CUSTOMER JOURNEY - STIMME AUS DER PRAXIS: Christoph Spengler, Accelerom AG PRAXISBEISPIEL: Deutscher Sneakermarkt - HNU
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AUSGABE 2017 SALES MANAGER FACHZEITSCHRIFT FÜR MARKTORIENTIERTE UNTERNEHMENSFÜHRUNG TOOL: Vom ersten Kontaktpunkt bis zur Kundenbindung STIMME AUS DER PRAXIS: Christoph Spengler, Accelerom AG PRAXISBEISPIEL: Deutscher Sneakermarkt INNOVATION: Curated Shopping CUSTOMER JOURNEY
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 3 PROF. DR. ALEXANDER H. KRACKLAUER LEITUNG KOMPETENZZENTRUM WACHSTUMS- UND VERTRIEBSSTRATEGIEN sehr geehrte damen und herren, herzlich willkommen zur zweiten Ausgabe 2017 des SALES Diese Ausgabe des SALES MANAGER soll deswegen Einsich- MANAGER. ten in das Management der Kundenreise geben. Dazu wird die Customer Journey als Instrument kurz dargestellt und Unsere Publikation versteht sich als Wissenschaftsmagazin eine Anwendung für einen großen Sportartikelhersteller mit regionalem Bezug. Einmal jährlich veröffentlichen wir vorgestellt. Darüber hinaus wird ein Blick in die Zukunft des die im Rahmen des Kompetenzzentrums «Wachstums- und stationären Handels geworfen und digitale Optionen werden Vertriebsstrategien» geleisteten Forschungsarbeiten. Neue erörtert. Curated Shopping wird als eine innovative Methode wissenschaftliche Erkenntnisse werden für die vorwiegend zur Belebung des Lebensmitteleinzelhandels diskutiert. Ein familiengeführten und mittelständischen Unternehmen der Pionier des Touchpoint-Managements, Christoph Spengler, Region fruchtbar gemacht. Das Thema marktorientierte Un- berichtet aus seinen Erfahrungen in der Beratung von Unter- ternehmensführung beinhaltet Fragestellungen zu den The- nehmen zum Thema Kundenreise. Ein weiteres Interview mit men Vertriebs-, Marken- und Unternehmensführung. Herrn Dieter Grosse-Kreul, einem erfahrenen Praktiker aus dem Verkauf, beleuchtet vor allem das Thema Digitalisierung Nachdem wir uns in der letzten Ausgabe mit dem Schwer- im Vertrieb. punkt Employer Branding befasst haben, ist auch diesmal ein allgegenwärtiges Thema im Blickpunkt: die Customer Journey. Eine ganz besondere Freude ist es für die Redaktion des SALES MANAGER, dass junge Talente der Hochschule hier aus ihren Die Digitalisierung revolutioniert Marketing und Vertrieb. Bei Forschungsarbeiten berichten. Ein Mehrwert für die Region der Fragestellung, wie Unternehmen sinnvolle Digitalisie- und die jungen Menschen, die – wie wir aus unseren Umfra- rungsprojekte starten können, ist häufig die genaue Analy- gen wissen – gerne in der Region bleiben wollen und viel dazu se der Kundenreise (Customer Journey) der Ausgangspunkt. beitragen können, Know-How in die regionale Wirtschaft zu Wie nutzen Kunden digitale Medien? Wie informieren sie bringen. sich, welche Verkaufskanäle werden in welcher Abfolge kon- taktiert, wo wird Service erwartet? Aus der Beantwortung Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der Lektüre und freuen uns dieser Fragen ergeben sich vielfältige neue Ansätze für die auf Ihr Feedback! marktorientierte Unternehmensführung - und vor allem: ein neuer Gestaltungsauftrag für Manager und Führungskräfte. Neue Geschäftsmodelle entstehen und neue Kommunika- tions- sowie Vertriebskanäle werden genutzt. Wer sich nicht Prof. Dr. Alexander H. Kracklauer auf diese Veränderungen einstellt, wird im globalen Wettbe- werb verlieren.
Touchpoints und Customer Journeys sind Dreh- und Angelpunkte in der Marktbearbeitung und in den betrieblichen Transformationsprozessen. Gleichzeitig sind sie die zentralen Stellhebel für ein herausragendes Kundenerlebnis sowie für eine effiziente und effektive Marktbearbeitung. Christoph Spengler, Gründer und Managing Director der Accelerom AG in Zürich, 2017
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 5 Schwerpunkt CUSTOMER JOURNEY AUF DEN SPUREN DES ERFOLGS Seite 06 ÜBER CUSTOMER JOURNEYS WIRD ZU VIEL GERÄTSELT UND SPEKULIERT Seite 10 DER POINT OF SALE IM JAHR 2025 Seite 14 DES KUNDEN NEUE SNEAKER Seite 21 CURATED SHOPPING Seite 26 DIGITALISIERUNG IM VERTRIEB UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE CUSTOMER JOURNEY Seite 29 TOUCHPOINTS BRAUCHEN EMOTIONSKOMPETENZ Seite 32 KOMPETENZZENTRUM WACHSTUMS- UND VERTRIEBSSTRATEGIEN Seite 33 IMPRESSUM Seite 34
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 6 Markus Fransewitz, Denisa Schill und Prof. Dr. Alexander H. Kracklauer AUF DEN SPUREN DES ERFOLGS MIT HILFE DER CUSTOMER JOURNEY DIE KUNDEN VOM ERSTEN KONTAKTPUNKT BIS ZUR KUNDENBINDUNG BEGLEITEN
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 7 Die Customer Journey hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Besonders durch die fortschreitende Digitalisierung, und der damit einhergehenden Vielzahl an Mög- lichkeiten für einen Kunden mit Unternehmen in Kontakt zu kommen, ist die Customer Jour- ney aus Sicht der Praxis und der Wissenschaft nicht mehr wegzudenken. Damit der Weg des Kunden zum Unternehmen auch in Zukunft nicht in einem Labyrinth oder gar in einer Sack- gasse endet, gilt es die Reise des Kunden zu verstehen und positiv zu beeinflussen (Roques 2016; Heinemann/Gaiser 2015, S. 45f.; Gehrckens/Boersma 2013, S. 53ff.). Die Customer Journey beschreibt die Reise des Kunden vom Linie an der Produktauswahl, und weniger an der Wahl des ersten Kundenkontaktpunkt bis zur Kundenbindung (Pufahl/ Anbieters. Auf Grund der Vielzahl an Produkten und vorhan- Kirchem 2015, S. 87; Rawson et al. 2013, S. 50). Der Kunde be- denen Informationen, die den Kunden über das Internet zur gegnet unterschiedlichen Touchpoints (Kontaktpunkten) mit Verfügung stehen, wird die Kaufentscheidung oftmals bereits der Marke, dem Produkt oder dem Unternehmen im Allge- in der Vorkaufphase getroffen. Somit erhält der Point of De- meinen (Esch et al. 2014, S. 3ff.; Heinemann 2013, S. 16f.). Die cision eine besondere Aufmerksamkeit und wird dadurch Interaktion zwischen dem Kunden und dem Unternehmen dem Point of Purchase vorgestellt (Ternes et al. 2015; S. 7f.; beschreibt in der Summe eine Customer Journey entlang des Gehrckens/Boersma 2013, S. 53ff.). Allerdings ist die Gestal- Kaufentscheidungsprozesses (Buying Cycle) von der Vorkauf- tung der Customer Journey in der Kaufphase mittlerweile ein phase bis zur Nachkaufphase (Esch et al. 2014, S. 4). wesentliches Mittel z.B. im stationären Handel, um gegen Online-Händler zu gewinnen. Indoor Navigation, Dynamic Das Kaufverhalten der Kunden bildet die Grundlage für das Pricing, digital getriebene Promotions und Mobile Payment Verständnis der Customer Journey. In der Literatur lässt sich sind beispielhafte Gestaltungselemente im Rahmen der Shop- der Kaufprozess nach Forscht, Swoboda und Schramm-Klein in per Journey, um den Point of Sale (POS) kundenorientierter drei übergeordnete Phasen einteilen. Hierbei wird zwischen zu gestalten. Auch Verkaufsprozesse müssen anders geplant Vorkaufphase, Kaufphase und Nachkauf- bzw. Nutzungsphase werden, um angesichts immer besser informierter Kunden unterschieden. Darüber hinaus teilt das Modell die drei Pha- die Kontaktpunkte mit dem Verkaufspersonal zu optimieren. sen in einzelne Teilprozesse auf, um jeden dieser Abschnitte Deswegen ist eine Vernachlässigung der Kaufphase bezie- genauer bewerten zu können (Forscht et al. 2015, S. 183ff.). hungsweise des Kaufortes wenig sinnvoll. Die Teilprozesse werden in der Literatur unterschiedlich un- tergliedert. Nach Kotler lässt sich der Kaufprozess in fünf Neben der Vielfalt an Informationen, welche die Kunden vor Phasen unterteilen (Kotler et al. 2007, S. 295f.). Die Nach- einem möglichen Kauf erhalten können, ist das Kaufverhalten kaufphase kann bei einem Folgekauf beziehungsweise bei der häufig von einem mehrfachen Kanalwechsel, dem sogenann- wiederholten Inanspruchnahme einer Unternehmensleistung ten Channel-Hopping, gekennzeichnet. Die Kunden springen erneut eine Vorkaufphase einleiten. Demnach entspricht im Zickzack zwischen der realen und virtuellen Welt hin und diese Unterteilung des Konsumzykluses einem Buying Cycle her, wechseln sequentiell zwischen den unterschiedlichen (Forscht et al. 2015, S. 185f.; Heinemann 2011, S. 101). Einkaufs- und Kommunikationskanälen, oder nutzen diese sogar parallel (Heinemann/Gaiser 2015, S. 51; Schüller 2013, Abbildung 1 beschreibt einen idealtypischen Kaufprozess und S. 16). Diese Entwicklung wird besonders durch die weite Ver- deutet darauf hin, dass jeder Kunde alle Phasen dieses Pro- breitung mobiler Endgeräte, wie Smartphones oder Tablets, zesses durchläuft. Allerdings ist dies je nach Produktkatego- verstärkt (Heinemann 2013). Unabhängig von der Art des ge- rie und Charakteristika des Konsumenten unterschiedlich zu nutzten Kontaktpunkte zum Unternehmen erwarten die Kun- betrachten (Forscht et al. 2015, S. 185; Kotler et al. 2007, S. den auf Grund ihres veränderten Verhaltens eine Integration 295). Darüber hinaus lässt sich feststellen, dass jede Phase aller genutzten Kanäle, um zu jeder Zeit und an jedem Ort, des Buying Cycle eine differenzierte Bedeutung für das Kau- unabhängig vom verwendeten Endgerät, ein einheitliches, ferlebnis des Kunden hat (Esch et al. 2014, S. 3; Spengler/ einzigartiges Erlebnis zu erhalten. Kunden denken in der Regel Wirth 2009, S. 46). Die wichtigsten Phasen des Kaufprozesses, nicht in unterschiedlichen Kanälen, sondern nehmen den An- in denen die entscheidenden Interaktionen zwischen dem bieter kanalübergreifend als eine Marke wahr (Heinemann/ Unternehmen und dem Kunden stattfinden, sind die soge- Gaiser 2015, S. 53f.; Reinartz 2013, S. 106). Um als Anbieter nannten «Moments of Truth» (Pufahl/Kirchem 2015, S. 90). erfolgreich zu sein, müssen die Kundenkontaktpunkte be- kannt sein (Schüller 2013, S. 15; Rawson et al. 2013, S. 49f.). Der abgebildete Prozess stellt das Kundenverhalten als Mo- dell dar. Dies ist allerdings kritisch zu betrachten, da sich das Werkzeuge zur Identifizierung, Steuerung und Optimierung allgemeine Kaufverhalten in den vergangenen Jahren durch der Kundenkontaktpunkte und dem damit verbundenen die fortschreitende Digitalisierung deutlich gewandelt hat Touchpoint-Management liefern Marktforschungsunterneh- (Heinemann/Gaiser 2015, S. 45f.; Gehrckens/Boersma 2013, men wie die Accelerom AG. Sämtliche Kontaktpunkte, an S. 53ff.). Durch die Verbreitung des Internets und der damit denen Bestands- bzw. Neukunden mit dem relevanten Unter- fortschreitenden digitalen Transformation ist das World- nehmen in Berührung kommen, müssen identifiziert und auf Wide-Web zu einem der bedeutendsten Bestandteile unse- die richtige Art und Weise gemanagt werden. Mit Hilfe von rer heutigen Konsumkultur geworden (Haderlein 2013, S. 15). Marktforschung können alle Kontaktpunkte, sowohl online Allerdings ist der Grad des Interneteinflusses je nach Alter der als auch offline, mit einem Produkt, einer Dienstleistung oder Zielgruppe und Produktkategorie in den einzelnen Phasen einer Marke in allen Phasen des Kaufprozesses identifiziert, des Kaufentscheidungsprozesses differenziert zu betrachten. bewertet und abgebildet werden. Der Weg vom ersten Kon- In vielen Branchen orientiert sich das Kaufverhalten in erster taktpunkt bis zur Bindung führt dabei über Touchpoints unter-
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 8 ABBILDUNG 1: DIE PHASEN DES KAUFPROZESSES Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Forscht et al. 2015, S. 184; Kotler et al. 2007, S. 296 schiedlichster Kategorien. Hierbei werden die einzelnen Kun- denkontaktpunkte in Paid Touchpoints, Owned Touchpoints und Earned Touchpoints unterschieden. Dies sind Touch- points, die ein Unternehmen käuflich erwirbt, die es besitzt und die Kontaktpunkte, die sich ein Unternehmen auf Grund seiner guten Arbeit verdient (Schüller 2013, S. 17; Accelerom 2014). Neben der Differenzierung der Touchpoints werden ebenfalls die Kontaktpunkte mit dem Kunden auf ihre Rele- vanz beurteilt (Accelerom 2014). In diesem Zusammenhang muss gezielt ermittelt werden, welche Kontaktpunkte Kunden jeweils in den einzelnen Phasen des Kaufprozesses wahrneh- men. Welche Kontaktpunkte sind relevant, um Reichweite aufzubauen? Welche Kontaktpunkte sind wichtig, um eine entsprechende Tiefenwirkung zu erreichen? Darüber hinaus muss bestimmt werden, über welche Kanäle Bestandskunden gebunden und Neukunden akquiriert werden. Somit gilt es die Touchpoints zu bestimmen, die unter Berücksichtigung der relevanten Zielgruppe am wichtigsten sind (Accelerom 2014; Esch et al. 2014, S. 5). Über die systematische Ermitt- lung der Customer Journey kann der Kaufentscheidungspro- zess gezielt gesteuert, das Kundenerlebnis beeinflusst, die Ressourcen fokussiert allokiert und der Return of Investment maximiert werden. Dabei helfen entsprechend programmier- te Algorithmen, die den optimalen Marketing-Mix und somit die besten Zugangswege zu den existierenden und potentiel- len Zielgruppen unter Berücksichtigung des relevanten Bud- gets berechnen (Accelerom 2014). Die Multichannel Customer Journey zeigt die Reise des Kun- den auf einen Blick. Sie ermöglicht eine wegweisende Iden- tifizierung der einzelnen Touchpoints, online und offline, und eine optimale Orchestrierung aller Maßnahmen, um die Customer Journey der Zielgruppe abzudecken und den op- timalen Marketing-Mix zu definieren. Durch die richtige Ge- staltung der Customer Journey kann die Customer Experience verbessert, der Abverkauf erhöht und die Kundenbindung gesteigert werden. Nur die Unternehmen, die es schaffen Die Customer Journey be- den Kunden auf seiner Reise zu begleiten und die Customer schreibt die Reise des Kunden Journey zielführend zu steuern, werden auch in Zukunft er- folgreich sein. vom ersten Kontaktpunkt bis zur Kundenbindung.
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 9 LITERATURVERZEICHNIS MARKUS FRANSEWITZ Accelerom (2014) Erfolgreiche Marktbearbeitung in der digitalen Welt, URL: https://tinyurl.com/lae67ne, abgerufen student master of advan- am 15.12.2015. ced management an der hochschule neu-ulm Esch, F./Backens, T./Knörle, C. (2014) Customer Journey - die Reise des Kunden verstehen, in: Marken Insights, Nr. 12, S. 3-6. Forscht, T./Swoboda, B./Schramm-Klein, G. (2015) Käufer- verhalten: Grundlagen-Perspektiven-Anwendungen, 5. Aufl., Wiesbaden: Springer Gabler Verlag. Haderlein, A. (2013) Die digitale Zukunft des stationären Handels – Auf allen Kanälen zum Kunden, 2. Aufl., München: mi-Wirtschaftsbuch. Heinemann, G. (2011) Cross-Channel-Management. Integra- tionsprozesse im Multi-Channel-Handel, 3. Aufl., Wiesbaden: DENISA SCHILL Springer Gabler Verlag. wissenschaftliche mitar- Heinemann, G. (2013) No-Line-Handel. Die höchste Evoluti- beiterin am kompetenz- onsstufe im Mutlichanneling, 1. Aufl., Wiesbaden: Springer zentrum wachstums- und Gabler Verlag. vertriebsstrategien der hochschule neu-ulm Heinemann, G./Gaiser, C. (2015) SoLoMo-Always on im Han- del – Die soziale, lokale und mobile Zukunft des Shoppings, 2. Aufl., Wiesbaden: Springer Gabler Verlag. Gehrckens, M./Boersma, T. (2013) Zukunftsvision Retail – Hat der Handel eine Daseinsberechtigung?, in: Heinemann G./ Gehrckens M./Haug K./& dgroup (Hrsg.), Digitalisierung des Handels mit ePace – Innovative E-Commerce-Geschäftsmo- delle unter Timing-Aspekten. 1. Aufl., Wiesbaden, S. 51-76. Kotler, P./Keller, K./Bliemel, F. (2007) Marketing-Manage- PROF. DR. ALEXANDER H. ment: Strategien für wertschaffendes Handeln, 12. Aufl., KRACKLAUER München: Pearson. Pufahl, M./Kirchem, S. (2015) Die Reise des Kunden gezielt leitung kompetenz- steuern, in: Sales Management Review, Nr. 4, S. 86-93. zentrum wachstums- und vertriebsstrategien der Rawson, A./Duncan, E./Jones, C. (2013) Den Kunden auf hochschule neu-ulm seiner Reise begleiten, in: Harvard Business Manager, Nr. 11, S. 48-60. Reinartz, W. (2013) Gefährliche Ignoranz, in: Harvard Busi- ness Manager, Nr. 8, S. 106-107. Roques, G. (2016) Die Customer Journey muss entzaubert werden, URL: http://www.absatzwirtschaft.de/die-custo- mer-journey-muss-entzaubert-werden-88949/, abgerufen am 30.01.2017. Schüller, A. (2013) Touchpoints. Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute – Managementstrategien für unsere neue Businesswelt, 3. Aufl., Offenbach: Gabal. Spengler, C./Wirth, W. (2009) Die Wirkung von Marketing- und Vertriebsmaßnahmen maximieren, in: io- new manage- ment, Nr. 3, S. 46-51. Ternes, A./Towers, I./ Jerusel, M. (2015) Konsumentenver- KONTAKT halten im Zeitalter der Digitalisierung: Trends, M-Commerce und Connected Retail, 1. Aufl., Wiesbaden: Springer Gabler Markus.Fransewitz@student.hs-neu-ulm.de Verlag.
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 10 ÜBER CUSTOMER JOURNEYS WIRD ZU VIEL GERÄTSELT UND SPEKULIERT IM GESPRÄCH MIT CHRISTOPH SPENGLER, GRÜNDER UND MANAGING DIRECTOR DER ACCELEROM AG
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 11 Christoph Spengler, Gründer des Beratungs- und Forschungsunternehmens Accelerom AG mit Sitz in Zürich, über erfolgreiches Customer Journey Management und intelligente Custo- mer Insights. Herr Spengler, vor über 10 Jahren gründeten Sie die Acce- Fachbereiche steuern. Erfolgssteuerung funktioniert aber nur, lerom AG. Seither beschäftigen Sie sich tagtäglich mit Touch- wenn möglichst alle Faktoren, die den Erfolg letztlich beeinflus- points (Kundenkontaktpunkten) und Customer Journeys sen könnten, berücksichtigt werden. Bei der Erfolgssteuerung (Kundenreisen). Das scheint ein unerschöpfliches Thema zu von Strategien und Kampagnen in der vernetzten Multi-Cross- sein. Um was geht es genau? Omni-Channel-Welt tappen wir ziemlich im Dunkeln. Wenn ich das so sage, denke ich aus der Kundenperspektive an alle Touchpoints und Customer Journeys sind Dreh- und Angel- möglichen Off- und Online-Touchpoints, mit welchen ein (po- punkte in der Marktbearbeitung und in den betrieblichen tenzieller) Kunde auf seiner individuellen Reise in Berührung Transformationsprozessen. Gleichzeitig sind sie die zentralen kommen kann. Stellhebel für ein herausragendes Kundenerlebnis sowie für eine effiziente und effektive Marktbearbeitung. Unter Markt- Weshalb soll die Erfolgssteuerung mit konventionellen Me- bearbeitung verstehen wir alle Disziplinen, mit denen der thoden nicht möglich sein? Wo hakt es? Kunde direkten Kontakt hat. Also Vertrieb, Marketing, Kom- munikation und Services. Möglich schon, aber es bleibt zu viel auf der Strecke. Nehmen wir beispielsweise die Leadgenerierung, also die Gewinnung Es gibt eine regelrechte Inflation an Touchpoints. Mit einer von Interessenten für ein Produkt oder eine Dienstleistung. «So-viel-wie-möglich-Strategie» an jedem erdenklichen Kon- Es fehlt der ganzheitliche Blick aus der Vogelperspektive auf taktpunkt präsent zu sein, ist jedoch nicht zielführend. Das Markt und Kunden über alle Silos in der Marktbearbeitung. wissen wir alle. Tatsache ist, dass Unternehmen heute rasch Auch mangelt es an Messbarkeit und Vergleichbarkeit der un- 200 Touchpoints managen. Das ist zu viel und überfordert terschiedlichen Off- und Online-Touchpoints. So können wir jede Organisation! Aus diesem Blickwinkel betrachtet, geht mit konventionellen Methoden nicht genau sagen, wie viele es heute noch viel stärker um den Umgang mit Komplexität, (potenzielle) Kunden wir über die eigene Webseite tatsäch- Veränderung sowie Investitionssteuerung. lich erreichen und wie relevant diese in ihrer Customer Jour- ney ist. Regelrecht diffus wird es, wenn wir Mixes, also Kombi- Angesichts der unendlich vielen Möglichkeiten kann man nationen von Touchpoints z.B. für eine Kampagne, beurteilen leicht das Gesamtbild aus den Augen verlieren. Wie sieht ein wollen. Kombinieren wir z.B. eine Online-Werbekampagne, möglicher Lösungsweg aus? ein Event, ein Anruf eines Außendienstmitarbeiters sowie ein Inserat, wissen wir nicht, wie viele (potenzielle) Kunden Jeder Entscheider oder Unternehmer will ganz genau wissen, mit diesem Mix erreicht werden können. Auch ist es mit den mit welchem Maßnahmen-Mix die Customer Journey am bes- herkömmlichen Methoden unmöglich, zu beurteilen, ob die ten abgedeckt und das gesteckte Ziel – mit dem Einsatz mög- gewählte Lösung für die Zielgruppenbearbeitung tatsächlich lichst optimaler Mittel – erreicht werden kann. Der Schlüssel die beste ist. Zu vieles kann zudem erst im Nachhinein gemes- liegt in der intelligenten Vernetzung der relevanten Off- und sen werden. Um es positiv auszudrücken: Hier ist ein großes Online-Touchpoints. Präzise Antworten auf die richtigen Erfolgspotenzial vorhanden. Fragen bringen Klarheit und führen zur besten Lösung. Vor- aussetzung ist aber, dass man auf eine aussagekräftige Daten- Sie entwickeln datengestützt ganz konkrete Umsetzungs- grundlage zurückgreifen kann. Doch über Customer Journeys lösungen wie z.B. für die Leadgenerierung. Als Kunde erfahre wird zu viel gemutmaßt, gerätselt und spekuliert – sei es in ich, welche Off- und Online-Touchpoints am besten miteinan- strategischer, operativer oder auch prozessualer Hinsicht. der zusammenwirken. Wie identifizieren Sie diese optimalen Mixes? Wie kann man mit Touchpoint-Management den Markter- folg konkret steigern? Eine gute Strategie oder Kampagne zu entwickeln, ist eine äu- ßerst anspruchsvolle Aufgabe. Die Strategieumsetzung, damit Um die Effizienz und Effektivität in der Marktbearbeitung all- sie zum Erfolg führt, noch mehr. Nachvollziehbar macht es ei- gemein zu erhöhen, sehe ich spontan zwei konkrete Ansatz- nen erheblichen Unterschied, ob wir diese beispielsweise auf punkte, die zwar miteinander in Verbindung stehen, jedoch 25 oder 15 Touchpoints aufbauen. Stellen Sie sich vor: Bei ei- im Ablauf zu trennen sind. Es sind der Reihe nach die The- ner Auswahl von 80 Touchpoints beträgt die Anzahl möglicher men «Erfolgssteuerung in der Marktbearbeitung» und «Un- Kombinationen 1024, eine doch eher große Zahl. Für unsere ternehmen-Kunde-Alignment» der unterschiedlichen Fach- Berechnungen nutzen wir daher intelligente Algorithmen, um bereiche in Marktbearbeitung sowie in der IT. zum optimalen Multichannel-Mix zu kommen. Was verstehen Sie unter Erfolgssteuerung in der Marktbe- Auf dieser Grundlage erarbeiten wir mit Kunden ganz konkre- arbeitung? te Umsetzungslösungen. Optimale Multichannel-Mixes un- terscheiden sich zudem je nach Ziel, wie z.B. Bekanntheit für Wir wollen doch alle die Wirkung maximieren, Risiken mini- ein Produkt schaffen oder den Abverkauf erhöhen. mieren und die gesteckten Ziele erreichen. Anders gesagt: Es geht um Entscheidungssicherheit. Aufgrund der vielen Mög- lichkeiten und der Dynamik müssen wir Strategien und Kampa- gnen noch viel besser gemeinsam über alle unterschiedlichen
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 12 Und für was werden diese Strategien und Kampagnen be- Wo sehen Sie die Herausforderungen im Unternehmen nötigt? selbst? Unsere Auftraggeber wollen ihr bestehendes Geschäft wei- Ein ganzheitliches Touchpoint-Management über alle Phasen ter entwickeln oder optimieren, neue Märkte im In- oder der Customer Journey beeinflusst und verändert das Arbeiten Ausland erschließen oder ganz neue Geschäftsmodelle um- in den Unternehmen grundlegend: Touchpoint-Management setzen. Ausgangspunkt ist immer ein vertieftes, einheitliches ist Teamarbeit. Um eine Customer Journey durchgängig mit Zielgruppenverständnis gekoppelt mit Customer Journeys. einem überragenden Kundenerlebnis ausgestalten zu kön- Dann gibt es noch weitere Themen, bei denen wir Kunden nen, muss interdisziplinär gedacht und gehandelt werden. mit den wertvollen Erkenntnissen unterstützen: Markenposi- Das Silo-Denken muss überwunden werden: Es ist für nie- tionierung, Kundenerlebnis, Investitionssteuerung bis hin zur manden einfach, seine eigenen Aktivitäten zu hinterfragen Organisationsentwicklung. oder funktionierende Geschäftsmodelle in Frage zu stellen. Die Dynamik der Digitalisierung zwingt uns jedoch dazu: Kommen wir auf das zweite Thema zu sprechen: Das Unter- Schon innerhalb kurzer Zeit ändern heute Märkte und Kun- nehmen-Kunde-Alignment. Um was geht es hier? den ihr Informations- und Kaufverhalten. Eine der größten Herausforderungen ist die Überbrückung Sie haben vorhin auch die Budgets in der Marktbearbeitung der Kluft zwischen Strategieentwicklung und -umsetzung. angesprochen. Wie sieht es hier aus? Viele wissenschaftliche Studien der letzten Jahre belegen: Ungeachtet der Qualität der Strategie, tun sich Unternehmen Ein Blick in die Vertriebs- und Marketingpläne mit Fokus Bud- schwer, diese erfolgreich umzusetzen und Wettbewerbsvor- getentwicklung und Budgetverteilung offenbart regelmäßig teile zu realisieren. Einige der Untersuchungen gehen von ein ähnliches Muster: Viele neue Aufgaben wurden in den weniger als 10 Prozent der Unternehmen aus, denen eine er- letzten Jahren in die Budgets hineingepackt. Im besten Fall folgreiche Strategieumsetzung gelingt. stagnierten die Budgets, meistens wurden sie aber gekürzt. Entsprechend finden wir heute in der Marktbearbeitung viele Unter Alignment verstehen wir die konsequente Ausrichtung kleine Budgettöpfchen, mit welchen kritische Schwellenwer- des Handelns der einzelnen Abteilungen und Mitarbeitenden te auf den einzelnen Touchpoints nicht überschritten werden auf ein gemeinsames Kundenbild, das sich an den Geschäfts- können, was Streuverlust und unnötige betriebliche Komple- zielen des Unternehmens orientiert. Durch das gemeinsame xität bedeutet. Das will niemand. Dieser Entwicklung gilt es Verständnis und die Fokussierung auf die optimalen Mixes entgegenzuwirken. wird die Kundenorientierung gestärkt und die Unterneh- mensleistung nachvollziehbar massiv erhöht. Das Alignment Um diese Mixes zu verwirklichen, braucht es aber auch noch unterstützt die ganze Unternehmung, Flop-Risiken zu senken, andere Dinge wie z.B. Kreativität, ein klares Nutzenverspre- Kosten zu sparen und die Umsetzungszeit wesentlich zu ver- chen, relevante Inhalte und Technologie. kürzen. Auf jeden Fall, das schließe ich mit meinen Gedanken auch Wir haben auf Ihrer Webseite gestöbert und sind auf fol- nicht aus. Der neue, ganzheitliche Blickwinkel hilft allen, Kre- gende Aussagen gestoßen: «Touchpoint-Management ist in ativität anzuregen und neue Ideen zu generieren. Durch die vielen Unternehmen ein Lottospiel». Der Abgleich zwischen neuen Erkenntnisse wird es einfach möglich, Off- und On- Innen- und Außensicht legt offen, dass «nur sechs von zehn line-Touchpoints in allen Kategorien – also Owned-, Paid- und Touchpoints richtig» getippt werden. Können Sie dies näher Earned – wirkungsvoll auszusteuern. Die Digitalisierung und erläutern? Automatisierung kann mit diesen Blaupausen im Unterneh- men vorangetrieben werden. Auf unserer Datengrundlage Gefühl und Fakten klaffen stark auseinander, was nicht au- modellieren und optimieren wir so z.B. Touchpoint-Ketten ßergewöhnlich ist. «Was denken Sie: Welches sind für Ihre und -Prozesse in Echtzeit. Der Vorteil ist, dass aussagekräftige Kunden die zehn wichtigsten Touchpoints in der Customer Leistungswerte zur Beurteilung vorliegen. Mit Beobachtun- Journey, wenn Sie Ihr oder ein vergleichbares Produkt kau- gen oder rein qualitativen Bewertungen lässt sich dies nicht fen?» Die Frage nach den Top Ten stellen wir seit Jahren unse- bewerkstelligen. ren Kunden, um die Betriebssicht zu erfassen. Aus den vielen Untersuchungen und Workshops haben wir inzwischen eine Das hört sich alles sehr interessant an, jedoch auch nach beachtliche Sammlung an Inside-Out-Perspektiven zusam- Black Box! Oder sehen Sie das anders? mengetragen. Immer haben Geschäftsführer, Spezialisten in Vertrieb, Marketing, Media, Kommunikation oder Services Könnte man meinen, ist aber nicht so. Im Gegenteil: Für alle darauf geantwortet und eine Liste mit den wichtigsten Touch- Touchpoints erfassen wir fünf Leistungswerte, um diese be- points erstellt – mit mehr oder weniger Bauchgefühl und Ex- züglich ihrer Reichweite und Relevanz innerhalb der Customer pertise. Journey beurteilen zu können. Um Mixes zu bewerten, nutzen wir diese Customer Journey-Metriken. Mit einer ausgeklügel- Um es vorwegzunehmen: Der Abgleich der Betriebssicht ten Szenariotechnologie kann zudem die Frage «Was wäre, mit der Kundensicht (Outside-In) ist oft ernüchternd! Durch- wenn…?» beantwortet werden: Touchpoints können beliebig schnittlich werden nur sechs der zehn für die Kunden wich- kombiniert, hinzugefügt und entfernt werden. So wird der tigsten Touchpoints richtig erraten. Die Reihenfolge stimmte Mehrwert ersichtlich. Bislang hat der Algorithmus regelmäßig ohnehin nie. Um erfolgreich Produkte und Lösungen – und die besten Lösungen entwickelt – sowohl Teams von Prakti- seien sie noch so disruptiv – zu entwickeln und zu vermark- kern in den Unternehmen oder MBA-Studenten in Tagessemi- ten, müssen wir den Kunden und seine Bedürfnisse vertieft naren haben den Algorithmus nicht schlagen können. verstehen, und dies besser als je zuvor.
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 13 Zurück zur Ihrer Analytik. In den letzten Jahren haben Sie mussten bei Kunden die Budgets in der Marktbearbeitung mit dem SMARTnavigator eine der innovativsten Analyse- massiv reduziert werden, bis zu 50 Prozent. Denken Sie etwa plattformen zur Ermittlung von Mixes für Strategien und an Spanien, Deutschland oder auch die Schweiz. Das sind Kampagnen in der Marktbearbeitung entwickelt. Wie ist es keine angenehmen Entscheidungen. Dann steht eigentlich dazu gekommen? nur eine einzige Frage im Raum: Was brauchen wir wirklich? Umso erfreulicher, wenn das Unternehmen Marktanteile ge- Unser eigener Anspruch mit wissenschaftlich fundierten und winnen kann. Verschiedene Kundenprojekte zeigen, dass sich anwendungsorientierten Methoden arbeiten zu wollen, hat durch eine integrierte Erfolgssteuerung und ein erfolgreiches uns angespornt. So haben wir in einem ersten Schritt unsere «Unternehmen-Kunde-Alignement» Performancesteigerun- 360°TOUCHPOINT-Methodik mit der Universität Zürich wis- gen um bis zu 30 Prozent realisieren lassen. senschaftlich validiert. Mit zwei größeren Forschungsinitia- tiven der Eidgenössischen Kommission für Technologie und Das Customer Journey-Mapping ist doch eine gute Metho- Innovation (KTI) haben wir unsere einzigartigen, algorith- de, sich einen Überblick zu verschaffen? mus-basierten Analysemodule entwickelt und in den SMART- navigator integriert. Inzwischen sind über 20 Frau- respektive Die Methode ist grundsätzlich nicht falsch. Mehrheitlich wird Mannjahre in die Entwicklung geflossen. sie genutzt, um eigene Prozesse zu betrachten und zu optimie- ren. Mit dem Kundenverhalten hat sie aber wenig zu tun: Kun- Wie spielt Ihrer Einschätzung nach Content Marketing und den machen, was sie wollen! Sie hüpfen von einem Touchpoint die Digitalisierung in das Touchpoint-Management ein? zum anderen, vorwärts und rückwärts in der Customer Jour- ney. Linear sind höchstens Modelle von Customer Journeys, in Content Marketing ist nichts weiter als relevante Marktkom- den seltensten Fällen aber die tatsächliche Reise des Kunden. munikation, also nichts Neues. Nur mit einer kreativen Head- Zudem sollte man sich bewusst sein: Wenn nur Online-Touch- line alleine verkauft man heute keine Produkte mehr. Auch points mitberücksichtigt werden, wird der Gesamtprozess nur für ein erfolgreiches Content Marketing muss ich zunächst lückenhaft abgebildet, da ja viele Interaktionen offline statt- wissen, welche Zielgruppen überhaupt welche Touchpoints finden. Oft wird auch viel aus der Eigenwahrnehmung in diese nutzen, um dann entsprechend mit ihnen zu kommunizieren. Maps hineininterpretiert. Da denke ich vor allem an die soge- Wenn das Schlagwort hilft, alle Beteiligten zu sensibilisieren, nannten «Moments of Truth», die Augenblicke der Wahrheit. ist das gut. Umso wichtiger ist es zu verstehen, was genau betrachtet wird: Online-Surfer oder reale (potenzielle) Kunden, Personas Die Digitalisierung ist auf dem Vormarsch. Aktuell erleben oder Zielgruppen, alle möglichen Touchpoints oder ein kleiner wir alle in der Praxis ein ausgeprägtes Nebeneinander von Ausschnitt davon. Rasch werden komplexe Zusammenhänge Zukunftsprojekten und Tagesgeschäft. Entscheider müssen verfälschend simplifiziert. genau wissen, welche Touchpoints und Prozesse auf der Großbaustelle «Digitalisierung» angepackt und wo wirk- Und was bedeutet die Digitalisierung für mittelständische lich investiert werden muss. Dies erfordert mehr als nur die Unternehmen? gleichen Dinge in neue oder andere Kanäle zu transferieren. Mit einer App oder einem Online-Shop ist man heute nicht Die Digitalisierung bietet für alle Unternehmen große Chan- automatisch erfolgreicher. Nicht dass ich falsch verstanden cen. Damit möchte ich nichts schön reden, denn die Heraus- werde: Auch wenn ohne Informationstechnologie in der forderungen sind groß genug. Um es auf einen einfachen Marktbearbeitung fast gar nichts mehr läuft, ist sie letztlich Nenner zu bringen: Wir müssen wesentlich schneller, besser immer Mittel zum Zweck. Entscheidend ist daher nicht primär und auch günstiger werden. Kleinere Unternehmen sind we- die technische Umsetzung, sondern stets der Kundennutzen: sentlich agiler, was ein großer Vorteil ist. Vermieden werden «Was hat der Kunde davon?». Optimal ist es, wenn es gelingt, sollten vor allem kostspielige und langwierige Trial-and-Er- vereinfachte Arbeitsabläufe und Kostenoptimierungen für die ror-Erfahrungen. Verbesserung des Kundenerlebnisses und die Stärkung der Marktposition zu nutzen. Die vermeintlich einfachsten Fragen sind oft am schwierigs- ten zu beantworten: Was ist der optimale Mix? Wie allokieren In den letzten Jahren sind immer mehr neue Berufsbilder in wir die Budgets, um Wirkung und ROI zu maximieren? Wie se- Verbindung mit Touchpoint-Management entstanden. Di- hen die Menschen mit ihren Bedürfnissen hinter den Kunden rektoren oder Manager mit Bezeichnungen wie z.B. Custo- aus? Wie segmentieren wir sinnvoll Markt und Kunden? Ziel mer Experience, Omnichannel oder Customer Journey. ist es, den Markterfolg mit höchstmöglicher Entscheidungs- Diese Querschnittsfunktionen werden für eine kanal- und sicherheit anzustreben. siloübergreifende Gestaltung der Customer Journey wich- tig, da sie ein nahtloses und einheitliches Kundenerlebnis Das Gespräch führte Herr Prof. Dr. Alexander H. Kracklauer. ermöglichen. Den Nutzen sehe ich vor allem im Alignment, in der Koordination aus der Vogelperspektive. Und wie sieht der Härtetest in der Praxis aus? Wir haben mit unserer Methode viele Härtetests in der Praxis bestanden. Inzwischen wurden zehntausende Touchpoints un- tersucht und unzählige Strategien und Kampagnen in den un- terschiedlichsten Branchen in über 50 Ländern berechnet. Die eher unerfreulichen Rahmenbedingungen sind für Methoden die härtesten Tests. In Wirtschafts- oder Unternehmenskrisen
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 14 Dorina Specht, Sarah Eberhardt und Prof. Dr. Alexander H. Kracklauer DER POINT OF SALE IM JAHR 2025 IMPLEMENTIERUNG DIGITALER EINZELHANDELSFORMATE ZUR STÄRKUNG DER KUNDENBINDUNG
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 15 Laut einer Studie des Handelsverbandes Deutschland befindet sich der Einzelhandel im Um- bruch. Die Umsätze im E-Commerce steigen stetig an, während die Umsätze im klassischen Einzelhandel sinken (Handelsverband Deutschland 2016, S. 3). Die GfK prognostizierte eine branchenübergreifende Verdoppelung der E-Commerce Umsätze bis zum Jahr 2025 (2015, S. 14). Wie aus Abbildung 1 ersichtlich ist, variieren die Online-Umsätze im Jahr 2015 je nach Kategorie, wobei «Elektronik & Technik» mit 32 Prozent Online-Umsatz die Kategorie mit dem höchsten Anteil darstellt (Handelsverband Deutschland 2016, S. 2f.). Verschiedene Autoren appellieren daher an stationäre Ein- Der stationäre Einzelhandel muss die Marke zukünftig zu neu- zelhändler, sich stärker mit der Digitalisierung auseinander- em Leben erwecken und bewusst Markenerlebnisse fördern. zusetzen (Heinemann 2016, S. 3; Wolters 2016, S. 36; Micha/ Kuhn unterscheidet prinzipiell drei Erlebnisdimensionen: das Koppers 2016, S. 49, Stegmann 2006, S. 51). Die Gefahr be- Markenerlebnis (emotionales «Geschichtenerzählen»), das steht insbesondere darin, dass durch die fortschreitende In- Produkterlebnis (Vermittlung von Produktinformationen und novationsgeschwindigkeit nicht-digitale Geschäftsmodelle Produktfeatures) und das Serviceerlebnis (Beratung mit Kun- kannibalisiert werden (sogenannte «digitale Disruption»). denfokus) (2016, o.S.). Um konkurrenzfähig zu bleiben und Kunden einen Mehrwert zu bieten, muss der Einzelhandel mit digitalen Formaten re- Für den Einzelhandel stellt sich die Frage, wie ein Dreiklang aus agieren (Wolters 2016, S. 33). Marken-, Produkt- und Service-Erlebnis erreicht wird (Kuhn 2016, o.S.). Das Customer-Experience-Management (CEM) befasst sich damit, die Erlebnisdimensionen des Kunden B2C E-Commerce Umsätze mit der Marke zu gestalten und zu steuern. Laut Löffler und in Mrd. Euro 31,3 34,7 37,1 39,8 Gouthier führt CEM im besten Fall dazu, Kundenbegeisterung 13,8 15,7 17,8 19,7 21,8 23,9 26,3 zu fördern und langfristig Kundenloyalität zu schaffen (vgl. Abbildung 2). Im ersten Schritt der CEM-Prozesskette werden 10,2 12,1 7,5 2,3 4,6 1,1 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 relevante, unternehmensspezifische Kundenkontaktpunkte entlang der Customer Journey analysiert. Anschließend wird jeder dieser Kontaktpunkte auf die Kundenbedürfnisse aus- B2C Online vs. Offline Umsätze nach Kategorie gerichtet und übergreifend aufeinander abgestimmt (Löffler/ in Prozent Gouthier 2017, S. 56ff.). Für den POS ist entscheidend, dass Fashion & Lifestyle Elektronik & Technik Sport & Spiel der Kunde die Marke so intensiv wie möglich erlebt. Kilian beschreibt ebenfalls, dass eine optimal gestaltete Erlebnis- 69% 68% 71% dimension im besten Fall ausschlaggebend für den Kauf ist: 84% 83% 74% 16% 17% 31% 32% 26% 29% «[…] für eine eindrucksvolle Markenwahrnehmung ist es […] 2014 2015 2014 2015 2014 2015 von zentraler Bedeutung, den primär vom reinen Kaufakt ge- prägten Point of Sale (POS) zum vielschichtigen Point of Expe- ABBILDUNG 1: STETIGES WACHSTUM IM E-COMMERCE rience (POE) und damit zu einem Ort [...] einprägsamer Mar- Quelle: Handelsverband Deutschland 2016, S. 3 kenerfahrungen weiterzuentwickeln» (Kilian 2012, S. 41f.). DAS NEUE KONSUMENTENVERHALTEN Die Digitalisierung brachte eine Veränderung im Konsumen- Customer- Herausragende Kunden- tenverhalten mit sich. Land beschreibt das neue Verhalten Experience- Management Kunden- erlebnisse begeisterung Kundenloyalität mit dem Prädikat «instant», der Konsument wird folglich «In- stant Consumer» genannt. Sein Verhalten wird dadurch cha- rakterisiert, dass er aktiv Individualisierung und guten Service fordert. Er ist ungeduldig, kauft zu jeder Zeit an jedem Ort ein ABBILDUNG 2: ERFOLGSKETTE DES CUSTOMER- EXPERIENCE-MANAGEMENTS und erwartet eine unmittelbare Reaktion vom Unternehmen. Quelle: In Anlehnung an Löffler/Gouthier 2017, S. 56 Land betont, dass den Bedürfnissen des Instant Consumers mit digitalisierten Geschäftsmodellen begegnet werde müs- se. Für den stationären Einzelhandel bedeutet dies die Im- DIE CUSTOMER DECISION JOURNEY plementierung eines übergreifend verknüpften Konzepts auf allen relevanten Vertriebskanälen (Land 2017, S. 77f.). Die Veränderung im Konsumentenverhalten verdeutlicht die Notwendigkeit, Kundenbedürfnisse entlang der Customer Celko und Jánszky schreiben dem Einzelhandel daher zukünf- Journey zu identifizieren. Nur durch ein übergreifendes Ver- tig eine neue Rolle zu: der Point of Sale im Jahr 2025 wird zu ständnis der kundenspezifischen Customer Journey kann ein einem sozialen Treffpunkt, einem digitalen Spielplatz und zu ganzheitliches Konzept auf allen Kommunikations- und Ver- einem Raum der Erlebnisse (2014, S. 44). Auch für Kuhn, Key triebskanälen geschaffen werden (Land 2017, S. 78; Naujokat Account Director bei LIGANOVA, einem weltweit agierenden o.J., o.S.; Löffler/Gouthier 2017, S. 57). Unternehmen für vernetzte Markenkommunikation, liegt die Zukunft des Point of Sale (POS) in der konkreten Ausgestaltung Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und der damit der Einzelhandels-Marke (2016, o.S.; LIGANOVA o.J., o.S.). einhergehenden Zwei-Wege-Kommunikation erklärten Court
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 16 et al. im Jahr 2009 die bis dato gültige trichterförmige Custo- ger auch durch permanenten technologischen Fortschritt mer Journey für nichtig (vgl. Abbildung 3). Der bisherige, li- (Innovationsgrad der Reise) beschleunigt (2016, S. 27ff.). Da neare Denkansatz ging davon aus, dass Kunden bereits bei diese Beschleunigung einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Bedarfserkennung mehrere Marken in Erwägung ziehen und Mitbewerbern darstellt, ist es für Einzelhändler relevant, die diese beim Kauf herunterbrechen (Court et al. 2009, o.S.). Im Implementierung von digitalen Formaten zu erwägen (Edel- Gegensatz dazu bezieht die aktualisierte, dynamische Custo- mann/Singer 2016, S. 27ff.; PwC 2015a, S. 7ff.). mer Journey (Customer Decision Journey) mit ein, dass Kon- sumenten mithilfe von digitalen Endgeräten aktiv nach wei- Diverse Autoren und Institutionen untersuchten in den ver- terführenden Informationen suchen, ihre Entscheidung im gangenen Jahren technologische Veränderungen und deren Prozess ständig überdenken und nach dem Kauf erwarten, Bedeutungsgehalt für den Einzelhandel (Lobaugh/Simpson/ dass kontinuierlich Markenerlebnisse erbracht werden (Edel- Ohri 2015, S. 3; Perrey/Spillecke 2013, S. 180ff.; PwC 2015a, mann/Singer 2015, o.S.). S. 7ff.). So veröffentlichte beispielsweise PwC in einer Studie, dass insbesondere soziale Netzwerke einen disruptiven Ein- Die Customer Decision Journey beginnt, wie auch die lineare fluss auf das Käuferverhalten ausüben. Knapp die Hälfte der Customer Journey, mit der Bedarfserkennung für ein Produkt Studienteilnehmer geben an, dass der Austausch mit statio- (Edelmann/Singer 2016, S. 27). Der Kaufentscheidungsprozess nären Händlern oder Marken auf sozialen Netzwerken dazu wird als zyklische Reise mit fünf Phasen betrachtet (vgl. Abbil- geführt hat, mehr einzukaufen als zuvor geplant (PwC 2015a, dung 3): (1) anfängliche Erwägung, (2) aktive Beurteilung, (3) S. 24). Lobaugh, Simpson und Ohri erörtern darüber hinaus Kauf des Produkts und (4) Nachkaufphase. Die Nachkaufpha- den Einfluss von sozialen Netzwerken auf die Customer Jour- se beinhaltet das eigentliche Produkterlebnis. Je nachdem, ney (2015, S. 3). Die Autoren beschreiben, dass Konsumenten wie der Konsument das Produkt erlebt, wird er bestenfalls vor allem in der Beurteilungsphase auf sozialen Medien wie zum (5) Befürworter der Marke (Court et al. 2009, o.S.). In beispielsweise Blogs, Instagram oder Youtube Informationen der darauffolgenden Customer Decision Journey überspringt sammeln (Lobaugh/Simpson/Ohri 2015, S. 15). Es ist jedoch der Konsument die ersten beiden Phasen und entscheidet nicht für jeden Einzelhändler sinnvoll, auf sozialen Medien sich direkt für die Marke, bei der er bereits Befürworter ist präsent zu sein. Zunächst muss der Stellenwert von sozialen (Einleitung des Loyalitätszyklus). Nach Edelmann und Singer Netzwerken für die unternehmensspezifischen Zielgruppen kann die Einleitung des Loyalitätszyklus beschleunigt werden. analysiert werden (PwC 2015a, S. 24). Die Implementierung von personalisierbaren Inhalten inner- halb der Kundenreise bewirkt beispielsweise einen solchen Die steigende Nutzung von mobilen Endgeräten übt ebenfalls Effekt. Durch die Einführung der «Makeup Genius App» ziel- Einfluss auf den Einzelhandel aus (PwC 2015a, S. 18ff.). Laut te L’Oréal auf die Verbindung von Personalisierung und dem Lobaugh, Simpson und Ohri nutzen Kunden beim Einkaufen Ausbau von Markenerlebnissen ab. Die App simuliert einen im stationären Einzelhandel oftmals parallel mobile Endgerä- virtuellen Spiegel, der verschiedene Makeup-Looks auf dem te. Daher ist es sinnvoll Technologien zu implementieren, die Gesicht des Users platziert. Der Konsument kann die virtuell eine digitale Interaktion mit dem Smartphone ermöglichen getesteten Produkte anschließend mithilfe der App bestellen und dadurch die Erlebnisdimension ausbauen (Lobaugh/ oder in einem präferierten stationären Einzelhandel abholen Simpson/Ohri 2015, S. 8). Beacons beispielsweise erbringen (Edelmann/Singer 2016, S.27ff.; Edelmann/Singer 2015, o.S.). einen Mehrwert für Händler und Kunden. Sie ermöglichen dem Händler, den Kunden innerhalb seiner stationären Rei- se zu orten und ihm mithilfe eines Bluetooth-Hotspots ziel- gruppenspezifische Push-Nachrichten auf sein Smartphone zu senden (vgl. Abbildung 4). Der Kunde erhält im Gegenzug personalisierte Nachrichten, relevante Produktfotos, Videos oder Reviews zugespielt (Strobel 2015, o.S.). Auch durch die Einbindung von Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) Technologien wird das Service-Erlebnis am POS optimiert (PwC 2015b, S. 27). Mammut, der Hersteller für Bergsteiger- ausrüstung, initiierte das Projekt «Mammut #Project 360». Kunden werden dabei mithilfe von VR Brillen in alpine Berg- landschaften versetzt. Das Ziel ist, die markeneigene Bergstei- gerausrüstung anhand einer virtuellen Expedition erlebbar zu machen (Mammut Sports Group o.J.a, o.S.; Mammut Sports Group o.J.b, o.S.). ABBILDUNG 3: VON DER CUSTOMER JOURNEY ZUR CUSTOMER DECISION JOURNEY Quelle: In Anlehnung an Edelmann/Singer 2015, o.S.; Court et al. 2009, o.S. DIGITALE FORMATE FÜR DEN STATIONÄREN EINZELHANDEL ABBILDUNG 4: FUNKTIONSWEISE VON BEACONS Die Customer Decision Journey wird laut Edelmann und Sin- Quelle: Eigene Darstellung
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 17 Von Vorteil ist bei AR und VR Technologien, dass erklärungs- von der Heyden 2016, o.S.). bedürftige Produkte in einen konkreten Kontext gebracht werden können und sich so die Komplexität reduziert (Schäfer . Die Implementierung von Beacons bzw. RFID Technologien 2016, S. 2). wird als sinnvoll erachtet, denn dadurch wird die Servicedi- mension ausgeprägter gestaltet (Kuhn 2016, o.S.). . Die Experten schätzen das Smartphone als zukünftig relevan- testen digitalen Kontaktpunkt ein, da mithilfe des Smartpho- nes die Interaktion zwischen Produkt, Ort und Konsumenten ermöglicht wird (Gramlich 2016, o.S.; Kellmereit 2016, o.S.; Krohmer 2016, o.S.; Kuhn 2016, o.S.; von der Heyden 2016, o.S.). Aufgrund dieser Expertenmeinungen soll im Folgenden ge- zeigt werden, wie am POS das Zusammenspiel digitaler For- mate orchestriert werden könnte. GANZHEITLICHE DIGITALISIERUNG: DIE KUNDENREISE IM JAHR 2025 ABBILDUNG 5: DIE FUNKTIONSWEISE VON RFID AM BEISPIEL DER SPANISCHEN MODEKETTE ZARA Quelle: In Anlehnung an Inditex o.J., S. 10 Die 23-jährige Studentin Laura trainiert in ihrer Freizeit für einen Halbmarathon. Um ihre Fortschritte zu protokollie- ren, verwendet sie eine Jogging-App. Laura benötigt neue Die Implementierung von Radio Frequency Identification Laufschuhe, hat jedoch keine Präferenz für ihre Trainingsaus- (RFID) Chips im stationären Einzelhandel eignet sich des- stattung. Im Internet informiert sie sich über verschiedene halb besonders, weil bestehende Prozessabläufe optimiert Modelle und deren Funktionen. Die Informationsphase der werden (PwC 2015b, S. 25; Perrey/Spillecke 2013, S. 192). Customer Decision Journey findet also zu Hause mithilfe des Die Modemarke ZARA verwendet RFID, um am POS den ak- iPads statt. Laura erhält während ihrer Recherche mittels In- tuellen Produktbestand zu dokumentieren. Folglich wird das stant-Messaging eine Nachricht von einem Sportartikel-Ver- Warenwirtschaftssystem und die Bestandsaufnahme für den käufer. Dieser lädt sie dazu ein, Laufschuhe im Store zu testen. Einzelhandel vereinfacht (Seifert 2013, S. 287). Für den Kun- Sie ist sehr interessiert an einer professionellen Beratung und den ergibt sich der Vorteil, dass der Verkäufer schneller auf lässt sich einen Termin für den nächsten Tag geben. Dieser Verfügbarkeitsanfragen reagieren kann (Inditex o.J., o.S.). Die wird ihr per Email bestätigt. Funktionsweise von RFID wird in Abbildung 5 dargestellt. Als Laura am nächsten Tag in der Filiale ankommt, wird ihr DIGITALE EINZELHANDELSKONZEPTE AUF DEM via Beacon eine Nachricht auf ihr Handy übermittelt. Diese PRÜFSTAND personalisierte Nachricht enthält einen Gutschein über 25 Prozent. Gleichzeitig erhält der Verkäufer Stefan eine Nach- Im Rahmen einer qualitativen Studie bewerteten fünf Exper- richt auf seinem iPad, dass sich Laura im Geschäft befindet. ten des auf Handelsmarken spezialisierten Unternehmens Gemeinsam begeben sich Laura und Stefan in den Bereich für LIGANOVA digitale Konzepte für den POS. Die Evaluation Sportschuhe. Mithilfe eines AR Bildschirms vergleichen sie erfolgte hinsichtlich folgender Kriterien: (1) Akzeptanz der präferierte Laufschuhe hinsichtlich Preis, Funktion und Ein- Konsumenten bezüglich der Technologien, (2) Reife und An- satzmöglichkeiten miteinander. Anschließend bietet Stefan wendbarkeit der Technologien zum aktuellen Zeitpunkt und Laura eine digitale Laufanalyse an. Mithilfe von 3D Druck kann (3) tatsächlicher Mehrwert für den Einzelhändler. An dieser dann ein maßgeschneiderter Laufschuh hergestellt werden, Stelle werden nur die digitalen Einzelhandelskonzepte vorge- der vollkommen auf Lauras individuellen Bedürfnisse ange- stellt, die alle drei Kriterien erfüllen. passt ist. Sie ist zufrieden mit dem Ergebnis und begibt sich auf die Suche nach einer Laufhose. Die Transformation des herkömmlichen Point of Sale zu einem Point of Experience kann auf unterschiedliche Weise erfolgen Alle Produkte werden in dieser Filiale lediglich in einer Größe (Kuhn 2016, o.S.). Prinzipiell sind jedoch besonders die Tech- und in einer Farbe präsentiert. Nähert sich der Kunde einem nologien erfolgsversprechend, die One-to-one Retailing mit Produkt an, werden weiterführende Produktdetails mithilfe dem Konsumenten ermöglichen (Gramlich 2016, o.S.; Kuhn von RFID-Chips durch Push-Nachrichten auf das Smartpho- 2016, o.S.). Unter One-to-one Retailing wird jede personali- ne gespielt. Laura entscheidet sich für eine Jogginghose und sierte Interaktion mit dem Konsumenten verstanden (Rouse wählt auf ihrem Handy das Feld «Anprobe» aus. Nach kurzer 2007, o.S.). Folgende One-to-One Retailing Formate eignen Zeit erhält sie eine Nachricht, dass ihre ausgewählten Pro- sich nach Meinung der Experten im Hinblick auf die drei oben dukte in einer Umkleidekabine auf sie warten. Sobald Laura genannten Kriterien: die Umkleidekabine betritt, reagiert ein Digitalspiegel (Ma- gic Mirror) auf ihre Bewegung. Der Magic Mirror ist mit dem . Mobile Endgeräte, wie beispielsweise das iPad, sind zur Internet verbunden und hat RFID Technologien integriert. Einbindung in den Einzelhandel geeignet. Mithilfe des iPads Laura kann sich dadurch betrachten und bekommt zusätzlich erlangt das Verkaufspersonal beispielsweise Einblick in die vergleichbare Produkte auf der Oberfläche des Spiegels an- Kaufhistorie des Kunden und kann so eine optimierte Bera- gezeigt (Meusers 2015, o.S.; Smith 2015, o.S.). Sie kann sich tung gewährleisten und Produkte gezielt auf Kundenbedürf- nicht entscheiden, ob sie das Produkt kaufen will, via Magic nisse abstimmen (Gramlich 2016, o.S.; Krohmer 2016, o.S.; Mirror schickt sie deshalb ein Foto an ihre Freundinnen. Das
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 18 Ergebnis ist eindeutig: Einen Daumen hoch, drei Daumen run- ter. Da an den Kassen viele Kunden anstehen, zahlt Laura bei Stefan bargeldlos mithilfe ihres Fitnessarmbands. In dem Fit- nessarmband befindet sich ein Near Field Communication (NFC) Chip. Dieser interagiert durch Radio Technologie mit dem portablen Verkaufsterminal von Stefan. Laura muss auf ihrem Fitnessarmband lediglich auf «Bezahlen» tippen (Dent 2016, o.S.; Celko/Jánszky 2014, S. 14). Die Schuhe werden ihr anschließend per Kurier nach Hause geliefert. Im Paket liegt eine handgeschriebene Notiz von Stefan und eine Einladung für den markeneigenen Lauf-Club in ihrer Nähe. FAZIT Nach Erörterung der Veränderungen im Konsumentenver- halten, relevanter technologischer Neuerungen und an- schließender Einschätzung durch die Experten ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen hinsichtlich der Imple- mentierung digitaler Einzelhandelsformate: . Den Bedürfnissen des Instant Consumers muss mit digitali- sierten Geschäftsmodellen begegnet werden (Land 2017, S. 78). . Um die Kundenbegeisterung zu fördern und langfristig Kun- denloyalität zu schaffen, muss sich der Point of Sale zum Point of Experience wandeln und auch nach dem Kauf kontinuier- liche Markenerlebnisse bieten (Löffler/Gouthier 2017, S. 56; Kilian 2012, S. 42). . Implementierte Technologien müssen für den Einzelhandel und für den Kunden einen Mehrwert schaffen und konzepti- onell über alle Verkaufskanäle aufeinander abgestimmt sein (Löffler/Gouthier 2016, S. 56ff.; Perrey/Spillecke 2013, S. 182; Salmon 2012, o.S.). . One-to-one Retailing ist für eine Stärkung der Kundenbin- dung unabdingbar, denn personalisierbare Inhalte und Pro- dukte führen zur Verkürzung der Customer Decision Journey (Edelmann/Singer 2016, S.27ff.; Gramlich 2016, o.S.; Kuhn 2016, o.S). Das Smartphone wird als zukünftig relevantester digitaler Kontaktpunkt eingeschätzt.
SALES MANAGER | CUSTOMER JOURNEY 19 LITERATURVERZEICHNIS DORINA SPECHT Celko, M./Jánszky, S. (2014) Die Zukunft des stationären Handels, URL: http://2bahead.com/fileadmin/content/jans- ehemalige studentin der zky/pdf/Trendstudie_Die_Zukunft_des_stationaeren_Han- betriebswirtschafts- dels_klein.pdf, abgerufen am 17.06.2016. lehre an der hochschule neu-ulm Court, D./Elzinga, D./Mulder, S./Vetvik, O. (2009) The consu- mer decision journey, URL: http://www.mckinsey.com/busi- gegenwärtig: project ness-functions/marketing-and-sales/our-insights/the-consu- managerin bei liganova in mer-decision-journey, abgerufen am 02.07.2016. berlin Dent, S. (2016) Google readying tap-to-pay for And- roid Wear smartwatches, URL: https://www.engadget. com/2016/11/21/android-wear-tap-to-pay-google-play-ser- vices/, abgerufen am 29.03.2017. Edelmann, D./Singer, M. (2015) Competing on Custo- mer Journeys, URL: https://hbr.org/2015/11/compe- SARAH EBERHARDT ting-on-customer-journeys, abgerufen am 24.03.2017. wissenschaftliche mitar- Edelmann, D./Singer, M. (2016) Erfolgsfaktor Customer Jour- beiterin am kompetenz- ney, in: Harvard Business Manager, Nr. 1, S. 24-35. zentrum wachstums- und vertriebsstrategien der GfK Gesellschaft für Konsumforschung (2015) Ecommerce: hochschule neu-ulm Wachstum ohne Grenzen?, URL: http://www.gfk-geomarke- ting.de/fileadmin/gfkgeomarketing/de/beratung/20150723_ GfK-eCommerce-Studie_fin.pdf, abgerufen am 24.03.2017. Gramlich, A., LIGANOVA, Berlin, Connected POS Team, 25.05.2016. Grösch, T. (2015) Der Handel im Wandel – Wie sich die Einkaufswelt verändert hat, URL: https://www.locafox.de/ blog/hybride-kunden-der-handel-im-wandel-wie-sich-die- einkaufswelt-veraendert-hat/, abgerufen am 21.12.2016. PROF. DR. ALEXANDER H. KRACKLAUER Handelsverband Deutschland (2016) Handel digital: Online Monitor 2016, URL: http://www.einzelhandel.de/index. leitung kompetenz- php/online-monitor/item/download/9659_b68d173708a- de4771c2d095a05f7bc3d, abgerufen am 24.03.2017. zentrum wachstums- und vertriebsstrategien der Heinemann, G. (2016) Die Mythologie der Digitalisierung – hochschule neu-ulm Plädoyer für eine disruptive Transformation, in: Heinemann, G./Heinemann, G./Wolters, U. J. (Hrsg.), Digitale Transforma- tion oder digitale Disruption im Handel: Vom Point-of-Sale zum Point-of-Decision im Digital Commerce, Wiesbaden: Springer Gabler, S. 3-28. Inditex (o.J.) Radio frequency identification (RFID) project, URL: https://www.inditex.com/documents/10279/32381/ RFID_eng_low.pdf/79ae6492-752c-4f51-803b-ddb0de92d- 7cb, abgerufen am 16.06.2016. Kellmereit, D., LIGANOVA, Berlin, Managing Director LIGA- NOVA USA, 12.05.2016. Kilian, K. (2012) Vom Point of Sale zum Point of Experience, URL: http://www.markenlexikon.com/texte/ma_kilian_vom- point-of-sale-zum-point-of-experience_1-2_2012.pdf, abge- rufen am 24.03.2017. Krohmer, S., LIGANOVA, Berlin, Connected POS Team, 25.05.2016.
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