DAS KUNSTWERK DES MONATS APRIL 2023 - JULIAN KLEIN VON DIEPOLD, ALTE BURG (FÖRSTEREI) BEI BERUM, 1922/23
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DAS KUNSTWERK DES MONATS APRIL 2023 JULIAN KLEIN VON DIEPOLD, ALTE BURG (FÖRSTEREI) BEI BERUM, 1922/23
JULIAN KLEIN VON DIEPOLD ALTE BURG (FÖRSTEREI) BEI BERUM 1922/23 Öl auf Leinwand Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg Inv. 10.531 Marcus Kenzler Am 14. Dezember 1941 eröffnete der Oldenbur- Liebermann – Gurlitt – Klein von Diepold ger Kunstverein im Augusteum die dritte „Gro- ße Gauausstellung Weser-Ems“, die bis zum 11. Im März 1943 wurde mit dem um 1920 entstan- Januar 1942 insgesamt 188 Arbeiten aus den denen Gemälde „Sommertag in der Marsch“ ein Kategorien Malerei, Grafik, Plastik und Kunst- weiteres Werk von Julian Klein von Diepold für handwerk von 78 Künstlerinnen und Künstlern die Sammlungen des Landesmuseums erwor- aus der nordwestdeutschen Region präsen- ben, das allerdings formal weniger progressiv ist tierte. Ideologisch inszenierte, repräsentative als die „Alte Burg“. Finanziert wurde der Ankauf Verkaufsschauen dieser Art wurden im Rahmen der beiden Gemälde über den außergewöhnli- der jährlich stattfindenden Gaukulturtage und chen Verkauf des Gemäldes „Reiter am Strand“ -wochen in allen NS-Verwaltungsgebieten des von Max Liebermann, der bis heute angesichts Deutschen Reichs, den sogenannten Gauen, der besonderen Umstände Beachtung findet: gezeigt – mit dem Ziel, die nationalsozialisti- Die 1909 von Liebermann im südholländischen sche Kunst-, Kultur- und Weltanschauung zu Noordwijk gemalte Strandszene war durch die vermitteln. Angesichts ihrer propagandistischen Vermittlung des Kunsthistorikers Gustav Pauli Bedeutung wurde die Ausstellung Anfang 1942 (1866–1938), damaliger Direktor der Kunsthalle auch in Groningen in den besetzten Niederlan- Bremen, nach Oldenburg gelangt und 1914 vom den gezeigt. Ganz im Sinne der obligatorischen Galerieverein erworben worden. Das neu eröff- Heimatpflege erwarb das Landesmuseum nete Landesmuseum präsentierte das Gemälde Oldenburg mehrere Arbeiten aus dieser Gau- ab 1923 als Teil der „Galerie der Moderne“ im ausstellung, darunter Marie Meyer-Glaesekers Oldenburger Schloss, wo es die nationalsozialis- „Selbstbildnis“ von 1941 und ihr zuvor entstande- tische Beschlagnahmeaktion „Entartete Kunst“ nes Stillleben „Blühende Calla mit rotem Stuhl“. von 1937 unbeschadet überstand, obgleich die Auch das bereits 1922/23 entstandene Gemälde Werke des jüdischen Malers Liebermann, der mit „Alte Burg (Försterei) bei Berum“ des ostfriesi- einem Mal- und Ausstellungsverbot belegt wor- schen Landschaftsmalers Julian Klein von Die- den war, auf dem Index der braunen Machtha- pold (1868–1947) befand sich unter den Ankäu- ber standen. Zwischen 1938 und 1940 gehörte es fen. Die Tatsache, dass dieses mit expressivem sogar zur Ausstattung des „Radetzky-Zimmers“ Duktus gemalte und in seiner Farb- und Licht- im Oldenburger Schloss, das als repräsentatives wirkung impressionistisch angelegte Gemälde Besprechungszimmer für NS-Funktionäre einge- in der Gauausstellung präsentiert und vom richtet worden war. Im Frühjahr 1940 ordnete der Landesmuseum erworben wurde, ist durchaus oldenburgische Minister der Kirchen und Schulen bemerkenswert. Dem biederen und antiquierten Julius Pauly jedoch die umgehende „Abstoßung“ nationalsozialistischen Kunstgeschmack wird es des Liebermann-Bildes an. So kam eine Anfrage nicht entsprochen haben – ausschlaggebend des Hamburger Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt war wohl eher die ideologische Vereinnahmung (1895–1956) im Juni 1941 durchaus gelegen, der Klein von Diepolds als „Heimatkünstler“, der als im Auftrag eines Kunden nach „bedeutenden „Maler Ostfrieslands“ hohes Ansehen genoss. Bildern von Liebermann“ suchte. Der Handel mit ‚jüdischer‘ Kunst war zu dieser Zeit eigentlich be- reits untersagt, allerdings konnte Gurlitt als einer
der einflussreichsten Kunsthändler des „Dritten imposanten Residenz der ostfriesischen Häuptlinge Reichs“ über deutlich weitere Handlungsspielräu- und Grafen im Landkreis Aurich, etwa sechs Kilometer me verfügen. So verließ der „Reiter am Strand“ östlich von Norden, hinter einem doppelten Ring- im Juli 1941 als letztes Gemälde eines jüdischen graben schützte. Die alte Häuptlingsburg war unter Künstlers die Sammlung des Landesmuseums dem ersten Grafen Ostfrieslands, Ulrich I., und später und wurde von Gurlitt an einen Hamburger Versi- unter Graf Edzard II. und Fürstin Christine Charlotte cherungskaufmann vermittelt. Mit dem Erlös des erheblich erweitert und im frühen 18. Jahrhundert zu Liebermann-Bildes in Höhe von 5.400 Reichs- einer repräsentativen, vierflügeligen Schlossanlage mark erwarb das Landesmuseum in den folgen- ausgebaut worden. Die künstlerischen Ansichten der den Jahren die beiden Werke Klein von Diepolds. Vorburg befinden sich heute in den Sammlungen des Landesmuseums Oldenburg, der Ostfriesischen Von Düsseldorf über Antwerpen und Italien Landschaft und der Stadt Emden. Die Oldenburger nach Norderney Variante zeigt lediglich den rechten Abschnitt der Vorburgfassade mit dem barocken Eingangsportal, Der „Maler der glühenden Farben“ Julian Klein der linke Teil mit Turm bleibt dagegen verborgen. von Diepold entstammte einer kunstaffinen Auffallend und gleichermaßen reizvoll ist das kräftige Familie, der Vater war als Historien- und Port- Leuchten der pastos aufgetragenen Farbe und der rätmaler tätig und hatte großen Einfluss auf die impulsive, expressionistisch anmutende Duktus, der künstlerische Entwicklung des Sohnes, die Mut- dieser beschaulichen Landschaftsidylle Lebendigkeit ter war eine anerkannte Dichterin. Nach seinem und emotionale Kraft verleiht. Unverkennbar sind hier Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie bei die Einflüsse van Goghs und Corinths. Offenkundig Hugo Crola und Peter Janssen wechselte Klein zutage tritt Klein von Diepolds Studium der impres- von Diepold 1888 an die international renom- sionistischen Freiluftmalerei und die Faszination mierte Königliche Akademie der Schönen Künste für die mediterranen Lichtverhältnisse, die hier ihre in Antwerpen, die kurz zuvor auch von Henry Van Entsprechung finden: Die Berumer Vorburg wird von de Velde und Vincent van Gogh besucht wor- hellem Sonnenlicht beschienen, das das ockerfarbe- den war. Er unternahm zahlreiche Reisen durch ne Mauerwerk, die roten Dachziegel und das satte Belgien und Frankreich, machte sich mit der Grün der umgebenden Vegetation erleuchten und Pleinair-Malerei des französischen Impressionis- stimmungsvolle Helldunkelkontraste entstehen lässt. mus vertraut und lebte ab 1893 an der Riviera, in Bemerkenswert ist auch die gekonnt in Szene ge- Florenz, Rom und Genua. Er heiratete die Italie- setzte Spiegelung der expressionistisch ausgeführten nerin Ida Bianchi, verdiente sich als Porträtist des Fassade in der Wasseroberfläche des Grabens am italienischen Adels und studierte die italienische vorderen Bildrand. Landschaft, wobei ihn die besonderen Licht- und Die „Alte Burg bei Berum“ dient als Beleg dafür, dass Luftverhältnisse und die intensive Mittelmeer- es dem vielgereisten und weltgewandten Julian Klein sonne besonders interessierten. Nachdem er 1914 von Diepold gelungen ist, als „Maler Ostfrieslands“ nach Berlin übergesiedelt war und sich ausgiebig beeindruckende Landschaftsbilder zu schaffen, ohne mit den Positionen deutscher Impressionisten dem Stil einer provinziellen Heimatmalerei zu verfal- wie Liebermann und Corinth auseinandergesetzt len. hatte, besuchte er 1919 erstmalig Ostfriesland, dessen weite Landschaft ihn an Flandern erin- nerte und nachhaltig beeindruckte. Er bereiste in den folgenden Jahren wiederholt die Regi- on, malte zahllose Landschaftsbilder und lernte Margarethe Iderhoff kennen, die einer ostfriesi- schen Häuptlingsfamilie entstammte. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau heiratete er Margarethe und siedelte mit ihr nach Norderney über, wo er bis zu seinem Tod lebte. Die stimmungsvolle Inszenierung der ostfriesi- schen Residenz Zu Beginn der 1920er Jahre malte der passi- onierte Landschaftsmaler Klein von Diepold mindestens drei Ansichten der mächtigen „Vor- burg Berum“, die den Westflügel der ehemals Die „Vorburg Berum“ heute
Abbildungen © Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, Sven Adelaide Niedersächsische Landesmuseen Oldenburg Damm 1 · 26135 Oldenburg Telefon (0441) 40570 400 info@landesmuseum-ol.de www.landesmuseum-ol.de
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