Das EU-Assoziationsabkommen mit dem Mercosur: Frontalangriff auf bäuerliche Landwirtschaft, Menschen rechte, Umwelt- und Klimaschutz

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Das EU-Assoziationsabkommen mit dem Mercosur: Frontalangriff auf bäuerliche Landwirtschaft, Menschen rechte, Umwelt- und Klimaschutz
Das EU-Assoziationsabkommen mit dem ­Mercosur:
Frontalangriff auf bäuerliche L
                              ­ andwirtschaft,
Menschen­rechte, Umwelt- und Klimaschutz

Fast zwanzig Jahre schon verhandelt die Europä-
ische Union mit dem Mercosur über die Beseiti-
gung von Handelsschranken im Rahmen eines
umfassenden Assoziationsabkommens. Auf Sei-
ten des Mercosur nehmen Argentinien, Brasilien,
Paraguay und Uruguay an den Gesprächen teil,
die in der Vergangenheit immer wieder ins Sto-
cken gerieten. Nun aber verbreiten die Verhand-
lungsparteien Optimismus. Noch in diesem Jahr
könne es zu einer Einigung kommen, heißt es.

Für Landwirtschaft, Menschenrechte, Umwelt-,
Klima- und Verbraucherschutz wäre das Ab-
kommen jedoch ein Rückschlag – und zwar auf
beiden Seiten des Atlantiks. Die bisher bekannt
gewordenen Vertragsentwürfe übertreffen die
Befürchtungen der Zivilgesellschaft. Offenbar
glauben die EU-VerhandlerInnen noch immer,
die breite Kritik an den ökologischen und so-
zialen Defiziten ihrer Handelspolitik einfach Peru agro-industry Foto: UNIDO, flickr (CC BY 2.0)
ignorieren zu können. Doch die Leidtragenden
dieser Politik sind immer weniger bereit, ihre Lebensmittelimporten der EU bis 2025 von der-
sozialen Rechte, die bäuerliche Landwirtschaft zeit 17 auf 25 Prozent anschwellen, so die Be-
und eine gesunde Ernährung für den Freihandel rechnungen des EU-Forschungsdienstes.2
zu opfern.
                                                In manchen Produktgruppen weist die EU eine
Mercosur: Rohstofflieferant der Lebens- extreme Abhängigkeit vom Mercosur auf –
und Futtermittelindustrie                       vorne­weg Soja, das massenhaft in den Futter-
                                                trögen der europäischen Tierfabriken landet.
Für das internationale Agrobusiness und die 94 Prozent des Sojaschrots und 52 Prozent der
Lebensmittelindustrie stellt das Mercosur-­Sojabohnen, die die EU auf dem Weltmarkt ein-
Abkommen einen der wichtigsten Handels- kauft, stammen aus dem Mercosur.3 Die euro-
verträge der EU dar. Denn der Löwenanteil der päische Überschussproduktion von Fleisch und
europäischen Agrar- und Lebensmittel­importe Milch wäre ohne die riesige Einfuhr von Soja
entfällt auf diesen südamerikanischen Verbund. und anderen Futtermitteln überhaupt nicht auf-
Diese Einfuhr summiert sich alljährlich auf ei- recht zu erhalten.
nen Wert von 20 Milliarden Euro.1 Sollte es zum
Abschluss des Abkommens kommen, könnte Der transatlantische Sojahandel stellt zu-
der Anteil des Mercosur an den gesamten dem einen der wichtigsten Absatzkanäle für
Das EU-Assoziationsabkommen mit dem Mercosur: Frontalangriff auf bäuerliche Landwirtschaft, Menschen rechte, Umwelt- und Klimaschutz
Streit um Zollquoten
      Box
      Der Gammelfleischskandal                           Zu den größten Streitpunkten der Verhand-
                                                         lungen gehören die Zollquoten. Obgleich sie
      und das EU-Audit                                   enorme Auswirkungen auf die Landwirtschaf t
      Im März 2017 führte die brasilianische Polizei     haben, bestimmt die EU ihre Quoten-Angebote
      in Dutzenden von Schlachthäusern Razzien           unter nahezu vollständiger Geheimhaltung.
      durch und deckte dabei einen der größten           Nur über die Presse sickern gelegentlich In-
      Bestechungsskandale des Landes auf.                formationen durch. Ende 2017 bot die EU dem
      Mehrere Konzerne, darunter der weltgrößte          Mercosur demnach Quoten für Rindfleisch
      Fleischverarbeiter JBS, mischten systematisch      über 70.000 Tonnen, für Hühnerfleisch über
      Gammelfleisch unter ihre Ware.                     78.000 Tonnen, für Zucker über 100.000 Ton-
      Um dennoch an die staatlichen Hygiene-­            nen sowie Ethanol über 600.000 Hektoliter an.6
      Zertifikate zu ­kommen, bestachen sie zahl­
                                                         Im ­Febru­ar 2018 machten Gerüchte die Runde,
      reiche Inspektoren des Agrarministeriums.10
                                                         die EU würde die Rindfleischquote sogar auf
      Mehrere Länder verhängten Importbeschrän-          99.000 Tonnen erhöhen.7
      kungen für brasilianisches Fleisch, auch die EU.
      Anders als die USA aber setzte die EU lediglich    Während die Mercosur-Seite die Angebote um-
      Importe aus den in den Skandal verwickelten        gehend als unzureichend bezeichnete, protes-
      Schlachthäusern aus.                               tierten europäische Agrarverbände. Auch man-
      Ferner ließ die Kommission ein Audit des           che Regierungen äußerten sich kritisch über die
      ­brasilianischen Kontroll­systems durchführen.     Angebote, etwa jene Irlands und Frankreichs.
      Das aber enthüllte erschreckende Defizite.         Deutschland indes stützt die Quoten-Auswei-
      So ermittelte die Polizei nur gegen 21
                                                         tung. Denn im Gegenzug – so die Hoffnung –
      Schlachthöfe, nicht aber gegen die Mutter­
                                                         müsse der Mercosur seine Zölle auf Automobile
      konzerne. Die brasilianischen Behörden
       ­wiederum erteilten Exporterlaubnisse, ohne
                                                         und Autoteile senken – ein Interesse der deut-
        den Wahrheitsgehalt der Unternehmens­            schen Industrie. Damit gibt die Bundesregie-
2       angaben verifizieren zu können.                  rung, wie so oft, der Autoindustrie den Vorzug
      Auch wurden keinerlei Maßnahmen ergriffen,         gegenüber den Interessen von BäuerInnen und
        um die W
               ­ iederholung dieser betrügerischen       VerbraucherInnen.
      Praktiken zu verhindern.11
                                                         Fleisch frisst Land und gefährdet die
                                                         Gesundheit
    gentechnisch veränderte Organismen (GVOs)      Außen vor beim Feilschen um die Quoten blei-
    dar. In Brasilien entfallen 96 Prozent der Soja-
                                                   ben die sozialen und ökologischen Folgen der ge-
    anbaufläche auf genmanipulierte Pflanzen, in   planten Steigerung des Agrarhandels. So erhöh-
    Argentinien sogar 99 Prozent.4 Einen Großteil  ten sich bereits in den vergangenen 14 Jahren die
    machen Sorten des US-Konzerns Monsanto aus,    brasilianischen Rindfleischexporte um über 700
    der kurz vor der Übernahme durch die deutsche  Prozent. Das Land ist weltweit der zweitgrößte
    Bayer AG steht.                                Produzent und größte Exporteur von Rind-
                                                   fleisch.8 Das Wachstum der Rinderherden aber
    Doch damit nicht genug. Der Mercosur ent- führt zu Landkonflikten und einer massiven Ab-
    wickelt sich zugleich zu einem der größten holzung.
    Fleisch­exporteure der Welt, was sich auch auf
    dem europäischen Markt widerspiegelt. 73 Pro- Die größten Wachstumsraten der Rinderherden
    zent der Rindfleischimporte und 56 Prozent der gibt es in Amazonien. Von 2000 bis 2012 wuch-
    Hühner­fleischimporte in die EU stammen aus sen sie hier um 71 Prozent, im Rest des Landes
    dem südamerikanischen Verbund.5 Das geplante um 24 Prozent. Diese Tendenz zog eine nahezu
    Abkommen soll die gehandelten Fleischmengen unregulierte Ausbreitung von Schlachthöfen
    nochmals massiv steigern. Damit aber steigt nach sich, ein großer Teil illegal.9 Der jüngste
    auch der Verbrauch der umweltschädlichen Gen- brasilianische Gammelfleischskandal enthüllte
    tech-Soja im Mercosur.                         dabei das mafiöse System der Schlachtindustrie
                                                   (siehe Box).
Das EU-Assoziationsabkommen mit dem Mercosur: Frontalangriff auf bäuerliche Landwirtschaft, Menschen rechte, Umwelt- und Klimaschutz
EU will Importkontrollen schwächen
Angesichts der beklagenswerten Zustände in
den Tierfabriken wäre zu erwarten, dass das As-
soziationsabkommen strenge Standards für den
transatlantischen Fleischhandel vorsieht. Doch
das Gegenteil ist der Fall.

Die EU selbst brachte einen Artikel über Han-
delserleichterungen in das Kapitel zur Lebens-
mittelsicherheit ein, der eine Beschleunigung
der Exportgenehmigung für tierische Produkte
vorsieht. Danach verzichtet das Importland auf
Kontrollen einzelner Viehbetriebe, wenn das
Exportland „ausreichende Garantien“ erbringt,
dass diese die Standards des importierenden
Landes einhalten – eine weltfremde Klausel
angesichts der notorischen Lebensmittelskan-
dale und des chronischen Behördenversagens. Amazon6 Foto: Neil Palmer (CIAT), flickr (CC BY 2.0)
Ferner soll die Häufigkeit der Importkontrollen
reduziert werden.12                                 Vorsorgeprinzip rechtlich verankert. Dieses er-
                                                    laubt es, Produkten die Zulassung auch dann
Das geplante Schleifen der amtsärztlichen Unter- zu versagen, wenn noch wissenschaftliche
suchungen gefährdet die VerbraucherInnen auf Unsicher­heit über deren Risiko besteht.
beiden Seiten des Atlantiks. Die EU verfolgt da-
mit das Ziel, die europäische Überschussproduk- Obgleich auch die EU-Kommission an dieses
tion auf ausländischen Märkten abzusetzen. Wie wichtige Prinzip gebunden ist, hat sie es aber
rücksichtslos sie dabei vorgeht, verdeutlichte die nicht in dem Kapitel zu Lebensmittelsicher-         3
BSE-Seuche (bovine spongiforme Enzephalopa- heit verankert. Tatsächlich findet sich im ge-
thie, umgangssprachlich: Rinderwahn).               samten Entwurf des Vertragstextes nur eine
                                                    einzige Erwähnung des Vorsorgeprinzips –
So attackierte die EU-Kommission wiederholt ­       bezeichnenderweise in dem nicht-sanktions­
die Importbeschränkungen Brasiliens für euro- bewehrten Nachhaltigkeitskapitel. Dieses ist
päisches Rindfleisch, die die dortige Regierung weitgehend zahnlos, denn Verstöße gegen des-
nach dem BSE-Ausbruch in der EU ergriffen sen Bestimmungen können nicht unter dem
hatte. Diese seien „übermäßig restriktiv, wissen- Staat-Staat-Streitschlichtungsmechanismus des
schaftlich ungerechtfertigt und gehen über interna- Abkommens behandelt werden.14 Zudem han-
tionale Standards hinaus“. Selbst nachdem Bra- delt es sich bei der Erwähnung des Vorsorge­
silien den Importstopp 2013 aufhob, kritisierte prinzips bisher nur um einen EU-Vorschlag, dem
die Kommission die brasilianischen Auflagen der Mercosur noch nicht zugestimmt hat.
noch als „übermäßig belastend, intransparent und
langwierig“, weil die EU-Exportbetriebe zuvor Die mangelhafte Verankerung des Vorsorge­
bilateral zugelassen und akkreditiert werden prinzips sichert daneben auch den Handel mit
mussten.13 Angesichts der Risiken – der Verzehr GVOs und die massenhafte Verfütterung der
von BSE-verseuchtem Fleisch kann für Menschen Gentech-Soja ab. Denn vorsorgliche Beschrän-
tödlich sein – erscheinen derartige Angriffe als kungen von Gentech-Produkten können da-
verantwortungslos.                                  durch als potenzielle Verstöße gegen das Assozi-
                                                    ationsabkommen geahndet werden.
Das Vorsorgeprinzip wird unterlaufen
                                                   Undemokratische Gremien als mögliches
Der grenzüberschreitende Lebensmittelhandel        Einfallstor für IndustrielobbyistInnen
verlangt vorausschauende Maßnahmen des
Umwelt- und Verbraucherschutzes, um prä-
­                                                  Das Assoziationsabkommen sieht die Einrich-
ventiv Risiken abzuwehren, die von Krankheits­     tung eines Unterausschusses für Lebensmittel-
erregern, Pestizid- und Tiermedikamenten-          sicherheit vor (sogenanntes SPS Subcommittee),
rückständen ausgehen können. In der EU             unter dem wiederum mehrere Dialoggruppen
wurde unter anderem aus diesem Grund das           eingerichtet werden sollen. Diese befassen sich
Wie sensibel dabei die zu behandelnden The-
                                                                        men sind, lässt sich anhand der Dialoggruppe zu
                                                                        Biotechnologie ermessen. Die nämlich soll sich
                                                                        unter anderem den „asynchronen Zulassungen ge-
                                                                        netisch veränderter Organismen“ widmen.18 Damit
                                                                        werden die europäischen Zulassungsverfahren
                                                                        für GVOs zum Gegenstand des Lebensmittel-­
                                                                        Komitees eines Assoziationsabkommens, in dem
                                                                        nicht einmal das Vorsorgeprinzip durchsetzbar
                                                                        verankert wurde.

                                                                        Kein Schutz vor Waldvernichtung und
                                                                        Vertreibungen
                                                                         Die zahlreichen Landkonflikte, die der Vor-
                                                                         marsch des Agrobusiness in den Mercosur-­
                                                                         Staaten anheizt, verlangen nach handelspoliti-
                                                                         schen Regeln, die die Menschenrechte schützen.
                                                                         Gerade in noch waldreichen Regionen, etwa
                                                                         Amazonien oder dem Gran Chaco in Argentinien
                                                                         und Paraguay, bedrohen Viehwirtschaft und
                                                                         Plantagen die ansässige Bevölkerung. Vor allem
                                                                         Sojafelder und Rinderherden erweisen sich seit
                                                                         Jahren als wichtigste Treiber der Entwaldung
                                                                         und der Verschärfung der Klimasituation. Doch
    Pampa   Foto: x@ray, flickr (CC BY 2.0)
                                                                         das Assoziationsabkommen ist auch in dieser
                                                                         Hinsicht völlig unzureichend. Denn diesbezüg­
4                                                                        liche Bestimmungen finden sich wiederum nur
                    unter anderem mit Biotechnologie, Pestizidrück- in dem zahnlosen Nachhaltigkeitskapitel.
                    ständen, Tierwohl und Antibiotika-Resistenzen.
                   Teilnehmen sollen „RepräsentantInnen der Vertrags- Und auch die Bestimmungen selbst sind derart
                    parteien mit technischer Expertise“, was mithin auch schwach, dass sie Betroffenen der grassierenden
                    IndustrievertreterInnen oder ExpertInnen mit Landnahme keinen effektiven Schutz gewähren
                    Verbindungen zur Lebensmittelindustrie umfas- können. So sieht das Nachhaltigkeitskapitel etwa
                    sen kann.15                                          die „vorherige informierte Zustimmung“ von lokalen
                                                                         Gemeinschaften bei ihrer Einbindung in nachhal-
                    Die EU-Kommission ist sich dieses Risikos durch- tige Lieferketten von Forstprodukten vor. Mit dem
                    aus bewusst, was einer ihrer diesbezüglichen UN-Konzept zur „freien, vorherigen und informierten
                   Textvorschläge verdeutlicht. Danach soll der Zustimmung“ (free, prior and informed consent) je-
                    Unterausschuss selbst „die Regeln für Interessen- doch hat die Klausel wenig gemein. Dies verlangt
                    konflikte der TeilnehmerInnen“ der Dialoggruppen nämlich die Konsultation und Zustimmung von
                    aufstellen.16 Da diese Regeln aber nicht bekannt Indigenen bereits bei der Frage der Nutzung ihrer
                    sind, ist völlig offen, ob sie tatsächlich Personen Territorien für Projekte aller Art, inklusive der land-
                    mit Industrieverbindungen von der Teilnahme oder forstwirtschaftlichen Erschließung.19
                    an den Dialoggruppen ausschließen könnten.
                                                                         Hinzu kommt, dass das Assoziationsabkommen
                    Das ist besonders besorgniserregend angesichts bisher keinerlei Stärkung der viel zu schwachen
                    der weitreichenden Kompetenzen des SPS- Menschenrechtsklausel vorsieht, die die EU
                    Unter­   ausschusses. Denn dieser darf die „not- in ihre Handelsverträge integriert. Diese er-
                    wendigen Arrangements treffen, um Probleme bei laubt zwar grundsätzlich die Aussetzung von
                    der Umsetzung des Kapitels zu lösen“. Ferner darf Handels­präferenzen bei schwerwiegenden Ver-
                    er „jede andere Funktion erfüllen“, die ihm die Ver- stößen. Aufgrund der hohen Hürden, die die EU
                    tragsparteien zuweisen. Das aber wirft die kriti- für die Aktivierung der Menschenrechts­klausel
                    sche Frage nach parlamentarischer Kontrolle der errichtet hat, führte sie bisher jedoch noch
                    Entscheidungen dieses Gremiums auf, zu denen nie zu Handels­            sanktionen. Die Wirksamkeit
                    das Kapitel keinerlei Regelungen enthält.17          der Klausel wird auch dadurch eingeschränkt,
                                                                         dass es keine effektiven Monitoring- und Be-
                                                                         schwerdeinstanzen gibt.20
Diese Schwächen sind umso bedrohlicher an- Endnoten
gesichts der Zunahme gewalttätiger Auseinan- 1 European Commission: Agri-Food Trade Statistical Factsheet:
dersetzungen im Mercosur. In Brasilien etwa European Union – Mercosur, 14.9.2017, S. 7: https://ec.europa.eu/agri-
registrierte die Landpastorale CPT (Commis- culture/sites/agriculture/files/trade-analysis/statistics/outside-eu/regions/
                                                agrifood-mercosur-4_en.pdf
são Pastoral da Terra) in den vergangenen drei
                                                2 Joint Research Centre: Cumulative economic impact of future
Jahren eine Verdopplung der Landkonflikte. So trade agreements on EU agriculture, JRC Science for Policy Report,
kam es 2017 zu 70 Morden an KleinbäuerInnen, 2016, S. 27
Indigenen und AktivistInnen, die sich gegen das 3 European Commission, Directorate-General for Agriculture
vordringende Agrobusiness verteidigten. Die and Rural Development, EU-28 – Import from Mercosur, Statistical
                                                Regime: 4, 1 March 2017: https://ec.europa.eu/agriculture/sites/agricul-
CPT dokumentiert ebenfalls die grassierende ture/files/statistics/trade/2016/eu28-qsp/trade_qty_imp_mesu.pdf
Straf­losigkeit. Im Zeitraum 1985 bis 2017 wur- 4 http://news.agropages.com/News/NewsDetail---21832.htm;
den demnach über 1900 Menschen in Landkon- http://www.leparisien.fr/environnement/alimentation/­
flikten ermordet. Doch nur in acht Prozent der glyphosate-juan-carlos-agriculteur-argentin-et-pionnier-du-soja-
                                                ogm-23-09-2017-7280235.php
Fälle kam es zu Verurteilungen.21
                                                              5 European Commission, Directorate-General for Agriculture
                                                              and Rural Development, EU-28 – Import from Mercosur, Statistical
So nicht!                                                     Regime: 4, 1 March 2017: https://ec.europa.eu/agriculture/sites/agricul-
                                                              ture/files/statistics/trade/2016/eu28-qsp/trade_qty_imp_mesu.pdf

Die zahlreichen sozialen und ökologischen Ri-                 6 http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=WQ&referen-
                                                              ce=P-2017-006181&language=EN; http://www.sugaronline.com/home/
siken verdeutlichen, dass ein Abschluss des                   website_contents/view/1254240
EU-Mercosur-Abkommens derzeit nicht verant-                   7 http://www.agriland.ie/farming-news/has-the-eu-increased-its-mer-
wortbar ist. Der letzte Entwurf des Verhand-                  cosur-beef-quota-of fer-to-99000t/
lungstextes übertrifft viele Befürchtungen.                   8 http://www.cnabrasil.org.br/noticias/brasil-pode-se-tornar-o-maior-
Er legt der Durchsetzung von Standards zum                    produtor-de-carne-bovina-do-mundo
Schutz der Umwelt, der Gesundheit und der                     9 Gabriel Cardoso Carrero et al. 2015: A Cadeia Produtiva da Carne
                                                              Bovina no Amazonas, IDESAM, Manaus 2015, S. 9
Menschenrechte noch größere Hindernisse in
den Weg, als im Vorfeld angenommen wurde.                     10 http://www.reuters.com/article/us-brazil-corruption-food-idUSKBN-
                                                              16R1MH

Die EU importiert vor allem die negativen Fol-                11 https://www.usda.gov/media/press-releases/2017/06/22/perdue-­usda-
                                                              halting-import-fresh-brazilian-beef; European Commission, Directo-         5
gen der Fleischproduktion im Mercosur. Gleich-                rate-General for Health and Food Safety: Final Report of an Audit
zeitig gerät in Europa der Rindfleischmarkt                   Carried Out in Brazil from 02 May 2017 to 12 May 2017, DG(SANTE)
                                                              2017-6261, S. 1-2
durch die Billigimporte, die Dumpingwirkung
                                                              12 Consolidated texts of the trade part of the EU-Mercosur Associa-
entfalten, unter Druck. In der EU ebenso wie in               tion Agreement, Chapter on Sanitary and Phytosanitary Measures,
den Ländern des Südens zerstört diese Libera-                 Article 6: Trade Facilitation Measures, Brussels, 28 March 2018
lisierungsstrategie bäuerliche Strukturen. Sie                13 European Parliament: Agriculture in Brazil and Relations
verhindert eine Qualitätserzeugung mit nach-                  with the EU, Directorate General for Internal Policies, Study, 2015,
                                                              IP/B/AGRI/NT/2014_03, S. 32
haltiger Weide­haltung, existenzsichernden Er-
                                                              14 Consolidated texts of the trade part of the EU-Mercosur Asso-
zeugerpreisen und menschenwürdigen Arbeits-                   ciation Agreement, Chapter Trade and Sustainable Development,
bedingungen.                                                  Article 15: Dispute Resolution, Brussels, 28 March 2018
                                                              15 Consolidated texts of the trade part of the EU-Mercosur
Es ist daher dringlich, die europäische Öf-                   ­A ssociation Agreement, Dialogues, Article 2: Principles, Brussels,
                                                               28 March 2018
fentlichkeit über die Defizite des geplanten
Abkommens aufzuklären. Dies ist beson-                        16 A. a.O., Article 6: Cooperation

ders wichtig wegen des zu erwartenden                         17 A. a.O., Chapter on Sanitary and Phytosanitary Measures,
                                                              Article 19: Subcommittee
Ratifizierungs­
              verfahrens, bei dem die Parla-
mente der EU-Mitgliedsstaaten außen vor blei-                 18 A. a.O., Dialogues, Article 4: Cooperation on Biotechnology

ben könnten. Da im Assoziationsabkommen                       19 Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/Free,_prior_and_informed_consent
die in anderen Handelsverträgen (etwa dem                     20 Fritz, Thomas 2017: Menschenrechte als uneingelöstes
EU-Kanada-Abkommen CETA) enthaltene Inves-                    Versprechen: Nachhaltigkeit, Arbeits- und Sozialstandards in EU-
                                                              Handels­abkommen, Hrsg.: Brot für die Welt, Forum Umwelt und
titionsschiedsgerichtsbarkeit nicht vorgesehen                Entwicklung, UnternehmsGrün, ver.di, Berlin, Februar 2017, S. 9-12
ist, könnte es als reines EU-­Abkommen einge-                 21 Commissão Pastoral da Terra 2018: Assassinatos no campo
stuft werden. In diesem Fall wäre ledig­lich die              batem novo recorde e antigem maior número desde 2003, 16. April
                                                              2018: https://www.cptnacional.org.br/publicacoes-2/destaque/4319-
Zustimmung des Europäischen Rates und des                     assassinatos-no-campo-batem-novo-recorde-e-atingem-maior-­numero-
Europäischen Parlaments erforderlich, was den                 desde-2003
Ratifizierungsprozess stark verkürzen würde.
Genau aus diesem Grund braucht das geplante
EU-Mercosur-­Abkommen jetzt eine kritische
Aufmerksamkeit, um ein Inkrafttreten mit all
den genannten Problemen zu verhindern.
Impressum

    Herausgeber:
    PowerShift – Verein für eine ökologisch-­                                     PowerShift – Verein für eine ökologisch-­
    solidarische Energie- & Weltwirtschaft e.V.,                                    solidarische Energie- & Weltwirtschaft e.V.
    Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin                                               mit Sitz in Berlin arbeitet zu internationaler
    Tel.: +49-(0)30-42805479;                                                       Handels- und Investitionspolitik, zu Rohstoff­
    Web: https://power-shift.de                                                     politik sowie zu Klima- & Energiefragen.
    Email: alessa.hartmann@power-shift.de                                           In diesen ‚harten‘ Politikfeldern ringen wir um
                                                                                    mehr soziale und ökologische Gerechtigkeit.
    Und:
    Arbeitsgemeinschaft bäuerliche                                                  Durch Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit,
    Landwirtschaft e.V. – AbL,                                                      ­Forschung und politische Aktivitäten möchten
    Agrar Koordination – Forum für                                                   wir zu einer globalen Energiewende sowie
    internationale Agrarpolitik e.V.,                                                gerechteren weltwirtschaftlichen Beziehungen
    Attac Deutschland,                                                               beitragen.
    Brot für die Welt – Evangelisches Werk
    für ­Diakonie und Entwicklung e. V.,                                           Wir sind im Koordinierungskreis des deutschen
    Bund für Umwelt und Naturschutz e.V. – BUND,                                    zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Netzwerk
    Campact e.V.,                                                                   Gerechter Welthandel“ und arbeiten auf euro-
    Forschungs- und Dokumentationszentrum                                           päischer Ebene im „Seattle to Brussels-Netz-
    Chile-Lateinamerika e.V. – FDCL,                                                werk“ mit europäischen BündnispartnerInnen
    Forum Umwelt und Entwicklung,                                                   zusammen.
    Greenpeace e.V.,
    NaturFreunde Deutschlands e.V.,                                                 Wenn Sie über unsere Arbeit auf dem
                                                                                    Laufenden bleiben wollen, dann abonnieren
    Autor: Thomas Fritz                                                             Sie unseren Newsletter:
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    Layoutvorlage: Monika Brinkmöller
    Satz/Reinzeichnung: Tilla Balzer I buk.design

    Berlin, Juni 2018

    Für den Inhalt dieser Publikation ist allein PowerShif t e.V. verantwortlich;
    die hier dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt von
    Engagement Global gGmbH und dem Bundesministerium für wirtschaf tliche
    Zusammenarbeit und Entwicklung wieder.

    Gefördert von Engagement Global im Auf trag des
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