einer sauberen Stadt oder einem klaren Be-
      nalen Pfandsystems sind in der Regel Kom-         kenntnis zum Klimaschutz vor Ort sein.
      munen, kommunale Unternehmen (z. B.
      Müllentsorgungsbetriebe) oder lokale Bürger-      Ein kleiner Fragebogen für die Recherche von
      initiativen vor Ort. Die Kommunen schaffen        Eckdaten bestehender kommunaler Pfand-
      politische Voraussetzungen und setzen Rah-        systeme ist in Anlage 1 beigefügt
      menbedingungen, Bürgerinitiativen sorgen
      durch ihr gesellschaftliches Engagement für       Die Gründung eines eigenen Pfandbetriebes
      eine breite Beteiligung und Akzeptanz in der      will grundsätzlich gut überlegt sein. Nutzen,
      Bevölkerung. Je mehr System-partner und           Kosten und Risiken der Projektidee sind im
      Ausgabestellen gewonnen werden, desto at-         Vorfeld zu prüfen und abzuwägen. Es emp-
      traktiver wird das Pfandsystem. Idealerweise      fiehlt sich, einen Businessplan aufzustellen.
      gibt es einen Projektträger, der von mehreren     Eine genaue Beschreibung des Projektes un-
      Partnern unterstützt wird, die ein Eigeninter-    terstützt die spätere Entscheidungsfindung.
      esse am Gelingen des Projektes haben und
      damit ihren Anteil beitragen. Das können zum      Neben breiter Informations- und Öffentlich-
      Beispiel Stadtverwaltungen und Betriebe mit       keitsarbeit ist die Sicherstellung der Finanzie-
      Interesse an steigender Nachhaltigkeit, an        rung vorrangig. Es sollte gelingen, die Becher-

      Beispiel aus der Praxis

      Gemeinnützige Initiative:                        Initiative eines kommunalen Betriebes:
      Frankfurt am Main, „Cup2gether“.                 „Hannoccino“ in Hannover
      In Frankfurt initiierten die „Lust auf besser    Der „Hannoccino“ wurde vom Reinigungsbe-
      Leben gGmbH“ und andere das Projekt „Cup-        trieb des aha Zweckverband Abfallwirtschaft
      2gether“. Starthilfe gab es von der Stadt, vom   Region Hannover 2017 initiiert und bis heute
      Fond des Rats für nachhaltige Entwicklung        betrieben. Der Projektstart erfolgte mit Zu-
      und der Deutschen Postcodelotterie. Nach         stimmung und Kooperation des Rates Han-
      schnellem Erfolg und medialer Aufmerksam-        nover und der Stadtverwaltung. Schirmherrin
      keit übernahm 2019 die Stadtentsorgung           ist die Erste Stadträtin und Wirtschafts- und
      Frankfurt a.M. (FES) das Projekt als „Main-      Umweltdezernentin (LHP Hannover, 2019).
      becher“ und betreibt es stadtweit. Die Initia-   2019 hat das Pfandsystem mehr als 100
      tive cup2gether begleitet weiterhin beratend     Kooperationspartner mit über 180 Wechsel-
      (FES, 2019).                                     stuben gewonnen (Hannoccino, 2019).

      Initiative einer Stadt:                          Initiative einer Hochschule:
      „Freiburg Cup“ in Freiburg                       „Nachfüllbar Eberswalde“
      In Freiburg initiierte die Stadt das Pfand-      In Eberswalde (Brandenburg) kam die Initia-
      bechersystem „Freiburg Cup“. Es wird vom         tive 2017 als Pilotprojekt „Nachfüllbar Ebers-
      städtischen Abfallentsorger Abfallwirtschaft     walde“ aus der Hochschule für Nachhaltige
      und Stadtreinigung Freiburg GmbH (ASF)           Entwicklung Eberswalde (HNEE). Mit ersten
      und der Stadt Freiburg gemeinsam finanziert      Partnern wurde es vom Kreis der Studieren-
      und von der ASF mit mehr als 134 Ausgabe-        den ausgeweitet auf die Stadt. Es startete
      stellen betrieben (AFS, 2019).                   2017. (HNEE, 2019)

 16     BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
nisse gedeckt werden. Der personelle Auf-
 Elemente des Businessplans für ein               wand sollte hier nicht unterschätzt werden.
 Mehrwegbecherpfandsystem
                                                  4.1 Das Partner-Netzwerk
 • Projektbeschreibung: Darlegung des
   Geschäftskonzeptes und der Ziele               Der Pool der Teilnehmenden aus vielen Bä-
 • Projektträger und Beteiligte                   ckereien und Gastronomen in der Kommune
 • Markteinschätzung, Ausdehnung des              sollte ein engmaschiges Netz an Ausgabestel-
   Ausgabegebietes                                len bilden. Alle vorhandenen lokalen Akteure
 • Personalbedarf und fortlaufende Finan-         wie kommunale Politik, Nahverkehrsunter-
   zierung                                        nehmen, Handelskammern, Studentenwer-
 • Marketing und Öffentlichkeitsarbeit            ke, Vereine usw., sind als Multiplikatoren und
 • Zeitplan und Vorgehen für die Einfüh-          Partner einzubinden. Zum Einsatz könnte der
   rungsphase.                                    Pfandbecher kommen
                                                  • in Gastronomiebetrieben, wie Bäckereien,
                                                     Cafés, Eisdielen, Fleischereien
produktion komplett vorzufinanzieren, damit       • bei allen Händlern, die Getränke „To go“
Partner und Ausgabestellen möglichst ohne            ausgeben, z. B. auch Tankstellen, Fitness-
größere finanzielle Vorleistung in das System        center, Internetcafés, Bowling Center
einsteigen können. Es sollten auch Koopera-       • bei Veranstaltungen im öffentlichen Raum
tionen zwischen Initiativen aus benachbarten         (Weihnachtsmarkt, Stadt- und Straßenfeste)
Kommunen angedacht werden. Dies erhöht            • bei Sportveranstaltungen oder in Koopera-
die Akzeptanz bei den Nutzern durch ein grö-         tion mit Vereinen
ßeres Netz an Ausgabe- und Rücknahmestel-         • in Kantinensystemen (Studentenwerk, Ins-
len und senkt die administrativen Kosten der         titute, Unternehmen, Behörden).
einzelnen Beteiligten. Es muss berücksichtigt
werden, dass das Mehrwegsystem sich nicht         Dabei erleichtern niederschwellige Angebote
ohne weiteres selbst trägt. Hierfür müssten die   das Mitmachen, z. B. durch gratis Becherkon-
Systemkosten den Nutzern bzw. Systempart-         tingente, kostenlose Teilnahme am Pfandsys-
nern auferlegt werden können, was eine hohe       tem (keine Lizenzgebühr) und eine durchdach-
Akzeptanz des Systems bei den Beteiligten         te Logistik. Die Systempartner haben ggf. sogar
erfordert. Die Finanzierung ist insofern über     einen finanziellen Vorteil, da keine Einwegbe-
einen mehrjährigen Zeitraum sicherzustellen.      cher mehr angeschafft werden müssen. Die
                                                  Erwartungen der Partner an das Pfandsystem
Mit dem größten personellen Aufwand ist in        können unterschiedlich sein (siehe Kasten).
der Einführungsphase zu rechnen. Es gilt
Runde Tische und Diskussionsforen zu ini-         Möchte man auch kleinere Händler ohne ei-
tiieren, Becher auszuwählen und zu gestal-        gene Spülmöglichkeiten einbeziehen, ist über
ten, politische Entscheidungen zu forcieren,      eine zentrale Spüllogistik bzw. die Einbindung
Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, Verträge zu     professioneller Spüldienstleister nachzuden-
entwerfen, Finanzmittel und Partner zu gewin-     ken. Die Senatsverwaltung Berlin hat 2019
nen, Allianzen zu schmieden oder auch einen       deshalb ein Pilot-Pfandsystem als Konzes-
geeigneten Projektträger festzulegen. Wenn        sion mit zentralen Spülmöglichkeiten ausge-
das geschafft ist, müssen in der späteren Be-     schrieben (Berlin, et al., 2019). Ggf. können
triebsphase dauerhaft Logistik sichergestellt     auch Kooperationen zwischen verschiedenen
sowie Informations- und Beratungserforder-        Händlern zum Spülen abgeschlossen werden.

              BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN                17
Erwartungen der Kommunen                         Erwartungen der Händler/ Ausgabestellen
      an das Pfandsystem                               an das Pfandsystem

      ttEinsparungen in der Müllentsorgung             ttautomatischer Aufstieg zum „Klimahel-
      tteine sichtbar saubere Kommune                    den“
      ttImagegewinn als nachhaltige und kli-           ttkostenlose Teilnahme
        mafreundliche Kommune                          ttkein finanzielles Risiko, da Pfandaus-
      ttmehr ‚Wir-Gefühl‘ der Menschen in der            gleich
        Stadt                                          ttKosteneinsparung für Einkauf Einweg-
                                                         becher
                                                       ttEigene Edition mit Werbeeffekten
                                                         (Branding muss sich lohnen)
                                                       ttKostenloses Werbematerial
                                                       ttAnsprechpartner mit Rundumbetreuung
                                                       ttUnkomplizierte Vertragsgestaltung mit
                                                         schnellen Ausstiegsmöglichkeiten

     Eine wichtige Zielgruppe stellen die Hoch-        Bestimmte Materialeigenschaften sind für
     schulen, Universitäten und Studentenwerke         den Betrieb, die Logistik, die Praktikabilität
     dar. An den Hochschulen verkehren regel-          und damit für das langfristige Gelingen des
     mäßig mehrere Tausend Studierende, Pro-           Pfandsystems wichtig. Erfolgsparameter
     fessoren und Mitarbeiter. Zudem werden die        sind hier u.a. Gewicht, Gestalt, Haptik, Sta-
     Mensen und Kantinen auch von ansässigen           pelbarkeit, Umlaufhäufigkeit oder auch das
     Unternehmen aus der Umgebung frequen-             Aussehen nach vielen Spülvorgängen. Rei-
     tiert. Einige Hochschulen haben bereits ein ei-   ne Materialeigenschaften der Becher und
     genes System etabliert, welches meist jedoch      Deckel spielen auf der anderen Seite in der
     lokal auf den eigenen Campus begrenzt ist         Ökobilanz eine nachgeordnete Rolle (UBA,
     oder unterstützen die Nutzung mitgebrachter       2019).
     Mehrwegbecher (u. a. auch durch den Verkauf
     entsprechender Becher). Eine Anbindung an         Auch die Vermeidung von gesundheitlichen
     ein kommunales Pfandsystem lohnt sich.            Risiken ist zu beachten. Insbesondere die
                                                       Verwendung von Polycarbonat, Melamin oder
     4.2 Becher- und Deckelauswahl                     beschichtetem Kunststoff wird als ungünstig
                                                       gesehen (Blauer Engel, Das Umweltzeichen,
     Der Becher ist das Herzstück des Pfandsys-        2019). Vorsicht ist zum Beispiel beim soge-
     tems. Inzwischen wurden viel Zeit und Dis-        nannten „Bambusbecher“ geboten, der als
     kussion in die Auswahl des womöglich erfolg-      Füllstoff synthetisches Melaminharz enthält.
     reichsten Bechers gesteckt: der Becher soll       Bei Temperaturen über 70 Grad Celsius kön-
     praktisch, schön im Design und vor allem öko-     nen davon gesundheitlich bedenkliche Men-
     logisch korrekt sein. Das Angebot am Markt        gen an das heiße Getränk abgegeben werden
     ist unerwartet vielseitig in Ausführung und       (DUH, 2018).
     Gestaltung. Mehrwegbecher gibt es in allen
     Größen, unterschiedlichstem Material, Farbe       Das Umweltbundesamt hat mittlerweile um-
     und Design.                                       fangreiche Studien zur Materialbeschaffenheit

18      BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
Beispiel aus der Praxis

  Universität Potsdam: Verkauf Thermo-Mehrwegbecher über den Universitätsshop
  Zitat: „Dass viele Studierende an unseren Universitäten Kaffeejunkies sind und damit ihren
  Teil zum Müllproblem beitragen, weiß auch das Potsdamer Studentenwerk. Deshalb wurde
  das Bechersystem in unseren Mensen und Cafeterien im letzten August umgestellt. Seitdem
  bezahlen wir für Heißgetränke in Mehrwegbechern zehn Cent weniger. Wer trotzdem einen
  Einwegbecher nutzt, muss zehn Cent draufzahlen. Außerdem wurden eigene Mehrwegbe-
  cher vom Studentenwerk eingeführt.“ Es wurden bisher ca. 690 solcher Mehrwegbecher
  verkauft an Studierende in Potsdam, Wildau und Brandenburg (SpeakUp, 2018).

und zur Ökobilanz von Mehrwegbechern in            Aus rein ökologischer Sicht wäre es richtig,
Auftrag gegeben (UBA, 2019). In der Anlage         die Becher nicht zu bedrucken (Blauer Engel,
2 ist eine Checkliste zu prüfender Merkmale        Das Umweltzeichen, 2019). Das ist das Prin-
von Mehrwegbechern beigefügt.                      zip von FairCup, Göttingen. Unbedruckte Be-
                                                   cher zeigen weniger Schwund und lassen sich
Becher-Design                                      besser recyceln.
Becher mit ästhetischem Design und hoher
Qualität werden meistens leicht akzeptiert und     Andererseits erhöhen lokalpatriotisch desi-
erreichen vergleichsweise höhere Akzeptanz-        gnte Becher (Beispiele: Hannoccino für Han-
werte und Beteiligungsquoten. Das Design           nover, Mainbecher für Frankfurt a.M., Pots-
kann auch Zielgruppen ansprechen, die nicht        PRESSO für Potsdam) die Identifikation der
aus Gründen des Umweltschutzes zum Mehr-           Stadtgesellschaft mit dem System („Unser
wegbecher greifen, sondern weil es trendy ist.     Stadtbecher“). Dadurch werden Emotionen
Aber je „schöner“, auffälliger oder ortsspezifi-   angesprochen, was die Akzeptanz in einem
scher ein Becher ist, desto eher eignet er sich    weiteren Bevölkerungskreis erhöhen dürfte.
auch als Sammel- oder Liebhaberobjekt. Da-         Überdies können bedruckbare Becher den
mit werden die Becher dem Stoffkreislauf ent-      Werbungsaufgaben der Sponsoren und Un-
zogen. Umgekehrt kann ein invalides Design         terstützer entgegenkommen, die möglichst
eine geringere Nutzung des Pfandsystems            große und gut sichtbare Werbeflächen bevor-
bewirken.                                          zugen. Das ist eine weitere Einnahmequelle.

  Beispiel aus der Praxis

  Freiburg-Cup:
  Nach dem Start 2016 und anfänglicher Euphorie wurde 18 Monate später eine zu geringe
  Nutzung des Pfandbechers festgestellt. Laut einer Untersuchung war der Becher zu wenig
  ansprechend und die Beratung in den Verkaufsstellen ineffizient. Laut Bericht erhielt er da-
  raufhin 2019 ein neues Design; eine Studentische Hilfskraft soll zudem Händler beraten.
  (Badische Zeitung, 2018)

               BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN             19
scheinen Silikondeckel in der Umweltbilanz
          Praxisempfehlung
                                                        als akzeptabel. Aus Gesundheitsgründen soll-
       Für die Becherbestellung sind unbedingt          te bei Silikondeckeln darauf geachtet werden,
       die Herstellungs- und Lieferzeiten zu be-        dass diese getempert sind. Bei dieser Wärme-
       achten. Diese betragen oft 6-8 Wochen            behandlung verflüchtigen sich Restchemikali-
       und mehr. Bei Diskussionen über Material         en aus dem Herstellungsprozess.
       und Design mit verschiedenen Stakehol-
       dern kann es dann zum geplanten Projekt-         Füllstrich
       start auch mal knapp in der Zeit werden.         Füllstriche sind für Kaffee-, Tee-, Kakao- und
                                                        Schokoladengetränke nicht erforderlich. Für
                                                        den gewerbsmäßigen Ausschank von Kaltge-
     Deckel                                             tränken sind definierte Volumen einzuhalten.
     Deckel sollten tunlichst vermieden und andern-     Daher sollte je nach Einsatzbereich bei der
     falls nur auf Nachfrage als Pfanddeckel ange-      Beschaffung darauf geachtet werden, dass
     boten werden (UBA, 2019). Kaufdeckel halten        für die Mehrwegbecher eine EG-Konformi-
     viele Verbraucher wohl zu Recht für „unprak-       tätserklärung vorliegt, aus der die Einhaltung
     tisch“ und werden wenig geschätzt. Soweit dies     der Verordnung 2014/32/EU hervorgeht. Zu-
     beobachtet wurde, wird bei Verlust oder Verle-     dem müssen die Mehrwegbecher mit der CE-
     gen eines Kaufdeckels kein Ersatz gekauft.         Kennzeichnung sowie einem Füllstrich verse-
                                                        hen sein.
     Falls es doch unbedingt ein Deckel sein soll:
     eine mögliche Variante sind Deckel aus Sili-       Anzahl der in den Verkehr zu bringenden
     kon. Diese werden mit verschließbarer La-          Pfandbecher
     sche angeboten. Die Vorteile bestehen in der       Exakte Zahlen zum Verbrauch und zum
     Langlebigkeit und Robustheit des Materials.        Konsumverhalten im Coffee-to-go-Bereich
     Silikondeckel lassen sich gut schließen. Nach-     lassen sich noch nicht vorlegen. Hier muss
     teilig ist, dass Silikon kein nachhaltiger Werk-   jede Kommune, bezogen auf die lokalen Be-
     stoff ist. Aber aufgrund der langen Haltbarkeit    sonderheiten, den Bedarf an Mehrwegbe-

20     BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN
chern abschätzen. In Städten wird der Be-             er als Leihbecher für lokale Feste, Veran-
darf an Pfandbechern höher ausfallen als im           staltungen, Schulen etc. zur Verfügung ge-
ländlichen Raum. Hier kommt vor allem den             stellt werden kann.
Tankstellen als Ausgabestellen eine höhere
Bedeutung zu. Eine konservative Betrach-           Statistische Jahresberichte oder Statistiken
tungsweise hat sich hier jedenfalls bewährt.       zu Gästeankünften, Touristen, Bahnfahrern,
Als Anhaltspunkte für die Abschätzung könnte       Anzahl von Mitarbeitern und Studenten etc.
man folgende Überlegungen einbeziehen:             liefern gute Hinweise. Ebenso können vor-
• Jüngere Menschen nutzen eher Coffee-to-          handene Untersuchungen zum Konsumver-
   go-Angebote als Senioren. (Hier ist die De-     halten herangezogen werden, z. B. eine im
   mografie der jeweiligen Region zu berück-       Rahmen der Studie des Umweltbundesamtes
   sichtigen.)                                     (UBA, 2019) durchgeführte Befragung von
• Verbrauchsberichte einzelner Regionen            Passagieren im Busverkehr 2017 von YouGov
   bleiben oft hinter den Hochrechnungen der       (YouGov, 2017).
   Planer zurück.
• Innerhalb von Pendlerverkehren, an tou-          Grob kann man sagen: größere Bäckereien
   ristischen Plätzen sowie in Stadien, Uni-       erhalten ca. 150-250 Start-Becher, Cafés ca.
   versitäten, städtischen Hotspots oder           20-50 Becher, Kantinen benötigen je nach
   kommunalen Jugendtreffs ist mit erhöhtem        Größe ab 1000 Becher. Allgemein wird in den
   Becherbedarf zu rechnen.                        ersten Jahren ein „Becherschwund“ von ca.
• Ein „Gemeindebecher“ lohnt sich in einigen       20-30 % angegeben. Becher werden gerne
   Fällen trotz wenig „To-go-Aufkommen“, da        als Sammelobjekte gehortet, sind beliebtes

Tabelle 4 1: Vergleich Anzahl der "Startbecher" ausgewählter Städte

                                                  Anzahl Pfandbecher und
                                 Anzahl
   Stadt/ Pfandsystem                              Ausgabestellen zum          Pfandhöhe
                               Einwohner
                                                           Start
Freiburg                                             Ca. 26.000 Becher
                            2016: ca. 230.000                                     1,- €
Freibug-CUP, Start 2016                              100 Ausgabestellen

Hannover                                             Ca. 50.000 Becher
                            2016: ca. 535.000                                     2,- €
Hannoccino, Start                                    80 Ausgabestellen

Potsdam                                              Ca. 10.000 Becher
                            2017: ca. 178.000                                     2,- €
PotsPresso, Start: 2019                              134 Ausgabestellen
                                                   Zu Beginn Kaufbecher:
Eberswalde                  2017: ca. 41.000      Ca. 690 Becher verkauft;
Uni-Projekt der HNE
                          (ca. 2080 Studierende      2019 Pfandbecher:
Nachfüllbar Eberswalde,                                                          2,50 €
                                  HNE)                Ca. 2000 Becher
Start: 2017
                                                  5 Ausgabestellen inkl. Uni
                                                     Ca. 30.000 Becher
                                                      25 Ausgabestellen
Frankfurt am Main
                            2018: ca. 740.000           Geplant 2021:             3,- €
MainBecher, Start: 2019
                                                        150.000 Cups
                                                     200 Ausgabestellen
Göttingen                                         Becher: keine Angaben
                            2016: ca. 119.000                                     1,- €
Fair Cup, Start: 2017                               64 Ausgabestellen

                BRANDENBURGER LEITFADEN ZUR EINFÜHRUNG VON MEHRWEGBECHER-PFANDSYSTEMEN             21
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