Corona-Krise Wissenstext - iconomix

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Wissenstext

 Corona-Krise
 Bilanz des Corona-Jahres 2020
 Das Jahr 2020 war in vieler Hinsicht aussergewöhnlich. Das Coronavirus hat das
 öffentliche Leben zum Erliegen gebracht. Im März erklärte der Bundesrat die
 ausserordentliche Lage und verordnete den Lockdown, nachdem die Fallzahlen in die
 Höhe geschossen waren und sich die Intensivbetten in den Spitälern bedrohlich zu
 füllen begonnen hatten. Das erste Grossereignis in der Schweiz, das der Pandemie
 zum Opfer fiel, war die Basler Fasnacht. Die Fussballeuropameisterschaft und die
 Olympischen Spiele wurden um ein Jahr verschoben. Zuletzt war dies im Zuge des
 Zweiten Weltkriegs der Fall, dass solche Grossereignisse nicht stattfinden konnten.

 Die Pandemie hat auch in der Schweizer Wirtschaft deutliche Spuren hinterlassen. Im
 Jahr 2020 ist das Bruttoinlandprodukt um rund 2,7% geschrumpft[1], was den
 stärksten Rückgang seit mehr als 40 Jahren bedeutet. Im internationalen Vergleich ist
 die Schweiz damit glimpflich durch das Krisenjahr 2020 gekommen. Bei der Anzahl
 Todesfälle pro 100’000 Einwohnern liegt die Schweiz mit 127 etwa im Mittelfeld der
 OECD-Länder (John Hopkins University, 16.08.2021).

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 Das Coronavirus
 SARS-CoV-2 – im Volksmund «Coronavirus» genannt – hat seinen wahrscheinlichen
 Ursprung auf einem Markt in der Stadt Wuhan in Zentralchina, wo das Virus von
 Tieren auf den Menschen übertragen wurde. Es ist ein heimtückisches Virus, weil man
 auch ansteckend sein kann, ohne selber Symptome zu haben. Aus diesem Grund lässt
 sich die Ausbreitung des Virus nicht verhindern, indem Erkrankte isoliert werden.

 Die Dauer von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung beträgt im Mittel 5–6
 Tage. Es gibt aber auch Fälle, in denen diese sogenannte Inkubationszeit deutlich
 länger dauert. Ansteckend kann man jedoch schon vorher sein. Am grössten ist die
 Ansteckungsgefahr kurz vor und nach dem Auftreten der ersten Symptome.

 Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) nennt als häufigste Übertragungsform den
 längeren Kontakt zu einer infizierten Person mit weniger als 1,5 m Abstand ohne
 Schutz in Form einer Maske. Konkret geschieht die Übertragung durch die Aufnahme
 von virushaltigen Tröpfchen und Aerosolen über die Atmung. Ausgestossen werden
 sie beim Atmen, beim Sprechen, in erhöhtem Ausmass beim Singen und noch mehr
 beim Husten. Generell ist die Übertragungswahrscheinlichkeit in geschlossenen
 Räumen, vor allem in kleinen und schlecht durchlüfteten, erhöht.

 Die häufigsten Symptome sind Fieber, Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns
 und akute Atemwegserkrankungen wie Halsschmerzen, trockener Husten,
 Kurzatmigkeit und Brustschmerzen. Seltener treten Kopfschmerzen,
 Muskelschmerzen, Magen-Darm-Symptome oder Hautausschläge auf.

 Bei der grossen Mehrheit der Infizierten zeigen sich entweder keine oder milde
 Symptome. Ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder sogar kritischen Verlauf
 besteht insbesondere bei älteren Menschen und bei solchen mit bestimmten
 Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Krebs.

 Auch bei Personen mit mildem Krankheitsverlauf können längerfristige Folgen (Long
 COVID) in Form von Erschöpfung, Kurzatmigkeit oder Konzentrations- und
 Gedächtnisproblemen auftreten.

 Gesundheitliche Bilanz 2020
 Insgesamt gab es im Pandemiejahr 2020 in der Schweiz gemäss offiziellen Zahlen des
 BAG rund 450’000 bestätigte Fälle von Infektionen. In knapp 20’000 Fällen kam es zu
 einer Hospitalisation, rund 7600 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus
 waren zu beklagen. Die Grafiken in der Abbildung 1 zeigen die Entwicklung der
 Fallzahlen (obere Grafik) und der Todeszahlen (untere Grafik) im Zeitablauf. Die
 Pandemie schlug in zwei Wellen zu, mit jeweils steigenden Fallzahlen und einem etwas
 verzögerten Anstieg der Todesfälle. Die zweite Welle war deutlich stärker. Die Zacken
 in der blauen Linie der Fallzahlen zeigen das Muster der Meldungen im Wochenablauf.
 Die rote Linie zeigt jeweils die kumulierte Anzahl.

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 Abbildung 1: Anzahl bestätigte Fälle (obere Grafik) und Anzahl bestätigte Todesfälle (untere Grafik). Die blaue Linie zeigt jeweils die
 Anzahl pro Tag (linke y-Achse), die rote Linie jeweils die kumulierte Anzahl (rechte y-Achse).

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 Der Jahreswechsel 2020/2021 fand inmitten der zweiten Welle statt, mit täglichen
 Fallzahlen weit im vierstelligen Bereich und rund 60 bis 100 Todesfällen pro Tag. Per
 Mitte August 2021 ist die Anzahl Fälle auf rund 740’000 angewachsen, die Anzahl
 Hospitalisationen auf rund 30’000 und die Anzahl Todesfälle auf rund 10’400.

 Pro 100 bestätigte Fälle sind in der Schweiz rund 1,5 Todesfälle zu beklagen.[2] Dieser
 sogenannte Fall-Verstorbenen-Anteil variiert zwischen den OECD-Ländern von unter
 0,5 (Singapur und Island) bis zu 3 und mehr (Slowakei, Ungarn, Mexiko).

 Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen und eine Überlastung der Spitäler zu
 vermeiden, wurden menschliche Kontakte mittels erheblicher
 Freiheitseinschränkungen reduziert. Das öffentliche Leben kam zum Stillstand.
 Darunter leiden soziale Beziehungen, was auch an der Psyche der Menschen nicht
 spurlos vorübergeht. Die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit
 der Schweizer Bevölkerung wurden im Auftrag des BAG analysiert.[3] Der Bericht
 kommt zum Schluss, dass der Grossteil der Bevölkerung gut durch die Pandemie
 gekommen ist, auch wenn sich Ermüdungserscheinungen bemerkbar machen. Erhöhte
 Stresslevels oder geringeres Wohlbefinden zeigen sich vor allem bei den jüngeren
 Generationen, beim Gesundheitspersonal oder bei Personen mit psychischen
 Vorerkrankungen.

 Basierend auf polizeilichen Kriminalstatistiken gibt es gemäss dem Bericht keine
 Hinweise, dass Suizide oder Suizidversuche pandemiebedingt zugenommen hätten.
 Jedoch haben Beratungsanfragen wegen Suizidgedanken bei der Dargebotenen Hand
 und bei Pro Juventute zugenommen.

 Eine schrittweise Rückkehr zur Normalität ermöglichte im Frühjahr 2021 die Impfung.
 Ab Januar 2021 wird in der Schweiz geimpft. Nach harzigem Start nahm die
 Impfkampagne Fahrt auf. Per Anfang Juli 2021 waren gemäss Umfragen 60% der
 Bevölkerung teilweise oder vollständig geimpft. An Schwung verloren hat die
 Impfkampagne zu diesem Zeitpunkt nicht wegen begrenzter Kapazitäten oder
 Verfügbarkeiten von Impfdosen, sondern wegen der mangelnden Impfbereitschaft. Die
 meisten noch nicht Geimpften gaben in der Umfrage an, noch abwarten oder sich gar
 nicht impfen lassen zu wollen.[4]

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 Wie hat sich die Schweizer Wirtschaft im Jahr 2020 entwickelt?
 Die Pandemie hat erhebliche Spuren in der Schweizer Wirtschaft hinterlassen. Das
 Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) geht für das Jahr 2020 von einem Rückgang
 des Bruttoinlandprodukts (BIP) um 2,7% aus.

 Im Konjunkturverlauf lassen sich im Pandemiejahr 2020 drei Phasen ausmachen.

 Die erste Phase war von einem historischen Einbruch der Wirtschaftsleistung geprägt.
 Im Zuge der rasch steigenden Fallzahlen verordnete der Bundesrat am 16. März 2020
 den Lockdown und schloss Bars, Restaurants und Läden mit Waren des nicht täglichen
 Bedarfs. Gleiches galt für Kultur-, Unterhaltungs-, Freizeit-, Sport- und
 Wellnessbetriebe. Das BIP schrumpfte im zweiten Quartal gegenüber dem ersten
 Quartal geschätzt um satte 6,8%, nachdem bereits im ersten Quartal eine
 Schrumpfung um 1,9% [5]zu verzeichnen gewesen war. Hauptsächlich getrieben war
 der Rückgang der Wirtschaftsleistung durch die einbrechende inländische Nachfrage.
 Einerseits konnte man viele Güter und Dienstleistungen im Lockdown schlicht nicht
 nachfragen, andererseits trübten der vorübergehende Jobverlust – auch wenn in
 vielen Fällen die Kurzarbeitsentschädigungen den Einkommensausfall mindestens
 teilweise deckten – und Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft generell die
 Konsumentenstimmung. Besonders hart getroffen waren kontaktintensive Branchen
 wie das Gastgewerbe oder die Branchen Kunst, Unterhaltung und Erholung.

 Die starke Einschränkung des öffentlichen Lebens hat die Fallzahlen rasch sinken
 lassen. Nachdem Ende März die Fallzahlen bis auf 1500 und die Todeszahlen bis auf
 60 pro Tag gestiegen waren, waren im Mai und Juni beide Werte nahe bei null. Die
 Pandemie schien schon überstanden und die Einschränkungen wurden gelockert. In
 dieser zweiten Phase erlebten wir eine eindrückliche Erholung der Inlandnachfrage.
 Die Wachstumsrate im dritten Quartal 2020 betrug gemäss den Experten des Bundes
 gegenüber dem zweiten 7,2%. Besonders stark war das Wachstum in den Branchen,
 die ein Quartal zuvor eingebrochen waren.

 In der dritten Phase wurde die wirtschaftliche Erholung durch die zweite
 Pandemiewelle ausgebremst. Als im Oktober 2020 die Fallzahlen wieder anstiegen,
 wurden die Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus wieder schrittweise
 verstärkt. Im vierten Quartal wurde gegenüber dem dritten praktisch ein
 Nullwachstum verzeichnet.

 Abbildung 2 fasst die Schätzungen zum Wirtschaftsgang im Pandemiejahr 2020
 zusammen. Die blauen Balken stellen das BIP in Prozent relativ zum Vorkrisenniveau
 dar. Nach dem Einbruch im zweiten Quartal lag die Wirtschaftsleistung mehr als 8%
 unter dem Vorkrisenniveau. Im dritten Quartal wurde der grösste Teil des Rückgangs
 wieder wettgemacht. Das vierte Quartal war wirtschaftlich ein Krebsgang. Im ersten
 Quartal 2021 schrumpfte das BIP infolge der zweiten Welle nochmals leicht.

 Die schwarze Linie stellt den Index der wöchentlichen wirtschaftlichen Aktivität
 (WWA) dar, der von den Konjunkturanalysten des Bundes entwickelt
 wurde.[6] Traditionelle Konjunkturindikatoren stehen nur monatlich oder vierteljährlich
 zur Verfügung. In der Krise waren angesichts der sich überschlagenden Ereignisse
 zeitnahe Informationen über die konjunkturelle Lage besonders wichtig. Der WWA-
 Index setzt sich deshalb aus Indikatoren zusammen, die mindestens wöchentlich
 verfügbar sind, etwa aus dem Elektrizitätsverbrauch, den Bargeldbezügen oder der
 Anzahl täglich registrierter Arbeitsloser.

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             Abbildung 2: Index der wöchentlichen wirtschaftlichen Aktivität und das Bruttoinlandprodukt. Bei beiden ist
             die Abweichung zum Vorkrisenniveau in Prozent dargestellt. Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft, Index
             zur wöchentlichen Wirtschaftsaktivität

 Der WWA-Index macht den starken Einbruch im ersten Lockdown im Frühjahr 2020
 deutlich. Danach erholte sich die wirtschaftliche Aktivität. Aufgrund der raschen
 Verfügbarkeit der zugrunde liegenden Daten stellt er die Entwicklung bis an den
 aktuellen Rand dar. Diese deutet auf eine deutliche Erholung hin. Im Sommer 2021
 übertrifft die wirtschaftliche Aktivität das Vorkrisenniveau gemäss dem Index bereits
 wieder.

 Stärkere BIP-Schrumpfung als während der Finanzkrise
 Der coronabedingte Einbruch der Schweizer Wirtschaftsleistung um 2,7% im
 Pandemiejahr 2020 ist der stärkste seit 1975, als das BIP infolge der Ölpreiskrise um
 6,7% einbrach. Die globale Finanzkrise hinterliess mildere Spuren in den BIP-Zahlen,
 sie liess die Wirtschaftsleistung 2009 um 2,1% schrumpfen. Ein Vergleich von 2009
 und 2020 zeigt, dass die Anatomien der zwei Krisen sehr unterschiedlich sind.

 In der Finanzkrise 2009 stabilisierte der Inlandkonsum die Konjunktur. Starke
 Rückgänge verzeichneten Warenexporte und das verarbeitende Gewerbe. Die Corona-
 Krise war vor allem vom einbrechenden privaten Konsum getrieben. Umgekehrt wirkte
 der Aussenhandel stabilisierend. Stabilisierend wirkte in beiden Krisen der
 Staatskonsum.[7]

             Abbildung 3: Wachstumsbeiträge der BIP-Komponenten, reale Wachstumsraten in Prozentpunkten. Quelle:
             Staatssekretariat für Wirtschaft, Konjunkturtendenzen, Frühjahr 2021, Exkurs: Das BIP der Schweiz 2020 –
             wirtschaftliche Folgen der Corona-Pandemie

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 Im Unterschied zur Finanzkrise lässt sich in der Corona-Krise kein Anstieg der
 Konkurse feststellen. Im Jahr 2020 zeigt sich gegenüber dem Vorkrisenniveau sogar
 eine Untersterblichkeit bei den Firmen. Ein Grund für die ausbleibende Konkurswelle
 dürften die auch während der Krise guten Finanzierungsbedingungen sein. Das
 Wachstum des Kreditvolumens war 2020 auf hohem Niveau. Ein Sprung im
 Kreditvolumen ist im Frühjahr 2020 sichtbar, als das vom Bund garantierte
 Kreditprogramm gestartet wurde. Auch nachdem das COVID-Kreditprogramm
 eingestellt worden war, gab es keine Anzeichen einer Kreditklemme.[8]

 Die Anzahl Konkurse ist ein schwierig zu interpretierendes Signal für die Beurteilung
 der konjunkturellen Lage und der Wachstumsaussichten der Folgejahre. Einerseits
 können Konkurse Ausdruck einer starken, dauerhaften Rezession sein und gleichzeitig
 Beziehungs- und Vertrauenskapital zerstören, was dem Aufschwung im Wege steht.
 Andererseits können sie ein Zeichen dafür sein, dass der Strukturwandel im Gange ist,
 der mittel- bis langfristig Produktivitätsgewinne bringt.

 Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen
 Regierungen weltweit haben rasch reagiert und Massnahmenpakete von historischen
 Ausmassen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen geschnürt. Die Schweiz ist
 hier keine Ausnahme. Zu Beginn der Krise hat der Bundesrat gestützt auf Notrecht
 Massnahmen beschlossen. Das Parlament hat später mit dem COVID-Gesetz eine
 gesetzliche Grundlage geschaffen, die in der Volksabstimmung vom 13. Juni 2021
 angenommen wurde. Fast alle darin enthaltenen Massnahmen gelten bis Ende 2021.

 > Ausweitung und Vereinfachung der Kurzarbeit
 Kurzarbeit ist ein Modell, um bei vorübergehenden Beschäftigungseinbrüchen
 Entlassungen zu verhindern. Dabei bleiben Angestellte in Abhängigkeit der
 Auftragslage vorübergehend der Arbeit fern oder arbeiten nur noch reduziert. Das
 Angestelltenverhältnis bleibt aber bestehen und die Kurzarbeitsentschädigung deckt
 weiterhin bis zu 80% des Lohnausfalls. Bei Personen mit tiefen Einkommen wurde in
 der Corona-Ausnahmesituation die Entschädigung aufgestockt, sodass sie den
 gesamten Lohnausfall deckt. Die Arbeitslosenentschädigung wurde u.a. auf temporär
 Angestellte und auf Lernende ausgeweitet. Zudem hat der Bundesrat die
 Höchstbezugsdauer von Kurzarbeit in zwei Schritten von 12 auf 24 Monate verlängert
 und die Frist zur Voranmeldung für Kurzarbeit wurde aufgehoben. Der Bund hat die
 dadurch entstehenden Kosten von der Arbeitslosenversicherung übernommen und so
 2020 fast 11 Milliarden Franken für Kurzarbeitsentschädigungen ausgegeben.

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 > Liquiditätshilfen für Unternehmen
 Mit den Kurzarbeitsentschädigungen sind bei Weitem nicht alle laufenden Kosten der
 betroffenen Unternehmen gedeckt. Laut Schätzungen machen Kapitalkosten wie
 Mieten, Zinsen, Abschreibungen, Lager- und Unterhaltskosten 40% der Gesamtkosten
 von KMU aus.[9] Um zu verhindern, dass grundsätzlich solvente Unternehmen in
 Liquiditätsengpässe geraten, stellte der Bund Soforthilfe in Form von verbürgten
 COVID-Überbrückungskrediten zur Verfügung. Die Schweizerische Nationalbank
 unterstützte das Kreditprogramm, indem sie den Geschäftsbanken gegen Hinterlegung
 der vom Bund garantierten Kredite Liquidität zur Verfügung stellte.

 Betroffene Unternehmen konnten bei ihrer Hausbank rasch Liquidität in Form von
 Krediten erhalten, die bis zu 500’000 Franken vom Bund garantiert wurden. Bei
 darüber hinausgehenden Beträgen garantierte der Bund 85%. Der Bundesrat hat ein
 Bürgschaftsvolumen von maximal 40 Milliarden Franken bewilligt. Die Frist für
 Kreditgesuche lief bis am 30. Juli 2020, dann wurde das Programm eingestellt.
 Insgesamt gewährten die Banken COVID-Überbrückungskredite mit einem Volumen
 von insgesamt rund 17 Milliarden Franken. Das vom Bundesrat genehmigte Volumen
 wurde damit bei Weitem nicht ausgeschöpft. Der grösste Teil der Kreditnachfrage kam
 aus der Baubranche, dem Gross- und Detailhandel sowie aus der Gastronomie. Vor
 allem KMU nahmen Überbrückungskredite in Anspruch.

 Untersuchungen attestieren den Überbrückungskrediten eine durchaus hohe
 Zielgenauigkeit. Für die Befürchtung, dass das Programm sogenannte Zombie-Firmen
 schaffe, indem es eigentlich nicht lebensfähige Unternehmen mit Krediten künstlich am
 Leben hält, liessen sich keine Hinweise finden. Vor allem wenig liquide Firmen, die
 stark vom Lockdown betroffen waren, nahmen die Unterstützung in Anspruch.[10]

 > Entschädigungen für Selbstständige und Angestellte
 Selbstständig Erwerbende und Angestellte wurden für Erwerbsausfälle entschädigt,
 die durch behördliche Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus verursacht
 wurden.

 Dies betraf bei den Selbstständigen namentlich jene, die ihren Betrieb vorübergehend
 schliessen mussten. Bei Angestellten ist eine Entschädigung vorgesehen, wenn Eltern
 ihre Erwerbstätigkeit wegen Schulschliessungen unterbrechen müssen. Auch
 Erwerbsausfälle wegen ärztlich verordneter Quarantäne werden entschädigt. Die
 Entschädigung beträgt 80% des Einkommens, maximal aber 196 Franken pro Tag. Im
 Jahr 2020 hat der Bund dafür 2,2 Milliarden Franken ausgegeben.

 Als weitere Massnahmen sind Soforthilfen für den Kulturbereich und den Sport zu
 erwähnen, die neben Darlehen auch À-fonds-perdu-Beiträge vorsehen. Der Tourismus
 wird zudem mit Informations- und Beratungsaktivitäten unterstützt.

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 > Unterstützung für Härtefälle
 Als im Zuge der zweiten Pandemiewelle im Herbst 2020 erneut viele Geschäfte
 schliessen mussten, zeigte sich, dass das bereits eingestellte Programm der COVID-
 Überbrückungskredite womöglich nicht ausreichen würde, um eine Konkurswelle zu
 vermeiden. Im November erliess der Bundesrat gestützt auf das vom Parlament im
 September beschlossene COVID-Gesetz eine Verordnung, die die finanzielle
 Beteiligung des Bundes an kantonalen Unterstützungsmassnahmen für Unternehmen
 in Härtefällen regelt. Gesetz und Verordnung wurden in der Folge mehrmals
 angepasst. Mit dem Instrument sollen Härtefälle abgefedert werden, die auf
 behördliche Massnahmen zurückzuführen sind. In der Regel liegt ein Härtefall vor,
 wenn der Umsatzrückgang im Jahr 2020 gegenüber den Jahren 2018/2019
 mindestens 40% beträgt oder wenn ein Betrieb während 40 Tagen behördlich
 geschlossen wird. Dies betrifft vor allem Unternehmen in der Wertschöpfungskette
 von Branchen, die im Lockdown runterfahren mussten. Die Unterstützung kann als À-
 fonds-perdu-Beitrag, rückzahlbares Darlehen, Garantie oder Bürgschaft ausgerichtet
 werden. Das Volumen des Härtefallprogramms wurde im März 2021 von 2,5
 Milliarden auf 10 Milliarden Franken (Bund und Kantone) aufgestockt.

 Bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 5 Millionen Franken übernimmt der
 Bund 70% und die Kantone 30% der Finanzierung. Bei umsatzstärkeren Unternehmen
 übernimmt der Bund die vollen Kosten.

 Per Anfang August 2021 wurden insgesamt knapp 3,5 Milliarden Franken À-fonds-
 perdu-Härtefallgelder für knapp 32’000 Unternehmen gesprochen. Darlehen,
 Garantien und Bürgschaft machten weniger als ein Zehntel davon aus. In Anspruch
 genommen wurde die Unterstützung vor allem von Unternehmen in den Bereichen
 Gastronomie, Hotellerie und Detailhandel.

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 Massnahmen im internationalen Vergleich
 > Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus
 Jede Änderung der einschränkenden Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus
 wurde mit Spannung erwartet und sorgte bereits vor, aber vor allem nach der
 Ankündigung für heftige Kontroversen. Das kann man nachvollziehen, haben doch
 politische Entscheide selten so einen unmittelbar spürbaren Einfluss auf unser Leben.
 Die einen fühlten sich ihrer Freiheit beraubt, andere forderten noch strengere
 Massnahmen, um die Pandemie in den Griff zu kriegen.

 Auch wenn die Einschränkungen des öffentlichen Lebens schmerzhaft waren, im
 internationalen Vergleich waren die Behörden hierzulande milde gestimmt. So gab es
 in der Schweiz im Unterschied zu bspw. Frankreich, Spanien oder China zu keinem
 Zeitpunkt eine Ausgangssperre. Abgesehen von Quarantäne- oder
 Isolationsanordnungen konnte man hierzulande zu jedem Zeitpunkt ohne Angabe von
 Gründen die eigenen vier Wände verlassen.

 Die Corona-Massnahmen sind vielschichtig. Sie betreffen Schulen, Universitäten,
 Arbeitsstätten (Restaurants, Bars, Coiffeursalons etc.), öffentliche Veranstaltungen,
 Vorgaben zu Homeoffice oder generelle Anweisungen, zu Hause zu bleiben. Ein
 systematischer internationaler Vergleich der Corona-Massnahmen ist angesichts
 dieser Komplexität nicht einfach.

 Eine Forschergruppe der britischen Oxford-Universität sammelt seit Ausbruch der
 Pandemie entsprechende Daten zu über 180 Ländern und fasst sie in einem Index
 zusammen, der die Strenge der Corona-Massnahmen abbildet. Über die Effektivität
 der Massnahmen sagt er nichts aus. Abbildung 4 zeigt den Indexwert für die Schweiz
 des so erstellten sog. COVID-19 Government Response Tracker im Zeitablauf im
 Vergleich mit ausgewählten Ländern. Wenn innerhalb eines Landes zwischen
 Regionen unterschiedliche Regeln gelten, fliesst diejenige Region – in der Schweiz also
 der Kanton – mit den strengsten Massnahmen in den Index ein.

 Gemäss dem Index war der erste Lockdown im März und April 2020 ähnlich streng
 wie in den anderen abgebildeten Ländern. In China stiegen die Fallzahlen und die
 Strenge der Massnahmen etwas früher. Generell haben die Länder auf die erste
 Pandemiewelle mit ähnlich strengen Massnahmenpaketen reagiert. Danach wurden die
 Unterschiede grösser, wobei die Schweiz in Bezug auf die Strenge der Massnahmen
 eher am unteren Rand war.

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 Abbildung 4: Index für die Strenge der Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Quelle: Our World in Data, COVID-19: Stringency
 Index

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 > Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen [11]

 Im Konjunkturtendenzen-Bericht des Seco vom Frühjahr 2021 findet sich ein Exkurs,
 der das Ausmass der staatlichen Unterstützung der Schweiz gestützt auf Daten des
 Internationalen Währungsfonds und statistischer Ämter mit jenem anderer Länder
 vergleicht.

 Der Bericht unterscheidet zwischen direkt budgetwirksamen Massnahmen in Form
 von Staatsausgaben oder Steuerreduktionen («Fiskalimpuls») und anderen Formen
 der Liquiditätsunterstützung (z. B. die Gewährung von Darlehen oder Garantien für
 Unternehmenskredite). Letztere wirken sich nicht unmittelbar auf das Staatsdefizit
 aus.

 Beim Fiskalimpuls wird derjenige Teil abgebildet, der über die sog. automatischen
 Stabilisatoren hinausgeht (auch wenn die Abgrenzung nicht immer einfach ist).
 Lehrbuchbeispiel eines solchen ist die Arbeitslosenversicherung: In der Rezession
 steigt die Arbeitslosigkeit und damit automatisch die ausbezahlten Arbeitslosengelder.
 In Ländern mit stark ausgebauten automatischen Stabilisatoren (bspw. die Staaten der
 EU) ist zur Abfederung des Wirtschaftseinbruchs ein geringerer Fiskalimpuls
 notwendig als bspw. in den USA. Bei der Schweiz werden die Massnahmen der
 Kantone nicht mitgerechnet.

 Der so gemessene Fiskalimpuls betrug in der Schweiz geschätzt 5,3% des BIP. Das ist
 mehr als im Durchschnitt der EU-Länder (3,8%), jedoch deutlich weniger als in den
 USA (16,7%), dem Vereinigten Königreich (16,3%) oder in Japan (15,6%). Auch
 Deutschland ragt mit einem Wert von 11% heraus. Zu Buche schlagen dürfte hier die
 vorübergehende Senkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf 16% während des
 zweiten Halbjahres 2021. Setzt man den Fiskalimpuls ins Verhältnis zum BIP-
 Rückgang, weist die Schweiz mit 1,8 einen höheren Wert auf als das Vereinigte
 Königreich und einen mehr als doppelt so hohen als die EU-Länder im Durchschnitt.

 Abbildung 5 stellt den geschätzten Fiskalimpuls in Prozent des BIP sowie den BIP-
 Rückgang 2020 in der Schweiz und in anderen Ländern grafisch dar.[12] Zusätzlich ist
 die Höhe der Liquiditätsunterstützung im Verhältnis zum BIP ausgewiesen. In der EU
 und in der Schweiz waren die Liquiditätsunterstützungen volumenmässig bedeutender
 als der Fiskalimpuls. In der Schweiz fallen vor allem die Bürgschaften für die COVID-
 Überbrückungskredite darunter. In den USA spielten die nicht direkt defizitwirksamen
 Liquiditätsunterstützungen trotz sehr umfangreichen Fiskalimpulses kaum eine Rolle.

                    Abbildung 5: Fiskalimpuls in Prozent des BIP, Liquiditätsunterstützung in Prozent des BIP
                    und BIP-Rückgang 2020, Länder sortiert nach Fiskalimpuls in Prozent des BIP. Quelle:
                    eigene Darstellung gestützt auf Daten von Staatssekretariat für Wirtschaft,
                    Konjunkturtendenzen, Frühjahr 2021, Exkurs: Schweizer Fiskalimpuls vergleichsweise
                    umfangreich gemessen am Wirtschaftseinbruch 2020.

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 Warum kam die Schweiz vergleichsweise glimpflich durch die
 Krise?
 Während die Schweiz bei der Anzahl Todesfälle pro 100’000 Einwohnern
 durchschnittlich abschneidet, kam sie wirtschaftlich im internationalen Vergleich gut
 durch die Krise. Die Länder der EU hat es mit einem BIP-Rückgang von insgesamt
 6,4% deutlich härter getroffen als die Schweiz mit einer Einbusse von 2,7%. Einen
 vergleichbaren Wirtschaftseinbruch wie die Schweiz erlebten skandinavische Länder
 oder die USA (vgl. Abbildung 5).

 Im Frühjahr 2020 rechneten die Konjunkturanalysten des Bundes noch mit einem
 Rückgang des Schweizer BIP um 6,7%. Der wirtschaftliche Einbruch ist also weniger
 stark ausgefallen als anfänglich befürchtet.

 Ein möglicher Grund für das vergleichsweise gute Abschneiden der Schweizer
 Wirtschaft ist der Wertschöpfungsmix. Die Pharmaindustrie, die 5,4% der
 Wertschöpfung in der Schweiz ausmacht, ist typischerweise krisenresistent und stützt
 die Konjunktur im Abschwung. Auch die Finanzbranche gehört nicht zu den am
 stärksten in Mitleidenschaft gezogenen Branchen. Sie ist mit einem Anteil von rund
 10% (inkl. Versicherungen) ebenfalls eine tragende Säule der Schweizer Wirtschaft.[13]

 Besonders leiden mussten in der Corona-Krise das Gastgewerbe und die Hotellerie,
 die mit einem Anteil von rund 1,8% am Bruttoinlandprodukt weniger stark ins Gewicht
 fallen. Der Anteil des Tourismus an der Wirtschaftsleistung wird in der Schweiz auf
 rund 2,7% geschätzt. Im Vergleich zu klassischen Feriendestinationen wie Frankreich
 oder Spanien ist das ein niedriger Wert.[14] Auch in Mittelmeerstaaten wie Italien oder
 Griechenland dürfte der Tourismus eine deutlich grössere Bedeutung haben.

 Im Weiteren haben womöglich die vergleichsweise weniger strengen Corona-
 Eindämmungsmassnahmen dazu beigetragen, dass die Wirtschaft hierzulande weniger
 stark abgewürgt wurde als in anderen Ländern.

 Fussnoten:

 [1]
   Die Angaben zur Entwicklung des Bruttoinlandprodukts 2020 in der Schweiz stammen aus dem Bericht «Konjunkturtendenzen» vom Sommer 2021 des
 Staatssekretariats für Wirtschaft (ansonsten wird es entsprechend vermerkt).
 [2]
        Sämtliche Fall- und Todeszahlen zur Schweiz beinhalten auch jene des Fürstentums Liechtenstein.
 [3]
        Stocker et al. (2021)
 [4]    8. SRG Corona-Monitor
 [5]    Die Zahl zum ersten Quartal stammt aus dem Bericht «Konjunkturtendenzen» des Staatssekretariats für Wirtschaft vom Frühjahr 2021.
 [6]    Staatssekretariat für Wirtschaft, Konjunkturtendenzen, Winter 2020/2021, Exkurs: Neuer Index zur wöchentlichen Wirtschaftsaktivität (WWA)
 [7]
   Vgl. Staatssekretariat für Wirtschaft, Konjunkturtendenzen, Frühjahr 2021, Exkurs: Schweizer Fiskalimpuls vergleichsweise umfangreich gemessen am
 Wirtschaftseinbruch 2020
 [8]    Vgl. Staatssekretariat für Wirtschaft, Konjunkturtendenzen, Frühjahr 2021, Exkurs: Krisenjahr 2020 – weder Kreditklemme noch Konkurswelle
 [9]    Siegenthaler, Michael, und Stucki, Tobias (2015)
 [10]
        Brülhart et al. (2020), Fuhrer et al. (2020) und Zoller-Rydzek et al. (2020)
 [11]
        Vgl. Staatssekretariat für Wirtschaft, Konjunkturtendenzen, Frühjahr 2021, Exkurs: Das BIP der Schweiz 2020 – wirtschaftliche Folgen der Corona-Pandemie
 [12]   Die Zahlen stammen aus dem Bericht «Konjunkturtendenzen» vom Frühjahr 2021, als für die Schweiz noch ein Rückgang um 3% geschätzt wurde.
 [13]   Bundesamt für Statistik, Produktionskonto nach Branchen (58 Branchen) 2019
 [14]   Bundesamt für Statistik, Touristische Bruttowertschöpfung 2019 bzw. OECD

Version Juli 2021                                                               Seite 13|13                                                         www.iconomix.ch
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