Blätter aus dem Mutterhaus - 150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus

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Blätter aus dem Mutterhaus - 150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus
Ausgabe 482, 1. Halbjahr 2020

Blätter aus dem Mutterhaus

                  150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus
Blätter aus dem Mutterhaus - 150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus
EDITORIAL

                  Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen
            Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.
                                                      1. Petrus 4, 10

Liebe Leserinnen und Leser dieses Blattes,

Das ist mein erstes Grußwort als hauptamtlicher         soziale Gesundheit. Gaben, die für die seelische und
Pfarrer am Frankfurter Diakonissenhaus, und ich         auch die soziale Gesundheit wichtig sind, sind uns
schreibe es in einer für alle außerordentlichen Zeit:   zur Weitergabe anvertraut, weil wir Christinnen und
Der Corona-Zeit.                                        Christen sind. So können wir unsere und die Unruhe
                                                        anderer stillen, weil wir in Gott einen Adressaten
Mein Dienstbeginn im Frankfurter Diakonissenhaus        dafür haben. Wir können unsere und die Ohnmacht
ist von außerordentlichen Umständen geprägt: Ich        anderer entkräften, weil wir Gott darum bitten
habe zur Adventszeit angefangen, und mit diesem         können, das über das Menschenmögliche hinaus zu
Festkreis begann zugleich das 150. Jubiläumsjahr mit    tun, damit die Krise nicht zur Katastrophe wird. Und
einer Vielzahl von wichtigen Gottesdiensten und         wir wirken durch Andachten und Gottesdienste der
Feiern, die sorgfältig und liebevoll vorbereitet sind   Vereinsamung entgegen, denn hier im Gottesdienst
und ebenso durchgeführt sein wollen. Und jetzt,         kommen Menschen gemeinsam Gott näher, und wir
mit dem Monat März, in dessen Mitte ich schreibe,       erleben: Wir sind nicht die Einzigen, die ihr Leben als
kommt die Corona-Zeit und macht durch vieles            ein Leben mit Gott betrachten.
einen dicken Strich. Vor zwei Tagen erschien auf
unserem Fernsehbildschirm die Nachricht, dass           Ich denke, hier können wir von den Italienern und
die Bundesregierung bis auf weiteres untersagt          Spaniern lernen, die abends ihre Isolation aufbrechen
Gottesdienste abzuhalten. Das habe ich mein gan-        und sich von Balkonen und aus Fenstern heraus den
zes bisheriges Leben lang für unmöglich gehalten:       Mut zusingen, dass es schon wieder vorübergehen
„Meine“ Bundesrepublik greift so weit in die Grund-     wird und das normale Leben wiederkehrt. Das Gebet
rechte ein, dass sie religiöse Grundrechte aussetzt!    ist auch ein solcher Gesang, der unhörbar für uns
Aber die Corona-Welle macht es offenbar nötig – und     durch unser Land geht, jedenfalls von vielen prak-
möglich.                                                tiziert. Stellvertretend für alle. Es ist sind auch die
                                                        Kirchen als Gebäude, die eine Erinnerung daran sind,
Es ist eine Situation, wie ich sie nur von der Reak-    dass Gott in der Welt ist, wie auch immer der oder
torkatastrophe von Tschernobyl vor mehr als drei        die Einzelne zu ihm steht. Und selbstverständlich
Jahrzehnten kenne. Viele Menschen sind unsicher,        sind wir, und ganz bestimmt nicht nur die Pfarrer
wie es weitergeht: Mit ihrer Gesundheit, der ihrer      und Pfarrerinnen, für einander da, zum Reden und
Familie, ihrer Verwandten und Freunde, mit Geld und     Klagen, Lachen und Träumen. Auch hier kommen die
Beruf. Da erscheint es relativ unbedeutend, dass        unterschiedlichen Gaben, die wir unser Eigen nennen,
die Kirche ihrem Auftrag der Verkündigung und der       zum Tragen.
„Sakramentsverwaltung“ nicht nachkommen kann
und darf.                                               Lassen wir uns von Gottes Gnade ergreifen, und
                                                        ergreifen wir sie aktiv – im Gebet, im aneinander
Die Möglichkeit gemeinsam zu beten, zu singen,          Denken, im Kontakt halten und im Weitergeben
Gottes Nähe in Brot und Wein zu erleben, das gehört     dessen, was uns an Gutem anvertraut ist. Das stärkt
zu den Gaben, die uns wirklich guttun. Ein befreunde-   alle, nicht zuletzt uns selbst.
ter Arzt erinnerte mich gestern daran, dass „Gesund-
heit“ dreierlei umfasst: Körperliche, seelische und                               Pfarrer Alexander Liermann

2                                                                                  Ausgabe 482, Mai 2020
Blätter aus dem Mutterhaus - 150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus
Willkommensgottesdienst von und für Pfarrer Liermann
                     am 19. Januar 2020

  Am 19. Januar 2020 wurde der neue Pfarrer            an, doch faktisch erst zum 1. Dezember 2019.
  des Frankfurter Diakonissenhauses, Alexander         Die dazwischen liegenden drei Monate nutzte
  Liermann, in einem großen Festgottesdienst den       Pfarrer Liermann u.a. dazu, einen langen Artikel
  Menschen seiner künftigen Wirkungsstätte vorge-      für das Deutsche Pfarrerblatt zu verfassen, in
  stellt. Pfr. Liermann predigte zu Jeremia 14, 1-9,   dem er einen praktisch-theologischen Rückblick
  in dem in scharfen Worten nach Gottes Wirkkraft      auf seine letzte dienstliche Aufgabe warf. Er war
  in der Welt gefragt wird. Der oft verständliche      12 Jahre lang Seelsorger für die Soldaten und
  Zweifel an Gottes Tatkraft löst sich nur auf, wenn   Soldatinnen im Rhein-Main Gebiet. Dazu beglei-
  Gott dem nachkommt, was die Jahreslosung             tete er zwei Mal für je viereinhalb Monate die
  formuliert: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“.     Soldaten der Bundeswehr in Auslandseinsätzen
                                                       in Kosovo und zuletzt in Afghanistan.
  Im Anschluss an den Gottesdienst gab das Diako-
  nissenhaus einen Empfang im Festsaal des Mutter-     Pfarrer Liermann nahm auf diese Zeit Bezug, als er
  hauses. Hier wurden Pfarrer Liermann und seine       sich in seiner Antwort auf die Grußworte bei allen
  „Gemeinde“ mit freundlich-zuversichtlichen Wor-      Schwestern, den Haupt- und Ehrenamtlichen des
  ten durch den Kirchenvorstandsvorsitzenden der       Diakonissenhauses und insbesondere bei Oberin
  Petersgemeinde Herrn Dachsel, seinen Kollegen        Heidi Steinmetz für das „Vorschussvertrauen“
  Pfarrer Boldt aus Freiburg, die Vorsitzende des      bedankte, das ihm hier entgegengebracht wurde
  Kuratoriums Ursula Stegemann und den Vorstand        und wird. Er habe bislang gedacht, dass ihm
  der Inneren Mission Herrn Hothum, begrüßt.           das nach der Bundeswehr nicht ein zweites Mal
                                                       passieren würde. Gerne lässt er sich eines Besse-
  Pfarrer Liermann trat formal schon am 1. Sep-        ren belehren.
  tember 2019 seine neue halbe Stelle in Frankfurt

Ausgabe 482, Mai 2020                                                                                       3
Blätter aus dem Mutterhaus - 150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus
Geislicher Impuls

                         Diesseits der eigenen Grenzen:
                                 Diakonisches Ehrenamt in Gelassenheit

Als die berühmte amerikanische Folksängerin Joan          Starker Tobak vor allem für leitende Ehrenamtliche,
Baez einmal gefragt wurde, ob es nicht ein zu großes      die sich darum bemühen, Vernetzungen zu bewerk-
Opfer gewesen sei, sich so sehr politisch engagiert       stelligen und Menschen zu motivieren. Es liegt auch
zu haben – dabei ihre Musikerinnenkarriere vernach-       an guten Rahmenbedingungen und Konzepten – aber
lässigend – antwortete sie lachend: „Nein, das war        eben nicht nur daran. In Markus 4 verweist Jesus
überhaupt kein Opfer. Denn es war mir und ist mir         auf die Natur, die ihre Zeit kennt. Er vergleicht die
wirklich wichtig, mich bürgerschaftlich zu engagie-       Mitarbeit am Reich Gottes mit dem, was ein Bauer
ren. Das gibt meinem Leben wirklich Sinn!“                jetzt im Frühjahr tut: Er sät aus und … wartet in
                                                          Gelassenheit! Das Aufgehen der Saat ist nicht seine
Freiwillig für und mit anderen arbeiten, Menschen         Sache, die Pflege des Aufgegangen dann durchaus
in Gemeinschaft zusammenbringen, darin besteht            wieder. Am Ende des Vaterunsers heißt es zu unserer
ehrenamtliche Arbeit im Kern. Egal, um welche             Entlastung: „Denn dein ist das Reich und die Kraft
Aufgabe es sich handelt: Es ist dann gut, wenn die        und die Herrlichkeit“. Ein großes Ausrufezeichen,
Engagierten erfahren, dass sie gebraucht werden,          den Erfolg nicht vom eigenen Engagement, am Ende
ohne dauerhaft überfordert zu sein. Darin liegt für       gar von „Selbstaufopferung aus Liebe“, sondern vor
Engagierte im sozialen Bereich immer wieder die           allem von Gott zu erwarten. Er hat uns talentiert und
Herausforderung: Sich nicht zu überfordern, obwohl        befähigt, aber deswegen sind wir nicht die Macher.
hier oft Hilfsbedürftige und schwierige Menschen die      Und diejenigen, um die wir uns sorgen, führen ein
Zielgruppe ausmachen; oder Menschen in schwie-            Eigenleben und dürfen durch uns nicht entmündigt
rigen Lebenslagen: Krank, gefangen oder auch am           werden.
Ende des Lebens. Hier zeigt sich, worin sozial-
diakonisches Ehrenamt zur Vollblüte kommt: In             Vieles von dem kann man hier im Diakonissenhaus
Sympathie. Wir gebrauchen den Begriff meist in der        mit seinen täglichen Andachten und feierlichen Got-
Bedeutung von Hingezogen-Sein zu jemandem. Im             tesdiensten lernen: Auf Gott kommt es an – auch und
Griechischen liegen darin die beiden Wortbestand-         gerade in der Diakonie. Gerade in der Epoche, die
teile für Mit-Leiden verborgen. Und tatsächlich: Ein      uns zur „Leistungsgesellschaft“ formen will – auch
Mensch, der sich für andere uneigennützig einsetzt,       zu christlichen „Hochleistungs-Gemeinden“ – ist es
ist ein sympathischer Mensch; aber nicht nur das:         geradezu lebensrettend, sich daran zu erinnern, dass
Meist ist er auch ein liebender Mensch im Sinne von       für das Ehrenamt der Betriebsstoff vertrauensvolle
herzlichem Zugewandt-Sein.                                Gelassenheit ist. Bereit sein zu arbeiten, ja! Aber
                                                          alles hat seine Zeit. Werden und Vergehen, neu
Wie kann man im sozial-diakonischen Ehrenamt dau-         anfangen und aufhören, ja manchmal auch einfach
erhaft mit Liebe tätig sein, ohne seine Grenzen außer     aufgeben. Gerade für Menschen, die in Gemeinde
Acht zu lassen? Es lebt nicht nur davon, sich für etwas   und Diakonie für andere da sein wollen, ist es wichtig,
Gutes einzusetzen, sondern auch von der Gelassen-         ihr „Amt“, d.h. ihre Aufgabe, für ein Geschenk halten
heit, dass letztlich über den Erfolg nicht wir selbst     zu können. Und das kann nur, wer um seine Grenzen
entscheiden. Es ist das Wissen, dass Gottes Segen         weiß, sie wahrt und sich deshalb gern einbringt.
auf einem Werk, einem Vorhaben, einer Idee ruhen          In vertrauensvoller Gelassenheit.
muss, damit etwas daraus wird. Die provokanteste
Aussage dazu ist die alttestamentliche Formulierung,                                Pfarrer Alexander Liermann
dass es der Herr den Seinen im Schlaf gibt (Ps. 127).

Ausgabe 482, Mai 2020                                                                                          4
Blätter aus dem Mutterhaus - 150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus
Festschrift zum Jubiläum

                                                         Wir bieten Ihnen an, die Festschrift bei uns zu bestel-
                                                         len. Vielen werden wir die Festschrift zuschicken,
                                                         aber leider können wir es nicht für alle tun. Deshalb
                                                         warten Sie bitte bis Mitte Juni ab; wenn Sie keine
                                                         Festschrift bekommen haben, können Sie diese bei
                                                         uns abholen oder über info@diakonisse.de bestellen.
                                                         Wir freuen uns über eine Spende.

                                                         Auch wenn wir unser 150. Jubiläumsfest am 7. Juni
                                                         nicht so feiern können, wie wir es geplant haben,
                                                         schauen wir dankbar auf den Beginn unseres Jubilä-
                                                         umsjahres. Viele Feste haben wir schon gefeiert:

                                                         Am 8.12.2019 feierten wir in einer vollen Kirche einen
                                                         festlichen Gottesdienst mit Bachkantate zum Auftakt
                                                         unseres Jubiläumsjahres.
                                                         Am 8.1.2020 erfreuten wir uns am Weihnachtslieder-
                                                         singen an der Krippe in der Kirche mit dem Ensemble
                                                         „Saitensprünge“ und unserer Kirchenmusikerin.
                                                         Am 8.2.2020 hatten wir ein gigantisches Wiedersehen
                                                         mit Ehemaligen aller Ausbildungsstätten – über 120
                                                         Menschen haben uns wohlgetan.
                                                         Am 23.2.2020 erfreute uns ein „Flötenspektakel”
„150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus“ – da gibt es     mit sieben Querflötistinnen, und am 8.3. feierten
viel zu erzählen über Menschen, die es in Geschichte     wir ein großes Dankfest und mit zwei Diakonissen
und Gegenwart geprägt haben und heute gestalten,         60. Einsegnungsjubiläum.
über seine Arbeitsgebiete und seine vielfältigen
Verbindungen. Zum 150. Jubiläum erscheint eine           Nun sind wir durch Corona ausgebremst und zehren
Festschrift, die wir am Festtag, dem 7. Juni 2020,       von den Erinnerungen dieser schönen Feste, von
verschenken wollten.                                     denen wir auf jeden Fall im nächsten Mutterhausblatt
Nun müssen wir unser Fest wahrscheinlich                 berichten werden.
ganz klein halten. Wenn wir überhaupt feiern
können.                                                                    Diakonisse Heidi Steinmetz, Oberin

    Auch das Buch über die Stifterin des Nellinistifts
    Rose Livingston und ihre interessante Familie
    bieten wir unseren Freunden an.

Ausgabe 482, Mai 2020                                                                                         5
Blätter aus dem Mutterhaus - 150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus
Kinderhaus

Tragt in die Welt ein Licht
Überraschende Besuche im Familiengottsdienst

Am Lichtmess-Tag mit dem schönen Datum                   Kollekte wieder die „Stiftung Hoffnungsbrücke“,
02.02.2020 kamen viele Kinder und Familien, die          (World Vision) unterstützen, speziell das Schulpro-
meisten aus dem Kinderhaus, zum Familiengottes-          jekt in Rukoma in Tansania.
dienst in die Diakonissenkirche. Thema war das Licht,    Eine ehemalige Kollegin aus dem Kinderhaus hat
das von Weihnachten her allen Menschen leuchtet,         mit ihrem Mann dort den Aufbau eines Schulgebäu-
aber auch das Licht, das der Frühling bringt und Tiere   des durch Eigenleistungen und Spenden finanziert.
vom Winterschlaf aufweckt, so am Groundhog-Day           Wir möchten sie darin unterstützen. Mit einem Teil
das Murmeltier. Die Kindergartenkinder der „Frosch-      wollen wir deine Anschaffung finanzieren und auch
gruppe“ hatten ein kurzes Anspiel und einen Tanz         die eines sehr interessanten Tieres, das heute noch
vorbereitet. Pfr. Jeffrey Myers hatte zwei besondere     erscheinen wird.
Besucher zu begrüßen.
                                                         Außer dem Hahn kam dann noch „Theo“, das
Im Gottesdienst stellte sich im Dialog mit Pfarrer       Murmeltier” zu Besuch, da jedes Jahr am 2. Feb-
Myers unser neuer „Kinderhaus-Wetterhahn“ vor:           ruar der Murmeltiertag stattfindet, und das war ja
                                                         genau heute. Um eine Vorhersage über den weite-
Hahn: KIKERIKI, hallo, darf ich mich vorstellen. Ich     ren Verlauf des Winters treffen zu können, werden
bin der „Neue“,der Nachfolger von Gustav, der mit        mancherorts in den Vereinigten Staaten und Kanada
Herrn Welsch nach Wiesbaden gezogen ist.                 Waldmurmeltiere zum ersten Mal im Jahr aus ihrem
Da oben ist es ganz schön windig, darum bin ich so       Bau gelockt. Wenn das Tier „seinen Schatten sieht“,
zerzaust. Ich heiße übrigens Caruso, weil ich so schön   das heißt, wenn die Sonne scheint, soll der Winter
singen kann.                                             noch weitere sechs Wochen dauern…

Pfarrer: Schön, dass du da bist, von nun an kannst       Nachdem wir am Ende das Lied „Tragt in die Welt nun
du ja zu den Gottesdiensten, zu dem die Kinder aus       ein Licht“ gesungen hatten, konnten alle Besucher
dem Kinderhaus kommen, immer mal herunterflie-           mit einer Kerze ein wenig Licht, und damit verbunden,
gen. Wir freuen uns.                                     zuversichtliche Gedanken mit nach Hause nehmen.
                                                         Am Ende des Gottesdienstes kam eine Kollekte von
Hahn: Ja, wenn es dafür ein paar Körner gibt und die     über 400,00 € zusammen, die von einem anonymen
Gemeinde sich auch freut und es am Ende ordentlich       Spender sogar noch auf 500,00 € aufgestockt wurde,
im Klingelbeutel klingelt.                               als hätte es der Hahn Caruso vorausgeahnt. Danke
                                                         allen Gebern und Geberinnen!
Pfarrer: Caruso, man darf nicht betteln. Kollekte
geben ist freiwillig. Wir wollen heute mit der                     Claudia Brähler, Leiterin des Kinderhauses

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Blätter aus dem Mutterhaus - 150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus
Kinderhaus

Mal was anderes: Obstbaumschnitt durch Pfarrer und Kinder
Nachdem ein erster Termin zum Schneiden von              wurde. Als drei der sechs Bäume kaum noch wieder-
sechs kleinen Obstbäumen im Außenbereich des             zuerkennen waren, weil von allem Wildwuchs befreit,
Kinderhauses wegen Regens abgesagt worden war,           da waren dann die Jacken der „Waldarbeiter“ durch-
kamen Ende Februar Pfarrer Liermann und eine             weicht, und man stellte die Arbeiten ein.
„Abordnung“ der Hortgruppe dann doch im Regen
zusammen!                                                Im nächsten Jahr folgt Teil zwei des Projekts, nach-
                                                         dem alle hoffentlich sehen konnten, dass es den
Minori, Valentina, Liam und Mihail, begleitet von        Bäumen nicht geschadet hat, gründlich getrimmt
Frau „Karotte“ Blum, ließen sich von Pfarrer Liermann    worden zu sein.
in die Kunst des Bäumestutzens einführen.                                        Pfarrer Alexander Liermann
Pfarrer Liermann kommt erstens vom Land, wo seine
Familie mehrere Baumstücke besitzt, und zweitens
hatte er in seiner Landgemeinde Rodheim v.d.H.
einst einen Obstbaumschnittlehrgang gemacht.
Sehr schnell ging es dann zu Werke, und als Pfarrer
Liermann sah, wie gut die Mädchen und Jungs mit
den Sägen umgingen, gab er grünes Licht zum ener-
gischen Arbeiten.

Eine knappe Stunde lang
sägten die Kinder um
die Wette, und Pfarrer
Liermann hatte seine Not,
immer rechtzeitig neue
Äste zu bestimmen, an
denen weitergearbeitet

 Abschied von der Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,
nach vielen Jahren der Mitarbeit in der Redaktion des    tigkeit und den Reichtum des Diakonissenlebens und
Mutterhausblatts haben Schwester Elisabeth Breiten-      der Arbeitsbereiche des Diakonissenhauses mit Tex-
bach und ich am 31. Dezember 2019 diese Aufgabe          ten und Fotos beschrieben und das Mutterhausblatt
beendet. Schwester Elisabeth hat bei der Gestaltung      für unsere Leser interessant und anregend gestaltet
mitgewirkt, Bilder ausgewählt, auch Bildbetrachtun-      haben. Wir danken denen, die uns durch Dank oder
gen u.a. geschrieben. Ich habe 1976 von Schwester        Kritik angeregt und ermutigt haben, und allen, die
Margarethe Lachenmann, meiner Tante, die Schriftlei-     mit einer Spende geantwortet haben. Bleiben Sie
tung übernommen und 2009 an Herrn Pfarrer Welsch         weiterhin mit dem Frankfurter Diakonissenhaus, sei-
abgegeben und weiterhin Texte verfasst. Nun lese ich     nen Schwestern und denen, die hier beruflich oder
noch Korrektur und schreibe auf Wunsch Beiträge.         ehrenamtlich arbeiten, verbunden durch Anteilnahme
Die Arbeit für das Mutterhausblatt hat uns viel Freude   und Fürbitte. Gott behüte und segne Sie!
gemacht. Wir haben viel gelernt und viel Segen erlebt.
Wir danken allen, die durch ihre Beiträge die Vielsei-                    Ihre Schwester Hanna Lachenmann

Ausgabe 482, Mai 2020                                                                                      7
Blätter aus dem Mutterhaus - 150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus
Freiwilligenarbeit

                                       Engagier dich glücklich
Mit diesem Slogan wirbt die Fachstelle „engagiert! Mitgestalten“
der Evangelischen Kirche in Kurhessen-Waldeck für das freiwillige
Engagement.

Wir haben von Seiten unserer Redaktion einige           dieser Veränderungen ist neben dem traditionellen
Fragen zu diesem Glücksbringer Ehrenamt an Ursula       Begriff Ehrenamt auch die Etablierung der Begriffe
Stegemann, Referentin für Freiwilliges Engagement       Freiwilliges Engagement oder Bürgerschaftliches
in der Diakonie Hessen, gestellt.                       Engagement. Sozialpolitische und gesellschaftliche
                                                        Entwicklungen wie der demografische Wandel, die
„Frau Stegemann, macht freiwilliges                     veränderten Familien- und Arbeitsstrukturen oder
Engagement glücklich?“                                  die Integrationsbemühungen, haben die Formen
                                                        und Bedingungen des Freiwilligen Engagements
Ja, freiwilliges Engagement oder Ehrenamt macht         beeinflusst. Veränderungen sind z.B. spürbar in den
dann glücklich, wenn ich es gerne mache, mit dem        Zugängen zu den Engagementfeldern oder der Dauer
Herzen dabei bin und der Rahmen stimmt. Bestimmte       des Einsatzes. Engagierte man sich früher eher der
Faktoren müssen zusammenkommen, damit Men-              Familientradition folgend in bestimmten Bereichen,
schen nach getaner Arbeit zufrieden und froh nach       so spricht man heute davon, dass die Interessenori-
Hause gehen.                                            entierung vor der Verbandsorientierung kommt. Das
                                                        heißt, Menschen suchen sich Bereiche und Themen
Was sind das für Faktoren, die zum                      aus, wo ihr Interesse liegt, für die ihr Herz schlägt.
gelingenden Engagement gehören?                         Ein Teil der Freiwilligen engagiert sich lieber im zeit-
                                                        lich begrenzten Rahmen. Sie arbeiten in Projekten,
Trotz aller Individualisierungsprozesse wollen Men-     deren Ende absehbar ist, da sie sich berufsbedingt
schen dazu gehören, sie wollen Teil von etwas sein.     nicht langfristig festlegen können oder Verschiede-
Die Motivation, warum Menschen sich für andere          nes ausprobieren wollen. Auch das einmalige Enga-
engagieren, sind ganz unterschiedlich, tendieren aber   gement nimmt in den letzten Jahren immer mehr zu.
oftmals genau in diese Richtung. Viele wollen mit
anderen etwas gemeinsam machen, Spaß haben und          Betreffen diese Veränderungen nur die
neue Leute kennenlernen. Aber auch der Gedanke          Freiwilligen selbst, oder hat sich auch
„ich kann mit meinem Engagement die Gesellschaft        etwas in den Einrichtungen der Diakonie
mitgestalten“ spornt viele an. Die meisten suchen       oder der Kirche geändert?
eine sinnvolle Tätigkeit, die sich gut ins Leben und
in den Alltag integrieren lässt. Andere haben den       Ja sicher, auch die Organisationen müssen sich die-
Wunsch, im Ehrenamt Neues zu lernen und sich            sen Veränderungen anpassen, damit sie weiterhin
weiterzubilden. Das bedeutet also, das Engagement       Freiwillige gewinnen und auch halten können. Die
muss zu den Menschen passen.                            Rahmenbedingungen für das freiwillige Engagement
                                                        wurden in den letzten Jahren von vielen Einrichtun-
Hat sich da in den letzten Jahren etwas                 gen stetig weiterentwickelt und verbessert. Dazu
geändert?                                               gehören eine gute Einführung und Begleitung der
                                                        Freiwilligen genauso wie der Versicherungsschutz,
Die gesellschaftlichen Veränderungen betreffen          die Einhaltung des Datenschutzes und die Erstattung
auch das Engagement der Menschen. Ein Ausdruck          entstandener Auslagen. Wenn notwendig, wird den

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Blätter aus dem Mutterhaus - 150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus
Freiwilligenarbeit                                       Aufgeschnappt

Engagierten ein Angebot für Fortbildung und Qua-           Zeitgewinn durch eine
lifizierung gemacht. Ein ganz wichtiger Aspekt ist
                                                           Stunde weniger am Tag?
die Anerkennungskultur, denn die Menschen wollen
gesehen werden. Ihr Wissen, ihre Erfahrungen und
Fähigkeiten, ihre Mühen und die Zeit, die sie ein-         Die Frage – Was würden Sie tun mit einer
bringen, müssen eine Würdigung erfahren. Diese             Stunde mehr am Tag? – lässt sich sicherlich
Anerkennungskultur ist in ihrer Ausgestaltung ganz         leicht beantworten: länger schlafen, Sport
unterschiedlich, sie sollte zur Einrichtung und den        machen, ein Buch lesen, eine Freundin
dort arbeitenden Menschen passen.                          besuchen, etwas Neues ausprobieren und so
                                                           weiter und so fort.
Das hört sich ja nun sehr glücksbringend an,
ist das immer so? Gibt es keine Probleme?                  Aber mit einer Stunde weniger am Tag – wie
                                                           bei der erfolgten Zeitumstellung zur Sommer-
Natürlich gibt es auch Probleme, da wo Menschen            zeit vor einigen Wochen?
zusammen arbeiten, menschelt es. Ärger und Kon-
flikte gehören im freiwilligen Engagement genauso          Auf eine Stunde vergeudeter Zeit durch
dazu wie immer im Leben. Sei es, dass die Chemie           Sorgen und Seufzen, Angst und Ärger, Neid
nicht stimmt, Menschen mit ihrer Aufgabe über- oder        und Nichtigkeiten – gerade in Zeiten des
unterfordert sind, sie unzuverlässig werden oder die       Corona-Virus – könnte man gut verzichten.
Einrichtungen andere oder zu große Erwartungen             Also alle negativen Gedanken für den Tag in
an die Freiwilligen haben. Es gibt noch viele Gründe       die eine zu „verlierende“ Stunde packen und
mehr, wichtig ist es jedoch, dass diese Störfaktoren       verabschieden.
gesehen, benannt und besprochen werden, und
wenn das Helfen nicht mehr gut tut, ist es auch gut        Vielleicht ist es genau das, was wir mit geist-
sich zu trennen.                                           lichem Leben tun!
                                                           Wir verarbeiten Seufzen, Angst, Ärger, Neid
Frau Stegemann, wollen Sie uns noch etwas                  und irrige Wünsche in Gebet und Gesang und
mit auf den Weg geben?                                     verabschieden sie für diesen Tag in Richtung
                                                           Himmel. Was für manche Zeitgenossen ver-
„Es läuft auch so“, funktioniert nicht. Die Einrichtun-    lorene Zeit ist, das ist für uns ein Freiwerden
gen und Organisationen, die ich berate, versuche ich       von Belastendem. Es „kostet“ vielleicht eine
dafür zu gewinnen, eine gute Freiwilligenkoordination      Stunde am Tag zum Glockengeläut ein Gebet
zu etablieren. Es braucht eine Person, die zuständig       zu sprechen, an einer Andacht teilzunehmen,
ist für die Engagementförderung, und gute Rahmen-          ein Stück Bibel zu lesen oder ein, zwei Lieder
bedingungen, um Freiwillige zu gewinnen und zu             zu singen, aber genau das bedeutet einen
halten. Im Notfall, wie z.B. bei Flutkatastrophen oder     Zeitgewinn an unbesorgtem Dasein!
in der Flüchtlingsbetreuung 2015, erklären sich viele
ganz schnell bereit, etwas zu tun und zuzupacken.          In den Wochen, die hinter uns liegen, hat
Das ist toll und zeichnet unseren gesellschaftlichen       uns Corona das gelehrt: Die Sorge geht im
Zusammenhalt aus. Aber auf Dauer braucht es die            Leben immer mit. Aber sie darf unser Leben
eben benannte Engagementförderung, damit im                nicht ständig überschatten. Dagegen hilft die
Engagement die Freiwilligen und die Einrichtungen          eine entscheidende Stunde weniger: Unser
glücklich werden.                                          geistliches Innehalten.
                                     Ursula Stegemann
                          Vorsitzende des Kuratoriums                   Pfarrer Myers/ Pfarrer Liermann

Ausgabe 482, Mai 2020                                                                                        9
Blätter aus dem Mutterhaus - 150 Jahre Frankfurter Diakonissenhaus
Ehrfahrungsbericht: Freiwillig leiten

                       Diakonissen: Freiwillig anders

2015 wurde ich gefragt, ob ich mich im Kuratorium       So ein Abschluss lädt ein, ehrlich zu hinterfragen:
des Frankfurter Diakonissenhauses engagieren            Konnte ich mich in der Weise einbringen, wie ich es mir
möchte. Da ich viel Unterstützung erfahren habe bei     erhofft habe? Wurde ich gehört? Was nehme ich mit?
den Arbeiten im Archiv im Rahmen meiner Disserta-       Abschließend kann ich sagen: Ich habe großen
tion und in den Interviews mit den Diakonissen, habe    Respekt vor der Lebensleistung der Diakonissen und
ich zugesagt und wurde in der Mitgliederversamm-        werde auch weiterhin mit den Schwestern verbunden
lung für vier Jahre gewählt.                            bleiben. In einer Umfrage war das Bild des „alten
                                                        Baumes mit neuen Ästen“ ein Hoffnungsbild, das die
Heute denke ich: Es waren ein Stück Dankbar-            Diakonissen für die Zukunft benannt haben.
keit und Interesse, die mich in dieses Ehrenamt
gebracht haben. Für mich war die Zeit im Kurato-        Ich wünsche dem Frankfurter Diakonissenhaus,
rium interessant und gleichzeitig aufreibend. So        dass sich dieses Hoffnungsbild weiter ausgestaltet
finde ich es gut, dass freiwilliges Engagement          und konkretisiert.
zeitlich befristet ist und auch zu Ende gehen darf.                                  Dr. Rose Schließmann

An jedem Sonntag freut sich Frau B. auf den             Kirche den Gottesdienst zu erle-
Gottesdienst. Eine Ehrenamtliche, Frau Jeschonneck,     ben und Segen, Trost und Hoff-
wird sie wie immer mit dem Rollstuhl in die Diako-      nung für ihre letzte Lebenszeit
nissenkirche fahren. Schon ist sie da, hilft ihr beim   mitzunehmen?
Anziehen einer Jacke, dann geht’s durch den Garten
zur Kirche. Die erste Reihe ist für Rollstühle reser-   Wir suchen freiwillige Helfer und
viert. Gleich geht sie zurück ins Nellinistift; dort    Helferinnen, die einmal im Monat
wartet schon die nächste Gottesdienstbesucherin         oder öfter regelmäßig diesen
auf sie.                                                schönen wichtigen Dienst tun.
                                                        Sie werden selbst erfahren, dass
Auch ein weiterer Ehrenamtlicher, Herr Steinbeißer,     er Freude macht.
ist mit einer Rollstuhlfahrerin unterwegs, im Flur
wartet schon Herr K. auf ihn.                           Wenn Sie Freude am Mitmachen
                                                        haben, wenden Sie sich bitte
Wer ist bereit, alten hilfsbedürftigen Menschen zu      an Pfr. Alexander Liermann
ermöglichen, mit der Gemeinde in unserer schönen        (alexander.liermann@diakonisse.de).

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Freiwilligenarbeit in der USA

Im Zentrum der amerikanischen Werte
und Kirchen liegt der „volunteer spirit“
         Die beständigste und wichtigste Frage im Leben lautet:
                 Was tust du für andere? Martin Luther King, Jr.

Vor zwei Jahren haben meine Frau und ich als Teil        Kirche, sondern auch in zahlreichen
einer Delegation deutscher und schweizerischer           Vereinen und Gruppen und karitativen Organisa-
Pfarrer und Pfarrerinnen Kirchen und diakonische         tionen wie Rotary and Lions Club, World Vision
Einrichtungen in der US-amerikanischen Großstadt         und Habitat for Humanity. Viele dieser weltweiten
Chicago besucht. An einem der Sonntage waren wir         Organisationen sind in den USA entstanden. Ob
in der prominenten Trinity Church in South Side zu       durch einen fehlenden Staatsapparat oder durch
Gast, wo der ehemalige US-Präsident Obama und            das Selbstverständnis der Christen – oder höchst-
dessen Familie Mitglieder waren. Im Gottesdienst         wahrscheinlich eine Mischung aus beidem – wächst
wurden nicht nur die neuen Mitglieder der Gemeinde       und gedeiht freiwilliges Engagement sowie die Ent-
vorgestellt, sondern – und das mit einer gewissen        stehung neuer karitativer Gruppen seit eh und je in
Selbstverständlichkeit – auch die jeweiligen Aufga-      der Neuen Welt.
ben, die ihnen von der Gemeinde übertragen wurden.
Dazu bekam jedes neue Gemeindeglied einen Mentor,        Wo der Staat oder die Stadt nicht genug für in Not
der sie oder ihn begleiten und helfen sollte, in der     geratene Menschen tut, müssen die Kirchen wie
Gemeinde Fuß zu fassen und die eigenen Gaben             andere karitative Organisationen antreten. An der
zu entfalten.                                            Basis fühlen sich deshalb die Menschen verpflichtet
                                                         zu handeln: eine Suppenküche zu organisieren oder
Freilich ist nicht jede Gemeinde in der Lage, sich       Schulmaterialien für die Kinder in Gegenden mit nied-
so fürsorglich um neue Gemeindeglieder, die frisch       rigen Einkommen zu sammeln oder einen Besuchs-
Konfirmierten oder ehrenamtlich Mitarbeitende zu         dienst im naheliegenden Altenheim zu organisieren.
kümmern. Doch das ehrenamtliche Engagement,              Unter den Millionen Ehrenamtlichen in den USA
der „volunteer spirit“, gehört eben für unzählige        engagiert sich etwa ein Drittel in der Kirche. Und die
Menschen zum Christsein – oder zur Mitgliedschaft in     Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement steigt.
einer christlichen Kirche. Dementsprechend wird man      Laut der jüngsten Umfrage leisteten US-Amerikaner
überall und insbesondere in der Kirche eingeladen,       im vergangenen Jahr 6.9 Milliarden Stunden ehren-
sich zu engagieren und seine Talente einzubringen.       amtliche Arbeit mit einem wirtschaftlichen Wert von
                                                         ca. $167 Milliarden.
Einerseits lässt sich das große freiwillige Engagement
durch die gewachsenen politischen und kirchlichen        Gerade in der Reformierten Kirche in den USA, der
Strukturen in den USA erklären. Denn angesichts der      ich selbst angehöre, wird das diakonische Enga-
Abwesenheit eines durch Steuern finanzierten sozia-      gement hoch gehalten. Dies geht zum Teil auf das
len Netzes, wie man es in Deutschland und anderen        Amtsverständnis des Reformators Johannes Calvin
Ländern Europas kennt, ergab sich von Anfang an          zurück, der das Diakonenamt als eines der vier Ämter
in den freiheitsliebenden Vereinigten Staaten die        in der christlichen Gemeinde ansah und hochhielt.
Notwendigkeit eines starken ehrenamtlichen Enga-         Eine meiner Schwägerinnen beispielsweise engagiert
gements sowie einer großen freiwilligen Spenden-         sich ehrenamtlich als „Diakonin“ in ihrer presbyteria-
bereitschaft.                                            nischen Gemeinde. Während der Woche ist sie immer
                                                         wieder unterwegs, um Familien, die eine Geburt oder
Natürlich engagieren sich die US-Amerikaner – so         einen Schicksalsschlag erlebt haben, ein warmes
wie in Deutschland und anderswo – nicht nur in der       Essen zu bringen und sich nach ihrem Wohlergehen

Ausgabe 482, Mai 2020                                                                                      11
zu erkundigen. „Freut euch mit den Fröhlichen, weint      Ausbildung und beruflichen Standards hierzulande
mit den Weinenden“ (Röm. 12,15).                          untermauert jene Professionalität. Gemeindeglieder
                                                          zahlen Kirchensteuer, dadurch wird viel soziales
Wo eine Förderung durch Kirchensteuermittel               Engagement den „Profis“ anvertraut, sei es in der
fehlt, müssen Gemeinden nicht selten selbst eine          Arbeit mit Obdachlosen oder Flüchtlingen oder bei
neue Orgel finanzieren oder die Reparatur eines           den Themenfeldern Arbeitslosigkeit oder Altersarmut.
Gemeindehausdachs in die Hand nehmen. Gerade
dadurch fühlen sich zahlreiche Menschen mit ihrer         Übertragbar für die Kirchen diesseits des Atlantiks
Kirche – als Gebäude wie als Gemeinschaft – eng           könnte ein stärkeres Ansprechen der einzelnen
verbunden. Und dadurch, dass man sich gebraucht           Menschen sein. Wie oft wird die Bereitschaft anderer
fühlt und dann selbst entscheidet, wieviel man an         unterschätzt, sich zu engagieren. Dabei kann die
Zeit, Talenten und Geld geben möchte und wohin            Kirche vor Ort eine wichtige Rolle spielen, wenn es
das alles fließt, gehört freiwillige Arbeit zum Herzen    darum geht, Menschen zu helfen, ihre einzigartigen
einer jeden Kirchengemeinde.                              Gaben und Talente wahrzunehmen und einzusetzen
                                                          und dadurch Teil einer sinngebenden Gemeinschaft zu
In Deutschland – und dies hat viele Vorteile – ist        werden – wie zum Beispiel am Diakonissenhaus und
das diakonische Engagement zum großen Teil pro-           an der Diakonissenkirche!
fessionalisiert. Die starke Betonung von Bildung,                                         Pfarrer Jeffrey Myers

  Haupt- und ehrenamtlich in der Gemeinde

Danken gelernt beim Helfen
Meine Frau und ich gehören schon seit 23 Jahren           Aus dem Besuchsdienst im Krankenhaus haben wir
zu den Ehrenamtlichen im Diakonissenhaus. Ein             Erfahrungen mit alten und gebrechlichen Menschen
befreundetes Ehepaar hat uns eingeladen, im Diako-        gemacht. Sie sind dankbar, wenn man sich mit ihnen
nissenkrankenhaus in der Gruppe der Evangelischen         beschäftigt, ihnen zuhört und ein freundliches Wort
Krankenhaus- und Altenheimhilfe, den sog. Grünen          für sie hat. Ein unvergessenes Erlebnis war für mich
Damen und Herren, mitzumachen.                            ein Besuch bei einem schwerkranken Mann. Seine
                                                          Frau bat mich, bei ihm zu bleiben, während sie etwas
Mittwochs waren wir vormittags im Besuchsdienst           erledigen musste. Während ihrer Abwesenheit ist der
tätig, nachmittags haben wir im Nellinistift im Stifts-   Mann gestorben. Die Frau war sehr dankbar, dass er
café geholfen. Nachdem die Geriatrie, die letzte          nicht allein sterben musste, und auch dafür, dass sie
Abteilung des Krankenhauses, ins Markuskranken-           nicht allein am Totenbett stehen musste und mit mir
haus umgezogen ist, wirken wir dort beim wöchent-         sprechen konnte.
lichen Erzählcafé mit.
                                                          Wir haben durch unseren Dienst an alten und kran-
Beim wöchentlichen Stiftscafé im Nellinistift gibt es     ken Menschen gelernt, dankbar zu sein für unsere
vielerlei zu tun: Wir decken die Tische, kochen Kaffee,   Gesundheit. Kraft dazu gibt uns der christliche
holen und bedienen die Gäste; manche brauchen             Glaube, der uns zeigt, dass in den kranken und
Hilfe beim Essen. Dann wird gesungen und etwas            schwachen Menschen Jesus nahe ist: „Ich bin krank
Unterhaltsames vorgelesen. Die Heimbewohnerinnen          gewesen, und ihr habt mich besucht. Was ihr getan
und Heimbewohner freuen sich auf diese Stunde im          habt einem unter meinen geringsten Brüdern, das
schön geschmückten Raum in fröhlicher Runde. Dann         habt ihr mir getan.“
bringen wir sie wieder in ihr Zimmer.                                                Irma und Walter Michel

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Haupt- und ehrenamtlich in der Gemeinde

»Eines jeden Wege liegen offen vor dem Herrn,
und er hat acht auf aller Menschen Gänge.« (Sprüche 7,21)

In seinem 1. Brief an die Korinther schrieb Paulus:    bastelten, sangen, spielten, und so manches Kinder-
„Über die Gaben des Geistes aber will ich euch,        gottesdienst-Element floss mit ein. Bald kamen rund
Brüder und Schwestern, nicht in Unwissenheit           15 Jungs. Als sie etwa 9 Jahre alt waren und nur
lassen. … Es sind verschiedene Gaben; aber es ist      noch Fußball spielen wollten, von dem ich kaum eine
ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber        Ahnung hatte, gab ich die Jungs ab und stieg ins
es ist ein Herr.“                                      Team der Mädchenjungschar mit ein.
Im Laufe der Jahre waren es auch für mich ver-
schiedene Ämter: hauptamtlich über 20 Jahre            Nach meiner Bevollmächtigung zur Prädikantin ver-
Gemeindesekretärin und sehr unterschiedlich auch       schoben sich allmählich meine Schwerpunkte. Die
ehrenamtlich. Als nach meinem Renteneintritt Kir-      Kinderarbeit trat zwar immer mehr in den Hinter-
chenvorstandswahlen stattfanden, konnte ich zwölf      grund; doch als Märchentante war ich noch dabei.
Jahre lang das Gemeindeleben auch von der anderen      Nach unserem Umzug 2012 war ich als „Oma Elke“
Seite kennen lernen.                                   auch hier im Kinderhaus noch etwa vier Jahre tätig
                                                       und brauchte dazu nur mit dem Aufzug ein paar
Mein Ehrenamt begann mit dem Kindergottesdienst,       Stockwerke tiefer zu fahren. Mit den „Wackelzähnen“
zu dem unsere Tochter Sabine gehörte. Etwas später     entstanden die lustigsten Geschichten. Die Kinder
besuchte sie als angehende Erzieherin die Fachschule   zogen aus einem Körbchen vier unterschiedliche
im Diakonissenhaus. Heidi Steinmetz, damals noch       Begriffe, die aber nie richtig zusammen passten...
keine Diakonisse, war in ihrer Parallelklasse; und
ich lernte als Elternvertreterin einige Diakonissen    Weil »alles seine Zeit hat«, wie es schon der Prediger
kennen. In diese Zeit fiel auch meine Lektorenaus-     schrieb, beendete ich in meiner „alten“ Gemeinde
bildung.                                               meine Kirchenvorstandsarbeit am Ende der Legisla-
Mitte der 90er Jahre wurde eine Prädikanten-Aus-       turperiode, meldete mich 2015 in der Diakonissenge-
bildung angeboten, an der auch Schwester Gerda         meinde an und war hier zwei Jahre Teil des Kirchen-
Brügelmann teilnahm. Die Liebe zur Verkündigung        vorstands. Zum 1. Januar 2019 wurde die Auflösung
wurde bei all meinen ehrenamtlichen Aufgaben zum       der »Evangelisch-Lutherischen Gemeinde des Frank-
Schwerpunkt. Hier bin ich nach wie vor mit Leib und    furter Diakonissenhauses« nach der Gemeindeord-
Seele dabei, leite immer wieder Wochenschluss-         nung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau
andachten und wirke in vielen Gottesdiensten mit.      beschlossen. Neben manchem, was meiner Arbeit im
Außerdem unterstütze ich das Pfarrbüro des Diako-      Gemeindebüro entsprach, ist die gottesdienstliche
nissenhauses bei der Gestaltung von Plakaten, Hand-    Mitarbeit für mich sehr wichtig. Während meiner
zetteln und Plänen aller Art. Ich habe ja reichliche   Prädikantenarbeit war ich in einigen Frankfurter
Vorerfahrungen als Gemeindesekretärin.                 Gemeinden unterwegs und musste mich immer wie-
                                                       der auf eine andere Liturgie vorbereiten. Diese Viel-
In meiner Heimatgemeinde (Frankfurter Vorort) gab      falt war sehr interessant und spannend. Das ist auch
es damals eine rege Kinder- und Jugendarbeit. Die      ein Grund dafür, dass ich keine große Mühe hatte,
Mädchen trafen sich bereits ab 6, die Buben aber       mich in der besonderen lutherischen Liturgie des Dia-
erst ab 10 Jahren. Das fand ich ungerecht und          konissenhauses mit ihren gregorianischen Gesängen
beschloss, nach Rücksprache mit dem Pfarrer, dies      zurechtzufinden. Im Gegenteil: ich bin hier richtig hei-
zu ändern. Als Mutter zweier Mädchen waren mir         misch geworden und hoffe, dass es mir vergönnt sein
Jungs zwar fremd, aber ich dachte: Kind ist Kind,      wird, noch möglichst lange mitarbeiten zu können.
und legte voller Begeisterung und Freude los. Wir                                             Elke Mathesius

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Ehrenamt

Mitmachen und dazu gehören
             Ein Gesprächsbericht

Seit 6 Jahren wird das Waffelcafé des Diakonissen-
hauses von Ehrenamtlichen geführt. Am letzten
Samstag im Monat öffnet es seine Türen und wird
zum Treffpunkt ganz unterschiedlicher Menschen
aus dem Holzhausenviertel und dem „Reich des
Diakonissenhauses“.

Jetzt sind die Gäste gegangen, ich sitze mit drei
der aktivsten freiwilligen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter des Diakonissenhauses zusammen.
Das sind Jens Lange, der die personelle Mitte des
Cafés ist, Eva Benedek, die heute zum ersten Mal
dabei war, und Carmen Reinhardt. Sie kam heute
extra zu diesem Gespräch. Alle drei sind Ehren-
amtliche mit persönlicher diakonischer Geschichte.
Jens Lange ist Diakon und kommt ursprünglich aus
Thüringen, Eva Benedek hat sich nach 5 Jahren als    Frau Reinhardt und Frau Benedek ergänzen, dass
Probeschwester doch dagegen entschieden Diako-       es auch für den für die Gottesdienstkultur so wich-
nisse zu werden, und Carmen Reinhardt war sogar      tigen Chor schwer ist, verlässliche Sängerinnen
eingesegnete Diakonisse, hat die Gemeinschaft aber   zu finden, die den Diakonissen eine Verstärkung
nach mehr als 10 Jahren verlassen. Beide haben       wären. „Ich will mich ja selbst auch mal in meiner
nach langer Pause den Weg zurück in die Nähe des     Wohnortgemeinde im Gottesdienst blicken lassen…“
Hauses gefunden. Carmen Reinhardt nimmt längst       sagt Frau Reinhardt „…Ja und ich bin ja auch Prä-
wieder Aufgaben als Prädikantin, Lektorin und als    dikantin und hab´ immer mal Dienst woanders.“
Stimme im Diakonissenchor war. Eva Benedek singt     Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Aber das
im Chor und wirkt bei verschiedenen Diensten im      Psalmensingen, das ist mir ungeheuer wichtig. Das
Gottesdienst mit.                                    bedeutet mir ganz viel. Geistlich richtig aufgehoben
                                                     bin ich eigentlich nur in dieser Liturgie“. Frau Rein-
„Das Waffelcafé ist als einziges Arbeitsfeld tat-    hardt und Frau Benedek schauen sich an. „Diese
sächlich von den Schwestern auf uns Ehrenamt-        Jahre unter den Diakonissen, die sind bis heute
liche übergegangen“ beginnt Jens Lange unser         prägend für uns. Manchmal werden wir gefragt: Hört
Gespräch. „Es gab eine ganze Reihe Versuche, das     das denn nie auf mit Euch und den Diakonissen?“
auf anderen Feldern auch zu schaffen, aber aus
verschiedenen Gründen ging das nicht gut. Nicht      Es scheint so, als würde es nicht aufhören mit der
beim Kirchendienst und nicht bei der Hostienberei-   Nähe zum Diakonissenhaus – zumindest solange
tung. Und beim Gartendienst auch nicht wirklich.     die Schwestern leben. Vor einem Jahr haben die
Beim Hostienbacken hing es auch an der techni-       drei einen Bibelkreis gegründet, zu dem auch zwei
schen Umsetzung: Den Teig hinzubekommen, das         Schwestern gehören. Einmal im Monat treffen sie
ist schon eine Kunst. Wir hatten 80 % Ausschuss“.    sich, um sich geistlich auszutauschen.

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Ehrenamt

„Aber sagt mal: Wie ist das denn in der Zusammenar-       ungewissen Zukunft steht. „Wir sehen uns diesem
beit mit den Ehrenamtlichen, die nicht kirchlich sind,    Haus ganz stark verbunden. Aber wir haben kein
die aus ganz anderen Gründen dabei sind? Gibt´s da        Zeichen dafür, können das nach außen nicht sicht-
Schwierigkeiten?“                                         bar machen“, sagen Eva und Carmen. „Wir sind fast
Frau Benedek winkt ab: „Also, ich war ja heute zum        überall aktiv hier, aber ich kann, wenn ich gefragt
ersten Mal hier, aber ich kann schon sagen: Das ist       werde, wer ich im Diakonissenhaus bin, nichts
schon diakonisch hier. Alle unterstützen sich gegen-      sagen“. Es liegt die Frage in der Luft, ob es nicht
seitig, ich bin sehr freundlich von allen in die Arbeit   eine neue zeitgemäße Form einer Gemeinschaft in
eingeführt worden. Sehr herzlich hier und partner-        der Tradition des Diakonissenhauses geben könne.
schaftlich. Auf den Jens richten sich alle aus, und       „Was macht denn für Sie die Zugehörigkeit zu einer
das passt!“                                               >Diakonischen Gemeinschaft< eigentlich aus?“ will
                                                          ich wissen. Die Antwort lässt nicht auf sich warten:
Jens sagt etwas zu seiner Motivation für das Waffel-      „Sich der geistlichen Gemeinschaft zugehörig fühlen
café. Er sei ja Thüringer, aber weil seine eigentliche    und ehrenamtlich mitzuwirken – nach seinen jeweili-
Heimat so weit weg ist und er sich nicht nur als Flug-    gen Gaben“, antwortet Carmen. Sollte man hier von
begleiter versteht, sondern eben auch als Diakon, ist     Verpflichtung reden, frage ich. „Nein, es geht mehr
er hier so aktiv. „Schwester Marlis hat mir vor Jahren    um Verbindlichkeit als um Verpflichtung“, ist die
die Tür zum Haus geöffnet. Und das Waffelcafé ist         Antwort. Es taucht die Idee auf, ob nicht vielleicht
ein Ort der Begegnung für ganz unterschiedliche           die Oblaten-Kongregationen der katholischen Kirche
Menschen. Das tut mir gut, und es ist mir wichtig,        ein Anregung sein könnten – „Weltliche“, also Unge-
dass wir so einen Ort gerade hier möglich machen!“        weihte, die ein Leben im Geiste eines Ordens führen.

Eva hört interessiert zu und ist noch sichtlich begeis-   Doch auch hier ist das Diakonissenhaus ohne Dia-
tert von ihrem ersten Besuch im Café. Die Gegenwart       konissen kein schöner Gedanke. „Wer braucht das
der Schwestern ist auch hier im Waffelcafé wichtig.       Diakonissenhaus als das was es ist? Heute, in naher
„Das Wichtigste für mich sind die Schwestern. Es          Zukunft? Und wenn ja, passt das zu uns?“, das
hat mir heute so gut getan, mich endlich mal wie-         scheint zur gegenwärtigen Leitfrage zu werden. Bei
der mit Schwester Hanna Lachenmann unterhalten            der Antwort auf diese Frage sind sich alle schnell
zu haben“ sagt Eva. Carmen erzählt davon, wie das         einig: „Auf jeden Fall wird das Diakonissenhaus
Tragen der Tracht für Vertrauenswürdigkeit sorgt:         gebraucht! Viele Pfarrer wissen das, die Pilger- und
„Ich trug noch keine Tracht und war mit Diakonis-         Gästearbeit zeigt das, die Belegung des Gäste- und
sen in Tracht unterwegs. In einem Bahnhof wollte          Tagungshaues und nicht zuletzt das Waffelcafé!“ Für
einmal eine Gruppe fremder Frauen wissen, wo              diese drei steht das Diakonissenhaus eher vor einem
die Toiletten seien. Ich kam gerade von dort und          neuen Anfang als am Ende von etwas Altem.
sagte es ihnen. Aber die Frauen setzten sich erst in
Bewegung, nachdem eine Diakonisse meine Angaben                 Das Interview führte Pfarrer Alexander Liermann
bestätigt hatte!“ Jens weiß zu bestätigen, dass eine
Uniform allein schon etwas ausmacht. Wenn er in der
Lufthansa-Uniform zum Dienst fährt, hat er oft schon
vier bis fünf Gespräche mit Flugreisenden geführt,
die überhaupt nicht mit ihm an Bord gehen. Die Uni-
form zieht Menschen an.

Aber hier im Diakonissenhaus geht es um mehr als
die Tracht. Es geht um eine geistliche Gemeinschaft,
die eine große kirchen- und gesellschaftsprägende
Vergangenheit hat, und die nun vor einer noch

Ausgabe 482, Mai 2020                                                                                      15
Heimgegangen

Diakonisse Elfriede Schmidt

                           geboren am                    ren, dass unser Herr Jesus mich nie allein ließ.
                           3. August 1931 in             Eine große Hilfe und Stärkung war mir die klare Wort-
                           Frankfurt a.M.,               verkündigung und unsere schwesterliche Gemein-
                           gestorben am                  schaft auf der Station.“ In ihr reifte der Entschluss,
                           8. Januar 2020 in             Gott als Diakonisse zu dienen. Im März 1954 trat
                           Frankfurt a.M.                sie in die Schwesterngemeinschaft des Diakonissen-
                                                         mutterhauses ein.
                          Schwester Elfriede war
                          ein Frankfurter Kind. Gern     Nach dem Kennenlernen verschiedener Arbeitsge-
                          hat sie erzählt, wie sie die   biete lernte Schwester Elfriede die Krankenpflege und
                          Stadt erlebt hat beim Ein-     legte im März 1956 das Examen ab. Nach verschiede-
kauf auf der Schirn, dem Markt auf dem Römerplatz        nen Arbeitseinsätzen und der Diakonissenausbildung
oder mit ihrem Großvater bei Pferderennen auf der        in Diakonischen Kursen wurde sie im November 1963
Rennbahn. Mit Gedichten und Geschichten, oft in          eingesegnet. Ihr Einsegnungswort hat Schwester
Frankfurter Mundart, hat sie die Schwestern erfreut.     Elfriede auf ihrem Lebensweg begleitet und ihr Halt
                                                         und Kraft gegeben:
Schwester Elfriede wuchs in Frankfurt-Niederrad auf;
mit ihrer jüngeren Schwester verband sie zeitlebens
ein herzliches Verhältnis. Nach Schulabschluss und          Auf alle Gottesverheißungen ist in Jesus
Konfirmation im März 1946 war sie zwei Jahre lang          Christus das Ja; darum sprechen wir auch
in der Niederräder Pfarrfamilie Rau als Haushalts-            durch ihn das Amen, Gott zur Ehre.
hilfe tätig, eine segensreiche Zeit, von der sie gern                    2. Korinther 1,20
erzählte. Sie ging in den Mädchenkreis, besuchte
alte und kranke Menschen in der Gemeinde und half
im Kindergarten. Dabei zeigte sich ihre Begabung         In den nächsten Jahren hat Schwester Elfriede an
für den Umgang mit Kindern; das Pfarrersehepaar          verschiedenen Orten als Kinderschwester oder als
Rau empfahl ihr den Beruf der Kindergärtnerin.           Gemeindeschwester gearbeitet. Dann bekam sie die
So besuchte sie ab April 1948 den einjährigen            Aufgabe, die Haushaltslehrlinge in ihrer Ausbildung
Wissenschaftlichen Vorkurs des Kindergärtnerin-          und im Internat zu begleiten. Sie war zuständig für
nenseminars und konnte danach die Ausbildung als         ihre Arbeitseinsätze und Berichte und gestaltete mit
Kindergärtnerin und Hortnerin beginnen.                  ihnen die Freizeit. Sie hat sie ermutigt und gefördert
                                                         und ihnen in schwierigen Situationen geholfen. Noch
Nach bestandenem Examen war ihr erster Arbeits-          einmal wurde sie in die Gemeindekrankenpflege
platz der Kindergarten in Fronhausen/Lahn. Hier          gerufen. Ihre letzte Aufgabe war die Begleitung
lernte sie die Vielfalt der Gemeindearbeit kennen,       und Pflege der alten Schwestern im Mutterhaus,
zu der neben der Kranken- und Altenpflege die            zusammen mit anderen Schwestern und Mitarbei-
Leitung von Jugend- und Frauengruppen und der            terinnen, ein Dienst, der ihr viel Freude machte.
Kindergottesdienst gehörte. Sie fragte sich, woher
man die Kraft für diesen Dienst bekommen könnte.         Was Schwester Elfriede ausmachte, war ihre Bereit-
Später schrieb sie in ihrem Lebenslauf: „Jetzt           schaft, sich immer wieder auf den Weg in ein neues
lernte ich so recht verstehen, was das Wort Jesu         Arbeitsfeld zu machen und dort ihre Gaben und Erfah-
bedeutet ‘Ohne mich könnt ihr nichts tun‘. Ich           rungen einzubringen. Mit einer gewissen Heiterkeit
lernte, dass wir jeden Tag neu um Kraft und              ging sie durchs Leben. Mit ihrer Freundlichkeit und
Freudigkeit bitten müssen, und ich durfte erfah-         Fröhlichkeit hat sie vielen Menschen wohlgetan. Im

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Heimgegangen

Feierabend war es ihr ein Anliegen, ihre Mitschwes-     eigenen körperlichen Beschwerden hat Schwester
tern im Nellinistift zu besuchen, besonders Schwester   Elfriede ohne Klagen ertragen. Nun hat Gott sie
Gertrude König, mit der sie einen Bibelkurs besucht     heimgerufen in die himmlische Heimatstadt.
hatte. Gern hat sie mit ihr vertraute Lieder gesungen
und sie dadurch getröstet in ihrer Schwachheit. Ihre                          Diakonisse Hanna Lachenmann

Diakonisse Gertrude König

                          geboren am                    Das Krankenhaus wurde ihr Arbeitsgebiet, wo sie
                          7. April 1935 in              bald Verantwortung in der Anleitung von Schülerin-
                          Wissenbach/Dillkreis,         nen und Schülern übernahm. Nach dem Besuch der
                          gestorben am                  Schwesternhochschule konnte sie ihr Wissen und
                          5. November 2019              ihre Erfahrung im Unterricht in der Krankenpflege-
                          in Frankfurt a.M.             schule, in der Krankenpflegehilfeschule und in der
                                                        Altenpflegeschule weitergeben. Nach einer Weiter-
                         Schwester Gertrude wuchs       bildung als Pflegedienstleiterin übernahm sie 1973
                         mit zwei Geschwistern in       die Pflegedienstleitung im Diakonissenkrankenhaus.
                         Haiger in einem frommen
                         Elternhaus auf. Begegnun-      Ein Jahr Mitarbeit in der Pflegedienstleitung des
gen mit Schwestern des Frankfurter Diakonissenhau-      evangelischen Krankenhauses in Mettmann brachte
ses, die dort in der Gemeinde und im Krankenhaus        ihr neue Erfahrungen. Von 1984 bis 1993 war sie
tätig waren, weckten in ihr schon mit zwölf Jahren      Pflegedienstleiterin des Altenpflegeheims Johannes-
den Wunsch, Diakonisse zu werden.                       stift in Gießen, das damals erweitert und moderni-
                                                        siert wurde. Dann übernahm sie die Leitung eines
Nach dem Schulabschluss arbeitete sie als Helferin im   Bereichs im Nellinistift.
Haigerer Krankenhaus. Zur Ausbildung als Kranken-
schwester kam sie in die Krankenpflegeschule des        In ihrem Bericht zum 50. Einsegnungsjubiläum
Frankfurter Diakonissenhauses im Markuskranken-         schrieb sie: „Ein besonderes Anliegen waren mir
haus, wo sie 1955 das Krankenpflegeexamen ablegte.      die Schwerkranken und die Sterbenden mit ihren
                                                        Angehörigen. Ebenso wichtig waren mir auch die
1956 folgte sie dem Ruf in die Diakonissengemein-       Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir waren drei
schaft, den sie schon als Kind gespürt hatte. Nach      Diakonissen in der Leitung der Wohnbereiche,
verschiedenen Einsätzen in Gemeinden und im 1956        die sich gegenseitig unterstützt haben mitsamt den
wieder eröffneten Diakonissenkrankenhaus und Kur-       Mitarbeiterinnen. Viel Freude bereitete mir die Aus-
sen zur Ausbildung als Diakonisse wurde Schwester       gestaltung von Festen und Feiern.“
Gertrude 1964 eingesegnet. Ihr Einsegnungswort:
                                                        Im Feierabend hat Schwester Gertrude trotz manchen
  Ich will dich unterweisen und dir den Weg             körperlichen Beschwerden kleine Dienste im Nellini-
          zeigen, den du gehen sollst;                  stift übernommen. Nach einem Schlaganfall wurde
    ich will dich mit meinen Augen leiten.              Schwester Gertrude sieben Jahre lang im Nellinistift
                   Psalm 32,8                           gepflegt. So hat sie an sich erfahren, was sie selbst

Ausgabe 482, Mai 2020                                                                                     17
Heimgegangen

in ihrem Diakonissenleben als Krankenschwester mit                 dass Gottes Augen über ihr wachen und sie durch
Fachkompetenz und Hingabe geübt hat. Sie wurde                     jeden Tag leiten. Still und friedlich ist sie für immer
täglich von Mitschwestern besucht; auch als sie                    eingeschlafen.
nicht mehr sprechen konnte, hat sie mit ihnen Lieder               Bei der Aussegnung sangen wir ihr Einsegnungslied,
gesungen, die ihr vertraut waren. Gerade als sie auf               das sie sehr liebte: „Mein Seel, o Herr, muss loben
tägliche Hilfe angewiesen war, die anzunehmen ihr                  dich, du bist mein Heil, des freu ich mich.“
schwer fiel, wurde ihr bewusst, wie sehr ihr Gottes
Hilfe ein Trost war. Sie wusste im tiefsten Inneren,                                      Diakonnisse Hanna Lachenmann

  Das Frankfurter Diakonissenhaus als Gastgeber

Gast sein im Frankfurter Diakonissenhaus

Im schönen, ruhig gelegenen Gebäude des Mutter-                    Die Gäste können im großen Garten und im nahe
hauses stehen 16 Zimmer mit 25 Betten für Gäste                    gelegenen Holzhausenpark Ruhe und Erholung
bereit für Übernachtungen mit oder ohne Frühstück.                 finden. Museen und andere kulturelle Angebote in
                                                                   der Innenstadt sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln
Gruppen können hier in Seminarräumen mit guter                     schnell zu erreichen.
technischer Ausstattung mit oder ohne Übernach-                    Die Gäste sind zu den Gottesdiensten und Andachten
tung und Verpflegung Tagungen halten. Der Festsaal                 und zur stillen Einkehr in der Kirche eingeladen.
mit 150 Plätzen, mit Tischen 120 Plätzen, kann für                 Ein Gutschein für einen Aufenthalt in unserem Haus
größere Gruppen, aber auch für festliche Veranstal-                eignet sich als besonderes Geschenk.
tungen gemietet werden, mit oder ohne Verpfle-
gungsservice.                                                      Anmeldung per Telefon (069/271 343 252) oder
                                                                   E-Mail (gaeste@diakonisse.de)

  Impressum
Herausgeber: Frankfurter Diakonissenhaus, Cronstettenstraße 57 − 61, 60322 Frankfurt am Main, Tel: 069 / 271 343 250;
Fax: 069 / 271 343 200, info@diakonisse.de, www.diakonisse.de
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Redaktion: Vorstand Oberin Diakonisse Heidi Steinmetz (V.i.S.d.P., Schriftleitung), Pfarrer Alexander Liermann
Fotos: Titelbild Martin Leissl; S. 6 Tatjana Claas; S. 7 Tamina Probst ; S. 10 unten Rainer Sturm_pixelio.de; S. 11 Capri23auto/
pixabay.com; S. 19 Martin Quast_pixelio.de; nicht weiter aufgeführte Fotos: privat
Druck: Gemeindebriefdruckerei, 29393 Groß Oesingen, Auflage: 5.500
Die Angaben zum Datenschutz finden Sie unter www.diakonisse.de/index.php/ueber-uns/impressum. Wenn Sie die Blätter
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