Homeoffice im Kontext der Corona-Pandemie - Eine Ad-hoc-Studie der Technischen Hochschule Köln 18. April 2020 Prof. Dr. Christian Ernst - TH Köln
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Homeoffice im Kontext der Corona-Pandemie Eine Ad-hoc-Studie der Technischen Hochschule Köln 18. April 2020 Prof. Dr. Christian Ernst
Forschungziel und Erhebungsdesign Bisher war Home-Office für viele Unter- An der Befragung haben sich insgesamt nehmen überwiegend ein Mittel der Per- 903 Personen beteiligt, die derzeit im sonalgewinnung und Mitarbeiterzufrie- Homeoffice arbeiten. denheit. Durch die Corona-Pandemie ist es zu einer Notwendigkeit geworden. In 42% der Befragten waren männlich und dieser Ad-hoc-Studie wurden die aktuel- 58% weiblich. In der vorliegenden Stich- le Home-Office-Situation untersucht und probe zeigte sich eine relativ hohe Affi- daraus Handlungsempfehlungen für Un- nität akademischer Berufe im Kreis der ternehmen abgeleitet. mobil Arbeitenden: 38% der Befragten Die Corona-Pandemie trifft in dieser verfügten über einen Masterabschluss Dimension Firmen wie Arbeitnehmer- oder eine vergleichbare Qualifikation innen und Arbeitnehmer unvorbereitet (z.B. Diplom). 27% hatten einen Bache- und stellt alle Beteiligten vor große lorabschluss oder eine vergleichbare Herausforderungen. Untersucht wurde, Qualifikation auf Stufe 6 des Deutschen wie die Beschäftigten die aktuelle Ar- Qualifikationsrahmens (z.B. Meister, beitssituation im Home-Office erleben Techniker, Fachwirt). Eine abgeschlosse- und welche Verbesserungsmöglichkeiten ne Berufsausbildung als höchste Quali- Unternehmen für die Aufrechterhaltung fikationsstufe brachten 26% mit. des laufenden Betriebs schaffen kön- Abb. 1 Qualifikationsniveau nen. Die Umfrage war als Ad-hoc-Studie kon- 9% zipiert. Eine Ad-hoc-Studie ist eine empi- rische Befragung, die ein aktuell auftre- tendes Problem in einem sehr kurzfris- tigen zeitlichen Befragungshorizont 38% untersucht, um schnell Ergebnisse zu 26% generieren. Es ist nicht vorgesehen, die Themenstellung in einen längeren Untersuchungszeitraum oder in eine übergreifende Systematik einzubinden. Der Befragungszeitraum erstreckte sich vom 1. bis 14. April 2020. Die Befragung wurde anonym und online 27% durchgeführt und über eine allgemeine Veröffentlichung, auch in sozialen Me- Master o.ä. Bachelor ö.ä. dien, bekannt gemacht. Berufsausbildung Sonstige | Seite 2
Forschungziel und Erhebungsdesign 31% der Teilnehmerinnen und Teilneh- Abb. 3 Branchencluster mer sind als Führungskräfte beschäftigt (etwa zur Hälfte aus der Ebene der 4% Gruppen- und Projektleiter/innen und zur Hälfte aus der Ebene der Abteilungs- 22% 31% / Bereichsleiter/innen und Geschäftsfüh- rer-/innen). 64% der Studienteilnehmer sind als Fachkraft, also nichtleitend tätig. 5% sind Auszubildende, Trainees oder Werkstudent/innen. Abb. 2 Tätigkeitsniveau 43% 5% 15% Industrie und Handwerk Dienstleistung und Handel Öffentlicher Dienst 16% Sonstige 64% GF, Bereichs- und Abteilungsleiter/innen Gruppen-/Projektleiter/innen Fachkräfte Azubis, Studenten etc. In der Studie werden drei große Bran- chencluster unterschieden, um ggf. Un- terschiede herauszuarbeiten: 31% der im Homeoffice beschäftigten Studienteil- nehmer/innen arbeiten in Industrie und Handwerk. 43% gehören zum Cluster Dienstleistung und Handel. Und 22% sind im Öffentlichen Dienst tätig. | Seite 3
Die Ergebnisse der Erhebung Von den 903 Teilnehmerinnen und Teil- nisch-organisatorischen Bedingungen nehmern der Ad-hoc-Studie haben je- oftmals erschwert waren, wie die Studie weils 36% noch nie oder selten im Home- auch ermittelte, ist die hohe Zufrieden- office gearbeitet. 19% hatten zuvor im- heit mit der Situation nur mit einem ge- merhin schon häufiger mobil gearbeitet hörigen Maß an Improvisationstalent und 5% sehr häufig. 3% waren reine und Motivationsvermögen in der virus- Telearbeiter/innen (siehe Abb. 4). bedingten Krise erklärbar. Abb. Häufigkeit der Homeoffice- Abb. Zufriedenheit mit der 4 Tätigkeit 5 Homeoffice-Tätigkeit nie 36% sehr zufrieden 27% selten 36% zufrieden 47% häufig mittel 21% 19% unzufrieden 4% sehr häufig 5% sehr unzufrieden 1% immer 3% Hohe Zufriedenheit mit der Homeoffice- Bei der Zufriedenheit gab es global kei- Tätigkeit ne signifikanten Unterschiede zwischen Die Studie zeigt eine - in Anbetracht der Männern und Frauen. Befragte, die sich durch die Corona-Krise bedingten widrigen um betreuungspflichtige Kinder küm- Umstände - erstaunlich hohe Zufrieden- mern mussten, waren geringfügig unzu- heit mit der Homeoffice-Tätigkeit. Mit den friedener als andere (70% Zufrieden- Arbeitsbedingungen im heimischen Um- heit), sie schätzten ihre Produktivität feld waren insgesamt 74% zufrieden oder aber spürbar geringer ein, wie später sehr zufrieden. 21% äußerten sich mittel- noch dargestellt wird. Diejenigen, die mäßig zufrieden und nur 5% waren unzu- auch zuvor schon häufiger im Home- frieden (siehe Abbildung 5). office gearbeitet haben, waren zufrie- Da der Umstieg ins Homeoffice für viele dener (84%) als diejenigen, die selten sehr überraschend kam und die tech- oder nie mobil tätig waren (71%). | Seite 4
Die Ergebnisse der Erhebung Drückt man das Zufriedenheitsniveau als Note 32% des oberen und mittleren Ma- aus, dann ergibt der Gesamtwert 2,04 (Mittel- nagements und 34% des unteren wert). Die Differenzierung nach der berufli- Managements hatten schon häu- chen Qualifikation zeigt Abbildung 6. figer oder sogar sehr häufig im Homeoffice gearbeitet. Bei den Abb. Zufriedenheit nach Berufsqualifikation Fachkräften waren das nur 25%. 6 (je geringer der Wert, desto positiver) Möglicherweise ist das ein noch recht stiller Appell der operativen 2,18 2,04 1,98 1,95 2,05 Ebene, in Zukunft vermehrt zu- hause arbeiten zu wollen. Bei den Azubis, Trainees und Werkstudenten ist der Wert mit 2,31 am schlechtesten. Es ist an- zunehmen, dass man diese Ziel- gruppe möglicherweise aus der Not heraus beim plötzlichen Umstieg auf mobiles Arbeiten am stärksten ver- nachlässigt hat. Das Zufriedenheitsniveau ergibt kein ein- Im Branchenvergleich zeigt sich kein deutiges Bild, wenn man nach der Berufs- substanzieller Unterschied zwischen qualifikation differenziert. Erstaunlicherweise Industrie/Handwerk und Dienstlei- steigt aber die Unzufriedenheit mit an- stung/Handel. Nur der Öffentliche steigender Hierarchie, wie Abbildung 7 zeigt. Dienst schneidet mit einem Mittel- Fachkräfte sind zufriedener als Führungs- wert von 2,13 schlechter ab als der kräfte, obwohl sie bisher seltener im Home- Durchschnitt (2,04). Gegenüber den office gearbeitet haben als das Management. 5% Unzufriedenen in der Gesamt- stichprobe sind es bei den öffent- Abb. Zufriedenheit nach Hierarchie lichen Arbeitgebern rund 10%. 7 (je geringer der Wert, desto positiver) 2,31 2,04 2,12 2,10 1,98 | Seite 5
Die Ergebnisse der Erhebung Höhere Produktivität als im Abb. 8 Einschätzung der Produktivität Unternehmen In der Studie wurde zugleich erforscht, viel höher 7% wie die vielfach pandemiebedingt von heute auf morgen im Homeoffice „ge- strandeten“ Mitarbeiter/innen die Pro- höher 35% duktivität gegenüber der Tätigkeit im Unternehmen einschätzen. Auch bei dieser Frage ergibt sich ein überrasch- gleich 37% endes Bild: Nur 20% der Befragten geben an, dass geringer 18% sie ihre Produktivität geringer einschät- zen als zuvor. 37% sind der Meinung, dass die Produktivität gleich sei wie im deutlich geringer 2% Unternehmen. Und sogar 42% der im Homeoffice Beschäftigten betonen, dass sie produktiver sind. genden Resultate gestützt, auch wenn es Dieses Ergebnis widerspricht der teil- sich hier lediglich um das subjektive weise gerade vom Management ge- Meinungsbild der Homeoffice-Beschäf- nährten Vermutung, dass Beschäftigte tigten handelt. im Homeoffice zu sehr abgelenkt wer- Frauen schätzen ihre Produktivität etwas den oder auch die Arbeit nicht so ernst höher ein als Männer (43% gegenüber nehmen wie im Betrieb. Das Arbeiten 41%). Wie bereits erwähnt, sind aller- zuhause ist ein Gegenentwurf einer auf dings nur 31% der Frauen, die betreu- Anwesenheit und Überwachung ange- ungspflichtige Kinder um sich haben, legten Arbeitsmoral, wie sie in traditio- der Meinung, produktiver zu sein. nellen Unternehmenskulturen noch Auffällig ist, dass diejenigen, die schon vorherrscht. Die Corona-Krise könnte häufiger oder länger im Homeoffice ar- diesbezüglich - auch in Anbetracht der beiten - vermutlich aufgrund der besse- Ergebnisse dieser Studie - ein Umdenken ren Ausstattung - der eigenen Meinung fördern. nach produktiver (56%) als diejenigen N.Bloom hat in einer Vergleichstudie der sind , für die das mobile Arbeiten auf- Stanford University für ein chinesisches grund von Corona eine neue Erfahrung Unternehmen nachgewiesen, dass eine geworden ist (38%). Homeoffice-Tätigkeit die Produktivität Eine skeptischere Haltung ist beim obe- steigert und Fehlzeiten senkt. Diesbezüg- ren und mittleren Management erkenn- lich wird jedoch noch mehr empirische bar, was die Arbeitseffizienz anbetrifft. Evidenz benötigt. Jedenfalls werden die Nur 36% halten sich für produktiver, Ergebnisse aus Stanford durch die vorlie- während immerhin 52% der Projekt- und | Seite 6
Die Ergebnisse der Erhebung Gruppenleiter (unteres Management) Abb. 9 Zukunft im Homeoffice ihre Produktivität höher als im Unter- nehmen bewerten. Bei Fachkräften liegt auf jeden Fall 38% der Wert mit 42% im Durchschnitt. Im Branchencluster fällt wiederum der wahrscheinlich 27% Öffentliche Dienst aus dem Rahmen. Dort glauben nur 33%, produktiver zu sein. 28% denken, dass sie unprodukti- unentschieden 16% ver sind. Renaissance der Homeoffice-Tätigkeit eher nicht 17% erkennbar Vor der Corona-Pandemie war das An- auf keinen Fall 3% gebot an Homeoffice-Tätigkeit zwar durchgängig gestiegen, aber lediglich ein ungspflichtigen Kindern sind ebenso Viertel der Unternehmen bot bisher die überzeugt. Rund jede vierte Person mit Möglichkeit des mobilen Arbeitens an Erziehungspflichten lehnt die Telearbeit (IAB-Betriebspanel). Auch in den politi- ab. Offensichtlich ist die Tätigkeit zuhause schen Lagern wurde der Anspruch von mit kleinen Kindern für einige so stark Arbeitnehmern auf mobiles Arbeiten erschwert, dass diese die herkömmliche und Homeoffice sehr unterschiedlich be- Trennung zwischen Arbeit und Privat- wertet. leben vorziehen. Die vorliegende Studie zeigt, dass sich Bei der Frage nach den Zukunftswün- durch Corona vermutlich ein enormes schen bezüglich Homeoffice besteht kein Druckpotenzial von Seiten der Beschäf- Unterschied zwischen denjenigen, die tigten aufbauen wird, auch nach der schon bisher im Homeoffice waren, und Pandemie flexibler arbeiten zu dürfen. denjenigen, für die das Neuland war. Vermutlich waren einige sehr überrascht, Zweidrittel der Befragten gaben an, dass wie gut sich eine Tätigkeit zuhause orga- sie sich wahrscheinlich (27%) oder auf nisieren lässt. jeden Fall (38%) vorstellen können, in Zukunft auch weiterhin im Homeoffice Aufgrund der Ergebnisse dieser empiri- zu arbeiten. 16% waren sich nicht sicher schen Studie ist davon auszugehen, dass und nur 20% lehnten dies ab und wol- sich nach Abklingen der Corona-Epidemie lten zur alten Routine im Unternehmen deutlich mehr Arbeitnehmerinnen und zurückkehren. Arbeitnehmer als bisher an ihre Arbeit- geber wenden werden, mit der Bitte um 62% der Frauen und 68% der Männer eine zeitlich und organisatorisch weniger sind überzeugt von dieser Art des flexi- reglementierte Tätigkeit im Homeoffice. blen und mehr selbstbestimmten Arbei- Dies schließt vermutlich zeit- und orts- tens. Nur 55% der Personen mit betreu- unabhängiges mobiles Arbeiten mit ein. | Seite 7
Die Ergebnisse der Erhebung Problembereiche Untersucht wurden auch die Nachteile fragten fehlende soziale Kontakte und und Problembereiche einer Tätigkeit im sich nicht mit Kolleginnen und Kollegen eigenen Heim. Abbildung 10 zeigt die sowie Geschäftspartnern direkt und Schwierigkeiten auf, wie sie von den persönlich austauschen zu können. Befragten thematisiert wurden. Das ein- Dabei ist jedoch zu vermuten, dass die- deutig markanteste Problem einer Tätig- ses Item durch die Ausgangsbeschrän- keit im Homeoffice ist für 66% der Be- kungen in der Corona-Zeit beeinflusst ist. Abb. 10 Problembereiche Schwierigkeit, mich selbst zu organisieren 4% Unklare Zielsetzung bzgl. der Tätigkeit 7% Ablenkung durch Partner/in oder andere Erwachsene 8% Schwierigkeiten, sich für die Arbeit zu motivieren 12% IT-Software unzureichend 16% Ablenkung durch betreuungspflichtige Kinder 17% Schlechte Internetverbindung 20% IT-Hardware unzureichend 23% Fernmündliche Kommunikation ist schwierig 24% Räumliche Ausstattung zuhause unzureichend 26% Soziale Kontakte und Austausch mit Kollegen fehlt 66% | Seite 8
Die Ergebnisse der Erhebung Die räumliche und technische Ausstat- terschied zwischen den Befragtengrup- tung ist immerhin noch für knapp ein pen. Offensichtlich konnten oder wollten Viertel der Befragten eine Herausforde- die Unternehmen während der Corona- rung bei der Realisierung eines vielfach Krise entsprechende Angebote (VPN- adhoc eingerichteten Arbeitsplatzes zu- Verbindungen, Videokonferenzsysteme, hause. Collaboration-Tools) leichter bereitstel- len als z.B. neue Laptops. Befragte berichten davon, dass sie Trotz aller Problembereiche: Die alt- persönliche Technik (z.B. eigene Laptops) eingesessenen Home-Office-Worker sind einsetzen müssen, mit denkbaren Daten- ohnehin zufrieden und die Neulinge sind schutzproblemen, die sich dabei für Un- deutlich auf den Geschmack gekommen. ternehmen entwickeln können. Abb. 1 Problembereiche Unterschiede zwischen Neulingen und Homeoffice-erfahrenen Mitarbeitern Schwierigkeit, mich selbst 5% zu organisieren 4% Besonders für die Arbeitstätigen, die zuvor selten oder sogar noch nie im Unklare Zielsetzung bzgl. 6% der Tätigkeit 8% Homeoffice gearbeitet haben, war die fehlende räumliche Ausstattung ein Ablenkung durch Partner/in 8% besonderes Problem. 30% bemängelten, oder andere Erwachsene 8% dass die Räumlichkeiten zuhause ein Schwierigkeiten, sich für die 10% Arbeiten erschweren, während dies nur Arbeit zu motivieren 13% 16% derjenigen beklagten, die zuvor 15% schon im Homeoffice gearbeitet haben. IT-Software unzureichend 16% Von ihnen hatte auch nur jeder zweite Ablenkung durch 20% (54%) ein Problem mit den fehlenden betreuungspflichtige Kinder 16% sozialen Kontakten, während es 70% bei den „Neulingen“ waren. Auch die er- Schlechte 22% Internetverbindung 19% schwerte fernmündliche Kommunikation ist für die „Novizen“ unter den Home- 17% IT-Hardware unzureichend office-Tätigen ein deutlich größeres Pro- 26% blem. Hier waren offensichtlich die not- Fernmündliche 17% wendigen Kontakt- und Besprechungs- Kommunikation ist… 27% routinen, die einer drohenden Isolierung Räumliche Ausstattung 16% der zuhause Beschäftigten entgegen- zuhause unzureichend 30% wirken, noch nicht etabliert. Soziale Kontakte und 54% Technische Defizite differieren vor allem Austausch mit Kollegen… 70% hardwareseitig. Jeder vierte Neuling bemängelt fehlende Hardware. Bei der Homeoffice-Erfahrene Software gibt ein keinen spürbaren Un- "Homeoffice-Novizen" | Seite 9
Die Ergebnisse der Erhebung Viele der Befragten artikulieren trotz der 32% der im April 2020 befragten Perso- technischen Mängel in verbalen Äuße- nen äußern eine höhere Arbeitsplatz- rungen auch viel Verständnis für die Situ- angst. Diese ist bei den Männern gering- ation der Arbeitgeber. Vielfach gelobt fügig höher als bei den weiblichen Be- wird die Flexibilität und das Improvisati- schäftigten (33%/30%). onsvermögen, von heute auf morgen auf Im Dienstleistungsbereich und Handel Homeoffice umzusteigen. Offensichtlich liegt die Zahl im durchschnittlichen Be- ist es den Unternehmen vielfach gut ge- reich (33% mehr Arbeitsplatzangst). Am lungen, ihren Mitarbeiter/innen das stärksten ist die Angst, den Job zu ver- Gefühl zu vermitteln, alles zu tun, um lieren, in Industrie und Handwerk (43%). eine Tätigkeit zuhause so effektiv und Im Öffentlicher Dienst liegt der Wert bei angenehm wie möglich zu gestalten. 12%. Darauf weisen auch die hohen Zufrieden- Bei Fachkräften und dem unteren Mana- heitswerte hin (siehe Abbildung 5). gement (32%) ist die Furcht um den Ar- beitsplatz verbreiteter als im oberen und Als weiterer Problembereich der der- mittleren Management (26%). Bei Be- zeitigen Situation können auch Arbeits- schäftigten mit einer Fachqualifikation platzängste der Beschäftigten gesehen ist sie ebenfalls etwas höher ausgeprägt werden. Die Angst um den Arbeitsplatz als bei den akademischen Berufen (34%/ kann zu markanten Beeinträchtigungen 31%). des Leistungsvermögens und der Ge- sundheit der Beschäftigten führen. Die vorliegende Erhebung zeigt keine höhere Unzufriedenheit mit der Home- Abb. 9 Arbeitsplatzangst office-Situation bei denen, die Angst um den Arbeitsplatz haben. Im Gegenteil: deutlich höher 6% Die Zufriedenheit ist etwas höher. Das mag daran liegen, dass diese Menschen bevorzugt denken: Hauptsache, ich etwas höher 26% behalte meinen Arbeitsplatz, im Unter- nehmen oder zuhause. gleich geblieben 63% etwas geringer 2% deutlich geringer 3% | Seite 10
Fazit Aufgrund der durch diese Erhebung ge- sehr unterschiedlich und teilweise defi- nerierten sehr positiven Befunde zu zitär sind. Andererseits sind Jobprofile einer Homeoffice-Tätigkeit ist davon aus- und Arbeitsanforderungen so unter- zugehen, dass nach Corona die Heim- schiedlich, dass eine differenzierte arbeitsquote merklich steigen wird. Abwägung über die Sinnhaftigkeit von Mancher über Nacht ins Homeoffice Ver- mobilem Arbeiten individuell erfolgen bannte wird möglicherweise nicht mehr muss. so arbeiten wollen wie zuvor. Diese Art des flexiblen Arbeitens wurde nun viel- Forderung nach mobilem Arbeiten leicht auch von Menschen liebgewon- Sobald die Corona-Krise auch wirtschaft- nen, die vor der Pandemie noch keine lich überwunden sein wird, sollte die Berührungspunkte damit hatten und deutsche Wirtschaft zu alter Stärke skeptisch waren. zurückkehren. Es bleiben Problembereiche, die teils auf politische Versäumnisse der letzten Und dann wird vor allem die junge Jahre (z.B. Internetverbindung) zurück- Generation - vermutlich auch mit den zuführen sind, teils auch die Unterneh- Erfahrungen der Corona-Zeit - vermehrt men herausfordern, adäquate Arbeits- ein flexibles und mobiles Arbeiten plätze im heimischen Umfeld einzu- einfordern. richten. Die Unternehmen, die bisher restriktiv mit der Gewährung von Heimarbeit um- Zugleich könnte sich mit den derzeitigen gegangen sind, werden sich möglicher- Erfahrungen auch politisch - möglicher- weise daran erinnern, dass es irgendwie weise unter Federführung der Gewerk- doch geklappt hat mit der Beschäftigung schaften - eine neue Front für einen zuhause, mit hoher subjektiver Zufrie- gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice denheit der eigenen Belegschaft und herausbilden. einer zumindest perzipierten Produktivi- Die Diskussion um die Arbeitsplätze der tät. Zukunft hat durch Corona neue Nah- Die vorliegende Studie liefert keine rung erhalten. Open Space, Shared Desk, Evidenz für eine tatsächlich höhere Ar- Homeoffice – die Unternehmen werden beitseffizienz im Homeoffice, da nur das sich vor allem im Verwaltungsbereich Meinungsbild der Beschäftigten erhoben weiter weg vom Normalarbeitsplatz be- wurde und eine gewisse „soziale Er- wegen. wünschtheit“ nicht auszuschließen ist. Ob ein gesetzlicher Anspruch auf eine Homeoffice-Beschäftigung wirtschafts- Aber die Zufriedenheit der Beschäftigten politisch zielführend ist, kann jedoch be- mit der derzeitigen Situation im Home- zweifelt werden, da einerseits die räum- office ist doch ein markantes Ausrufe- lichen Rahmenbedingungen in den Woh- zeichen für die zukünftige Gestaltung nungen und Häusern der Beschäftigten unserer Arbeitswelt. | Seite 11
Fazit Es besteht eine gewisse Hoffnung, dass wenn die Mitarbeiter/innen das Vertrau- die gesteigerte Fähigkeit, digital zu en rechtfertigen, eine motiviertere und arbeiten und zu kommunizieren, sowie kreativere Belegschaft haben sowie Büro- die zeitliche Flexibilität in der Arbeits- flächen und Dienstreisen einsparen. und Lebensroutine zu einem stärker Angestellte werden Arbeit und Privat- zielgerichteten Arbeitsprozess beitragen leben autonomer gestalten können und und insofern Motivations- und Produkti- viel Zeit, die sie bisher im Auto bzw. in vitätsreserven erschließen können. Bus oder Bahn auf dem Weg zur Arbeit verbracht haben, produktiver gestalten. Abkehr von der Anwesenheitskultur? Das steigert die Lebenszufriedenheit und Die heutige Arbeitswelt ist noch stark führt zudem zu positiven Umwelteffek- geprägt von einer postindustriellen Ar- ten. beitsmoral, in der hierarchische Top- Homeoffice und mobileres Arbeiten down-Strukturen noch ebenso fest ver- könnten, dort wo es arbeitsorganisa- ankert sind wie feste Arbeitszeiten, die torisch sinnhaft und individuell wün- eine Scheinproduktivität erzeugen. In schenswert ist, ein positiver Aspekt sein, der industriellen Arbeitswelt ist bedin- den die derzeitige Krise übriglässt. Sie gungslose Loyalität höher bewertet als sollten jedoch nicht ordnungspolitisch die tatsächliche Leistung, wird Kontrolle erzwungen, sondern unternehmerisch wichtiger erachtet als kooperatives Ver- gewollt sein. Die Arbeitswelt der Zukunft, trauen. die einen gehörigen Teil der repetitiven Im Homeoffice entzieht sich der Be- Arbeit durch Künstliche Intelligenz erset- schäftigte ein großes Stück weit den zen wird, benötigt weniger den Befehls- Kontrollmechnismen des Managements. empfänger als den mitdenkenden und Insofern bedarf eine Ausweitung des proaktiv wie verantwortlich handelnden mobilen Arbeitens auch einer neuen, Menschen. Und der hat zunehmend gegenseitigen Arbeits- und Vertrauens- keinen örtlich fest verankerten Arbeits- kultur. platz mehr. Homeoffice bedeutet auch, den eigenen Wenn man die Mitarbeiterinnen und Mit- Biorhythmus berücksichtigen zu können. arbeiter fragt, dann geht offensichtlich Der „Powernap“, der im Büro meist un- vieles, was vielleicht vorher ein wenig un- denkbar ist, wird zuhause zu einer un- vorstellbar schien. problematischen Option. Führungskräfte werden sich umstellen, Kontakt: mehr auf Vertrauen statt auf Kontrolle Prof. Dr. Christian Ernst setzen müssen. Sie werden erkennen, Technische Hochschule Köln dass anstelle eines persönlichen Gesprä- Email: christian.ernst@th-koeln.de ches oder Meetings auch eine Videokon- www.prof-ernst.de ferenz ausreicht. Unternehmen werden, | Seite 12
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