Das Arbeitszeugnis - Muster ohne Wert? - praxistipps

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                                                                             © Sven Meissner                                ert, denn er würde das Verfahren in un-
                                                                                                                            endliche Länge ziehen.
                                                                                                                                Was macht er also: Er liest gezielt und
                                                                                                                            wählt aus, und zwar nach Wichtigkeit,
                                                                                                                            nach Aussagefähigkeit und nach persön-
                                                                                                                            licher Routine. Und Routine verbunden
                                                                                                                            mit dem Mut zur Lücke ist die einzige
                                                                                                                            Chance, sich schnell einen Überblick
                                                                                                                            über die Qualität von Bewerbungen zu
                                                                                                                            machen.

                                                                                                © Rainer Sturm/pixelio.de
                                                                                                                            Arbeitsbeleg

                                                                                                                            In diesem Zusammenhang ist das Ar-
                                                                                                                            beitszeugnis bei der Wichtigkeit der Un-
                                                                                                                            terlagen deutlich in den Hintergrund ge-
                                                                                                                            treten. Es wird meistens erst dann gebüh-
                                                                                                                            rend betrachtet, wenn über die anderen
     ¢ BEWERBUNG                                                                                                            Unterlagen Interesse geweckt wurde. Erst
                                                                                                                            nach Begutachtung des überaus wichti-

     Das Arbeitszeugnis –                                                                                                   gen Anschreibens und des nicht minder
                                                                                                                            wichtigen Lebenslaufes wird ein Blick auf
                                                                                                                            die vorhandenen Arbeitszeugnisse ge-

     Muster ohne Wert?
                                                                                                                            worfen. Und zwar mehr als Abgleich, ob
                                                                                                                            die dort erwähnten Arbeitsinhalte und
                                                                                                                            das Arbeitsverhalten mit dem bisher ge-
                                                                                                                            wonnenen Eindruck korrespondieren.
                                                                                                                                Ein Beleg aus fremder Feder als Be-
     Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf ein ehrliches
                                                                                                                            weis für die in den selbstverfassten Be-
     und wohlwollendes Arbeitszeugnis. Ein Zielkonflikt, der                                                                teuerungen formulierten Qualitäten hat
     den Wert dieser Bewerbungsunterlage zunehmend in                                                                       natürlich grundsätzlich einen besonderen
                                                                                                                            Wert. Schließlich beurteilt da ein ehema-
     Frage stellt. | Andreas Pallenberg                                                                                     liger Arbeitgeber einen Mitarbeiter. So
                                                                                                                            weit, so gut, aber wie ehrlich kann ein

     E
            ine Stellenbesetzung über ein üb-         Für die Personalverantwortlichen gilt                                 solches Urteil sein? Welche Botschaft
            liches Bewerbungsverfahren ist ein     es, sich pro Bewerbung möglichst schnell,                                wird dabei vermittelt und welche wird
            recht aufwändiges Unterfangen.         aber auch fundiert ein Bild von den inter-                               empfangen?
     Neben der wohl überlegten Formulierung        essierten Bewerbern/innen zu machen.
     der Ausschreibung nimmt der Gesamt-           Pro Bewerbung heißt dies: die Begutach-                                  Wie ehrlich darf‘s denn sein?
     prozess eines Einstellungsverfahrens          tung der Gesamtgestaltung der Bewer-
     oft mehrere Monate in Anspruch. Und           bungsunterlagen, des Bewerbungsfotos,                                    Ein ausgeschiedener Mitarbeiter – egal
     das liegt nicht zuletzt an der Vielzahl der   des Anschreibens, des Lebenslaufes, der                                  ob dieser auf eigenen Wunsch geht oder
     Bewerbungen, die bei attraktiven Stellen      Examenszeugnisse, der Arbeitszeugnisse,                                  eher herausgeworfen wurde – hat einen
     den Posteingang strapazieren. Dreistelli-     der Arbeitsproben, der weiteren Anlagen                                  Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Bei ein-
     ge Bewerberzahlen sind bei Stellen für        und Unterlagen („dritte Seite“, Referen-                                 vernehmlichen Trennungen sollte dies
     Geisteswissenschaftler die Regel. Das         zen, Zertifikate und Weiterbildungsbestä-                                kein allzu großer Akt sein. Personalabtei-
     wirft nicht nur ein ernüchterndes Bild auf    tigungen etc.). Da kommt schnell ein                                     lungen halten für diesen Zweck Muster
     die Konkurrenzsituation arbeitsuchender       Pfund an Unterlagen zusammen. Würde                                      bereit und füllen diese bei Bedarf mit va-
     Akademiker, sondern lässt auch erahnen,       ein Personalreferent alle eingehenden                                    riablen Textstellen aus. Der Wert eines
     welche Arbeit und welcher Aufwand bei         Bewerbungen von A bis Z durchlesen,                                      solchen Zeugnisses geht über eine Ar-
     der Auswahl der Kandidaten entsteht.          würde er vermutlich als Nächster gefeu-                                  beitsbestätigung allerdings nicht hinaus.

IV                                                                                       arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011
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Bei anspruchsvollen Tätigkeiten dürfte         chung z.B. des Bundesarbeitsgerichts,        leistung die einschlägig bekannte Formu-
der Bewertete aber ein deutliches Inter-       wonach ein Arbeitszeugnis die weitere        lierung „stets zu unserer vollsten Zufrie-
esse daran haben, dass sein Arbeitszeug-       berufliche Entwicklung nicht behindern       denheit“ gibt, dann ist das vielleicht ein
nis mehr darstellt als eine bloße Bestäti-     darf bzw. wohlwollend formuliert sein        Hinweis auf ein „sehr gut“, vielleicht aber
gung von Arbeitsinhalten und -umfän-           soll. Dieses Gebot der wohlwollenden         auch ein Hinweis dafür, dass der Arbeit-
gen. Und er hat ein Recht darauf, ein          Formulierung ist übrigens nicht Inhalt des   geber allen Diskussionen aus dem Weg
qualifiziertes Zeugnis zu bekommen,            in diesem Zusammenhang häufig zitier-        gehen will. Wenn nur das „stets“ fehlt,
wenn er es verlangt.                           ten § 109 der Gewerbeordnung, sondern        oder aus der „vollsten“ eine „volle“ Zufrie-
    Hegt der Arbeitgeber aber noch ziem-       allein Grundtenor der zuständigen Ge-        denheit geworden ist, so ist dies eine
lichen Groll gegenüber seinem Ehemali-         richte. Ein ehemaliger Arbeitgeber kann      Einschränkung. Da diese Codes bekannt
gen, so könnte er die anstehende Beur-         auch nicht gezwungen werden, in einem
teilung natürlich zum Anlass nehmen,           Arbeitszeugnis den Kandidaten mehr zu
diesem – ob berechtigt oder nicht – mit        loben als es der Wahrheit entspricht.
dem Zeugnis „eins reinzuwürgen“ und
damit abschließend Rache zu üben. Das          Voller als voll
darf er nicht, so die gängige Rechtspre-
                                               Dieses Dilemma führt dazu, dass Arbeits-
                                               zeugnisse mitunter – keineswegs immer
  DAS GESETZ                                   – so verklausuliert werden, dass die di-
                                               rekte Aussage quasi wertlos ist, der sich
  § 109 Gewerbeordnung                         dahinter verbergende Code aber umso
  (1) Der Arbeitnehmer hat bei                 geheimnisvoller Botschaften vermittelt,
      Beendigung eines Arbeitsver-             die zwar freundlich formuliert sind, aber
      hältnisses Anspruch auf ein              eigentlich einem Verriss gleichkommen.
      schriftliches Zeugnis. Das Zeug-         Bekannt und berüchtigt sind in dieser
      nis muss mindestens Angaben              Hinsicht alle Formulierungen, die mit
                                                                                            Alle sind gut – von eins plus bis eins minus
      zu Art und Dauer der Tätigkeit           Worten wie „... er bemühte sich stets ...“
                                                                                            © Gerd Altmann/pixelio.de
      (einfaches Zeugnis) enthalten.           zusammengefügt werden. Da weiß inzwi-
      Der Arbeitnehmer kann ver-               schen jeder, dass dies so ziemlich die       sind, kann sich ein ehemaliger Mitarbei-
      langen, dass sich die Angaben            schlechteste Beurteilung bedeutet, die       ter auch darauf berufen und Besserung
      darüber hinaus auf Leistung              man bekommen kann. Ganz nach dem             einfordern bzw. dafür sorgen, dass diese
      und Verhalten im Arbeitsver-             Motto: Positiv formuliert, aber negativ in   code-verdächtige Formulierung durch
      hältnis (qualifiziertes Zeugnis)         der Bedeutung. Daraus hat sich ein inzwi-    eine gänzlich andere Formulierung er-
      erstrecken.                              schen berüchtigter Zeugniscode entwi-        setzt wird. Einen Anspruch auf ein „sehr
  (2) Das Zeugnis muss klar und                ckelt, der bereits eigene Stilblüten her-    gut“ hat er nicht. Aber eine Codierung ist
      verständlich formuliert sein. Es         vorgebracht hat. Was soll schon eine         rechtswidrig. Wer also ein „sehr gut“ be-
      darf keine Merkmale oder For-            „vollste Zufriedenheit“ sein.                kommen hat, wird nicht mucken. Wer
      mulierungen enthalten, die den              Und tatsächlich werden viele Zeugnis-     aber suboptimale Codes findet, kann
      Zweck haben, eine andere als             se von den Personalfachleuten schnell-       diese umgehend herauskicken lassen
      aus der äußeren Form oder aus            stens durchgescannt auf der Suche nach       und sollte dies auch veranlassen. Somit
      dem Wortlaut ersichtliche Aus-           genau diesen Benotungsfloskeln. Für die      dienen die zahlreichen Glossare mit den
      sage über den Arbeitnehmer zu            Bewerber ist das kein Problem, solange       gängigen Zeugniscodes nicht nur als
      treffen.                                 dort gute bis sehr gute Noten versteckt      Übersetzungshilfe, sondern auch zur
  (3) Die Erteilung des Zeugnisses in          werden. Gibt es aber verklausulierte Hin-    Identifizierung von Codes überhaupt.
      elektronischer Form ist ausge-           weise auf schlechtere Arbeitsleistung, so
      schlossen.                               sind diese sofort anfechtbar, und zwar       Code oder Nicht-Code?
  Hinweis: Der Streitwert einer Klage          nicht wegen des Inhaltes der Aussage,
  auf Zeugniserteilung oder -korrek-           sondern grundsätzlich. Codierungen sind      Ein Code, den keiner kennt, ist genauso
  tur beträgt etwa ein Bruttogehalt            laut § 109 Abs. 2 Gewerbeordnung nicht       wenig ein Code, wie einer, den alle ken-
  des Arbeitnehmers.                           zulässig. Wer hätte das gedacht! Wenn es     nen. Insofern sollte man auch dem Zeug-
                                               trotzdem unter dem Stichwort Arbeits-        niscode nicht allzu viel Bedeutung zu-

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     kommen lassen. Wer geradezu panisch           Worte wie „... Kollege Müller hat sich im-   in den meisten Fällen unterschätzt
     nach Formulierungen sucht, die code-          mer mächtig ins Zeug gelegt ...“ würden      wird.
     verdächtig sein könnten, sich dazu mit        im Arbeitszeugnis eine vernichtende Be-         Als guter Kompromiss gilt bei diesem
     entsprechender Literatur bewaffnet und        urteilung bedeuten. Und darauf muss          Angebot die Zusage, man werde gerne
     sich im Netz unter Leidensgenossen um-        man manche Chefs eben hinweisen.             eine Vorlage mit den Daten und Inhalten
     tut, wird seines Lebens nicht mehr froh                                                    vorbereiten, aber großen Wert legen auf
     und viel unnötige Energie verpulvern. Es      Zeugnis ablegen über sich                    eine Beurteilung aus fremder Hand. Das
     gibt natürlich zahlreiche Bücher, die diese   selbst                                       erspart dem Personalchef umfassende
     Sensibilität auffangen und mit dem Ver-                                                    Recherche und führt dennoch zur er-
     dacht auf Verschwörung Geschäfte ma-          „Ach Gott, ja, das Arbeitszeugnis. Meier,    wünschten Fremdbeurteilung, die sich
     chen. Wer die wichtigsten bekannten           schreiben Sie das doch selbst, Sie wis-      auch stilistisch und vom Aufbau von den
     Codes erkennen will, findet entsprechen-      sen doch am besten, was sie gemacht          anderen Zeugnissen unterscheidet. Je
     de Glossare im Internet. Wird man darü-       haben.“ So oder ähnlich sind die Reakti-     nach beruflicher Perspektive sollte man
     ber fündig und hat den Verdacht, dass         onen, wenn man den ehemaligen Chef           vor der endgültigen Formulierung des
     damit geheime Botschaften vermittelt          auf das noch anstehende Arbeitszeug-         Zeugnisses auf Inhalte hinweisen, auf die
     werden sollen, verhandelt man entspre-        nis anspricht. Das macht ihm Arbeit und      man besonderen Wert legen würde. Wer
     chend mit dem Urheber der Beurteilung.        kann sogar zu nervigen Diskussionen          dann schon Schlüsselwörter für die eine
                                                                                                oder andere Formulierung einfließen
                                                                                                lässt, wird sich über ein aussagefähiges
                                                                                                Zeugnis freuen können.

                                                                                                Ein gutes Zeugnis

                                                                                                Was ein gutes Zeugnis sonst noch aus-
                                                                                                macht: Der Umfang zum Beispiel.
                                                                                                Schwingt sich ein ehemaliger Chef zu
                                                                                                mehreren Seiten der Beurteilung auf und
                                                                                                beschreibt detailliert und individuell die
                                                                                                besonderen Qualitäten des ausgeschie-
                                                                                                denen Mitarbeiters, so hat das schon ei-
                                                                                                nen Wert an sich. Wirkt das ganze Zeug-
                                                                                                nis vom Inhalt und Aufbau auch in sich
                                                                                                stimmig und nicht widersprüchlich oder
                                                                                                unplausibel, so ist dies ebenfalls ein Qua-
                                                                                                litätskriterium. Ist die Beurteilung schon
                                                                                                eher als schriftliche Referenz aufzufas-
                                                                                                sen, die im Stil und in der Gesamtaussa-
     Referenzen – besser als ein Zeugnis aus Worthülsen           © Rainer Sturm/pixelio.de     ge auch ein Bedauern des Ausscheidens
                                                                                                und gleichzeitig viel Erfolg beim weiteren
     Dieser wird sich in den meisten Fällen auf    führen. Wer sich darauf einlässt, wiegt      Werdegang wünscht, hat man ein Zeug-
     Nachbesserung einlassen – schon aus           sich in Sicherheit, vergibt aber eventuell   nis mit Substanz an der Hand, das auch
     arbeitsökonomischen Gründen.                  eine Chance. Außerdem macht es wirk-         gewürdigt werden kann – ja, wenn es
        Die meisten Personalchefs kennen           lich Arbeit, diesmal aber dem Beurteil-      denn auch gelesen wird.
     sich mit den Formulierungen und Gepflo-       ten. Und dann kommen einige Proble-              Negative Merkmale können sein,
     genheiten bei der Gestaltung von Ar-          me zusammen. Kann man sich wirklich          wenn das Zeugnisses nicht auf sauberem
     beitszeugnissen aus. Aber gerade Chefs        selbst authentisch beurteilen oder ist es    und dauerhaftem Briefkopfpapier ge-
     und Geschäftsführer kleiner Unterneh-         eher ein Pokerspiel mit der Toleranz des     druckt ist (worauf man einen Anspruch
     men wirken dabei manchmal etwas un-           Unterzeichners? Ist man zu ehrlich oder      hat!), wenn es voller orthographischer
     beholfen. Sie formulieren mit besten Ab-      trägt man schon etwas zu dick auf? Das       Fehler ist oder wenn bestimmte übliche
     sichten so, wie es mündlich vielleicht        Selbstschreiben von Arbeitszeugnissen        Passagen fehlen. Eine Verhaltensbeurtei-
     ganz wohlwollend klingen würde. Aber          ist eine ziemlich komplexe Aufgabe, die      lung, die zum Beispiel ein gutes Verhält-

VI                                                                                       arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011
praxistipps

nis mit den Mitarbeitern bescheinigt,            beitsplatzwechsel innerhalb des Unter-        schon frühzeitig bei einem unverdächti-
dieses aber zu den Vorgesetzten nicht            nehmens an. Oder der Vorgesetzte schei-       gen Anlass (s.o.) ein Zwischenzeugnis
erwähnt, kann als negatives Zeichen für          det aus Altersgründen aus und man             erbitten, um es im entscheidenden Mo-
die Zusammenarbeit mit dem Chef ge-              möchte aus guten Gründen gerade von           ment vorrätig zu haben. Der zusätzliche
wertet werden. Auch eine flapsige Gruß-          ihm noch eine abschließende Beurtei-          Nutzen liegt darin, dass einmal formulier-
floskel, die mit dem ansonsten seriösen          lung bekommen.                                te gute Beurteilungen in einem Zwi-
Stil des Zeugnisses bricht, kann ein Hin-           Aber es gibt eben auch die Abtrünni-       schenzeugnis später in einem Abschluss-
weis sein.                                       gen, die sich woanders, womöglich bei         zeugnis nicht wesentlich schlechter aus-
    Weitere Hinweise zur Interpretation          der Konkurrenz, bewerben wollen, und          fallen dürfen, selbst wenn es zwischen-
von Arbeitszeugnissen mit umfangrei-             deshalb um einen Arbeitsnachweis ersu-        zeitlich Krach gegeben hat. Dann hätte
chen Checklisten und Übersetzungshil-            chen. Bei allen vorgeschobenen Gründen        der Arbeitgeber nämlich die aufwändige
fen      finden    sich     z.B.    unter        – ein solches Begehren ist dann schon         Pflicht, die nun mindere Qualität nachzu-
www.arbeitszeugnis-info.de                       ein Wink mit dem Zaunpfahl. Man kann ja       weisen. Am besten also nach der Einar-
                                                 viel erzählen. Sollte man sich tatsächlich    beitungszeit und nach ersten Erfolgen
Zwischenzeugnis                                  wegbewerben, ist wohl eher Diskretion         das Thema offen ansprechen und einen
                                                 angesagt. Die Wahrheit wird ja auch erst      Anlass liefern. Zum Beispiel: Man habe
Das Einfordern eines Zwischenzeugnis-            im Erfolgsfall öffentlich. Wer möchte hin-    keine Absichten sich wegzubewerben,
ses ist immer heikel, aber durchaus üb-          terher dem Chef schon eingestehen, dass       wünsche sich aber nach z.B. zwei Jahren
lich. Der Grund dafür kann vielfältig sein.      es mit der Bewerbung nicht geklappt hat.      Betriebszugehörigkeit eine aktuelle Beur-
Vielleicht möchte man einfach mal einen          Also wird auch in diesen Fällen meistens      teilung in Form eines Zwischenzeugnis-
Zwischenstand über den Status quo der            eine andere Begründung geliefert. Um          ses. (Zum Thema Zwischenzeugnis siehe
persönlichen Leistung bekommen, oder             diese unangenehme Situation erst gar          auch unsere aktuelle Frage an unseren
es steht ein Aufgaben-, Team- oder Ar-           nicht heraufzubeschwören, sollte man          Bewerbungsexperten auf Seite XIII.)

  WAS BESSER NICHT IM ZEUGNIS STEHEN SOLLTE:

  Originaltext                                                             ... und was dahinter steckt
  ... erledigte alle Arbeiten mit großem Fleiß                             ... mit Fleiß schon, aber ohne Erfolg
  ... hat sich im Rahmen seiner/ihrer Fähigkeiten eingesetzt               ... und die waren dürftig
  ... zeigte für die Arbeit Verständnis                                    ... mehr aber auch nicht – ein Faulpelz
  ... hat sich bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden                 ... was nicht gelang – ein Versager
  ... war tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen                         ... was vielen auf den Wecker ging – ein unangenehmer
                                                                              Mitarbeiter
  ... verfügt über Fachwissen und zeigte gesundes Selbstvertrauen          ... eher ein Großmaul ohne Substanz
  ... trug durch seine Geselligkeit zum guten Betriebsklima bei            ... trinkt gerne und neigt zu Grenzüberschreitungen
  ... die Zusammenarbeit verlief ohne Beanstandungen                       ... aber keineswegs gut
  ... seine/ihre Pünktlichkeit war Vorbild für alle                        ... alles andere aber war eine Katastrophe
  ... erzielte ein nicht unerhebliches Ergebnis                            ... aber auch kein Gutes
  ... für seine/ihre Mitarbeit bedanken wir uns                            ... in dieser Kürze ist die Dankesfloskel eher ein Rauswurf
                                                                              erster Klasse
  ... wünschen wir ihm/ihr alles Gute, vor allem Gesundheit!               ... die hat er wohl nötig – ein solcher flapsiger Schlenker zum
                                                                               Schluss kann ein gutes Zeugnis stark entwerten
  ... haben wir uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt                 ... wir haben gekündigt

  (geänderter Auszug aus www.arbeitszeugnis-info.de ohne Gewähr und Anspruch auf Vollständigkeit)

arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011                                                                                          VII
praxistipps

          Wer jeden Argwohn vermeiden möch-              Wegen des zunehmenden Bedeu-              tungen zwischen Eins minus und Eins
       te und sein berufliches Fremdgehen ab-         tungsschwundes setzt sich immer mehr         plus. Solche schriftlichen Empfehlungen
       solut diskret handhaben möchte, kann           die Referenz als Ergänzung oder Ersatz       tragen mit ihren ehrlichen und unver-
       z.B. ein so genanntes „Zeugnisersatz-          für das Arbeitszeugnis durch. Dazu wer-      dächtigen Formulierungen viel mehr zur
       blatt“ über seine aktuelle Tätigkeit in sei-   den in der Regel vorher instruierte ehe-     Aussagekraft einer Bewerbung bei als ein
       ne Unterlagen einfügen. Unter diesem           malige Vorgesetzte, Chefs oder Ge-           glattes aus Textbausteinen bestehendes
       Begriff als Überschrift gibt es dann einen     schäftspartner genannt, die bereit und in    Arbeitszeugnis. Das heißt allerdings nicht,
       kurzen Hinweis, warum ein entsprechen-         der Lage sind, bei Kontaktaufnahme Aus-      die Arbeitszeugnisse als Bewerbungsun-
       des Zeugnis (noch) nicht beschafft wer-        kunft über die Qualitäten des Bewer-         terlage zu vernachlässigen. Bei gleichen
       den könne (Stichwort: „Diskretion“).           bungskandidaten zu geben. Je hochran-        Qualifikationen können gute und aussa-
       Dann beschreibt man dort ausführlich           giger desto besser. Auch Empfehlungs-        gefähige Zeugnisse immer noch den
       die Inhalte der derzeit geleisteten Arbeit     schreiben (schriftliche Referenzen) von      Ausschlag geben, ob man als Kandidat
       und die übernommene Verantwortung.             ehemaligen Chefs finden mehr Beach-          oder Kandidatin zu einem Gespräch ein-
       Natürlich ohne Beurteilung.                    tung als die standardisierten Arbeitszeug-   geladen wird. Kurz: Lästig bis überflüssig,
                                                      nisse mit ihren oft inflationären Bewer-     aber (immer noch) notwendig.
       Vom Zeugnis zur Referenz

       Schaut man sich aktuelle Arbeitszeugnis-
                                                        WAS GEHÖRT REIN IN EIN QUALIFIZIERTES ZEUGNIS?
       se an, so scheint es in der Arbeitswelt nur
       gute bis sehr gute Arbeitnehmer zu ge-          1. Überschrift
       ben. Denn fast nur solche Noten finden             Je nach Hintergrund: Zeugnis oder Arbeitszeugnis, Dienstzeugnis, Praktikums-
       sich mehr oder weniger verklausuliert in           zeugnis, Zwischenzeugnis
       den Passagen der Gesamtbeurteilung.             2. Tätigkeitsbeschreibung:
       Da weder die Statistik noch die eigene             Berufs-, Positions- oder Aufgabenbezeichnung mit Verantwortungsumfang;
       Wahrnehmung eine solche High-End-                  meistens in Verbindung mit dem zeitlichen Umfang der Tätigkeit (Vollzeit/
       Leistungsfähigkeit der durchschnittlichen          Teilzeit) und den Daten des Stellenantritts und des Ausscheidens.
       Arbeitnehmerschaft feststellen dürfte,
                                                       3. Beurteilung der Leistung:
       sind solche Bewertungen nahezu über-
                                                          Hier wird ein Gesamtbild von der Bereitschaft und der Befähigung zur Be-
       flüssig. Aber wehe, wenn sie fehlen, oder
                                                          wältigung der übertragenen Aufgaben formuliert. Dabei werden Fachwissen,
       wenn gar die ganze durchschnittliche
                                                          Arbeitserfahrungen, Leitungskompetenz und die Bereitschaft zur Entwick-
       Wahrheit gesagt würde. Das wäre eher
                                                          lung (Weiterbildung) gewürdigt. In der Regel (Code hin oder her) gibt es
       eine Verurteilung als einer Beurteilung.
                                                          abschließend eine zusammenfassende Beurteilung der Leistung (...hat die
          Also wird gelogen, gebogen und be-
                                                          ihr/ihm übertragenen Aufgaben .... ).
       schönigt was das Zeug hält. Und genau
                                                       4. Beurteilung des Verhaltens:
       so will es der Gesetzgeber. Der verlangt
                                                          Hier geht es um das Sozialverhalten und den Umgang mit Vorgesetzten und
       nämlich nicht nur ein ehrliches, sondern
                                                          Kollegen, ggfs. auch mit Geschäftspartnern/Kunden etc. Auch hier gibt es oft
       auch ein wohlwollendes Arbeitszeugnis,
                                                          eine zusammenfassende Verhaltensbeurteilung.
       das das weitere berufliche Fortkommen
       des Kandidaten nicht gefährdet. Das Er-         5. Grund für das Ausscheiden:
       gebnis überrascht kaum noch: Arbeits-              Hier wird ein Hinweis gegeben, ob der Kandidat auf eigenen Wunsch gegan-
       zeugnisse sind zu glatt polierten Pflicht-         gen ist oder ob man sich (tatsächlich) einvernehmlich getrennt hat.
       bestandteilen der schriftlichen Bewer-          6. Dankesformulierung
       bung geworden. Sie machen viel Arbeit              Hier wird in der Regel das Bedauern des Ausscheidens zum Ausdruck ge-
       bei gleichzeitig geringem Aussagewert.             bracht, es werden Wünsche für das weitere berufliche und private Wohlerge-
          Überhaupt sollte man sich – auch                hen sowie u.U. Verständnis für den Schritt des Ausscheidens geäußert.
       wenn Ärger im Spiel war – rechtzeitig um        7. Ort, Datum, Unterschrift(en)
       das Arbeitszeugnis kümmern. Nach zwei              Zur Unterschrift gehört der lesbar wiederholte Name des Verfassers mit An-
       Jahren wird es langsam schwer, kurzfristig         gabe seiner Funktion bzw. Rechtsposition im Unternehmen. Möglich sind
       ein Zeugnis nachzufordern, nach fünf               auch die Unterschriften des direkten Vorgesetzen und des Chefs bzw. Ge-
       Jahren gibt es vielleicht niemanden mehr,          schäftsführers.
       der die Arbeit beurteilen kann.

VIII                                                                                        arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_40|2011
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