Ein EchtEr GEwinn! Porträts von Arbeitgebern, die Flüchtlinge und Bleibeberechtigte ausbilden oder beschäftigen
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Ein echter Gewinn! Porträts von Arbeitgebern, die Flüchtlinge und Bleibeberechtigte ausbilden oder beschäftigen
! inn Gew t er Freie und Hansestadt Hamburg ech Ein Inhalt vorwort Vorwort03 Einleitung05 Eine gute Zusammenarbeit mit Arbeitgebern ist unerlässlich! Dennis Lubis Ljubisavljevic: 07 Keine Planungssicherheit Roya Nadi: 08 Etwas aus sich machen Wolfgang Achilles: 10 F A Immer am Ball bleiben lüchtlinge integrieren – das ist keine leichte Aufgabe. Nicht ber auch alle anderen Arbeitgeber dieser Broschüre zeigen: Oliver Dörner: 13 nur für die Flüchtlinge selbst, sondern auch für uns alle. Viel haben wir bereits geschafft. Doch viel bleibt auch in Überzeugende Persönlichkeit Denn es geht nicht nur um die Aufnahme, sondern insbesondere Zukunft noch zu tun. Sehen Sie diese Broschüre also als ein um die nachhaltige Förderung derjenigen, die sich hier eine Per- deutliches Zeichen der Anerkennung Ihrer bisherigen Leistung Mile und Robert Spehar: 14 spektive aufbauen können. Dieser Aufgabe stellen sich der Senat – und als Appell und Ermutigung, mit Ihrer beispielhaften Aufstieg durch Anerkennung Ein echter Gewinn! und die Behörden, Politik und Verwaltung auf vielfältige Weise. Arbeit fortzufahren. Prof. Dr. med. Ralf Stücker: 16 Die weitaus wichtigere Rolle jedoch verkörpern Sie – die Berufserfahrung sammeln Hamburger Arbeitgeber. Durch Sie ist es möglich, den Grund- Christian Bremert: 18 stein für die Integration von Flüchtlingen zu legen. Indem Sie Zuverlässig und einsatzbereit Flüchtlingen eine Ausbildung und damit eine Perspektive in Hamburg bieten, leisten Sie einen entscheidenden Beitrag zur Mercy Attipetty: 21 langfristigen und nachhaltigen Eingliederung der Flüchtlinge Sprungbrett für ein Leben in Hamburg und damit einen Beitrag zum Funktionieren des Gemeinwesens Mark Schmidt: 22 unserer Stadt. Von der Wichtigkeit Ihrer Arbeit konnte ich mich Erst Praktikum, dann Minijob während meines Besuchs bei „FLUCHTort Hamburg Plus“ Ramon Tuchen: 24 letztes Jahr ganz persönlich überzeugen. Einige vorbildliche Zu- Teamfähigkeit gefragt gangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt sind in dieser Broschüre dargestellt, zum Beispiel die Chance, die Mark Schmidt zwei Olaf Scholz Nachwort26 Flüchtlingen aus Ghana gab. Erster Bürgermeister Erfahrungen und Erfolge der Projektarbeit von FLUCHTort Hamburg Plus II Impressum31 2 3
! inn Gew t er ech Ein Einleitung Eine gute Zusammenarbeit mit Arbeitgebern ist unerlässlich! D ie intensive Kooperation mit Hamburger Wirtschaftsbe- trieben zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Praxis, seitdem wir 2002 begonnen haben, die berufliche Integration D ie Texte, die auf der Grundlage von Interviews entstanden, sind von der Hamburger Journalistin Michaela Ludwig verfasst worden. Sie dokumentieren Eindrücke und Erfahrun- von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Hamburg zu fördern. In gen aus dem Betriebsalltag und schildern die Beweggründe für Hamburg leben seit Jahrzehnten hierher geflüchtete Menschen, das Engagement der Arbeitgeber/innen und Ausbilder/innen deren Rückkehr in ihre Herkunftsländer nicht möglich ist. Mit – das teilweise sehr persönlich motiviert ist. Die Fotos des deutlich steigender Tendenz sind es besonders junge Flüchtlinge, Hamburger Fotografen Nils von Blanc illustrieren lebendige die vielfach ohne ihre Familien hier in Hamburg ankommen und Szenen mit Betriebsvertreter/innen am Arbeitsplatz. Texte und auf Zukunftsperspektiven hoffen. Viele von ihnen, die durch Fotos unterstreichen eindrucksvoll, dass Hamburger Wirtschafts- FLUCHTort Hamburg betreut werden, konnten in die Berufs- vertreter/innen es erkannt haben, dass die Ausbildung und ausbildung integriert werden. Die Teilhabe an der Arbeitswelt Beschäftigung von Flüchtlingen und Asylsuchenden eine und damit auch an der Gesellschaft ist inzwischen für eine hohe Bereicherung für den Betrieb sein kann. Zahl erfolgreicher Absolvent/innen Realität. Diese Publikation Die Netzwerke konnten ca. 200 Betriebe für die Zusammenar- portraitiert zehn Vertreter/innen von Hamburger Wirtschafts- beit gewinnen. Eine Kurzdokumentation über Erfahrungen und betrieben, die Vorbilder sind und beispielhaft für viele Erfolge der Projektarbeit von FLUCHTort Hamburg findet sich andere Hamburger Arbeitsgeber stehen, die ebenso mit den im hinteren Teil der Broschüre. Netzwerken FLUCHTort Hamburg und CHANCEN FÜR FLÜCHTLINGE kooperieren und Flüchtlinge und Asylsuchen- de in ein Praktikum bzw. in Aus- und Arbeitsverhältnisse übernehmen. Die Broschüre knüpft an die Portraits von Hamburger Flüchtlingen auf ihrem Weg in den Beruf an, die Maren Gag und Franziska Voges unter dem Titel „Wir sind hier“ in 2010 veröffentlicht wurden. Koordination Fluchtort Hamburg 4 Der Erste Bürgermeister, Olaf Scholz, mit Teilnehmenden des Podiumgesprächs während des Senatsempfangs am 21.01.2013. Der gemeinsame Empfang 5 von Senat und FLUCHTort Hamburg Plus würdigte das besondere Engagement der Betriebe, die Flüchtlinge ausbilden und beschäftigen.
! inn Gew t er ech Ein Dennis Lubis Ljubisavljevic, Niederlassungsleiter Hamburg und Hannover Keine Planungssicherheit Ü ber zwei Jahre hat Dennis Lubis Ljubisavljevic einen jungen Mann ausgebildet, mit dem er nie länger als sechs Monate im Voraus planen konnte. Wenn dieser zur Ausländer- Trotz aller Schwierigkeiten würde Dennis Lubis Ljubisavljevic immer wieder so handeln. Denn gerade im Bereich Lagerlogistik ist es aufgrund der hohen Anforderungen und dem immer noch behörde gehen musste, um seine Duldung zu verlängern, wusste schlechten Ruf des Ausbildungsberufes der Fachkraft für Lager- der Niederlassungsleiter nicht, ob er ihn wiedersehen würde. logistik schwierig, geeignete Bewerber zu finden. „Wir suchen „Die Politik macht es einem nicht leicht, einen Flüchtling auszu- nicht unbedingt direkte Schul- bilden“, urteilt er lakonisch. Dazu kamen viele Fehltage, wenn abgänger, sondern solche, die der junge Mann Behördengänge für seine Familienmitglieder »Die Politik macht sich bereits ausprobiert haben übernehmen musste. „Wir haben immer wieder ein Auge zuge- es einem nicht leicht, und mit beiden Beinen im Leben drückt.“ Das ist nicht selbstverständlich. „Er hat durch seine stehen.“ Der junge Flüchtling Leistung alles andere ausgeglichen, sonst hätten wir es sicherlich einen Flüchtling hatte bereits als Kurierfahrer nicht so lange mitgemacht“, so Lubis Ljubisavljevic. „Wir konn- auszubilden.« gearbeitet. Mit Hilfe einer Mit- ten nur schwer auf ihn verzichten.“ arbeiterin vom Träger verikom Als im Januar 2011 die Abschiebung angedroht wurde, setzte hatte er eine gute und aussage- Dennis Lubis Ljubisavljevic ein Schreiben an die Ausländerbe- kräftige Bewerbung geschrieben und auch im Gespräch über- hörde auf und telefonierte mit den Sachbearbeitern. Er wollte zeugt. „Es war deutlich, dass er etwas leisten wollte.“ seinen Auszubildenden, den er persönlich betreute, um jeden Bereits das Abschlusszeugnis wies jedoch eine Unmenge an Fehl- Preis behalten. „Wir haben mit ihm gehofft und gebangt.“ End- stunden auf. Aus einem Begleitschreiben erfuhr Dennis Lubis lich kam die ersehnte Aufenthaltserlaubnis. Nun kann Rhenus Ljubisavljevic den Grund: die unsichere Aufenthaltssituation. Office Systems mit dem jungen Flüchtling in die Zukunft planen: Das schreckte den Sohn von Gastarbeitern aus dem ehemaligen Das Unternehmen wird ihn nach Ausbildungsende überneh- Jugoslawien nicht ab. Im Gegenteil. „Ich musste als Jugendlicher men. regelmäßig zum Konsulat, deshalb konnte ich mich halbwegs in seine Situation hinein versetzen.“ Ein anderer Arbeitgeber könnte nur schwerlich überzeugt werden. „Ich dachte mir: Wenn ich ihm nicht die Chance gebe, wer soll es dann tun?“. Rhenus Office Systems GmbH, Dokumentenlogistik 21 Mitarbeiter 3 Auszubildende bildet einen Flüchtling zur Fachkraft für Lagerlogistik aus 6 Wollte seinen Auszubildenden um jeden Preis behalten: Niederlassungsleiter Dennis Lubis Ljubisavljevic 7
! inn Gew t er ech Ein Roya Nadi, Geschäftsfrau Etwas aus sich machen „I n Deutschland verschafft man sich Respekt, indem man etwas aus sich macht“, davon ist Roya Nadi fest überzeugt. Denn die deutsch-afghanische Geschäftsfrau hat es geschafft. Als Die Mitarbeiter der Firma NAFA gehören zur Familie. „Ich tue alles für sie“, erzählt Roya Nadi schmunzelnd. „Früher war das größte Problem, die Arbeitserlaubnis zu bekommen.“ Bevor die Ihre Mitarbeiter gehören zur Familie: Roya und Ahmad Fawa Nadi 16-Jährige flüchtete sie nach Hamburg, holte hier ihre Mittlere Gesetze zu ihren Gunsten geändert wurden, hingen die Flücht- Reife nach, lernte technische Zeichnerin und plante, Architektur lingsjugendlichen nach ihrem Schulabschluss in der Luft, durf- zu studieren, - hätte sie nicht ihren zukünftigen Ehemann, eben- ten weder eine Ausbildung beginnen noch arbeiten. „Wir haben falls ein afghanischer Flüchtling, kennen gelernt. Im Jahr 1989 für sie gekämpft.“ Die Jugendlichen, die Frau Nadi ausbilden machte sich das Ehepaar im Großhandel selbständig, zunächst wollte, absolvierten so lange ihr Praktikum, bis die Arbeitser- mit Teppichen, dann mit Lebensmitteln. Jahrelang führten sie laubnis endlich vorlag. Die Projekte von FLUCHTort Hamburg einen Supermarkt für orientalische Lebensmittel. Heute vertrei- haben dabei sehr geholfen. ben sie mit ihrer Firma NAFA eine eigens für sie produzierte »Man erkennt „Wenn wir als ausländischer Basmatireis-Marke in ganz Europa. Betrieb einen Antrag stellten, Zehn Jugendliche hat das Ehepaar in diesen Jahren ausgebildet, sich selber, wenn wurden wir nicht ernst genom- die Hälfte waren Flüchtlinge. „Man erkennt sich ja selber, wenn ein Flüchtling vor men.“ Die Geschäftsfrau ist ein Flüchtling vor einem steht, unbedingt arbeiten und etwas ler- froh, dass die Situation heute nen möchte“, erzählt Roya Nadi. „Und man weiß, wie wichtig es einem steht.« entspannter ist. ist, irgendwo aufgenommen zu werden – unabhängig davon, wo Nach der Babypause ist Roya man herkommt.“ Natürlich legt auch das Ehepaar Nadi Wert Nadi wieder mit vollem Elan dabei. Für den Sommer sucht sie auf gute Sprachkenntnisse und Schulnoten. „Wir erwarten aber einen Jugendlichen für eine Ausbildung im Groß- und Außen- nicht, dass alles perfekt ist. Denn dafür bilden wir doch aus. Wir handel und eventuell auch als Bürokaufmann oder -frau. Gerne wollen die Jugendlichen dabei unterstützen, ihre Ziele zu errei- wieder einen Flüchtling. Natürlich bilde sie genauso gerne chen.“ deutsche Jugendliche aus. „Aber die haben noch immer viel mehr Möglichkeiten. Warum sollen wir die Flüchtlinge nicht dabei unterstützen, dass sie etwas aus sich machen können?“ NAFA GmbH Großhandel 4 Mitarbeiter 2 Auszubildende hat fünf Flüchtlinge zu Kauffrau / -mann im Groß- und Einzelhandel sowie zur Bürokauffrau / -mann ausgebildet 8 9
! inn Gew t er ech Ein Wolfgang Achilles, Betonbaumeister und Ausbildungsleiter Immer am Ball bleiben I mmer wieder hat Wolfgang Achilles auf den jungen Mann eingeredet. „Schmeiß nicht hin“, riet der Ausbildungsleiter, der in den vergangenen 17 Jahren rund 300 Jugendliche in den ausbildet, hat sicherlich einen Grund im Fachkräftemangel, der im Baugewerbe längst spürbar ist. „Deshalb investieren wir stark in Ausbildung.“ Es ist aber auch die Philosophie des Familienun- Wolfgang Achilles hat in 17 Jahren rund 300 Jugendliche ausgebildet. Bauberufen ausgebildet hat. Vergeblich, der junge Flüchtling ternehmens, dass jeder, der willens ist, eine Chance bekommen kündigte. „Er kam nicht recht mit der Sprache heraus, warum er soll, so Achilles. Was zunächst zähle, sei der persönliche Ein- abbrechen wollte. Dann erfuhr ich, dass er durch seine familiäre druck, gute Schulnoten seien Situation finanzielle Probleme hatte.“ dagegen zweitrangig. „Wer Zum ersten Mal hörte der erfahrene Ausbilder von der so »Sie brauchen eine sich im Praktikum bewährt, genannten ‚BAföG-Falle‘. In diese tappen Flüchtlinge, die noch bessere finanzielle wird ausgebildet.“ keine vier Jahre in Deutschland leben: Sie erhalten keine finanzi- So lief es auch bei dem jungen elle Unterstützung während ihrer Ausbildung. Der Jugendliche Unterstützung, um Flüchtling. Bereits nach weni- sah keinen anderen Ausweg, als die Ausbildung abzubrechen sorglos durch die Aus- gen Tagen bat der zuständige und zu jobben, um sein Leben und das seiner Familie in bildung zu kommen!« Kollege „stell ihn ein!“, er- Afghanistan zu finanzieren. Achilles wandte sich an das Aus- zählt Achilles schmunzelnd. bildungsprojekt von basis & woge e.V. Die Beraterin beantragte „Mir gefiel die Offenheit des bei der Lawaetz-Stiftung das Sti- Jungen, er hat einfach schon viel erlebt.“ Das forme den Men- pendium „Jugend in Berufsausbil- schen. Er habe gelernt, Verantwortung für sich und sein Leben dung“. Endlich kehrte der Auszu- zu übernehmen. Das schätzt Wolfgang Achilles bei jungen bildende zurück. „Man muss als Flüchtlingen. „Davon kann sich manch anderer Jugendlicher Ausbilder immer am Ball bleiben“, eine Scheibe abschneiden.“ weiß Achilles. „Zum Glück stehen Der junge Mann konnte wegen guter Leistungen seine Ausbil- wir als Betrieb nicht alleine da. Das dung verkürzen und steht vor der Gesellenprüfung. Bei Otto Netzwerk hilft, wenn Probleme auf- Wulff ist schon längst entschieden, dass er übernommen wird. tauchen.“ Wolfgang Achilles hofft, dass er, wie der andere Flüchtling vor Der junge Afghane ist bereits der ihm, dem Unternehmen die Treue halten wird. zweite Flüchtling, den Wolfgang Achilles, selbst Vater zweier Söhne, unter seine Fittiche genommen hat. Otto Wulff Bauunternehmung GmbH Die Ausbildung dieser jungen Men- 360 Mitarbeiter schen verläuft nicht immer grad- 18 Auszubildende im gewerblichen Bereich linig. Dass er sie trotzdem gerne hat zwei Flüchtlinge in Bauberufen ausgebildet 10 11
! inn Gew t er ech Ein Oliver Dörner, Geschäftsführer Überzeugende Persönlichkeit E s ist eine Kunst, die richtigen Leute auf die richtigen Stellen zu setzen. „Wir bilden die jungen Menschen aus, um sie hinterher möglichst zu übernehmen“, sagt Oliver Dörner, würde, bot ihm das Unternehmen einen Ausbildungsvertrag an. Die ersten Rückmeldungen scheinen die Entscheidung zu bestä- tigen „Er macht sich gut.“ Geschäftsführer des Familienunternehmens. „Die Vorausset- Im Unternehmen OTTO DÖRNER steht jedem Auszubilden- zung ist, dass sie sich für den Ausbildungsberuf tatsächlich inter- den ein älterer Auszubildender als Pate zur Seite, der bei schuli- essieren und Spaß daran haben. Dann bleiben sie dabei und schen Fragen hilft. Bei Problemen mit der Aufenthaltssicherung entwickeln ungeahnte Fähigkeiten.“ Das gelte insbesondere für kann sich der junge Flücht- junge Flüchtlinge, die stark unter Druck stehen, einen Ausbil- ling an Ausbilder und Ausbil- dungsplatz zu finden, um ihren Aufenthalt zu sichern. »Sein beherztes dungsleiterin wenden. „Er Aus diesem Grund bildet OTTO DÖRNER seit August 2012 Eingreifen hat die kann sie jederzeit anspre- einen jungen Flüchtling zum Kfz-Mechatroniker aus, der chen“, so Oliver Dörner. zunächst gar nicht nach einem „Wunsch-Azubi“ aussah. Eine Kollegen unglaublich „Wir wollen ihm Sicherheit Beraterin vom Träger basis & woge e.V. hatte die Bewerbung beeindruckt.« geben. Er soll keine Angst telefonisch angekündigt. Der Einstellungstest verlief nicht haben, wenn derartige Prob- besonders gut, die Schulnoten und auch die sprachlichen Fähig- leme auftauchen.“ keiten hatten die Ausbildungsverantwortliche nicht begeistert. Gerne möchten Geschäftsführer und Ausbildungsleiterin weite- Dennoch bekam der junge Mann die Chance, während eines ren Flüchtlingen die Chance geben, sich zu bewähren. Erst kürz- einwöchigen Praktikums das Unternehmen kennen zu lernen lich bewarb sich ein junger Flüchtling auf einen Ausbildungs- und sich zu präsentieren. In dieser Woche hatte ein Kollege in platz als Berufskraftfahrer. Da dieser Beruf nicht im Fokus vieler der Werkstatt einen Arbeitsunfall. Der Praktikant griff beherzt Bewerber steht , erhoffte er sich gute Chancen. Doch im Vorstel- ein und leitete Hilfs- lungsgespräch stellte sich heraus, dass der junge Mann sehr maßnahmen in die kreativ und künstlerisch begabt ist. „Er ist sicher nicht der richti- Wege. „Sein Verhalten ge Mann für diese Stelle“, sagt Oliver Dörner. „Ich hoffe, er hat die Kollegen un- findet für sich etwas Passenderes.“ glaublich beeindruckt“, erzählt Oliver Dörner. Trotz aller Bedenken, OTTO DÖRNER Unternehmensgruppe ob er so anspruchsvolle Entsorgung Fächer wie Mathema- 850 Mitarbeiter tik und Technik an der 55 Auszubildende Berufsschule meistern bildet seit August 2012 einen Flüchtling zum Kfz-Mechatroniker aus 12 Geschäftsführer Oliver Dörner möchte seinem Auszubildenden Sicherheit geben 13
! inn Gew t er ech Ein Mile und Robert Spehar, Geschäftsführer und angestellter Tischlermeister Aufstieg durch Anerkennung E r kam einfach immer wieder vorbei und fragte nach Arbeit. nun endlich von der ostdeutschen Kleinstadt nach Hamburg „Der Afrikaner war wieder da“, sagte Mile Spehar, der Alte, ziehen. Die Kinder gehen hier in die Kita und ihr Aufenthalt ist zu seinem Sohn. „Na und? Viele suchen Arbeit“, antwortete sein gesichert. „Es ist sein Verdienst, er hat dafür gekämpft“, sagt Sohn Robert. „Was meinst du?“, fragte Spehar Senior nach dem Robert Spehar nur. nächsten Besuch. Er hatte sich lange mit dem arbeitsuchenden Doch Vater und Sohn haben es ermöglicht. „Er brauchte nur Mann unterhalten und erfahren, dass er in seiner Heimat Benin eine Chance.“ Trotz der allgemein angespannten Lage in Tisch- Tischler gelernt und in Deutschland seine Kenntnisse durch eine lereibetrieben trifft der gebürtige Kroate Mile Spehar noch im- Fortbildung vertieft hat. mer derartige Entscheidungen mit dem Herzen. „Wir können Es war ein günstiger Zeitpunkt, denn Vater und Sohn Spehar die Menschen nicht immer wegschicken.“ Das gilt auch für brauchten Unterstützung. „Wir haben ihm zunächst ein Praktikum Praktikanten oder Aushilfen. Selbst wenn sie noch so schlechte angeboten, um zu testen, was er Zeugnisse mitbringen, – wenn sie kann“, brummt Mile Spehar. »Ein ganz normaler Arbeitnehmer. ihm gefallen, nimmt er sie auf. „Außerdem gab es ein paar hun- „Man kann Löwen zähmen, dert Euro von der Arbeitsagen- Mit allen Ecken und Kanten.« warum nicht auch Menschen?“, tur.“ Das ist vier Jahre her. Der sagt Mile Spehar. Tischler aus Benin blieb als Tischlerhelfer in dem kleinen Famili- Der Angestellte hat sich nun entschlossen, seinen Berufsab- enbetrieb. Repariert Stühle, schneidet Möbelteile zu und funiert schluss aus Benin für Deutschland anerkennen zu lassen. Dafür sie. „Er ist er ein ganz normaler Arbeitnehmer. Mit allen Ecken schreibt Robert Spehar gerade an seinem Tätigkeitsnachweis. und Kanten“, so Robert Spehar. Mit den Abschlusszeugnissen und der vierjährigen Berufserfah- Die Spehars haben nicht nur dem Flüchtling die Türen zu ihrer rung in der Tischlerei Spehar stehen die Chancen für eine volle Tischlerei geöffnet. Sie haben auch der vierköpfigen Familie zu Anerkennung gut. Dann wird sein Abschluss mit dem eines deut- einem gesicherten Leben in Deutschland verholfen. Die konnten schen Gesellen gleichgestellt. Das wollen dann auch die Spehars anerkennen: „Wenn es die wirtschaftliche Lage zulässt, werden wir bestimmt eine kleine Vergütung drauflegen“, so Robert Spe- har. Tischlerei Spehar Meisterbetrieb 2 Mitarbeiter beschäftigt seit vier Jahren einen Flüchtling 14 Treffen Entscheidungen mit dem Herzen: Robert und Mile Spehar und in der Werkstatt mit ihrem Angestellten (links) 15
! inn Gew t er ech Ein Prof. Dr. med. Ralf Stücker, Leitender Arzt Berufserfahrung sammeln D ie Kinderorthopädie am Altonaer Krankenhaus hat eine lange Tradition im Umgang mit Menschen aus unter- schiedlichen Kulturen. Da sind in erster Linie die Patienten, die Tansania gesammelt hat. „Ich habe tief im Busch gearbeitet. Dadurch konnte ich die Menschen sehr intensiv kennen lernen.“ Ralf Stücker hat die Haltung der Menschen in Tansania sehr zu die Vielfalt des Hamburger Westens widerspiegeln, aber auch schätzen gelernt. „Als Fremder wird man mit offenen Armen die vielen Kinder und Jugendlichen, die aus Kroatien, Rumäni- empfangen, egal wer man ist und wo man herkommt.“ Diese en, Russland oder Kuwait anreisen, um sich hier behandeln zu Offenheit und das Vertrauen vermisst der Mediziner häufig lassen. Zudem werden Gastärzte aus dem Ausland ausgebildet. in Deutschland. Deshalb Da ist es für den Leiter der Kinderorthopädie Professor Dr. Ralf möchte er den Neuzuwan- Stücker nur folgerichtig, auch Ärzten und medizinischem »Die Menschen in derern etwas von seiner po- Personal, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, sitiven Erfahrung zurückge- Tansania haben mich Praktikumsstellen anzubieten. Vermittelt durch den Träger ben. „Außerdem ist es auch verikom e.V. konnte auf seiner Station bereits ein ghanaischer mit offenen Armen ein wichtiger Schritt zur In- Arzt die nötige Berufserfahrung sammeln, die für das Anerken- empfangen. Von dieser tegration, wenn sie bei uns nungsverfahren nötig ist. „Er hat in alle Bereiche Einblick erhal- in einem Team arbeiten.“ ten und konnte auch seine Fachsprache verbessern“, so Professor Erfahrung möchte ich Der Fachkräftemangel, da- Stücker. etwas zurückgeben.« von ist Ralf Stücker über- „Wir haben den Vorteil, dass wir in einem hoch entwickelten zeugt, wird ohnehin zu einer Land leben. Auch deshalb ist es unsere Aufgabe, unser Wissen weiteren Öffnung des Ge- weiterzugeben.“ Ralf sundheitsbereichs führen, speziell des Pflegebereichs. „In den Stücker sieht sich als USA ist es längst Realität, dass sich das pflegerische Personal aus Mentor. „Ich versuche Menschen von den Philippinen, aus Thailand und Mexiko zu- die Kollegen so weit zu sammensetzt.“ So prognostiziert er Flüchtlingen, die in diesem fördern, dass sie hier Bereich arbeiten möchten, gute Perspektiven. Im Altonaer Kin- selbständig in diesem derkrankenhaus werden sie, so Professor Ralf Stücker, mit Beruf arbeiten können.“ offenen Armen empfangen. Dieses Engagement wurzelt in seinen Erfah- rungen, die er als junger Altonaer Kinderkrankenhaus Mediziner während sei- Kinderorthopädie ner dreijährigen Tätig- 444 Arbeitsplätze keit im ostafrikanischen Praktikum für geflüchteten Arzt 16 Sieht sich als Mentor: Kinderorthopäde Professor Dr. Ralf Stücker 17
! inn Gew t er ech Ein Christian Bremert, KFZ-Meister und Ausbildungsleiter Zuverlässig und einsatzbereit C hristian Bremert hat nicht nur ein Händchen für Turbo- lader und Lichtmaschinen, sondern auch für Jugendliche. Seit vier Jahren ist der Kfz-Meister Ausbildungsleiter im Unter- keiten und Motivation unter Beweis zu stellen. Das hilft anderer- seits dem Unternehmen, Auszubildende für weniger beliebte Berufe wie den des Lackierers zu gewinnen. Über ein achtmona- Ausbildungsleiter Christian Bremert hat ein Händchen für Jugendliche nehmen Leseberg Automobile. Dort legt man großen Wert auf tiges, von der Arbeitsagentur finanziertes, Praktikum kam der eine intensive Betreuung der Auszubildenden – durch innerbe- junge Flüchtling in den Betrieb. „Er war unheimlich zuverlässig, trieblichen Unterricht, die Vorbereitung auf Prüfungen und den zeigte ein hohes Maß an Einsatz- regelmäßigen Austausch mit Berufsschulen und Innungen. Doch bereitschaft. Das vermissen wir auch bei privaten Sorgen ist Christian Bremert jederzeit an- »Jeder Mitarbeiter häufig bei Jugendlichen“, lobt sprechbar – notfalls auch nach Feierabend auf dem Privathandy. Bremert. „Er wollte uns bewei- „Ich versuche, ihr Vertrauen zu gewinnen, und sie bei Proble- bekommt die sen, dass er der Richtige ist.“ Wie- men an die Hand zu nehmen.“ Er fragt Unterstützung, der machte der Ausbildungsleiter nach. Kümmert sich. die Erfahrung, dass „diejenigen, die er braucht.« Das ist für einige ungewohnt – speziell die erst schwach aussehen, sich für den jugendlichen Flüchtling, der seit häufig zu ganz tollen Handwer- einem Jahr in der Werkstatt von Lese- kern entwickeln“. xxxxd Arash Verozmand, berg Lackierer lernt. „Es war nicht Heute ist der junge Mann ein Azubi wie jeder andere auch, mit 27, kommt aus leicht, eine Vertrauensbasis herzustel- ähnlichen Sorgen und Nöten. Probleme bereitet ihm allerdings Afghanistan len“, so Bremert. „Uns ist klar, dass die Sprache, insbesondere die Fachsprache. „Daran muss er ar- und lebt seit 13 Jahren in Hamburg. Flüchtlinge in unserem Land sehr allei- beiten.“ Doch Bremert sieht ihn auf einem guten Weg. Mit den ne sind. Für viele ist es nicht einfach, Kollegen in der Lackierabteilung spricht er nur Deutsch, „die Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Doch haben sich auf ihn eingestellt und verstehen ihn gut“. Der Aus- mittlerweile wendet sich auch dieser bildungsleiter freut sich, dass sein Schützling nun eine deutsche junge Mann bei Problemen an seinen Freundin hat. „Das wird ihm mit der Sprache helfen“, sagt er. Ausbildungsleiter. Klingt fast väterlich. Christian Bremert nennt es ein Stück so- ziale Verantwortung, auch Jugendlichen eine Chance zu geben, die schulische Leseberg Automobile oder persönliche Schwierigkeiten haben. Autohaus und Kfz-Werkstatt Über Langzeitpraktika, die so genannte 170 Mitarbeiter ‚Betriebliche Einstiegsqualifizierung‘, 25 Auszubildende haben sie die Möglichkeit, ihre Fähig- bildet einen Flüchtling zum Lackierer aus 18 19
! inn Gew t er ech Ein Mercy Attipetty, Geschäftsführerin Sprungbrett für ein Leben in Hamburg F ür viele Flüchtlingsjugendliche ist das indische Restaurant Jaipur ein Sprungbrett. Vier Jugendliche haben hier in den vergangenen Jahren eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastge- ihren Lebensunterhalt zu verdienen, jobbte sie in der Altenpflege. Nach der Hoch- werbe absolviert. Zwei davon waren Flüchtlinge, ohne Perspekti- zeit eröffnete das Ehepaar ve für ein Leben in Hamburg. „Sie wünschen sich so sehr, hier zu das Restaurant. Später grün- bleiben“, erzählt Mercy Attipetty, die das Restaurant gemeinsam deten sie mit anderen selb- mit ihrem Ehemann Paul führt. „Ich habe diese jungen Leute als ständigen Migranten asm e.V., sehr arbeitswillig kennen gelernt. Wenn sie motiviert sind, dann die ein Teilprojekt innerhalb bieten wir ihnen diese Chance.“ FLUCHTort Hamburg ha- „Durch eine Ausbildung bekommen diese jungen Menschen die ben. Deren Mitarbeiter ver- nötige Sicherheit, um sich hier in Hamburg ein Leben aufzubau- mitteln ihnen seitdem die en“, so Mercy Attipetty, die mittlerweile alle möglichen und un- Auszubildenden. möglichen Hürden kennt, auf Die besten Auszubildenden die Flüchtlinge stoßen können. wechseln nach ihrem Abschluss ins Hotelfach. Auch wenn „Viele sind im Alter von 13 »Wir haben viel Mercy Attipetty diese Mitarbeiter gerne halten würde, hat sie oder 14 Jahren nach Deutsch- Verständnis für deren Ehrgeiz und unterstützt sie in ihrem land gekommen und haben Hilfe erhalten, nun Weiterkommen. Der Kontakt reißt selten ab. „Sie kommen uns hier nur noch kurz die Schule möchten wir etwas besuchen und erzählen, wie es ihnen geht.“ besucht. Deshalb haben sie Auf dem Senatsempfang im Rathaus hat sich eine junge Frau Probleme mit dem Lesen und zurückgeben.« dem Ehepaar Attipetty vorgestellt. Sie hat ihnen gut gefallen. Schreiben.“ Frau Attipetty hilft Auch ihr drohte die Abschiebung, doch für die Ausbildung bei Hausaufgaben und Prü- im Restaurant Jaipur hat sie nun eine Aufenthaltserlaubnis fungsvorbereitungen. Im Restaurantalltag nimmt sie sich die erhalten. „Jetzt geben wir der Nächsten eine Chance“, sagt Zeit, Fachbegriffe zu erklären. Bei Problemen mit dem Aufent- Mercy Attipetty. Vermittelt wurde auch sie durch FLUCHTort halt wendet sie sich an die Beraterinnen und Berater aus dem Hamburg. Netzwerk FLUCHTort Hamburg. Für Mercy Attipetty und ihren Ehemann ist dieses Engagement kaum erwähnenswert, eben eine Selbstverständlichkeit. „Wir Restaurant Jaipur haben in Deutschland viel Hilfe erhalten. Nun möchten wir et- 4 Mitarbeiter was zurückgeben“, sagt die gebürtige Inderin, die als junge Frau 3 Auszubildende nach Deutschland kam, um hier Chemie zu studieren. Doch um bildet den drittenFlüchtling zur Fachkraft im Gastgewerbe aus 20 Mercy und Paul Attipetty kennen mittlerweile alle möglichen und unmöglichen Hürden für Flüchtlinge 21
! inn Gew t er ech Ein Mark Schmidt, Malermeister Erst Praktikum, dann Minijob E r ist da „irgendwie reingeschlittert“. Mark Schmidt hatte die Malerarbeiten beim Verein verikom gerade abgeschlossen, als eine Mitarbeiterin ihn bat, einen Flüchtling ins Praktikum zu Zuerst richtete der Praktikant die Baustelle ein, klebte Böden und Möbel ab. Bald konnte er Helfertätigkeiten übernehmen. Am Schluss hat er dann schon selber ein Zimmer und die Fassa- nehmen. „Ich war erst unsicher: Er kam aus Ghana, war schon de gestrichen. Mark Schmidt nahm sich immer wieder die Zeit 40 Jahre alt, sprach wenig Deutsch“, erinnert sich der junge zu erklären und die Handgriffe zu zeigen. Malermeister. „Ich wusste nicht, wie meine Kunden reagieren Schwierig war zunächst die Kommunikation, auch die interkul- würden.“ Im Gegensatz zu vielen anderen Handwerksbetrieben turelle. „Er hat immer ‚ja‘ gesagt, auch wenn er eine Frage oder arbeitet er ausschließlich in Privatwohnungen. „Unser Geschäft Anweisung nicht verstanden hat“, ist das Vertrauen. Die Kunden geben mir den Schlüssel für ihre so Mark Schmidt. „Das haben wir Wohnung.“ »Schwierig war erst allmählich begriffen.“ Die Doch als Mark Schmidt seinen zukünftigen Praktikanten kennen zunächst die Arbeit im kleinen Team schweiß- lernte, waren die Bedenken sofort zerstreut. „Er war mir auf den te zusammen: Man verbrachte ersten Blick total sympathisch.“ Auch die Kunden reagierten Kommunikation, die Frühstücks- und Mittagspau- ausnahmslos positiv, obwohl oder gerade weil im Handwerk bis- auch die sen miteinander, sprach über die her wenig schwarze Menschen arbeiten. interkulturelle.« Kinder, traf sich zur Weihnachts- Für den zweiten Praktikanten hat Mark Schmidt sich bewusst feier auf der Kartbahn. Wenn die entschieden. Auch dieser Kita anrief, weil das Kind Fieber Flüchtling kam aus Ghana, hatte, schickte der Meister ihn nach Hause. wo er Maler gelernt und jah- Als das Praktikum zu Ende ging, beschäftigte Mark Schmidt sei- Malermeister relang selbständig gearbeitet nen ehemaligen Praktikanten als Minijobber weiter. „Als Geselle Mark Schmidt: gelebte Integration im hatte. Doch seine Ausbildung konnte ich ihn nicht einstellen, so weit war er noch nicht.“ Aber Handwerk wurde in Deutschland nicht zumindest, so Mark Schmidt, konnte er ihm die Chance bieten, anerkannt. „Er hatte in vielen die betriebliche Erfahrung in Deutschland zu sammeln. Die ist Bereichen Erfahrungen, die für ein Verfahren zur Anerkennung des Berufsabschlusses als in Deutschland nicht zum Maler unerlässlich. Berufsbild gehören, wie bei- spielsweise im Malen von Schildern“, erzählt Mark MS-Design Schmidt. „Er war handwerk- Maler- und Ausbildungsbetrieb lich sehr fit.“ Der Meister ließ 1 Mitarbeiter ihn langsam einsteigen. hat zwei Flüchtlinge als Praktikanten und Minijobber beschäftigt 22 23
! inn Gew t er ech Ein Ramon Tuchen, Küchenchef Teamfähigkeit gefragt E r kocht aus dem Bauch heraus und genauso trifft er seine Entscheidungen. Zumindest bei der Wahl seiner Auszubil- denden. „Ich suche mir meist die scheinbar Schwierigen heraus, tigkeit nicht nur propagiert, sondern auch gelebt. Vor allem im Umgang mit den Mitarbeitern. „Das Betriebsklima ist ent- spannt. Es ist keine Kampfarena, wo ausschließlich der Umsatz die mit den schlechten Zeugnissen“, erzählt Küchenchef im Vordergrund steht.“ Das Personal kann all seine Energie in Ramon Tuchen. Auch der Ex-Punk nahm einige Umwege, bis er die Bewirtung der Gäste stecken. Doch wenn es schnell gehen in seinem Traumberuf landete. „Die Jugendlichen mit gradlini- muss, herrscht auch in dieser Küche ein rauer Umgangston. gen Lebensläufen interessieren mich nicht.“ Die Ausbildung Ramon Tuchen ist kein Choleriker wie sein Ausbilder einer war. zum Koch ist hart, – keine andere Ausbildung wird so häufig ab- „In meiner Küche wird nicht geschrien.“ Dennoch machten Ton gebrochen. Als der junge Flücht und Zeitdruck dem Auszubildenden ling aus Sierra Leone vor dem manches Mal zu schaffen. Zwei-Meter Hünen stand, merk- »Gradlinige Die Küche des ESSRAUMES ist ein te dieser, dass der Junge „Bock Spiegelbild des modernen Hamburgs. Lebensläufe hatte“. „Er war dankbar, dass wir Die Mitarbeiter kommen aus ihm die Chance gegeben haben. interessieren Deutschland, Polen, Thailand, Itali- Und dankbare Azubis sind die mich nicht.« en, Spanien und Sierra Leone. In den besten.“ meisten Küchen arbeiten schwarze Das Engagement und der Ehr- Menschen bisher nur als Spüler, in geiz des jungen Mannes beein- der Hierarchie ganz unten. „Eine Frage des Kleinhaltens“, fin- druckten Ramon Tuchen. Der det Tuchen. junge Mann war in einem ande- Der junge Flüchtling hat nach Ausbildungsende sofort eine An- ren Restaurant bereits im zweiten stellung in einem Hamburger Restaurant gefunden. Denn „wer Lehrjahr, durfte aber nur zuarbei- hier auslernt, kann kochen“, sagt Ramon Tuchen im Brustton ten „Das ist für einen Auszubil- der Überzeugung. Vielleicht wird auch der sierra-leonische denden der Ruin.“ Den Urlaub Koch eines Tages in den ESSRAUM zurückkehren. Wie viele nutzte der für ein zweiwöchiges andere, die bei Ramon Tuchen gelernt haben. Praktikum im Restaurant ESS- RAUM. „Wir haben auf Quali- Junges Hotel Hamburg tät und Geschicklichkeit geach- Restaurant ESSRAUM tet. Entscheidend aber war, dass 9 Mitarbeiter er ins Team passte.“ 3 Auszubildende Im Jungen Hotel wird Nachhal- hat einen Flüchtling zum Koch ausgebildet 24 Küchenchef Ramon Tuchen kam selbst erst über Umwege zu seinem Traumberuf 25
Nachwort Erfahrungen und Erfolge der Projektarbeit von FLUCHTort Hamburg Plus II nachwort D ie Teilhabe von geduldeten Flüchtlingen und Asylsuchen- den an Ausbildung und Beschäftigung in einem Wirt- schaftsbetrieb war vor rund zehn Jahren noch undenkbar, weil E rst europäische Initiativen zur Verbesserung der Arbeits- marktbeteiligung, Förderprogramme des Bundes und die Bleiberechtsregelungen der Bundesregierung haben neue Pers- eine äußerst diskriminierende Asyl-, Bildungs- und Beschäfti- pektiven eingeleitet: Zunehmend werden geduldete Flüchtlinge gungspolitik den Zu- und Asylsuchende in integrationspolitische Maßnahmen einbe- gang zu Berufsbildung zogen. Dennoch bestehen noch jede Menge gesetzlicher Hür- und Arbeitsmarkt durch »Die Förderung der den, die für die Betriebe die Integration erschweren. restriktive Gesetzeslagen beruflichen Integration Unter anderem bleibt die Erarbeitung und Umsetzung eines ausschloss. neuen nachhaltigen Bleiberechts, das dauerhaft hier lebenden Vielen Flüchtlingen, die von Flüchtlingen und Flüchtlingen eine Perspektive in Deutschland eröffnet, eine nach Deutschland kom- Asylsuchenden ist ein wichtige Aufgabe für die Zukunft. men, wird der Asylan- Beitrag zur Sicherung des trag abgelehnt. Ohne Anerkennung wird ein Aufenthalt in Deutsch- Arbeitskräftebedarfs I n Hamburg werden seit 2002 Netzwerke zur beruflichen För- derung dieser Gruppe umgesetzt. Durch diese kontinuierliche Arbeit konnten insbesondere unter Beteiligung zahlreicher in vielen Branchen.« land aber nur geduldet. strategischer Partner von Fachbehörden, der Arbeitsverwaltung Mit dieser Aufenthalts- und Wirtschaftsbetrieben verlässliche Kooperationsstrukturen form bleiben die Flüchtlinge ausreisepflichtig, die Abschiebung auf-gebaut werden, die einer Vielzahl von Flüchtlingen und wird nur solange ausgesetzt, wie eine Ausreise aus humanitären Asylsuchenden als Brücken dienen, um in Qualifizierungsmaß- Gründen nicht erfolgen kann. nahmen, Praktika, Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisse einzu- treten. ➜ 26 27
nachwort Zu dem Netzwerk FLUCHTort Hamburg Plus II „Berufliche Integration für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge” gehören die Projekte PERSPEKTIVE ARBEIT Zentrale Information und Beratung für Flüchtlinge gGmbH RESTART Inab Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH COACH verikom e.V. F D D LUCHTort Hamburg ist eines von 28 Netzwerken, die in ie erfolgreichen Vermittlungsquoten und die positive as Integrationskonzept des Hamburger Senats vom März DEUTSCHKURS – Beratung – Praktikum einem Nationalen Thematischen Netzwerk zusammen ar- Resonanz der Hamburger Wirtschaftsbetriebe zeigen, dass 2013 erwähnt die Berücksichtigung von Flüchtlingen als why not? Das Internationale Diakoniecafé beiten. In der laufenden Förderperiode arbeitet das Netzwerk in eine gezielte Beratung, ein Coaching, die Sprachförderung und ausdrückliches Ziel seiner Integrationspolitik. Damit sind wir in einem Kooperationsverbund mit sieben Teilprojekten, die die Vermittlung in weitergehende Qualifizierungsangebote eine Hamburg einen großen Schritt vorangekommen: Die Stadt setzt BENEFIT Flüchtlinge und Asylsuchende beraten, coachen, qualifizieren wichtige Voraussetzung sind, um die Arbeitsmarktchancen zu ein positives Signal zur verbesserten Teilhabe von Flüchtlingen Commit OHG (bis Dezember 2012) sowie in Arbeit und Ausbildung erhöhen. Die Förderung der und Asylsuchenden an Bildung und Arbeit. 1 vermitteln. Darüber hinaus beruflichen Integration von werden durch begleitende Öf- »Die Förderung der beruflichen Integration Flüchtlingen und Asylsuchen- INTEGRATION DURCH AUSBILDUNG Arbeitsgemeinschaft selbständiger Migranten e.V. fentlichkeitsarbeit Institutionen, von Flüchtlingen und Asylsuchenden ist den ist ein Beitrag zur Siche- Fachbehörden und die Öffent- rung des Arbeitskräftebedarfs in ein Beitrag zur Sicherung des COACHING UND AUSBILDUNGSMANAGEMENT lichkeit sensibilisiert. vielen Branchen. Diese wird Für das Hamburger Netzwerk Bis heute wurden in dieser Lauf- Arbeitskräftebedarfs in vielen Branchen.« auch von der Bundesregierung Maren Gag und Franziska Voges FÜR JUNGE FLÜCHTLINGE zeit des Programms seit Ende durch die Fachkräftestrategie passage gGmbH 2010 insgesamt gut 1.100 Per- verfolgt, in dem u.a. die inländi- sonen beraten. Davon konnten mehr als die Hälfte in Arbeit, schen Potenziale von potenziellen Arbeitnehmer/innen ausge- AUSBILDUNGSBEGLEITUNG DURCH Aus-bildung und Qualifizierung innerhalb und außerhalb des schöpft werden sollen. Der aktuell veröffentlichte Bericht, der im MENTOR/INNEN Netzwerkes vermittelt werden. Es wären jedoch viel mehr, wenn Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im basis & woge e.V. die noch bestehenden gesetzlichen Hürden hinsichtlich Aufent- Rahmen der Programmevaluation erstellt wurde, unterstreicht halt und Zugang zu Arbeit und Qualifizierung beseitigt würden. die Effizienz und Qualität bei der Beratung und Vermittlung der Netzwerke in den Regionen. Weitere Informationen und Materialien zu FLUCHTort Hamburg und den Projekten unter 1 Lawaetz-Stiftung & Univation (2013): www.fluchtort-hamburg.de Programmevaluation „ESF-Bundesprogramm zur arbeitsmarkt- lichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge mit 28 Zugang zum Arbeitsmarkt“, 2. Förderrunde - Zwischenbilanz 29
! inn Gew t er ech Ein EINDRÜCKE VOM SENATSEMPFANG AM 21. JANUAR 2013 Impressum Ein echter Gewinn! Herausgeber: FLUCHTort Hamburg Plus II passage gGmbH Migration und Internationale Zusammenarbeit Maren Gag, Franziska Voges Nagelsweg 14 20097 Hamburg Tel: + 49 40 24 19 27 85 Fax: + 49 40 24 19 27 87 www.fluchtort-hamburg.de Text & Konzept: Michaela Ludwig, Hamburg Foto: Nils von Blanc, Hamburg Layout: Thurner-Design, München Druck: hansadruck, Kiel Auflage: 1000 Hamburg, im Juni 2013 30 31
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