Akut- und chronische Schmerztherapie in der Wundbehandlung - Luzerner Wundtag, 25. April 2018 - Luzerner Kantonsspital
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Akut- und chronische Schmerztherapie in der Wundbehandlung 13. Luzerner Wundtag, 25. April 2018 Dr. med. Katrin Meyer Schöniger
Themen § Handlungsempfehlungen/ Guidelines Wundschmerztherapie § Schmerzerfassung/ Definition Schmerz § Schmerzformen § Analgetika/ Coanalgetika § Schmerztherapie bei Verbandwechsel/ Reservemedikation § Medikation bei chronischen Schmerzen § Interventionelle Schmerztherapie im stationären Setting: Fallbeispiel 3
Definition Schmerz: Weltschmerzorganisation, International Association for the Study of Pain (IASP) „ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potentieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird"
Frage 1: Wieviel Prozent der chron. Wundpatienten leiden unter Schmerzen? a. 0-20% b. 20-40% c. 40-60% d. 60-80% 8
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Universitätsspital Basel 12
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14 ewma.org 2002
Definition Schmerz „Schmerz ist ein komplexes und subjektives Wahrnehmungsphänomen, das von physiologischen, psychologischen, emotionalen und sozialen Faktoren beeinflusst wird.“ Bio-Psycho-Soziales Modell 15
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„Das Geheimnis der Medizin besteht darin, den Patienten abzulenken während die Natur sich selber hilft.“ Voltaire
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Lokale Massnahmen § Lidocain 1%-2%, vor dem Verbandswechsel für 30-60min. lokal § 1/2 Stunde vor Verbandwechsel Sog stoppen, Lidocain in den Schaumstoff des VAC spritzen § Morphin Gel lokal § Ibuprofen dressings 19
Schmerzformen Nozizeptiver Schmerz Muskuloskelettaler Schmerz Neuropathischer Schmerz Viszeraler Schmerz Funktionelle Beschwerden, Psychosomatisch? Mixed Pain Widespread Pain
WHO Stufenschema + Lokalanästhetika
23 Handlungsanleitung Wundmanagement, Spitex Stadt Luzern, September 2015
Stufe 1 Analgetika § Paracetamol § Metamizol § nicht-steroidale Antirheumatika 24
Wirksamkeit Nichtopioid-analgetika § Paracetamol: NNT 3,7 für 500mg, NNT 3,5 für 1000mg § NSAR: Ibuprofen NNT 2,7 für 200mg, NNT 2,4 für 400mg § Metamizol: vergleichbar mit NSAR, NNT 2,4 für 500mg, höhere Dosen sind wirksamer als tiefere § Opioid plus Paracetamol: deutlich grössere Wirksamkeit gegenüber Paracetamol oder Opioid alleine § Opioide: deutlich steilere Dosis-Wirkungskurve: Morphin 10mg im. NNT ca. 3, 20mg im. NNT 1,5 25
Hemmung COX 1 und COX 2
NSAR: gastrointestinale Nebenwirkungen §Guidelines American College of Gastroenterology, 2009
NSAR: renale Nebenwirkungen (UpToDate) 28
NSAR: kardiovaskuläres Risiko 29
31 Handlungsanleitung Wundmanagement, Spitex Stadt Luzern, September 2015
Frage 2: gesunder Patient, NRS 4-5, Schmerztherapie postoperativ nach VAC-Wechsel abdominal? a. Paracetamol b. Metamizol c. NSAR d. Kombination von Stufe 1 Analgetika e. Tramadol f. Stufe 1 plus Opioid kurzwirksam in Reserve g. Opioid langwirksam 32
Frage 3: 80-jähriger Patient, art. HT, KHK, Diabetes, NRS 4-5, Schmerztherapie postoperativ nach VAC Wechsel abdominal? a. Paracetamol b. Metamizol c. NSAR d. Kombination von Stufe 1 Analgetika e. Tramadol f. Stufe 1 plus Opioid kurzwirksam in Reserve g. Opioid langwirksam 33
Frage 4: 80-jähriger Patient, art. HT, KHK, Diabetes, NRS 7-8, Schmerztherapie postoperativ nach VAC Wechsel abdominal? a. Paracetamol b. Metamizol c. NSAR d. Kombination von Stufe 1 Analgetika e. Tramadol f. Stufe 1 plus Morphin kurzwirksam in Reserve g. Stufe 1 plus Oxycodon kurzwirksam in Reserve h. Morphin langwirksam und in Reserve i. Oxycodon langwirksam und in Reserve 34
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Opioide: Vorteile • keine Endorgantoxizität • individuelle Therapie möglich • breite Palette an Substanzen und Verabreichungsformen • Retardpräparate • Schnell wirksame Präparate (Onkologie)
Opioide: Nebenwirkungen • Obstipation 16%: keine Toleranzentwicklung, Laxantien geben • Übelkeit 15%: vor allem bei Beginn, Toleranzentwicklung hilft • Schwindel 8% • Somnolenz 9%: Toleranzentwicklung hilft • Erbrechen 5% • Hautprobleme 4% (trockene Haut, Juckreiz) • Verwirrtheit/ Dysphorie: ausreichende Hydrierung sicherstellen, Kreatininkontrolle • Atemdepression: bei Schmerzen idR. kein Problem • Myoklonien: Behandlung mit Clonazepam (Rivotril) • Harnretention (anticholinerge Effekte) • Abhängigkeit/ Suchtgefahr: bei Einsatz als Analgetikum idR. unproblematisch • verminderte kognitive Leistungsfähigkeit: vor allem am Anfang der Therapie, Toleranzentwicklung hilft (Cave Komedikation und Komorbidität!) • Sturzrisiko: Rigidität der quergestreiften Muskulatur (Ausnahme Buprenorphin)
Welches Opioid? • Erfahrung des Arztes • Alter des Patienten • Nierenfunktion/ Leberfunktion? • Komorbiditäten • Komedikation • andere (Genetik)
Opioide bei Niereninsuffizienz plus: Oxycodon (vorwiegend über Leber metabolisiert) 39
Codein 40
Tramadol 41
Prinzip Basis und Reservemedikation Reservemedikation: 1/6 - 1/10 der Basismedikation
43 Handlungsanleitung Wundmanagement, Spitex Stadt Luzern, September 2015
konkret: Vorschlag Reservemedikation § wenn immer möglich per os § subkutane Gabe wenn möglich vermeiden, schlecht steuerbar, Aufnahme sehr individuell § Morphin Tropfen § Oxycodon per os § Buprenorphin sl. § Fentanyl buccal 44
Pethidin? 45
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Interventionelle Schmerztherapie Fallbeispiel: männlicher Patient, 45jährig 1. Wundheilungsstörung Vorfussstumpf rechts mit Infekt bei PAVK Stadium IV rechts und Bypassverschluss - 12/2009: popliteo-poplitealer Venenbypass rechts bei mykotischem, thrombosiertem Poplitealaneurysma nach Drogeninjektion - 01/2010: Thrombolyse und PTA des popliteo-poplitealen Venenbypass bei Bypassfrühverschluss - 01/2014: Aneurysmaresektion und Venenpatchplastik bei sacculärem Aneurysma des Venenbypass rechts - 01/2017: Bypassverschluss mit distaler Embolisation in die Unterschenkelarterien bei erneutem teilthrombosiertem Bypassaneurysma, intraarterielle Thrombolysetherapie - 01/2017: Neuanlage popliteo-poplitealer Venenbypass mit V. saphena magna von links - 02/2017: Rezidiv-Bypassverschluss bei Bypassstenose, Katheterlysetherapie und PTA der Bypassstenose - 13.06.2017: Rezidivbypassverschluss im Stadium PAVK IIb, konservative Therapie mit Ilomedin - Nekrosektomie 12.08.2017: Wachstum von Pseudomonas aeruginosa - 18.08.2017: Femoro-cruraler Venenbypass auf die blockierte A. tibialis anterior rechts (Vena saphena magna reversed vom linken Unterschenkel proximal End-zu-End AFS, distal End-zu-Seit ATA) und transmetatarsale Vorfussamputation - Verschluss Venenbypass ED 23.10.2017 2. Hepatitis C - St. n. iv Drogenabusus - Virämie nicht nachweisbar 01/2017 47
Verlauf Therapien 1. Revision Amputationsstumpf Vorfuss rechts 20.10.2017 2. Wunddébridement und Anlage eines VAC-Verbandes Fuss rechts 30.10.2017 mit nachfolgendend regelmässigen VAC-Wechseln 3. Vorfussnachamputation und Wundverschluss rechts 06.11.2017 4. Modifizierte Lisfranc-Amputation rechts 28.11.2017 5. Unterschenkel-Amputation nach Burgess rechts 13.12.2017 Antibiotika 24.10.-31.10.2017 Piperqacillin/Tazobactam 31.10.- 09.11.2017 Co-Amoxicillin 09.11.-04.12.2017 Nopil forte 48
Schmerztherapie: Bei Visite Pat. unruhig und schmerzgeplagt. Er berichtet seit 2 Tagen Schmerzen (7-8/10) im Bereich des Fusses zu haben, welche schlecht auf die bereits verordnete orale Schmerztherapie ansprächen. Zur Ueberbrückung der Zeit, bis Kapazität für das Legen eines PNK bestehen: Erhöhung der Targindosis auf 2x 30/15 sowie Anlegen einer iv-Mo-PCA 1,5 mg/5`. Pat. ist für dist. Ischkath. aufgeklärt und wird bei Kapazitäten im OPs aufgeboten. Aktuell ist der Sz besser (5-6/10) Analgetika: Targin im Verlauf erhöht bis 50/25 1-0-1, Morphin/Ketamin PCA 1.5mg alle 5min, Lyrica 200mg 1-0-1, Catapresan 75mg 1-0-1 mg Schmerz-Katheter: Dist. Ischiadicus Katheter: 22.10.-30.10.17, 30.10.-31.10.17 (disloziert), 31.10.-16.11.17, 29.11.-5.12.2017 Femoralis Katheter: 30.10.- 3.11.17 Saphenus Katheter: 24.11.- 11.12.2017 49
distaler Ischiadikuskatheter 50
erweiterte interventionelle Massnahmen 13.11.2017: CT gesteuerte Sympathikolyse nicht möglich, da Patient nicht 3 min ruhig/flach liegen kann. 15.11.2017: morgen Sympathikolyse mit Anästhesie/durch Anästhesie, zunächst Versuch mit Lokalanästhesie und bei Gelingen mit Alkohol. 16.11.2017: BV gesteuerte diagnostische Sympathikolyse unter Sedation 24.11.2017: CT-gesteuerte therapeutische Sympathikolyse 51
Lumbale Sympathikusblockade Höhe L2 rechts Applikation von 10m Chirocain 0,5% 52
Verlauf, Eintrag Schmerzvisite 17.11.2017: Patient hatte gestern eine gute Nacht verbracht, zwar viel die PCA gedrückt (94/95) Boli, konnte aber das Bein länger gerade halten (für ca.10 min) und die Schmerzattacken sind ausgeblieben. VAS in Ruhe 4-5. Bein aus dem Bett hängen: VAS 2-3. Pat. ist insgesamt recht zufrieden. 18.11.2017: Patient ist mit der momentaner Schmerztherapie zufrieden. 13.00 Uhr: Patient hat eine akute Schmerzattacke. 24.11.2017: Patient gibt weiterhin starke Schmerzen in der Nacht an (Horror-Nacht). 53
Sympathikolyse lumbal rechts auf Höhe LWK 3 mit Applikation von 8 ml eines Gemisches von C2 96% : Rapidocain 1% : Iopamiro im Verhältnis 8 : 1 : 1. regelrechte Verteilung des Gemisches retrokaval. 54
Verlauf Modifizierte Lisfranc-Amputation rechts am 28.11.2017 Unterschenkel-Amputation nach Burgess rechts am 13.12.2017, chirurgisch eingelegter Ischiadikuskatheter vom 13.-19.12.2017. Neu Saroten 25mg abends. PCA gestoppt am 16.12.2018 Austritt in Reha am 27.12. mit Targin 20/10mg 1-0-1, Lyrica 200mg 1-0-1, Saroten 25mg 0-0-1, Novalgin 500mg 2-2-2-2, Dafalgan 1gr. 1-1-1-1 Verlaufskontrolle vom 13.3.2018: Nach Unterschenkelamputation ist der Stumpf mittlerweile perfekt abgeheilt. Die Analgesie mit Opiaten ist beendet, lediglich Lyrica wird noch in der Dosis 2 x 50 mg eingenommen und wird über die nächsten Wochen ausgeschlichen. 55
Take Home Message § Schmerzen ernst nehmen § Schmerzen erfassen und dokumentieren § Individuelle Therapie angepasst an Komorbidäten und individuelle Situation des Patienten § Medikation wenn immer möglich per os § Kein Pethidin! § im stationären Setting an regionalanästhesiologische Optionen denken § Multimodaler Therapieansatz 56
Anhang 57
Agranulozytose-Risiko bei Metamizol < 1:10’000 58
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