Das metabolische Syndrom - flüssige Kohlenhydrate und andere unerkannte Ursachen
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Das metabolische Syndrom – flüssige Kohlenhydrate und andere unerkannte Ursachen Ludwig Kramer I. Med. Abteilung mit Gastroenterologie Krankenhaus Wien - Hietzing ludwig.kramer@wienkav.at
Übersicht • Was macht uns dick? § Flüssige Kohlenhydrate auf dem Vormarsch • „Gesundes Essen ist fettarm“ § Physiologie unterdrückter Sättigungsreflexe § Light- Produkte und Überernährung • Die Aromen – Industrie • Problembereich soft drinks • Weichmacher als Dickmacher • Appetitstimulation durch Süßstoffe § Vitamin D – Defizienz und Fettansatz • Sonnenmangel und Winterschlaf… • Intestinales Mikrobiom § neu erkannte Schaltstelle für Adipositas, Entzündung und mehr…
Kulturgeschichte des Zuckerkonsums • Antike: Zucker spielt unbedeutende Rolle § Hippokrates‘ Aphorismen: keine Erwähnung § Früchte und Honig für Reiche • Mittelalter: Zucker weithin unbekannt • Ca. 1650: Rohrzucker als Medizin § Aufkommen von „süß“ als literarische Metapher • Ca. 1900: Zucker bereits 20% Energie in britischer Diät § Auftreten von Altersdiabetes, neuartige Leberschäden (Fettleber) • USA 1960-1985: Mais als Basis der Produktion eingeführt § Ab 1960: Verdrängung von Zucker durch Glucosesirup § Ab 1976: high Fructose-Glucosesirup (HFCS) § Staatl. Förderung v.Mais, Zölle auf Rohr- und Rübenzuckerimport § Fast food - Ketten § Ab 2000: „Altersdiabetes“zunehmend bei Kindern • „Generation XXL“
Freie Fructose, Adipositas und Übergewicht USA, 1960-2000 Gesamt – Fructose Übergewicht HFCS Adipositas freie Fructose
Fructose in der Ernährung – Trends in den USA pro Kopf-Einnahme (g/Tag) Marriott, J Nutr. 2009 Natürliche KH HFCS Haushaltszucker
JAMA. 2001;286:1195-1200
JAMA. 2001;286:1195-1200
USA Nähe zum nächsten Fast Food Restaurant als Helligkeit dargestellt
Fast food: keineswegs neu, in allen Hochkulturen vorhanden Pompei, Thermopolium: nach >2000 Jahren 2010 wiedereröffnet
Neu seit 1976: mit Fructose / HFCS 55 gesüsste Getränke
Neu seit den 1960er Jahren: Bisphenol A et al. Weichmacher als Dickmacher • Einsatz in Polycarbonat-Kunststoffen • Stimulation von ß-Zellen im Pankreas durch „falsche“ Östrogensignale Ø Selbst in niedrigster Dosis wirksam Ø Keine sichere Dosis-Wirkungsbeziehung Ø In Industrie- und Entwicklungsländern bei bis zu 90% der Individuen im Blut nachweisbar • Verdoppelung der Insulinfreisetzung im Tierexperiment • Insulinwirkungen Ø Fettspeicherung Ø Fettleber, NASH Ø Anabole Wirkung • Induktion von Insulinresistenz
Folgen des zunehmenden Konsums von Soft Drinks • Sättigungsgefühl von kurzer Dauer • Schnelle Magenentleerung Ø Pylorus (Pförtner) lässt kleine Nahrungspartikel und Flüssigkeit durch Ø Darm-Sensoren für Fett, Protein werden nicht stimuliert, Sättigungsreflexe „überlistet“ § Aufgenommene Gesamtenergiemenge steigt
Soft drinks - Weitere Folgen • Speicherung flüssiger Energie in Leber, Fettgewebe Ø Spezialfall Fructose: kein Sättigungseffekt im Gehirn § Vermutlich Konsequenz fehlender Insulinwirkung § Nrueonales Lernen – Dopaminfreisetzung auch im Darm • Folge Ø „Wohlstandskrankheiten“ – metabolisches Syndrom Ø Gewisse Darmbakterien („Firmikuten“) profitieren § Andere (Bacteriodetes) bilden sich zurück
Anzahl täglicher Soft drinks, nicht Vorhandensein des „metabolischen Syndroms“ ist für Entwicklung der Fettleber entscheidend Alberti, Circulation, 2009
Synthese von Fett in der Leber nach Glucose – „Frühstück“ versus Glucose+Fructose – Frühstück Glucose + Fructose Lipidsynthese Zuckerlösung Mittagessen
Soft Drinks und Fructose • Planet Health project - Menge von Soft-Drink Konsum bei Heranwachsenden sagt Zunahme des Gewichts voraus Ludwig DS Lancet 2001 • Mit HFCS gesüßte Getränke führen zu Überernährung Raben, Am J Clin Nutr2002 • Kohlenhydrate in flüssiger Form erhöhen Gesamtenergieaufnahme und Gewicht DiMeglio, Int J Obes Relat Metab Disord 2000 • USA: Anstieg HFCS Jahreskonsum seit 1970 von 294 g auf 33,4 kg Bray; Am J Clin Nutr, 2004
David 2011
Ernährungsprobleme – ökonomische Aspekte Studie Seattle 2005-2007: • Ernährungskosten lt. Diätempfehlungen der amerikanischen Fachgesellschaften: 36 $ / Tag, 20% Teuerung • Ernährungskosten bei Junk food (ca. 30% mehr Kalorien, Transfette, Stabilisatoren, Emulgatoren etc.) 3,2 $ / Tag, 2% Preisabnahme Höchste Gewichtszunahme bei Armen, nicht bei Reichen!
Noch nie war es so leicht, übergewichtig zu sein Früher waren Arme in USA dünn, heute sind sie dick Detroit, 1931 Detroit, 2009
Folgen der Industrialisierung der Nahrungsmittelerzeugung (Erfahrungen aus 3 Kontinenten) • Ca. 30% der Menschen entwickeln „Verdauungsstörungen“, • Übergewicht wie auch Eßstörungen hängen mit „westlicher“ Wirtschaftsordnung zusammen Patientin „entsorgt“ Essen in Fenster und Kühlschrank
Beispiele aus der Aromaindustrie • IFF – New York Ø International Flavors & Fragrances Ø 1.8 Milliarden $ Umsatz/Jahr Ø 66 Fabriken in 44 Ländern § Gerüche für • Hugo Boss, Donna Karan, Calvin Klein, Ralph Lauren • „Lockdüfte“ in Geschäften, manipulative Aromen für Klimaanlagen Ø US Pat. 5.895.261 § Muskelfleischaroma + Bräunung in Mikrowelle Ø Erdbeeraromen § Erdbeerernte könnte nur 5% des Bedarfs decken § Konsumenten mit Naturaroma nicht zufrieden
Warum Aromaindustrie ? • Grundlage Ø Ohne Aromen wären die heutigen industriellen Nahrungsmittel unverkäuflich § geringe Qualität der Rohstoffe, Rationalisierungsdruck Ø Gesetzgeber unterstützen meist Industrie gegen Konsumenten Ø Immer mehr Aromen in der Nahrung, weniger Inhalt § Knorr Hühnersuppe: 2 g Hühnerfleisch § Maggi Rinds- Bouillon: 2,3g Rinderfett, 670 mg Fleischextrakt Ø Glutamat § Europaweit 95.000 Tonnen/ Jahr § GB führend
„Ernährungspyramide“, Fonds Gesundes Österreich
Darm – Mikrobiom • 1013 Bakterien – extreme lokale Konzentration • Perfekte Abgrenzung nach aussen Ø Mukusschicht bei „gesundem Darm“ völlig bakteriendicht • Darm funktioniert als „Bioreaktor“ • Darm – Mikrobiom Ø Genetisch prädeterminiert Ø Zusammensetzung ändert sich während des Lebens Ø Abhängigkeiten von ingestierten Substraten § Italiener jeden Alters haben 2-3 mal mehr Bifidobakterien im Darm als Europäer anderer Herkunft
Darm – Mikrobiom und Adipositas
Zusammenfassung • Ernährung und Appetit haben sich verändert Ø Nahrungsmittel- und Aromenindustrie Ø Medien Ø Gesellschaftliche Ideale und Normen § Stress durch Zwang „gesund“ zu essen • Industrielle „rationale“ Ernährung: Ø Historisch nie gesehene Gewichtszunahme in Industrienationen Ø Zunahme an Unverträglichkeit, Allergie, Darmerkrankungen Ø Softdrinks, Fructose, versteckter Zucker § Appetit- und Umsatzsteigerung § Gezielte Überlistung von Sättigungsreflexen Ø Bisphenyl A et al. • Traditionelles Essen: von „Experten“ verdammt Ø Aber es hat überlebt !!!
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