Christen in Konflikten - Nr. 2 | 1.3.2021 - Evangelische Mission Weltweit

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Christen in Konflikten - Nr. 2 | 1.3.2021 - Evangelische Mission Weltweit
Nr. 2 | 1.3.2021

Christen
in Konflikten
Beispiele aus afrikanischen Staaten
Christen in Konflikten - Nr. 2 | 1.3.2021 - Evangelische Mission Weltweit
Christen in Konflikten

                                                           Zur Situation
Zu diesem Dossier                                          der Christen
Es geht uns alle an, wenn Menschen aufgrund ihres
Glaubens und ihrer Religion diskriminiert, bedrängt
                                                           in Afrika
und verfolgt werden. Christ*innen setzten sich dafür
                                                           Kurz vor Weihnachten 2020 veranstaltete
ein, dass Menschen weltweit auch in ihren religiösen
                                                           die Russisch-orthodoxe Kirche (ROK) eine
Rechten geschützt werden.
                                                           Online-Konferenz über die Verfolgung von
   In der Passionszeit stehen Not und Leiden anderer       Christen in Afrika. Ziel sei es, „eine inter-
im Fokus. Wir lassen uns informieren und gedenken in       konfessionelle ,Allianz für die Verteidigung
der Fürbitte derer, die Gewalt erleiden. Und wir denken    der verfolgten Christen in Afrika‘ zu grün-
darüber nach, wie wir all diejenigen stärken können,       den“, sagte der Leiter des Außenamtes des
die sich für gewaltfreie und nachhaltige Lösungen von      Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion
Konflikten einsetzen.                                      Alfejew. Zu einem Vortrag eingeladen wurde
                                                           auch Peter Prove, Direktor der Kommission
   Dieses Dossier beleuchtet die Situation von Christen
                                                           der Kirchen für Internationale Angelegen-
in Afrika und ist an einer differenzierten Betrachtungs-
                                                           heiten (CCIA) des Ökumenischen Rates der
weise der Kontexte und Konflikte interessiert. Beispiele   Kirchen. Sein englischer Redetext ist hier
aus den Regionen des afrikanischen Kontinents zeigen       gekürzt wiedergegeben.
Gründe für Bedrängnis und Verfolgung. Auch staatli-
cher Druck, wirtschaftliche Interessen sowie kulturelle    Die Situation der Christen in Afrika liegt uns im
und soziale Vorurteile sind zu berücksichtigen, um die     ÖRK sehr am Herzen. Wir haben Mitgliedskir-
Situation angemessen zu beurteilen.                        chen in 38 der 54 Länder des afrikanischen Kon-
                                                           tinents – aus einem sehr vielfältigen Spektrum
   Es ist wichtig, auf die Not der leidenden Geschwis-
                                                           von orthodoxen, lutherischen, reformierten,
ter im Glauben aufmerksam zu machen und Wege zu
                                                           anglikanischen, methodistischen, baptistischen,
suchen, wie wir unterstützen und in ökumenischer
                                                           evangelikalen, pfingstlerischen und afrikani-
Verbundenheit helfen können. Es ist richtig, danach        schen unabhängigen Kirchen.
zu fragen, wie die jeweilige Situation verbessert und         Es ist oft gesagt worden, dass die Zukunft des
Bedrängnis und Verfolgung beendet werden können.           Christentums in Afrika liege. Zwischen 1910 und
Beispiele in diesem Dossier zeigen, dass das Wohl des      2010 ist nach Untersuchungen des Pew Research
jeweiligen Landes und seiner Bewohner*innen immer          Center der Anteil der Christen an der Bevölke-
das Ziel bleiben muss. Denn alle haben den Anspruch
                                                           rung in Afrika südlich der Sahara von weniger
                                                           als 10 Prozent auf 63 Prozent gestiegen. Einer
auf die gleichen Rechte: Nur so ist Frieden langfristig
                                                           von vier Christen auf der Welt ist jetzt Afrikaner.
möglich.
                                                           Es wird geschätzt, dass dieser Anteil bis 2030
   Die Kirchen werden nicht aufhören, auf Unrecht und      auf 40 Prozent ansteigen und sich die Zahl der
Gewalt hinzuweisen und sie werden sich weiter dafür        Christen in Afrika bis 2050 verdoppeln wird.
engagieren, dass Christ*innen in der Situation der            Neben diesem außerordentlichen demogra-
Bedrängnis und der Verfolgung nicht allein gelassen        phischen Wachstum erleben Kirchen und Chris-
werden. Das Beispiel des christlich-muslimischen En-       ten in Afrika gleichzeitig eine zunehmende Zahl
gagements für Respekt und Kooperation zeigt, dass die      von gewalttätigen Übergriffen und anderen
                                                           Formen der Unterdrückung, und zwar nicht nur,
Bereitschaft zu Versöhnung und Dialog Früchte trägt
                                                           wenn sie sich in einer Minderheitensituation be-
und Frieden schaffen kann.
                                                           finden, sondern auch dort, wo sie die Mehrheit
                                                           der Bevölkerung stellen oder eine fest etablierte
Rainer Kiefer, Direktor                                    historische Position im Leben ihres Landes ein-
Evangelische Mission Weltweit                              nehmen.
1. März 2021                                                  Aber unabhängig davon, ob Christen direkt
                                                           zur Zielscheibe werden oder ob sie zusammen
                                                           mit anderen Mitgliedern der Gemeinschaft unter
                                                           Situationen von Gewalt und Instabilität leiden,
                                                           ist der ÖRK zunehmend besorgt über die Aus-

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Christen in Konflikten

wirkungen solcher Situationen auf Kirchen und       vom jordanischen Königshaus errichtetes Institut,
Christen in einer beträchtlichen Anzahl von Län-    das sich auch dem christlich-muslimischen Dialog
dern auf dem afrikanischen Kontinent. Mehrere       verschrieben hat, Anm.d.Red) und soll Frieden
Länder in der Sahelzone werden von islamisti-       und Harmonie zwischen Menschen verschiede-
schen Extremistengruppen heimgesucht, die oft       ner Religionen fördern.
mobil sind, grenzüberschreitend operieren, und         Sowohl in Burkina Faso als auch in Nigeria –
militärisch schwer zu bekämpfen sind.               und in einer Reihe anderer Länder, die mit ähn-
    Ein typischer Fall, mit dem wir 2019 konfron-   lichen gewalttätigen islamistischen Angriffen
tiert wurden, war Burkina Faso. Nach einer          konfrontiert sind, insbesondere in der Sahelzone,
Reihe von brutalen Angriffen extremistischer        aber auch kürzlich in Mosambik – ist es offen-
Kämpfer strömten mehr als 45.000 Vertriebene        sichtlich, dass die Art der Bedrohung durch sol-
nach Kongoussi. Wir erhielten verzweifelte Mit-     che extremistischen Gruppen eine regionsweite
teilungen von Pfarrer Tegwende Leonard Kinda        Reaktion erfordert. Der ÖRK ruft zu einer kon-
von der Vereinigung der evangelisch-reformier-      zertierteren und effektiveren Zusammenarbeit
ten Kirchen in Burkina Faso, dass 242 Menschen      zwischen den Regierungen des afrikanischen
auf dem Gelände seiner Kirche Zuflucht gesucht      Kontinents auf, um der Bedrohung zu begegnen.
hatten, während Militante unbehelligt von Re-          Angriffe auf Christen hat es auch in Ländern
gierungstruppen umherstreiften.                     gegeben, in denen es seit langem einheimische
    Die Situation in Nigeria ist eine große aktu-   Christen gibt, insbesondere in Ägypten und
elle Sorge. Nigeria ist das bevölkerungsreichste    Äthiopien, entweder im Zusammenhang mit zu-
Land Afrikas, mit vielen verschiedenen Glau-        nehmenden religiös-extremistischen Einflüssen
bensgemeinschaften und einem lebendigen             oder mit politischen Entwicklungen, die zu eth-
kirchlichen und ökumenischen Leben. Doch            nisch-religiösen Spannungen führen.
wie der Exekutivausschuss des ÖRK auf seiner           In Ägypten stellen religiöse Intoleranz und
Tagung im Juli 2020 feststellte, hat die jüngste    sektiererische Gewalt gegen koptische Christen
Welle gewalttätiger Angriffe im Norden Nigerias     eine Bedrohung für eine der ältesten christli-
erneut viele Menschenleben gekostet, viel Eigen-    chen Gemeinschaften der Welt dar. Seit 2011
tum zerstört und zu einer weiteren Vertreibung      wurden Hunderte von ägyptischen Kopten bei
der betroffenen Menschen und Gemeinschaften         sektiererischen Angriffen getötet, und viele
geführt. Christliche Gemeinschaften und kirch-      Häuser, Kirchen und Geschäfte wurden zerstört.
liche Leiter gehören zu denjenigen, die von sol-    Allzu oft haben die Strafverfolgungsbehörden es
chen Angriffen schwer betroffen sind. Die wach-     versäumt, die Verantwortlichkeit für diese Ver-
sende Unsicherheit im Nordwesten des Landes         brechen zur Rechenschaft zu ziehen.
kommt zu den Herausforderungen hinzu, die der          Auf der jüngsten Tagung des ÖRK-Exekuti-
seit langem andauernde Aufstand der extremis-       vausschusses im November 2020 war die Situa-
tischen Boko Haram im Nordosten des Landes          tion in Äthiopien ein Schwerpunkt. Dort werden
mit sich bringt.                                    bestehende ethnische und religiöse Differenzen
    Der Exekutivausschuss beobachtete gleich-       durch Politiker und Extremisten angeheizt und
zeitig Zeichen der Hoffnung, die sich aus dem       instrumentalisiert. Der ÖRK verurteilte die
Dienst der Kirchen in Nigeria zusammen mit          zahlreichen gewalttätigen Angriffe auf Kirchen
ihren ökumenischen, interreligiösen und inter-      und Gemeinschaften durch bewaffnete Gruppen,
nationalen Partnern ergeben. So spielen die Kir-    von denen insbesondere die äthiopisch-orthodo-
chen eine Führungsrolle bei friedensbildenden       xe Tewahedo-Kirche betroffen war.
Initiativen. Ein herausragendes Beispiel ist die       Leider geht die Bedrohung für christliche
Einrichtung des Zentrums für Friedensbildung        Gemeinschaften in Afrika manchmal von ihren
und Traumaheilung am Institut für Kirche und        eigenen Regierungen aus – entweder durch ihr
Gesellschaft in Jos im Jahr 2016. Es gibt aber      Handeln oder ihre Untätigkeit. Auf der Tagung
auch eine verstärkte interreligiöse Zusammen-       des ÖRK-Zentralausschusses im Juni 2018 muss-
arbeit für den Frieden, u.a. durch den Interre-     ten wir mit Bedauern feststellen, dass die größte
ligiösen Rat von Nigeria. Der Zusammenarbeit        Bedrohung für Zivilisten im Kongo von den eige-
zwischen nigerianischen Christen und Muslimen       nen Sicherheitskräften ausging. Sicherheitskräf-
soll das Internationale Zentrum für interreligiö-   te der Regierung hatten sogar auf das Gelände
sen Frieden und Harmonie in Kaduna dienen. Es       katholischer Kirchen geschossen, um friedliche
wurde unterstützt vom ÖRK und dem Royal Aal         Gottesdienste und Prozessionen nach der Sonn-
al-Bayt Institute for Islamic Thought (ein 1980     tagsmesse zu stören, wobei mindestens 18 Men-

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schen getötet und zahlreiche weitere verletzt und     terhin tun, gemeinsam mit allen Partnern, die
verhaftet wurden. Und in den westlichen Provin-       dieses Recht für alle Menschen gleichermaßen
zen Kameruns, die von Konflikten und Gewalt           unterstützen.
betroffen sind, fürchten die Mitglieder unserer          Ich möchte hier nicht schließen, ohne die
Kirchen dort die regierungseigenen Streitkräfte       Beispiele interreligiöser Solidarität und Un-
ebenso sehr wie die militanten Aufständischen.        terstützung hervorzuheben, die wir ebenfalls
Und in allzu vielen Fällen herrscht Straflosigkeit,   beobachtet und erlebt haben. Sie gehören zu
wenn staatliche Akteure die Rechte von Christen       den stärksten möglichen Antworten auf die be-
und anderen Bürgern verletzen.                        schriebenen Bedrohungen. Denn die Zukunft
   In all diesen geschilderten Situationen ist die    bedrohter christlicher Gemeinschaften ist auf
Freiheit der Religionsausübung bedroht. Men-          das Engste mit dem Leben und der Entwicklung
schen haben das Recht, als Einzelne oder in Ge-       der Gesellschaften verbunden, in denen sie le-
meinschaft, in der Öffentlichkeit oder privat, ihre   ben. Deshalb müssen wir aktiv und gemeinsam
Religion oder ihren Glauben in Lehre, Praxis und      für die gleichen Rechte aller Menschen in diesen
Gottesdienst auszudrücken. Für dieses Recht hat       Ländern eintreten. Dies ist das wichtigste Mittel
der ÖRK schon zur Zeit der Ausarbeitung der All-      zum Schutz der Christen vor Verfolgung.
gemeinen Erklärung der Menschenrechte in den                  Übersetzung und Bearbeitung: Martin Keiper
Jahren 1946 bis 1948 gekämpft, und er tut dies
bis zum heutigen Tag. Wir werden dies auch wei-       ÖRK-Pressemeldung

„Christenverfolgung“ – Problematik
eines Begriffs
Mitte Januar legte die Organisation „Open             Die Bundesregierung richtete 2018 das Amt ei-
Doors“ ihren „Weltverfolgungsindex“ vor,              nes Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit
„eine Rangliste von den 50 Ländern, in denen          ein, der zweite Bericht der Bundesregierung zur
Christen am stärksten verfolgt werden“, wie           weltweiten Lage der Religionsfreiheit erschien
es in der Präsentation auf der Website heißt.         im Oktober 2010.
Es herrsche derzeit „die größte Christenver-
folgung aller Zeiten“, betroffen seien in die-           Die höchste Aufmerksamkeit erringt jedoch
sen Ländern 309 Millionen Christen.                   zu Beginn jedes Jahres der „Weltverfolgungsin-
                                                      dex“, der ausschließlich Christen im Fokus hat.
Tatsache ist, dass es Länder gibt, in denen Chris-    Wie andere evangelikale Organisationen folgt
tinnen ihres Glaubens wegen diskriminiert, be-        Open Doors nach eigener Darstellung bei der De-
drängt oder benachteiligt werden, in manchen          finition von Christenverfolgung „einem weiten
müssen sie sogar im ihr Leben fürchten. Wer dies      Verständnis des Begriffs“ und bezieht diese nicht
thematisiere, schrieb ein Autor der ZEIT, werde       nur auf Verfolgung durch staatliche Stellen, son-
schnell „als islamophob oder rechtsextrem ge-         dern auch zum Beispiel dann, „wenn Gläubige
brandmarkt“, die wahre Gefahr liege jedoch im         mit Konsequenzen für Familie, Besitz, Leib und
Verschweigen. Dass das Thema Religionsfreiheit        Leben rechnen müssen“ – egal durch wen. „Nach
verschwiegen werde, kann jedoch nicht ernst-          diesem Ansatz ist Verfolgung definiert als jeg-
haft behauptet werden. Seit 2010 ruft die EKD         liche Art von erlebter Anfeindung aufgrund der
am Sonntag Reminiszere auf, „in Gottesdiensten        Identifikation einer Person mit Christus. Dies
und Gebeten in besonderer Weise auf die Leiden-       kann feindselige Haltungen, Worte und Hand-
serfahrungen von Christen in anderen Ländern          lungen gegenüber Christen umfassen.“ Wel-
aufmerksam zu machen und Anteil zu nehmen“.           chen Begriff man verwende, sehe man aber als
2013 haben die EKD und die katholische Bi-            zweitrangig an, da es Open Doors „in erster Linie
schofskonferenz erstmals ihren „Ökumenischen          um die Christen als Personen“ gehe, die um ihres
Bericht zur Religionsfreiheit von Christen“ ver-      Glaubens willen verfolgt werden.
öffentlicht, 2017 erschien die zweite Ausgabe.

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Christen in Konflikten

                             Demgegenüber vertreten die EKD und die              Nordkorea (Platz 1 des Index) oder bei Ländern
                          Deutsche Bischofskonferenz eine andere Defini-         wie Afghanistan, Libyen oder Eritrea, jedoch
                          tion: Im „Ökumenischen Bericht zur Religions-          nicht im Falle von zum Beispiel Äthiopien oder
                          freiheit von Christen weltweit“ von 2017 heißt         Nigeria. Andererseits verhehlen die Autoren in
                          es: „Der Begriff ‚Christenverfolgung‘ [steht ge-       ihren Berichten nicht, dass für manche Einschät-
                          meinhin] für das systematische Aufspüren von           zung Belege fehlen oder dass es widerstreitende
                          Christen und für einen Verfolgungsapparat, wie         Beurteilungen gibt. Formulierungen wie „Exper-
                          ihn keine Gesellschaft ohne die Hilfe von Be-          ten glauben, dass“, gefolgt von „andere glauben
                          hörden und ihren Spitzeln organisieren kann.           hingegen“ legen dies (vielleicht ungewollt) offen.
                          Allerdings wird in unserer heutigen Welt eine          Die Ausführlichkeit der Länderberichte und die
                          Verfolgung von Religion und Glauben nur in bzw.        umfassende Offenlegung der angewandten Me-
                          von wenigen Staaten mit derartiger Intensität          thoden erlauben jedenfalls eine Einschätzung
                          betrieben, dass der Begriff „Verfolgung“ im um-        der Solidität der Darstellung und Analyse.
                          gangssprachlichen Sinne angemessen wäre. Die
                          Rede von Christenverfolgung sollte für Phäno-             Problematisch hingegen erscheint die Über-
                          mene reserviert bleiben, die deutlich über das         tragung der Länderanalysen in die Punktzahlen
                          Erleiden von Verbalattacken oder bloßen Belei-         des schließlich vorgelegten „Weltverfolgungsin-
Lesetipp                  digungen hinausgehen, so verletzend sie im Ein-        dex“. Auch die Lektüre ausführlicher PDFs über
Ein Artikel im            zelfall sein können.“                                  die Methodik kann den Eindruck nicht ausräu-
Internet-Magazin                                                                 men, dass die Übersetzung der Erhebungser-
„Die Eule“ befasst sich      Für eine engere Auslegung sprach sich               gebnisse in eine Rangliste zwar für die Öffent-
ausführlich mit den       auch Enno Haaks aus, der Generalsekretär des           lichkeitsarbeit nützlich ist, aber eine (zu) grobe
Grenzen des Weltver-
                          Gustav-Adolf-Werks (GAW), des Diaspora-Werks           Vereinfachung der vielschichtigen Realitäten in
folgungsindex
                          der EKD, das sich für die Rechte protestantischer      den untersuchten Ländern darstellt.
                          Minderheitskirchen einsetzt. In einem Interview
                          des Online-Magazins „Die Eule“ sagte er, dass             Und genau dieser Index mit seinen exakt wir-
                          man von Christenverfolgung erst dann sprechen          kenden Zahlen ist es, der dem OpenDoors-Be-
                          solle, es um mehr als verbale Beleidigungen oder       richt die öffentliche Aufmerksamkeit beschert.
                          Diskriminierungen gehe, „wo Christen tatsäch-          GAW-Generalsekretär Haaks schreibt dies in
                          lich um ihr Leben oder ihre Gesundheit fürchten        dem oben erwähnten Interview auch der „Sehn-
                          müssen“.                                               sucht nach Vereinfachung und klaren Botschaf-
                                                                                 ten“ zu. Demgegenüber neigten die Kirchen der
                             Bei einer kritischen Lektüre der ausführli-         Reformation „ zum Differenzieren und Nachfra-
                          chen Länderberichte von OpenDoors fällt auf,           gen und scheuen sich vor Vereinfachungen“ und
                          dass häufig Statements nicht namentlich ge-            hätten deshalb „selten griffige Überschriften zu
                          nannter Experten als Belege zitiert werden.            bieten.“
                          Nachvollziehbar ist dies bei einer Diktatur wie                                                 Martin Keiper

                                                  Gründe gegen Quantifizierung von Leid
                                                  Im evangelisch-katholischen Bericht zur Religionsfreiheit erläutern die
                                                  Autor/innen, weshalb sie auf Quantifizerung von Verfolgung verzichten.

                                                  Erstens: Je intensiver man Verfolgungs-     und Gewalt aufgrund einer Religionszu-
                                                  situationen untersucht, desto deutlicher    gehörigkeit oder Gewalt im Namen von
                                                  werden die Schwierigkeiten einer zahlen-    Religion verlaufen vielmehr oft entlang
                                                  mäßigen Erfassung                           sich überlappender religiöser, ethnischer,
                                                  Zweitens: Quantitative Aussagen setzen      wirtschaftlicher, sozialer und politischer
                                                  ein weitaus komplexeres Instrumentarium     Spannungsfelder.
                                                  voraus, als bislang von unterschiedlichen   Viertens möchten wir jeden Eindruck ver-
                                                  Organisationen oder Instituten vorgelegt    meiden, als seien individuelles Leid und
                                                  werden konnte.                              persönliche Unrechtserfahrungen mess-
                                                  Drittens soll der Tatsache Rechnung ge-     bar, kategorisierbar und damit auch in
                                                  tragen werden, dass Verfolgungssituatio-    Vergleich bzw. gar in Konkurrenz zu den
                                                  nen häufig nicht nur bzw. nicht eindeutig   Erfahrungen anderer zu setzen.
                                                  religiös begründet sind. Verfolgungen

                                                                                                                                      5
Christen in Konflikten

Nigeria
Ökumenischer Rat der Kirchen: Erklärung des         1,6 Mio. Binnenvertriebene und das Flüchtlings-
Zentralausschusses, 20. – 24.7.2020                 hilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR etwa
(Auszug, übersetzt aus dem Englischen) Die jüngs-   200.000 nigerianische Flüchtlinge in den Nach-
te Serie von gewalttätigen Angriffen im Norden      barländern, die vor den Kämpfen im Nordosten
Nigerias hat wieder einmal viele Menschenleben      Nigerias geflohen sind.
gekostet, viel Eigentum zerstört und zu weiteren
Vertreibungen der betroffenen Menschen und          Christian Solidarity International
Gemeinden geführt. Christliche Gemeinden und        Ein immer blutiger werdender Streit um die
Kirchenführer gehören zu denjenigen, die beson-     Landnutzung verschärft die religiösen Spannun-
ders stark von solchen Angriffen betroffen sind.    gen in Nigeria [...]. Vertreibung und die Auswir-
Die wachsende Unsicherheit im Nordwesten des        kungen des Klimawandels drängen nomadisie-
Landes kommt zu den Problemen hinzu, die der        rende Hirten, überwiegend Muslime, nach Sü-
seit langem andauernde islamistisch-extremis-       den in überwiegend christliches Ackerland. Seit
tische Aufstand im Nordosten mit sich bringt.       2016 haben islamistisch geprägte Fulani-Milizen
Von den jüngsten Angriffen und der Unsicher-        ihre brutalen Angriffe in weiten Teilen Zentral-
heit sind insbesondere die Bundesstaaten Borno,     und Südnigerias verstärkt, indem sie vor allem
Adamawa, Taraba, Plateau, Niger, Kaduna, Kat-       christliche Dörfer verwüsteten, die Bewohner
sina, Zamfara und Sokoto betroffen. Zusätzlich      töteten oder sie aus ihren angestammten Häu-
zu den bewaffneten extremistischen Aktionen         sern vertrieben.
haben interkommunale Gewalt, Viehdiebstähle
und einfaches Banditentum eine Situation an-        Gesellschaft für Internationale Zusammen-
haltender Unsicherheit für viele Gemeinden und      arbeit (GIZ), Länder-Informationsportal
eine große Anzahl von Menschen geschaffen,          Im Middle Belt, dem zentralen Landesteil zwi-
die in diesen Gebieten leben, was durch die CO-     schen dem mehrheitlich muslimischen Nor-
VID-19-Pandemie noch verstärkt wurde.               den und dem mehrheitlich christlichen Süden,
                                                    schwelt bereits seit Jahrzehnten ein gewaltsa-
Länderprofil                                        mer Konflikt zwischen muslimischen Nomaden
(Auszug aus der Website des ÖRK, übersetzt aus      und christlichen Bauerngemeinden. Die sesshaf-
dem Englischen) Der Norden Nigerias ist über-       ten Bauern klagen über von Rindern zerstörte
wiegend muslimisch, der Süden christlich. Vor       Felder. Viehhirten, zumeist Fulani, beschweren
allem in den nördlichen Bundesstaaten, die die      sich über die von den sesshaften Bauern zuge-
Scharia eingeführt haben, aber auch im Süden        bauten Weiderouten.
ist es häufig zu Gewalt zwischen Muslimen und           Der Klimawandel und die Bedrohung durch
Christen gekommen. Neben den großen, von der        die Terrororganisation Boko Haram im Nordos-
Mission gegründeten Kirchen wie den Anglika-        ten des Landes, dem ursprünglichen Weidege-
nern, Katholiken, Baptisten, Methodisten usw.       biet der muslimischen Nomaden, haben den Kon-
gibt es in Nigeria eine große Anzahl von afrika-    flikt in den letzten Jahren zusätzlich verschärft.
nischen Instituten, unabhängigen und Pfingst-       Tausende Menschen wurden in den vergangenen
kirchen, die in den Nachbarländern, in Europa,      Jahren in dem Konflikt getötet.
Nordamerika und anderen Teilen der Welt sehr
aktiv in der Evangelisation und Gemeindegrün-
dung sind.

Auswärtiges Amt: Länderinformation
Die islamistische Terrorgruppe „Boko Haram“
ist seit Mitte 2010 für zahlreiche schwere An-
schläge mit Tausenden von Todesopfern verant-
wortlich. Seitdem fielen diesem Konflikt Schät-
zungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000
Menschenleben zum Opfer. Die Internationale
Organisation für Migration (IOM) zählt etwa

                                                                                                    6
Christen in Konflikten

Mosambik
Allafrikanische Kirchenkonferenz (AACC),             ten wurden eingeschränkt. Es gibt ernsthafte
Aufruf zum Gebet für Mosambik, 22.1.2021             Anzeichen dafür, dass sich diese Krise über die
(gekürzte Übersetzung aus dem Englischen)            Grenzen des Landes hinaus ausbreiten könnte.
Wir haben erneut beunruhigende Nachrichten
aus Mosambik über die anhaltenden bewaff-            Portugal will Aufmerksamkeit auf Terror in
neten Konflikte im Land erhalten, von denen          Mosambik lenken
die zentralen Provinzen SofaIa und Manica ins-       (Deutschlandfunk, 31.12.2020) Portugal will sei-
besondere betroffen sind. Neben der von den          ner ehemaligen Kolonie im Südosten Afrikas Un-
RENAMO-Rebellen ausgehenden Gewalt gehen             terstützung zusichern und sich dafür auch wäh-
die Angriffe islamistischer Extremisten unver-       rend seiner EU-Ratspräsidentschaft einsetzen.
mindert weiter. Sie verüben seit 2017 vor allem in   [...] Experten begrüßen diesen Schritt. Die Wirt-
der nördlichen Region gewalttätige Angriffe auf      schaftswissenschaftlerin Inês Vilela war bis vor
die Bevölkerung, plünderten Dörfer und brann-        zwei Jahren in der nordmosambikanischen Pro-
ten sie nieder. Diese brutalen Taten zwangen         vinzhauptstadt Pemba, um dort zu forschen.
Tausende, sich auf die Suche nach einer sicheren          Schon 2018 seien Spannungen im Landesin-
Zuflucht zu machen. Die Zahl der Binnenvertrie-      neren spürbar gewesen. „Der Konflikt schien
benen (IDPs) steigt weiterhin beunruhigend an.       zunächst vor allem eine wirtschaftliche Kompo-
Mehr als zwei Millionen Vertriebene leben unter      nente zu haben mit viel Unmut über die soziale
entsetzlichen Bedingungen, Hinzu kommen die          Lage in der Region. Teilweise scheinen wohl auch
Covid-19-Pandemie mit 27.446 bestätigten Fäl-        ethnische Fragen eine Rolle gespielt zu haben.
len und die Folgen der tropischen Wirbelstürme       Wie auch immer der Konflikt begann, die Religi-
im Jahr 2019.                                        on wurde dann missbraucht, um das Gefühl von
   Die Allafrikanische Kirchenkonferenz ist seit     Unzufriedenheit in der Bevölkerung über fehlen-
langem bestrebt, die Kirchen und Menschen            de Jobs und soziale Probleme zu kanalisieren.
in den Ländern bei ihrer Suche nach dauerhaf-        Die Lage wurde immer instabiler“, sagt Vilela.
tem Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie zu
begleiten. In der Sorge um den Frieden und als       Nordmosambik im Visier des internationalen
Ausdruck unserer Solidarität mit den Brüdern         Dschihad
und Schwestern in Mosambik möchte die AACC           (Deutsche Welle, 30.04.2020) In der nordmo-
Sie einladen, Mosambik in Ihr Gebet um Gottes        sambikanischen Provinz Cabo Delgado haben
Eingreifen einzuschließen.                           islamistische „Gotteskrieger“ leichtes Spiel: Sie
                                                     treffen auf eine verarmte Bevölkerung, einen
UNHCR, Pressekonferenz über die Lage in              schwachen Staat und eine praktisch wehrlose
Mosambik, Genf, 18.12.2020                           Armee. [...] Die lokale Bevölkerung in Nordmo-
(gekürzte Übersetzung aus dem Englischen)            sambik nennt die Dschihadisten „Al-Shabaab“
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR ist zutiefst       nach der in Somalia operierenden Terrormiliz.
besorgt über die steigende Zahl von Zivilisten,      Sie selbst nennen sich „Ahlu Sunna Wa-Jamah“
die in den nördlichen Teilen Mosambiks vertrie-      – Jünger der Tradition des Propheten. Ihre An-
ben werden, da die Angriffe von nichtstaatlichen     führer sind nicht bekannt. In einem Internet-Vi-
bewaffneten Gruppen in der Provinz Cabo Del-         deo, das nach der Einnahme von Quissanga auf-
gado weiter zunehmen. Offiziellen Schätzungen        tauchte, stellten sie konkrete Forderungen: „Wir
zufolge sind inzwischen mehr als 530.000 Men-        wollen die Scharia, das Gesetz des Korans“, heißt
schen in den Provinzen Cabo Delgado, Nampula,        es da. Eines scheint inzwischen klar: Die Gruppe
Zambezia und Niassa auf der Flucht, wobei die        versteht sich als Ableger der Terrormiliz „Isla-
Zahl täglich weiter steigt.                          mischer Staat“ (IS). In einigen Orten konnten sie
   Mehr als 2.000 Menschen wurden seit Be-           vorübergehend die Flagge des IS hissen.
ginn des Konflikts im Jahr 2017 getötet. Im
Zuge der Gewalt wurden Häuser geplündert und
verbrannt, Familien getrennt und Gesundheits-
zentren und Schulen schwer beschädigt. Der
Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen wurde
blockiert und andere wirtschaftliche Aktivitä-

                                                                                                    7
Christen in Konflikten

Kamerun
Hintergrund                                          Die Deklaration von Buea
Die bis 1918 deutsche Kolonie Kamerun wurde          Vom 24. bis 27.11.2020 trafen sich in Buea die Leiter
ab 1919 im Auftrag des Völkerbundes als Man-         christlicher Kirchen und Vertreter der Muslime des
datsgebiet an Großbritannien und Frankreich          Landes. In einer feierlichen Erklärung nahmen sie
übertragen, vier Fünftel standen unter französi-     gemeinsam zur aktuellen Lage des Landes Stellung.
                                                     In dem Dokument heißt es unter anderem:
scher, ein Fünftel – der Westen des Landes – kam
unter britische Verwaltung. Nach dem Zweiten         (Übersetzt aus dem Englischen) Wir, die religiösen
Weltkrieg endete 1960 das (inzwischen auf die        Führer Kameruns, erklären, dass die Kosten und
Vereinten Nationen) übergegangene Mandat.            Folgen des bewaffneten Konflikts im anglopho-
Zunächst wurde der frankophone Teil unabhän-         nen Kamerun und des Boko-Haram-Aufstands
gig, im englischsprachigen führte eine Volks-        im Norden für die lokale Bevölkerung immer un-
                                                     erträglicher werden. Wir bekennen uns zu un-
                                                     serer Neutralität und Unparteilichkeit, behalten
                           Nur der Süden des
                                                     uns aber das Recht vor, auf das hinzuweisen, was
                           ehemals englischen
                           Mandatsgebietes           in dieser Situation richtig oder falsch ist.
                           entschied sich 1961          Die kamerunische Regierung sollte die Mög-
                           für den Anschluss an      lichkeit eines durch Vermittlung herbeigeführ-
                           Kamerun, der nördli-      ten Endes dieser Krise in Erwägung ziehen,
                           che für Nigeria.          wenn dies die einzige Option ist, die nötig ist, um
                                                     diesen sinnlosen bewaffneten Konflikt zu been-
                                                     den.
abstimmung zur Teilung des ehemaligen Man-
datsgebiets: der Norden schloss sich Nigeria an,
der Süden der Republik Kamerun. Der zunächst         Presbyterianische Kirche: Kommuniqué
föderative Staatsaufbau wurde 1972 in einen          In die gleiche Richtung geht eine Stellungnahme der
Einheitsstaat umgewandelt – eine Ursache des         Presbyterianischen Kirche vom 11.1.2021 in Reaktion
heutigen Konflikts, in dem sich der westliche,       auf mehrere Anschläge im Westen des Landes mit
englischsprachige Landesteil gegenüber dem           zahlreichen Toten.
Rest des Landes benachteiligt fühlt. Nach 1984       (Übersetzt aus dem Englischen) Das Jahr 2021 hat
entwickelten sich zunächst friedliche, später        mit einer Reihe von Morden an Zivilisten durch
auch gewalttätige Autonomiebestrebungen für          die Separatisten und das Militär begonnen. Dies
eine unabhängige Republik Ambazonien.                steht im Gegensatz zu den laufenden Friedensbe-
                                                     mühungen und dem nationalen interreligiösen
   Die kamerunische Armee versucht, die Regi-        Marsch für den Frieden am 2. Januar 2021, der
on durch Bekämpfung der Separatisten zu „be-         von religiösen Führern in Kamerun organisiert
frieden“. An einem echten Dialog habe aber keine     wurde.
Seite ein Interesse, denn sowohl Militär als auch       Wir, die religiösen Führer, werden uns in un-
Separatisten profitieren von der angespannten        serer prophetischen Rolle als das Gewissen der
Lage, urteilt ein Bericht der Deutschen Welle.       Nation nicht beirren lassen. Wir verurteilen
Mission 21 (Basel) hat zum Konflikt im anglo-        entschieden und eindeutig alle, die in unserer
phonen Kamerun 2019 ein Hintergrundpapier            Nation Gewalt ausüben. Gewalt wird niemals tri-
in Zusammenarbeit mit der Presbyterianischen         umphieren, sondern Gerechtigkeit und Frieden
Kirche herausgegeben. Kirchliche Versuche, in        werden siegen.
Konfliktgebiet so etwas wie Normalität her-
zustellen, zeigt ein Filmbericht der Deutschen
Welle von Anfang Februar dieses Jahres.

   Ein weiteres Konfliktgebiet ist der Norden
des Landes, der zum Rückzugsgebiet von isla-
mistischen Boko-Haram-Kämpfern aus des be-
nachbarten Nigeria wurde, während gleichzeitig
zahlreiche Zivilisten vor den Kämpfen in Nordni-
geria nach Kamerun geflüchtet sind.
                                     Martin Keiper

                                                                                                         8
Christen in Konflikten

Zum Dialog gibt es keine Alternative
PROCMURA: Seit 60 Jahren christlich-muslimisches Engagement für Respekt und Kooperation

Das Programm für christliche-muslimische Be-          Christians-Islam-Studies-Master-Programms
ziehungen (PROCMURA) wurde 1959 gegrün-               sind als Area Advisors oder in anderen wichti-
det. Es war die Zeit der Entkolonisierung, als        gen Funktionen in ihren Kirchen und ihren Län-
die afrikanischen, nationalen Bewegungen nach         dern tätig.
Unabhängigkeit strebten und sich daraus eine             In den letzten Jahren musste die Arbeit von
enge Kooperation zwischen den verschiedenen           PROCMURA auf die zunehmenden Spannungen
Sprachen, Ethnien und religiösen und kulturel-        und terroristischen Angriffe der al-Shabaab-Mi-
len Traditionen ergab.                                lizen in Ostafrika und der Boko Haram-Terrro-
   Aber schon damals sahen die Gründungsvä-           gruppen in Nigeria, Kamerun und Niger reagie-
ter und -mütter von PROCMURA voraus, dass             ren. Diese bedrohen nicht nur das friedliche Zu-
diese religionsübergreifende Einigkeit gegen die      sammenleben zwischen Christen und Muslimen,
                                                      sondern gefährden auch die Existenz der seit der
                                                      vorkolonialen Zeit dort ansässigen Muslime, die
                                                      die fundamentalistische Ideologien ablehnen.
                                                         PROCMURA reagiert darauf mit regiona-
                                                      len Seminaren und Workshops zur Bewusst-
Kolonialherren nicht von Dauer sein würde. Mit        seinsbildung für religiöse Führer, Frauen und
der Gründung von PROCMURA sollte ein Instru-          Jugendliche, um Einstellungen und Verhaltens-
ment zum Abbau von Spannungen und Rivalitä-           weisen zu hinterfragen und die Methoden der
ten zwischen Christen und Muslimen geschaffen         friedlichen Konfliktlösung zu erlernen. Dabei
werden. Ausdrücklich sah man in der Gründung          kooperiert PROCMURA mit den Medien und zi-
auch ein christliches Zeugnis gegenüber dem Is-       vilgesellschaftlichen Akteuren. In den nächsten
lam.                                                  vier Jahren sollen mindestens hundert regionale
   Die Organisation hat ein kleines Büro in           Advisors als Vertreter von PROCMURA ausge-
Nairobi (Kenia). Die praktische Arbeit liegt in der   bildet, Basisinitiativen gestärkt und Frauen und
Hand von 17 regionalen Berater/innen (Area Ad-        Jugendliche in die Methode der gewaltfreien
visers), davon sieben in frankophonen und zehn        Konfliktlösung eingeführt werden.
im anglophonen Afrika. Das vorrangige Ziel des           Ein Beispiel für die basisnahe Arbeit ist ein in-
Programms ist die Verbesserung der Beziehun-          terreligiöses Jugendcamp Mitte Dezember 2020
gen zwischen Christen und Muslimen und deren          in Kenia, über das auf der Website der Organisa-
theologische Untermauerung, wozu auch Publi-          tion ausführlich berichtet wird.
kationen gehören, in denen Hilfen für ein Zusam-         Finanziell gefördert wird die Arbeit durch
menleben im interreligiösen Kontext gegeben           eine ganze Reihe kirchlicher Träger aus Europa,
werden. Dabei sind die Verantwortlichen über-         die in einer Partnerkonferenz mit PROCMURA
zeugt, dass zur nur durch eine umfassende Reli-       zusammenarbeiten. Die Evangelische Mission
gionsfreiheit der gesellschaftlichen Frieden und      Weltweit und ihre Vorgängerorganisationen,
eine gedeihlichen Koexistenz zwischen beiden          das Evangelische Missionswerk in Deutschland
Gruppen möglich ist. Das Programm zielt weni-         (EMW) und die Evangelische Arbeitsgemein-
ger auf politische Kampagnen oder Lobbyarbeit         schaft für Weltmission (EAGWM) unterstützen
bei Regierungen ab – diese Aufgabe wird den na-       PROCMURA schon seit Mitte der 1960er Jah-
tionalen Kirchenräten oder der AACC überlassen        re. Zum Jahresbudget von umgerechnet rund
– wobei PROCMURA allerdings als Berater und           700.000 Euro tragen die Partner circa 60 Pro-
Kooperationspartner hinzugezogen wird.                zent bei.
   Durch Initiative von PROCMURA wurde vor                                                  Martin Keiper
einigen Jahren ein Magisterstudiengang „Chris-
tian-Muslim Relations“ an der Theologischen
Fakultät der St. Paul’s Universität in Limuru, Ke-
nia, eingerichtet. Nach diesem Modell ist derzeit
ein weiterer Studienzweig für das frankophone
Afrika an der protestantischen Universität in
Yaunde im Aufbau. Fast alle Absolventen des

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Christen in Konflikten

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