DAS LEBEN MIT DER KRANKHEIT - Systemische Sklerose Betroffene für Betroffene - Sclerodermie.ch
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Virginie Schnyder EIN GUTES LEBEN MIT SYSTEMISCHER SKLEROSE «Ich bin Virginie Schnyder. Ich bin 42 und lebe offiziell seit zwanzig Jahren mit systemischer Sklerose.» Mit einem strahlenden Lächeln und voller Energie eröffnet sie das Gespräch. Virginie Schnyder – betroffen von systemischer Sklerose Als wäre ich auf dem Mond. Ich habe alles erreicht, was ich K wollte. V Krank war Virginie Schnyder schon seit je- her. In der Adoleszenz litt sie unter starker irginie Schnyder entschied sich, auf ei- Müdigkeit und wiederholten Erkältungen gene Kinder zu verzichten. «Wie könnte mit Angina. Das waren aus heutiger Sicht ich für ein Kind sorgen, wenn ich selbst vermutlich erste Symptome der systemischen Sklerose. vielleicht auf Hilfe angewiesen wäre?» Drei Jahre lang lebte sie mit Kreislaufproblemen, bevor Sie konzentrierte sich stattdessen auf ihre berufliche sie im Jahr 2000 einen Gefässspezialisten aufsuch- Laufbahn. Ausgebildet in Marketing träumte sie da- te. Er eröffnete ihr, dass sie möglicherweise an dieser von, Designerin zu werden. Ihrem Motto folgend «Ich Krankheit leide. 2001 bestätigte sich der Verdacht. will ausprobieren, worauf ich Lust habe», zog sie nach Dass sie auf diesem Weg zur Diagnose kam, ist typisch Italien und studierte dort Design. «Ich konnte davor bei einer so seltenen Krankheit wie der systemischen kein Italienisch. Ich lebte mit systemischer Sklerose. Sklerose. Nur wenige Ärzte sind mit ihr vertraut und Und ich schloss mein Studium trotz allem erfolgreich beziehen sie in ihre Abklärungen ein. ab.» Anschliessend arbeitete sie drei Jahre in Paris – ein berufliches wie persönliches Abenteuer. Die «So jung und eine solche Diagnose auf dem Tisch: Krankheit verlief ruhig und behinderte sie nicht in ih- Das fühlte sich so unwirklich an, als wäre ich auf dem rem Tun. Ab 2011 musste sie sich jedoch intensiver Mond.» Sie realisierte, dass ihr Leben ganz anders ver- mit ihrer Krankheit befassen. Deshalb kehrte sie in die laufen würde als das von Gleichaltrigen. Doch die Dia- Schweiz zurück. Heute arbeitet sie 50% in der inter- gnose löste in ihr eine unbändige Lebenslust aus. «Ich nen Kommunikation eines Unternehmens. «Mein Ar- wollte alles ausprobieren, worauf ich Lust hatte.» Diese beitgeber unterstützt mich voll und ganz. Ich bin ihm positive Haltung erwies sich als ihr bestes Medikament dankbar dafür.» Die Arbeit ist für sie wichtig, sogar auf ihrem weiteren Weg. Das ahnte sie damals, und unerlässlich. Dadurch bleibt ihr Alltag sinnvoll. Der das hat sich bis heute bestätigt. Kontakt mit den anderen im Betrieb ist dabei beson- ders wertvoll für sie.
Jede lebt mit einer eigenen Version Behandlungen mit Infrarotlicht, einer in den USA be- « der Sklerodermie. kannten Therapie. Überrascht stellte sie beim Aus- probieren fest, dass es ihr half. Dank dieser Therapie 2001 gab es in der Schweiz keinerlei Infor- heilen die Wunden an ihren Fingern nun schneller, mationen über diese rare Krankheit». Virginie und es entstehen weniger neue. Schnyder erlebte auch die Therapien als we- nig erfolgreich. Ohne Vorwurf stellt sie fest: «Ich Ich kam mir oft vor wie ein kam mir oft vor wie ein Versuchskaninchen.» Versuchskaninchen. Während ihrer Auslandaufenthalte hatte sie die lokale Gesundheitsversorgung kennengelernt. In Ita- Eine Frage trieb sie um: «Warum leide ausge- lien waren Mehrbettzimmer üblich. Dort traf sie zum rechnet ich an Sklerodermie? Die Krankheit verhärtet ersten Mal auf andere Betroffene. Sie beobachtete, meine Haut – dabei bin ich doch eine weiche Person. dass die Krankheit bei jeder Person unterschiedlich Die Krankheit führt zu depressiven Zuständen – ich verläuft. Dort verstand sie: «Was für mich funktioniert, bin doch ein sonniger Mensch.» In der Auseinan- funktioniert für andere nicht zwingend – und umge- dersetzung mit all dem führte sie über die Jahre zu kehrt. Darum ist es wichtig, mit der eigenen Form der einem inneren Frieden: «Heute akzeptiere ich meine Krankheit vertraut zu werden. Die Sklerodermie soll Krankheit.» Ebenso pflegt sie bewusst alles Positive sich meinem Leben anpassen.» Sie findet immer kre- in ihrem Leben. ative Lösungen für sich, und jeder Tag ist ein neues Abenteuer. Wo sind meine Grenzen? « O Ich will meine Krankheit verstehen. bwohl bei Virginie Schnyder die inneren Organe nicht schwer betroffen sind, ist Wie kann es sein, dass eine Krankheit viele sie von den Krankheitsfolgen schwer be- Jahre ruhig verläuft und von heute auf mor- einträchtigt. Man sieht ihr die Krankheit gen so heftig wird, dass sie jeden Tag Thema an. Seit Beginn verkürzen sich ihre Lippen, und seit ist? Wie kommt es, dass jedes Jahr zur glei- 2014 verformen sich zusätzlich ihre Hände. Sie lebt chen Zeit am selben Finger eine Wunde entsteht?» mit ständigen Schmerzen. Letztes Jahr war für sie Solche Fragen brachten Virginie Schnyder dazu, belastend, sie war häufig im Spital. «In der Schweiz sich intensiv mit Autoimmunkrankheiten zu befas- gibt es die Möglichkeit, bei einer degenerativen sen. Sie recherchierte Therapien und Methoden zur Krankheit ‹stopp› zu sagen.» Gerade wenn man das Regulierung von gestörten Körperprozessen und Leben liebt, will man sich vielleicht nicht damit ab- wandte diese systematisch an. Dazu gehörten etwa finden, dass es einem Stück für Stück genommen Biofeedback, Achtsamkeit und Mikronährstoffe. Ihre wird. Der Krankheitsverlauf liess ihr die Zeit, sich zu Mehrsprachigkeit und ihre Ausdauer kamen ihr da- fragen: Was ist das Leben? Was ist der Tod? Und: Will bei zugute. Für eine hyperbare Sauerstoff-Therapie ich so weiterleben? zum Beispiel absolvierte sie über hundert Sitzungen mit acht anderen Patienten in einer Druckkammer. Virginie Schnyder hat sich für das Leben ent- Leider verbesserte die Therapie ihre gestörte Durch- schieden. «Das Leben mit allem, was dazu gehört, blutung zu wenig. Ab 2014 nahmen die Hautwun- auch mit meiner systemischen Sklerose.» Der Alltag den extrem zu. 2016 musste sogar ein Fingerglied bleibt schwierig. Trotzdem erlebt sie jeden Tag von amputiert werden. Dann entdeckte sie Studien über Neuem: «Es ist ein Glück, am Leben zu sein.»
Für Neubetroffene gibt es Der Arzt, der Virginie Schnyder damals ihre Di- « Hoffnung. agnose bestätigt hatte, gab ihr maximal zwölf Jahre. «Nach zwanzig Jahren bin ich immer noch hier.» Zu Wenn heute jemand jung die Diagnose ‹sys- ihrer Freude fand sie im Internet Betroffene, die seit temische Sklerose› erhält, möchte ich, dass dreissig oder vierzig Jahren mit systemischer Sklero- er oder sie weiss: Es gibt konkrete Hoff- se leben. Neubetroffene ermutigt sie: «Die Krankheit nung.» Anders als vor zwanzig Jahren gibt es kann sogar unsere Lebenslust entfachen.» umfangreiches Wissen über die Krankheit und die Therapien. Spezialisten aus der Schul- und Komple- Virginie Schnyder ist ein inspirierendes Vorbild, mentärmedizin arbeiten mit Patienten auf Augenhö- wie man krank und dennoch lebensfroh sein kann. he zusammen. Betroffene geben ihre Erfahrungen Sie ist zuversichtlich, dass die systemische Sklerose weiter, etwa in der Schweizerischen Vereinigung eines Tages heilbar sein wird. «Für mich glaube ich Sklerodermie-Betroffener SVS. Die Grundlagen- und nicht mehr an das Wunder einer Heilung. Das Leben Therapieforschung läuft. Betroffene und Angehörige an sich ist für mich das Wunder.» erhalten auf Wunsch umgehend psychologische Hilfe. Dr. Annette Kindlimann PC-CH-101719 Respiratory Für mich glaube ich nicht mehr an das Wunder einer Hei- lung. Das Leben an sich ist für mich das Wunder.
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