Förderung adipöser Jugendliche durch erlebnispädagogische Elemente im Unterrichtsfach Bewegung und Sport
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Förderung adipöser Jugendliche durch erlebnispädagogische Elemente im Unterrichtsfach Bewegung und Sport Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Education vorgelegt von: Linda Peischl am Institut für Sportwissenschaften Betreuer: Mag. Dr.phil. Gerald Payer Graz, 2020
Danksagung Ein Studium, sowie das Verfassen einer Masterarbeit braucht nicht nur Zeit, sondern auch Menschen, die einem dabei unterstützen und in unterschiedlichen Bereichen zur Seite stehen. Ich möchte mich an dieser Stelle diesen besonderen Menschen danken, die mich sowohl bei der Erstellung als auch während meines gesamten Studiums unterstützt und inspiriert haben. Einen großen Dank möchte ich an Herrn Mag. Dr. phil. Gerald Payer aussprechen, der mich bei dieser Arbeit begleitet und unterstützt hat und auf dessen Rat und Hilfe ich mich immer verlassen konnte. Auch möchte ich ihm dafür danken, dass er mich während meines Studiums bereits mit seiner motivierten und offenen Art inspiriert hat und ich sehr vieles von ihm für meine Zeit als Lehrperson mitnehmen werde. Besonders bedanken möchte ich mich aber vor allem bei meinen wundervollen Eltern, denen ich die Möglichkeit meines Studiums überhaupt erst zu verdanken habe, die immer an mich geglaubt haben und immer für mich da sind. Danke, Fabian, dass du mein ganzen Studium lang, in Höhen und Tiefen, an meiner Seite gestanden bist und immer wieder motivierende Worte gefunden und mich in vielerlei Hinsicht unterstützt hast. Das gilt auch für meine Schwester Verena und ihren Freund Tommy, die mich inspiriert haben und die immer ein großes Vorbild für mich waren. Mama, Papa, Verena, Tommy, Fabian – Danke, dass ihr bei meinem Studium in vielen verschiedenen Hinsichten begleitet habt. Ein großer Dank gilt auch meinen Studienkolleginnen, die mein Studium in vielerlei Hinsicht bereichert und verschönert haben und die Studienzeit zu einer unvergesslichen Zeit gemacht haben. 2
Vorwort Aufbauend auf meine Bachelorarbeit zum Thema „Übergewicht und Adipositas im Sportunterricht“ lege ich in meiner Masterarbeit ein Hauptaugenmerk auf die Förderung adipöser Jugendliche im Schulsport bei erlebnispädagogischen Schwerpunkten. Vor allem wird der Bereich Schulsportwochen zur Integration adipöser Jugendliche und zur Förderung der Klassengemeinschaft ein wichtiges Element darstellen. Aufgrund des Faktums, dass ich am Beginn meiner Tätigkeit als Lehrperson die Dynamik von erlebnispädagogischen Elementen auf einer Schulsportwoche beobachten konnte, entschied ich mich für dieses Thema als Masterarbeitsthema. In dieser Woche gab es viele verschiedene Programmpunkte basierend auf erlebnispädagogischen Elementen. Anhand dieser konnte ich mit meiner Gruppe, in der sich ein adipöser Jugendlicher befand, den Persönlichkeitsfortschritt, sowie den wachsenden Zusammenhalt der Klassengemeinschaft im Laufe der Woche sehr gut beobachten. Ich konnte sehr gut mitverfolgen, dass der adipöse Jugendliche im Laufe der Woche an Selbstvertrauen dazugewinnen und sich besser in die Gruppe eingliedern konnte. Er startete mit Unsicherheit und Selbstzweifel in die Sommersportwoche und war auch dem Sportprogramm gegenüber etwas ängstlich und zurückhaltend. Aber im Laufe der Woche wuchs er über sich hinaus und wurde immer mutiger und selbstbewusster, was sehr schön zu beobachten war. Nach der Absolvierung bestimmter erlebnispädagogischer Programmpunkte mit Hilfestellung von Klassenkameraden, wie beispielsweise ein „Slackline-Parkour“, der viel Körperspannung und Gleichgewichtssinn erfordert, konnte ich den Stolz und das gewonnene Selbstbewusstsein des Jugendlichen beobachten. Unter anderem bekam ich auch die sehr gute Klassengemeinschaft dadurch zu spüren, da ihn Mitschülerinnen und Mitschüler Mut zu sprachen, ihn anfeuerten und bei Bedarf auch mit Hilfe unterstützen und somit viel Mitgefühl zeigten. Aufgrund dieser einschneidenden Beobachtungen und Erlebnisse entschied ich mich für mein Masterarbeitsthema, um diese Materie weiter zu bearbeiten und in meinen Unterricht integrieren zu können. Die Gestaltung eines erlebnispädagogischen Projekts soll adipösen Kindern- und Jugendlichen einen anderen Zugang zum 3
Unterrichtsfach Bewegung- und Sport bieten und lässt sich auch sehr gut in den Schulalltag integrieren. Der Bereich Erlebnispädagogik kann nämlich, gerade für adipöse Jugendliche, eine andere Einstellung gegenüber Bewegung und Sport, sowie mehr Motivation hervorrufen und ist auch für Mitschülerinnen und Mitschüler ein sehr attraktiver Bereich. 4
Inhaltsverzeichnis Danksagung...................................................................................................................................................... 2 Vorwort............................................................................................................................................................ 3 1. Einleitung ................................................................................................................................................ 8 2. Die Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen in Österreich ................................................. 11 2.1. Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ....................................................................................... 11 2.1.1. Familie und Umfeld ....................................................................................................................... 11 2.1.2. Schule und Arbeit .......................................................................................................................... 12 2.1.3. Pubertät ........................................................................................................................................ 12 3. Adipositas ............................................................................................................................................. 15 3.1. Definition von Adipositas ................................................................................................................... 15 3.2. Bestimmung von Adipositas im Kindes- und Jugendalter .................................................................. 17 3.3. Adipositas als Gesellschaftsproblem .................................................................................................. 19 3.4. Ursachen von Adipositas .................................................................................................................... 21 3.5. Folgen von Adipositas im Kindes- und Jugendalter ............................................................................ 24 3.5.1. Physische Folgen ........................................................................................................................... 24 3.5.2. Psychosoziale Folgen ..................................................................................................................... 27 3.5.3. Folgen für das Gesundheitssystem ............................................................................................... 28 4. Gesundheitsförderung adipöser Kinder und Jugendliche ...................................................................... 29 4.1. Ansatzpunkte ..................................................................................................................................... 29 4.1.1. Bewegung und Sport ..................................................................................................................... 30 4.1.2. Ernährungsverhalten ..................................................................................................................... 31 4.1.3. Positives Selbstbild ........................................................................................................................ 31 4.1.4. Klassengemeinschaft ..................................................................................................................... 32 4.2. Effekte körperlicher Aktivität bei Adipositas ...................................................................................... 33 4.2.1. Verminderung des Körpergewichts ............................................................................................... 33 4.2.2. Positive Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit und Bewegungsapparat ....................................... 33 4.2.3. Steigerung des Selbstwertgefühls ................................................................................................. 34 5. Erlebnispädagogik ................................................................................................................................. 36 5.1. Definition Erlebnispädagogik ............................................................................................................. 36 5.2. Historischer Rückblick ........................................................................................................................ 39 5
5.3. Methodische Prinzipien der Erlebnispädagogik ................................................................................. 41 5.4. Merkmale der Erlebnispädagogik ...................................................................................................... 45 5.5. Lern- und Wirkungsmodelle in der Erlebnispädagogik ....................................................................... 46 5.5.1. „The Mountains Speak for Themselves“- Modell .......................................................................... 47 5.5.2. „Outward Bound Plus“- Modell ..................................................................................................... 48 5.5.3. „Metaphorisches Modell“ ............................................................................................................. 48 5.6. Ziele der Erlebnispädagogik ............................................................................................................... 50 5.7. Aufgaben der Lehrperson in erlebnispädagogischen Übungen .......................................................... 52 5.7.1. Verständnis der Teamentwicklung ................................................................................................ 52 5.7.2. Hilfestellung bei Transferprozess .................................................................................................. 54 5.7.3. Sicherheitsaspekt .......................................................................................................................... 55 6. Empirische Ergebnisse zu Erlebnispädagogik als Interventionsmaßnahme ............................................ 57 6.1. Studie 1 .............................................................................................................................................. 57 6.2. Studie 2 .............................................................................................................................................. 59 6.3. Studie 3 .............................................................................................................................................. 61 6.4. Conclusio der ausgewählten Studien ................................................................................................. 61 7. Erlebnispädagogik als Instrument zur Förderung adipöser Kinder- und Jugendliche im Unterrichtsfach Bewegung und Sport ...................................................................................................................................... 62 7.1. Förderung allgemeiner Lebenskompetenzen ..................................................................................... 63 7.1.1. Selbstvertrauen, Selbstwert .......................................................................................................... 63 7.1.2. Frustrationstoleranz ...................................................................................................................... 63 7.1.3. Flucht in Esssucht .......................................................................................................................... 64 7.2. Körper- und Selbsterfahrung .............................................................................................................. 65 7.3. Jugendgerechte Motivation zur Bewegung ........................................................................................ 66 8. Praktische Umsetzung von erlebnispädagogischen Settings .................................................................. 68 8.1. Projekttage nach dem Prinzip „Outward Bound“ ............................................................................... 68 8.1.1. Trainingsphase .............................................................................................................................. 69 8.1.2. Expedition ..................................................................................................................................... 69 8.1.3. Solo ................................................................................................................................................ 70 8.1.4. Abschlussexpedition ...................................................................................................................... 70 8.1.5. Abschlussphase ............................................................................................................................. 71 8.2. Erlebnispädagogische Projekttage unter Berücksichtigung adipöser Kinder und Jugendliche .......... 72 8.2.1. Kurstag 1........................................................................................................................................ 74 6
8.2.2. Kurstag 2........................................................................................................................................ 80 ..................................................................................................................................................................... 81 8.2.3. Kurstag 3........................................................................................................................................ 83 9. Fazit ...................................................................................................................................................... 87 Quellenverzeichnis ......................................................................................................................................... 89 Literaturquellen ................................................................................................................................................ 89 Internetquellen ................................................................................................................................................. 93 Quellen ............................................................................................................................................................. 94 Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................................................... 96 Tabellenverzeichnis .......................................................................................................................................... 98 7
1. Einleitung Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit Konzepten zur Förderung adipöser Jugendlicher im Sportunterricht, um diesen einen anderen Zugang zum Thema Bewegung und Sport zu ermöglichen. Ziel einer Lehrperson im Unterrichtsfach Bewegung und Sport sollte sein, Jugendliche zum Sport zu motivieren und zu begeistern, sodass diese ein positives Gefühl während und nach dem Sport bekommen. Vor allem aber bei adipösen Jugendlichen ist es wichtig, ihnen eine positive Einstellung gegenüber Bewegung zu geben, damit sie nicht nur im Sportunterricht, sondern auch in ihrer Freizeit Freude an der Bewegung finden. Dies kann eine Reduktion des Körpergewichts mit sich bringen, was sich wiederum positiv auf Körper, genauer gesagt Organsysteme und Gelenke auswirkt. In meiner Bachelorarbeit „Adipositas im Sportunterricht“ bin ich auf die große Anzahl an adipösen Kindern (und Erwachsenen) weltweit eingegangen. Die Zahl der an Adipositas erkrankten Personen steigt kontinuierlich, mit den Hauptgründen des Bewegungsmangels und der Fehlernährung. Diese Komponenten kommen durch die Digitalisierung und das Nahrungsüberangebot zustande. Ein sehr nennenswerter Punkt ist, dass 50% der übergewichtigen Jugendlichen auch im Erwachsenenalter an Adipositas leiden, was einige Krankheiten mit sich bringt. Seit 1975 ist der Anteil übergewichtiger Kinder in Österreich, um mehr als das Doppelte, der Anteil an adipösen Kindern um das Dreifache gestiegen. Diese Zahlen sind erschreckend. Nun ist es wichtig, für diese adipösen Jugendlichen ein Sportangebot zu finden, an dem sie auch gut teilnehmen können und somit auch Freude am Sport haben. Es muss bedacht werden, dass die Kinder ohnehin schon täglich mehr Gewicht am Körper herumtragen und somit schon das Gehen eine große Anstrengung sein kann. Wird nun im Sportunterricht auch noch gelaufen oder gesprungen, stellt dies für adipöse Kinder eine noch höhere Anstrengung dar als für normalgewichtige Kinder. Die Folge darauf ist in vielen Fällen der Verlust an Motivation und die Findung von Ausreden, um nicht am Unterricht teilnehmen zu müssen. Dabei ist es genau für diese Gruppe von Jugendlichen am wichtigsten, am Sportunterricht teilzunehmen. Somit muss ein 8
Bewegungsangebot gefunden werden, welches auch für die Zielgruppe attraktiv ist. Hier eignet sich die Erlebnispädagogik sehr gut, die Motivation mit sich bringt. Die Jugendlichen werden dazu aufgefordert sich einzubinden, sich selbst und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern zu vertrauen, Aufgaben zu erledigen, sowie über ihre Ängste hinauszuwachsen. Die körperliche Betätigung soll eine Steigerung des Selbstwertgefühles, sowie eine Steigerung der Lebensqualität mit sich bringen. Ein weiterer Bereich in der Schule, bei der das Gewicht adipösen Jugendlichen oft im Wege steht, sind Schulsportwochen. Schulsportwochen stellen eigentlich sowohl für die Klassengemeinschaft als auch für die Individuen eine sehr wichtige Erfahrung in der Schulzeit der Schülerinnen und Schüler dar. Adipöse Jugendlichen stehen Schulsportwochen in vielen Fällen sehr kritisch gegenüber und wollen vielleicht sogar nicht teilnehmen. Alle Bereiche bei Schulsportwochen stellen für sie eine Anstrengung dar: Wandern, Sport, Ausflüge, eventuell vielleicht sogar Hochseilelemente etc. Ihre Furcht ist nicht mithalten zu können, Angst vor bestimmten Elementen vor den Schülerinnen und Schülern preisgeben zu müssen, ausgeschlossen zu werden etc. Dabei ist eine Schulsportwoche gerade für adipöse Schülerinnen und Schüler von großer Wichtigkeit, da sie im Laufe der Woche ihre Komfortzone verlassen müssen, bei bestimmten Aufgaben über sich hinauswachsen müssen und auch ein wichtiger Teil der Klassengemeinschaft werden, was nicht passieren kann, wenn sie von der Sportwoche fern bleiben. Im Laufe der Woche gewinnen sie an Selbstvertrauen dazu und finden Spaß an Dingen, die sie sonst möglicherweise nie ausprobiert hätten. Ein sehr wichtiger Punkt ist es, das Programm vorab mit den Schülerinnen und Schülern zu besprechen und auf die Gegebenheiten abzustimmen, um somit allen eine erlebnisreiche Woche zu gewährleisten. Für adipöse Jugendliche bieten erlebnispädagogische Schwerpunkte eine gute Möglichkeit, da diese einen anderen Zugang zur Bewegung haben und einen positiven Effekt, sowohl auf den einzelnen Schüler, die einzelne Schülerin, als auch die gesamte Klassengemeinschaft haben. Bei adipösen Jugendlichen stellt auch oft die Persönlichkeitsbildung ein Problem dar, worauf ein erlebnispädagogisches Programm ebenfalls einen positiven Einfluss haben kann. Im ersten Kapitel wird die Gesundheitssituation von Kindern- und Jugendlichen in Österreich beschrieben. Zum besseren Verständnis des in dieser Masterarbeit behandelten Themas, werden in Kapitel zwei die wichtigsten Fakten über die immer 9
häufiger vorkommende Krankheit Adipositas und der Begriff der Erlebnispädagogik erläutert. Anschließend werde ich auf erlebnispädagogische Konzepte und ihre Auswirkungen näher eingehen, sowie Studien zum behandelten Thema besprechen. Zu guter Letzt wird ein Bewegungsangebt zur Gestaltung von erlebnispädagogischen Tagen, sowie Stundenbilder meine Arbeit abrunden. 10
2. Die Gesundheitssituation von Kindern und Jugendlichen in Österreich Der österreichische Kinder- und Jugendgesundheitsbericht zeigt, dass Übergewicht und Adipositas weltweit, aber auch in Österreich ein weitverbreitetes Gesundheitsproblem darstellen. Der Anteil überwichtiger bzw. adipöser Kinder und Jugendlicher hat deutlich zugenommen und beträgt je nach Altersgruppe zwischen 13 und 18 Prozent. In diesem Kapitel werde ich die gesundheitliche Situation von Kindern und Jugendlichen in Österreich, sowie deren Einflüsse und Entwicklung näher darstellen. (Österreichischer Kinder- und Jugendgesundheitsbericht, 2015) 2.1. Entwicklung von Kindern und Jugendlichen Kinder und Jugendliche sind verschiedenen Einflussfaktoren ausgesetzt, wie Familie und Umfeld, Schule, sowie die Pubertät. Diese Einflussfaktoren wirken sich auf das Verhalten und die Angewohnheiten der Kinder und Jugendlichen aus. 2.1.1. Familie und Umfeld Die Familie hat den größten Einfluss auf den Lebensstil von Kindern und Jugendlichen. Dies zeigt beispielsweise auch die KiGGS Studie 2007 des Robert Koch Instituts in Berlin in Deutschland. So steht in ihren Ergebnissen, dass der BMI der Mutter mit der Häufigkeit von Adipositas der Kinder korreliert. Darüber hinaus hat auch der Sozialstatus einen großen Einfluss auf das Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen. In Abbildung 1 ist dieser Einfluss des Sozialstatus auf das Übergewicht dargestellt. Der bräunliche Balken zeigt hier die Häufigkeit an Adipositas erkrankten Kinder und Jugendlichen mit einem niedrigen Sozialstatus. Dieser ist deutlich höher als der Anteil an adipösen Kinder- und Jugendlichen einer hohen Sozialschicht, die in blau dargestellt wird. Somit ist sichtbar, dass Kinder aus Familien mit einem niedrigen sozioökonomischen Status eine höhere Chance an Adipositas zu erkranken als Kinder und Jugendliche aus einer privilegierten Familie. (Lampert und Kurth, 2007; Brettenschneider, Naul, Bünemann und Hofmann, 2006 ) 11
Abb.1: Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen nach Sozialstatus in Prozent 2.1.2. Schule und Arbeit Adipöse Kinder- und Jugendliche sind ständig der Verachtung und auch Mobbing der Mitschülerinnen und Mitschülern aufgrund des übermäßigen Körpergewichts ausgesetzt. Dadurch entwickelt sich bei adipösen Kindern- und Jugendlichen oft eine schlechte Lebensqualität. Diese geringe Lebensqualität kann sich zusammensetzen aus psychischen Störungen, einem geringen Selbstwertgefühl, sowie einem negativen Körperbild. In der Schule kann dies vor allem im Unterrichtsfach Bewegung- und Sport sehr gut beobachtet werden, da hier ein Augenmerk auf den Körper gelegt wird. Das Körperbild und die Bewegungshandlungen sind geprägt von Unbeweglichkeit und Turnkleidung, in der sich die Kinder- und Jugendlichen nicht wohlfühlen. Die Abnahme von übermäßigem Gewicht würde diesem Unwohlsein entgegenwirken, die Betroffenen werden jedoch durch Hemmungen vom Sport treiben abgehalten und trauen sich auch sehr wenig zu. (Herpertz u.a., 2008) 2.1.3. Pubertät 12
Jugendliche sind in ihrer Entwicklung, vor allem in der Phase der Pubertät verschiedenen Einflussfaktoren ausgesetzt, die ihrer Gesundheit nicht immer zu Gute kommt. Die Pubertät ist geprägt von vielen Veränderung, sei es körperlich, geistig- seelisch oder sozial. Von den Kindern wird erwartet zu Erwachsenen zu werden und die verschiedenen Entwicklungsaufgaben, die auf sie einwirken, bewältigen zu können. In der Pubertät wird darüber hinaus auch eine Identität entwickelt, sowie ein Selbstbild und Selbstbewusstsein aufgebaut, was bei adipösen Kindern- und Jugendlichen oft zum Problem werden kann. 2.1.3.1. Körperliche Veränderungen In der Pubertät erfolgt die Ausbildung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale, was auch oft mit einer Gewichtszunahme zusammenhängt und somit Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper bei den Pubertierenden auslöst. Aufgrund der Unzufriedenheit mit dem Körperbild durch Veränderungen in der Pubertät kann eine Störung des Essverhaltens hervorgerufen werden. Nicht nur Magersucht, sondern auch die Erkrankung an Adipositas kann dadurch entstehen. Die Pubertät stellt jedoch eine sehr wichtige Lebensphase dar, da hier die Regulierung des Appetits bzw. des Essverhaltens und auch die Fettverteilung ausgebildet wird. Zusätzlich zu den Veränderungen aufgrund der Ausbildung von Geschlechtsmerkmalen und einer Gewichtszunahme erfolgt in der Pubertät auch ein ausgeprägtes Längenwachstum. Dies führt bei Jugendlichen oft zu motorischen Schwierigkeiten und somit zu Unsicherheiten bei Bewegungshandlungen. (Hensler, 2006) 2.1.3.2. Geistig-seelische Veränderungen Neben den körperlichen Veränderungen kommt es in der Pubertät auch zu einer geistig-seelischen Veränderung. Eine erhöhte Sensibilität in der Phase der Pubertät kann zu Verunsicherung führen, was sich oft in Stimmungsschwankungen äußert. Auch das Selbstwertgefühl kann unter dieser Verunsicherung leiden und zu einem negativen Selbstbild führen. Darüber hinaus werden Jugendliche in dieser Phase des Erwachsenwerdens mit der eigenen Identität, Regeln und Verboten und 13
gesellschaftlichen Strukturen konfrontiert. Dieses Verhalten ist oft das Ergebnis aus physiologischen und hormonellen Veränderungen. (Langenfelder, 2020) 2.1.3.3. Soziale Veränderungen In der Pubertät wandelt sich vor allem das soziale Umfeld der Jugendlichen. Sie bevorzugen es, alleine zu sein oder Dinge mit ihren Freunden zu unternehmen, kapseln sich von den Eltern ab und beginnen auch selbstständiger zu werden. Zusätzlich erfolgt auch die Bildung einer eigenen Meinung und der Wille diese durchzusetzen, was öfter zu Konflikten führen kann. Die Jugendlichen halten sich meistens in ihrem Freundeskreis auf, in denen auch Probleme besprochen werden. Dieses soziale Umfeld trägt auch sehr viel zum Selbstfindungsprozess der Jugendlichen bei. (Langenfelder, 2020) 14
3. Adipositas Adipositas ist ein weit verbreitetes Problem, dass auch immer mehr unter Kindern und Jugendlichen auftritt. In diesem Alter gibt es jedoch noch die Möglichkeit Kindern andere Denk- und Handlungsmuster, sowie einen anderen Lebensstil anzulernen. In diesem Kapitel wird aufgezeigt, warum es wichtig ist, gegen Adipositas vorzugehen und zu handeln, sowie die Risikofaktoren und Folgeerkrankungen aufgezeigt. 3.1. Definition von Adipositas Adipositas und Übergewicht werden oft als Synonym verwendet, was im entfernten Sinn auch stimmt. Adipöse Personen leiden an extremem Übergewicht und je nach BMI- Wert kann dieses Übergewicht in verschiedene Arten eingestuft werden. Der BMI steht für „Body-Mass-Index“ und wird mit folgender Formel berechnet: Körpergewicht in kg BMI= (Körpergröße in m)^2 Tabelle 1: BMI Einstufung Der BMI wird, wie an der Formel erkennbar ist, aus den Parametern Körpergewicht und Körpergröße berechnet. Mithilfe des Ergebniswertes wird der BMI eingegliedert und somit kann eine Einstufung von Untergewicht, Normalgewicht oder Adipositas bestimmt werden, siehe Tabelle 1. Der BMI wird international zur Beurteilung des Körpergewichts eingesetzt. 15
An Tabelle 1 ist erkennbar, dass Übergewicht nicht gleich Adipositas ist, und man von Adipositas ab einem bestimmten Wert des BMI spricht. Bei Übergewicht ist im Unterschied zu Adipositas der Körperfettanteil an der Gesamtkörpermasse noch nicht pathologisch erhöht. (Schienkiewitz, Brettschneider, Damerow, & Schaffrath Rosario, 2018) 16
3.2. Bestimmung von Adipositas im Kindes- und Jugendalter Aufgrund dessen, dass Kinder mit zunehmendem Alter kontinuierlich wachsen, kann hier keine verallgemeinerte Tabelle für Kinder als Grundlage dienen, sondern eine an das Alter der Kinder- und Jugendlichen angepasste Tabelle. Auch wird der Einfluss der unterschiedlichen Entwicklung von Mädchen und Jungen, vor allem in der Pubertät, wird hier miteinbezogen. Da sich Kinder- und Jugendliche aber auch sehr unterschiedlich entwickeln und somit altersabhängige Schwankungen die Folge sind, sind hier keine fixen Werte, sondern Referenzwerte festgelegt. Mithilfe dieser Referenzwerte ist eine individuelle Beurteilung des Gewichts von Kindern mithilfe des BMI und durch alters- und geschlechtsspezifische Perzentile möglich und die Schwankungen durch wachstumsphysiologische Veränderungen und sich verändernde Verhältnisse von Muskel- und Knochenmasse zu Fettmasse können miteinbezogen werden. Ein Perzentil lässt sich wie folgt beschreiben: Die folgenden Abbildungen zeigen die Perzentilkurven von Mädchen (Abbildung 2) und Jungen (Abbildung 3) im Alter von 0-18 Jahren. Abbildung 2: Perzentilkurve für den Body Mass Index (Mädchen 0-18 Jahre) 17
Abbildung 3: Perzentilkurve für den Body Mass Index (Jungen 0-18 Jahre) Diese Perzentile wurden von der WHO festgelegt und dienen zur allgemeinen Bestimmung von Untergewicht und Übergewicht von Kindern und Jugendlichen. Die „Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter“, kurz AGA, hat folgende Definition für Perzentile des BMI bei Kindern- und Jugendlichen veröffentlicht: „Liegt der BMI über der 90. Perzentile, ist dies als Übergewicht definiert. Liegt der BMI über der 97. Perzentile, ist dies als Adipositas definiert. Zum besseren Verständnis ein Beispiel: Übergewicht liegt vor, wenn der BMI eines Jungen oder eines Mädchens im Alter von neun Jahren bei über 20, also über der 90. Perzentile liegt. Dies sagt aus, dass 90 von 100 Kindern in diesem Altern einen BMI unter 20 haben. (Kronmeyer-Hausschild et al. 2001) 18
3.3. Adipositas als Gesellschaftsproblem Übergewicht - und in weiterer Folge die chronische Krankheit Adipositas - ist in unserer Gesellschaft ein immer häufiger diskutiertes Problem. Die Hauptgründe der steigenden Anzahl an adipösen Jugendlichen stellen die Vernachlässigung der Bewegung aufgrund von digitalen Medien, sowie ein Nahrungsüberangebot dar. Erschreckende Zahlen sind der Anstieg an adipösen Kindern in Österreich um das Dreifache seit dem Jahr 1975. Dies zeigt folgende Grafik 1 von APA. Diese Grafik zeigt einen Anstieg adipöser Mädchen von 1,6 auf 6,1 Prozent in nur 41 Jahren. Bei den Buben zeigt sich hier ein Anstieg von 2,8 auf 11,3 Prozent. Dabei handelt es sich um diagnostizierte Adipositas. Hier sollte aber auch der Anstieg an übergewichtigen Kindern nicht unvergessen bleiben, bei dem es sich um einen Anstieg um etwa das Doppelte handelt. (APA, 2017) Der HBSC-Survey zeigt den Gewichtsstatus 11-, 13- und 15- jähriger Schülerinnen und Schüler in Österreich nach Geschlecht auf. Abbildung 4 zeigt, dass rund 14 Prozent der österreichischen Schülerinnen und Schüler im Alter von 11-, 13- und 15- Jahren übergewichtig, also prä-adipös oder adipös, sind, wobei die Prozentzahl bei Burschen höher ist, als bei Mädchen. Wird dieser Wert international verglichen, so befindet sich Österreich bei den 11- und 13-Jährigen im mittleren Drittel und bei den 15-Jährigen im schlechtesten Drittel. (Österreichischer Kinder- und Jugendgesundheitsbericht, 2015) 19
Abbildung 4: Gewichtsstatus 11-, 13- und 15- jähriger Schülerinnen und Schüler in Österreich nach Geschlecht, 2014 Der Österreichische Ernährungsbericht 2012 zeigt ähnliche Ergebnisse. Die Stichprobe der Studie waren 387 Kinder im Alter von 7-14 Jahren in Österreich. Das Ergebnis der Studie wird in Abbildung 5 dargestellt und zeigt einen Wert von rund 24 Prozent übergewichtigen Kindern (prä-adipös oder adipös), wobei Burschen, gleich wie bei der HBSC-Studie häufiger übergewichtig sind als Mädchen. (Österreichischer Kinder- und Jugendgesundheitsbericht, 2015) Abbildung 5: Gewichtsstatus 7- bis 14-jähriger Schulkinder nach Geschlecht, 2010/12 20
3.4. Ursachen von Adipositas Adipositas induzierte Einfluss- bzw. Risikofaktoren stellen Bewegungsmangel und zu hohe Energiezufuhr, falsche Ernährung, Genetische Ursachen, sowie sozioökonomische Aspekte dar. Der Wandel unserer Gesellschaft aufgrund der Mediatisierung bringt einen immer geringer werdenden Anteil körperlicher Aktivität mit sich. „Der Spielplatz findet heute in einem viereckigen Kastl statt.“ Felix Neureuther Die Ski-Legende Felix Neureuther zeigt einen der größten Faktoren des Problems übergewichtiger und adipöser Kinder in Österreich auf. Das gemeinsame Spielen und Treffen in der Natur und damit verbundene Bewegung in der Freizeit wandelt sich immer mehr zu Videospielen und einer virtuellen Realität, was Bewegungsmangel unter Kindern- und Jugendlichen mit sich bringt. Bedingt durch diese verminderte körperliche Aktivität ist auch der Energieverbrauch niedriger, siehe Abbildung 6, links. Wird dieser Bewegungsmangel mit erhöhter Energieaufnahme gekoppelt, hat dies eine Zunahme an Gewicht zur Folge und ist somit sehr wahrscheinlich an Adipositas zu erkranken. 21
Abb.6: Gegenüberstellung: Positive Energiebilanz – negative Energiebilanz Ein Körper verbraucht aufgrund von Grundumsatz, Alter, Geschlecht, Wärmeproduktion, Muskelmasse etc. unterschiedlich viel Energie. Von diesen Parametern ist die körperliche Aktivität der am besten zu beeinflussende Faktor, was bedeutet, dass das Körpergewicht durch körperliche Betätigung, durch vermehrten Energieverbrauch gesenkt werden kann, siehe Abbildung 6, rechts. Ist diese Bewegung nicht vorhanden, kann die Energie, die durch die Nahrung aufgenommen wird, nicht verbraucht werden und wird im Körper in Form von Fett gespeichert. Daran kann man sehr gut erkennen, dass die Mediatisierung mit verminderter körperlicher Betätigung der Kinder- und Jugendlichen ein sehr großer Faktor der steigenden Anzahl an Adipositaserkrankungen ist. (Herpertz, de Zwaan, & Zipfel, 2008, S. 246) Zusätzlich zu einer vermehrten Energiezufuhr sind auch versteckte Zucker in Fertiggerichten, übergroße Portionen von kalorienreichen Lebensmitteln, fettiges Essen in Fast Food Restaurants, Süßigkeiten und übermäßiger Konsum gesüßter Getränke, etc. ein zusätzlicher negativer Faktor. 22
Neben den zwei Problemen unserer Gesellschaft (Bewegungsmangel und Nahrungsüberangebot) kann eine Erkrankung an Adipositas auch durch genetische Ursachen und den sozioökonomischen Status bedingt sein. Wobei der sozioökonomische Status laut Brettenschneider et al. (2006) wieder mit Bewegungsmangel und erhöhter Nahrungsaufnahme aufgrund von seelisch- psychischen Belastungen korreliert. (Brettenschneider, Naul, Bünemann, & Hoffmann, 2006) 23
3.5. Folgen von Adipositas im Kindes- und Jugendalter Nicht nur der aktuelle Gesundheitszustand und das überwiegende Gewicht adipöser Kinder- und Jugendlicher stellt ein großes Problem dar, sondern die chronische Erkrankung Adipositas kann auch einige Begleiterkrankungen mit sich bringen. Mit zunehmendem Gewicht steigt auch das Risiko für Begleiterkrankungen durch die Auswirkungen auf Körper und Psyche der Betroffenen. Darüber hinaus entsteht auch ein extremer Einfluss auf das gesamte Gesundheitssystem durch Behandlungen etc. . 3.5.1. Physische Folgen Sehr häufig bringt Adipositas physische Folgen mit sich, vor allem die Erkrankung an Diabetes Mellitus Typ 2, ist oftmals eine Folgeerkrankung. Auch bekannt als „Altersdiabetes“, verrät der Name, dass früher eher ältere Menschen daran erkrankt sind. Dies hat sich zur heutigen Zeit jedoch sehr gewandelt und das Erkrankungsalter verschiebt sich immer mehr nach vorne. Im Gegensatz zum angeborenen Diabetes Typ-1, bei dem der Körper kein Insulin produzieren und somit den Zuckerhaushalt des Körpers nicht selbstständig regeln kann, ist der ist der Diabetes Mellitus Typ 2 induziert durch einen übermäßigen Zuckerzufuhr. Durch Zuckerübermaß auf lange Zeit reagiert der Körper nicht mehr und produziert nicht mehr genügend Insulin, um den Zuckerhaushalt regeln zu können. Die ÖDG (Österreichische Diabetesgesellschaft) zeigt auf, dass die Zahl der Diabetiker weltweit zunimmt und zeigt auch eine Hochrechnung mit einer weiteren Zunahme, siehe Abbildung 7. Im Jahr 2011 waren weltweit rund 366 Millionen Menschen an Diabetes mellitus erkrankt und die die Zahlen steigen kontinuierlich. (Schienkiewitz, Brettschneider, Damerow, & Schaffrath Rosario; Schatz, 2006) 24
Abbildung 7: Anzahl der Erkrankungen an Diabetes Mellitus weltweit Auch die Neuerkrankung bei Kindern in Österreich steigt drastisch, wie der Österreichische Diabetesbericht 2013 zeigt. Der Anteil an Diabetikern im Alter von 0- 14 Jahren in Österreich liegt bei rund 0,1%, was einer Zahl von ca. 1.300 bis 1.500 Kindern entspricht, siehe Abbildung 8. Abbildung 8: Jährliche Inzidenzrate (Neuerkrankungen pro 100.000 EW) für Typ-1- und Typ-2- Diabetes bei 0- bis 14-jährigen Kindern in Österreich in den Jahren 1999 bis 2007 25
Darüber hinaus sind an Adipositas erkrankte Kinder- und Jugendliche gefährdet, im Alter an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu leiden. Beispiele dafür sind erhöhter Blutdruck oder auch Fettstoffwechselstörungen. Dies kann fatale Folgen haben, denn laut der WHO (Weltgesundheitsorganisation) Europa ist die häufigste Ursache für einen vorzeitigen Tod eine Erkrankung der Herzkranzgefäße. Auch die Grafik der Statistik Austria zeigt, dass auch in Österreich die häufigste Todesursache in Österreich eine Herz-Kreislauferkrankung darstellt, siehe Abbildung 9. Abbildung 9: Häufige Todesursachen in Österreich (Bundesministerium für Gesundheit, 2013) Doch nicht nur im Alter zeigen sich Adipositas induzierte Folgeerkrankungen, sondern Adipositas geht laut dem österreichischen Kinder- und Jugendgesundheitsbericht bereits im Kindes- und Jugendalter mit vielen Erkrankungen einher. Beispiele dafür sind Asthma, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Hyperglykämie/Typ-2- Diabetes, Leberverfettung, Gelenksschäden, nächtliche Atmungsstörungen, sowie Verkalkung der Arterien. (Kinder- und Jugendgesundheitsbericht, 2015) Neben organmedizinischen Folgen können auch Haltungsschäden, sowie Schädigungen der Gelenke, der Wirbelsäule, sowie Fußverformungen durch Überbelastung aufgrund von zu viel Gewicht durch Adipositas induziert werden. 26
Darüber hinaus ist auch die Koordination, genauer gesagt Schnelligkeit, Beweglichkeit und Reaktionsfähigkeit im Alltag, vor allem aber beim Sport durch übermäßiges Gewicht beeinträchtigt. 3.5.2. Psychosoziale Folgen Neben Folgeerkrankungen und gesundheitlichen Problemen sind an Adipositas erkrankte Personen auch ständig psychosozialen Faktoren ausgesetzt. Vor allem induziert durch das Schönheitsideal, dem wir auf Plakaten, in Zeitschriften etc. immer wieder begegnen, das von schlanken und „perfekt“ aussehenden Models geprägt wird, sind adipöse Kinder- und Jugendliche, als auch Erwachsene, in unserer Gesellschaft verachtet. Diese Ausgrenzung beginnt schon im Kindesalter, da Kinder beispielsweise eher mit einem behinderten Kind befreundet sein möchten, als mit einem Übergewichtigen, so Benecke und Vogel (2005). Grund dafür ist, dass Übergewicht oft mit Faulheit und Dummheit assoziiert wird. Aufgrund ihres Übergewichtes haben adipöse Kinder- und Jugendliche in der Schule öfter mit Mobbing zu kämpfen als Normalgewichtige, was Studien bestätigen. Studien in den USA bestätigen diese Ausgrenzungen adipöser Personen mit dem Ergebnis, dass Übergewicht sowohl ein Hindernis für Ehe als auch den sozialen Aufstieg und erhöhtes Einkommen ist. Darüber hinaus leiden Menschen mit einem BMI über 30 auch doppelt so oft an Depressionen oder Angststörungen. Dies korreliert wiederum mit dem Mortalitätsrisiko, umso höher der BMI, umso größer das Mortalitätsrisiko. Bedingt ist dies durch die ständige Verurteilung der Außenwelt aufgrund des Körpergewichts. Dadurch fühlen sich die Betroffenen unsicher und sowohl ihr Selbstwertgefühl als auch die Selbstakzeptanz leiden darunter. Betroffene Kinder- und Jugendliche schämen sich oft für ihren Körper und fühlen sich nicht wohl in ihrem Umfeld. Vor allem im Unterrichtsfach Bewegung und Sport kann dies beobachtet werden, da übergewichtige Kinder auch oft dazu neigen auszusetzen oder sich für ihre Bewegungshandlungen schämen, was dem Gewichtsverlust negativ entgegenwirkt. (Benecke & Vogel, 2005) 27
3.5.3. Folgen für das Gesundheitssystem Durch die Zunahme an Adipositas erkrankten Kindern- und Jugendlichen leiden nicht nur die Betroffenen, sondern auch das Gesundheitssystem und somit auch der Staat, da wie im Unterkapitel „Physische Folgen“ von Adipositas, adipöse Kinder- und Jugendliche im Alter sehr oft an Folgeerkrankungen leiden. Dies kann immense Auswirkungen auf das Gesundheitssystem haben, da es sehr viele Kosten mit sich bringt, wobei sowohl direkte Kosten für Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation, als auch indirekte Kosten, wie Krankschreibungen und Früh-Invalidität betrachtet werden müssen. Der Standard zeigt mit einer Summe von 1,5 Mrd. Euro pro Jahr (5% der Gesamtausgaben) für an Diabetes Mellitus Erkrankte, einen sehr hohen Wert auf. Dabei sollte bedacht werden, dass an Diabetes Mellitus Typ 2 erkrankte Personen sehr häufig davor schon an Adipositas leiden. Darüber hinaus schreibt die WHO (2000), dass zwei bis sieben Prozent der Gesamten Gesundheitskosten für Adipositas Erkrankte aufgebracht werden. Zusätzlich wird geschätzt, dass adipöse Personen pro Jahr gesamt 18 Mio. Krankheitstage benötigen, was somit wiederum zu enormen Kosten des Staates führt. (Hackl, Halla, Hummer & Pruckner, 2010; Liebermeister, 2002) „Der Bewegungsmangel kostet dem Gesundheitssystem 2,4 Milliarden Euro. Wenn ich das als Politiker weiß, muss ich jeden Euro in den Sport investieren“, so spricht sich der österreichische Beachvolleyballprofi Clemens Doppler über den Bewegungsmangel der Kinder und Jugendlichen in Österreich aus und appelliert um mehr Aufmerksamkeit auf dieses Thema. 28
4. Gesundheitsförderung adipöser Kinder und Jugendliche Gesund zu leben bzw. gesund zu werden ist sehr wichtig, in manchen Fällen fehlt es aber hier an Unterstützung. Adipöse Kinder- und Jugendliche können in dem Sinne unterstützt werden, indem ihnen Möglichkeiten zur Gesundheitsförderung aufgezeigt werden, sei es in Form von Bewegung und Sport oder auch Ernährungstipps. Gesundheitsförderung wird laut der Ottawa Charta, dem Dokument der ersten Gesundheitsförderungskonferenz der WHO, wie folgt definiert: „Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.“ Ziel der Gesundheitsförderung ist es also, die Lebensverhältnisse in eine positive Richtung zu verändern bzw. zu fördern und Personen somit in ihrer Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu unterstützen. 4.1. Ansatzpunkte Da Verhaltensweisen vor allem im Kindes- und Jugendalter gelernt bzw. geprägt werden, ist es sehr wichtig ihnen bereits in diesem Alter die Wichtigkeit von Bewegung und Sport, sowie gesunder Ernährung aufzuzeigen und ihnen Möglichkeiten zur Verwirklichung dieser darzubieten. Bestenfalls können in diesem Fall Krankheiten vorgebeugt werden und gar nicht erst entstehen. Liegt jedoch bereits eine Erkrankung, wie beispielsweise Adipositas, vor, gilt es diese bestmöglich zu reduzieren und Folgeerkrankungen zu vermeiden. Wichtig ist also, den Kindern- und Jugendlichen darzustellen, was für ihre Gesundheit förderlich ist, was nicht und wie dies im Zusammenhang miteinander steht. Vor allem sollte dabei auf die Wichtigkeit zur Beibehaltung eines gesundheitlichen Handelns aufmerksam gemacht werden. 29
4.1.1. Bewegung und Sport Ein sehr wichtiger Punkt ist vor allem adipösen Kindern- und Jugendlichen einen anderen Zugang zu Bewegung und Sport zu vermitteln. Da sich diese vor allem im Sportunterricht, aufgrund von Turnkleidung, unkoordinierten Bewegungshandlungen oder Nicht-gewählt werden bei Spielen, nicht wohl fühlen. Im Unterrichtsfach Bewegung und Sport sollte auf eine positive, motivierende Umgebung geachtet werden, um allen Schülerinnen und Schülern eine aktive Beteiligung ohne Hemmungen zu ermöglichen. Vor allem adipöse Kinder- und Jugendliche weisen im Sportunterricht Hemmungen auf, die beseitigt werden sollten, um ihnen eine Möglichkeit zur Bewegung zu schaffen. Bleiben diese Hemmungen bestehen, kann dies dazu führen, dass die Inaktivität der Schülerinnen und Schüler steigt, die Leistungsfähigkeit sinkt und somit das Sport treiben auch zu Misserfolgserlebnissen führt. Diese Abwärtsspirale sollte auf jeden Fall vermieden werden, da diese zu einer weiteren Gewichtszunahme führen kann. Ein sehr wichtiges Ziel des Unterrichtsfaches Bewegung und Sport ist allen Schülerinnen und Schülern, vor allem aber adipösen Kindern- und Jugendlichen ein positives Bild von Bewegung und Sport zu vermitteln, damit sie Spaß am Sport gewinnen und diesen bestenfalls auch in ihrer Freizeit betreiben. Dies kann mithilfe von Erfolgserlebnissen, oder auch Taktikspielen, bei denen das Übergewicht als taktischer Vorteil angesehen werden kann, hervorgerufen werden. Darüber hinaus sollten diese neben ihren normalgewichtigen Mitschülerinnen und Mitschülern nicht vernachlässigt werden. So gilt es die Planung des Sportunterrichts für alle Beteiligten schaffbar und motivationsfördernd zu gestalten. Ein Beispiel wäre dafür, bei der Planung gleiche Ausgangsbedingungen für alle Schülerinnen und Schüler zu schaffen, wie beispielsweise die Minimierung des Spielfeldes, um die Laufwege einzuschränken. Bei der Auswahl der Bewegungsangebote gilt es auch darauf zu achten, Angebote auszuwählen, die nicht zusätzliche Belastungen der Gelenke bzw. Beschwerden hervorrufen. (Bjarnson-Wehrens und Dordel, 2005; Herpertz u.a., 2008, S. 258; Stoev, 2009) 30
Die Erlebnispädagogik stellt einen Bereich dar, der viele der angeführten Inhalte und Anpassungen mit sich bringt. 4.1.2. Ernährungsverhalten Da eine Fehlernährung neben Bewegungsmangel einer der Hauptfaktoren bei der Entstehung von Adipositas ist, sollt auch das Ernährungsverhalten und das Thema „gesunde Ernährung“ thematisiert werden. Hierbei sollten die Parameter Energieaufnahme und Energieverbrauch verstanden werden, um somit das Prinzip einer negativen Energiebilanz zur Gewichtsreduktion zu verstehen. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Nahrungskomponenten Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße, sowie auch der Unterschied zwischen gesunden und ungesunden Fetten. In der Industriegesellschaft wird zu viel Fett konsumiert, laut Kasper und Schlenk liegt dieser Fettkonsum bei 40% der Gesamtenergieaufnahme. Zusätzlich zum übermäßigem Fettkonsum stellt auch der Zuckerkonsum in Form von versteckten Zuckern in Fertigprodukten, aber auch Softdrinks etc. eine große Bedrohung dar. Das Obstjoghurts nicht gesund sind und viele andere Mythen und Ernährungsweisen, sowie ungesundes Essverhalten gilt es die Schülerinnen und Schüler aufzuklären und ihnen eine gesunde Ernährung nahe zu legen. (Kasper und Schlenk, 2003) 4.1.3. Positives Selbstbild Neben einem angemessenen Ernährungs- Bewegungs- und Freizeitverhalten gibt es auch andere Parameter, die zu beachten sind. Wichtige Punkte sind dabei den Kindern- und Jugendlichen ein positives Selbstbild zu vermitteln und ihr Selbstbewusstsein zu stärken, um somit Krisen und einwirkende Stresssituationen, wie beispielsweise Mobbing, besser bewältigen zu können. Der Umgang mit Angst, Problemlösung, Entscheidungen, Frustration, sowie Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit zum Aufbau von Beziehungen sollten dabei ebenfalls gelehrt werden. Dies sind wichtige Kompetenzen, die Kinder und Jugendliche sowohl in den 31
Entwicklungsphasen als auch im späteren Leben brauchen. (Hurrelmann, 1994; Icks und Rathmann, 2004; Muntean, 2000) 4.1.4. Klassengemeinschaft Eine weitere wichtige Kompetenz, die im Erwachsenenalter, als auch in der Schule wichtig sind, sind Teamfähigkeit, Kooperationsfreudigkeit, sowie Vertrauen. In einer guten Klassengemeinschaft sind diese Kompetenzen vorhanden und spürbar und vor allem für adipöse Kinder und Jugendliche wichtig. Befinden sich diese in einer guten Klassengemeinschaft, ist ein positives Setting vorhanden, in dem gearbeitet werden, ohne dass beispielsweise im Sportunterricht Gefühle von Scham und Peinlichkeit vorhanden sind. Bei einer Klassengemeinschaft sind nach Hattie (2015) vor allem drei Komponenten sehr wichtig: Zielorientierung, positive interpersonelle Beziehungen und soziale Unterstützung. Diese drei Komponenten lassen sich mit erlebnispädagogischen Elementen sehr gut erarbeiten und tragen somit zur Bildung einer optimalen Klassengemeinschaft bei. (Slamanig, 2012, Hattie, 2015) 32
4.2. Effekte körperlicher Aktivität bei Adipositas Bewegung und Sport bringt, sowohl bei Normalgewichtigen als auch bei adipösen Personen viele positive Effekte mit sich. Körperliche Aktivität gekoppelt mit einer kalorienreduzierten Ernährung soll Studien zufolge die beste Möglichkeit zu einer Gewichtsreduktion sein. Mithilfe einer negativen Energiebilanz, also mehr Energieverbrauch durch Bewegung und Sport als Energieaufnahme durch Nahrung, wird schnell ein positives Ergebnis in der Gewichtsreduktion erzielt. Darüber hinaus ist Bewegung und Sport für die Gesamtentwicklung von Kindern sehr wichtig. 4.2.1. Verminderung des Körpergewichts Zur Reduktion von Körpergewicht stellt Bewegung und Sport in Kombination mit einer gesunden Ernährung die beste Möglichkeit dar. Im Gegensatz zu einer ausschließlichen Kalorienreduktion ohne Bewegung und Sport, bei der neben Fettmasse auch Muskelmasse abgebaut wird, da der Körper oft so handelt als wäre er in einer „Notsituation“ da er zu wenig Energie bekommt. Beim Treiben von Sport wird jedoch Fett abgebaut bzw. auch in Muskelmasse umgewandelt und so der Grundumsatz der Person erhöht. Eine Erhöhung des Grundumsatzes bedeutet, das am Tag mehr Kalorien verbraucht werden, da die Muskulatur etc. mehr Energie benötigt und trägt somit ebenfalls zur Gewichtsreduktion bei. (Herpertz, de Zwaan und Zipfel, 2008) 4.2.2. Positive Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit und Bewegungsapparat Da Adipositas auch Haltungsschäden und Schädigungen der Gelenke mit sich bringt wirkt sich eine Gewichtsreduktion und der Aufbau einer stützenden Muskulatur positiv auf die Körperhaltung aus. Findet diese Ausbildung einer stützenden Muskulatur nicht im Kindes- und Jugendalter statt, ist es sehr wahrscheinlich dass die adipösen Erwachsenen im späteren oder auch früheren Leben sehr mit Haltungs- und Gelenksproblemen zu kämpfen haben. Wichtig ist auch ein Ausgleich einer schlechten Beinstellung, die aufgrund von Übergewicht oft vorhanden ist und dadurch eine Abnützung der Beingelenke und auch eine größere Belastung der Knie- und Fußgelenke bedingt. Laut durchgeführten 33
Studien wirkt das übermäßige Gewicht auf die Gelenke nicht nur beim Gehen, Laufen, Treppensteigen und Bücken ein, sondern bedingt durch die Scherkräfte auch bei Drehbewegungen. Dies kann ebenfalls durch Bewegung und Sport beglichen werden und somit einer schnellen Abnützung der Gelenke, sowie einer Fehlstellung entgegenwirken. (Hebestreit u.a., 2002; Wirth und Hauner, 2008) Zusätzlich zum positiven Effekt der Gewichtsreduktion hat die körperliche Aktivität auch eine positive Wirkung auf das Herz-Kreislaufsystem und die aerobe Leistungsfähigkeit. Eine verbesserte Leistungsfähigkeit bedingt auch eine Verbesserung der Stimmungslage und somit können auch Depressionen vorgebeugt werden. Bei Kindern und Jugendlichen kann eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit zu einem Gefühl der Zugehörigkeit führen. Sie haben Erfolgserlebnisse und können mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern sowohl im Sportunterricht, als auch in den Pausen, mithalten. (Herpetz u.a., 2008) 4.2.3. Steigerung des Selbstwertgefühls Zusätzlich zu einem Gefühl der Zugehörigkeit, wenn man bei Spielen und Übungen einen Beitrag leistet kann gibt es auch längerfristige Auswirkungen auf die Persönlichkeit von adipösen Kindern und Jugendlichen bei körperlichen Aktivitäten. Vor allem bei erlebnispädagogischen Elementen, die nicht auf Leistungsdruck und Können basieren, ist eine Steigerung des Selbstbewusstseins und Wohlbefindens möglich. (Bös und Brehm, 1998) Studien zeigen, dass erlebnispädagogische Projektwochen nicht nur einen positiven Einfluss auf den Gruppenzusammenhalt und das Selbstvertrauen haben, sondern auch positive Effekte der Einstellung zur der Schule und den dazugehörigen Verhaltensintentionen. Weitere Studien zeigen eine Verbesserung des Selbstwertgefühls und der sozialen Befindlichkeit nach Projektwochen mit erlebnispädagogischen Schwerpunkten. Daraus ergibt sich eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen bei erlebnispädagogischen 34
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