"Hier kann nur noch ein Zusammen-schluss der Mieter helfen" - 100-Jahr-Jubiläum Mieterinnen- und Mieterverband Bern Festschrift - Christof Berger
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Festschrift 100-Jahr-Jubiläum Mieterinnen- und Mieterverband Bern «Hier kann nur noch ein Zusammen- schluss der Mieter helfen» 1
Inhaltsverzeichnis Vorwort 2 Wohnsituation in der Stadt Bern um die Jahrhundertwende 4 1899: erster Zusammenschluss als Mieter-Ring-Bern bzw. Mieterverein 6 1900: erste städtische Wohninitiative wird lanciert: «Spitalacker-Initiative» 7 Kommunale Wohnungspolitik in der Stadt Bern 14 1918: «Mieterschutzverband der Stadt Bern und Umgebung» gegründet 17 Der Verband entwickelt sich 21 Über uns: der Mieterinnen- und Mieterverband in Kürze 27 Anhang 28 Bibliographie 32 Mieterinnen- und Mieterverband Regionalgruppe Bern und Umgebung Monbijoustrasse 61, 3007 Bern Impressum: Herausgeberin: Mieterinnen- und Mieterverband Regionalgruppe Bern und Umgebung, Bern Redaktion: Natalie Imboden Mitarbeit: Simone Widmer Korrektorat: Käthi von Wartburg Layout: Christof Berger Druck: Druckerei Hofer, Bümpliz Auflage: 250 Stück 1
Vorwort Natalie Imboden, Präsidentin Mieterinnen- und Mieterverband Bern und Umgebung Der heutige Mieterinnen- und Mieterver- zu mässigen Preisen» erstellen solle. Die lichen Fragen und das Engagement für genü- Vorstand mit Überzeugung für die Anliegen band Stadt Bern und Umgebung wurde Volksabstimmung ging verloren. gend und bezahlbaren Wohnraum. Oder wie der Mieterinnen und Mieter ein. Dies im Sin- zweimal gegründet. Erstmals im Jahr 1899 es die Grundsatzerklärung zum 75. Jubiläum ne der Grundsatzerklärung vom Juni 1993: als «Mieterverein». Trotz diverser Verbands- Die definitive Gründung im Oktober 1918 im Titel treffend formulierte: «Wohnraum er- «Als aktiver Wohnungsmarkt-Beobachter aktivitäten war dem Verein keine Kontinuität fand in einer Zeit statt, die von der schlech- halten und mehren – Rechte der Mietenden und politischer Interessenvertreter in der vergönnt. So fand am 13. Oktober 1918 die ten Versorgungslage im 1. Weltkrieg, wahren». Thema war 1993 auch die Stadt- Region will sich der MVB bei den Behörden zweite und definitive Gründung als «Mieter- verschiedenen Kundgebungen gegen die entwicklungspolitik mit dem Motto: «Wir für die Interessen seiner Mitglieder ein- schutzverband der Stadt Bern und Umge- Teuerung, einer eingebrochenen Bauindus- kämpfen um jeden Quadratmeter Wohn- setzen.» Dies in der Tradition der Geschich- bung» statt. trie, grosser Wohnungsnot und drohender raum!». In Zeiten von Verdrängung einkom- te – mit Blick auf die Zukunft und konkret Obdachlosigkeit geprägt war. Nur wenige mensschwächerer Mieterinnen und Mieter, aufgrund aktueller Herausforderungen für Steigende Mieten, Wohnungsnot, schlechte Wochen nach der Gründung beendete am Gentrifizierung und Verlust an Wohnraum die Mieterinnen und Mieter. Wohnverhältnisse und die besondere Situ- 9. November 1918 der Waffenstillstand für die Bevölkerung wegen Buchungsplatt- ation als junge Bundeshauptstadt prägten den 1. Weltkrieg und kurz darauf fand der formen ist dies aktueller denn je! An dieser Stelle sei den Vorstandsmitglie- die Wohnsituation in der Stadt Bern um die landesweite Generalstreik statt. dern der Regionalgruppe*, allen Mitgliedern Jahrhundertwende. Die Probleme auf dem Die vorliegende Broschüre über die Anfänge sowohl den aktiven wie auch denen aus der Wohnungsmarkt wurden bereits 1896 in Die Vereinsgründung hatte zum Ziel, Mit- der Mieterinnen- und Mieterbewegung kann Vergangenheit herzlich für ihr Engagement einer umfangreichen «Wohnungsenquête» glieder gegen «ungerechtfertigte Kündigun- keinen wissenschaftlichen Anspruch erhe- für die Interessen der Mieterinnen und dokumentiert. gen und Mietzinserhöhungen zu schützen». ben. So ist die Verbandsgeschichte lücken- Mieter gedankt. Mit dem Zusammenschluss sollten die haft und anhand der vorhandenen Quellen Daher ist die Gründung des Mietervereins Interessen der Mieterinnen und Mieter ab Mitte der 60er Jahre noch aufzuarbeiten. Ein spezieller Dank geht an alle, die zur 1899 nur die logische Folge. Die formulier- gegenüber den Vermietern und der Politik Auch über die Situation in den Nachbarge- Entstehung und Erarbeitung dieser Broschü- ten Vereinsziele ähneln den heutigen in wirksam vertreten werden, was in der Folge meinden ist wenig dokumentiert, auch wenn re beigetragen haben, u. a. Sabina Meier, grossen Teilen. Einerseits wurden die Mit- immer wieder gelang. Sicher haben für den beide Vereinsgründungen explizit auch die Esther Neuhaus, Rolf Zimmermann, Stadt- glieder mit juristischem Rat und einer Woh- Zusammenschluss auch die Erfahrungen an- Umgebungsgemeinden von Bern umfassten. archiv Bern, Simone Widmer, Rudolf Strahm, nungsvermittlung unterstützt, andererseits derer Städte wie Zürich und Basel gewirkt, Ebenso ist keine klare Trennung zwischen Richard Püntener, Margrith Beyeler, Emil sollten die Bedingungen für Mieterinnen wo seit 1891 Mietervereine aktiv waren. dem Mieterinnen- und Mieterverband Bern Erne und der Vorstand MV Regionalgruppe und Mieter mittels politischer Tätigkeit ver- Ebenso gab es einen Austausch im Rahmen und Umgebung und der 2001 gegründeten Bern und Umgebung. bessert werden, indem günstige Wohnun- gesamtschweizerischer Zusammenkünfte, Kantonalsektion des MV Bern möglich. gen und bessere Gesetze gefordert wurden. insbesondere des sich am 31. Januar 1915 in Auch die kantonale Mietergeschichte unter Für den Vorstand der MV-Regionalgruppe Thema waren aber auch «kinderfeindliche» der Stadt Biel definitiv gegründeten Schwei- Berücksichtigung von Biel oder Burgdorf ist Mieterinnen- und Mieterverband Bern und Vermieter oder die Forderung nach der zer Mieterinnen- und Mieterverbandes. noch zu schreiben. Umgebung «Verbesserung der Verkehrsmittel». Bereits Natalie Imboden, Präsidentin 1900 lancierte der Mieterverein eine städ- Trotz allem Wandel sowohl sozial, politisch, Nach der Gründung der Kantonalsektion des tische Wohninitiative mit der Forderung, wirtschaftlich und auch beim Wohnungsbau MV Kanton Bern per 1. Januar 2001 setzte dass in einem Stadterschliessungsquartier sind viele Themen in den letzten Jahrzehn- die Regionalgruppe Bern und Umgebung * Vorstandsmitglieder (2018): Christof Berger, Rithy Cheng, Lukas Gutzwiler, Natalie Imboden, Carole (Spitalacker/Breitenrain) die Stadt Bern ten sehr ähnlich geblieben. Nämlich die ihre politische Tätigkeit fort. Als Regional- Klopfstein, Marieke Kruit, Sabina Meier, Jürg Moser, selber überbauen und dort «Wohnungen Unterstützung der Mitglieder in mietrecht- gruppe Bern und Umgebung setzt sich der Lena Sorg, Christian Roth, Regula Tschanz. 2 3
Wohnsituation in der Abb. 1: Wohnungs-Enquête Stadt Bern 1886, veröffentlicht 1899. Stadt Bern um die Jahrhundertwende Starkes wirtschaftliches Wachstum im Be- Wohnungen relativ höher als diejenigen in gung der Angelegenheit Die Resultate der Woh- reich des Bau- und Metallgewerbes und im grösseren, weniger eng bewohnten Wohnun- von neuem an die Hand nungsenquête zeigten, dass Dienstleistungssektor führte nach der Mitte gen. Auch galt: Je schlechter die Stellung genommen werden». 5 die Lage bedenklich war. des 19. Jahrhunderts zu einem Bevölke- des Vermieters oder des Mieters bzw. der Autor war der in der Mate- Nebst baulichen Mängeln rungswachstum in der Stadt Bern. 1 Auch Mieterin, desto höher fielen die Mieten aus. rie erfahrene Statistiker – so gab es unter den ca. der Entscheid zur Bundeshauptstadt und Das führte dazu, dass die untere Schicht der Carl Landolt. 6 Ab 1888 10‘000 untersuchten Woh- der Anschluss an das nationale Eisenbahn- Mieter für den qualitativ minderwertigsten beschäftigte sich Carl nungen in der Stadt Bern netz trugen nach 1860 zu einem beträcht- Wohnraum die höchsten Mieten bezahlte. Landolt als Mitarbeiter an fast 4500 Wohnungen ganz lichen Stadtwachstum bei. Die Stadt Bern Diese Ausgangslage bewegte die Gemeinde der Basler Wohnungsen- ohne Wasseranschluss und wurde zu einem attraktiven Wohn- und Bern dazu, im Wyler und in Ausserholligen quête. 1892–94 war er Mitarbeiter des Eidg. fast 7500 ohne Ventilation, Beleuchtung und Arbeitsplatz. 1910 lebten dreimal so viele gemeinnützige Wohnbausiedlungen zu Statistischen Amts und des Eidg. Betrei- Wasserspülung – stellte man auch die hohe Menschen in Bern wie noch 1850. Zwischen errichten. Auf dem Wylerfeld entstanden bungs- und Konkursamts, 1894–95 Gehilfe Dichte der Bevölkerung fest. Auch die Woh- 1890 und 1900 betrug die Zuwachsrate über zwischen 1889 und 1890 100 Sozialwoh- des statistischen Amts der Stadt Zürich, nungspreise waren mit durchschnittlich 172 100%. Im Westen der Stadt, in der Lorraine nungen. Damit war Bern die erste Stadt, die 1895–1900 Statistiker der Stadt Bern. Er war Fr. für ein Zimmer viel höher als in anderen und im westlichen Breitenrain entstanden ein solches Sozialprojekt realisierte. Der auch Bearbeiter der Wohnungsenquêten der Städten, wo durchschnittliche Zimmerpreise neue Aussenquartiere, meist mehrstöckige kommunale Wohnungsbau machte jedoch, Städte Bern (1899), Winterthur (1901), St. zwischen 121 Fr. in Winterthur und 160 Fr. Miethäuser. Daneben entstanden auch Vil- wie in der ganzen Schweiz, nur einen sehr Gallen (1901) und Zürich (1902–06) und war in Zürich lagen. Auch im Vergleich mit dem lenviertel, so im Kirchenfeld. Die Begüterten geringen Teil am Gesamtvolumen des Woh- 1901–02 Sekretär des Zürcher Mieterver- Ausland waren die Berner Zimmerpreise zogen aus der Innenstadt fort. 2 nungsbaus aus. ³ Weitere Anstrengungen eins. Die Ziele der Wohnungsenquête waren unverhältnismässig hoch. So bezahlte man in wurden in der Länggasse durch eine private die Revision der die Wohnungsverhältnisse Hannover lediglich 124 Fr. für ein Zimmer. 8 Die Stadtberner Bevölkerung, wie auch in Aktiengesellschaft unternommen – es ent- betreffenden Polizeiverordnungen, die Vor- anderen Grossstädten, begann sich bald stand das Hallerhaus zur Unterbringung von bereitungen zu einem Wohnungsgesetz und Um das Publikum der Berner Tagwacht mit einer zunehmenden Verknappung des Personen, die von öffentlicher Unterstüt- Fingerzeige für die zukünftige Bautätigkeit. zu orientieren, wurde am 22. Februar die Wohnraumes und steigenden Mietpreisen zung abhängig waren. 4 Die Untersuchung und Auswertung nahm Diskussion des Stadtrates zur Wohnungs- auseinanderzusetzen. Infolge der schlech- einige Zeit in Anspruch, das 700-seitige Do- enquête vom Dezember 1898 veröffentlicht. ten Wohnverhältnisse war die Sterblichkeit Um eine Übersicht über die Berner Wohn- kument mit den Ergebnissen wurde schluss- Aus dem Protokoll dieser Stadtratssitzung: stark angestiegen – vor allem in der unteren verhältnisse zu erhalten, wurde 1896 nach endlich 1899 veröffentlicht. 7 Dr. Brüstlein (SP): «Die Gemeinde Bern hat Altstadt und im Lorrainequartier, den klas- dem Vorbild anderer Städte eine Wohnungs- ein Interesse an derselben [Wohnungsen- sischen Arbeiterquartieren. Wohnungen von enquête durchgeführt. In den zuständigen Mietpreise Zürich – Basel – Bern quête], weil deren Ergebnisse auf ihre ganze schlechter Qualität waren oft überbelegt, da Räten wurde die Untersuchung allerdings (Vierzimmer-Wohnung, Jahresmiete) Baupolitik von Einfluss sein werden. Die die Mieter und Mieterinnen häufig familien- immer wieder verschoben. Erst als die 1913 1920 1924 Diff. % Gemeinde ist bekanntlich Eigentümerin von fremde Untermieter aufnehmen mussten, «öffentliche Meinung immer energischer die Bern 1055 Fr. 1528 Fr. 1956 Fr. + 85% umfangreichem Bauterrain auf dem Spital- um die Miete bezahlen zu können. Daher Vornahme der Untersuchung forderte und Basel 890 Fr. 1292 Fr. 1504 Fr. + 69% acker, und die Meinungen gehen darüber waren viele Unterschichtswohnungen über- unter andern 22 Gassenleiste und Vereine Zürich 1104 Fr. 1480 Fr. 1680 Fr. + 52% auseinander, was man damit anfangen füllt. Ein Zimmer wurde durchschnittlich von eine Petition an den Stadtrat richteten, solle. Ich glaube, die Wohnungsenquête Carl Wirth; Mieterschutz, in: Rote Revue 4, 1924-1925, zwei Personen bewohnt. Auch waren um die worin die Vornahme einer Wohnungsunter- S. 176-186. könnte uns in dieser Beziehung gewisse Jahrhundertwende die Mietpreise kleinerer suchung verlangt wurde, konnte die Erledi- Fingerzeige geben.» 9 4 5
1899: erster Abb. 2 (unten): Aufruf zur Unterschriftensammlung 1900, Intelligenzblatt 8. Mai 1900. 1900: erste städtische Zusammenschluss als Wohninitiative wird lanciert: Mieter-Ring-Bern bzw. «Spitalacker-Initiative» Mieterverein Aufgrund der herrschenden Wohnungsnot 6. durch unentgeltlichen, rechtlichen Rat Lösung der Wohnungsfrage in Bern er (der Die Initiative und der daraus resultierenden schwierigen an die Vereinsmitglieder in Mietsange- Gemeinderat) zu ergreifen und wie er insbe- Es herrschte also in Bern konstant eine Lage der MieterInnen schloss sich unter legenheiten und Besorgung schriftlicher sondere das Gemeindeland auf dem Spital- Wohnungsnot. An der ersten Generalver- dem Namen Mieter-Ring Bern Anfang des Eingaben an Behörden […] gegen billige ackerfeld hierzu heranzuziehen gedenke», sammlung des neugegründeten Mieter- Jahres 1899 eine «Anzahl Bürger verschie- Entschädigung; habe dieser im entgegenkommenden Sinne vereins am 29. Mai 1899 waren u. a. die denen Standes» zusammen. Als Vorbild 7. durch Anstrebung von Verbesserungen dahin beanwortet, «dass von ihm alles Not- Resultate der durchgeführten Wohnungsen- diente ihnen der «Verein der Mieter» in Zü- der Verkehrsmittel; wendige getan werde, um diese Frage nach quête ein Thema. Herr Büttel, Beamter der rich. Die Gründung des Mieter-Ringes wurde 8. durch Vermittlung von Preisermässigun- allen Richtungen hin behandeln zu können.» Jura-Simplon-Bahn, beantragte, dass der im Stadtanzeiger ausgeschrieben. Das hatte gen auf verschiedenen Lebensbedürf- Der Mieterverein wird die Angelegenheit im Vorstand des Mietervereins Schritte ergrei- Erfolg und kurze Zeit später hatte der Verein nissen usw. 10 Auge behalten, um namentlich dem Mangel fen solle, «damit die Gemeinde Wohnungen bereits 100 Mitglieder. Als Ziel hatte sich an billigen kleinen und mittleren Wohnun- auf dem ihr gehörigen Terrain erstelle». 14 der Mieter-Ring gesetzt, die Interessen der Der Name Mieter-Ring verliert sich und es gen abzuhelfen. Die statutarisch vorgese- Ausserdem forderte er «die Ausstellung von Mieter Berns, namentlich diejenigen ihrer wird seither vom «Mieterverein» gespro- hene Wohnungsvermittlung wird eingeführt Normal-Mietverträgen, in welchen auch die Mitglieder, zu wahren und zu fördern. Die- chen. Dem Mieterverein durften laut Sta- und dem «Bureau Brüstlein und Z’graggen» Rechte des Mieters gewahrt würden. Der ses Ziel sollte durch folgende Massnahmen tuten nur Mieter angehören, welche ihren übertragen. Es wird auch ein Mietvertrag Vorstand erklärte sich bereit, für die Ver- erreicht werden: Verpflichtungen nachkamen, sprich welche ausgearbeitet, welcher Vereinsmitgliedern wirklichung dieser Anträge nach Kräften zu 1. Erstellung, Ankauf und Pachtung von ihre Mieten rechtzeitig zahlten. Damit wurde gratis zur Verfügung steht. Für Nichtmitglie- arbeiten.» 15 Auf dieser Grundlage wurde die Wohnhäusern mit billigen Wohnungen den Vermietern, welche die Wohnungsver- der kostet er 5 Rappen pro Stück. 13 Wohninitative, auch Spitalacker-Initiative, und Vermietung derselben; mittlung des Mietervereins in Anspruch nah- im Mai 1900 gestartet und kam am 16. De- 2. Betrieb eines Bureaus für Vermietung men, eine gewisse Garantie geboten. 11 zember desselben Jahres zur Abstimmung. von Wohnungen und Geschäftslokalen; Der Initiativtext lautete: 3. durch Anlegung einer Kontrolle über Am 29. Mai 1899 findet die Generalver- «Wollt ihr, dass die Einwohnergemeinde ungesunde, schlecht ventilierte und sammlung des Mietervereins Bern im Café Bern das ihr auf dem Spitalackerplateau ge- schlecht unterhaltene Mietobjekte und Merz statt. Thema ist ein Referat zur Woh- hörende Land selbst mit soliden Wohnhäu- sonstige unhaltbare Missstände, ferner nungsenquête. In der Diskussion sind die sern überbaue und dabei besonders auf die über rücksichtslose, kinderfeindliche misslichen Wohnbedingungen im Mat- Einrichtung von zwei- und dreizimmerigen und [unleserlich] Vermieter, Hausver- tequartier Thema. Es werden auch «Nor- Wohnungen zu mässigen Preisen Bedacht walter und Mitbewohner; mal-Mietverträge» gefordert, «in welchen nehme? Ja oder Nein?» 16 4. durch Besprechung aller auf das auch die Rechte des Mieters gewahrt Wohnungswesen bezüglichen Gesetze, würden». 12 Der Vorstand des seit Frühling Am 5. Mai 1900 erscheint im Anzeiger für die Verordnungen und Polizeivorschriften, dieses Jahres bestehenden Mietervereins Stadt Bern ein ganzseitiger Aufruf, der sich Stellung bezüglicher Anträge an Be- richtet an die Vereinsmitglieder ein «Zirku- an die «Hausfrauen», «Wohnungsmieter» hörden und Wahrung der Interessen der lar» und berichtet im November über die Tä- und «Mitbürger» richtet und Bezug auf die Mieter bei Wahlen; tigkeit seit der letzten Generalversammlung. schlechte Wohnqualität und die «ausser- 5. durch geeignete literarische Unterneh- Es wird informiert, dass der Vorstand an ordentlich ungünstigen Wohnverhältnisse» mungen, Reformen im Inseratenwesen den Gemeinderat der Stadt Bern gelangt ist. nimmt, wie sie in der Wohnungsenquête und dergl.; Eine Anfrage «welche Massnahmen für die von 1896 zum Thema gemacht wurden. 6 7
Abb. 3 (linke Seite): Lancierung der Initiative 1900, An- zeiger für die Stadt Bern, 5. Mai 1900. Abb. 4 (rechts): Einer von 85 eingereichten Unterschriften- bogen mit 1089 Unterschriften, 1900. Zweck vorzüglich geeignetes Bauland» hat. Neben der Publikation im Stadtanzeiger werden auch im Intelligenzblatt Hinweise platziert. Dort wird auf Gewerbebetriebe hingewiesen, wo die Unterschriftenbogen aufliegen, darunter mehrere Coiffeurläden. Schon einen Monat später sind die Unter- schriften zusammen. Am 12. Juni 1900 hat der Mieterverein Bern 1089 Unterschriften auf 85 Bogen bei der Staatskanzlei eingereicht. 17 Der Abstimmungskampf diese Institutionen, es werden Reitschule und Die Initiative war umkämpft und es wurde Kornhauskeller genannt, nicht rentierten und viel dafür und dagegen argumentiert. So zum deshalb bei weiteren Kapitalanlagen Vorsicht Beispiel in Leserbriefen im Berner Intelligenz- geboten sei. 19 blatt: Der Einsender stellt zwar fest, dass die Wohnungsnot nicht abzustreiten sei, aber die Auch der Stadtrat selbst hatte finanzielle Gemeinde sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt Bedenken. Die Diskussion im Stadtrat am sowieso finanziell in der Klemme und könne 23. November 1900 zum «Initiativbegehren so auf keinen Fall Spekulationen mit sehr un- des Mietervereins betreffend Erstellung sicherem Ausgang unternehmen. 18 Der Leser von Gemeinde-Wohnhäusern auf dem fragt weiter: «Weiss eigentlich der Mieterver- Spitalacker» endete mit der Empfehlung, ein, was er damit verlangt!?! Weiss er, wie viel die Initiative abzulehnen. Dies mit der Be- Bauterrain die Gemeinde auf dem Spital- gründung, finanziell sei das Projekt nicht Zusätzlich wird thematisiert, dass die lienleben eingreifende Störungen. Es ist ackerplateau besitzt?! Weiss er, dass die so zu realisieren, wie es die Initiant/innen Mietpreise «unverhältnismässig hoch» sind ja allbekannt, dass einem Wohnungssu- Gemeinde dieses Bauterrain nach und nach angedacht hätten. Um eine Rendite mit den und die Einkommen bis zu Hälfte wegfres- chenden der Kindersegen häufig genug ein verkaufen muss, um die Kornhausbrücke Häusern zu erzielen, müssten sie für 1200 Fr. sen. Prominent angesprochen werden die Hindernis bildet, eine passende Wohnung zu bezahlen? Weiss er, dass es schon jetzt vermietet werden, was für damalige Verhält- damals nicht stimmberechtigten Hausfrau- bekommen zu können.» Daher fordert verschiedene Stadtviertel gibt, deren Be- nisse teuer war, und so könne dem Wunsch en: «Hausfrauen, leset diesen Aufruf und der Mieterverein Bern entsprechend dem völkerung immer mehr zurückgeht, ohne dass nach günstigem Wohnraum nicht entspro- machet Eure Männer darauf aufmerksam!». «Hauptzweck seines Bestehens», dass die die Gemeinde diese Entvölkerung noch be- chen werden. 20 «Der Mieter leidet aber nicht nur unter dem «Gemeinde selbst solide, guteingerichtete sonders begünstigt?» Er verweist ausserdem schlechten Zustand vieler Wohnungen und Wohnhäuser erstellt, sie nicht veräussert auf den Leserbrief eines Befürworters, der Nicht nur der Stadtrat und der Stadtprä- den beinahe unerschwinglichen Mietprei- und die Wohnungen direkt an die Woh- statuiert hatte, die Gemeinde habe andere sident sprachen sich gegen die Initiative sen; es erwachsen ihm auch aus seinem nungssuchenden vermietet.» Die Forderung Projekte auch finanzieren können, es sei also aus. Auch der Handwerker- und Gewerbe- Abhängigkeitsverhältnisse vom Vermieter bezieht sich auf das Spitalackerquartier, wo durchaus Geld vorhanden. Der Schreiber, der verein entschloss sich nach einem Vortrag häufig noch andere, in sein intimes Fami- die Gemeinde «genügendes und für diesen sich als Hausbesitzer outet, kontert, dass eines Stadtrates an seiner Versammlung, 8 9
Abb. 5: Verwaltungsakten zur Spitalackerüberbauung und zur Initiative des Mietervereins 1899–1900. die Vorlage zur Verwerfung zu empfehlen. mieten ausgeschriebenen Wohnungen auf Das Areal Spitalacker Zur gegenwärtigen schwierigen Finanzlage die Zahl der leerstehenden zu schliessen», 23 Das Areal auf dem Spitalacker, das bebaut der Stadt zählte Stadtrat Böhme zu dieser so Landolt weiter. «Es kommt dazu noch, werden sollte, gehörte inzwischen der Gelegenheit noch weitere Punkte auf, die dass die auf Ihrem Bureau angemeldeten Stadt Bern. Dieses hatte sie günstig von seiner Meinung nach gegen ein solches Wohnungen nur einen verschwindenden der Burgergemeinde übernehmen können. Projekt sprachen. So seien «nachgewiesen- Bruchteil aller jeweilen ihren Mieter wechseln- Im Gegenzug dazu sollte die Stadt den Bau ermassen mehrere hundert Logis (Woh- den Wohnungen vorstellen, und es kommt der Kornhausbrücke propagieren.31 Die nungen) unbewohnt [und] die Mietzinse im weiter dazu, dass die Berechnungsart, welche Burgergemeinde hatte 1893 den über den Rückgang.» 21 Ausserdem liege es nicht im Sie anwenden, auch wenn Sie wirklich die amtlichen Wert des Unteren Spitalackers Interesse von Handwerkern und Gewerbe, Zahl der leerstehenden Wohnungen wüssten, hinausgehenden Teil des Verkaufspreises dass die Stadt sie konkurriere. Konkurrenz grundfalsch ist und der primitivsten Primar- als Beitrag an den Bau der Kornhausbrücke gebe es schon genügend. schulbildung geradezu ins Gesicht schlägt.» der Stadt überlassen.32 Ein Gemeinderatsbe- Der Tonfall, den er dabei anschlägt, ist eher schluss bestimmte, dass der Erlös aus dem Ein Angestellter der bernischen Wohnungs- brüsk: »Wo haben Sie eigentlich rechnen Verkauf dieser Gelände zur Tilgung der Kos- agentur meldet sich ebenfalls im Intelligenz- gelernt, Herr von Wattenwyl?» Daraufhin ten der Kornhausbrücke verwendet werden blatt zu Wort und argumentiert mittels einer rechnet er vor, wie viele der Berner Woh- Die Sozialdemokratische Partei empfahl soll:33 «Bei Anlass des Baues der Kornhaus- Tabelle, es gebe überhaupt keinen Mangel nungen in Prozenten tatsächlich Drei- oder die Vorlage derweil zur Annahme,27 die frei- brücke in Bern überliess die Bürgergemein- an Zwei- oder Dreizimmerwohnungen in Vierzimmerwohnungen sind, seiner Meinung sinnig-demokratische Parteiversammlung de das ihr gehörende der Bern. Dazu listet er die Wohnungen auf, die nach die Zahlen, die Von Wattenwyl hätte (FDP) konnte sich nicht entscheiden und Einwohnergemeinde als Beitrag an die Kos- pro Monat durchschnittlich von der Agentur benutzen sollen. Er kommt dabei auf 11.5% entschloss sich zur Stimmfreigabe.28 Die ten der Brücke zur Grundsteuerschätzung, vermittelt werden. 22 Vierzimmerwohnungen und 19.3% Drei- Abstimmung fand am Wochenende des 15. die damals sehr niedrig bemessen war.»34 zimmerwohnungen,24 im Gegensatz zu von und 16. Dezembers 1900 statt. Das Resultat Auf die Behauptungen des Mitarbeiters Wattenwyl, der 17% Vierzimmerwohnungen fiel zu Ungunsten des Mietervereins aus. Der Spitalacker, ein nördlich der Altstadt der Wohnungsagentur, H. von Wattenwyl, und 37% Dreizimmerwohnungen in der Stadt In der Abstimmung unterlag die Initiative auf der anderen Seite der Aare gelegenes, reagierte der Statistiker Carl Landolt in der Bern eruiert hatte. 25 mit 3608 Nein- zu 2121 Ja-Stimmen.29 30 Die grosses Grundstück, wurde seit dem Mittel- Berner Tagwacht: «Zum wie vielten Male soll finanziellen Argumente hatten wohl die alter landwirtschaftlich genutzt. Es war im man denn die grundfalsche Ansicht wider- Der Mieterverband versuchte mittels eines Wohnungsnot überflügelt. Besitz des Burgerspitals der Stadt Bern, legen, dass die Zahl der in den Blättern Leserbriefes im Intelligenzblatt selbst die was ihm den Namen «Spitalacker» eintrug. ausgeschriebenen oder auf den Wohnungs- Fakten ins richtige Licht zu rücken: Es hand- Mit dem Stadtwachstum im 19. Jahrhundert agenturen angemeldeten Wohnungen mit le sich keinesfalls um den Bau von Villen, entstand nördlich dieser Freifläche das der Zahl der leeren Wohnungen etwas zu tun wie das in einem ähnlichen, vom Stadtbau- rasch wachsende Breitenrain-Quartier. Die [sic!] habe.» Landolt führt aus, dass jede amt ausgearbeiteten Projekt vorgesehen Nähe der Stadt legte eine Überbauung der Wohnung, aus der jemand auszieht, aus- sei, sondern um Zwei- und Dreizimmerwoh- Fläche nahe. Der Volksbeschluss zum Bau geschrieben werden muss, was allerdings nungen. Ausserdem bedeute die Initiative der Kornhausbrücke, der am 23. Oktober nicht heisse, dass diese auch leerstünde. nicht eine schwere Belastung der Gemein- 1892 angenommen wurde, beinhaltete auch «Es widerspricht darum geradezu dem ein- definanzen, sondern es biete sich hier eine die Bebauung des Spitalackers. fachsten Denken, aus der Zahl der zum Ver- sichere Kapitalanlage an. 26 10 11
So entstand eines der ersten am Reissbrett Zwischen nationaler Vernetzung und Aarau zur allerdings kurzlebigen Gründung geplanten Quartiere der Stadt Bern. Der schwankendem lokalem Interesse des «Verbands schweizerischer Mieterver- erste Bebauungsplan des Viktoriaplatzes Nachdem der Mieterverein in den ersten eine» durch Delegierte aus Bern, Zürich, mit Brückenzufahrt wurde 1904 durch die Jahren regen Zulauf hatte verzeichnen kön- Winterthur und St. Gallen. Als Organ wurde städtische Baudirektion erstellt, dies «zum nen, nahm dieser nach und nach wieder ab. der Zürcher «Wohnungsmieter» bestimmt. Zwecke, den Verkauf des Landes zu beför- Bereits im Oktober 1900, also kurz vor der Aus der Abschlussresolution: «Es wird den dern». Als nun der Grund nach Verhandlun- Abstimmung, wurde ein Desinteresse am städtischen Gemeinwesen gegenüber der gen mit Privaten dem Stadtrat zum Verkauf Mieterverein beklagt. Der Mitgliederbeitrag Wunsch ausgesprochen, dieselben möch- unterbreitet wurde, erhob dieser Einwände, betrug damals 2 Franken. 36 ten ihren Grundbesitz nicht veräussern, worauf 1907 ein Änderungsvorschlag des sondern zur Selbstbehauptung mit unver- Bernischen Ingenieur- und Architekturver- Im Jahr 1902 bekamen die Mitglieder des käuflichen Wohnhäusern für die Bedürf- eins (SIA) folgte. Dessen Projekt umfasste Mieterverbandes in Bern die Zeitschrift nisse der weniger Bemittelten reservieren.» für «die Grundfläche der für Hausbauten be- «Der Wohnungsmieter» vom Mieterverband Doch bereits im Jahr danach war von einer Abb. 6 + 7 (oben): Kreuzung Wyttenbachstrasse/Viktoria- stimmten Bauplätze» 48‘830m2, was einem rain, 1910er Jahre. Da die Spekulation die Bodenpreise Zürich zugestellt. 37 Verschiebung der Delegiertenversammlung Zusatz von 10% gegenüber dem Projekt der enorm in die Höhe trieb, wurden kurz vor dem Ersten Welt- die Rede. 40 krieg Mietkasernen gebaut, die einen möglichst hohen Stadt entsprach und einen Mehrerlös von Ertrag abwerfen sollten. Im Volksmund «Hypothekenfried- Bereits 1891 wurden in Basel und Zürich 240‘000 Franken bedeutete. Der Gesamt- hof» genannt. aufgrund grosser Wohnungsnot erste Mie- 1915 berief der Mieterverein Genf einen Bebauungsplan Spitalackerfeld 1900. Massstab 1:2000. erlös wurde auf rund 2.4 Millionen Franken terorganisationen nach deutschem Vorbild Schweiz. Mieterkongress in Biel ein, wo der Abb. 8 (unten): Häuser an der Badgasse vor 1926. Die veranschlagt. Die Kosten der vorgesehenen 1911 gegründete Gemeinnützige Baugenossenschaft Bern gegründet. Eine wichtige Basis lieferten Schweizerischer Mieterbund mit Zentral- Gebäude wurden auf 20 Millionen Franken liess bis 1932 das schlechte Wohngebiet etappenweise Wohnungsenquêten (z. B. diejenige von Karl vorstand in Zürich gegründet wurde (heute abreissen und neu überbauen. geschätzt. «es scheint daher wohl gerecht- Bücher in Basel 1889), welche die katastro- Schweiz. Mieterinnen- und Mieterverband, fertigt, dass einer so bedeutenden Bautä- phalen Wohnverhältnisse in den städt. MV). In der Berner Presse wurden die Forde- tigkeit auf möglichst rationelle und weit- Arbeiterquartieren dokumentierten. Die rungen und Versammlungen der Mieterver- herzige Weise die Wege geöffnet werden», Gründung von Mietervereinen war zudem eine auf schweizerischer Ebene regelmässig bilanzierte O. W. im Baublatt. 35 eine Antwort auf die entstandenen Haus- thematisiert, wie auch der Aufruf 1900 für eigentümerverbände. 38 In Bern war der Ver- einen Mieterverein Schweiz. 41 band der Haus- und Grundeigentümer 1917 gegründet worden (zu Beginn in der Form Lokal stockte aber die Verbandsentwick- einer Genossenschaft). 39 lung. So stellte die ausserordentliche Versammlung Ende 1905 fest, dass von den Bereits 1895 gab es vom MV Zürich (ge- ursprünglich 400 Mitgliedern noch 120 ver- gründet 1891) ein erstes Zirkularschreiben blieben waren. Davon kamen ganze zwölf für die Gründung eines Zentralverbandes an die einberufene Versammlung. Man ent- an diverse Vereine auch in Bern und in Biel, schied sich aber dennoch, dem Verein noch offenbar ohne Echo. Am 19. November 1901 eine Chance zu geben, anstatt ihn direkt zu kam es auf Einladung des Mietervereins liquidieren. Es verliert sich hier aber jede Bern an einer Delegiertenversammlung in Spur des Vereines. 42 12 13
Kommunale Abb. 9 (unten): Detailplan der inneren Stadtgebietsteile im Rahmen der Wohnungs-Enquête 1986. Wohnungspolitik in der Stadt Bern Parallel zur hektischen Bautätigkeit zwi- 1889: Berner Wohnungsenquête 1910: Städtisches Wohnungsamt wird Wohnungskrise im 1. Weltkrieg und schen 1880 und 1910 nahm die Zahl der Mie- Unmittelbar nach der Veröffentlichung der eröffnet staatliches Handeln ter und Mieterinnen sprunghaft zu. In den Ergebnisse der Wohnungsenquête von 1889 Da entsprechende Räumlichkeiten vor- Während des 1. Weltkriegs litt der Woh- grösseren Städten lag der Anteil der Miet- – die neben Bern in fast allen grösseren erst fehlten, konnte das Amt jedoch erst nungsbau schweizweit unter der Be- wohnungen am Wohnungsbestand bereits Schweizer Städten durchgeführt worden im September 1910 eröffnet werden. Die völkerungsabnahme, der allgemeinen vor 1900 bei 77 bis 86% wie in Bern. Ein war, um die Gestaltung, die Nutzung und Aufgaben des Wohnungsamts bestanden Unsicherheit und dem Mangel an Kapital, grosses Thema war der Wohnungsmangel, den hygienischen Zustand des vorhande- in der Vermittlung von Wohnungen, Ge- Baumaterialien und Arbeitskräften. Waren so z. B. ab 1870 in Bern wegen des Zuzugs nen Wohnraums zu erfassen – beantragte schäftsräumen und Werkstätten. Unter der 1911–14 in den 26 grössten Gemeinden zahlreicher eidgenössischer Beamter. Die die sozialdemokratische Stadtratsfraktion Bezeichnung Arbeitslosen- und Wohnungs- noch 20‘139 Wohnungen erstellt worden, so Gemeinden waren gefordert. Bern war die am 26. Januar 1900 die Schaffung eines fürsorge bildete das Arbeitsamt zusammen waren es 1915–18 nur mehr 4744. erste Stadt, die sich ab 1890 am Wohnungs- städtischen Wohnungsnachweises. Es mit dem Wohnungsamt seit 1920 den dritten bau beteiligte. 1889 veranlasste die Ge- dauerte jedoch bis zum Jahr 1908, bis die Zweig der Direktion der sozialen Fürsorge. Der 1. Weltkrieg brachte den staatlichen meinde Bern den Bau von Arbeiterwohnun- Kommission für den Arbeitsnachweis und Da neben dem Wohnungsamt auch die Wohnungsbau vorerst zum Stillstand. Erst gen, später folgten Lausanne, Neuenburg, die Arbeitslosenversicherung die Frage des Liegenschaftsverwaltung Wohnungen an mit der ausserordentlichen Wohnungsnot Genf und Zürich, wo die Wohnbauförderung Wohnungsnachweises erneut aufnahmen. interessierte Personen vermittelte, wurde von 1918–19 verdichteten sich die vereinzel- 1907 in der Gemeindeordnung festgeschrie- das Wohnungsamt auf den 1. Mai 1955 der ten Versuche zu Ansätzen einer Wohnungs- ben wurde. Der kommunale Wohnungsbau Die Kommissionsmitglieder besuchten eine Liegenschaftsverwaltung angegliedert. politik mit Subventionen von Bund, Kan- machte jedoch immer nur einen kleinen Teil Reihe von bestehenden Wohnungsämtern in 1967 kamen noch die Obdachlosen- und tonen und Gemeinden, die allerdings 1924 am Gesamtvolumen des Wohnungsbaus deutschen Städten, um sich einen Überblick Wohnungsfürsorge dazu. 44 vom Bund sowie Anfang der 1930er Jahre aus. 1931 wurden in der ganzen Schweiz über deren Organisation und Betrieb zu ver- von Gemeinden und Kantonen zum grössten 3508 Wohnungen gebaut, davon 1773 in schaffen. Auf deren Empfehlung beschloss Am 25. Juli 1917 erliess der Gemeinderat Teil wieder gestrichen wurden. Die Woh- Zürich und 638 in Bern. der Stadtrat am 10. Juli 1908, in Bern eben- eine Verordnung, wonach eine «sog. Miet- nungsknappheit in den Städten war 1919 falls ein Wohnungsamt zu errichten. kommission» errichtet wurde, welche dem auf dem Höhepunkt. Damals verzeichneten Ab 1910 wurden die Wohnungen – wie in Gewerbegericht angegliedert wurde. Diese Zürich mit 0,05% sowie Bern und Basel mit vielen anderen Schweizer Gemeinden – wie- befasste sich mit Streitfällen wie «Zinserhö- je 0,2% äusserst geringe Leerwohnungsbe- der rar. In den folgenden Jahren verbesserte hungen und Kündigungen». Aufgrund der stände, was eine allgemeine Erhöhung der sich die Situation überall in der Schweiz Arbeitslast musste die Zahl der Beisitzer auf Mietzinse nach sich zog. Der Bund antwor- ausser in Bern, wo die Verwaltung weiter 20 erhöht werden, paritätisch 10 Vermieter tete auf die daraus resultierenden sozialen wuchs. Ausserdem ging dort - im Gegensatz und 10 Mieter. 45 Zudem wurde die Woh- Unruhen mit einer Reihe von Erlassen zum zu anderen Städten - die Zahl der Auslände- nungsmarktstatistik regelmässig erhoben Schutz der Mieterinnen und Mieter, zur Be- rinnen und Ausländer ab 1914 nicht zurück. und auch veröffentlicht. Die Leerwohnungs- schlagnahmung unbenutzter Wohnungen Im Jahr 1902 gab es in der Stadt Bern eine ziffer betrug im Mai 1916 0.4%. und zur Förderung des Wohnungsbaus. Er städtische Kommission und es wurde poli- gewährte günstige Kredite sowie Subventio- tisch ein Wohnungsgesetz diskutiert. Auch nen à fonds perdu. Die Gemeinden erstellten wurde die Forderung nach einem städti- 1919–24 1517 Wohnungen, mehr als je zuvor. schen Wohnungsamt laut. 43 Die Fördermassnahmen endeten 1924 mit der Liberalisierung der Mieten. 46 14 15
Abb. 10 (rechte Seite): Ankündigung im Intelligenzblatt, 11. Oktober 1918. 1918: «Mieterschutzverband der Stadt Bern und Umgebung» gegründet Auch die Stadt Bern erliess am 18./19. De- die nach der Umzugsphase am 1. November Initiativkomitee Bierhübeli tritt in Aktion zember 1920 diverse Massnahmen gegen 1919 obdachlos geworden wären und in Aber auch in der Stadt Bern gab es unter- die «Wohnungsnot», so den Beschluss von Schulhäusern hätten untergebracht werden schiedliche Aktivitäten. So ist im August 1918 «Gemeindewohnbauten auf dem Wyler», aber müssen. Das wiederum ärgerte die Schul- die Gründung der «Bernische Wohnungsbau- auch die Gewährung von Mietzinsbeiträgen kommission, welche die Schulhäuser lieber genossenschaft» mit einer «Vertrauensmän- bis Fr. 300.–. Zudem gab es Massnahmen für ihren ursprünglichen Zweck benutzt nerversammlung» dokumentiert. 53 Und am «zur Verhinderung des Umbaus, der Umwand- hätte. Die Mietpreise stiegen weiterhin, 22. September 1918, am Sonntagmorgen um lung sowie der Vereinigung von Wohnungen». angetrieben durch den Wohnungsmangel, 9 Uhr, fand im Volkshaus die «Gründungs- teilweise wurden Mietpreiserhöhungen von versammlung der Mieter» in der Form einer «Zur Verhütung weiterer Obdachlosigkeit 100% festgestellt. Das Wohnungsamt der Genossenschaft statt. Diese nahm Bezug auf wurde gegen die Umwandlung und den Um- Stadt Bern war überfordert und die Melde- die kürzlich gegründete Wohnungsbauge- bau von Wohnungen sowie die Vereinigung pflicht der Vermieter wurde oft ignoriert. nossenschaft und Mieterthemen. Hier gibt es mehrerer Wohnungen in 12 Fällen Einspra- auch erstmals den Hinweis, dass ebenfalls che erhoben, woduch das Vorhaben verhin- Ausserdem verschärfte ein Bundesratsbe- am gleichen Sonntag, den 22. September dert und die Wohnungen dem Wohnungs- schluss zum Eigenbedarf von Wohnungen 1918 am Nachmittag eine Versammlung statt- markt erhalten bleiben konnten.» 47 durch BesitzerInnen die Lage der MieterInnen. fand, «die ein anonymes Initiativkomitee auf So verfügte der Bundesrat, dass die «Kündi- Sonntagnachmittag im Bierhübeli einbe- 1918/1919: Berner Wohnungsnot gungen dann gerechtfertigt seien, wenn der ruft». 54 Es ist davon auszugehen, dass das Ende der 1910er Jahre herrschte in Bern Hausbesitzer die Wohnung für sich oder seine Initiativkomitee Bierhübeli am 22. Septem- nach wie vor Wohnungsnot. Die vom nächsten Angehörigen brauche.» 49 ber 1918 die Gründung des Mieterverbandes Gemeinderat geforderte Verlängerung in die Wege leitete. Gemäss Ankündigung des Wohnungsmoratoriums wurde durch Wie virulent das Thema Wohnungsnot 1918 findet am 13. Oktober 1918 die Versammlung Tage unterkommen werden; begreiflicher- den Bundesrat vorerst nicht genehmigt, war, zeigen Aktivitäten auf verschiedenen des gegründeten «Mieterschutzverband der weise sagen die Baracken und Schulhäuser dann aber wurde es doch verlängert: «Der Ebenen. Es gab ein «Initiativkomitee zum Stadt Bern und Umgebung» statt und zwar nicht gerade zu. Andere werden von dem Bundesrat hat sich den von der Gemeinde Kampf gegen die Wohnungsnot» und der ebenfalls im Bierhübeli. Anwesend soll auch Gespenst der Mietzinserhöhung geplagt. ins Treffen geführten Beweisstücken nicht Stadtberner Gemeinderat gelangte an den ein Vertreter des Schweizer Mieterverbandes Entweder haben sie auf diese einzugehen, verschliessen können und er hat deshalb Regierungsrat betreffend Änderung der gewesen sein. 55 oder, wenn sie dies nicht wollen, fliegt ihnen gestern folgenden Beschluss gefasst: Regelung der Mietkommission. 50 Zudem die Kündigung auf den Tisch. Was richtet Die Gemeinde Bern wird ermächtigt an- wurde 1919–25 von den Architekten Franz Die grosse Wohnungsnot und drohende aber der einzelne aus gegen diese Not? zuordnen, dass Personen und Familien, Trachsel und Otto Ingold das Weissenstein- Obdachlosigkeit führten im Oktober 1918 Hier kann nur noch ein Zusammenschluss deren Mietvertrag auf den 1. November gut Bern der Eisenbahnergenossenschaft zu folgendem Artikel im Intelligenzblatt der der Mieter helfen. Und je mehr sich zusam- 1919 abläuft und die bis dahin kein ande- als Arbeitersiedlung erbaut. Stadt Bern: menschliessen, desto nachdrücklicher und res Obdach gefunden haben, vorläufig in «Zur Wohnungsnot. rascher der Erfolg. Dieser Zusammenschluss den gemieteten Wohnräumen verbleiben Auch in der Stadt Burgdorf war die Schaf- Der erste November naht, der grosse Tag ist bereits erfolgt. Aus dem Initiativ-Komitee, können. Damit ist der ersten Programmfor- fung einer Wohnungskommission Thema. 51 des Umzugs. Für viele ist es aber nicht ein das seinerzeit die Bierhübeliversammlung derung des Mieterschutzverbandes Genüge Zudem setzte der Bundesrat auf Bundes- solcher, sondern ein Auszug. Denn viele einberief, hat sich ein «Mieterschutzverband getan. 48 Man rechnete mit 60–70 Familien, ebene eine Kommission ein. 52 wissen heute noch nicht, wo sie an diesem der Stadt Bern und Umgebung» konstituiert. 16 17
Dieser Verband sieht vor, seine Mitglieder räumen in Geschäftsräume, ein sofortiges Wohnungsnot und Mieterschutz 1. Die sofortige Verschärfung der obligatorischen gegen ungerechtfertigte Kündigungen und Einschreiten gegen sprunghaft ansteigende «Der seit einem Jahr bestehende Mieterschutzver- Meldepflicht und die Übertragung der Wohnungs- band berief auf Freitagabend ins Café des Alpes vermittlung an das städtische Wohnungsamt. Mietzinserhöhungen zu schützen. Er wird Mietzinse und Massnahmen gegen unlau- 2. Sofortiges, striktes Verbot jeder weiteren Um- eine öffentliche Versammlung ein, die sehr zahl- zu diesem Zwecke, wie auch zu weiterer tere Manipulation bei der Vermietung von reich von Mietern der verschiedenen Stadtquartie- wandlung von Wohnräumen in Geschäftslokalitä- Auskunftserteilung, ein ständiges, von Wohnungen. 59 re besucht war. Der Verbandspräsident, Herr Roth, ten und Bureaux, welches insbesondere von den einem Juristen geleitetes Auskunftsbureau erstattete Bericht über die bisherige Tätigkeit des Bundesverwaltungen zu beachten ist. Verbandes. Die Notmassnahmen sind noch lange 3. Sofortiges wirksames Einschreiten gegen die schaffen, das den Mitgliedern gratis zur Ver- Verbandsaktivitäten – Sekretariat in der sprunghaft steigenden Mietzinse; Festsetzung nicht imstande, der Wohnungskalamität abzu- fügung stehen wird. Der Verband sieht auch Wyttenbachstrasse helfen; immer sicherer treiben wir der Wohnungs- der Mietzinse durch die Wohnungen vermittelnde noch sonstige Vergünstigungen für seine In den folgenden Monaten ist der Mie- katastrophe entgegen. Der Leiter der Auskunfts- Behörde bei Abschluss neuer Verträge. Mitglieder vor.» (…) «Es sei an dieser Stelle terschutzverband aktiv und fordert den stelle, Herr Fürsprech Dr. Oesch, teilte mit, dass 4. Massnahmen gegen unlautere Manipulationen der Verband von März bis heute 50 Mieterrekurse bei der Vermietung von Wohnungen. Massnah- noch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass «Schutz gegen Emissionen» und ein Bleibe- men gegen die Umgehung der Mietschutzinstan- glücklich durchführte, und gab verschiedene Aus- genannter Verband politisch auf durchaus recht gegen Obdachlosigkeit zum Zügel- künfte über das Verhalten der Mieter gegenüber zen durch befristete Mietverträge. neutralem Boden steht.» 56 termin vom 1. November. 60 Für das Jahr 1919 ungerechten Forderungen. Die Ausführungen Zum Schlusse erklärten zahlreiche Anwesende ist ein Aufruf des Mieterschutzverbandes der beiden Referenten wurden in eine Resolution ihren Beitritt zum Mieterschutzverband. zusammengefasst, die den kantonalen und eid- Der neugegründete Verband hatte vor, dokumentiert, befristete Mietverträge an *** genössischen Behörden unterbreitet werden soll seine Mitglieder gegen ungerechtfertigte das Sekretariat an der Wyttenbachstrasse und in erster Linie Schaffung eines Moratoriums Wir hatten schon früher Gelegenheit, der Woh- Kündigungen und Mietzinserhöhungen zu 29 (Nordquartier) zu melden. 61 Der Mieter- für obdachlose Mieter, deren auf 1. November 150 nungsnot der Berner eingehende Besprechungen schützen. Dafür sollte ein Auskunftsbureau schutzverband ist auch in den Medien mit sein werden, verlangt. zu widmen, und wir betonten damals, dass für Ferner stellt der Mieterschutzverband fest, dass den Augenblick die Verlängerung des Wohnungs- geschaffen werde, das den Mitgliedern gra- einem grösseren Artikel mit dem Titel «Mie- moratoriums unerlässlich erscheine. Der Bundes- die durch den Bundesratsbeschluss betreffend tis zur Verfügung stehen sollte. Extra wurde terschutz, Wohnungsfrage und Siedlungs- Förderung der Hochbautätigkeit vom 23. Mai rat hat sich den von der Gemeinde ins Treffen darauf hingewiesen, dass der Verband politik» präsent. 62 1919 geweckten Hoffnungen bezüglich baldigen geführten Beweisstücken nicht verschliessen kön- politisch neutral sei. 57 Wohnungsbaus keineswegs erfüllt worden sind. nen und hat deshalb gestern folgenden Beschluss Die in Aussicht genommenen Subventionssum- gefasst: Die Gemeinde Bern wird ermächtigt, Im Oktober 1919 findet die Versammlung anzuordnen, dass Personen und Familien, deren men sind völlig ungenügend, die Erledigung des Somit war der heutige Mieterschutzverband des Mieterschutzverbandes, ein Jahr nach Subventionsgesuches lässt viel zu lange auf sich Mietvertrag auf 1. November 1919 abläuft und die gegründet. Unter seinem ersten Präsiden- Gründung im Café des Alpes statt. Präsi- warten. Soll die Mietnot in den grössten Zentren, bis dahin kein anderes Obdach gefunden haben, ten, einem Herrn Roth, machte sich der Ver- diert wird die Versammlung vom Präsiden- insbesondere in Bern, nicht zu einer eigentlichen vorläufig in den gemieteten Wohnräumen verblei- Wohnungskatastrophe werden, ist die sofortige ben können. Damit ist der ersten Programmforde- band an die Arbeit. 58 Im ersten Jahr wurden ten Herrn Roth, wohnhaft an der Wylerring- rung des Mieterschutzverbandes Genüge getan. Aufnahme der Wohnungsbautätigkeit im Sinne vor allem Mieterrekurse bearbeitet, aber strasse 28. Vertreten ist auch der Leiter der einer Normalisierung von Bauart und Bautyp zur Eine solche Verfügung darf nur von Fall zu Fall auch politische Forderungen aufgestellt. Auskunftsstelle «Fürsprech, Herr Oesch». Verbilligung der Baukosten dringend nötig. auf Grund einer Prüfung der Umstände und nach So wurden u. a. bei den kantonalen und Er hatte seit der Gründung 50 Rekurse zu Im Anschluss an dieses Postulat verlangt der Mie- Anhörung beider Mietparteien getroffen werden. terschutzverband, dass die zuständigen Behörden Eine Verfügung soll jedenfalls unterbleiben, eidgenössischen Behörden Resolutionen bearbeiten. Aktuell ist weiterhin die Forde- wenn sie nicht getroffen werden kann, ohne dass unverzüglich an die Frage der Erstellung eines eingereicht, die mehr Wohnungen forderten. rung nach einem Moratorium, da weiterhin Expropriationsrechtes zugunsten des gemeinnüt- andere Personen dadurch obdachlos werden. Die Auch mehr Schutz für Mieter war eine der obdachlose Mieter in der Stadt leben. 63 zigen Wohnungsbaues herantreten. Gemeinde haftet den Vermietern für den ihnen Hauptforderungen des Mieterschutzver- Schliesslich wird der Ausbau des Mieterschutzes aus den getroffenen Verfügungen erwachsenen auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung Schaden, der im Streitfalle durch den Richter zu bandes. Dazu gehörte eine Verschärfung bestimmen ist. Der Beschluss tritt sofort in Kraft.» verlangt – im Sinne der am 7. September 1919 vom der Meldepflicht für leere Wohnungen, schweizerischen Mieterbund aufgestellten Richtli- ein Verbot von Umwandlungen von Wohn- nien. In der Stadt Bern ist insbesondere notwendig: (Intelligenzblatt, 18. 10. 1919) 18 19
Abb. 11 (oben): Mitgliederaufruf 1900, Intelligenzblatt, 3. März 1900. Der Verband entwickelt sich Abb. 12 (unten): Broschüre: «Ratgeber für Mieter» 1921. Der Berner Mieterschutzverband ist auch Für die 1920er Jahre finden sich noch einige im Rahmen des Schweizer Mieterverbandes Hinweise zur Verbandtätigkeit, es fehlen präsent. 64 So tagt am 31. August 1920 der aber vertiefte Recherchen in Zeitungsarchi- Schweizer Mieterverband in Bern. National ven. Ab Mitte der 1960er Jahre existieren hat der Verband damals 14‘500 Mitglieder. Unterlagen des Verbandes in der Form von Auch im Jahr 1922 trifft sich der Verband der Protokollen von Generalversammlungen Schweizer Mietvereine in Bern u.a für ein und Vorstandssitzungen, welche Grundlage Treffen mit Bundesrat Häberlin. für die folgenden Ausführungen sind. Eine vertiefte Sichtung und Aufarbeitung der vor- Die Wohnungspolitik und das Handeln des handenen Quellen ist aber noch zu leisten. Mieterverbandes gehen über die Stadt Bern hinaus. So findet am 27. Oktober 1920 eine Die Statuten aus dem Jahr 1953 dokumentie- «Öffentliche Versammlung des Mieter- ren die Verbandsgründung am 13. Oktober schutzverbandes» im kantonalen Grossrats- 1918. Am 2. März 1954 wurden die Statuten saal statt. 65 Thema ist die «Ausgestaltung erneuert und genehmigt. Unterzeichnet sind des Mieterschutzes». 66 Der Regierungsrat sie vom Präsidenten Alfred Heer und vom des Kantons Bern hat durch Verordnung Sekretär H. V. Berg. vom 14. September 1920 den Bundesrats- beschluss vom 9. April 1920 betreffend die Bis im Jahr 1965 befindet sich das Sekre- Bekämpfung der Miet- und Wohnungsnot tariat im Karl Schenk-Haus, an der Spital- ausgeführt. 67 gasse 5 (heute Herren Globus). Im Jahr 1965 erfolgt der Umzug des Sekretariats an die Monbijoustrasse 61, wo es sich auch heute noch befindet. Ein Thema ist damals die Leerwohnungsziffer, die in der Stadt Bern 1966 tiefe 0.04% beträgt, was ganze 21 Wohnungen bedeutet, die verfügbar sind. Zwei Jahre später im Jahr 1968 zeigt sich ein ähnliches Bild: Leerwohnungsziffer 0.07%, was von 59‘896 Wohnungen 44 freie be- deutet. Gegenüberliegende Seite (von oben): Am 20. Oktober 1967 verabschieden der Abb. 13: Werbinserat in der Broschüre «Ratgeber für Mieter» 1921. Mieterverband Bern und der Hauseigentü- Abb. 14: Beitritts-Erklärung in der Broschüre «Ratgeber für merverband Bern gemeinsam «Richtlinien Mieter» 1921. Abb. 15: Älteste erhaltene Statuten des Mieterverbandes für Wohnungsrückgaben». Aber auch sonst aus dem Jahr 1953. ist der Verband aktiv. Im Jahr 1967 ver- 20 21
Abb. 16 (linke Seite oben): Plakat für Standaktionen (nicht datiert). Abb. 17 (linke Seite unten): Mitteilungsblatt Mieterverband Bern, Nr. 1 1981. Abb. 18 (links): Einzahlungsschein und Legitimationskarte Mitgliederbeitrag 1978. Abb. 19 (unten): Kampagne zur Mitgliederwerbung (Kinodia). Wohnungs- markt: «Diese völlig ungenügen- de Wohn- bauproduk- tion wirkt sich nicht nur negativ auf den Leerwohnungsbestand und damit auf den Wohnungsmarkt aus, sondern bewirkt auch bilanziert der Präsident Fabio Tanner 1993 eine unerwünschte Abwanderung von Fami- rückblickend. Die Rechtsauskunft geht lien aus der Stadt in die Region. In diesem von Guido Rieder («die graue Eminenz und Zusammenhang muss darauf hingewiesen das Herz des Mieterverbandes Bern») neu zeichnet der Verband 2500 Konsultationen, werden, dass die Einwohnerzahl der Stadt an Bettina Steinlin und Richard Püntener 149 «Schadensfälle» bei der Mieterver- Bern seit 1962 von 166‘200 auf weniger als über. Zur «Professionalisierung» gehört sicherung, 280 Einsprachen beim Mietamt 146‘000 abgenommen hat. Gerade deshalb auch «die Züglete an die Monbijoustrasse wegen Kündigungen. Der Verband hat 4000 wäre die Förderung des Baues von preis- in eigene Räume». Es entstehen weite- Mitglieder und ist die zweitgrösste Sektion günstigen Familienwohnungen in der Stadt re Kantonalsektionen, so in den Ämtern der Schweiz. Der Jahresbeitrag beträgt Bern unerlässlich.» 68 Fraubrunnen, Seftigen, Interlaken, Thun. 69 Fr. 8.–, zusätzlich Fr. 9.– für die Mieterver- Diese Ausweitung in den Kanton führt am sicherung. Die Verbandsrechnung 1967 hat 1979 beträgt der Jahresbeitrag Fr. 20.–, zu- 13. Juni 1984 zur Gründung der Vereinigung Ausgaben von Fr. 36‘052.70 bei Einnahmen sätzlich Fr. 17.– für die Mieterversicherung. Bernischer Mieterverbände MBV, einem von Fr. 33‘804 und schliesst mit einem 1980 sind wichtige Themen der Ausbau Vorläufer für die Kantonalisierung des Ver- Gewinn von Fr. 2248.70 ab. Das Vermögen der Rechtsberatung, die Einführung eines bandes. Im gleichen Jahr ist der Verband beträgt Fr. 25‘108.30. Rechtsschutzes für Mitglieder und die Auf- kantonal engagiert. Die kantonale Wohn- nahme von Verhandlungen mit dem HEV bauinitiative (getragen vom MV zusammen 1969 kommt es zu einem Wechsel an Bern «über einen Paritätischen Mietvertrag mit der SP und dem Gewerkschaftskartell) der Verbandsspitze. Der vormalige Vize- für die Region Bern.» 1981 erscheint die wird vom Grossrat ohne Gegenvorschlag präsident Ruedi Röthlisberger (Präsident erste Nummer des «offiziellen Organs» in abgelehnt. Erfolgreich ist der Mieterverband 1969–1979) übernimmt die Nachfolge des neuem Gewand und erscheint quartalswei- in der Stadt Bern. Dort wird 1985 über eine im Amt verstorbenen Präsidenten Alfred se bis Ende 1993. 1983 zählt der Verband «Wohninitiative» getragen von MV und SP Hug, Fürsprecher. Fürsprecher G. Rieder ist 5260 Mitglieder. abgestimmt, woraus ein neues Wohnbau- die juristische Anlaufstelle. Er empfängt reglement und der Fonds für Boden- und KlientInnen an der Genfergasse 3. Während der 80er Jahre kommt es zu einer Wohnbaupolitik entsteht. 70 Verdoppelung der Mitglieder von 4000 auf Im Oktober 1978 erscheint neu das «Mit- 8000. «Die Professionalisierung und der Ende 1993 erscheint die letzte Nummer des teilungsblatt Mieterverband Bern» und Ausbau der Dienstleistungen brachte eine MVB-Blattes. Hintergrund ist, dass es natio- thematisiert die aktuelle Situation auf dem Explosion der Mitgliederzahlen mit sich», nal neu das «Mieten & Wohnen» gibt. 22 23
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