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Kurzdossier: COVID-19 und die allgemeine Gesundheitsversorgung OK TOBER 2020
Zusammenfassung Innerhalb von neun Monaten hat sich COVID-19 Gesundheit ist ein grundlegendes Menschen- in mehr als 190 Ländern ausgebreitet, die offi- recht, und eine allgemeine Gesundheitsver- zielle Zahl der Infizierten beträgt über 30 Millio- sorgung ist unerlässlich, wenn das Ziel der nen. Mehr als 1 Million Menschen haben ihr Gesundheit für alle verwirklicht werden soll. Eine Leben verloren. Die Pandemie hat lang ignorierte allgemeine Gesundheitsversorgung soll defini- Risiken offengelegt, darunter unzulängliche tionsgemäß alle Personen und Gemeinschaften Gesundheitssysteme, Lücken in der sozialen in die Lage versetzen, die jeweils benötigten Sicherung und strukturelle Ungleichheiten. Sie Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen, hat ebenfalls deutlich gemacht, wie wichtig ein ohne in finanzielle Not zu geraten. Dennoch ist öffentliches Gesundheitswesen, leistungsfähige mindestens die Hälfte der Weltbevölkerung nach Gesundheitssysteme und Notfallvorsorge sowie wie vor nicht vollständig mit unentbehrlichen die Resilienz der Menschen beim Auftreten eines Gesundheitsleistungen versorgt. Mehr als neuen Virus oder einer neuen Pandemie sind, 800 Millionen Menschen wenden 10 Prozent und damit der Forderung nach einer allgemeinen oder mehr ihres Haushaltseinkommens für Gesundheitsversorgung noch mehr Gewicht die Gesundheit auf.1 Die Beseitigung finan- verliehen. zieller Hürden für die Inanspruchnahme von Was versteht man unter allgemeiner Gesundheitsversorgung? Allgemeine Gesundheitsversorgung bedeutet, dass alle Personen und Gemeinschaften die jeweils benötigten Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen können, ohne in finanzielle Not zu geraten. Die Zielsetzung der allgemeinen Gesundheitsversorgung ist dreigliedrig: > Gleichberechtigter Zugang: Alle, die Gesundheitsleistungen benötigen, sollen diese auch erhalten, nicht nur diejenigen, die es sich leisten können, dafür zu bezahlen. > Ausreichende Qualität: Die Qualität der Gesundheitsleistungen soll ausreichend sein, um den Gesundheitszustand der Leistungsempfängerinnen und -empfänger zu verbessern > Kein unzumutbares finanzielles Risiko: Die Menschen sollen nicht aufgrund der Kosten für die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in finanzielle Not geraten. Das Konzept der allgemeinen Gesundheitsversorgung beruht auf der Satzung der Weltgesundheits- organisation von 1948, in der die Gesundheit zu einem grundlegenden Menschenrecht erklärt wird, sowie auf der in der Erklärung von Alma Ata von 1978 festgelegten Agenda „Gesundheit für alle“. Alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben sich im Rahmen der Ziele für nachhalige Entwicklung (A/RES/74/2, Oktober 2019) erneut nachdrücklich darauf verpflichtet, bis 2030 eine allgemeine Gesundheitsversorgung zu verwirklichen. 1 World Health Organization (WHO), „Universal health coverage (UHC)“, 24. Januar 2019, verfügbar unter www.who.int/en/news-room/ fact-sheets/detail/universal-health-coverage-(uhc) 2 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
Gesundheitsleistungen muss ein vorrangiges Menschen, ältere Menschen, Personen mit Vor- Anliegen sein, auch wenn dies in Zeiten einer erkrankungen, Frauen, Kinder, Migrantinnen wirtschaftlichen Rezession eine Herausforde- und Migranten sowie Vertriebene. In nur wenigen rung darstellt. COVID-19 hat jedoch gezeigt, Monaten sind ganze Regionen, die bei der dass die Wirtschaft davon profitiert, wenn Beseitigung der Armut und der Verringerung der Epidemien wirksam bekämpft werden. Ebenso Ungleichheit vorangekommen waren, um Jahre ist deutlich geworden, welche Nachteile es hat, zurückgeworfen worden. Zum ersten Mal seit die Absicherung im Krankheitsfall primär auf Beginn der entsprechenden Messungen im Jahr der Grundlage von lohn- und gehaltsbasierten 1990 gab es einen Rückschritt in der mensch- Beitragszahlungen zu finanzieren. In einer lichen Entwicklung. weltweiten Wirtschaftskrise steigt unweigerlich Dass zwischen der öffentlichen Gesundheit und die Arbeitslosigkeit, und wenn der Leistungs- der Widerstandsfähigkeit von Volkswirtschaften anspruch an derartige Beitragszahlungen und Gesellschaften im Allgemeinen eine Verbin- gekoppelt ist, wird der Zugang zu Gesund- dung besteht, steht längst außer Frage. COVID-19 heitsleistungen gerade dann eingeschränkt, hat nur noch untermauert, dass sich Investitionen wenn er am dringendsten benötigt wird. in die Gesundheit auf lange Sicht lohnen. Die Welt ist nun an einem kritischen Punkt in der Dagegen kann ein Mangel an Investitionen COVID-19-Pandemie angelangt. Nach anfäng- verheerende großflächige und möglicherweise lichen Erfolgen bei der Bekämpfung der Über- jahrelang andauernde soziale und wirtschaftliche tragung flammt die Krankheit derzeit in vielen Folgen auf der ganzen Welt nach sich ziehen. Ländern infolge der Lockerung der Beschrän- Monatlich kostet die Pandemie die Weltwirtschaft kungen erneut auf. Angesichts des Herannahens 375 Milliarden US-Dollar, und seit Ausbruch der der Grippesaison in Teilen der Welt und eines Krise sind 500 Millionen Arbeitsplätze verloren Anstiegs sowohl der Fallzahlen als auch der gegangen. Es gilt nach wie vor, die Ursache der Krankenhausaufenthalte fällt es vielen Ländern Wirtschaftskrise im Auge zu behalten: COVID-19. schwer, das rechte Gleichgewicht zwischen dem In diesem Zusammenhang hat die WHO umfas‑ Schutz der öffentlichen Gesundheit, dem Schutz sende Richtlinien für wirksame Maßnahmen zum der persönlichen Freiheiten und der Aufrecht- Schutz der öffentlichen Gesundheit veröffentlicht. erhaltung des Wirtschaftslebens zu finden. Sichere und wirksame Impfstoffe, Diagnostika Gäbe es bereits eine allgemeine Gesundheits- und Therapeutika werden ebenfalls unerläss- versorgung, könnten die Länder wirksamer und liche Voraussetzungen für die Beendigung der effizienter gegen die Morbidität und die Mortalität Pandemie und eine raschere weltweite Erholung vorgehen, die von der COVID-19-Krise mittelbar sein. Zudem ist hinreichend klar geworden, und unmittelbar verursacht werden, und zwar dass es im nationalen und wirtschaftlichen erstens durch das Virus selbst, zweitens durch Interesse eines jeden Landes liegt, gemeinsam die Unfähigkeit von Gesundheitssystemen zur mit anderen intensiv auf die Ausweitung des fortlaufenden Bereitstellung unentbehrlicher Zugangs zu Tests und Behandlungen hinzuwirken Gesundheitsleistungen und drittens aufgrund der und einen Impfstoff als globales Kollektivgut zu sozioökonomischen Auswirkungen der Krise. betrachten, eine Art „Volksimpfstoff“, der für alle und überall auf der Welt verfügbar und bezahlbar Es hat sich gezeigt, dass das Virus genau die ist. Global gesehen ist die beste Lösung zur Gruppen am stärksten bedroht, die bereits davor Erreichung dieses Ziels der ACT-Accelerator, ein besonders gefährdet waren: in Armut lebende 3 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
Kooperationsrahmen zur Beschleunigung des aller zu hochwertiger Gesundheitsversorgung Zugangs zu einem COVID-19-Instrumentarium, ohne finanzielle Risiken gewährleistet und die das auch die COVAX-Fazilität umfasst. Gesellschaften wirksam vor einer weiteren Gesundheitskrise mit den entsprechenden ver- Längerfristige Maßnahmen der Pandemievor- heerenden Auswirkungen auf das Leben und die sorge und -abwehr können ebenfalls als globales Lebensgrundlagen der Menschen schützt. Alle Kollektivgut betrachtet werden, das entspre- Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben chende Investitionen auf globaler und nationaler im Rahmen der Ziele für nachhaltige Entwicklung Ebene verlangt. Dazu bedarf es eines standar- und im Einklang mit der Politischen Erklärung von disierten Warnsystems bei Ausbrüchen, an das 2019 über allgemeine Gesundheitsversorgung konkrete Handlungen seitens der nationalen und vereinbart, die Verwirklichung der allgemeinen lokalen Gesundheitsbehörden geknüpft sind. Bis Gesundheitsversorgung bis 2030 anzustreben. jetzt hat nur ein Drittel der Länder die Kapazitäten für ihre nach den Internationalen Gesundheits- Im Rahmen der zur Bekämpfung und Über- vorschriften (2005) vorgesehenen Management- windung von COVID-19 getroffenen Maßnahmen systeme für gesundheitliche Notlagen im können klare Schritte unternommen werden, um öffentlichen Gesundheitswesen aufgebaut. die von der Pandemie aufgedeckten Schwächen anzugehen und in eine Stärkung der Resilienz Zur Überwindung der COVID-19-Pandemie wird des öffentlichen Gesundheitswesens in der ein weltweit koordinierter, gesamtstaatlicher Zukunft zu investieren. Letzten Endes ist es und gesamtgesellschaftlicher Ansatz vonnöten Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass sein. Die gewonnenen Erfahrungen bekräftigen es nie wieder zu einer Pandemie dieses Aus- den Ruf nach einer allgemeinen Gesundheitsver- maßes und mit diesen Auswirkungen kommt. sorgung, die einen gleichberechtigten Zugang 4 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN 1. VORDRINGLICH EINE WEITERE AUS- > Dringend der Verbreitung von Falschinfor- BREITUNG VON COVID-19 BEKÄMPFEN: mationen und unwahren Gerüchten über die Sicherheit von Impfstoffen entgegenwirken > Gesundheitsmaßnahmen zur Reduzierung der lokalen COVID-19-Übertragung auf Null weiter verstärken 4. ALLGEMEINE GESUNDHEITS- > Flächendeckende Vorkehrungen für VERSORGUNG VERWIRKLICHEN: COVID-19-Tests, Isolierung und Kontakt- > In die für den Schutz und die Förderung der nachverfolgung treffen Gesundheit und des Wohlbefindens unerläss- > Versorgung von COVID-19-Patienten sicher- lichen Kernaufgaben der Gesundheitssys- stellen und damit die Zahl der Sterbefälle teme, die sogenannten Gemeingüter für die senken Gesundheit, investieren > Gesundheitsversorgung in Verbindung mit 2. DIE VERSORGUNG MIT ANDEREN COVID-19 und andere unentbehrliche Gesund- UNENTBEHRLICHEN GESUNDHEITS- heitsleistungen kostenfrei anbieten LEISTUNGEN SICHERN. Um Morbidität und Mortalität so weit wie möglich zu 5. DIE PANDEMIEVORSORGE AUF senken, müssen in der akuten Phase der NATIONALER UND GLOBALER EBENE COVID-19-Pandemie vorrangige Gesund- STÄRKEN UND FÜR DIE ZUKUNFT heitsleistungen weiter erbracht werden. GESUNDE GESELLSCHAFTEN ANSTREBEN 3. DEN ZUGANG ZU NEUEN SCHNELL- DIAGNOSTIKA UND BEHANDLUNGEN DEUTLICH AUSWEITEN UND SICHERSTELLEN, DASS KÜNFTIGE COVID-19-IMPFSTOFFE EIN GLOBALES KOLLEKTIVGUT MIT GLEICH- BERECHTIGTEM ZUGANG FÜR ALLE UND ÜBERALL SIND: > Zur Sicherung des gleichberechtigten Zugangs zu einem neuen COVID-19- Instrumentarium einen globalen Ansatz verfolgen und den ACT-Accelerator voll- ständig finanzieren 5 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
1. Auswirkungen von COVID-19 auf die Gesundheit und Pandemiebekämpfung Innerhalb von nur neun Monaten hat sich Sauerstoffgaben oder andere Eingriffe im Kran- COVID-19 auf mehr als 190 Länder ausgebrei- kenhaus.2 Zu den bekannten Risikofaktoren für tet. Ende September 2020 lag die Zahl der regis- einen schweren Krankheitsverlauf zählen Alter trierten Fälle weltweit bei über 30 Millionen und über 60 Jahre, Bluthochdruck, Diabetes, Herz- die Zahl der Todesfälle bei mehr als 1 Million. Kreislauferkrankungen, chronische Erkrankun- COVID-19 ist mittelbar und unmittelbar für gen der Atemwege oder immunkompromittie- Krankheits- und Todesfälle verantwortlich, und rende Erkrankungen. 1,7 Milliarden Menschen zwar auf dreierlei Weise: 1) durch das Virus (etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung) leiden an selbst, 2) durch die Unfähigkeit von Gesundheits- mindestens einer der genannten Vorerkrankun- systemen zur fortlaufenden Bereitstellung gen, und 350 Millionen Menschen (4 Prozent der unentbehrlicher Gesundheitsleistungen und 3) Weltbevölkerung) ragen ein hohes Risiko, schwer aufgrund der sozioökonomischen Auswirkungen. an COVID-19 zu erkranken.3 Der Bevölkerungs- anteil mit erhöhtem Risiko ist in Ländern mit älteren Bevölkerungen, in afrikanischen Ländern mit hoher HIV/Aids-Prävalenz und in kleinen 1.1. W ER AM MEISTEN DURCH Inselstaaten mit hoher Diabetesprävalenz am COVID-19 GEFÄHRDET größten. IST UND WARUM ES COVID-19 trifft häufig diejenigen am härtesten, GLOBALER GEGENMASS- die es sich am wenigsten leisten können: die NAHMEN BEDARF Alten, die chronisch Kranken oder Menschen in prekären Lebensbedingungen. In Langzeit- Je nach Altersstruktur der Bevölkerung treten bei pflegeeinrichtungen sind nicht nur die Mor- 5 bis 15 Prozent der an COVID-19 Erkrankten biditäts- und Mortalitätsraten unter älteren lebensbedrohliche Komplikationen auf, die eine Menschen hoch, sondern es fallen gleichzeitig mechanische Beatmung erforderlich machen. auch viele Pflegekräfte wegen COVID-19 aus. 15 bis 20 Prozent der Erkrankten leiden an In mehreren Ländern der Europäischen Union schweren Symptomen und benötigen machen die Todesfälle unter den Bewohnerinnen 2 WHO, „Operational considerations for case management of COVID-19 in health facility and community“, 19. März 2020, verfügbar unter https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/331492/WHO-2019-nCoV-HCF_operations-2020.1-eng.pdf?sequence=1&isAllowed=y. 3 Andrew Clark et al., „Global, regional, and national estimates of the population at increased risk of severe COVID-19 due to underlying health conditions in 2020: a modelling study“, The Lancet, 15. Juni 2020, verfügbar unter www.thelancet.com/action/showPdf?pii=S221 4-109X%2820%2930264-3. 6 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
und Bewohnern dieser Einrichtungen mehr als Frauen spielen bei der Bekämpfung der die Hälfte aller COVID-19-bedingten Todesfälle Pandemie als Gesundheitsfachkräfte und aus. Menschen, die auf engem Raum leben, 4 Betreuungspersonen und in der Mobilisierung wie in überfüllten Siedlungen, Flüchtlings- und der Bevölkerung eine unverhältnismäßig große Migranteneinrichtungen oder Gefängnissen, Rolle. Weltweit sind 70 Prozent des Gesundheits- sind ebenfalls verstärkt gefährdet. personals Frauen 5 , und in einigen Ländern sind die Infektionsraten unter den weiblichen Gesund- Gesundheitsfachkräfte haben aufgrund ihres heitsfachkräften doppelt so hoch wie unter den häufigeren Kontakts mit COVID-19-Fällen ein männlichen.6 Im Privatbereich leisten Frauen hohes Ansteckungsrisiko (siehe Kasten 1.1). dreimal so viel unbezahlte Betreuungsarbeit Menschen, die an vorderster Front in system- wie Männer. Wenn die Gesundheitssysteme erhaltenden Berufen tätig sind, etwa im öffent- überlastet sind, entfällt ein größerer Anteil auf lichen Personennahverkehr, in der Nahrungs- die häusliche Pflege, wobei diese Belastung mittelproduktion oder bei der Polizei, tragen zum großen Teil von Frauen und Mädchen ebenfalls ein höheres Risiko. Eine Reihe chroni- getragen wird. scher Erkrankungen erhöht die Anfälligkeit für eine Ansteckung mit COVID-19 und führt ver- mehrt zu nachteiligen Folgeerscheinungen. So konnte etwa in Untersuchungen bei bestehenden HIV-Infektionen in der Westkap-Provinz Süd- afrikas eine 2,5 Mal so hohe Sterblichkeit durch COVID-19 nachgewiesen werden. Angstzustände und Depressionen scheinen bei wegen COVID-19 stationär behandelten Menschen gehäuft aufzu- treten. In einer entsprechenden Patientengruppe in Wuhan (China) wiesen über 34 Prozent Angst- und 28 Prozent Depressionssymptome auf.Dies zeigt deutlich, wie wichtig es ist, die psychische Gesundheitsversorgung als grundlegenden Bestandteil nationaler Maßnahmen gegen COVID-19 zu betrachten, wie in dem im Mai 2020 veröffentlichten Kurzdossier COVID‑19 und psy‑ chische Gesundheit dargelegt wird. 4 European Centre for Disease Prevention and Control, „Epidemiology of COVID-19“, 15. JulI 2020, verfügbar unter www.ecdc.europa.eu/ en/covid-19/latest-evidence/epidemiology. 5 M. Boniol et al., „Gender Equity in the Health Workforce: Analysis of 104 Countries“, Health Workforce Working Paper 1, WHO, 2019; z. B. in Bezug auf Spanien und die USA, wo über 70 Prozent der infizierten Gesundheitsfachkräfte Frauen sind, siehe UN-Women, „COVID-19: Emerging gender data and why it matters“, 26. Juni 2020, verfügbar unter https://data.unwomen.org/resources/ covid-19-emerging-gender-data-and-why-it-matters. 6 UN-Women, „COVID-19 and Women’s Leadership: From an Effective Response to Building Back Better“, Kurzdossier Nr. 18, 2020, verfüg- bar unter www.unwomen.org/-/media/headquarters/attachments/sections/library/publications/2020/policy-brief-covid-19-and-wom- ens-leadership-en.pdf?la=en&vs=409. 7 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
ABBILDUNG 1.1. PRÄVALENZ VON RISIKOFAKTOREN FÜR EINEN SCHWEREN KRANKHEITSVERLAUF NACH ALTER, GESCHLECHT UND REGION – 2020 Prävalenz Prävalenz 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % W Afrika 70+ 65-69 60-64 55-59 50-54 40-49 30-39 20-29
Die Rolle der Frauen und ihre Belastungen während der Pandemie finden in den politischen KASTEN 1.1. KEINE AUSGREN- Entscheidungsprozessen nicht genügend ZUNG VON FLÜCHTLINGEN Berücksichtigung. Zum 1. Januar 2020 waren drei Viertel aller Parlamentssitze weltweit von Die Gesundheit von Flüchtlingen, Männern belegt. Nur 25 Prozent aller Gesund- Binnenvertriebenen und Staatenlosen in heitsministerien haben eine Frau an ihrer Spitze, prekären Situationen ist durch COVID-19 und auch in Gesundheitseinrichtungen sind besonders bedroht. Die Risiken sind Frauen nur zu knapp 25 Prozent in leitenden noch höher in instabilen und von Positionen vertreten. Demgegenüber haben Konflikten betroffenen Gebieten sowie Männer 72 Prozent der Führungspositionen in humanitären Notsituationen, in denen in globalen Gesundheitsorganisationen inne. 7 viele Flüchtlinge und Binnenvertriebene Die Rolle der Frauen muss über die Arbeit in überfüllten Räumen oder unter un- an vorderster Front hinaus erweitert werden, hygienischen Bedingungen leben, die die sodass sie an der Gestaltung, Umsetzung Ausbreitung von COVID-19 begünstigen. und Kontrolle nationaler Maßnahmen zur Mehr als 85 Prozent aller Flüchtlinge Bekämpfung von COVID-19 teilhaben. Es lässt haben in Ländern mit niedrigem bis sich empirisch belegen, dass in Ländern, deren mittlerem Einkommen Zuflucht gefunden. Staats- und Regierungsoberhäupter Frauen Der Globale Pakt für Flüchtlinge fordert sind, die Maßnahmen gegen COVID-19 als die internationale Gemeinschaft auf, besonders wirksam wahrgenommen werden.8 sicherzustellen, dass Flüchtlinge und Angesichts der Tatsache, dass die meisten an ihre Aufnahmegemeinden auf dem Weg vorderster Front eingesetzten Personen Frauen eines Landes zur Verwirklichung der sind, sollten Unterstützungsmaßnahmen für Ziele für nachhaltige Entwicklung nicht diese Gruppe den Bedürfnissen von Frauen zurückgelassen werden, unter anderem Rechnung tragen. Das kann unter anderem durch die Aufnahme von Flüchtlingen in flexible Arbeitsbedingungen, kostenfreie Beför- die nationalen Gesundheitssysteme.9 Im derung oder Zusatzzahlungen und -leistungen Kurzdossier COVID-19 und Menschen umfassen, womit auch der stärkeren Belastung unterwegs forderte der Generalsekretär der Frauen durch unbezahlte Pflegearbeit wäh- überdies ihre Einbeziehung in nationale rend der Pandemie Rechnung getragen würde. Aktionspläne gegen COVID-19, den Schutz ihrer Menschenrechte und die Anerkennung ihres enormen Potenzials, Teil der Lösung zu sein. 7 Ebd. 8 Ebd., siehe z.B. Äthiopien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Island, Neuseeland und Slowakei. 9 Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, „Globaler Pakt für Flüchtlinge“, verfügbar unter https://www.un.org/depts/german/ migration/a73-12-part-II.pdf. 9 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
KASTEN 1.2. BEISPIELE FÜR GUTE PRAXIS BEWÄLTIGUNG DER GESUNDHEIT- BEWÄLTIGUNG DER SOZIO- LICHEN AUSWIRKUNGEN VON ÖKONOMISCHEN FOLGEN VON COVID-19 AUF FLÜCHTLINGE UND COVID-19 FÜR VERTRIEBENE BINNENVERTRIEBENE > Peru, Chile und Argentinien erlauben seit > In Ghana und in der Türkei sind Flüchtlinge kurzem Flüchtlingen, die über eine im gleichberechtigt mit den Staatsangehörigen Ausland erworbene Qualifikation in einem vollständig in das nationale Gesundheits- Gesundheitsberuf verfügen, im Rahmen system eingebunden. der Bekämpfung von COVID-19 zu arbeiten. > In Ruanda wurden in Kigali lebende Flücht- In Irland hat die Ärztekammer des Landes linge in das nationale System der sozialen angekündigt, Flüchtlingen und Asylsuchen- Krankenversicherung aufgenommen. den mit einer medizinischen Ausbildung zu gestatten, medizinische Unterstützung zu > In Mauretanien läuft mit Unterstützung der leisten, einschließlich als Assistenzkräfte. Weltbank ein Übergangsprozess, um die Kapazität des nationalen Systems so zu > In Burkina Faso, Tschad, Guinea und Liberia verbessern, dass Flüchtlinge es uneinge- zahlen humanitäre Akteure auch während schränkt in Anspruch nehmen können. der Schulschließungen Flüchtlingen, die Lehrkräfte sind, weiterhin ein Entgelt zur > In Peru wurde für positiv auf COVID-19 Einkommenssicherung. getestete Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten sowie Verdachtsfälle eine tem- > Die Regierung Südafrikas hat bestätigt, poräre Krankenversicherung bewilligt. dass 30 Prozent der Finanzhilfen für kleine Lebensmittelgeschäfte an Geschäfte mit Zur Umsetzung einer vollständig inklusiven ausländischen Besitzerinnen und Besitzern staatlichen Gesundheitspolitik benötigen die gehen können, auch an solche, die von Staaten sowohl finanzielle als auch technische Flüchtlingen betrieben werden. Hilfe. Eine solche Politik ermöglicht Ländern, die Flüchtlinge beherbergen, auf Mittel für humanitäre und Entwicklungszwecke zuzu- greifen und mehrjährige Projekte zu planen. Weltweit haben Regierungen ihre Maßnahmen Ausgangssperren und Einschränkungen der zur Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 Bewegungsfreiheit im Inland und des grenz- ausgeweitet. Dazu gehört das Schließen von überschreitenden Reiseverkehrs.10 Derartige Schulen und Arbeitsstätten, die Absage öffent- Maßnahmen haben sich bei der Senkung des licher Veranstaltungen, zahlenmäßige Beschrän- Anstiegs von COVID-19-Erkrankungen und kungen für Menschenansammlungen, Einschrän- -Todesfällen als wirksam erwiesen. So gab es in kungen des öffentlichen Personenverkehrs, Ländern, die frühzeitig ihr Wirtschafts- und 10 Blavatnik School of Government, University of Oxford, „US Government Response“, 14. September 2020, verfügbar unter www.bsg.ox.ac. uk/research/research-projects/coronavirus-government-response-tracker. 10 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
Gesellschaftsleben herunterfuhren, in den darauf- Ethnizität, Nationalität, Religion, Geschlecht, folgenden Wochen weniger Todesfälle. Zudem Alter, Behinderung oder politischer Gesinnung. hat sich die kumulative Pro-Kopf-Mortalität auf- Es ist von grundlegender Wichtigkeit, dass die- grund von COVID-19 in den einzelnen Ländern auf jenigen, die unter ähnlichen gesundheitlichen unterschiedlichem Niveau eingependelt. Risiko- Problemen oder Symptomen leiden, die gleiche gruppen, wie etwa ältere Menschen, müssen Behandlung und Pflege erhalten. Patientinnen weiter vor einer möglichen Infektion mit COVID-19 und Patienten sowie ihre Betreuungspersonen geschützt werden. Andere, zum Beispiel nicht müssen so weit wie möglich in Entscheidungen gewaltbereite Gefangene, die auf engem Raum eingebunden und über die Behandlungsmöglich- leben, wurden je nach Fall freigelassen. keiten und deren Grenzen aufgeklärt werden. Es ist wichtig, dass Behandlung und Pflege Entscheidungen über Behandlung und Pflege die finanzielle Not der Menschen nicht noch müssen auf der Grundlage medizinischer verschlimmern; dies ist ein zentraler Grundsatz Notwendigkeit getroffen werden und nicht der allgemeinen Gesundheitsversorgung. aufgrund diskriminierender Faktoren wie ABBILDUNG 1.2. UMSETZUNG VON EINDÄMMUNGS- UND WEITEREN GESUNDHEITSMASSNAHMEN NACH REGION – 2020 Index von 0 bis 100, bezeichnet das Ausmaß der öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen nach Region. 100 Zentral- und Südasien Ost- und Südostasien 80 Lateinamerika und Karibik Nordamerika und Europa 60 Ozeanien Afrika südlich der Sahara 40 Westasien und Nordafrika 20 0 März April Mai Juni Juli Aug Sept Quelle: Weltgesundheitsorganisation. 11 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
ABBILDUNG 1.3. TREND BEI COVID-19-ERKRANKUNGS- UND TODESFÄLLEN NACH REGION – 2020 7.000 Zentral- und Südasien Todesfälle je 100.000 Einwohner Ost- und Südostasien 6.000 Europa 5.000 Lateinamerika und Karibik 4.000 Nordamerika Ozeanien 3.000 Afrika südlich der Sahara 2.000 Westasien und Nordafrika 1.000 0 März April Mai Juni Juli Aug Sept Quelle: Weltgesundheitsorganisation 1.2. A USWIRKUNGEN AUF auf unentbehrliche Gesundheitsleistungen verzichten müssen, mit hoher Wahrschein- ANDERE GESUNDHEITS- lichkeit Mitglieder armer, benachteiligter LEISTUNGEN Gruppen, die meist einen schlechteren Zugang zu den entsprechenden Leistungen haben. Die zusätzliche Patientenzahl aufgrund von COVID-19 gefährdet die Fähigkeit der Global gesehen können diese Auswirkungen Gesundheitssysteme, andere unentbehrliche die Fortschritte bei der Erreichung der Ziele für Leistungen bereitzustellen. Auf der lokalen nachhaltige Entwicklung schwer beeinträch- Ebene kann das die Absage geplanter Operatio- tigen oder gar rückgängig machen. So könnte nen und anderer nicht dringlicher Behandlungen etwa ein Rückgang um 9,8 bis 18,5 Prozent bei bedeuten. Zudem können Reisebeschränkungen, Interventionen im Bereich der reproduktiven Unterbrechungen der Versorgungsketten und die Gesundheit und der Gesundheit von Müttern und Verlegung von Personal weiterreichende Aus- Kindern, zum Beispiel Immunisierungsmaßnah- wirkungen haben. Die indirekten Auswirkungen 11 men, sowie ein 10-prozentiger Anstieg der Fälle können dabei manchmal stärker ausfallen als von Auszehrung im Lauf von sechs Monaten in die direkten Folgen des Pandemieausbruchs. 118 Ländern zu mehr als 250.000 zusätzlichen In 90 Prozent aller Länder sind hier bereits Sterbefällen bei Kindern und 12.000 bei Müttern Schwierigkeiten aufgetreten. Wie auch bei führen.12 Zudem können, wenn in 114 Ländern COVID-19 selbst sind diejenigen, die dann mit niedrigem bis mittlerem Einkommen die 11 WHO, „Maintaining essential health services: operational guidance for the COVID-19 context“, 1. Juni 2020, verfügbar unter www.who. int/publications/i/item/WHO-2019-nCoV-essential-health-services-2020.1. 12 Timothy Roberton et al., „Early estimates of the indirect effects of the COVID-19 pandemic on maternal and child mortality in low-income and middle-income countries: a modelling study“, The Lancet: Global Health, Vol. 8, Nr. 7, 1. Juli 2020, verfügbar unter www.thelancet. com/journals/langlo/article/PIIS2214-109X(20)30229-1/fulltext. 12 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
Beschränkungen noch mindestens sechs COVID-19 kann sich negativ auf den Ausgang Monate andauern, 47 Millionen Frauen nicht auf nichtübertragbarer Krankheiten auswirken, moderne Verhütungsmittel zugreifen, 7 Millionen wenn die Diagnose verzögert erfolgt, zum ungewollte Schwangerschaften eintreten und Beispiel bei Krebs oder Herzkrankheiten, und die 31 Millionen zusätzliche Fälle geschlechtsspezi- Krankheit daher ein fortgeschritteneres Stadium fischer Gewalt erwartet werden. Wenn die 13 erreicht. Es liegen bereits aus einigen Ländern geplante Verteilung imprägnierter Moskitonetze Meldungen vor, dass bei Herzinfarkten, Schlag- 2020 nicht stattfindet und der Zugang zu wirk- anfällen und Krebserkrankungen eine medizi- samen Malariabehandlungen eingeschränkt ist, nische Versorgung erst verspätet in Anspruch könnten bis zum Jahresende 769.000 Menschen genommen wurde.17 an Malaria sterben.14 Sinkt die prognostizierte Um die Morbidität und die Mortalität so weit Rate an Tuberkulosediagnosen weltweit über wie möglich zu senken, müssen die Länder 3 Monate um 25 Prozent, könnte es um 13 Pro- festlegen, welche unentbehrlichen Gesund- zent mehr Tuberkulosetodesfälle geben, was heitsleistungen auch in der akuten Phase einem Rückfall auf das vor 5 Jahren verzeichnete der COVID-19-Pandemie weiter vorrangig zu Niveau der Tuberkulosesterblichkeit gleich- erbringen sind. Die entsprechenden Kategorien kommt.15 Eine sechsmonatige Unterbrechung sind in Kasten 1.3 aufgelistet.18 antiretroviraler Therapien könnte in Afrika südlich der Sahara im Zeitraum 2020-2021 500.000 zusätzliche Todesfälle aufgrund Aids- bedingter Erkrankungen nach sich ziehen; 2018 wurden in der Region ungefähr 470.000 solcher Fälle verzeichnet.16 13 United Nations Population Fund, „Coronavirus Disease (COVID-19) Pandemic“, Juni 2020, verfügbar unter www.unfpa.org/sites/default/ files/resource-pdf/UNFPA_Global_Response_Plan_Revised_June_2020_.pdf. 14 WHO, „The potential impact of health service disruptions on the burden of malaria“, 23. April 2020, verfügbar unter www.who.int/ publications/i/item/the-potential-impact-of-health-service-disruptions-on-the-burden-of-malaria. 15 WHO, „Tuberculosis and COVID-19“, Information Note, 12. Mai 2020, verfügbar unter www.who.int/docs/default-source/documents/ tuberculosis/infonote-tb-covid-19.pdf?sfvrsn=b5985459_18. 16 A. Hogan et al., „Spiral: Report 19: The Potential Impact of the COVID-19 Epidemic on HIV, TB and Malaria in Low- and Middle-Income Countries“, 30. April 2020, verfügbar unter https://spiral.imperial.ac.uk:8443/handle/10044/1/78670. 17 Marion M. Mafham et al., „COVID-19 pandemic and admission rates for and management of acute coronary syndromes in England“, The Lancet, Vol. 396, Nr. 10248, 8. August 2020, verfügbar unter https://doi.org/10.1016/S0140-6736(20)31356-8. 18 WHO, „Maintaining essential health services“. 13 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
ABBILDUNG 1.4. PROZENTUALE VERÄNDERUNG DER ENTBINDUNGEN IN ÖFFENTLICHEN GESUNDHEITSEINRICHTUNGEN IM ÖSTLICHEN UND SÜDLICHEN AFRIKA IM VERGLEICH ZU 2019 20 10 0 Uganda Botsuana Kenia Burundi Angola Madagaskar Mosambik Malawi Südsudan Eritrea Äthiopien Demokratische Republik Kongo Simbabwe Sambia -10 -20 -30 -40 -50 -60 Quelle: Regionalprogramm „2gether 4 SRHR“ unter Beteiligung von UNFPA, UNAIDS, UNICEF und WHO. ABBILDUNG 1.5. RÜCKGANG DES BESUCHS VON GESUNDHEITSEINRICHTUNGEN DURCH TUBERKULOSEKRANKE IN INDIEN, 2019-2020 250 200 150 In Tausend 100 50 0 Jan Feb März Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb März Apr Mai Jun Jul Aug Gesamt Privat Die landesweiten Ausgangsbeschränkungen begannen in Woche 12; in einigen Bundesstaaten wurden in Woche 16 die Bestimmungen teilweise gelockert. Die Daten entstammen der öffentlichen Website des nationalen Echtzeit-Tuberkuloseüberwachungssystems. Quelle: https://reports.nikshay.in/Reports/TBNotification 14 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
KASTEN 1.3. WÄHREND DER COVID-19-KRISE VORRANGIG ZU ERBRINGENDE LEISTUNGEN > Behandlung medizinischer Notfälle und allgemeiner Akutfälle, die zeitnahe Interventionen erfordern, einschließlich Betreuung weiblicher Gewaltopfer > Prävention und Behandlung übertragbarer Krankheiten, einschließlich Immunisierungs- maßnahmen > Angebote im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, einschließlich bei Schwangerschaft und Entbindung > Unentbehrliche Leistungen für schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen wie Kleinkinder und ältere Erwachsene > Bereitstellung von Medikamenten, Versorgungsgütern und Unterstützung durch Gesundheits- fachkräfte für die laufende Behandlung chronischer Erkrankungen, einschließlich psychischer Erkrankungen > Unterstützende Leistungen wie grundlegende diagnostische Bildgebung, Labore und Blutbanken. Mit dem Rückgang der Zahl der COVID-19-Fälle mögliche erneute Aussetzung von Leistungen müssen viele unterbrochene Leistungsangebote ist jedenfalls erforderlich und kann die Auf- rasch wieder bereitgestellt werden. Entscheidun- stockung von Ausrüstung und Medikamenten gen über Änderungen in der Leistungserbringung sowie die Schulung von Personal umfassen. müssen auf richtigen und aktuellen Daten darüber fußen, wie die wichtigsten unentbehrlichen Leistungen erbracht werden. Die Daten sollten sowohl Änderungen in der Einsatzbereitschaft 1.3. SOZIOÖKONOMISCHE von Versorgungssystemen im Rahmen von AUSWIRKUNGEN Gesundheitseinrichtungen und gemeindenahen Einrichtungen, einschließlich unterbrochener Verschiedene Maßnahmen zur Eindämmung der Präventivprogramme, zum Beispiel für versäumte Übertragung von COVID-19 und zur Entlastung Impfungen, als auch gravierende Verschlechte- der Gesundheitssysteme haben nicht nur zu rungen bei nichtübertragbaren Krankheiten oder einem Rückgang der Reisetätigkeit, des Kon- fortgeschrittenen Infektionen anzeigen. Wenn sums und der Investitionen, sondern auch zu die Leistungserbringung wiederaufgenommen einem Schrumpfen des Arbeitskräfteangebots wird, dann wahrscheinlich im Kontext einer und der Produktion geführt und damit enorme sogenannten „neuen Normalität“, in dem das sozioökonomische Auswirkungen nach sich Risiko einer COVID-19-Übertragung und des gezogen, besonders für die verwundbarsten neuerlichen Entstehens lokaler Cluster oder der Gruppen.19 Diese Auswirkungen und die zu ihrer Verbreitung innerhalb der Gemeinschaft nach Abfederung getroffenen Maßnahmen wurden wie vor besteht. Eine Notfallplanung für die in den vorangegangenen Kurzdossiers näher 19 World Bank, Global Economic Prospects 2020, „Chapter 1: Global Outlook, Pandemic, Recession: The Global Economy in Crisis“, Juni 2020, verfügbar unter https://openknowledge.worldbank.org/bitstream/handle/10986/33748/211553-Ch01.pdf. 15 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
erläutert. Der Internationale Währungsfonds Die globale Rezession wird voraussichtlich und die Weltbank unterstützen die Initiative zur zum ersten Anstieg der extremen Armut welt- Aussetzung des Schuldendienstes, in deren weit seit 1998 führen. Schätzungen zufolge Rahmen die Schuldnerländer freiwerdende Mittel könnte COVID-19 im Jahr 2020 zusätzliche 70 zur Erhöhung ihrer Sozial-, Gesundheits- oder bis 100 Millionen Menschen in extreme Ar- Wirtschaftsausgaben verwenden können. mut stürzen und damit die seit 2017 erzielten Dies erweist sich gerade für die allgemeine Fortschritte faktisch zunichtemachen. Die Gesundheitsversorgung als äußerst wichtig, Folgen für die menschliche Gesundheit sind erfordert doch jeder Fortschritt auf dem potenziell gravierend, und bei jedem gesund- Weg dahin öffentliche Finanzmittel.20, 21, 22 heitsbezogenen Nachhaltigkeitsziel dürfte es Rückschritte geben. Am stärksten betroffen Trotz dieser fiskalischen Anreize wird damit werden wahrscheinlich die von einem Armuts- gerechnet, dass die Wirtschaftsleistung in indikator beeinflussten Zielvorgaben sein (zum den hochentwickelten Ländern um 7 Prozent Beispiel dürfte Tuberkulose weniger häufig und in den Schwellen- und Entwicklungs- behandelt werden und der Anteil der von ländern zum ersten Mal seit über 50 Jahren qualifiziertem Gesundheitspersonal betreuten sinken wird. Monatlich kostet die Pandemie Geburten sinken). die Weltwirtschaft 375 Milliarden Dollar, und Die neu von extremer Armut betroffenen seit Ausbruch der Krise sind 500 Millionen Menschen werden zum großen Teil in Ländern Arbeitsplätze verlorengegangen. Es wird von leben, die schon jetzt mit hohen Armutsraten entscheidender Bedeutung sein, die grund- und einer großen Zahl von Armen zu kämpfen legende Ursache der Wirtschaftskrise, also haben. Nahezu die Hälfte der prognostizierten COVID-19, zu bekämpfen und zu diesem Zweck neuen Armen wird auf Südasien und über ein umgehend Investitionen in das Gesundheits- Drittel auf Afrika südlich der Sahara entfallen. wesen höchste Priorität einzuräumen. Verglichen Der weltweite Anstieg der Armut gefährdet mit den Kosten einer anhaltenden weltweiten den Zugang zur Gesundheitsversorgung für die Rezession werden die finanziellen Kosten schwächsten Bevölkerungsgruppen. Die Inzidenz einer umfassenden Pandemiebekämpfung ruinöser Gesundheitsausgaben, die von 2000 bis im öffentlichen Gesundheitswesen niedrig 2015 kontinuierlich anstieg, dürfte angesichts ausfallen. Im Rahmen der Gesundheitsfinan- der COVID-19-Pandemie weiter zunehmen.24 zierung müssen staatlichen Finanzierungs- maßnahmen und der Beseitigung finanzieller Hindernisse beim Zugang zur Gesundheits- versorgung Vorrang eingeräumt werden.23 20 WHO, „Policy Brief No 1 Raising revenues for health in support of UHC: strategic issues for policy makers“, 10. November 2015, verfügbar unter www.who.int/publications/i/item/raising-revenues-for-health-in-support-of-uhc-strategic-issues-for-policy-makers. 21 Ajay Tandon et al., „From slippery slopes to steep hills: Contrasting landscapes of economic growth and public spending for health“, Social Science and Medicine, vol. 259, August 2020, verfügbar unter www.sciencedirect.com/science/article/pii/ S0277953620303907?dgcid=rss_sd_all. 22 Joseph Kutzin, Winnie Yip und Cheryl Cashin, „Alternative Financing Strategies for Universal Health Coverage“, World Scientific Handbook of Global Health Economics and Public Policy, 2016, verfügbar unter www.worldscientific.com/doi/ abs/10.1142/9789813140493_0005. 23 UHC2030 International Health Partnership, „Living with COVID-19: Time to get our act together on health emergencies and UHC“, Diskussionspapier, 27. Mai 2020, verfügbar unter www.uhc2030.org/fileadmin/uploads/uhc2030/Documents/Key_Issues/Health_emer- gencies_and_UHC/UHC2030_discussion_paper_on_health_emergencies_and_UHC_-_May_2020.pdf. 24 WHO, Primary Health Care on the Road to Universal Health Coverage: 2019 Monitoring Report, verfügbar unter www.who.int/healthinfo/ universal_health_coverage/report/uhc_report_2019.pdf?ua=1. 16 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
die einzige bewährte Therapie für schwere 1.4. D EN ZUGANG ZU NEUEN Verläufe der Coronavirus-Krankheit, das umfang- SCHNELLDIAGNOSTIKA reichste Impfstoffforschungsportfolio und die UND BEHANDLUNGEN Einrichtung einer COVAX-Impfstofffazilität, zu deren Unterstützung sich bereits 156 Länder DEUTLICH AUSWEITEN verpflichtet haben, denen weitere folgen werden, UND KÜNFTIGE COVID-19- und die Erzielung eines Konsenses hinsichtlich IMPFSTOFFE ZU EINEM der internationalen Verteilung dieser Produkte. GLOBALEN KOLLEKTIVGUT Mit Hilfe dieses Mechanismus erfolgt eine MACHEN Risikoteilung zwischen den Ländern und steigt gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass sie Wir sind nun an einem kritischen Punkt in der Zugang zu den erfolgreichsten, bewährtesten, COVID-19-Pandemie angelangt. Nach anfäng- wirksamsten und sichersten Impfstoffen lichen Erfolgen bei der Unterdrückung der erhalten. Diese Vergemeinschaftung von Risiko Übertragung nehmen derzeit in vielen Ländern und Ertrag ist im Gegensatz zu einzelstaatlichen infolge der Lockerung einiger Beschränkungen Bemühungen zur Entwicklung eines Impfstoffs die Fallzahlen wieder zu. Die WHO hat die Länder der einzig sichere und erfolgversprechende Weg, dringend dazu aufgefordert, auch weiterhin auf die Weltwirtschaft rasch wieder in Schwung zu die vollständige Umsetzung nachweislich wirk- bringen und den Menschen ihre Lebensgrund- samer gesundheitlicher Maßnahmen hinzuarbei- lagen zurückzugeben. In der ersten Phase geht ten, und umfassende Richtlinien für die Eindäm- es vor allem darum, diejenigen mit Impfstoffen mung der Verbreitung des Virus veröffentlicht. zu versorgen, die sie am dringendsten benötigen, also die Beschäftigten im Gesundheits- und Sichere und wirksame Impfstoffe, Diagnostika Sozialwesen, ältere Menschen und andere und Therapeutika werden unerlässliche Voraus- schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen, und setzungen für die Beendigung der Pandemie und zwar gleichzeitig überall auf der Welt und eine raschere weltweite Erholung sein. Diese unabhängig vom Vermögensstand. Der ACT- lebensrettenden Mittel werden jedoch nur dann Accelerator muss nun rasch in den Vollbetrieb Wirkung zeigen, wenn sie zur gleichen Zeit in übergehen, um die beeindruckenden ersten allen Ländern und auf gleichberechtigter Basis Fortschritte in größerem Maßstab umzusetzen. auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Im Prinzip heißt das, dass In den ACT-Accelerator zu investieren wird sie zu globalen Kollektivgütern werden müssen. sich in einer beschleunigten Erholung der Der ACT-Accelerator, ein Kooperationsrahmen Wirtschaft jedes Landes niederschlagen. Das zur Beschleunigung des Zugangs zu einem Programm benötigt dringend 35 Milliarden COVID-19-Instrumentarium, ist die beste globale Dollar, um seine Kapazität über die Anlauf- Lösung, um die Entwicklung der Instrumente, phase hinaus auszubauen und so sein die wir zur schnellstmöglichen Rettung von Ziel zu verwirklichen: die Herstellung von Menschenleben benötigen, zu beschleunigen 2 Milliarden Impfstoffdosen, 245 Millionen und sie möglichst vielen Menschen zu gerech- Behandlungen und 500 Millionen Tests. testen Bedingungen zugänglich zu machen. Der ACT-Accelerator zeitigt bereits die ersten konkreten Ergebnisse: Evaluierungen Dutzender neuer, bahnbrechender Schnelldiagnostika, 17 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
2. Eine allgemeine Gesundheits- versorgung ist wesentlich für die wirksame Bekämpfung von COVID-19 Die COVID-19-Krise hat lang ignorierte globale zu geraten. Dennoch ist mindestens die Gesundheitsrisiken offengelegt, darunter Hälfte der Weltbevölkerung nach wie vor nicht unzulängliche Gesundheitssysteme, Lücken in vollständig mit unentbehrlichen Gesundheits- der sozialen Sicherung und strukturelle Ungleich- leistungen versorgt. Mehr als 800 Millionen heiten. Sie hat ebenfalls deutlich gemacht, wie Menschen wenden 10 Prozent oder mehr ihres wichtig ein öffentliches Gesundheitswesen Haushaltseinkommens für die Gesundheit auf.25 und seine Leistungen für die Resilienz der Menschen beim Auftreten eines neuen Virus Die COVID-19-Pandemie hat auch Unstimmig- oder einer neuen Pandemie sind, und damit keiten in der Umsetzung offengelegt. Eine der Forderung nach einer allgemeinen Gesund- allgemeine Gesundheitsversorgung umfasst per heitsversorgung noch mehr Gewicht verliehen. definitionem den Zugang zum vollen Leistungs- spektrum, einschließlich Gesundheitsförderung, Gesundheit ist ein grundlegendes Menschen- Prävention und Behandlung. Alle diese Faktoren recht und umfasst sowohl Gesundheits- werden ebenso wie die Gesundheitssicherheit leistungen als auch die zugrundeliegenden bei der Nachverfolgung der Fortschritte bei der Determinanten von Gesundheit. Eine allgemeine Verwirklichung einer allgemeinen Gesundheits- Gesundheitsversorgung ist unerlässlich, wenn versorgung gemäß Nachhaltigkeitsziel 3.8.1. das Ziel der Gesundheit für alle verwirklicht (Versorgung mit grundlegenden Gesundheits- werden soll. Eine allgemeine Gesundheitsver- leistungen) mitberücksichtigt. In der Praxis liegt sorgung soll definitionsgemäß alle Personen das Hauptaugenmerk jedoch größtenteils auf der und Gemeinschaften in die Lage versetzen, die Behandlung und weniger oder gar nicht auf der jeweils benötigten Gesundheitsleistungen in Gesundheitsförderung und der Prävention.26 Anspruch zu nehmen, ohne in finanzielle Not 25 WHO, „Universal health coverage (UHC)“, verfügbar unter www.who.int/en/news-room/fact-sheets/detail/universal-health-coverage-(uhc). 26 UHC2030, „Living with COVID-19“, verfügbar unter www.uhc2030.org/fileadmin/uploads/uhc2030/Documents/Key_Issues/Health_ emergencies_and_UHC/UHC2030_discussion_paper_on_health_emergencies_and_UHC_-_May_2020.pdf. 18 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
2.1. G EMEINGÜTER FÜR KASTEN 2.1. GEMEINGÜTER FÜR DIE GESUNDHEIT DIE GESUNDHEIT* Um der Pandemie effizient und wirksam zu > Politikkoordinierung begegnen und die Grundlagen für eine bessere » Institutionelle Kapazitäten (z. B. Zukunft zu schaffen, müssen die Regierungen Zentrum für Krankheitsbekämpfung, Institut für öffentliche Gesundheit, verstärkt in die für den Schutz und die Förde- Notfalleinsatzzentrale) rung der Gesundheit und des Wohlbefindens » Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im unerlässlichen Kernaufgaben der Gesundheits- Gesundheitswesen systeme, die sogenannten „Gemeingüter für die » Beschaffung und Lieferketten für Gesundheit“, investieren (siehe Kasten 2.1).27 In persönliche Schutzausrüstung und menschenrechtlicher Hinsicht bedeutet dies, andere Versorgungsgüter unter Ausschöpfung aller zur Verfügung stehen- > Information und Kontrolle (z. B. den Ressourcen ein Mindestmaß der aus dem Zentrum für Krankheitsbekämpfung, Institute für öffentliche Gesundheit, Recht auf Gesundheit erwachsenden Kernver- lokale COVID-19-Kontrolle, einschließ- pflichtungen zu erfüllen. Dazu gehört der Zugang lich Informationssystemen) und zu unentbehrlichen Medikamenten ebenso wie Laborkapazitäten (z. B. Ausbau der eine ausgewogene Verteilung aller Gesund- COVID-19-Testkapazitäten) heitseinrichtungen, -güter und -leistungen. > Risikokommunikation (z. B. aufsuchende Diese Aufgaben bilden einen festen Bestandteil Arbeit, um Einzelpersonen und Familien besser zu befähigen, ihre Gesundheit der von allen Mitgliedstaaten im Rahmen der selbst in die Hand zu nehmen, und die Internationalen Gesundheitsvorschriften sowie Einbindung und das Vertrauen der lokalen der Politischen Erklärung über allgemeine Bevölkerung zu stärken) Gesundheitsversorgung (2019) eingegangenen > Regulierung Verpflichtungen.28, 29 Vorsorgemaßnahmen » Lebensmittelkontrolle und -zulassung lassen sich auch in die bestehenden Kapazi- » Qualitätsvorschriften für Arzneimittel täten der Gesundheitssysteme einbauen; es und Gesundheitsprodukte müssen also keine neuen Strukturen geschaffen > Fiskalische Instrumente (z. B. oder neues Personal eingestellt werden. Die Gesundheitsabgaben, Abschaffung von Erfahrungen in der COVID-19-Krise haben uns Energiesubventionen zur Verringerung von Atemwegserkrankungen) deutlich vor Augen geführt, dass die Gesund- heitssysteme vieler Länder nicht ausreichend > Programme für die öffentliche Gesundheit dafür gerüstet waren, die Gesundheit ihrer » Wasser- und Sanitärversorgung in Gesundheitseinrichtungen Bevölkerung in vollem Umfang zu schützen. » Impfwesen » Tiergesundheit » Umwelthygiene und -medizin * Auch als grundlegende Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens bezeichnet 27 WHO, „Common goods for health“, 2019, verfügbar unter www.who.int/health-topics/common-goods-for-health#tab=tab_1. 28 WHO, International Health Regulations (2005) Third Edition, 1. Januar 2016, verfügbar unter https://www.who.int/publications-detail-re- direct/9789241580496. Amtliche deutschsprachige Fassungen: dBGBl. II 2007 S. 930, 2009 S. 275, 2016 S. 498; öBGBl. III Nr. 98/2008, Nr. 170/21016, Nr. 182/2016; SR 0818.103.. 29 https://www.un.org/Depts/german/gv-74/band1/ar74002.pdf. 19 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
Leistungsfähige, auf der primären Gesundheits- in Anspruch genommen werden kann, die Aus- versorgung aufbauende Gesundheitssysteme setzung der Kosten für ihre Inanspruchnahme sind die Grundlage für eine wirksame Bekämp- sowie Zusicherungen bezüglich der Sicherheit fung von COVID-19 wie auch für eine allgemeine der Versorgung sind wichtige Bestandteile der Gesundheitsversorgung. Einige Länder haben Pandemiebekämpfung. Um die Wirksamkeit die- bei ihren Notfallmaßnahmen den Schwerpunkt ser Maßnahmen zu steigern, ist eine Mitwirkung eher auf den Ausbau der Intensivbettenkapazi- der lokalen Bevölkerung und der Zivilgesellschaft täten als auf die Primärversorgung gelegt. Es ist an nationalen COVID-19-Koordinierungs- aber beides nötig. Stationäre Leistungen müssen gruppen von grundlegender Wichtigkeit. ortsfern erbracht werden, unter Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung und Ventilatoren, Die Mitwirkung an Gesundheitsinformations- während Primärversorgungsleistungen, die übli- und -aufklärungsmaßnahmen und der cherweise über mehrere Besuche verteilt Zugang zu diesen Informationen sind für den erbracht werden, nach Möglichkeit zusammen- uneingeschränkten Genuss des Rechts auf gefasst werden müssen. Unter Umständen müs- Gesundheit unerlässlich. Wenn den betroffenen sen die Aufnahmeverfahren für die stationäre Gemeinschaften richtige, aktuelle und barriere- Behandlung angepasst werden, weil sich auch freie Informationen in allen lokalen Sprachen die mit der Pflege im Krankenhaus verbundenen zur Verfügung stehen, können sie fundierte Risiken und Chancen verändern können. Entscheidungen zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz anderer treffen. Insbesondere Ist die stationäre Leistungserbringung ein- wenn ihre aktive und konstruktive Mitwirkung geschränkt, müssen dringend alternative an gesundheitsbezogenen Entscheidungspro- Strategien zur Bereitstellung unentbehrlicher zessen eingefordert und gleichzeitig erleichtert Medikamente und Leistungen eingeführt wird, können sie sich in positiver Weise an den werden. So kann zum Beispiel in Situationen, Gesundheitsmaßnahmen beteiligen. Dies gilt in in denen eine stationäre Versorgung nicht gleichem Maße für Gemeinschaften und Grup- möglich ist, mit Mitteln wie der Telemedizin (zur pen, die sich häufig an den Rand der Gesell- Übermittlung wichtiger Informationen), dem schaft gedrängt sehen, wie etwa Migrantinnen Postversand von Medikamenten, Anleitungen zur und Migranten, Menschen mit Behinderungen, Selbstbehandlung und einer Aufgabenteilung für in Armut lebende und ältere Menschen. mobiles Personal der Zugang zu unentbehrlichen Gesundheitsleistungen verbessert werden. COVID-19 verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig es ist, dass die Regierungen die Wirksame Kommunikation und die Einbindung lokalen Gemeinschaften, die betroffenen der lokalen Bevölkerung sind Grundvorausset- Bevölkerungsgruppen, die maßgeblichen zungen für die Erhaltung des Vertrauens der Interessenträger und Organisationen, die Öffentlichkeit. Obgleich während der COVID-19- Zivilgesellschaft und den Privatsektor als Pandemie bei Kontakten mit Erbringern von Teil der Lösung im Kampf gegen die Epidemie Gesundheitsleistungen die empfohlenen betrachten. Bei der Gestaltung der Notfall- Abstandsregeln einzuhalten sind, sollten Patien- vorsorge und -bewältigung sind die Gleich- tinnen und Patienten die Inanspruchnahme stellung der Geschlechter und die Stärkung der zeitnah erforderlicher Behandlungen nicht auf- Selbstbestimmung der Frauen unerlässlich. schieben und laufende Therapien für chronische Es muss Vertrauen in den Staat vorhanden Erkrankungen nicht unterbrechen. Klare Aus- sein, damit die Maßnahmen Wirkung zeigen sagen dazu, wann und wo medizinische Hilfe und die Strategien auch Unterstützung finden. 20 UN-KURZDOSSIER: COVID-19 UND DIE ALLGEMEINE GESUNDHEITSVERSORGUNG OKTOBER 2020
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