Das IKAROS-Stipendium 2016 2020 - Kreuzberger ...

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Das IKAROS-Stipendium 2016 2020 - Kreuzberger ...
Das IKAROS-Stipendium
2016 – 2020
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Das IKAROS-Stipendium 2016 2020 - Kreuzberger ...
IKAROS FLIEGT
    Das IKAROS-Stipendium wurde im Januar         stützung, um sich unbelastet den Abschluss
    2016 aus der Taufe gehoben. Seitdem ha-       erarbeiten zu können.
    ben wir viel Bestätigung und Zuspruch für
    die Projektidee bekommen, viele Erfahrun-     Der Name IKAROS steht im Gegensatz zu
    gen gesammelt und Netzwerke aufgebaut.        seinem prominenten mythologischen Vor-
    Aber vor allem haben wir in diesen fünf       bild aber für den Erfolg!
    Jahren über 100 junge Menschen auf dem
    Zweiten Bildungsweg gefördert und sie auf     Unsere Stipendiaten*innen sind Menschen
    dem Weg zum MSA, Abitur oder zu einem         mit unterschiedlichen Hintergründen: allein-
    Berufsabschluss unterstützt.                  erziehende Mütter oder Väter, Menschen
                                                  mit Behinderung oder chronischen Erkran-
    IKAROS steht für die zweite Chance im Le-     kungen, junge Menschen aus schwierigen
    ben. Es hilft jungen Menschen, einen Schul-   familiären Verhältnissen oder mit Jugendhil-
    oder Berufsabschluss nachzuholen. Dies        feerfahrungen, Migrantinnen und Migran-
    lohnt sich nicht nur wegen der besseren       ten mit und ohne Fluchterfahrung, aber in
    beruflichen Möglichkeiten, sondern auch,      Einzelfällen auch Bildungsaufsteiger*innen
    weil man durch Bildung persönlich wächst      nach gering qualifizierter Erstausbildung.
    und seine eigenen Stärken kennenlernt.
                                                  Allen gemeinsam sind ein fester Wille, Lern-
    Das Stipendium bietet jungen Menschen         und Leistungsbereitschaft sowie die hohe
    in Berlin die notwendige finanzielle Unter-   Motivation, ihrem Leben eine neue Richtung
                                                  zu geben.

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Die Stipendiaten*innen profitieren zudem
von unserer aktiven Netzwerkarbeit: Bei
regelmäßigen Treffen können sie sich über
schulische Belange, zunehmend aber auch
darüber hinaus austauschen und gegensei-
tig unterstützen.

Daran anknüpfend haben wir ein Paten-
schaftsnetzwerk aufgebaut, über das Ehe-
malige und Teilnehmer*innen höherer
Jahrgänge den Neuen als Mentor*innen mit
Rat und Tat zur Seite stehen. Diese Tandems   030 - 695 339 7-15
begleiten wir mit Workshops und Fortbil-      billecke@kreuzberger-kinderstiftung.de
dungen.

Insgesamt wird das IKAROS-Stipendium
zunehmend nachgefragt und hat sich zu ei-
nem festen Bestandteil unserer Programme
entwickelt.

Ihre Petra Billecke
Programmleiterin

                                                                                       3
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Chronik

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2016                                          Hilfestelllungen und sozialpädagogische
                                              Betreuung als Kollegiaten*innen. In diesem
33 Stipendiaten*innen werden ins neue Sti-    Jahr verabschieden wir 19 Stipendiaten*in-
pendienprogramm aufgenommen. Sie besu- nen mit dem Abitur, einen mit dem MSA.
chen ein Kolleg, die VHS, die Abendschule
oder eine berufliche Fachschule. Ein Teilneh- 2019
mer absolviert eine duale Ausbildung.
                                              Es werden wieder viele! 22 neue Stipen-
2017                                          diat*innen bereichern das Programm. Da-
                                              runter die erste Schülerin, die per Fernschu-
Wir nehmen weitere 22 Stipendiat*innen        le das Abitur ablegen möchte. Drei weitere
auf. Darunter die ersten Geflüchteten, die    junge Männer mit Fluchthintergrund be-
eine schulische Ausbildung absolvieren. Vier haupten sich in dualen Ausbildungen. Die
Stipendiatinnen und Stipendiaten verab-       diesjährige Erfolgsquote: Zwölf mal Abitur
schieden wir mit dem MSA, dem Abitur oder und eine kaufmännische Ausbildung.
einem Berufsabschluss.
                                               2020
2018
                                               Im Juli gratulierten wir zwölf frischgebacke-
15 neue Stipendiaten*innen kommen hinzu,       nen Abiturient*innen, die ihren Platz für die
wir wachsen zeitweise auf 44 junge Men-        nächsten freimachen.
schen an. Die ersten Untergruppen entste-
hen, denn Migrant*innen und Geflüchtete        Wir verabschieden das Corona-Jahr mit 38
in der Ausbildung benötigen eine andere        Stipendiaten*innen.

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Ehemalige

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ALY (*1996)
2012, mit 16 Jahren, kam Aly Jahren nach       jahren erwirbt er die Voraus-
Berlin.                                        setzung für die Aufnahme an
                                               der Fachhochschule.
„Ich bin vor meinem gewalttätigen Vater,
einem fanatischen Imam, weggelaufen,           Nach langen Jahren der Tren-
hatte Angst, dass er mich umbringt, weil ich   nung hat er 2020 seine Fa-
in eine Schule ging, die von Christen orga-    milie in Guinea besucht. „Ich
nisiert wurde. Das war mit seinen Vorstel-     bin so froh, meine Mutter
lungen nicht zu vereinbaren. In Berlin habe    wiedergesehen zu haben.
ich Deutschkurse besucht und dann eine         Am meisten freue ich mich,
Ausbildung als Elektrotechniker begonnen.      dass es mir möglich ist, sie
Wenn ich damit fertig bin, möchte ich stu-     und meine Schwester zu unterstützen.“
dieren. Oder, wenn ich genug Geld gespart
habe, den Meister in meinem Fach machen.       Aly hält bis heute den Kontakt zu IKAROS
Ich will lernen, lernen, lernen.“              und engagiert sich mit Freude als Mentor
                                               für andere Geflüchtete.
Im Frühjahr 2018 hat Aly seinen Gesellen-
brief als Elektroniker erhalten und wurde
direkt von seiner Firma übernommen. Bis
heute arbeitet er mit Freude und Engage-
ment in seinem Beruf, verfolgt aber weiter-
hin sein Ziel, zu studieren. Mit den Berufs

                                                                                          7
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JAY (*1989)
                Jay ist mit zwei Geschwistern       „Das Stipendium hat mir nicht nur finanziell
                aufgewachsen. Das sozial pro-       geholfen, sondern auch psychisch. Da waren
                blematische Elternhaus bot          Menschen, die an mich geglaubt haben
                keine Unterstützung und war         und mich ermuntert haben, meinen Weg zu
                von Gewaltexzessen belastet.        gehen.“
                 Der Besuch eines Gymnasiums
                 stand nie zur Debatte.             Im Sommer 2019 hielt Jay sein Abitur in der
                                                    Hand.
                 Er absolvierte eine Ausbildung
                 zum Hauswirtschafter. Nach         Aktuell befindet sich er im Bewerbungsver-
                 jahrelangen sexualisierten Ge-     fahren für ein duales Studium bei der Bun-
                 walterfahrungen innerhalb der      desagentur für Arbeit. Die Aussichten sind
    Familie bekam er während eines längeren         sehr gut.
    Klinikaufenthaltes Hilfe durch die zuständi-
    ge Sozialarbeiterin.

    Jay ergriff die Chance, die sich ihm bot, und
    besuchte ab 2016 das Kolleg. Parallel dazu
    traute er sich nun auch, zu seiner Trans-
    sexualität zu stehen, und vollzieht nun die
    operative Umwandlung von einer Frau zum
    Mann.

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PHILIPP (*1993)
Im Alter von 14 Jahren zog Philipp mit sei-                                    „Die Verfol-
ner Familie von NRW nach Berlin, die Quali-                                   gung und Er-
fizierung für die Sekundarstufe II scheiterte                                 mordung der
an einer unglücklichen Zusammensetzung                                        europäischen
der Bewertungen in einem ihm völlig unbe-                                     Juden durch
kannten Berliner Kurssystem.                                                 das national-
                                                                             sozialistische
Er wählte eine Berufsausbildung und schloss     Deutschland“ mitgewirkt – als sprachlicher
2013 den Verkäufer im Einzelhandel ab.          Bearbeiter von Übersetzungen. Dabei wurde
                                                seine Leidenschaft für Sprache und Ge-
Bereits während der Ausbildung musste           schichte verstärkt und der Wunsch, Philolo-
Philipp für seinen Lebensunterhalt dazuver-     gie zu studieren, manifestierte sich.
dienen, da er schon ausgezogen war und
finanziell auf eigenen Beinen stand. Beide      Philipp meldete sich in 2016 am Kolleg an.
Eltern waren damals in Teilzeit berufstätig     Die drei Jahre bis zum erfolgreichen Abitur,
und verdienten wenig. Beide hätten selbst       mit dem Notendurchschnitt 1,6 meisterte er
gerne studiert. Philipps großer Wunsch war      mit Leistungsbereitschaft und hoher Moti-
es, der erste in der Familie zu sein, dem die   vation.
akademische Laufbahn gelingt.
                                                Seit Oktober 2019 studiert er nun Kunst-
Er hatte einige Jahre an dem Buchprojekt        und Bildgeschichte sowie italienische Philo-
                                                logie.

                                                                                               9
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STEFFI (*1989)
                   Steffi wuchs in einer Kleinstadt   nach Berlin. Sie lernte neue, interessante
                  in Brandenburg auf, der Vater       Menschen kennen und begann, über ihr
                  starb vor ihrer Einschulung. Die    Leben nachzudenken. Der Plan, das Abitur
                  Mutter war fortan von Transfer-     nachzuholen wurde konkreter. Der frühe,
                  leistungen abhängig.                überraschende Tod des Partners 2016 nahm
                                                      ihr vorübergehend die nötige Kraft.
                   Steffi schaffte den MSA, die
                  Noten hätten besser sein kön-       Dennoch resümiert sie: „Mir wurde schmerz-
                  nen. Ihre beste Freundin zog sie    haft vor Augen geführt, wie schnell und
                  mit, eine Ausbildung zur Kos-       unerwartet alles vorbei sein kann und dass
                  metikerin zu machen. Obwohl         man tun sollte, was einen glücklich macht.
                  sie fand, dass dieser Beruf nicht   Und da man doch die meiste Zeit in seinem
     zu ihr passt, zog sie die Ausbildung durch.      Job verbringt, sollte es etwas sein, was man
     Der Abschluss 2009 war mehr schlecht als         gerne tut.
     recht. Sie sagt, sie sei schon immer gut
     darin gewesen, sich anderen anzupassen.          2017 meldete Steffi sich am Kolleg an. Sie
     Steffi arbeitete einige Jahre im Verkauf in      verbrachte dort drei inspirierende Jahre,
     der Kosmetikbranche. Der Wunsch nach             entwickelte sich weiter und wurde sich über
     mehr blieb, die Angst davor, Sicherheiten        ihre wirklichen Interessen bewusst. Das
     aufzugeben, hinderte aber noch.                  Abitur legte sie 2020 mit einem sehr guten
                                                      Durchschnitt ab. Seit Oktober studiert sie ihr
     2013 zog sie mit ihrem damaligen Partner         Wunschfach Biologie.

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NIKLAS (*1994)
Niklas, ein junger Mann aus Bayern, hatte                                   Niklas erkannte
eine unspektakuläre Kindheit und Jugend                                     schnell, dass
auf dem Land, mit Eltern die keine Berüh-                                   mehr in ihm
rungspunkte zu einem akademischen Um-                                        steckt, und
feld hatten.                                                                 gewann zuneh-
                                                                             mend Freude
Niklas machte seinen bayrischen Realschul-                                   am Unterrichts-
abschluss und anschließend eine Ausbil-              stoff. Seine Noten waren sehr gut.
dung zum Industriemechaniker und wurde
nach Abschluss von der Firma übernommen.         Das Abitur hat er im Sommer 2020 ge-
So weit – so gut.                                schafft, die nächste Station ist das Studium
                                                 der Forstwirtschaft.
Die monotone Arbeit in der Produktion
hielt Niklas jedoch nicht lange aus. Er reiste   Niklas steht stellvertretend für junge Men-
zusammen mit seiner Schwester nach Aus-          schen aus Arbeiterfamilien, die oft erst nach
tralien. Nach zehn Monaten voller neuer          einer dualen Ausbildung den Weg zum
Eindrücke, gepaart mit „Tatendrang“ und          Abitur finden.
der Erkenntnis, dass er mehr wollte, zog er
mit seiner neuen Freundin nach Berlin und
meldete sich am Kolleg an.

                                                                                                 11
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Die Neuen

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THORNE (*1992)
Einen Großteil seiner Kindheit verbrachte      Seit zwei
Thorne in Italien, sein Italienisch war ent-   Jahren ist er
sprechend gut. Der Umzug zum Vater nach        außerdem
NRW im Alter von zwölf Jahren führte zu        stolzer Vater
schulischen Problemen. Er selbst sagt heute    einer kleinen
darüber: „Ich bin schlicht und einfach nicht   Tochter, die
gern zur Schule gegangen.“                     den Wunsch
                                               nach einer akademischen Ausbildung mit
Nach dem Realschulabschluss trat er in die     stärkt.
Fußstapfen seines Ziehvaters und wurde
Zimmermann.                                    Thorne hat sich im Oktober an der Hoch-
                                               schule für Technik und Wirtschaft für das
Parallel dazu machte er Bekanntschaft mit      Studienfach Computer-Engineering einge-
der Punkszene und fing an, sich für alter-     schrieben!
native Jugendkulturen zu interessieren. Die
Aussicht, bis zur Rente auf dem Bau arbeiten
zu müssen, und das Kennenlernen anderer
Lebensformen veranlassten ihn, nach Ber-
lin zu gehen. Hier meldete er sich dann am
Kolleg an und schloss 2020 sein Abitur mit
der Note 1,4 ab.

                                                                                           15
ADINA (*1989)
                 Adina durchlebte eine Kindheit      Sie floh in Cannabis und Partyleben. An ei-
                 und Jugend, geprägt von der         nen Schulabschluss dachte sie in dieser Zeit
                 Abwesenheit des Vater und           nicht mehr. Sie jobbte wieder und ließ das
                 wechselnden Partnerschaf-           Leben laufen.
                 ten der sehr jungen Mutter.
                 Erschwerend kamen häufige           Als sie schwanger wurde, krempelte sie ihr
                 Umzüge hinzu. Adina fehlte der      Leben um, konsumierte von einem Tag auf
                  Halt.                              den anderen keine Drogen mehr.

                  Nach gewalttätigen Übergrif-       Nach der Geburt ihres Sohnes Fynn 2015
                  fen innerhalb der Patchworkfa-     begann sie, sich nach Bildungswegen zu er-
                  milie zog sie mit 17 Jahren aus.   kundigen, woraus 2018 der Start am Kolleg
     Von Transferleistungen oder Unterstützung       resultierte. Adina stabilisierte sich zuneh-
     durch das Jugendamt wusste sie nichts.          mend und schaffte ihr Abitur mit viel Fleiß
     Sie brach die Schule ab und jobbte für den      und Disziplin.
     Lebensunterhalt.
                                                     Seit September 2020 ist sie stolze Auszubil-
     Es folgte der Versuch einer Ausbildung,         dende zur Bürokauffrau bei der BVG.
     das Gehalt reichte vorne und hinten nicht
     und eine Mieterhöhung ließ Adina in die
     Schuldenfalle tappen. Insgesamt war sie mit
     allem überfordert und ziemlich hilflos.

16
MARIE (*1993)
Marie verbrachte die meisten Lebensjahre                                   Sie meldete sich
auf Rügen. Die Eltern trennten sich und                                    2017 am Kolleg
ihre Mutter zog nach Berlin. Marie folgte ihr                              an.
im Alter von 19 Jahren mit dem Realschul-
abschluss und einer abgebrochenen Ausbil-                                    Aktuell ist
dung in der Tasche.                                                          Marie in der
                                                                         12 Klasse und zur
Sie jobbte im Callcenter und kümmerte sich          Kollegsprecherin gewählt worden! Dem
um ihre Krebskranke Mutter, die nach zwei         Abitur im Sommer 2021 steht nichts mehr
Jahren starb. Im Alter von 21 Jahren stand        im Weg.
sie allein da; nur auf Rügen gab es noch die
Oma.

Marie fiel in ein Loch, brauchte langfristige
psychologische Hilfe und nahm an einem
professionellen Coaching zur Berufsorien-
tierung teil. Hier entwickelte sich schnell der
Wunsch, den in jüngeren Jahren abgebro-
chenen gymnasialen Bildungsweg wieder
aufzunehmen.

                                                                                              17
ANASTASSIA (*1993)
     Anastassia wurde in Russland geboren und                                      zu groß, der
     verbrachte dort die ersten neun Lebensjah-                                    zunehmende
     ren. Die Mutter schaffte es durch Eheschlie-                                 Realitätsverlust
     ßung nach Deutschland, die kleine Tochter                                    der Mutter, die
     im Schlepptau. Ein kompletter Kulturwech-                                    sich in dieser
     sel, eine neue Sprache und sehr veränderte                                   Zeit zur „Geist-
     Lebensbedingungen waren die Folge. Anas-                                     heilerin“ ausbil-
     tassia lernte Deutsch, bekam einen kleinen     den ließ, forderten ihren Tribut.
     Bruder und erlebte eine strenge patriarcha-
     lische Erziehung.                              Es folgte der Zusammenbruch. Anastassia
                                                    begab sich in psychotherapeutische Be-
     Die Ehe der Mutter hielt nicht lange und       handlung und ordnete ihr Leben von Grund
     Anastassia fand sich im Alter von 14 Jah-      auf neu.
     ren in der Rolle der familiären Organisa-
     torin wieder. Die Mutter sprach kein Wort      Sie zog aus der niedersächsischen Klein-
     Deutsch, machte Schulden und überließ der      stadt nach Berlin, meldete sich am Kolleg an
     Tochter die Regelungen mit den Gläubigern.     und belohnt ihren Fleiß und ihren Vorsatz,
                                                    nicht wegen mangelnder Disziplin am Abi-
     Anastassia blieb auf der Strecke, machte       tur zu scheitern, mit sehr guten Noten.
     einen mittelmäßigen Realschulabschluss,
     begann eine Ausbildung, die sie nicht been-
     dete. Die häuslichen Belastungen waren

18
NEUBEGINN IN DEUTSCHLAND

Zunehmend haben wir motivierte, leistungs-    Sprachkursen ihren Weg in die Ausbildun-
bereite junge geflüchtete Stipendiat*innen    gen finden. Die Integrationsbereitschaft und
im Programm. Es ist die Generation der un-    der Lernwille sind hoch, denn sie sehen ihre
begleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die   berufliche Zukunft in Deutschland.
nach erfolgreichen Schulbesuchen und

                                                                                             19
AZIZ (*1994)
     „Mein Name ist Aziz, ich bin in Afghanistan                               gemacht, da-
     geboren. Dort habe ich bis zur 10. Klasse                                  durch habe ich
     die Schule besucht. In Kabul habe ich allei-                               sehr nette Men-
     ne mit meinem Onkel gewohnt und wollte                                     schen kennen-
     nach der Schule Medizin studieren.                                         gelernt. Außer-
                                                                                 dem hatte ich
     Leider konnte ich aus politischen Gründen                                   großes Interes-
     nicht mehr in Afghanistan bleiben. Ich bin     se, in dem Pflegebereich zu arbeiten.
     in den Iran geflüchtet. Dort habe ich zwei
     Jahre gelebt und als Bauer und Maler ge-       Deswegen mache ich momentan eine Aus-
     arbeitet. Nach zwei Jahren bin ich über die    bildung als Altenpfleger. Es macht mir sehr
     Türkei nach Griechenland, nach Österreich      Spaß, mit Menschen zu arbeiten. Ich möchte
     und endlich nach Deutschland geflüchtet.       gerne meine Ausbildung erfolgreich absol-
                                                    vieren. Nach der Ausbildung möchte ich
     Als ich in Deutschland angekommen bin,         gerne in diesem Bereich weiter in Deutsch-
     durfte ich nicht zur Schule gehen, weil für    land arbeiten.“
     Afghanen ein Deutschkurs verboten war.
     Aber ich habe nie aufgegeben und es im-        Aziz hat im Oktober 2020 sein zweites
     mer weiter versucht. Als ich gehört habe,      Ausbildungsjahr erfolgreich geschafft. Der
     dass wir zur Schule gehen dürfen, habe         staatlichen Anerkennung als Altenpfleger im
     ich sechs Monate Deutsch gelernt. Danach       nächsten Jahr steht nichts im Wege.
     habe ich eine Maßnahme bei Vivantes

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FARAH (*1995)
Ihre Eltern flüchteten in den 80er Jahren aus     Fleiß und Leistungsbereitschaft die Aufnah-
Afghanistan in den Iran. Farah wurde dort         me am Kolleg.
geboren und wuchs illegal auf. Das bedeu-
tete auch, dass ihre Eltern nur illegal arbei-    Mit dem Zeugnis der 12. Klasse legte sie
ten konnten.                                      uns bereits einen Notendurchschnitt von 1,3
                                                  vor!
Die Schule konnte sie nur besuchen, da ihre
Eltern dafür zahlten. Farah beendete die          Ihrem Ziel, Pharmazie zu studieren, kommt
Schule nach der 10. Klasse, zusätzlich beleg-     sie jeden Tag ein Stückchen näher.
te sie Englisch- und Computerkurse.

2013 lernte Farah ihren heutigen Partner
kennen. Nach der Geburt der Tochter (2014)
im Iran, wurde es immer deutlicher, dass ein
Leben in der Illegalität für die kleine Familie
auf Dauer nicht möglich sein würde. Nach
einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei
begann der lange Weg nach Deutschland
mit der damals zweijährigen Tochter. Im
August 2016 kamen sie nach Berlin.

Farah erreichte 2018 mit sehr viel Disziplin,

                                                                                                21
Dr. Dieter und Evelyn Schultze-Zeu mit IKAROS-Stipendiat*innen

     SPENDENKONTO

     GLS-Bank                                               Das IKAROS-Stipendium wird vollständig
     IBAN DE 40 4306 0967 1115 5550 00                      aus Spenden finanziert. Helfen auch Sie mit
     Stichwort „IKAROS“                                     einer Spende und ermöglichen Sie einem
                                                            jungen Menschen eine bessere Zukunft!

22
Herzlichen Dank an alle
         Unterstützer*innen!
                                            „Es gibt in unserer Gesellschaft viele Men-
                                            schen, die einfach Pech gehabt haben. Ich
                                            meine, sie haben das Recht auf eine zweite
                                            Chance, dann, wenn sie erkennen, dass es
                                            auch anders geht.“

                                            „Sich am eigenen Zopf aus der Misere zu
                                            ziehen, ist wahnsinnig schwer. Und genau
                                            dabei will ich helfen.“

                                            Außerdem danken wir der Beisheim Stif-
                                            tung, der KEMIS Stiftung und der Wilhelm
Großer Dank gebührt Dr. Dieter Schultze-    Frida Bauer´sche Stiftung sowie vielen wei-
Zeu, dem Initiator und großzügigen Förde-   teren Spenderinnen und Spendern für ihre
rer des IKAROS-Stipendiums.                 Unterstützung!

                                                                                          23
Herausgeberin Kreuzberger Kinderstiftung gAG |
Redaktion Petra Billecke, Sandra Finesso | Layout
Sandra Finesso

Bildnachweise S. 20 (u.l.), 22: Christian Junge-
blodt, S. 23: Carsten Krüger, weitere Bilder: Archiv
KKS, privat

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