CORONAVIRUS: Das sollten Herzpatient*innen jetzt wissen

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CORONAVIRUS: Das sollten Herzpatient*innen jetzt wissen
www.herzzentrum-goettingen.de   HZG aktuell   8. Jahrgang, Heft 1   Frühjahr/Sommer 2020

CORONAVIRUS:
 Das sollten Herzpatient*innen jetzt wissen
                            I N T E RV I E W                                         LEHRE             FORSCHUNG
                            Direktor der Klinik                                      Training rettet   Neue Erkenntnisse
                            für Nuklearmedizin                                       Leben –           über den Behand-
                            Professor Bucerius                                       Lehr- und Simu-   lungserfolg bei
                            im Gespräch                                              lationszentrum    minimalinvasivem
                                                                                     der UMG           Klappenersatz
CORONAVIRUS: Das sollten Herzpatient*innen jetzt wissen
E D I TO R I A L

                                               Liebe Leserin, lieber Leser,
                                               seit März bestimmt das Coronavirus unse-           derherzklinik setzt Angelika König Töne,
                                               ren privaten und beruflichen Alltag. Nach          Klänge und Rhythmen ein, um herzkranken
                                               der ungewissen Zeit mit Kontaktverboten,           Kindern den Klinikalltag zu erleichtern.
                                               strengen Auflagen und Restriktionen, folgt         Die musikalische Therapie hilft den kleinen
                                               nun schrittweise die Rückkehr zur Normali-         Patient*innen, ihre Erkrankung und den
                                               tät. Das lässt uns aufatmen und macht Hoff-        Aufenthalt besser zu verarbeiten.
                                               nung, doch müssen wir weiterhin aufmerk-
                                                                                                  Inwieweit speziell geschulte Pflegekräfte
                                               sam bleiben. In dieser Ausgabe HZG aktuell
                                                                                                  den Krankheitsverlauf psychisch belasteter
                                               haben wir Ihnen daher zusammengefasst,
                                                                                                  Herzpatient*innen nachhaltig verbessern
                                               was Herzpatient*innen in Zeiten des Co-
                                                                                                  können, erforscht die neue psychokardiolo-
                                               ronavirus jetzt und in Zukunft beachten
                                                                                                  gische Patientenstudie „TEACH“. 440 psy-
                                               sollten.
                                                                                                  chisch belastete Patient*innen mit koronarer
                                               Aber nicht nur COVID-19 hat unser Herz-            Herzkrankheit und unzureichend kontrol-
Prof. Dr. Gerd Hasenfuß,                       zentrum in den letzten Wochen und Mona-            lierten Risikofaktoren für Herzerkrankun-
Vorsitzender des Herzzentrums der UMG          ten bewegt. Auch von erfolgreichen und sehr        gen sollen für die Untersuchung gewonnen
                                               positiven Neuigkeiten können wir berichten:        werden. Geleitet wird die multizentrische
                                               Ganz besonders freuen wir uns über unser           Studie von Prof. Dr. Christoph Herrmann-
                                               neuestes Mitglied im Herzzentrum, Herrn            Lingen, gefördert wird sie vom Bundesmi-
                                               Prof. Dr. Jan Alexander Bucerius. Profes-          nisterium für Bildung und Forschung mit
                                               sor Bucerius ist seit September 2019 neuer         2,37 Millionen Euro über vier Jahre.
                                               Direktor der Klinik für Nuklearmedizin
                                                                                                  Unterstützung für ihre Arbeit erfährt auch
                                               und spricht im Interview über seine neuen
                                                                                                  die Kinderherzklinik unter der Leitung von
                                               Aufgaben, seine Wünsche und Ziele und die
                                                                                                  Prof. Dr. Thomas Paul regelmäßig. Wir
                                               interdisziplinäre Zusammenarbeit im Herz-
                                                                                                  möchten das HZG aktuell dazu nutzen, allen
                                               zentrum.
                                                                                                  Spender*innen für die größeren und kleine-
                                               Zusammenarbeit ist im klinischen Umfeld            ren Summen, die Sachspenden und Aktio-
                                               grundsätzlich unerlässlich. Wie wichtig            nen zu danken.
                                               abgestimmte Prozesse, das Vertrauen in die
                                                                                                  Das und noch viel mehr lesen Sie im neuen
                                               Kolleg*innen und Teamwork in Notfallsitu-
                                                                                                  HZG aktuell.
                                               ationen sind, können Sie in unserem Artikel
                                               zum Lehr- und Simulationszentrum der               Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
                                               Klinik für Anästhesiologie nachlesen. Als
                                                                                                  Mit herzlichen Grüßen
                                               zentrale Einrichtung bietet das Lehr- und Si-
                                                                                                  Ihr Prof. Dr. Gerd Hasenfuß
                                               mulationszentrum regelmäßig verschiedene
                                               Schulungen unter realistischen Bedingungen
                                               für medizinisches Personal unterschiedli-
                                               cher Fachbereiche und Berufsgruppen an.
                                               Wussten Sie, dass im Herzzentrum auch
                                               eine Musiktherapeutin arbeitet? In der Kin-

              Impressum
          Herausgeber                        Herzzentrum Göttingen –          Kontakt                         Coverbild
          Vorstand des Herzzentrums der      Öffentlichkeitsarbeit            Herzzentrum Göttingen –         Eva Meyer-Besting (HZG)
          Universitätsmedizin Göttingen      Fotografie                       Öffentlichkeitsarbeit           Druck
          V. i. S. d. P.                     Florian Rusteberg (HZG), Julia   Universitätsmedizin Göttingen   WIRmachenDRUCK GmbH,
          Julia Szikszay/Eva Meyer-Besting   Szikszay (HZG), Ronald Schmidt   Robert-Koch-Str. 40             Backnang
          Herzzentrum Göttingen –            (Göttingen)                      37075 Göttingen
                                                                              Tel. 0551 39-65348              Erscheinungsweise
          Öffentlichkeitsarbeit              Gestaltung                                                       Halbjährlich
                                                                              E-Mail hzg.aktuell@med.
          Redaktion                          Michael Ndarurinze               uni-goettingen.de               Auflage 2.000
          Julia Szikszay/Eva Meyer-Besting

  2     HZG aktuell | 1/2020
CORONAVIRUS: Das sollten Herzpatient*innen jetzt wissen
I N H A LT

     Im Interview: Direktor der Klinik für Nuklearmedizin Prof. Dr.            Lehr- und Simulationszentrum: Training rettet
8    Jan Alexander Bucerius über die Chancen der Nuklearmedizin
                                                                      12       Leben

                                                                           HZG aktuell 1/2020

                                                                      Aktuelles ................................................................................................ 4

                                                                      Im Interview:
                                                                      Prof. Dr. Jan Alexander Bucerius ........................................ 8

                                                                      Lehr- und Simulationszentrum:
                                                                      Training rettet Leben ............................................................... 12

                                                                      Corona:
                                                                      Was Herzpatient*innen wissen sollten .......................16

                                                                      Neue Erkenntnisse über den Behandlungs-
16 Coronavirus: Was Herzpatient*innen wissen sollten                  erfolg bei minimalinvasivem Klappenersatz ....... 18

                                                                      Psychokardiologische Patientenstudie:
                                                                      Können speziell geschulte Pflegekräfte den
                                                                      Krankheitsverlauf psychisch belasteteter
                                                                      Herzpatient*innen verbessern? ...................................... 20

                                                                      Klänge zur Entspannung ...................................................... 24

                                                                      Wir sagen Danke ......................................................................... 27

                                                                      Kardiologische und neurologische
                                                                      Frührehabilitation im Klinik- und
                                                                      Rehabilitationszentrum Lippoldsberg ...................... 30

     Erforscht: Neue Erkenntnisse über den Behandlungserfolg          Veranstaltungen ........................................................................... 32
18 bei TAVI

                                                                                                                                                  HZG aktuell | 1/2020               3
CORONAVIRUS: Das sollten Herzpatient*innen jetzt wissen
AKTU ELLES

                                PE RS O NAL I A
          Klinik für Kardiologie und Pneumologie                                        Zum 1. April 2020 hat der bisherige stellvertretende
                                                                                        Klinikdirektor der Klinik für Kardiologie und Pneumo-
                                                                                        logie Prof. Dr. Claudius Jacobshagen die Universitäts-
                                                                                        medizin Göttingen verlassen und den Chefarztposten
                                                                                        im Städtischen Klinikum Karlsruhe übernommen.
                                                                                        „Ich wünsche Claudius Jacobshagen alles Gute für
                                                                                        seine neue Herausforderung und danke ihm für die
                                                                                        gute Zusammenarbeit“, sagt Professor Hasenfuß,
                                                                                        Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie.
                                                                                        Nun hat Prof. Dr. Tim Seidler (li.) die Nachfolge als
                                                                                        stellvertretender Leiter der Klinik für Kardiologie

                                                                          umg/schmidt
                                                                                        und Pneumologie angetreten. Prof. Dr. Karl Toischer
                                                                                        (re.) hat zudem den Posten des leitenden Oberarztes

                                                                           F OTO :
                                                                                        übernommen.

                                                                                        Seit dem 1. April 2020 gibt es außerdem drei ge-
                                                                                        schäftsführende Oberärzte in der Klinik für Kardiolo-
                                                                                        gie und Pneumologie: Prof. Dr. Miriam Puls, Prof. Dr.
                                                                                        Andreas Schuster und Prof. Dr. Marco Schroeter
                                                                                        (v. l. n. r.) für die Bereiche Clinical Science, Bildgebung
                                                                                        und Interventionelle Koronardiagnostik. „Ich wün-
                                                                          umg/lange

                                                                                        sche allen Kolleg*innen viel Erfolg bei den neuen
                                                                                        Aufgaben und freue mich auf die weitere Zusam-
                                                                                        menarbeit“, sagt Professor Hasenfuß.
                                                                           F OTO :

    3 Fragen an Prof. Dr. Tim Seidler
    Zum 1. April 2020 hat Prof. Dr. Tim            „structural heart“, mit der Gestaltung des             positive Ergebnisse sehen und dabei die
    Seidler die Stelle des stellvertretenden       Klappenprogramms, wird künftig meine                   vielen tollen analogen Menschen in unse-
    Direktors der Klinik für Kardiologie und       Handschrift tragen.                                    rer Klinik nicht übergehen. Das erfordert
    Pneumologie übernommen.                                                                               viel Detailarbeit und ich bin froh über die
                                                   Welche Themen sind Ihnen in der                        Unterstützung und den Enthusiasmus aller,
    Was wird sich für Sie ändern?                  neuen Position wichtig?                                die mir dabei helfen.
    Ein Schwerpunkt in meiner bisherigen           Drei Themen: 1. Qualität in der Versor-
    Tätigkeit als leitender Oberarzt war die       gung. Damit steht und fällt alles. Ich habe            Welche Ziele haben Sie? Was wünschen
    Durchführung komplexer Koronareingriffe        den Anspruch an mich selbst und an ande-               Sie sich?
    und Herzklappeninterventionen. Diese Ar-       re, beste Ergebnisse für unsere Patienten zu           Ich möchte, dass wir unbestritten als „der“
    beit im Herzkatheterlabor bleibt mir zum       erzielen. Damit das gelingt, stehen von der            Anbieter für kardiologische Spitzenme-
    Glück erhalten. Das ist für mich ein sehr      Indikationsstellung über unsere Arbeits-               dizin in Niedersachsen gesehen werden.
    wichtiger Aspekt meiner Tätigkeit, den         weisen, unsere Kommunikation bis hin                   Das ist erst einmal ein Anspruch an unsere
    ich mit viel Leidenschaft und Engagement       zum „corporate spirit“ alle Aspekte immer              eigene Leistung in der Krankenversorgung
    betreibe. Einige Aufgaben wie zum Beispiel     wieder auf dem Prüfstand. Patientensicher-             und der Anspruch, für unsere Patienten,
    das tägliche Management des Besetzungs-        heit gehört ebenso in dieses Themenfeld.               Zuweiser und Kooperationspartner in je-
    plans und die Leitung des von mir gegrün-      2. Arbeitsumfeld: Es ist mir wichtig, unsere           der Hinsicht die bestmögliche Adresse, der
    deten DRG-Kodierbüros fallen weg, um           Arbeitsbedingungen immer weiter so zu                  bestmögliche Partner zu sein. Das schließt
    Platz für anderen Aufgaben in der Klinik-      verbessern, dass es möglich ist, gesund ist            auch unser Forschungsengagement aus-
    leitung zu schaffen. Künftig tritt insbeson-   und auch Spaß macht, jeden Tag die per-                drücklich mit ein, denn vieles, was in der
    dere die Rolle als Stellvertreter von Herrn    sönliche Bestleistung zu bringen. 3. Digi-             Forschung passiert, wirkt sich sehr schnell
    Professor Hasenfuß in den Vordergrund.         talisierung: Ich möchte die Digitalisierung            verbessernd auf die Klinik aus. Das Gleiche
    Und der größte Bereich unserer Klinik,         der Klinik so gestalten, dass wir schnell              gilt für die Lehre.

4   HZG aktuell | 1/2020
CORONAVIRUS: Das sollten Herzpatient*innen jetzt wissen
AKTUELLES

Rezertifiziert: Zentrum für Erwachsene
mit angeborenen Herzfehlern an der UMG
Die Universitätsmedizin Göttingen           und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG) erhal-       Die UMG betreut in einem großen Ein-
(UMG) hat Mitte April erneut das Zertifi-   ten. Die Gutachter der Fachgesellschaften    zugsgebiet Erwachsene mit angeborenen
kat „Überregionales EMAH-Zentrum“ der       hoben die sehr gute personelle Aufstellung   Herzfehlern und hat mit dem EMAH-
Deutschen Gesellschaft für Kardiologie –    sowie die unverändert klare Struktur des     Zentrum eine Versorgungslücke in der
Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK),    Zentrums mit seinem Weiterbildungs- und      Mitte Deutschlands geschlossen. An der
der Deutschen Gesellschaft für Pädiatri-    Fortbildungskonzept hervor. Besonders an-    UMG arbeiten insgesamt acht EMAH-
sche Kardiologie e.V. (DGPK) sowie der      erkannten sie die Expertise in der Behand-   Spezialist*innen.
Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz-   lung von Herzrhythmusstörungen.

                                                                                               Interdisziplinäres
                                                                                               EMAH-Zentrum

                                                                                           Unter der Leitung der EMAH-
                                                                                           Kardiologin Prof. Dr. Claudia Dellas
                                                                                           (Oberärztin der Klinik für Kinder-
                                                                                           und Jugendmedizin – Pädiatrische
                                                                                           Kardiologie, Intensivmedizin und
                                                                                           Pneumologie und Leiterin des
                                                                                           EMAH-Zentrums) arbeiten mehrere
                                                                                           Spezialdisziplinen der UMG eng
                                                                                           zusammen. Engster Kooperations-
                                                                                           partner ist der Schwerpunkt Kin-
                                                                                           derherzchirurgie (Leitung: Prof. Dr.
                                                                                           Theodor Tirilomis) in der Klinik für
                                                                                           Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie
                                                                                           (Direktor: Prof. Dr. Ingo Kutschka).
                                                                                           Weitere Partner sind die Klinik für
                                                                                           Kardiologie und Pneumologie (Di-
                                                                                           rektor: Prof. Dr. Gerd Hasenfuß), das
                                                                                           Institut für Diagnostische und In-
                                                                                           terventionelle Radiologie (Direktor:
                                                                                           Prof. Dr. Joachim Lotz), die Klinik
                                                                                           für Anästhesiologie (Direktor: Prof.
                                                                                           Dr. Konrad Meissner), die Klinik
                                                                                           für Gynäkologie und Geburtshilfe
                                                                                           (Direktorin: Prof. Dr. Julia Gallwas)
                                                                                           und das Institut für Humangenetik
                                                                                           (Direktor: Prof. Dr. Bernd Wollnik).

                                                                                                                HZG aktuell | 1/2020   5
CORONAVIRUS: Das sollten Herzpatient*innen jetzt wissen
AKTU ELLES

                           Kinderherzklinik – Unterstützung für die Kinderherzchirurgie

                           3 Fragen an PD Dr. Tim Attmann
                           Nach neun Jahren oberärztlicher Tätig-          Göttingen zu einem bedeutenden Zentrum
                           keit am Universitätsklinikum Schleswig-         für die Neugeborenen- und Säuglingsherz-
                           Holstein, Campus Kiel, davon fünf Jahre         chirurgie machen. Neben einem Programm
                           als stellvertretender Leiter des Bereichs       zur komplexen biventrikulären Korrektur
                           Kinderherzchirurgie, wechselt PD Dr.            sollen vermehrt Kinder mit funktionell
                           Tim Attmann zum 1. Mai 2020 an die              univentrikulären Herzen chirurgisch ver-
                           Kinderherzklinik der Universitätsmedizin        sorgt werden. Zweitens möchte ich mich in
                           Göttingen.                                      das Göttinger Programm der Chirurgie bei
                                                                           terminaler Herzinsuffizienz und der me-
                                                Was hat Sie dazu be-       chanischen Kreislaufunterstützung einbrin-
                                                wogen, nach Göttin-        gen. Herztransplantationen bei Kindern
                                                gen zu wechseln?           habe ich bereits in Kiel durchgeführt und
                                                Nach neun Jahren           würde das gerne auch in Göttingen tun.
                                                oberärztlicher Tätigkeit   Aufgrund der limitierten Verfügbarkeit von
                                                am Universitätskli-        Spenderherzen gewinnt aber der Einsatz
                                                nikum Schleswig-           von mechanischen Herzunterstützungssys-
                                                Holstein, Campus           temen bei terminal herzinsuffizienten Pati-
                                                Kiel, davon fünf Jahre     enten – auch bei solchen mit angeborenen
                                                als stellvertretender      Herzfehlern – an Bedeutung.
                                                Leiter des Bereichs        Mein größter Wunsch ist die gute klinische
                                                Kinderherzchirurgie,       und wissenschaftliche Zusammenarbeit mit
                                                befiel mich eine gewis-    den Kolleg*innen der Kliniken und den
                                                se Unruhe. Ich wollte      Instituten des Göttinger Herzzentrums.
                                                mich weiterentwickeln.     Insbesondere freue ich mich hier auf die
                                                Gleichzeitig suchte das    Zusammenarbeit mit Herrn Professor
                                                Kinderherzzentrum          Tirilomis.
                                                Göttingen nach einem       Die kardiale MRT und CT haben für den
                                                Kinderherzchirur-          Kinderherzchirurgen eine zunehmende
                                                gen, der das gesamte       Bedeutung. Die Möglichkeit, mit 4D-Fluss-
                                                Spektrum des Fach-         Studien und -Simulationen Operationen zu
                                                gebietes beherrscht.       planen, fasziniert mich. Deshalb wünsche
                                                Die lange Historie         ich mir eine enge Zusammenarbeit mit den
                                                bei der Behandlung         kinderkardiologischen und radiologischen
                           von angeborenen Herzfehlern, die Tatsa-         Kolleg*innen. Das Gleiche wünsche ich
                           che, dass das Organ Herz an der UMG in          mir für die Kardiogenetik. Es wäre schön,
                           vielen Kliniken und Instituten im Fokus         wenn ich mich in diesem Bereich ebenfalls
                           steht, und die vernetzten Strukturen des        einbringen könnte.
                           Herzzentrums machten Göttingen sehr
                           attraktiv für mich. Durch das persönliche       Was ist Ihnen beruflich besonders
                           Engagement von Herrn Professor Paul und         wichtig?
                           Herrn Professor Kutschka und durch die          Die herzchirurgische Behandlung von Kin-
                           positiven Gespräche mit dem Vorstand der        dern mit angeborenen Herzfehlern kann
                           UMG habe ich den Eindruck gewonnen,             nur mit guter Ergebnisqualität erfolgen,
                           dass sich mit einem Wechsel nach Göttin-        wenn ein Team, bestehend aus Kolleginnen
                           gen sehr gute Perspektiven für beide Seiten     und Kollegen der Kinderkardiologie, der
                           ergeben können.                                 Anästhesie, der Pflege, der Kardiotechnik
                                                                           und weiterer Disziplinen und Berufsgrup-
                           Welche Ziele haben Sie? Was wünschen            pen, vertrauensvoll zusammenarbeitet.
                           Sie sich?                                       Dieses Teamwork ist mir besonders wich-
                           Klinisch beziehungsweise chirurgisch habe       tig, damit den kleinen Patient*innen best-
                           ich zwei Hauptziele. Erstens möchte ich         möglich geholfen werden kann.

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CORONAVIRUS: Das sollten Herzpatient*innen jetzt wissen
AKTUELLES

                                                               Preis für gute Lehre 2019
                                                               Prof. Dr. Theodor Tirilomis, Leiter des Schwerpunktbereiches Kin-
                                                               derherzchirurgie, Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie,
                                                               erhielt den „Preis für gute Lehre 2019“ der Medizinischen Fakultät an
                                                               der Universitätsmedizin Göttingen. Die Urkunde wurde ihm im Rah-
                                                               men der Absolventenfeier der Humanmedizin am 8. Februar 2020 in
                                                               der Aula der Universität am Wilhelmsplatz übergeben. Mit dem neuen
                                                               Lehrpreis, der auf eine Initiative der Fachschaft Medizin zurückgeht
                                                               und zusammen mit dem Studiendekanat (Bereich Medizindidaktik)
                                                               eingerichtet wurde, soll die Bedeutung der Lehre in der Medizin
                                                               gewürdigt und sollen Anreize für engagierte und exzellente Lehre
                                                               geschaffen werden. Den Lehrpreis, der zum ersten Mal vergeben wur-
                                                               de, erhielten zwölf Lehrende aus den Studiengängen Humanmedizin,
                                                               Zahnmedizin, Molekulare Medizin und Cardiovascular Science. Die
                                                               Preisträger wurden über eine ausführliche Umfrage unter den Stu-
                                                               dierenden aller Studiengänge an der Universitätsmedizin Göttingen
                                                               ermittelt.

Herzinsuffizienz: Wie können Belastbarkeit
und Lebensqualität verbessert werden?
Allein in Deutschland leiden nach Ex-       benschancen der Patient*innen. Während       hörigen zu Hause von enormer alltagsprak-
pertenschätzungen zwischen zwei und         im Rahmen der Studien die Effizienz des      tischer Bedeutung sind, finden sie in den
drei Millionen Menschen an einer Herz-      erprobten Medikaments vordergründig ist,     Studien kaum Beachtung.
schwäche, jährlich kommen 300.000 neue      bleibt bei den Bewertungen oft außer Acht,   Das Resümee der Publikation: „Die Evi-
Krankheitsfälle dazu.                       dass Herzinsuffizienz-Patient*innen auch     denz für die State-of-the-Art-Herzinsuffi-
Im Laufe der letzten Jahrzehnte konn-       von einer stark eingeschränkten Belast-      zienz-Behandlung unter Berücksichtigung
te die Morbidität und Mortalität von        barkeit und verminderten Lebensqualität      der Belastbarkeit und Lebensqualität
Patient*innen mit Herzinsuffizienz stark    betroffen sein können. An diesem Punkt       der Patient*innen ist aktuell noch sehr
reduziert werden. Dieser Erfolg ist das     setzt eine neue Publikation Göttinger        begrenzt und nicht robust genug, um
Ergebnis zahlreicher klinischer Studien,    Forscher*innen um Prof. Dr. Dr. Stephan      Empfehlungen für Herzinsuffizienzen zu-
die zur Einführung und Etablierung neuer    von Haehling, Oberarzt der Klinik für Kar-   zulassen. Es wird deutlich, dass zusätzliche
Behandlungen und Behandlungsempfeh-         diologie und der UMG und Erstautor der       Studien zur Leistungsfähigkeit und Lebens-
lungen geführt haben.                       Studie, an. Ziel der UMG-Forscher*innen      qualität zukünftig dringend erforderlich
Seit den 1990er-Jahren fokussieren sich     war es, die Effekte von nicht-invasiven      sind“, so Professor von Haehling.
große Studien bei der Erforschung kardio-   Behandlungen bei Herzinsuffizienz auf        Die Ergebnisse wurden im Mai im renom-
vaskulärer Erkrankungen insbesondere auf    die Belastbarkeit und Verbesserung der       mierten European Journal of Heart Failure
die Reduzierung von Krankenhausaufent-      Lebensqualität zu evaluieren. Obwohl diese   veröffentlicht.
halten und die Verbesserung der Überle-     Punkte für Patient*innen und ihre Ange-

                    Originalveröffentlichung: Stephan von Haehling MD/PhD, Michael Arzt MD, Wolfram Doehner MD/PhD,
                    Frank Edelmann MD, Ruben Evertz MD, Nicole Ebner PhD, Christoph Herrmann-Lingen MD, Tania Garfias-
                    Macedo PhD, Michael Koziolek MD, Michel Noutsias MD, P. Christian Schulze MD, Rolf Wachter MD, Gerd
                                                                                                                                    umg/lange

                    Hasenfuß MD, Ulrich Laufs MD. Improving exercise capacity and quality of life using non-invasive heart
                    failure treatments: Evidence from clinical trials. European Journal of Heart Failure.
                                                                                                                                        F OTO :

                                                                                                                 HZG aktuell | 1/2020             7
CORONAVIRUS: Das sollten Herzpatient*innen jetzt wissen
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     Die Zusammenhänge
     der Systeme sehen
     Beim Wort Nuklearmedizin denkt der Laie an Radioaktivität. Und das verspricht für viele erst mal
     nichts Gutes. Wie Radioaktivität uns allerdings helfen kann, Erkrankungen zu diagnostizieren und
     zu therapieren, verrät uns Prof. Dr. med. Jan Alexander Bucerius in einem Gespräch. Er ist der neue
     Direktor der Klinik für Nuklearmedizin an der Universitätsmedizin Göttingen.

     Herr Professor Bucerius, seit September         Ein anderer Aspekt, der mich von An-        Fachrichtungen eine große Chance bietet
     2019 sind Sie Direktor der Klinik für         fang an begeistert hat, sind die organüber-   und ein Alleinstellungsmerkmal für Göt-
     Nuklearmedizin, weil Sie den Ruf auf          greifenden Ansätze, die zum Beispiel das      tingen und die UMG ist. Man weiß zum
     eine W3-Professur für Nuklearmedizin          Heart & Brain Center Göttingen bietet. Ich    Beispiel, dass bei Morbus Alzheimer eine
     angenommen haben. Zuvor waren                 denke, dass man ein Krankheitsbild oder       Interaktion zwischen Herz und Hirn ganz
     Sie am Maastricht University Medical          Organsystem nicht generell isoliert sehen     klar gegeben ist. Und da setzen wir an. Wir
     Center tätig. Wieso der Wechsel nach          kann und sollte, sondern die Zusammen-        schauen uns mit ein und demselben radio-
     Göttingen?                                    hänge zwischen verschiedenen Systemen         aktiven Stoff das Hirn, das Herz oder sogar
     Es ist eine spannende Aufgabe und große       unter Umständen eine entscheidende            die Gefäße mit atherosklerotischen Ver-
     Herausforderung, die Klinik mit dem wie-      Rolle für Diagnose und Therapie spielen       änderungen an. Da wird sich in Zukunft
                                                                                                 unheimlich viel tun. Die Nuklearmedizin
                                                                                                 wird immer besser zum Beispiel die Or-
                                                                                                 gansysteme Herz und Hirn in einem Un-
      Die Mitglieder des Herzzentrums haben klinisch                                             tersuchungsgang darstellen können. Dafür

      wie wissenschaftlich ein gemeinsames Ziel.
                                                                                                 nutzen wir die sogenannte PET-Technik,
                                                                                                 die wir weiterentwickeln werden. PET
                                                                                                 bedeutet Positronenemissionstomographie,
                                                                                                 ein sehr sensitives Verfahren, bei dem
     der neu eingerichteten Lehrstuhl für Nuk-     können. Da hat die Nuklearmedizin eine        Patient*innen radioaktive Botenstoffe inji-
     learmedizin aufzubauen. Diese Herausfor-      ihrer Stärken. Wir arbeiten schon lange mit   ziert werden, wodurch gezielt Bereiche ab-
     derung hat mich gereizt und ich habe sie      verschiedenen radioaktiven Substanzen,        gebildet werden können. Durch die gemes-
     sehr gerne angenommen. Auch für meinen        die eben nicht nur ein Organ oder Krank-      sene radioaktive Strahlung, die von dem
     wissenschaftlichen Fokus auf dem Gebiet       heitsbild abbilden, sondern Organe im         Organ ausgeht, können wir physiologische
     der Herz-Kreislauf-Erkrankungen sehe ich      Zusammenspiel darstellen können.              und pathologische Stoffwechselvorgänge
     hier in Göttingen extrem gute Forschungs-                                                   oder beispielsweise Rezeptorendichten dar-
     möglichkeiten. Die fachübergreifende Zu-      Sie sprachen das Heart & Brain Center         stellen. Diese Untersuchung erfolgt nicht-
     sammenarbeit der Kliniken und der wis-        Göttingen an. Wie stellen Sie sich die        invasiv und ist mit einer geringen Strahlen-
     senschaftlichen Institute ist beeindruckend   Arbeit mit den Kolleg*innen vor und           exposition für den Patienten verbunden.
     in der Universitätsmedizin Göttingen. Das     was versprechen Sie sich von der inter-
     habe ich schon während des Berufungs-         disziplinären Zusammenarbeit?                 Patientenversorgung, Wissenschaft und
                                                                                                                                                hzg/rusteberg

     verfahrens bemerkt und bin bislang nicht      Ich bin davon überzeugt, dass das Heart       Lehre. Wo legen Sie Ihren persönlichen
     enttäuscht worden.                            & Brain Center Göttingen allen beteiligten    Schwerpunkt und wie schaffen Sie es,
                                                                                                                                                 F OTO S :

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F OTO S :   hzg/rusteberg

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CORONAVIRUS: Das sollten Herzpatient*innen jetzt wissen
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                                        Ich bin davon überzeugt, dass das Heart & Brain Center Göttingen

     das alles unter einen Hut zu bekom-            müssen aber der Patient und seine Versor-       Meriten der Vergangenheit ausgeruht ha-
     men?                                           gung im Vordergrund stehen. Derzeit sind        ben. Ich bin davon überzeugt, dass es vor
     Die Priorisierung ist mit viel Arbeit und      wir alle zusammen dabei, die vorhandenen        allem im kardiovaskulären Gebiet viel in-
     langen Tagen verbunden, da alle drei Be-       Strukturen zu analysieren und gegebenen-        novatives Potenzial in der Nuklearmedizin
     reiche extrem wichtig für eine Universitäts-   falls zu verbessern. Diese Chance bietet ein    gibt, und da möchte ich ansetzen.
     medizin sind. Wir müssen eine vernünftige      Neuanfang.
     Lehre anbieten, um den Nachwuchs gut              Mein Schwerpunkt liegt auf der Kardio-       Bei diesem Vorhaben spielt wahrschein-
     anzuleiten und dann auch für unser Fach        Nuklearmedizin. In den letzten Jahren ha-       lich das Herzzentrum eine entscheiden-
     zu begeistern. Auch ein klares wissen-         ben wir Nuklearmediziner im Allgemeinen         de Rolle. Welche Vorteile bietet das HZG
     schaftliches Profil ist unabdingbar. Da es     unseren Fokus eher auf die Onkologie und        und welche Erfahrungen haben Sie
     in den vergangenen Jahren an der UMG           auch auf die Neurologie gelegt, sodass die      gemacht?
     keinen Lehrstuhl für Nuklearmedizin ge-        Kardiologie über die Jahre ein wenig ins        Die Mitglieder des Herzzentrums haben
     geben hat, ist das ein bisschen in den Hin-    Hintertreffen geraten ist. Das war vielleicht   klinisch wie wissenschaftlich ein gemeinsa-
     tergrund geraten. Bei allem, was man tut,      ein Fehler, weil wir uns zu lange auf den       mes Ziel. Wir besprechen interdisziplinär,

                                                                                                        Zur Person

                                                                                                    Name: Alexander Bucerius
                                                                                                    Alter: 49
                                                                                                    Familie: verheiratet
                                                                                                    Berufliche Erfolge: Es freut mich,
                                                                                                    dass mich mein bisheriges beruf-
                                                                                                    liches Engagement nach Göttingen
                                                                                                    an die UMG geführt hat.
                                                                                                    Lieblingsort: bei meiner Frau
                                                                                                    Hobbys: Musik, Fotografie, Segeln
                                                                                                    Lebensweisheiten: Also, bislang
                                                                                                    funktionierte mein Leben auch ohne
                                                                                                    Weisheiten mit allen Höhen und Tie-
                                                                                                    fen einigermaßen …

10   HZG aktuell | 1/2020
I N T E RV I E W

n   allen beteiligten Fachrichtungen eine große Chance bietet.

         welches bildgebende Verfahren für den           Team Leute, die fachlich, aber nicht zuletzt
         Patienten am besten geeignet ist. Diese         auch menschlich geeignet sind und unsere
                                                                                                            Was ist Nuklearmedizin?
         Zusammenarbeit halte ich in der Medizin         patientenorientierte Philosophie leben und
         generell für unabdingbar und wünschens-         umsetzen können und wollen. Unsere Phi-
         wert. Unser Ziel sollte immer sein, für den     losophie ist es, den Teamgedanken hoch-
         individuellen Patienten diagnostisch und        zuhalten und eine tolle Medizin für unsere
         therapeutisch das beste Mittel für seine        Patient*innen anzubieten. Dazu gehört
         spezielle Konstellation herauszufinden. So      auch ein Arbeitsklima, bei dem sich jeder
         muss Medizin funktionieren. Das ist auch        wohl- und sicher fühlt. Die Nuklearmedi-
         ein Punkt, der mich dazu bewogen hat,           zin ist ein sehr kleines Fach, das macht es
         nach Göttingen zu kommen. Dieses Mitein-        generell schwierig, neue Mitarbeiter*innen
         ander war schon während des Berufungs-          zu finden, die dann auch zu uns passen.
         verfahrens für mich sehr eindrucksvoll. Bei     Da stoßen wir schon an unsere Grenzen,
         allen gerechtfertigten Interessen der einzel-   die wir auch ab einem bestimmten Punkt
         nen Kliniken stehen hier das große Ganze        kaum selbst beeinflussen können.
                                                                                                        In der Nuklearmedizin kommen ra-
         und das Miteinander im Vordergrund. Das
         ist eine Riesenchance, zusammen etwas           Sie wünschen sich also Personal, das           dioaktive Arzneimittel zum Einsatz.
         Tolles auf die Beine zu stellen.                fachlich und menschlich zu Ihnen und           Sie bestehen aus einem Radioisotop,
            Ein Beispiel dafür ist das Thema             Ihrem Team passt. Gibt es sonst noch           also einem radioaktiven Teilchen
         Kleintierbildgebung. Diese bauen wir im         etwas, das Sie sich für Ihre Zukunft an        mit in der Regel sehr kurzer Halb-
         Herzzentrum gemeinsam auf, um künftig           der UMG wünschen?                              wertszeit, und meist einem zweiten
         mehrere bildgebende Verfahren experi-           Ja, ich wünsche mir eine Weiterentwick-        Bestandteil, der an einen bestimm-
         mentell nutzen zu können. Durch die Ra-         lung im Bereich der nuklearmedizinischen
                                                                                                        ten Zelltyp im Körper bindet. Dieser
         diopharmazie hier in unserer Klinik haben       Entzündungsbildgebung. Diese ist bereits
                                                                                                        zweite, spezifische Bestandteil sorgt
         wir zudem die Möglichkeit, neue radioak-        von meinem Vorvorgänger Prof. Dr. Wolf-
         tive Substanzen vor allem zur Diagnostik,       gang Becker mit nach Göttingen gebracht        dafür, dass das Radioisotop über die
         aber auch zur Therapie herzustellen. Dabei      und unter Prof. Dr. Johannes Meller weiter     Blutbahn, den Nahrungsstoffwech-
         ist es für uns essenziell, dass wir über die    ausgebaut worden. Für viele Krankheits-        sel oder auch die Atemluft im Körper
         präklinische Forschung im Kleintier den         bilder sind systemische Entzündungen           genau dorthin gelangt, wo es wirken
         translationalen Aspekt hin zur Humansitu-       die grundlegende Ursache. Das betrifft         soll beziehungsweise wo bestimmte
         ation unterstützen. Da hilft es sehr, dass es   zum Beispiel die Neurologie, die Kardio-       Stoffwechselvorgänge sichtbar ge-
         in der UMG bereits Kolleg*innen gibt, die       logie, aber auch die Onkologie. Bei allem
                                                                                                        macht werden sollen. Krebszellen
         sich mit diesen Themen wissenschaftlich         Fokus auf die einzelnen Organe könnten
         auseinandersetzen.                              Patient*innen bei entzündlichen Verände-       beispielsweise haben einen erhöh-
                                                         rungen im Körper zukünftig gegebenen-          ten Traubenzuckerverbrauch, sodass
         Das klingt nach einem guten Start und           falls systemübergreifend behandelt werden.     in der Krebsdiagnostik unter ande-
         einer vielversprechenden Perspektive.           Die Nuklearmedizin hat viele Möglich-          rem ein mit einem Radioisotop (F-18)
         Sind Sie denn schon an Grenzen bei Ih-          keiten, diese Veränderungen nicht-invasiv      markierter Traubenzucker verwendet
         rer Arbeit gestoßen?                            und in einem Untersuchungsgang darzu-          wird, um die krankhaften Tumorzel-
         Es gibt immer Dinge, die einfacher zu           stellen. Dieser Fokus auf die nuklearme-
                                                                                                        len aufzuspüren.
         lösen sind als andere. Teilweise ist es zum     dizinische Diagnostik von Entzündungen
         Beispiel schwierig, neue Kolleg*innen           ist in Deutschland selten und könnte zu        (Quelle: Deutsche Gesellschaft für Nuklear-
                                                                                                        medizin e.V.)
         für unsere Nuklearmedizin zu begeis-            einem wissenschaftlichen Alleinstellungs-
         tern. Vor allem im ärztlichen Bereich ist       merkmal der Nuklearmedizin an der UMG
         es nicht einfach, Nachwuchs oder auch           werden.
         Oberärzt*innen zu finden, aber auch                Und, nebenbei, ein bisschen mehr Schlaf
         bei Naturwissenschaftler*innen oder             könnte ich vertragen …
         medizinisch-technischen Assistent*innen
         haben wir Bedarf. Wir suchen für unser          Vielen Dank für das Gespräch!

                                                                                                                              HZG aktuell | 1/2020    11
NOTFALLSIMU L ATIO N

Ein ganz normaler Nachtdienst. Plötzlich wird die Pflegekraft von einem aufgebrachten Patien-
ten darüber informiert, dass der Zimmernachbar reglos am Boden liegt. Sie spricht ihn an, keine
Reaktion. Sie kontrolliert seinen Atemweg und macht ihn frei – nach zehn Sekunden kann sie
noch immer keine Atmung feststellen. Jetzt muss es schnell gehen: Sie ruft ihre Kollegen zu Hilfe,
alarmiert das Reanimationsteam und lässt sich den Notfallrucksack und den Defibrillator bringen.
Der Patient ist reanimationspflichtig. Sie beginnt mit der Wiederbelebung: 30 x Herzdruckmas-
sage, 2 x Beatmen. Der Defibrillator kommt, sie bringt die Elektroden an, löst die empfohlene
Defibrillation aus und reanimiert sofort weiter. Nach zwei Minuten trifft das Reanimationsteam
ein. Der Patient atmet bereits wieder spontan, hat einen Kreislauf und einen stabilen Blutdruck.
Binnen weniger Minuten ist die Situation unter Kontrolle, das Team atmet durch. Der Patient wird
zur weiteren Versorgung auf die Intensivstation verlegt.

                             Training
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N OT FA L L S I MU L AT ION

rettet Leben
                       HZG aktuell | 1/2020   13
NOTFALLSIMU L ATIO N

 Notfallbehandlung ist Teamwork
 und kann trainiert werden.

14   HZG aktuell | 1/2020
N OT FA L L S I MU L AT I ON

                   Ich bin der Überzeugung, dass wir für die Sicherheit unserer Patienten stetig besser
                   werden müssen und dass die Simulation einen wichtigen Beitrag dazu leistet.
                   Michael Faulstich

                Damit Erste Hilfe so reibungslos funktioniert wie in dieser Ge-           tionszentrum die besten Voraussetzungen“, sagt Faulstich, der die
                schichte, müssen viele Dinge Hand in Hand laufen: Die Zusammen-           ILS-Kurse an der Universitätsmedizin Göttingen organisiert. Die
                arbeit im Team muss funktionieren und jeder Einzelne muss wissen,         ehemalige Hautklinik bietet den Teilnehmer*innen zwei OP-Säle für
                was in einer solchen Stresssituation zu tun ist. Das sollte man im        Übungszwecke sowie mehrere Übungs- und Vortragsräume. Hier
                Vorfeld üben. Im Lehr- und Simulationszentrum der Klinik für An-          besteht auch die Möglichkeit, die Übungen aufzuzeichnen und live
                ästhesiologie in der Von-Siebold-Straße wird ein solches Szenario         zu anderen Teilnehmer*innen zu übertragen. „Diese Strategie wird
                mit Mitarbeiter*innen der Universitätsmedizin Göttingen (UMG)             vor allem in Trainings angewendet, in denen es primär um Teamwork
                trainiert. Unter realistischen Bedingungen wird medizinisches             geht. Teams, die bereits im Detail mit den medizinischen Grundlagen
                Fachpersonal unterschiedlichster Fachbereiche und Berufsgruppen           vertraut sind, können so oft ihre Zusammenarbeit weiter verbessern“,
                ausgebildet und für den Ernstfall fit gemacht.                            so Faulstich.
                   So auch Bettina Lohmann. Sie ist seit 27 Jahren Intensivpflegerin         „Für die Universitätsmedizin Göttingen ist das Lehr- und Simula-
                in der UMG und arbeitet auf der Station 1026, der internistischen         tionszentrum sehr wichtig. Medizinisches Fachpersonal aller Berufs-
                Intensivstation unter kardiologischer Führung. Sie hat schon mehr-        gruppen muss regelmäßig für den Notfall geschult werden. Nur so
                fach an der sogenannten Immediate-Life-Support-(ILS-) Schulung            können wir im Arbeitsalltag die bestmögliche Zusammenarbeit aller
                teilgenommen. „In meinem Berufsleben ist es mir schon oft pas-            Beteiligten sicherstellen“, sagt Prof. Dr. Konrad Meissner, Direktor der
                siert, dass ein Patient reanimationspflichtig wurde. Natürlich sind       Klinik für Anästhesiologie und Vorstandsmitglied des Herzzentrums.
                die Bedingungen im Simulationszentrum deutlich geregelter als im
                echten Leben. Es hilft mir aber sehr, mich hin und wieder auf die         Göttinger Wiederbelebungstradition
                Basics zu konzentrieren, dann kann ich sie in stressigen Situationen
                besser abrufen“, sagt die erfahrene Intensivschwester. Alle drei Jahre    Das Lehr- und Simulationszentrum dient als zentrale Einrichtung
                nimmt Bettina Lohmann an der ILS-Schulung teil. Dieses Mal mit            für die Durchführung verschiedener Schulungen. Der eintägige
                ihren neuen Kolleginnen Maren Holst und Janet Galbán Rondón.              Immediate-Life-Support-(ILS-) Kurs des ERC (European Resusci-
                „Wir versorgen täglich schwer kranke Patienten. Dabei halte ich es        tation Council) wird in Göttingen am häufigsten angeboten. Der
                für sehr wichtig, dass wir fit beim Thema Reanimation sind und als        Kurs basiert auf einem europaweit standardisierten und etablierten
                Team funktionieren. Ich war zum Glück noch nie in der Situation,          Kurskonzept. Immediate-Life-Support-Kurse bilden professionelle
                dass ich einen Patienten reanimieren musste. Aber jetzt habe ich          Helfer*innen aus, damit sie bis zum Eintreffen von Reanimati-
                das Gefühl, dass ich besser darauf vorbereitet bin“, sagt Janet Galbán    onsteams die wesentlichen lebenserhaltenden Maßnahmen durch-
                Rondón nach der Schulung.                                                 führen können – beginnend bei der Erkennung eines drohenden
                                                                                          Kreislaufstillstandes sowie dessen Vermeidung über die Betreuung
                Simulation für den Ernstfall                                              von kritisch kranken Patient*innen in den ersten Minuten bis hin
                                                                                          zur Herz-Lungen-Wiederbelebung.
                „Inhaltlich bestehen die Kurse hauptsächlich aus praktischen Übun-           Durch den ERC werden nicht nur die Leitlinien und Behand-
                gen. Nach einer kurzen Einführung beginnen die Teilnehmer*innen           lungsalgorithmen erarbeitet, sondern auch Strukturen und Kon-
                an speziellen Puppen die Maßnahmen der Wiederbelebung zu trai-            zepte zur Vermittlung der entsprechenden Fähigkeiten geschaffen
                nieren. Neben Thoraxkompressionen werden auch die Sicherung der           und weiterentwickelt. Das ERC-Kurszentrum in Göttingen unter
                Atemwege und der sichere Umgang mit dem Defibrillator geübt. In           der Leitung von PD Dr. Markus Roessler hat dabei eine historisch
                kleinen Gruppen versorgen die Teams die Übungsphantome mit si-            wichtige Bedeutung: 2001 wurden der erste Advanced Life Support
                muliertem Kreislaufstillstand. Im Anschluss an jedes Szenario erfolgt     Course (Kurs für erweiterte Maßnahmen der Wiederbelebung) und
                eine strukturierte Nachbesprechung“, erläutert Michael Faulstich den      auch der erste Generic Instructor Course (Kurs für Instruktoren
                Ablauf. Er ist Mitarbeiter der Klinik für Anästhesiologie und leitet an   bei ERC-Wiederbelebungskursen) durchgeführt und seither fast
                diesem Tag den Kurs.                                                      2.000 Fachkräfte in den verschiedenen Kursformaten (ILS, ALS,
                   „Teilweise schulen wir feste Teams, die auch im Arbeitsalltag zu-      EPILS, EPALS, ETC) geschult. Der initiale Fokus auf die Ausbil-
                sammen funktionieren müssen, teilweise kommen bunt gemischte              dung von Anästhesist*innen erweitert sich zunehmend auch auf
                Gruppen zu uns. Beides hat seine Vorteile. Wichtig ist uns, die           die Mitarbeiter*innen des Herzzentrums. So beinhaltet die Zerti-
                Stresssituationen in der Theorie zu besprechen und praktisch am           fizierung des Cardiac Arrest Centers beispielsweise regelmäßige
                Simulator durchzuspielen. Dafür haben wir in unserem Simula-              Schulungen der Mitarbeiter*innen.
hzg/rusteberg
 F OTO S :

                                                                                                                                             HZG aktuell | 1/2020    15
CORONA

     Das sollten Herzpatient*
     Es gibt Menschen, die durch das Coronavirus SARS-CoV-2
     stärker gefährdet sind als andere. Zu dieser Gruppe
     gehören ältere Menschen und chronisch Kranke –
     insbesondere Herzpatient*innen.
     Hier finden Sie eine Übersicht der häufigsten
     Fragen und Antworten zu diesem Thema:

     Ich habe eine Herz-Kreislauf-
     Erkrankung. Bin ich dadurch
     stärker gefährdet?
     Ein erhöhtes Risiko bei einer COVID-19-Erkrankung haben Men-
     schen, die älter als 60 Jahre sind und neben Lungenerkrankungen
     auch an chronischen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems
     leiden. Auf Grundlage von chinesischen Fallberichten scheint das
     Coronavirus insbesondere für Menschen mit solchen Grunderkran-
     kungen mit einem höheren Sterblichkeits- und Komplikationsrisiko
     verbunden zu sein. Die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Komplikatio-
     nen beläuft sich nach derzeitigen Schätzungen auf 5–10 Prozent der
     COVID-19-Erkrankten.                                                 Kann das Coronavirus zu
     Unter Betrachtung des Gefährdungspotenzials bei anderen              Herzerkrankungen führen?
     Virusinfektionen gilt ein erhöhtes Risiko für Patient'innen:
                                                                          Sobald das Virus in den Körper gelangt, löst es eine Entzündungs-
                                                                          reaktion aus, die das Herz-Kreislauf-System stark belasten kann.
                                                                          Verhindert beispielsweise eine Lungenentzündung eine ausreichen-
        • mit einer eigenständigen Atemwegserkrankung                     de Sauerstoffsättigung des Blutes, während das Infektionsgeschehen
          (Lungenentzündung, Lungenemphysem, Asthma,                      gleichzeitig den Blutdruck absenkt, muss das Herz zur Aufrechter-
          COPD, Hochdruck im Lungenkreislauf)                             haltung des Kreislaufs schneller und stärker schlagen. Auf Dauer
        • die infolge einer Herzerkrankung eine Funktionsein-             kann das den Herzmuskel überbelasten, insbesondere wenn das
          schränkung haben (z. B. Blutstauung im Lungenkreis-             Herz bereits geschwächt ist. Auch wenn die verantwortlichen SARS-
          lauf durch Herzschwäche)                                        CoV-2-Viren in die Herzkranzgefäße gelangen, die den Herzmuskel
                                                                          mit sauerstoffreichem Blut versorgen, kann es zu einer direkten
        • die eine voneinander unabhängig bestehende Atem-                Schädigung des Herzens kommen. Zudem können Coronaviren
          wegs- und Herzerkrankung haben
                                                                          eine Herzmuskelentzündung auslösen.
          (z. B. COPD und koronare Herzkrankheit)
                                                                          Es besteht die Möglichkeit, dass sich durch die entzündliche
        • mit Diabetes und Folge- oder Begleit-erkrankungen               Wirkung des Coronavirus Gefäßablagerungen („Plaques“) in den
        • mit Bluthochdruck                                               arteriellen Blutgefäßen ablösen und Blutgerinnsel bilden kön-
                                                                          nen, die wiederum das Risiko eines Herzinfarktes stark erhö-
        • die immunsupprimierende Medikamente einnehmen                   hen. Bisherige Laborwerte weisen darauf hin, dass das Blut von
          (z. B. nach Transplantation)                                    COVID-19-Patient*innen mit schweren Krankheitsverläufen deut-
                                                                          lich schneller gerinnt.

16   HZG aktuell | 1/2020
CO RON A

* innen jetzt wissen
  Sollte ich meine Medikamente                                           Herzinfarkt während
  weiterhin einnehmen?                                                   Corona-Pandemie – und nun?
  Die gewissenhafte Einnahme von Herz-Kreislauf-Medikamenten in          Bei Verdacht auf einen Herzinfarkt oder andere Herznotfälle nicht
  der ärztlich verschriebenen Dosis ist sehr wichtig. Die Medikamente    zögern, sondern sofort den Notruf 112 absetzen. Die Kliniken sind
  sorgen nicht nur für den Schutz des Herzmuskels, sondern führen        trotz Corona-Pandemie für Herz- und andere Notfälle gerüstet. Die
  bei vielen Patient*innen mit der Zeit auch zu einem effizienteren      Notfallversorgung läuft unverändert weiter. Es ist wichtig, dass keine
  Herzschlag. Die dadurch verbesserte Pumpleistung hilft insbeson-       Zeit verloren geht.
  dere bei der Bewältigung einer Mehrbeanspruchung des Herzens.
                                                                         Holen Sie sofort Hilfe, wenn eines der folgenden Symptome
  Blutdrucksenkende Medikamente ermöglichen, dass der Herzmus-
                                                                         auftritt:
  kel bei einem Bluthochdruck nicht gegen einen unnötig hohen Wi-
  derstand ankämpfen muss. Dies verhindert die Überbeanspruchung
  des Herzens. Die konsequente Einnahme der Herzmedikamente ist           • Schmerzen oder ein unangenehmes Engegefühl im
  vor allem für Risikopatient*innen essenziell, um das Herz im Falle        Brustkorb
  einer COVID-19-Infektion nicht zusätzlich zu gefährden.                 • Luftnot
  Bitte setzen Sie Ihre Medikamente nicht ab, weil Spekulationen          • Schmerzen im linken Arm oder Kiefer
  kursieren, wonach bestimmte Medikamente die Coronavirus-
  Infektion begünstigen. Sprechen Sie bei Bedenken und Verunsi-           • Übelkeit, Erbrechen, Oberbauchschmerzen
  cherung immer erst mit Ihrem behandelnden Arzt!                         • Schwindelanfälle
                                                                          • Angstgefühl

  Durch meine Herzschwäche bin ich                                        • Schweißausbrüche

  kurzatmig – oder ist das Corona?
                                                                         Nur eine schnelle Therapieeinleitung und die Wiederherstellung
  Es ist wichtig zu wissen, dass die Symptome von COVID-19 den           der Durchblutung der Herzgefäße verhindern Schäden am Herz-
  Beschwerden einer Herzerkrankung sehr ähneln können. Die Atem-         muskel und geben dem Patienten die Möglichkeit, wieder gesund
  not, die bei einer Lungenentzündung häufig vorkommt, kann fast         zu werden.
  identisch sein mit der Luftnot, die beispielsweise. das Treppenstei-   Verzögern Betroffene eine Behandlung, bringen sie sich unnötig
  gen bei einer herzinsuffizienten Person auslöst. Herzpatient*innen     in Gefahr. Patient*innen sollten keinesfalls aus Angst vor einer
  sollten eine Zunahme von Atembeschwerden nicht leichtfertig als        Ansteckung eine Krankenhausbehandlung vermeiden. Die Versor-
  normale und womöglich unbedeutende Schwankung der Herz-                gung von Akutpatient*innen im Krankenhaus ist auch während der
  erkrankung abtun. Eine Verschlechterung der Atmung sollte insbe-       Pandemie sichergestellt und erfolgt in räumlicher Trennung von
  sondere bei Herzpatient*innen immer ärztlich kontrolliert werden.      COVID-19-Patient*innen unter strikter Beachtung der empfohle-
                                                                         nen Hygienemaßnahmen. Die Befürchtung, sich mit dem Corona-
                                                                                                                                                       Deutsche Herzstiftung | European Society of Cardiology

                                                                         virus zu infizieren, ist nachvollziehbar, aber unbegründet.

        UMG-Videoreihe „Nachgefragt“                                            Videosprechstunde des Infocenters

     In der neuen Videoreihe „Nachgefragt“                                  Für Ihre Fragen steht das Infocenter
     geben Expert*innen der Universitäts-                                   des Herzzentrums ab sofort auch mit
     medizin Göttingen regelmäßig Auskunft zu                               digitalen Sprechstunden zur Verfügung.
     Krankheitsbildern und aktuellen Themen                                 Bitte vereinbaren Sie telefonisch einen
     rund um das Thema Gesundheit.                                          Termin: 0551 39-65044
                                                                                                                                                              QUELLEN:

                                                                                                                           HZG aktuell | 1/2020   17
F ORSCHU NG

     Klappenersatz bei Aortenklappenstenose

     Neue Erkenntnisse über den
     Behandlungserfolg bei
     minimalinvasivem
     Klappenersatz
     Veränderungen des Herzmuskels beeinflussen das Überleben nach einer kathetergestützten
     Klappenimplantation bei Patient*innen mit Aortenklappenstenosen. Die neuesten Ergebnisse
     einer Herzzentrumsstudie könnten die Therapie in Zukunft verbessern.

     100.000 Mal schlägt unser                                                                                   an (fachsprachlich Kardiales
     Herz durchschnittlich am Tag                                                                                Remodeling). Die Belastung
     und pumpt dabei etwa fünf                                                                                   wird chronisch und es kann
     Liter Blut pro Minute durch                                                                                 zu einer fortschreitenden
     den Kreislauf. Es sorgt damit                                                                               krankhaften Veränderung des
     für einen regelmäßigen Aus-                                                                                 Herzmuskels kommen. Diese
     tausch von sauerstoffarmen                                                                                  Veränderung kann sich unter
     und sauerstoffreichem Blut                                                                                  anderem in einer sogenannten
     und fungiert als Motor unse-                                                                                Myokardfibrose äußern, bei
     res Körpers. Doch nur, wenn                                                                                 der das gesunde Herzgewebe
     das Herz einwandfrei funkti-                                                                                durch funktionsloses Binde-
     oniert, ist es auch in der Lage,                                                                            gewebe ersetzt wird und der
     die lebenswichtigen Funktio-                                                                                Muskel verhärtet. Schließlich
     nen zu erfüllen. Je älter ein                                                                               schafft es der Muskel nicht
     Mensch wird, desto größer ist                                                                               mehr, ausreichend sauerstoff-
     die Gefahr, an einem Herzleiden zu erkranken. Die häufigste be-      reiches Blut in den Kreislauf zu befördern. Die Folge sind Luftnot,
     handlungsbedürfte Herzklappenerkrankung im Erwachsenenalter          Brustschmerzen und Schwindel bis hin zur Bewusstlosigkeit. Daher
     ist die Verkalkung der Aortenklappe – die Aortenklappenstenose.      bedarf es einer schnellen Behandlung. In den vergangenen zehn
     Die Aortenklappe besteht aus drei halbmondförmigen Taschen und       Jahren hat sich der kathetergestützte Aortenklappenersatz (TAVI)
     liegt zwischen der linken Herzkammer und der namensgebenden          über die Leistenarterie als Alternative zum chirurgischen Eingriff
     Hauptschlagader (Aorta). Dort dient sie als Ventil, um das Blut in   etabliert. Bei diesem besonders schonenden Verfahren wird die ver-
     den großen Blutkreislauf zu befördern.                               kalkte Aortenklappe zur Seite gedrückt und eine neue Herzklappe
                                                                          mittels Katheter in Position gebracht.
     Folgen der Aortenstenose
                                                                          Die Studie im Detail
     Bei einer Aortenklappenstenose ist dieses Ventil verengt, sodass
     das Herz mehr Kraft aufbringen muss, um die Klappe zu öffnen         Im Rahmen einer Studie haben Ärzt*innen des Herzzentrums der
     und das Blut weiterzupumpen. Um das Herz-Kreislauf-System bei        UMG seit 2017 den Einfluss der Myokardfibrose sowohl auf die
     dieser Mehrbelastung zu stabilisieren, passt sich der Herzmuskel     Umbauprozesse des Herzens als auch auf die Behandlungsergebnis-

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FORSCHUNG

                                                                                 Aortenklappenstenose

                                                                                                Myokardfibrose

se von Patient*innen mit schwerer Aortenklappenstenose nach einer          Herzmuskels verursachte, der Aortenklappenersatz aber selbst bei
TAVI untersucht.                                                           Patient*innen mit einer Fibrose über dem Mittelwert eine signifi-
„Die Ära der katheterbasierten Herzklappenimplantation hat die             kante Verbesserung hervorrief.
Charakteristika der Aortenstenose-Patient*innen demografisch und
klinisch stark verändert. Wir haben zunehmend ältere und krankere          Neuer Therapieansatz
Patient*innen. Jedoch lagen bislang keine Daten vor, die den Ein-
fluss der Myokardfibrose auf die Ergebnisse des TAVI-Verfahrens            In Anbetracht der Ergebnisse scheint der Zustand des Herzmuskels
evaluieren“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Direktor der Klinik für         eine viel bedeutendere Rolle für das Überleben nach einem Klap-
Kardiologie und Pneumologie, Vorsitzender des Herzzentrums der             penersatz zu spielen als bisher angenommen. Die Aortenklappen-
UMG und Letztautor der Studie.                                             stenose ist nicht nur eine Klappenerkrankung, die ausschließlich
Während des Kathetereingriffs zur Implantation der künstlichen             einer mechanischen Therapie durch das Entfernen der Verengung
Aortenklappe wurde 100 Studienpatient*innen eine Gewebeprobe               bedarf, es ist auch eine Erkrankung der linken Hauptkammer. „Mit
aus der linken Herzhauptkammer entnommen, um einen mögli-                  diesen Ergebnissen sollte ein neuer therapeutischer Ansatz zur Ver-
chen Zusammenhang zwischen der Myokardfibrose, dem Remode-                 besserung des Langzeitüberlebens nach TAVI erwogen werden. In
ling und den klinischen Ergebnissen nach TAVI herzustellen.                der Vergangenheit scheinen wir der linken Herzkammer nach TAVI
Dabei wurde herausgefunden, dass die Vermehrung des Bindege-               zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet zu haben. Bislang gibt es keine
webes eine wichtige Rolle für die Überlebenswahrscheinlichkeit             konkrete Behandlung der Myokardfibrose, daher sollten in zukünf-
im Langzeitverlauf nach dem Herzklappeneingriff spielt: Im Beob-           tigen Studien unbedingt Medikamente getestet werden, die einer
achtungszeitraum eines Jahres verstarben 26,5% der Patient*innen,          Fibrose entgegenwirken“, sagt Prof. Dr. Miriam Puls, Oberärztin der
bei denen eine Myokardfibrose oberhalb des Mittelwerts festgestellt        Klinik für Kardiologie und Pneumologie der UMG und Erstautorin
wurde und nur 2% der Studienteilnehmer*innen, die Werte unter-             der Studie. Prof. Dr. Gerd Hasenfuß ergänzt: „Jetzt haben wir einen
halb des Medians vorwiesen.                                                neuen therapeutischen Ansatzpunkt und werden umgehend eine
Zudem zeigte sich, dass die Myokardfibrose zwar eine Verzöge-              Therapiestudie in Ergänzung zum Klappenersatz beginnen.“
rung bei der Normalisierung des Aufbaus und der Funktion des

Originalveröffentlichung: Miriam Puls, Bo Eric Beuthner, Rodi Topci, Anja Vogelgesang, Annalen Bleckmann, Maren Sitte, Torben Lange, Sören Jan
Backhaus, Andreas Schuster, Tim Seidler, Ingo Kutschka, Karl Toischer, Elisabeth Zeisberg, Claudius Jacobshagen, Gerd Hasenfuß: Impact of myocardi-
al fibrosis on left ventricular remodelling, recovery, and outcome after transcatheter aortic valve implantation in different haemodynamic subtypes
of severe aortic stenosis. European Heart Journal (2020), doi: 10.1093. February 12th, 2020

                                                                                                                              HZG aktuell | 1/2020    19
STU DI EN

     Die speziell geschulte Pflegekraft Lydia Seeger-Schlütsmeier unterstützt Patient*innen in der TEACH-Studie.

20   HZG aktuell | 1/2020
ST U DI E N

                                                       Unter Leitung des Herzzentrums der
                                                       Universitätsmedizin Göttingen startet
                                                       eine multizentrische Studie. Das Bundes-
                                                       ministerium für Bildung und Forschung
                                                       (BMBF) fördert die Patientenstudie zur
                                                       ambulanten Behandlung von psychisch
                                                       belasteten Herzpatient*innen mit 2,37
                                                       Millionen Euro über vier Jahre.

Psychokardiologische Patientenstudie

Können speziell geschulte Pflegekräfte
den Krankheitsverlauf psychisch belasteter
Herzpatient*innen nachhaltig verbessern?

                                                       W              eltweit ist die koronare Herzkrankheit (KHK)
                                                                      eine der häufigsten Herzerkrankungen. Allein
                                                                      in Deutschland sind etwa sechs Millionen
                                                       Menschen von der Durchblutungsstörung des Herzens
                                                       betroffen. Viele KHK-Patient*innen erhalten nach einer
                                                       Behandlung im Krankenhaus nicht die notwendige um-
                                                       fassende ambulante Behandlung. Zudem mangelt es an
                                                       Hilfestellungen für Patient*innen, damit sie wichtige Ge-
                                                       sundheitsverhaltensweisen im Alltag nachhaltig umsetzen
                                                       können.
                                                          Hier setzt die sogenannte TEACH-Studie an. TEACH steht
                                                       dabei für „Efficacy of TEAm-based care for distressed patients
                                                       in secondary prevention of chronic Coronary Heart disease: a
                                                       randomized controlled trial“ (deutsch: Wirksamkeit teamba-
                                                       sierter Behandlung für psychisch belastete Patient*innen in
                                                       der Sekundärprävention der koronaren Herzkrankheit: eine
                                                       randomisiert-kontrollierte Untersuchung).
                                                          440 psychisch belastete KHK-Patient*innen mit unzu-
                                       hzg/rusteberg

                                                       reichend kontrollierten Risikofaktoren für Herzerkrankun-
                                                       gen sollen für die Untersuchung gewonnen werden. Die
                                                       Auswahl der Patient*innen erfolgt ab Spätsommer 2020
                                        F OTO S :

                                                       in sechs Universitätskliniken in Deutschland. Prof. Dr.

                                                                                                 HZG aktuell | 1/2020   21
STU DI EN

     Wir erwarten ein geringeres Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen sowie
     die langfristige und nachhaltige Verbesserung des Gesundheitszustandes.
                                                                                                      Prof. Dr. Christoph Herrmann-Lingen

     Christoph Herrmann-Lingen, Direktor der           kräfte in einer mehrtägigen Schulung in Ge-       ßerdem stellt es sicher, dass die Behandlung
     Klinik für Psychosomatische Medizin und           sprächsführung, Psychologie und zur koro-         der psychischen Problematik und der Herz-
     Psychotherapie der UMG und Mitglied des           naren Herzkrankheit ausgebildet. Während          erkrankung leitliniengerecht erfolgt. Alle
     Vorstands des Herzzentrums Göttingen,             der Projektlaufzeit arbeitet die Pflegekraft      medizinischen Verordnungen bleiben dabei
     leitet die Studie. „Für den Verlauf der ko-       mit den niedergelassenen Hausärzt*innen           in der Hand der behandelnden Ärzt*innen.
     ronaren Herzkrankheit ist es sehr wichtig,        und Kardiolog*innen zusammen. Gemein-             Gemeinsam werden individuelle Anpassun-
     dass Patient*innen im Alltag förderliche          sam soll herausgefunden werden, welche            gen bei der Behandlung vorgenommen. In
     Gesundheitsverhaltensweisen nachhaltig            Stressbelastung und Verhaltensweisen der          einer elektronischen Patientendatenbank
     umsetzen. In der Studie vergleichen wir           Patient*innen den Krankheitsverlauf beein-        werden die Behandlungsschritte dokumen-
     zwei Patientengruppen: Die eine erhält die        flussen. Zudem unterstützt die Pflegekraft        tiert. Studienteilnehmer*innen und ihre Fa-
                                                                               bei der Bewältigung       milien können zudem eine Projekt-Website
                                                                               von     Problemen         mit Infomaterialien sowie einen moderier-
                                                                               und fördert da-           ten Chatroom nutzen. Als zusätzliche Unter-
                                                                               durch Selbsthilfe-        stützung werden individualisierte Erinne-
                                                                               potenziale sowie          rungs-SMS verschickt, die die Patient*innen
                                                                               herzgesundes Ver-         bei ihrem Gesundheitsverhalten zwischen
                                                                               halten im Alltag.         den Gesprächsterminen unterstützen.
                                                                               Das Verhalten der
                                                                               Patient*innen und         Hypothese: nachhaltige
                                                                               der Fortschritt der       Verbesserung der Lebens-
                                                                               Behandlung wer-           qualität
                                                                               den über einen
                                                                               Zeitraum von zwölf        „Unsere Erwartung ist, dass sich die ge-
                                                                       hzg/schmidt

                                                                               Monaten begleitet         sundheitsbezogene Lebensqualität der
                                                                               und dokumentiert.         Patient*innen in der Gruppe mit der spe-
                                                                        F OTO :

                                                                               „Die europäische          ziellen Behandlungsassistenz nach zwölf
     Prof. Dr. Christoph Herrmann-Lingen, Direktor der Klinik für Psycho-      Präventionsleitli-        Monaten im Vergleich zu der Gruppe mit
     somatische Medizin und Psychotherapie der UMG und Mitglied                nie empfiehlt eine        der üblichen Routinebehandlung deutlich
     des Vorstands des Herzzentrums, koordiniert die deutschlandweite
                                                                               Collaborative-Care-       verbessert. Gemessen wird dies mit einem
     Studie.
                                                                               Intervention     für      speziellen Fragebogen. Zudem erwarten wir
                                                                               psychisch belastete       ein geringeres Risiko für Herz- und Ge-
     übliche Standardbehandlung, die andere Herzpatient*innen. Im deutschen Gesund-                      fäßerkrankungen sowie die langfristige und
     zusätzlich eine teambasierte sogenannte heitssystem liegt jedoch noch kein Wirk-                    nachhaltige Verbesserung des Gesundheits-
     Blended-Collaborative-Care-Behandlung, samkeitsnachweis dafür vor. Die Nationale                    zustandes“, sagt Prof. Herrmann-Lingen.
     sagt Prof. Dr. Herrmann-Lingen. Das VersorgungsLeitlinie Chronische KHK ver-                           Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Direktor der
     Bundesministerium für Bildung und For- langt jedoch, solche Interventionen auch in                  Klinik für Kardiologie und Pneumologie
     schung (BMBF) fördert das Vorhaben für Deutschland zu testen. Genau das werden                      und Vorsitzender des Herzzentrums der
     eine Laufzeit von vier Jahren mit insgesamt wir jetzt machen“, sagt Prof. Herrmann-                 UMG, sagt: „Ich freue mich sehr, dass er-
     2,37 Millionen Euro.                              Lingen.                                           neut eine deutschlandweite Gesundheits-
                                                                                                         studie aus dem Herzzentrum der Universi-
     Speziell geschulte                               Expertenteam kontrolliert                          tätsmedizin Göttingen gefördert wird. Die
     Pflegekräfte unterstützen                        den Krankheitsverlauf                              TEACH-Studie stellt ein innovatives und
     Herzpatient*innen                                                                                   vielversprechendes Vorhaben dar: Sollte
                                                      Ein Expertenteam aus einem Kardiologen,            sich die Wirksamkeit des Behandlungsan-
     Blended-Collaborative-Care bedeutet, dass        einer Psychologin und einem Facharzt für           satzes wie erwartet belegen lassen, könnte
     eine speziell geschulte Pflegekraft bei der      Psychosomatische Medizin und Psycho-               dieser mit geringen Anpassungen auch auf
     Behandlung assistiert und die Patient*innen      therapie unterstützt und berät die speziell        andere chronische Krankheitsbilder über-
     zusätzlich unterstützt. Dafür sind die Pflege-   geschulten Pflegekräfte wöchentlich. Au-           tragen werden.“

22   HZG aktuell | 1/2020
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