Homeoffice im Kontext der Corona-Pandemie - Eine Ad-hoc-Studie der Technischen Hochschule Köln 18. April 2020 Prof. Dr. Christian Ernst - TH Köln

Die Seite wird erstellt Xanthippe König
 
WEITER LESEN
Homeoffice im Kontext der Corona-Pandemie - Eine Ad-hoc-Studie der Technischen Hochschule Köln 18. April 2020 Prof. Dr. Christian Ernst - TH Köln
Homeoffice im Kontext
der Corona-Pandemie

           Eine Ad-hoc-Studie
    der Technischen Hochschule Köln
              18. April 2020

        Prof. Dr. Christian Ernst
Forschungziel und Erhebungsdesign

 Bisher war Home-Office für viele Unter-       An der Befragung haben sich insgesamt
 nehmen überwiegend ein Mittel der Per-        903 Personen beteiligt, die derzeit im
 sonalgewinnung und Mitarbeiterzufrie-         Homeoffice arbeiten.
 denheit. Durch die Corona-Pandemie ist
 es zu einer Notwendigkeit geworden. In        42% der Befragten waren männlich und
 dieser Ad-hoc-Studie wurden die aktuel-       58% weiblich. In der vorliegenden Stich-
 le Home-Office-Situation untersucht und       probe zeigte sich eine relativ hohe Affi-
 daraus Handlungsempfehlungen für Un-          nität akademischer Berufe im Kreis der
 ternehmen abgeleitet.                         mobil Arbeitenden: 38% der Befragten
 Die Corona-Pandemie trifft in dieser          verfügten über einen Masterabschluss
 Dimension Firmen wie Arbeitnehmer-            oder eine vergleichbare Qualifikation
 innen und Arbeitnehmer unvorbereitet          (z.B. Diplom). 27% hatten einen Bache-
 und stellt alle Beteiligten vor große         lorabschluss oder eine vergleichbare
 Herausforderungen. Untersucht wurde,          Qualifikation auf Stufe 6 des Deutschen
 wie die Beschäftigten die aktuelle Ar-        Qualifikationsrahmens (z.B. Meister,
 beitssituation im Home-Office erleben         Techniker, Fachwirt). Eine abgeschlosse-
 und welche Verbesserungsmöglichkeiten         ne Berufsausbildung als höchste Quali-
 Unternehmen für die Aufrechterhaltung         fikationsstufe brachten 26% mit.
 des laufenden Betriebs schaffen kön-
                                               Abb. 1    Qualifikationsniveau
 nen.
 Die Umfrage war als Ad-hoc-Studie kon-                    9%
 zipiert. Eine Ad-hoc-Studie ist eine empi-
 rische Befragung, die ein aktuell auftre-
 tendes Problem in einem sehr kurzfris-
 tigen zeitlichen Befragungshorizont                                                    38%
 untersucht, um schnell Ergebnisse zu         26%
 generieren. Es ist nicht vorgesehen, die
 Themenstellung in einen längeren
 Untersuchungszeitraum oder in eine
 übergreifende Systematik einzubinden.
 Der Befragungszeitraum erstreckte sich
 vom 1. bis 14. April 2020.
 Die Befragung wurde anonym und online                            27%
 durchgeführt und über eine allgemeine
 Veröffentlichung, auch in sozialen Me-             Master o.ä.         Bachelor ö.ä.
 dien, bekannt gemacht.                             Berufsausbildung    Sonstige

                                                                                | Seite 2
Forschungziel und Erhebungsdesign

 31% der Teilnehmerinnen und Teilneh-           Abb. 3     Branchencluster
 mer sind als Führungskräfte beschäftigt
 (etwa zur Hälfte aus der Ebene der                             4%
 Gruppen- und Projektleiter/innen und
 zur Hälfte aus der Ebene der Abteilungs-
                                                 22%                             31%
 / Bereichsleiter/innen und Geschäftsfüh-
 rer-/innen). 64% der Studienteilnehmer
 sind als Fachkraft, also nichtleitend tätig.
 5% sind Auszubildende, Trainees oder
 Werkstudent/innen.

Abb. 2   Tätigkeitsniveau
                                                              43%
                  5%          15%                        Industrie und Handwerk
                                                         Dienstleistung und Handel
                                                         Öffentlicher Dienst
                                    16%                  Sonstige

         64%

     GF, Bereichs- und Abteilungsleiter/innen
     Gruppen-/Projektleiter/innen
     Fachkräfte
     Azubis, Studenten etc.

   In der Studie werden drei große Bran-
   chencluster unterschieden, um ggf. Un-
   terschiede herauszuarbeiten: 31% der im
   Homeoffice beschäftigten Studienteil-
   nehmer/innen arbeiten in Industrie und
   Handwerk. 43% gehören zum Cluster
   Dienstleistung und Handel. Und 22%
   sind im Öffentlichen Dienst tätig.

                                                                               | Seite 3
Die Ergebnisse der Erhebung

  Von den 903 Teilnehmerinnen und Teil-        nisch-organisatorischen     Bedingungen
  nehmern der Ad-hoc-Studie haben je-          oftmals erschwert waren, wie die Studie
  weils 36% noch nie oder selten im Home-      auch ermittelte, ist die hohe Zufrieden-
  office gearbeitet. 19% hatten zuvor im-      heit mit der Situation nur mit einem ge-
  merhin schon häufiger mobil gearbeitet       hörigen Maß an Improvisationstalent
  und 5% sehr häufig. 3% waren reine           und Motivationsvermögen in der virus-
  Telearbeiter/innen (siehe Abb. 4).           bedingten Krise erklärbar.

 Abb.    Häufigkeit der Homeoffice-              Abb.     Zufriedenheit mit der
  4      Tätigkeit                                5       Homeoffice-Tätigkeit

        nie                  36%                    sehr zufrieden                27%

    selten                   36%                          zufrieden                     47%

    häufig                                                   mittel           21%
                      19%

                                                        unzufrieden    4%
sehr häufig     5%

                                                 sehr unzufrieden     1%
    immer      3%

  Hohe Zufriedenheit mit der Homeoffice-       Bei der Zufriedenheit gab es global kei-
  Tätigkeit                                    ne signifikanten Unterschiede zwischen
  Die Studie zeigt eine - in Anbetracht der    Männern und Frauen. Befragte, die sich
  durch die Corona-Krise bedingten widrigen    um betreuungspflichtige Kinder küm-
  Umstände - erstaunlich hohe Zufrieden-       mern mussten, waren geringfügig unzu-
  heit mit der Homeoffice-Tätigkeit. Mit den   friedener als andere (70% Zufrieden-
  Arbeitsbedingungen im heimischen Um-         heit), sie schätzten ihre Produktivität
  feld waren insgesamt 74% zufrieden oder      aber spürbar geringer ein, wie später
  sehr zufrieden. 21% äußerten sich mittel-    noch dargestellt wird. Diejenigen, die
  mäßig zufrieden und nur 5% waren unzu-       auch zuvor schon häufiger im Home-
  frieden (siehe Abbildung 5).                 office gearbeitet haben, waren zufrie-
  Da der Umstieg ins Homeoffice für viele      dener (84%) als diejenigen, die selten
  sehr überraschend kam und die tech-          oder nie mobil tätig waren (71%).

                                                                            | Seite 4
Die Ergebnisse der Erhebung

  Drückt man das Zufriedenheitsniveau als Note             32% des oberen und mittleren Ma-
  aus, dann ergibt der Gesamtwert 2,04 (Mittel-            nagements und 34% des unteren
  wert). Die Differenzierung nach der berufli-             Managements hatten schon häu-
  chen Qualifikation zeigt Abbildung 6.                    figer oder sogar sehr häufig im
                                                           Homeoffice gearbeitet. Bei den
 Abb.   Zufriedenheit nach Berufsqualifikation             Fachkräften waren das nur 25%.
  6     (je geringer der Wert, desto positiver)            Möglicherweise ist das ein noch
                                                           recht stiller Appell der operativen
                              2,18
   2,04         1,98                        1,95
                                                    2,05   Ebene, in Zukunft vermehrt zu-
                                                           hause arbeiten zu wollen.
                                                           Bei den Azubis, Trainees und
                                                           Werkstudenten ist der Wert mit
                                                           2,31 am schlechtesten. Es ist an-
                                                           zunehmen, dass man diese Ziel-
                                                           gruppe möglicherweise aus der Not
                                                           heraus beim plötzlichen Umstieg auf
                                                           mobiles Arbeiten am stärksten ver-
                                                           nachlässigt hat.

  Das Zufriedenheitsniveau ergibt kein ein-                Im Branchenvergleich zeigt sich kein
  deutiges Bild, wenn man nach der Berufs-                 substanzieller Unterschied zwischen
  qualifikation differenziert. Erstaunlicherweise          Industrie/Handwerk und Dienstlei-
  steigt aber die Unzufriedenheit mit an-                  stung/Handel. Nur der Öffentliche
  steigender Hierarchie, wie Abbildung 7 zeigt.            Dienst schneidet mit einem Mittel-
  Fachkräfte sind zufriedener als Führungs-                wert von 2,13 schlechter ab als der
  kräfte, obwohl sie bisher seltener im Home-              Durchschnitt (2,04). Gegenüber den
  office gearbeitet haben als das Management.              5% Unzufriedenen in der Gesamt-
                                                           stichprobe sind es bei den öffent-
 Abb.     Zufriedenheit nach Hierarchie                    lichen Arbeitgebern rund 10%.
  7       (je geringer der Wert, desto positiver)

                                                    2,31
   2,04         2,12          2,10
                                            1,98

                                                                                  | Seite 5
Die Ergebnisse der Erhebung

 Höhere Produktivität als im                   Abb. 8    Einschätzung der Produktivität
 Unternehmen
 In der Studie wurde zugleich erforscht,             viel höher       7%
 wie die vielfach pandemiebedingt von
 heute auf morgen im Homeoffice „ge-
 strandeten“ Mitarbeiter/innen die Pro-                   höher                        35%
 duktivität gegenüber der Tätigkeit im
 Unternehmen einschätzen. Auch bei
 dieser Frage ergibt sich ein überrasch-
                                                          gleich                       37%
 endes Bild:
 Nur 20% der Befragten geben an, dass                   geringer            18%
 sie ihre Produktivität geringer einschät-
 zen als zuvor. 37% sind der Meinung,
 dass die Produktivität gleich sei wie im     deutlich geringer    2%
 Unternehmen. Und sogar 42% der im
 Homeoffice Beschäftigten betonen,
 dass sie produktiver sind.                  genden Resultate gestützt, auch wenn es
 Dieses Ergebnis widerspricht der teil-      sich hier lediglich um das subjektive
 weise gerade vom Management ge-             Meinungsbild der Homeoffice-Beschäf-
 nährten Vermutung, dass Beschäftigte        tigten handelt.
 im Homeoffice zu sehr abgelenkt wer-        Frauen schätzen ihre Produktivität etwas
 den oder auch die Arbeit nicht so ernst     höher ein als Männer (43% gegenüber
 nehmen wie im Betrieb. Das Arbeiten         41%). Wie bereits erwähnt, sind aller-
 zuhause ist ein Gegenentwurf einer auf      dings nur 31% der Frauen, die betreu-
 Anwesenheit und Überwachung ange-           ungspflichtige Kinder um sich haben,
 legten Arbeitsmoral, wie sie in traditio-   der Meinung, produktiver zu sein.
 nellen Unternehmenskulturen noch            Auffällig ist, dass diejenigen, die schon
 vorherrscht. Die Corona-Krise könnte        häufiger oder länger im Homeoffice ar-
 diesbezüglich - auch in Anbetracht der      beiten - vermutlich aufgrund der besse-
 Ergebnisse dieser Studie - ein Umdenken     ren Ausstattung - der eigenen Meinung
 fördern.                                    nach produktiver (56%) als diejenigen
 N.Bloom hat in einer Vergleichstudie der    sind , für die das mobile Arbeiten auf-
 Stanford University für ein chinesisches    grund von Corona eine neue Erfahrung
 Unternehmen nachgewiesen, dass eine         geworden ist (38%).
 Homeoffice-Tätigkeit die Produktivität      Eine skeptischere Haltung ist beim obe-
 steigert und Fehlzeiten senkt. Diesbezüg-   ren und mittleren Management erkenn-
 lich wird jedoch noch mehr empirische       bar, was die Arbeitseffizienz anbetrifft.
 Evidenz benötigt. Jedenfalls werden die     Nur 36% halten sich für produktiver,
 Ergebnisse aus Stanford durch die vorlie-   während immerhin 52% der Projekt- und

                                                                           | Seite 6
Die Ergebnisse der Erhebung

 Gruppenleiter (unteres Management)              Abb. 9   Zukunft im Homeoffice
 ihre Produktivität höher als im Unter-
 nehmen bewerten. Bei Fachkräften liegt          auf jeden Fall                        38%
 der Wert mit 42% im Durchschnitt.
 Im Branchencluster fällt wiederum der
                                               wahrscheinlich                   27%
 Öffentliche Dienst aus dem Rahmen.
 Dort glauben nur 33%, produktiver zu
 sein. 28% denken, dass sie unprodukti-        unentschieden              16%
 ver sind.

 Renaissance der Homeoffice-Tätigkeit               eher nicht            17%
 erkennbar
 Vor der Corona-Pandemie war das An-            auf keinen Fall    3%
 gebot an Homeoffice-Tätigkeit zwar
 durchgängig gestiegen, aber lediglich ein   ungspflichtigen Kindern sind ebenso
 Viertel der Unternehmen bot bisher die      überzeugt. Rund jede vierte Person mit
 Möglichkeit des mobilen Arbeitens an        Erziehungspflichten lehnt die Telearbeit
 (IAB-Betriebspanel). Auch in den politi-    ab. Offensichtlich ist die Tätigkeit zuhause
 schen Lagern wurde der Anspruch von         mit kleinen Kindern für einige so stark
 Arbeitnehmern auf mobiles Arbeiten          erschwert, dass diese die herkömmliche
 und Homeoffice sehr unterschiedlich be-     Trennung zwischen Arbeit und Privat-
 wertet.                                     leben vorziehen.
 Die vorliegende Studie zeigt, dass sich     Bei der Frage nach den Zukunftswün-
 durch Corona vermutlich ein enormes         schen bezüglich Homeoffice besteht kein
 Druckpotenzial von Seiten der Beschäf-      Unterschied zwischen denjenigen, die
 tigten aufbauen wird, auch nach der         schon bisher im Homeoffice waren, und
 Pandemie flexibler arbeiten zu dürfen.      denjenigen, für die das Neuland war.
                                             Vermutlich waren einige sehr überrascht,
 Zweidrittel der Befragten gaben an, dass    wie gut sich eine Tätigkeit zuhause orga-
 sie sich wahrscheinlich (27%) oder auf      nisieren lässt.
 jeden Fall (38%) vorstellen können, in
 Zukunft auch weiterhin im Homeoffice        Aufgrund der Ergebnisse dieser empiri-
 zu arbeiten. 16% waren sich nicht sicher    schen Studie ist davon auszugehen, dass
 und nur 20% lehnten dies ab und wol-        sich nach Abklingen der Corona-Epidemie
 lten zur alten Routine im Unternehmen       deutlich mehr Arbeitnehmerinnen und
 zurückkehren.                               Arbeitnehmer als bisher an ihre Arbeit-
                                             geber wenden werden, mit der Bitte um
 62% der Frauen und 68% der Männer           eine zeitlich und organisatorisch weniger
 sind überzeugt von dieser Art des flexi-    reglementierte Tätigkeit im Homeoffice.
 blen und mehr selbstbestimmten Arbei-       Dies schließt vermutlich zeit- und orts-
 tens. Nur 55% der Personen mit betreu-      unabhängiges mobiles Arbeiten mit ein.

                                                                           | Seite 7
Die Ergebnisse der Erhebung

  Problembereiche
  Untersucht wurden auch die Nachteile            fragten fehlende soziale Kontakte und
  und Problembereiche einer Tätigkeit im          sich nicht mit Kolleginnen und Kollegen
  eigenen Heim. Abbildung 10 zeigt die            sowie Geschäftspartnern direkt und
  Schwierigkeiten auf, wie sie von den            persönlich austauschen zu können.
  Befragten thematisiert wurden. Das ein-         Dabei ist jedoch zu vermuten, dass die-
  deutig markanteste Problem einer Tätig-         ses Item durch die Ausgangsbeschrän-
  keit im Homeoffice ist für 66% der Be-          kungen in der Corona-Zeit beeinflusst ist.

 Abb. 10    Problembereiche

                 Schwierigkeit, mich selbst zu
                        organisieren              4%

                 Unklare Zielsetzung bzgl. der
                           Tätigkeit              7%

            Ablenkung durch Partner/in oder
                  andere Erwachsene                8%

           Schwierigkeiten, sich für die Arbeit
                     zu motivieren                     12%

                    IT-Software unzureichend            16%

                       Ablenkung durch
                  betreuungspflichtige Kinder           17%

                Schlechte Internetverbindung             20%

                   IT-Hardware unzureichend                  23%

            Fernmündliche Kommunikation ist
                       schwierig                             24%

              Räumliche Ausstattung zuhause
                      unzureichend                            26%

           Soziale Kontakte und Austausch mit
                      Kollegen fehlt                                          66%

                                                                               | Seite 8
Die Ergebnisse der Erhebung

 Die räumliche und technische Ausstat-       terschied zwischen den Befragtengrup-
 tung ist immerhin noch für knapp ein        pen. Offensichtlich konnten oder wollten
 Viertel der Befragten eine Herausforde-     die Unternehmen während der Corona-
 rung bei der Realisierung eines vielfach    Krise entsprechende Angebote (VPN-
 adhoc eingerichteten Arbeitsplatzes zu-     Verbindungen, Videokonferenzsysteme,
 hause.                                      Collaboration-Tools) leichter bereitstel-
                                             len als z.B. neue Laptops.
 Befragte berichten davon, dass sie
                                             Trotz aller Problembereiche: Die alt-
 persönliche Technik (z.B. eigene Laptops)
                                             eingesessenen Home-Office-Worker sind
 einsetzen müssen, mit denkbaren Daten-
                                             ohnehin zufrieden und die Neulinge sind
 schutzproblemen, die sich dabei für Un-
                                             deutlich auf den Geschmack gekommen.
 ternehmen entwickeln können.
                                                Abb. 1       Problembereiche
 Unterschiede zwischen Neulingen und
 Homeoffice-erfahrenen Mitarbeitern            Schwierigkeit, mich selbst    5%
                                                   zu organisieren           4%
 Besonders für die Arbeitstätigen, die
 zuvor selten oder sogar noch nie im            Unklare Zielsetzung bzgl.    6%
                                                     der Tätigkeit            8%
 Homeoffice gearbeitet haben, war die
 fehlende räumliche Ausstattung ein          Ablenkung durch Partner/in      8%
 besonderes Problem. 30% bemängelten,         oder andere Erwachsene         8%
 dass die Räumlichkeiten zuhause ein         Schwierigkeiten, sich für die    10%
 Arbeiten erschweren, während dies nur          Arbeit zu motivieren           13%
 16% derjenigen beklagten, die zuvor
                                                                                  15%
 schon im Homeoffice gearbeitet haben.         IT-Software unzureichend
                                                                                  16%
 Von ihnen hatte auch nur jeder zweite
                                                  Ablenkung durch                  20%
 (54%) ein Problem mit den fehlenden
                                             betreuungspflichtige Kinder          16%
 sozialen Kontakten, während es 70% bei
 den „Neulingen“ waren. Auch die er-                      Schlechte                 22%
                                                     Internetverbindung            19%
 schwerte fernmündliche Kommunikation
 ist für die „Novizen“ unter den Home-                                            17%
                                              IT-Hardware unzureichend
 office-Tätigen ein deutlich größeres Pro-                                          26%
 blem. Hier waren offensichtlich die not-              Fernmündliche              17%
 wendigen Kontakt- und Besprechungs-                  Kommunikation ist…            27%
 routinen, die einer drohenden Isolierung
                                                  Räumliche Ausstattung           16%
 der zuhause Beschäftigten entgegen-              zuhause unzureichend                  30%
 wirken, noch nicht etabliert.
                                                  Soziale Kontakte und                        54%
 Technische Defizite differieren vor allem       Austausch mit Kollegen…                       70%
 hardwareseitig. Jeder vierte Neuling
 bemängelt fehlende Hardware. Bei der                     Homeoffice-Erfahrene
 Software gibt ein keinen spürbaren Un-                   "Homeoffice-Novizen"

                                                                                   | Seite 9
Die Ergebnisse der Erhebung

 Viele der Befragten artikulieren trotz der   32% der im April 2020 befragten Perso-
 technischen Mängel in verbalen Äuße-         nen äußern eine höhere Arbeitsplatz-
 rungen auch viel Verständnis für die Situ-   angst. Diese ist bei den Männern gering-
 ation der Arbeitgeber. Vielfach gelobt       fügig höher als bei den weiblichen Be-
 wird die Flexibilität und das Improvisati-   schäftigten (33%/30%).
 onsvermögen, von heute auf morgen auf        Im Dienstleistungsbereich und Handel
 Homeoffice umzusteigen. Offensichtlich       liegt die Zahl im durchschnittlichen Be-
 ist es den Unternehmen vielfach gut ge-      reich (33% mehr Arbeitsplatzangst). Am
 lungen, ihren Mitarbeiter/innen das          stärksten ist die Angst, den Job zu ver-
 Gefühl zu vermitteln, alles zu tun, um       lieren, in Industrie und Handwerk (43%).
 eine Tätigkeit zuhause so effektiv und       Im Öffentlicher Dienst liegt der Wert bei
 angenehm wie möglich zu gestalten.           12%.
 Darauf weisen auch die hohen Zufrieden-      Bei Fachkräften und dem unteren Mana-
 heitswerte hin (siehe Abbildung 5).          gement (32%) ist die Furcht um den Ar-
                                              beitsplatz verbreiteter als im oberen und
 Als weiterer Problembereich der der-
                                              mittleren Management (26%). Bei Be-
 zeitigen Situation können auch Arbeits-
                                              schäftigten mit einer Fachqualifikation
 platzängste der Beschäftigten gesehen
                                              ist sie ebenfalls etwas höher ausgeprägt
 werden. Die Angst um den Arbeitsplatz
                                              als bei den akademischen Berufen (34%/
 kann zu markanten Beeinträchtigungen
                                              31%).
 des Leistungsvermögens und der Ge-
 sundheit der Beschäftigten führen.           Die vorliegende Erhebung zeigt keine
                                              höhere Unzufriedenheit mit der Home-
 Abb. 9   Arbeitsplatzangst                   office-Situation bei denen, die Angst um
                                              den Arbeitsplatz haben. Im Gegenteil:
   deutlich höher     6%                      Die Zufriedenheit ist etwas höher. Das
                                              mag daran liegen, dass diese Menschen
                                              bevorzugt denken: Hauptsache, ich
     etwas höher              26%             behalte meinen Arbeitsplatz, im Unter-
                                              nehmen oder zuhause.

  gleich geblieben                     63%

   etwas geringer    2%

 deutlich geringer   3%

                                                                          | Seite 10
Fazit

  Aufgrund der durch diese Erhebung ge-        sehr unterschiedlich und teilweise defi-
  nerierten sehr positiven Befunde zu          zitär sind. Andererseits sind Jobprofile
  einer Homeoffice-Tätigkeit ist davon aus-    und Arbeitsanforderungen so unter-
  zugehen, dass nach Corona die Heim-          schiedlich, dass eine differenzierte
  arbeitsquote merklich steigen wird.          Abwägung über die Sinnhaftigkeit von
  Mancher über Nacht ins Homeoffice Ver-       mobilem Arbeiten individuell erfolgen
  bannte wird möglicherweise nicht mehr        muss.
  so arbeiten wollen wie zuvor. Diese Art
  des flexiblen Arbeitens wurde nun viel-      Forderung nach mobilem Arbeiten
  leicht auch von Menschen liebgewon-          Sobald die Corona-Krise auch wirtschaft-
  nen, die vor der Pandemie noch keine         lich überwunden sein wird, sollte die
  Berührungspunkte damit hatten und            deutsche Wirtschaft zu alter Stärke
  skeptisch waren.                             zurückkehren.
  Es bleiben Problembereiche, die teils auf
  politische Versäumnisse der letzten          Und dann wird vor allem die junge
  Jahre (z.B. Internetverbindung) zurück-      Generation - vermutlich auch mit den
  zuführen sind, teils auch die Unterneh-      Erfahrungen der Corona-Zeit - vermehrt
  men herausfordern, adäquate Arbeits-         ein flexibles und mobiles Arbeiten
  plätze im heimischen Umfeld einzu-           einfordern.
  richten.                                     Die Unternehmen, die bisher restriktiv
                                               mit der Gewährung von Heimarbeit um-
  Zugleich könnte sich mit den derzeitigen     gegangen sind, werden sich möglicher-
  Erfahrungen auch politisch - möglicher-      weise daran erinnern, dass es irgendwie
  weise unter Federführung der Gewerk-         doch geklappt hat mit der Beschäftigung
  schaften - eine neue Front für einen         zuhause, mit hoher subjektiver Zufrie-
  gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice         denheit der eigenen Belegschaft und
  herausbilden.                                einer zumindest perzipierten Produktivi-
  Die Diskussion um die Arbeitsplätze der      tät.
  Zukunft hat durch Corona neue Nah-           Die vorliegende Studie liefert keine
  rung erhalten. Open Space, Shared Desk,      Evidenz für eine tatsächlich höhere Ar-
  Homeoffice – die Unternehmen werden          beitseffizienz im Homeoffice, da nur das
  sich vor allem im Verwaltungsbereich         Meinungsbild der Beschäftigten erhoben
  weiter weg vom Normalarbeitsplatz be-        wurde und eine gewisse „soziale Er-
  wegen.                                       wünschtheit“ nicht auszuschließen ist.
  Ob ein gesetzlicher Anspruch auf eine
  Homeoffice-Beschäftigung wirtschafts-        Aber die Zufriedenheit der Beschäftigten
  politisch zielführend ist, kann jedoch be-   mit der derzeitigen Situation im Home-
  zweifelt werden, da einerseits die räum-     office ist doch ein markantes Ausrufe-
  lichen Rahmenbedingungen in den Woh-         zeichen für die zukünftige Gestaltung
  nungen und Häusern der Beschäftigten         unserer Arbeitswelt.

                                                                           | Seite 11
Fazit

  Es besteht eine gewisse Hoffnung, dass       wenn die Mitarbeiter/innen das Vertrau-
  die gesteigerte Fähigkeit, digital zu        en rechtfertigen, eine motiviertere und
  arbeiten und zu kommunizieren, sowie         kreativere Belegschaft haben sowie Büro-
  die zeitliche Flexibilität in der Arbeits-   flächen und Dienstreisen einsparen.
  und Lebensroutine zu einem stärker           Angestellte werden Arbeit und Privat-
  zielgerichteten Arbeitsprozess beitragen     leben autonomer gestalten können und
  und insofern Motivations- und Produkti-      viel Zeit, die sie bisher im Auto bzw. in
  vitätsreserven erschließen können.           Bus oder Bahn auf dem Weg zur Arbeit
                                               verbracht haben, produktiver gestalten.
  Abkehr von der Anwesenheitskultur?           Das steigert die Lebenszufriedenheit und
  Die heutige Arbeitswelt ist noch stark       führt zudem zu positiven Umwelteffek-
  geprägt von einer postindustriellen Ar-      ten.
  beitsmoral, in der hierarchische Top-        Homeoffice und mobileres Arbeiten
  down-Strukturen noch ebenso fest ver-        könnten, dort wo es arbeitsorganisa-
  ankert sind wie feste Arbeitszeiten, die     torisch sinnhaft und individuell wün-
  eine Scheinproduktivität erzeugen. In        schenswert ist, ein positiver Aspekt sein,
  der industriellen Arbeitswelt ist bedin-     den die derzeitige Krise übriglässt. Sie
  gungslose Loyalität höher bewertet als       sollten jedoch nicht ordnungspolitisch
  die tatsächliche Leistung, wird Kontrolle    erzwungen, sondern unternehmerisch
  wichtiger erachtet als kooperatives Ver-     gewollt sein. Die Arbeitswelt der Zukunft,
  trauen.                                      die einen gehörigen Teil der repetitiven
  Im Homeoffice entzieht sich der Be-          Arbeit durch Künstliche Intelligenz erset-
  schäftigte ein großes Stück weit den         zen wird, benötigt weniger den Befehls-
  Kontrollmechnismen des Managements.          empfänger als den mitdenkenden und
  Insofern bedarf eine Ausweitung des          proaktiv wie verantwortlich handelnden
  mobilen Arbeitens auch einer neuen,          Menschen. Und der hat zunehmend
  gegenseitigen Arbeits- und Vertrauens-       keinen örtlich fest verankerten Arbeits-
  kultur.                                      platz mehr.
  Homeoffice bedeutet auch, den eigenen        Wenn man die Mitarbeiterinnen und Mit-
  Biorhythmus berücksichtigen zu können.       arbeiter fragt, dann geht offensichtlich
  Der „Powernap“, der im Büro meist un-        vieles, was vielleicht vorher ein wenig un-
  denkbar ist, wird zuhause zu einer un-       vorstellbar schien.
  problematischen Option.
  Führungskräfte werden sich umstellen,        Kontakt:
  mehr auf Vertrauen statt auf Kontrolle       Prof. Dr. Christian Ernst
  setzen müssen. Sie werden erkennen,          Technische Hochschule Köln
  dass anstelle eines persönlichen Gesprä-     Email: christian.ernst@th-koeln.de
  ches oder Meetings auch eine Videokon-       www.prof-ernst.de
  ferenz ausreicht. Unternehmen werden,

                                                                             | Seite 12
Sie können auch lesen