BREAK-THROUGH - Geschäftsbericht 2020 - HSE AG

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BREAK-THROUGH - Geschäftsbericht 2020 - HSE AG
Geschäftsbericht 2020

BREAK-
THROUGH
BREAK-THROUGH - Geschäftsbericht 2020 - HSE AG
INTRO

«BECAUSE THE HISTORY OF EVO-
 LUTION IS THAT LIFE ESCAPES
 ALL BARRIERS. LIFE BREAKS
 FREE. LIFE EXPANDS TO NEW
 TERRITORIES. PAINFULLY
 PERHAPS EVEN DANGEROUSLY.
 BUT LIFE FINDS A WAY.»
 Michael Crichton, Jurassic Park

 HSE • AG Geschäftsbericht 2020        3
BREAK-THROUGH - Geschäftsbericht 2020 - HSE AG
Inhalt
Vorwort ................................................................................................................................................... 7

Vision – Mission – Versprechen ........................................................................................ 11

Feature I
Ein ODM-Modell spart viel Zeit und Geld .................................................................... 13

Feature II
Schnelle Automatisierung der Spatial-Analysis-­Revolution ......................... 15

Feature III
Mit algorithmischer Methodik zur besseren Lösung ........................................ 19

Feature IV
Den optimalen Übergang zur Mikrofluidik finden ............................................ 23

Facts & Figures ............................................................................................................................. 26

Danke .................................................................................................................................................... 30

hseag.com

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BREAK-THROUGH - Geschäftsbericht 2020 - HSE AG
LOREM IPSUM DOLOR
BREAK-THROUGH - Geschäftsbericht 2020 - HSE AG
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BREAK-THROUGH - Geschäftsbericht 2020 - HSE AG
VORWORT

Sehr geehrte Kunden und Partner
Geschätzte Mitarbeitende
Sehr geehrte Aktionäre
Sehr geehrte Damen und Herren

Auch im ausgesprochen ereignisreichen vierten Jahr ihres Bestehens
konnte sich Hombrechtikon Systems Engineering AG (HSE•AG)
erfolgreich weiterentwickeln. Im Neukundengeschäft gelang es, so-
wohl mehrere Life Sciences- und Diagnostik-Konzerne als auch Start-
ups dazuzugewinnen. Parallel dazu wurde auch das Geschäft mit be-
stehenden Kunden ausgebaut. Das bestimmende Ereignis war im
Jahr 2020 zweifellos die Covid-Pandemie. Sie hat die Life Sciences im
Allgemeinen und die Diagnostik im Besonderen ins Zentrum des
öffentlichen Interesses gerückt.

Die Grundlage für die anhaltende Steigerung des Geschäftsgangs bil-
det die konsequente Fokussierung von HSE•AG auf die Automatisie-
rung und Vereinfachung von Arbeitsabläufen zur Probenvorbereitung
und Analyse von Nukleinsäuren, Proteinen und Zellen. Durch die klare
Ausrichtung sind die Kompetenzen und damit auch der Mehrwert für
die Kunden sofort ersichtlich. Zudem kann sich HSE•AG so auch ge-
genüber Mitbewerbern eindeutig und erfolgreich abheben.

Wegweisende Projekte

Das Jahr 2020 war für die ganzen Life Sciences ein einschneidendes
Jahr. Durch die Corona-Pandemie ist die zentrale Bedeutung sowohl
der Molekular­biologie als auch der Automatisierung ihrer Methoden
deutlicher geworden als jemals zuvor. Der Virusnachweis und die glo-
bale Testung auf eine Infektion sind nur durch effiziente molekulare
PCR-Methoden möglich. Um die enormen Volumen bewältigen zu
können, ist die Automatisierung von Probenvorbereitung und Analyse
entscheidend. Systeme wie QIAsymphony, die massgeblich von
HSE-Mitarbeitenden entwickelt wurden, spielen heute weltweit eine
zentrale Rolle bei der Virustestung. HSE•AG arbeitet aktuell mit global
agierenden Konzernen zusammen, um die nächste Generation
dieser Systeme auf den Markt zu bringen.

Besonders begeistert hat uns im Jahr 2020 die Möglichkeit, das Spati-
al-Transcriptomics-System von Resolve Biosciences entwickeln zu dür-
fen. Innerhalb von nur einem Dreivierteljahr wurde ein voll funktions-
fähiger Prototyp erstellt, der den gesamten Prozess der sogenannten
molekularen Kartographie vollautomatisch durchführt. Die revolutio-
näre Methode von Resolve Biosciences zeigt im Submikrometerbe-
reich, welche Gene im Gewebekontext wo aktiv sind. Durch eine Kor-
relation mit dem Phänotyp eröffnen sich der Behandlung von
Krankheiten wie Alzheimer und Krebs oder dem Verständnis von In-
fektionen und von anderen molekularen Abläufen in und zwischen
Zellen vollständig neue Möglichkeiten.

HSE • AG Geschäftsbericht 2020                                                  7
BREAK-THROUGH - Geschäftsbericht 2020 - HSE AG
Kernkompetenz Domänenwissen                           Markterfolge

Dank einem profunden Domänenwissen ist HSE•AG         Im Jahr 2020 konnte unter anderem mit einem gro-
in der Lage, Systeme zu entwickeln, die nicht nur     ssen Laborautomatisierer ein langfristiger Entwick-
technologisch überzeugen, sondern auch zu einem       lungs- und Lizenzvertrag für eine HSE-Innovation
Markterfolg werden. Die Basis für die erfolgreiche    abgeschlossen werden.
Projektumsetzung bildet dabei eine anwendungs-
orientierte Sicht, aus der die Anforderungen defi-    Das Geschäft mit dem Proteom-Aufreinigungsge-
niert werden: Aus dem Prozessablauf leiten sich die   rät PreOn, das HSE•AG mit der Münchner PreOmics
meistens kunststoffbasierten Verbrauchsmateria-       vorantreibt, konnte im Jahr 2020 ausgebaut wer-
lien ab. Die Handhabung dieser Verbrauchsmateria-     den. Aufgrund der massiven Einschränkungen im
lien, die Reagenzien und die Laborumgebung be-        Laborbetrieb an Universitäten, Forschungseinrich-
stimmen dann mit ihren gegenseitigen Abhängig-        tungen und pharmazeutischen Laboren sowie den
keiten und Wechselwirkungen die Anforderungen         Reisebeschränkungen sind die Verkaufszahlen aller-
an das Gerätesystem.                                  dings hinter der Planung zurückgeblieben.

Ingenieurskompetenzen sind für die Entwicklung        Erfreulich ist, dass das Neukundengeschäft trotz
von erfolgreichen Laborsystemen eine notwendige       der globalen Reiseeinschränkungen gegenüber
Voraussetzung. Den entscheidenden Unterschied         dem Vorjahr um 63 Prozent gewachsen ist. Im Jahr
macht aber das tiefe Verständnis der biologischen     2020 konnten sowohl mehrere global agierende
und medizinischen Anwendungen im Laborkontext.        Life Sciences-Unternehmen als auch vielverspre-
Das Team von HSE•AG hat die Expertise aus Technik     chende Start-ups als Kunden gewonnen werden.
und Wissenschaft über die letzten Jahrzehnte zu ei-
nem einzigartigen Systemverständnis verschmolzen.     Entwicklung der Mitarbeitenden
Dies zeigt sich unter anderem beim Einsatz von
Liquid-Handling- und Mikrofluidik-Komponenten,        Auf die Eigenverantwortung und Selbstbestim-
die heute das Herz vieler Life Sciences- und In-vi-   mung unserer Mitarbeitenden zu setzen, hat sich
tro-Diagnostiksysteme bilden. Auch in diesem Kon-     gerade unter den Pandemiebedingungen sehr be-
text konnte HSE•AG im Jahr 2020 die Beziehungen       währt. Als die ersten Anzeichen einer erhöhten In-
zu be­stehenden und neuen Kunden ausbauen.            fektionsgefahr sichtbar wurden, haben wir unseren
                                                      Betrieb wo immer möglich auf Homeoffice umge-
Das tiefe Verständnis der Marktbedürfnisse erlaubt    stellt. Dank der aktuellen IT-Infrastruktur konnten
es HSE•AG, vielversprechende Projekte und Produkt­    wir mit den zum Teil international verteilten Mitar-
ideen schnell und treffsicher zu erkennen. Unsere     beitenden sowohl die Auslastung aufrechterhalten
Kunden profitieren von einem entsprechend grö-        als auch die laufenden Projekte plangemäss reali-
sseren Markterfolg. Als strategischer Innovations-    sieren. Die dezentrale Arbeitsweise wurde ohne ne-
partner erarbeiten wir heute aber nicht nur den An-   gative Auswirkungen auf den Geschäftsgang über
forderungskatalog und die Spezifikation von           das gesamte Jahr praktiziert. Auch mit unseren
Produkten und entwickeln daraus die jeweiligen Ge-    Kunden haben wir mit elektronischen Mitteln die
räte. HSE•AG organisiert darüber hinaus auch eine     Kommunikation nicht nur unbeeinträchtigt weiter-
kostentransparente Herstellung und gewährleistet      geführt, sondern in interkontinentalen Projekten
die technische Betreuung über den ganzen Lebens-      die Beziehungen sogar vertieft.
zyklus inklusive globaler Reparaturservices.

«ERFREULICH IST, DASS DAS NEUKUNDEN­
 GESCHÄFT TROTZ DER GLOBALEN REISE­
 EINSCHRÄNKUNGEN GEGENÜBER DEM
 VORJAHR UM 63 PROZENT GEWACHSEN IST.»

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VORWORT

Unsere Unternehmenskultur konnte unter den be-          Pandemiefokus zurückgestellte Forschungsaktivitä-
sonderen Umständen des Pandemiejahrs ihre               ten und medizinische Untersuchungen wieder auf-
Qualitäten voll ausspielen. Durch Eigenverantwor-       genommen werden. Um das Wachstum aus der
tung und Selbstbestimmung erreichen wir persön-         Pandemiezeit zu halten, werden Unternehmen zu-
liche Zufriedenheit bei der Arbeit und einen tiefen     dem versuchen, neue Wachstumsfelder mit beste-
Respekt gegenüber den Kollegen. Transparenz hin-        henden und neuen Produkten zu erobern und so
sichtlich Zielen und Status des Unternehmens            einen Verdrängungswettbewerb auslösen.
schafft ein grosses Vertrauen und ermöglicht es je-
der und jedem, die Aktivitäten und Entscheidungen       HSE•AG geht darum davon aus, dass die Unterneh-
zum Erfolg des Unternehmens einzusetzen.                men ihre Innovation vorantreiben, dabei aber
                                                        gleichzeitig ihre Kosten weiter flexibilisieren und
Ausblick                                                auslagern werden. Als spezialisierter und fokussier-
                                                        ter Dienstleister wird HSE•AG von diesem Trend pro-
Die Pandemie hat in der ganzen Life Sciences- und       fitieren können.
Diagnostikindustrie eine massive Dynamik ausge-
löst. Mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Impf-       Einen markanten Schub erwartet HSE•AG insbeson-
stoffen dürfte die Pandemie im Jahr 2021 weltweit       dere im Bereich der RNA-Immuntherapien, die
stark eingedämmt werden. Schwierig einzuschät-          im Jahr 2020 dank mRNA-basierter Corona-Vakzine
zen ist derzeit, wie sich das ungewöhnliche Wachs-      den Durchbruch geschafft haben. Grundsätzlich
tum im vergangenen Jahr auf die Entwicklungstä-         kann – angefangen bei Infektionskrankheiten über
tigkeit der Life Sciences- und Diagnostikindustrie in   alle onkologischen Erkrankungen bis hin zu
den kommenden Monaten auswirken wird.                   Alzheimer – jede Krankheit damit behandelt wer-
                                                        den, die auf eine spezifische Aktivierung des Im-
Der vorhersehbare Rückgang des Testvolumens für         munsystems anspricht. Für die Analyse und bei
Corona dürfte zu Überkapazitäten führen, die über       der Entwicklung der spezifischen und zum Teil
die Zeit abgebaut werden müssen. Gleichzeitig wer-      wahrscheinlich personalisierten Therapien werden
den die zusätzlich aufgebauten Kapazitäten aber         molekulare Methoden zentral sein. Mit unseren
auch neue molekulare Tests befördern und ältere         ausgewiesenen Kompetenzen sind wir für solche
Testverfahren verdrängen.                               Aufgaben optimal positioniert.
Erwartet wird auch, dass zahlreiche durch den

Hans Noser                           Michael Collasius, Ph.D.

Präsident des Verwaltungsrats        Chief Executive Officer

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«HSE•AG has been a compe-
 tent partner for the develop-
 ment and innovation of our
 automated systems for
 many years. We can always
 rely on their know-how.»

 Thierry Bernard, CEO QIAGEN
VISION – MISSION – VERSPRECHEN

                                 VISION
                                 Wir verhelfen unseren Kunden zum nächsten wissenschaftlichen
                                 Durchbruch.

                                 MISSION
                                 Durch die Kombination unseres Anwendungs- und Engineering-
                                 Know-hows wollen wir überlegene Werkzeuge entwickeln, mit
                                 denen unsere Kunden die Prinzipien des Lebens verstehen können.
                                 Wir realisieren dabei Systeme und Abläufe, die genau den Bedürf­
                                 nissen unserer Kunden entsprechen.

                                 VERSPRECHEN
                                 1 Wir konzentrieren unsere ganze Energie darauf, die Erwartungen
                                 unserer Kunden nicht nur zu erfüllen, sondern, wenn immer möglich,
                                 zu übertreffen. Sie sollen den grösstmöglichen Mehrwert und die
                                 bestmögliche Qualität erhalten.

                                 2 Die konsequente Anwendung unserer klar definierten Abläufe und
                                 die kompromisslose Umsetzung aller Anforderungen unserer Kunden
                                 und der Regulatoren stellen die Sicherheit und Leistungsfähigkeit un-
                                 serer Produkte und Leistungen sicher.

                                 3 Sämtliche Mitarbeitenden auf allen Ebenen sind verpflichtet, alle
                                 geltenden Anforderungen unserer Kunden und der Behörden ein­
                                 zuhalten und die Wirksamkeit des Qualitätsmanagements jeder­-
                                 zeit zu gewährleisten. Wir wollen mit qualitativ hochwertigen Services
                                 den Unterschied für unsere Kunden bewirken.

                                 4 Um unser Leistungsniveau laufend zu verbessern, setzen wir in
                                 Übereinstimmung mit den regulatorischen Vorgaben auf Methoden
                                 zur kontinuierlichen Verbesserung. Für deren systematische Steue-
                                 rung legen wir Ziele fest und überprüfen diese regelmässig.

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FEATURE I

Ein ODM-Modell spart
viel Zeit und Geld
Was in der Haushaltgeräte- oder in der Automobilbranche schon lange Standard ist, bringt
auch im Laborautomationsumfeld viele Vorteile. Original Design Manufacturing (ODM) be-
seitigt vor allem im Bereich des Changemanagements kostspielige Mehrspurigkeiten und
steigert die Produktqualität. HSE•AG hat anhand erster Umsetzungserfahrung ein Rahmen-
werk für ODM-Partnerschaften aufgebaut, das sich an spezifische Anforderungen anpassen
lässt und maximale Sicherheit gewährleistet.

Die meisten Hersteller von Life Sciences-Tools und     erster Linie die Verantwortlichkeiten aller beteilig-
Diagnostiksystemen haben ihre Wurzeln und damit        ten Partner richtig verteilt werden. So lassen sich
auch ihre Kernkompetenzen in den biologischen          Mehrspurigkeiten und Kompetenzkonflikte verhin-
und chemischen Methoden, die sie in den Geräten        dern – und viel Zeit und Geld sparen.
und Systemen zur Anwendung bringen. In den Teil-
bereichen ihrer Angebote, die ausserhalb dieses        Hierarchische Organisation mit Design
biologisch-chemischen Kern-Know-hows liegen, ar-       im Zentrum
beiten sie seit einigen Jahren vermehrt mit Spezia-
listen zusammen. Dadurch gewinnen sie Flexibilität     In der Dreiecksbeziehung Hersteller, Design und
und können die Kosten senken. Zu diesen Berei-         Produktion ist aus organisatorischer Sicht das
chen gehören insbesondere das Design und das           Changemanagement zentral. Damit es nicht zu ei-
Engineering sowie die Produktion der Geräte.           nem Überborden der für die Abstimmung notwen-
Durch diese Arbeitsteilung entstehen aber automa-      digen Kommunikation kommt, muss nicht nur
tisch Dreiecksverhältnisse, die mit einem Kommu-       dessen Federführung hierarchisch eindeutig imple-
nikations- und Koordinationsaufwand verbunden          mentiert werden. Mindestens ebenso wichtig ist die
sind. Und je komplexer die Geräte werden, umso         richtige gegenseitige Positionierung der drei Part-
aufwendiger gestaltet sich die Zusammenarbeit.         ner. Wie diese idealerweise vorgenommen wird,
Damit geht unter dem Strich ein immer grösser          zeigt sich in Unternehmen, die alles intern erledi-
werdender Teil des Nutzens der Partnerschaften         gen. Bei ihnen ist immer das Design für das Change-
wieder verloren.                                       management verantwortlich. Das hat offensichtli-
                                                       che Gründe: Im Gegensatz zum Business kennen
Keine Mehrspurigkeiten und Kompetenz­                  die Ingenieure die technischen und funktionalen
konflikte                                              Abhängigkeiten der Geräte im Betrieb und in der
                                                       Fabrikation im Detail. Und im Gegensatz zur Pro-
Dass dies nicht zwangsläufig so sein muss, bewei-      duktion sind sie auch mit den Anforderungen des
sen Branchen wie die Automobilherstellung oder         Business vertraut, schliesslich haben sie diese ja
auch die Haushaltgeräteindustrie. Beide funktionie-    beim Geräteengineering bereits umgesetzt.
ren schon lange in weltweiten Produktionsketten,
und sie haben ihre Organisationsformen über die        ODM verteilt die Verantwortung automatisch
Jahre entsprechend optimiert. «Es geht im Wesent-      richtig
lichen darum, dass ein Unternehmen von den Vor-
teilen einer vernetzten Arbeitsteilung mit speziali-   In der Realität der heutigen Arbeitsteilung im La-
sierten Partnern profitieren und trotzdem die gleich   bor- und Analytikgerätebereich wird diese natürli-
effiziente Integration der verschiedenen Aufgaben      che Verantwortungsverteilung allerdings praktisch
erreichen kann wie als hierarchisch organisierter      immer auf den Kopf gestellt. Der Hersteller und da-
Kompletthersteller», erklärt Alexander Ferro, Chief    mit das Business behält das Changemanagement
Operating Officer von HSE•AG. Dafür müssen in          bei sich, mit den erwartbaren negativen Folgen wie

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Verantwortlichkeits-Pingpong, unnötig lange Ent-          kofragen transparent zu regeln. Dafür stellt es
scheidungswege und häufig auch verminderter               verschiedene Werkzeuge zur Verfügung.
Produktqualität.

Wie sich dies zuverlässig verhindern lässt, zeigen die    Versicherungen und Verträge, die im Notfall greifen,
erfahreneren Automobil- und Haushaltgeräteher-            machen die finanziellen und operativen Risiken für
steller. Bei ihnen hat sich das ODM-Modell etabliert,     alle Beteiligten handhabbar. Die finanzielle Tragfä-
um Verantwortungszuteilung effizient zu gestalten.        higkeit der Produktionsrisiken wird mit Betriebsver-
Dabei übernimmt – wie in einer internen Organisa-         sicherungen und Produkthaftpflichtversicherungen
tion – der Design-Partner zusätzlich auch die Ver-        abgesichert. Das genaue Vorgehen bei Änderungen
antwortung für das Changemanagement inklusive             in den Beteiligungsverhältnissen und auch das
der Steuerung des Produktionspartners. Der Her-           Durchgriffsrecht des Herstellers inklusive einem
steller muss so nur noch eine Schnittstelle zum De-       vollständigen Design-Transfer im Notfall lässt sich in
sign pflegen und kann sich verstärkt auf die inhaltli-    Unterlieferverträgen genauso regeln, wie dies der
che Weiterentwicklung seines Produktportfolios            Hersteller wünscht. Dazu stehen heute unter ande-
und auf seine Kernkompetenzen in den biologi-             rem mit ESCROW-Agreements erprobte Standard-
schen und chemischen Methoden konzentrieren.              verfahren zur Verfügung.
Um die Details der Produktion und des technischen
Geräteservice muss er sich nicht mehr kümmern.            Transparenz als Basis für längerfristige Vorteile

Erfolgreiches ODM-Modell für Proteomics-­                 Entscheidend ist neben einer eindeutigen vertragli-
Lösung                                                    chen Regelung auch das Mass an Transparenz,
                                                          das zwischen Hersteller und ODM-Partner geschaf-
HSE•AG hat eine derartige Konstellation auch im La-       fen wird. «Die Wahl des Contract Manufacturer
borautomatisationsumfeld bereits mit mehreren             und auch allfällige Wechsel sollten zum Beispiel un-
Kunden erfolgreich umgesetzt. Unter anderem mit           bedingt gemeinsam vorgenommen werden», be-
der Münchner PreOmics. Diese hat ein revolutionä-         tont Ferro. «Dies schafft Vertrauen und stellt die
res Verfahren zur Aufbereitung von Proben für die         Partnerschaft auf eine längerfristig tragfähige Ba-
Analyse aller zu einem bestimmten Zeitpunkt in ei-        sis.» Das ist unter anderem deshalb wichtig, weil
ner Zelle vorhandenen Proteine erfunden. HSE•AG           ODM-Partnerschaften ihre Vorteile mit der Zeit
hat als Design-Partner nicht nur eine Automatisie-        immer effektiver ausspielen können. Die Organisa­
rungslösung für das Verfahren entwickelt, sondern         tion kann laufend verbessert werden und die ge-
zusätzlich auch die Verantwortung für die Produkti-       genseitigen Investitionen tragen immer mehr
on der Geräte übernommen. Dadurch kann sich               Früchte.
das Jung­unternehmen jetzt voll und ganz auf die
Weiterentwicklung und die Vermarktung seines              Gemeinsam die Ziele definieren – und dann
Verfahrens konzentrieren. Gleichzeitig ist HSE•AG in      auch erreichen
der Lage, das Changemanagement direkt und da-
mit wesentlich effizienter zu betreiben und so auch       Wie eine Partnerschaft im Einzelnen ausgestaltet
ein maximales Qualitätsniveau sicherzustellen.            wird, ist allerdings von vielen Details abhängig, wie
                                                          Ferro aus Erfahrung weiss. Ein Start-up hat etwa
Flexibles Rahmenwerk für optimale Partner­                ganz andere Bedürfnisse als ein etablierter Konzern.
schaften                                                  Dazu kommt, dass die Risikobereitschaft individuell
                                                          sehr unterschiedlich sein kann. Die spezifische Lö-
Aufbauend auf diesen Erfahrungen hat HSE•AG jetzt         sung muss darum immer im gegenseitigen Aus-
ein Rahmenwerk für ODM-Partnerschaften erarbei-           tausch gefunden werden. «Wir haben ein flexibles
tet, das sich flexibel an den individuellen Fall anpas-   Konzept erarbeitet, mit dem wir gemeinsam mit ei-
sen lässt. «Die konkreten Partnerschaften haben           nem Hersteller die Ziele der Partnerschaft spezifi-
uns im Detail gezeigt, worauf es beim Aufbau einer        zieren und dann auch erreichen können», betont
erfolgreichen Zusammenarbeit im Laborautoma­              Ferro. «Am besten überzeugt sich ein Unternehmen
tionsumfeld ankommt», wie Ferro erklärt. Das Rah-         selbst und fordert uns heraus!»
menwerk hilft insbesondere, die Rechts- und Risi-

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FEATURE II

Schnelle Automatisierung
der Spatial-Analysis-­
Revolution
Resolve Biosciences markiert die Speerspitze der anbrechenden nächsten Life Sciences-
Revolution. Ihre Molecular-Cartography-Plattform macht einzelne mRNA-Moleküle inner-
halb von Zellen sowohl zeitlich als auch räumlich bis in den Submikrometerbereich sichtbar.
HSE•AG Engineering hat die bahnbrechende Labormethodik in wenigen Monaten automati-
siert. Resolve-Biosciences-CEO Jason Gammack will nun in einem ersten Schritt in Europa,
den USA und Asien Servicecenter aufbauen. Später sollen auch Proteine und Metaboliten
analysiert und die Geräte zu integrierten Serienprodukten weiterentwickelt werden.

Die Life Sciences entwickeln sich nach wie vor in ei-   Bahnbrechende und bereits ausgereifte
nem atemberaubenden Tempo. Nachdem in weni-             Methodik
ger als 20 Jahren die Werkzeuge zur Genomsequen-
zierung von wissenschaftlichen Mammutprojekten          Dass die im deutschen Monheim am Rhein ansässi-
zu Benchtop-Massenanwendungen geschrumpft               ge Resolve Biosciences die technologische Spitze
sind, steht jetzt die nächste Stufe an: das Sichtbar-   dieser bahnbrechenden Methode markiert, kommt
machen von Biomolekülen im Zellzusammenhang.            nicht von ungefähr. Das Kernteam hat bereits im
Aus einzelnen Zellen sollen nicht mehr nur zweidi-      Jahr 2016 die Arbeit aufgenommen. Zu den Mit-
mensionale Gensequenzinformationen gewonnen,            gründern gehörten der damalige QIAGEN-CEO
sondern die 3D-Verteilung von Biomolekülen und          Peer Schatz und Jason Gammack, der damals das
Metaboliten im Verlauf eines biologischen Prozesses     Life Sciences-Geschäft von QIAGEN verantwortete.
sichtbar gemacht werden.
                                                        Die Technologie beruht auf drei Säulen. Im Zentrum
Als erstes steht die mRNA im Fokus. Im Januar hat       steht die Chemie. Sie ermöglicht es, mit extrem ho-
die Fachzeitschrift Nature «spatially resolved tran-    her Spezifität und Sensitivität einzelne Moleküle in
scriptomics» zur Methode des Jahres gewählt.            einer nur durch die Leistungsfähigkeit der Lichtmi-
Durch die räumlich und zeitlich aufgelöste Visuali-     kroskopie begrenzten Auflösung von gerade einmal
sierung unterschiedlicher mRNA-Transkripte im Ge-       0.27 Mikrometern sichtbar zu machen. Mittels Fluo-
webe lassen sich molekulare Prozesse innerhalb          reszenzfarbstoffen lassen sich dabei in mehreren
und zwischen Zellen im Detail verfolgen. Diese          Färbe-Bilderfassungsrunden Hunderte von mRNA-­
Technologien werden die Krebsforschung, die Neu-        Transkripten unterscheiden (Beispiel siehe Abbil-
rowissenschaften oder auch das Verständnis von In-      dung S. 16). Die zweite Säule ist die Mikroskopie. Sie
fektionen auf ein vollkommen neues Niveau hieven,       dringt in Sachen Auflösung in den Grenzbereich
ist Jason Gammack, der CEO von Resolve Bio­             des physikalisch Möglichen vor und bildet die Pro-
sciences, überzeugt. Aber die Molecular-Cartography-    ben so ab, dass eine dreidimensionale Karte der
Plattform seines Unternehmens ist nicht auf mRNA        Transkripte mit subzellulärer Auflösung erstellt wer-
beschränkt: «Mit unserer Technologie lassen sich in     den kann. Die dritte entscheidende Komponente
Zukunft auch Proteine und Metaboliten im Zellkon-       sind schliesslich die Informatikwerkzeuge, mit de-
text analysieren.»                                      nen sich aus den riesigen Datenmengen von meh-
                                                        reren Terabyte pro Probe aussagekräftige wissen-
                                                        schaftliche Informationen extrahieren lassen.

HSE • AG Geschäftsbericht 2020                                                                              15
Nach fünf Jahren ist die Methodik heute robust und     musste schnell gelingen, denn die Geschwindigkeit
als eine der ersten weltweit überhaupt für den kom-    der Markteinführung ist im derzeit wahrscheinlich
merziellen Einsatz bereit. Dank der Entwicklungs-      heissesten neuen Life Sciences-Bereich ein entschei-
partnerschaft mit HSE•AG Engineering steht die         dender Wettbewerbsfaktor. Durch die Zusammen­
Technologie zudem bereits voll automatisiert und       arbeit mit HSE•AG gelang sie in rekordverdächtiger
per Knopfdruck zur Verfügung. Das senkt nicht nur      Zeit. Das Projekt wurde im März 2020 gestartet, und
den Zeitaufwand der einzelnen Analyse und erhöht       bereits im September war ein funktionsfähiger Pro-
den Probendurchsatz, sondern optimiert auch die        totyp im Betrieb. Inzwischen sind die ersten Geräte
Zuverlässigkeit und die Reproduzierbarkeit. Erste      im Rahmen eines Early-Access-Programms produktiv.
Pilotkunden konnten mit der Plattform denn auch
schon spektakuläre Ergebnisse erzielen. Einer For-     Um effizient zum Ziel zu kommen, hat HSE•AG
schungsgruppe aus Österreich ist es beispielsweise     den Laborprozess in einzelne Module für das Liquid-
gelungen, sichtbarzumachen, wie sich SARS-CoV-2        Handling, die biochemischen Prozesse und das Mik-
in befallenen Geweben ausbreitet.                      roskopieren aufgeteilt. Diese wurden durch Robotik
                                                       verbunden. Als Grundlage der einzelnen Module
In Rekordzeit zu produktiven Geräten                   wurden möglichst Standardkomponenten verwen-
                                                       det. «Diese mussten allerdings stark angepasst wer-
Zentral ist die Automatisierung für die erfolgreiche   den, denn nichts an unserer Methode ist Standard»,
Kommerzialisierung der Molecular-Cartography-          wie Gammack betont.
Plattform, wie Jason Gammack unterstreicht. Und sie

16
FEATURE II

Domänenwissen ermöglicht effiziente                     So oder so können die Anwender von einem einzig-
Neuentwicklungen                                        artigen Vorteil der Resolve-Biosciences-Technologie
                                                        profitieren. Die Methode lässt die untersuchten Ge-
Eine vollständige Neuentwicklung ist der Slide-         webe intakt. Das heisst, es können mit der gleichen
Handler. In diesem Kernstück der Methode werden         Probe sowohl mehrere Fragestellungen untersucht
die Zell- und Gewebeproben in mehreren Färbe-           als auch zeitliche Abläufe von intra- und interzellulä-
schritten mit den fluoreszenzmarkierten Molekülen       ren Vorgängen beobachtet werden.
hybridisiert. Um die dafür nötigen vielen Einzel-
schritte möglichst zeitsparend ausführen zu kön-        Ständige Weiterentwicklung und neue Märkte
nen, wird mit schnellen Kipp- und Pipettierverfah-
ren gearbeitet. Neu entwickelt werden mussten           Erst angelaufen ist mit den ersten Geräten die Zu-
zudem das Tablett, mit dem die Proben-Objektträ-        sammenarbeit zwischen Resolve Biosciences und
ger durch die Prozessschritte transportiert werden,     HSE•AG. Aktuell ist man dabei, die Abläufe weiter zu
und die Steuerungssoftware.                             verfeinern. Die Molekularbiologie, die Bilderfassung
                                                        und auch die Bioinformatik-Tools werden laufend
«HSE•AG verfügt über äusserst kompetente und er-        optimiert. Entsprechend müssen auch die Geräte
fahrene Ingenieure», betont Gammack, «sie beherr-       ständig angepasst werden. In Zukunft will Resolve
schen nicht nur ihre Fachdisziplinen, sondern ver-      Biosciences zudem weitere Biomoleküle in den Zel-
stehen auch die Molekularbiologie, die im Gerät         len sichtbar machen. Im Fokus stehen insbesonde-
abläuft, und sie kennen die Laborrealität.» Dieses      re Proteine und Metaboliten, die sich beide durch
Domänenwissen ist entscheidend, um schnell Lö-          spezifische Antikörper markieren lassen.
sungen zu finden, die nicht nur für sich funktionie-
ren, sondern auch im Zusammenspiel – und selbst         Aber nicht nur die Technologie wird sich in den
dann noch, wenn später zusätzliche Funktionalitä-       kommenden Jahren weiterentwickeln, auch der
ten eingebaut werden müssen. Dazu kommt, dass           Marktzugang wird sich verändern. «In den Life
HSE•AG wie selbstverständlich auch die Extra-Meile      Sciences kommt der Appetit mit dem Essen», wie
geht, wenn es nötig ist.                                Gammack aus seiner langjährigen Erfahrung weiss.
                                                        «Mit der wachsenden Zahl von spektakulären For-
Grosse Nachfrage aus Industrie und                      schungsergebnissen wird automatisch eine Nach-
Hochschulen                                             frage von Unternehmen und Forschungszentren
                                                        nach eigenen Geräten entstehen.» Dafür muss das
Momentan stehen die ersten Markteinführungs-            Gerätedesign angepasst werden. Die aktuelle Platt-
schritte an. Resolve Biosciences baut dafür mit den     form und auch die Datenauswertung sind für eine
von HSE•AG entwickelten Geräten in Europa, im ka-       selbständige Nutzung durch externe Anwender
lifornischen San José und in Singapur Servicecen-       noch zu komplex.
ters auf. Über diese wird die Technologie in einem
ersten Schritt als Dienstleistung zugänglich ge-        Mit Original Design Manufacturing bis zum
macht. Hauptzielgruppen sind Pharmafirmen und           Serienprodukt
Hochschulen. «Die Nachfrage ist nicht unser Prob-
lem», wie der CEO berichtet, «der Auftragsbestand       Bis die Resolve-Biosciences-Methode dann die letzte
reicht bereits vor dem offiziellen Start für mehr als   Stufe im Lebenszyklus einer Life Sciences-Technolo-
ein Jahr.»                                              gie erreicht und – wie heute die Sequenzierungstech-
                                                        nologien – zur Benchtop-Massenanwendung
Die Industrie sucht mit dem Verfahren beispielswei-     wird, dürfte es zwar noch dauern. HSE•AG wird das
se Biomarker, die zeigen, wer auf ein bestimmtes        dynamische Unternehmen aber auch auf diesem
Medikament anspricht und wer nicht. Diese Er-           Weg begleiten können. Als erfahrener ODM-Partner
kenntnisse könnten unter anderem mithelfen,             (Original Design Manufacturing) übernimmt das En-
Krebstherapien zu personalisieren. Demgegenüber         gineering-Unternehmen auch die Gesamtverant-
nutzen die Akademiker die Plattform eher, um Hy-        wortung für die Herstellung von Geräten.
pothesen für molekulare Mechanismen auf dem             Life Sciences-Innovatoren wir Resolve Biosciences
Zellniveau zu testen.                                   können sich so ganz auf die Weiterentwicklung ihrer
                                                        zukunftsweisenden Verfahren konzentrieren.

HSE • AG Geschäftsbericht 2020                                                                               17
FEATURE III

Mit algorithmischer
Methodik zur
besseren Lösung
Wenn jede Komponente einzeln optimiert wird, führt dies in der Praxis von komplexen Laborau-
tomationsgeräten in den wenigsten Fällen zum bestmöglichen System. Die wirkungsvollsten
Lösungen liegen häufig an den Schnittstellen oder in einem Randbereich der Funktionalitäten.
Thomas Hanselmann leitet die «Algorithm & Data Analytics»-Gruppe von HSE•AG, die mit ihrem
algorithmischen und modellbasierten Ansatz auch Lösungen findet, die ausserhalb des Teller-
rands der herkömmlichen Analytik-Technologien liegen.

Herr Hanselmann, Sie verfolgen mit ihrer Grup­          und versuchen, zuerst aus einer höheren Warte zu
pe einen algorithmischen Lösungsfindungs­               definieren, was der Sinn einer Aufgabe aus Sicht
ansatz, der über herkömmliche Engineering-              des Gesamtsystems ist. Das eröffnet uns viele zu-
Methoden hinausgeht. Was müssen wir uns                 sätzliche Lösungswege, die auf den ersten Blick
darunter vorstellen?                                    manchmal auch ausserhalb der Grenzen des Sys-
                                                        tems zu liegen scheinen.
Wir denken out-of-the-box. Algorithmen verstehen
wir dabei im ursprünglichen Sinn. Also nicht nur als    Wie muss ich mir das konkret vorstellen.
Computerprogramm, sondern generell als Abfolge          Können Sie ein Beispiel geben?
von durchführbaren schrittweisen Handlungen, mit
denen ein Problem gelöst werden kann. Wir nähern        In einem Analyseroboter müssen wir unter ande-
uns dabei der Problemstellung an, indem wir zu-         rem zuverlässig sicherstellen, dass sämtliche Plätze
erst iterativ die wichtigsten Ansprüche und Rand-       in den Pipettenspitzen-Racks gefüllt sind. Dafür
bedingungen ausleuchten. Darauf aufbauend defi-         werden bisher Lasersysteme verwendet, die alle
nieren wir dann alle Anforderungen und Schnittstellen   Racks Reihe für Reihe abtasten. Das ist zwar genau,
und erstellen ein Modell des ganzen Systems, an         dauert aber mehr als eine halbe Stunde. Viel schnel-
dem wir unsere Lösungsansätze austesten. Dabei          ler wäre eine Überprüfung mit einem Verfahren, das
teilen wir das Problem in einzelne, abgrenzbare Teil­   alle notwendigen Informationen aus einem einzi-
aufgaben auf, und die Lösungsansätze werden so          gen hochaufgelösten Foto der ganzen Befüllungs-
dimensioniert, dass sie auch noch etwas schwieri-       einheit des Geräts herauslesen kann. Was theore-
gere Situationen meistern können. Mit diesem mo-        tisch gut klingt, stösst aber schnell an praktische
dellbasierten Ansatz erhalten wir robuste Gesamt­       Grenzen. Zu diesen gehören die räumlichen Platz-
lösungen.                                               verhältnisse, ungewohnte Perspektiven, Fremdlicht,
                                                        Spiegelungen oder technische Limitierungen wie
Machen das nicht die meisten Ingenieure so?             begrenzte Bandbreiten, die verfügbare und bezahl-
                                                        bare Hardware oder der Unterhaltsbedarf. Die bis-
Der Unterschied bei unserem Vorgehen liegt tat-         her zur Verfügung stehenden Software-Algorith-
sächlich weniger im Grundprinzip als in der Art         men waren zudem teilweise sehr sensitiv auf
und Weise, wie wir dieses anwenden. Ingenieure          gewisse Bildstörungen wie Schatten, Spiegelungen,
sind in der Regel auf bestimmte Fachgebiete spezi-      Randverzerrungen oder Störungen durch die licht-
alisiert. Entsprechend gehen sie eine Aufgabe auch      leitenden Plastikmaterialen, aus denen die Proben-
immer aus ihrem spezifischen Blickwinkel an. Wir        behälter bestehen. Die Folge sind Fehlinterpretatio-
verlassen dagegen bewusst die fachlichen «Boxen»        nen, die sich auch mit Artificial Intelligence und

HSE • AG Geschäftsbericht 2020                                                                              19
«WIR SIND NACH EINER GENAUEN ANALYSE ALLER
 RANDBEDINGUNGEN ZUM SCHLUSS GEKOMMEN,
 DASS WIR DAS PROBLEM NICHT EINFACH ALS
 BARCODE-ERKENNUNGSTHEMA ANGEHEN SOLLTEN,
 SONDERN ALS TRACKING-HERAUSFORDERUNG.»

Deep Learning-Algorithmen nur mit grossem Auf-          eingefüllt wurden. Fehler können hier praktisch kei-
wand zuverlässig verhindern lassen. Hier konnten        ne toleriert werden, weil sie zu falschen Analyseer-
wir gemeinsam mit unserem spezialisierten Medizi-       gebnissen führen. In der Praxis nehmen darum die
nalrobotik-Kamerahersteller Lösungswege aufzei-         Prüfmethoden immer mehr Zeit in Anspruch und
gen, die die Objekterkennungs-Performance auf ein       werden so zu einem wichtigen Kostentreiber für die
neues Level stellen. Dabei verwenden wir einfache       Gerätebetreiber. Unsere Lösung senkt die Zeit, die
und auch wartbare Parametrisierungen der zu er-         für das vollständige Überprüfen einer Befüllungs-
kennenden Objekte.                                      einheit benötigt wird, von rund 30 Minuten auf nur
                                                        noch knapp eine Minute.
Wenn selbst Artifical Intelligence nicht weiter­
hilft, was war dann der Schlüssel zum Erfolg?           Was ist Ihrer Ansicht nach der entscheidende
                                                        Faktor, um eine derart hocheffiziente Lösung
Um das Problem zu lösen, mussten wir zuerst einen       zu finden und dann auch zur Produktreife ent­
Schritt zurück machen. Die entscheidende Frage          wickeln zu können?
lautet: Was braucht es eigentlich für ein gutes Bild?
Wir haben darum unter anderem angefangen, mit           Neben einem möglichst vielseitigen und tiefgehen-
der Beleuchtung der Einheit zu experimentieren,         den Technologie-Know-how ist vor allem das Ver-
und dabei schnell gemerkt, dass in der Ausleuch-        ständnis der Laborprozesse entscheidend. Je ge-
tung ein grosses Optimierungspotenzial steckt. Aber     nauer ein Ingenieur nicht nur den Ablauf von der
auch dieser Ansatz führte nicht geradewegs zum          Probenentnahme bis zur Resultatauswertung, son-
Ziel. Zum einen musste das ideale Ausleuchten           dern auch die chemischen und biologischen Reak-
sämtlicher Winkel der Spitzen-Racks mit mehreren        tionen sowie die Messtechnik versteht, umso geziel-
diffus leuchtenden Panels experimentell erarbeitet      ter können die wichtigen Fragen gestellt werden.
werden. Zum anderen waren für die Bildanalyse viele     Dies veranschaulicht auch ein anderes Beispiel sehr
kleine Prüfscripts notwendig, die verschiedene Ei-      gut. Damit das Beladen eines Analyseroboters mit
genschaften wie Farbe, Helligkeit oder Sättigung        den Probenröhrchen per Kamera zuverlässig über-
modular für jede Spitzen-Position prüfen, um dann       prüft werden konnte, musste nämlich zuerst die
analog einer Prüfsumme zu einem robusten Gesamt­        richtige Perspektive auf die Fragestellung gefunden
entscheid zu kommen. Um zu verhindern, dass die         werden.
zu übermittelnden Datenmengen explodieren,
musste die modulare Überprüfung der verschiede-         War denn an Ihrer Perspektive etwas
nen Kriterien zudem auf der Kamera selbst erfolgen.     ungewöhnlich?

Was bringt diese Lösung dem Anwender                    Wir sind nach einer genauen Analyse aller Randbe-
des Geräts?                                             dingungen zum Schluss gekommen, dass wir das
                                                        Problem nicht einfach als Barcode-Erkennungsthe-
Die Laborautomationsgeräte werden immer kom-            ma angehen sollten, sondern als Tracking-Heraus-
plexer, weil laufend neue Funktionalitäten integriert   forderung. So konnten wir trotz der begrenzten
werden. Damit steigt auch der Aufwand, der betrie-      Speicherkapazität der Kamera und den grossen Ge-
ben werden muss, um sicherzustellen, dass alle Pro-     schwindigkeitsunterschieden, mit denen die Pro-
ben, Reagenzien und Verbrauchsmaterialien richtig       ben in das System eingeschoben werden, die

20
FEATURE III

2D-Codes sicher identifizieren und interpretieren.     dann aber zusätzliche Beschränkungen aufgetaucht.
Unser System macht dabei anhand eines physikali-       So nahm die Rechenbelastung der Kamera punk­
schen Modells, das wir vom ganzen Vorgang erstellt     tuell zu. Dadurch wurde jeweils die Modellannahme
haben, eine Vorhersage, wo ein Barcode im nächs-       verletzt, dass die Bildrate konstant sei, und das Tra-
ten Bild auftauchen sollte. So merkt das System so-    cking funktionierte nicht mehr fehlerfrei. Dank unse-
fort, wenn sich die Geschwindigkeit ändert, und weil   rem modellbasierten Designansatz reichte eine klei-
in jedem Bild mehrere Barcodes sichtbar sind, kön-     ne Erweiterung des Vorhersagemodells, um dieses
nen verpasste Codes in einem Postprocessing-Ver-       Problem schneller zu lösen, als der Kamerahersteller
fahren zuverlässig in umliegenden Frames gefun-        nur schon für die Ursachenfindung benötigt hätte. In
den und interpretiert werden.                          vielen Projekten wäre ein derartiges Problem sogar
                                                       zu einem kompletten Showstopper geworden. Wir
Wurde dieses Tracking-System von Grund auf             ziehen bei unserer Herangehensweise aber immer in
neu entwickelt?                                        Betracht, dass Modellannahmen nicht zutreffen kön-
                                                       nen, und machen uns Gedanken über Alternativen.
Vom Grundkonzept her gesehen nicht, aber wir ha-       Zusammen mit unserem tiefen Verständnis der
ben eine anspruchsvolle spezifische Implementation     Laborprozesse und einem vielfältigen Technologie-­
gemacht. Mit derartigen Tracking-Technologien wer-     Know-how ermöglicht uns dieses systematische,
den unter anderem die Flugzeugpositionen auf ei-       modellbasierte Vorgehen, herausragende Enginee-
nem Flughafen mittels Radar verfolgt, um Kollisio-     ring-Lösungen für die Herausforderungen unserer
nen zu verhindern. In unserem konkreten Fall sind      Kunden zu finden.

HSE • AG Geschäftsbericht 2020                                                                             21
FEATURE IV

Den optimalen
Übergang zur
Mikrofluidik finden
Mikrofluidik ist der Schlüssel zu hohen Durchsatzraten und tiefen Verbrauchsmaterialkosten.
Die grösste Hürde besteht häufig am Übergang zwischen den zwangsläufig im Makromassstab
dimensionierten Reagenzien-Zuleitungen und den feinen Strukturen in den Flusszellen und Cart­-
ridges. Das Finden der optimalen Lösung erfordert nicht nur viel Erfahrung in unterschiedlichs-
ten Anwendungen, sondern auch ein tiefes Verständnis der Molekularbiologie und der Labor­-
prozesse, wie der Head of Engineering Technologies von HSE•AG, Hans-Jürgen Tiedtke, erklärt.

Herr Tiedtke, Sie entwickeln seit vielen Jahren          Sie haben dafür sehr unterschiedliche Lösun­
Fluidiksysteme. Was ist die grösste Herausforde­         gen gefunden oder analysiert, von der Nutzung
rung bei heutigen Flusszellen im Mikroformat?            der Geometrie und von Kapillarkräften über
                                                         Miniventile bis hin zu fein gebohrten und ge­
Die grösste Hürde stellt häufig nicht – wie man mei-     frästen Kunststoff-Manifolds (siehe «Anwen­
nen könnte – die Konstruktion der kleinen Reak­          dungen und Lösungsbeispiele aus der Mik­
tionszellen dar. Die schwierigsten Probleme entste-      rofluidik»). Welche Kriterien entscheiden, welche
hen am Übergang zwischen den im grossen                  Lösung im Einzelfall die beste ist?
Massstab zur Verfügung gestellten Reagenzien und
den extrem kleinvolumigen Reaktionszellen. Die           Der Ursprung ist immer die Anwendung. Je besser
Flüssigkeiten müssen im Extremfall aus einem Milli-      die Lösung auf die spezifische Anwendung zuge-
litergefäss entnommen und in Volumen von weni-           schnitten ist, umso effizienter wird die Automatisie-
gen Mikrolitern überführt werden. Durch die Veren-       rung. Als Ingenieur müssen Sie dafür möglichst ge-
gung der Durchmesser der Flüssigkeitskanäle              nau verstehen, was der Zweck der Flusszelle sowie
steigt beispielsweise entweder der Druck stark an,       des ganzen Geräts im Laborkontext ist. Dafür reicht
oder die Flussrate wird massiv verlangsamt.              es nicht, nur den Engineering-Part zu beherrschen.
                                                         Es braucht auch ein tiefes Verständnis der Molekular-
Was sind denn die wirtschaftlich wichtigsten             biologie, die in den Reaktionszellen abläuft, sowie der
Randbedingungen, die die Lösungsfindung be­              ganzen Laborprozesse.
einflussen?
                                                         Wie und wo haben Sie sich als ausgebildeter
Die wichtigsten Faktoren für die Anwender von Au-        Elektrotechnik-Ingenieur diese Kenntnisse an­
tomationslösungen sind die Zeit und der Reagen­          geeignet?
zien-Verbrauch. So kann auf der einen Seite das Spü­
len durch sehr kleine Kanäle viel Zeit in Anspruch       Ich hatte bereits in meiner Diplomarbeit an einem
nehmen und damit den Probendurchsatz des Geräts          hydrodynamischen Testsystem für künstliche Herz-
senken. Auf der anderen Seite steht der Preis der        klappen gearbeitet, und seit ich 2011 zu QIAGEN und
Reagenzien, der teilweise sehr hoch ist. Häufig ist es   damit zum Ursprungsteam der heutigen HSE•AG ge-
deshalb zentral, die Zuleitungen möglichst kurz          stossen bin, gehören fluidische Systeme quasi zu mei-
und die Spülvolumen möglichst klein zu halten.           nem Alltag. In der Zwischenzeit habe ich unzählige
                                                         unterschiedliche Anwendungen entwickelt. Das
                                                         Know-how wächst mit jedem neuen Projekt. Das gilt
                                                         speziell auch für das Verständnis der Molekularbiolo-
                                                         gie, die in den Geräten abläuft.

HSE • AG Geschäftsbericht 2020                                                                                23
Kann sich jeder Ingenieur dieses                        Anwendungen und Lösungs-
Life Sciences-Domänenwissen aneignen?                   beispiele aus der Mikrofluidik
Mit der Zeit kann man sicher selbst viele biologi-
schen und chemischen Kenntnisse erwerben. Bei           VENTIL SO NAHE WIE MÖGLICH
HSE•AG kommt aber noch eine Besonderheit dazu,          AN DEN ZELLEN-ANSCHLÜSSEN
die über das persönliche Erfahrungslernen hinaus-
geht. Wir sind nicht nur Ingenieure, sondern arbei-     Eine Flusszelle, die zum Wirkstoff-Screening einge-
ten in multidisziplinären Teams zusammen. So kann       setzt wird, muss für die Befüll- und Spülvorgänge
ich auch ganz direkt vom Wissen und vom Erfah-          mit insgesamt 16 fluidischen Anschlüssen verbun-
rungsschatz meiner Biologie- und Biochemie-Kolle-       den werden. Die Zuleitungen bestehen aus her-
ginnen und -Kollegen profitieren – und sie umge-        kömmlichen Schläuchen mit kleinen Durchmes-
kehrt von meinem Engineering-Know-how.                  sern, die die Reagenzien aus Vorratsgefässen mit
                                                        Volumen von bis zu einem Liter entnehmen. Die
Was für einen Einfluss hat denn diese multi­            Flusszelle wurde so konstruiert, dass die Anschlüsse
disziplinäre Zusammensetzung der Entwick­               während dem Analyseprozess permanent verbun-
lungsteams auf die Projektergebnisse?                   den bleiben. Um die Reagenzien in der Flusszelle
                                                        möglichst schnell auszutauschen, musste ein Weg
Die Rechnung ist einfach: Je mehr Erfahrung aus         gefunden werden, die 16 Schläuche auf engstem
unterschiedlichen Disziplinen und mit unterschied-      Raum mit der Flusszelle zu verbinden und mög-
lichen Systemen vorhanden ist, desto mehr konzep-       lichst nahe an der Zelle Ventile zu platzieren, die die
tionelle Möglichkeiten stehen bei der Lösungsfin-       verschiedenen Reagenzien-Leitungen öffnen und
dung zur Verfügung. Und auch viele Fallstricke auf      schliessen. Dafür wurde ein spezieller Adapterkopf
dem Weg zum produktiven Gerät sind dann schon           konstruiert, der sich präzise auf die Zelle setzen lässt
bekannt. Unter dem Strich finden wir gemeinsam          und alle Schläuche integriert.
aber nicht nur effizientere Lösungen, die die Markt-
bedürfnisse besser treffen. Dank unserer vielfältigen
Erfahrung wissen wir auch, worauf es bei der Ent-       GEOMETRIE FÜR DEN FLÜSSIG-
wicklung ankommt, damit ein Gerät möglichst kos-
tengünstig hergestellt und betrieben werden kann.
                                                        KEITSTRANSPORT NUTZEN
                                                        Zur Bestimmung der DNA-Konzentration in einem
                                                        Spektrometer wurde eine Flusszelle so konstruiert,
                                                        dass sich die Flüssigkeiten mithilfe des Kapillar­
                                                        effekts von einem Einfülltrichter aus automatisch
                                                        durch die Kanäle in die Messzelle bewegen. Sobald
                                                        die Messzelle gefüllt ist, wird der Kanal breiter und
                                                        der Kapillareffekt bricht ab. In diesem Moment ist
                                                        dann auch der Trichter vollständig geleert, sodass
                                                        nur noch am dünnen Kapillarquerschnitt eine mini-
                                                        male Verdampfung möglich ist. Mit dieser intelli-
                                                        genten Zellengeometrie gelang es nicht nur, die
                                                        genaue Dosierung der Proben elegant zu lösen.
                                                        Gleichzeitig konnte auch der Probenverbrauch mi-
                                                        nimiert werden.

24
FEATURE IV

ÖL-WASSER-OBERFLÄCHEN­                                 MIT EINEM VENTIL ZUR KOM­
EFFEKTE SORGEN FÜR TAUSEND                             PLEXEN SAMPLE-TO-RESULT-
PCR-REAKTIONEN                                         CARTRIDGE
Um automatisch eine möglichst grosse Zahl von          Um vollständige Sample-to-Result-PCR-Reaktionen
wässrigen Tröpfchen zu erzeugen, in denen parallel     inklusive DNA-Aufreinigung und -Konzentration in
PCR-Reaktionen ablaufen können, wurden Oberflä-        einer Cartridge durchführen zu können, sollte ein
cheneffekte zwischen Öl und Wasser genutzt. Die        Ventil entwickelt werden, das einen gezielten Flüs-
wässrige Lösung mit allen Reagenzien für die           sigkeitswechsel möglich macht. Die Lösung be-
PCR-Reaktion wird dabei mit Druck in den Hohl-         stand in einem kleinen Gummiteil, das sich durch
raum zwischen einem Ölfilm und einer Membran           gezielte Kraft über einen Miniaturstössel schliessen
gepresst. Es entstehen rund tausend gleich grosse      und öffnen lässt. Die zweite Herausforderung be-
Tröpfchen, in denen danach parallel die PCR-Reak-      stand in den grossen Probenvolumen, die für die
tion durchgeführt wird. Positive Resultate werden      Analyse aufkonzentriert werden mussten. Um sie
durch Fluoreszenzmarker sichtbar. Wird die An-         direkt über einen Pipettier-Roboter einfüllen zu
fangskonzentration geschickt gewählt, lässt sich an-   können, wurde ein Trichter so konstruiert, dass er
hand der positiv aufleuchtenden Tröpfchen bei-         sich mittels Druck durch die Pipettenspitze luftdicht
spielsweise die genaue Virenkonzentration in einer     verschliessen lässt. Die Probe kann so einfach ein-
Probe bestimmen.                                       gespritzt werden.

DIE FLUSSZELLE ZWISCHEN AN-                            MANIFOLD MACHT WEGE UND
SCHLUSS-NESTERN BEWEGEN                                SPÜLZEITEN KURZ
Eine Möglichkeit, um einen Reagenzienwechsel           Die Anzahl Bakterien in einer Flüssigkeit lässt sich
möglichst effizient zu gestalten, sind verschiedene    über die Veränderung der elektrischen Impedanz in
Anschluss-Nester, zwischen denen die Mikrofluss-       einem Messkanal genau bestimmen. Dafür muss
zelle hin- und herbewegt wird. Diese Methode wur-      aber die Probenflüssigkeit durch einen nur 15 Mikro-
de in einem Next-Generation-Sequencing-Gerät ge-       meter dünnen Messkanal gepresst werden. Selbst
wählt. Der grosse Vorteil: Es gehen praktisch keine    bei hohen Drücken erreicht man hier nur Flussraten
teuren Reagenzien verloren. Der Nachteil: Es ent-      von 30 ul/min. Um die Zeit für eine Reinigung des
steht bei jedem Wechsel ein kleines Luftbläschen,      Systems vor der nächsten Messung zu minimieren,
das herausgespült werden muss.                         müssen die Zuleitungen zur Flowcell unbedingt so
                                                       kurz wie möglich gehalten werden und einen klei-
                                                       nen Innendurchmesser haben. Dank einem soge-
EINZELNE ZELLEN DURCH                                  nannten Manifold konnten die in den Zuleitungen
ELEKTROMAGNETISCHES KLOP-                              zusätzlich nötigen Flüssigkeitsmengen auf wenige
                                                       Mikroliter beschränkt werden. Die selbst nur 500
FEN PLATZIEREN                                         Mikrometer dicken Kanäle wurden dafür in zwei
Die Schwerkraft und einen elektromagnetischen          Kunststoffplatten gefräst und gebohrt, die dann
Klopfmechanismus nutzt ein Fluidik-System, mit         zum funktionsfähigen Manifold-Kanalsystem über
dem sich einzelne Zellen separieren und in Mikro­      einen Bonding-Prozess verbunden wurden.
titerplatten platzieren lassen. Der Kanal, durch den
die Zellsuspensionen eingefüllt werden, verjüngt
sich in einen engen, unten offenen Siliziumkanal.
Durch ein elektromagnetisch ausgelöstes Klopfen
auf eine Siliziummembran lassen sich am Ausgang
immer gleich grosse Tropfen erzeugen. Über eine
Kamera können dann Tropfen, die eine, mehrere
oder keine Zellen enthalten, automatisch unter-
schieden und entsprechend platziert werden.

HSE • AG Geschäftsbericht 2020                                                                            25
Facts & Figures
zum Geschäftsjahr 2020
 HSE•AG konnte im Jahr 2020 die Kundenbasis ein weiteres Mal erheblich erweitern und den
 Umsatz mit Neukunden um 63 Prozent steigern. Das Geschäftsergebnis wurde jedoch durch
 die Corona-­Pandemie belastet. Insbesondere der Absatz von OEM-Produkten brach stark
 ein und erholte sich erst gegen Ende Jahr wieder langsam. Zudem verzögerte sich der Start
 mehrerer Entwicklungsprojekte, und auch die Akquisition war erschwert.

 Die wichtigsten Kennzahlen

 Im Jahr 2020 erreichte HSE•AG einen Umsatz von MCHF 10,873,
 was einer Reduktion von 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
 Es resultierte ein EBIT von CHF 368’732 (2019: 658’532).

 Dieses Geschäftsresultat führte zu den folgenden Kennzahlen:

                                                   113
35,55
                                                   Vorjahr: 47
                                               Liquiditätsfaktor 1

     Vorjahr: 13,59
   Bewertung der
Partizipationsscheine

                          32 %
                           Vorjahr: 28 %
                     Eigenfinanzierungsgrad

 26
FACTS & FIGURES

Gewinnverwendung

                                                                        2020             2019

 Bilanzgewinn, anfangs Geschäftsperiode                   CHF            1’221’749.57        715’831.56

 Jahresgewinn                                             CHF               287’768.87       505’918.01

 Verfügbarer Bilanzgewinn                                 CHF           1’509’518.44      1’221’749.57

Der Verwaltungsrat beantragt der Generalversammlung, den Gewinn folgendermassen zu verwenden:

                                                                        2020             2019

 Ausrichtung einer Dividende von                          CHF           0                0

 Zuweisung an die gesetzlichen Reserven                   CHF           0                0

 Zuweisung an die freien Reserven                         CHF           0                0

 Vortrag auf neue Rechnung                                CHF           1’509’518.44      1’221’749.57

 Verfügbarer Bilanzgewinn                                 CHF           1’509’518.44     1’221’749.57

Revision der Jahresrechnung                         Risikobewertung

Die Jahresrechnung der Hombrechtikon Systems        HSE•AG hat bereits im ersten Jahr des Bestehens ein
Engineering AG für das den Zeitraum vom 1. Januar   Qualitätsmanagementsystem nach ISO 13485:2016
2020 bis 31. Dezember 2020 umfassende Geschäfts-    zur Entwicklung von IVD-Systemen (In-vitro-Diagnos-
jahr 2020 wurde per 19.4.2021 von der Treucontrol   tik) aufgebaut. Dieses wurde im November 2020 ein
AG als externe Revisionsstelle nach dem Schweizer   weiteres Mal erfolgreich rezertifiziert. Integraler Be-
Standard zur Eingeschränkten Revision geprüft.      standteil des Systems ist ein Risikomanagement. Um

HSE • AG Geschäftsbericht 2020                                                                            27
sowohl Risiken als auch Chancen frühzeitig erkennen     Mitarbeitenden-Beteiligungsprogramm
zu können, überprüft HSE•AG regelmässig interne
und externe Faktoren im gesamten Unternehmens-          Ein wichtiger Grundpfeiler für den langfristigen Ge-
umfeld. Basis dieser Überprüfung sind die für den Ab-   schäftserfolg von HSE•AG ist das mit dem Abschluss
schluss nach Schweizer Obligationenrecht ermittelten    des ersten Geschäftsjahres gestartete Mitarbeiten-
Finanzdaten sowie die Risikofinanzzahlen gemäss         den-Beteiligungsprogramm. Über dieses können
den regulatorischen Anforderungen.                      ausgewählte Mitarbeitende Partizipationsscheine
                                                        erwerben. Deren Wert ist stark an den Unterneh-
Mitarbeitenden-Kompetenzen                              menserfolg gekoppelt. Der Zweck, die detaillierten
                                                        Teilnahmebedingungen und die Wertberechnung
HSE•AG verfügt über eine aussergewöhnliche              der Mitarbeitenden-Beteiligung sind in einem
Know-how-Breite und -Tiefe. Die Mitarbeitenden          Reglement festgehalten.
stammen aus 10 verschiedenen Ländern. Ihre
Kompetenzen decken das gesamte Spektrum der             Per Ende des Geschäftsjahrs entspricht der Wert
Technologie- und Projektumsetzungsanforderungen         der Partizipationsscheine dem Faktor 35,55 (2019:
im Bereich der Entwicklung von Molekularbiolo-          Faktor 13,59) des ursprünglich festgesetzten Nomi-
gie-basierten Life Sciences- und Diagnostiklösungen     nalwerts von CHF 0.01. Im Jahr 2021 werden die Mit-
ab. Sie sind in Kombination mit der langjährigen Er-    arbeitenden weitere Partizipationsscheine erwer-
fahrung die Basis, auf der sich HSE•AG entscheiden-     ben können. Bisher haben sich rund 80 Prozent der
de Wettbewerbsvorteile erarbeiten kann.                 bei HSE•AG Beschäftigten am Unternehmen betei-
                                                        ligt. Dieser hohe Anteil zeigt, dass auch die Mitarbei-
Mitarbeitenden-Entwicklung                              tenden ein grosses Vertrauen in die Nachhaltigkeit
                                                        des Geschäftsmodells von HSE•AG haben.
Der Personalbestand wurde im Jahr 2020 von
56 auf 51 Mitarbeitende reduziert. Zusätzlich zu
den 51 Mit­arbeitenden bilden wir zwei Lehrlinge (ein
KV-Lehrling und ein IMS-Praktikant) aus, was eine
Lehrstellenquote von rund 3,9 Prozent ergibt.

Die Fluktuationsrate blieb auch im Jahr 2020
unter 10 Prozent. Sie liegt damit in einem bran-
chenüblichen Rahmen. Die Tatsache, dass im Be-
richtsjahr alle offenen Stellen besetzt werden konn-
ten, zeigt, dass HSE•AG im hart umkämpften
internationalen Arbeitsmarkt für hochqualifizierte
Fachkräfte gut positioniert ist.

                                                                     80 %
                            51
                                                               der Mitarbeitenden haben
                                                                sich an HSE•AG beteiligt

                        Mitarbeitende                   2
                                                  Lehrlinge

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