DAS OLYMPIA-JAHR BENEDIKT WAGNER - ERFOLG REICH UND ENGAGIERT - SÄBEL - Deutscher Fechter-Bund

 
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DAS OLYMPIA-JAHR BENEDIKT WAGNER - ERFOLG REICH UND ENGAGIERT - SÄBEL - Deutscher Fechter-Bund
Offizielles Organ des Deutschen Fechter-Bundes e. V.   •   Nr. 1   •   2020   •   39. Jahrgang   •   5273

DAS OLYMPIA-JAHR

  SÄBEL                                                                                          DFB

  BENEDIKT                                                                                       DFB-EHREN­
  WAGNER –                                                                                       PRÄSIDENTIN
  ERFOLG­REICH                                                                                   ERIKA DIENSTL
  UND ENGAGIERT                                                                                  WIRD 90
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inhalt
                                                                                            F O R U M 4
                                                                                            Trainer des Monats  5

                                                                                            O LY M P I S C H E
                                                                                            TEST WETTKÄMPFE
                                                                                            Das Aha hat noch gefehlt            6
Foto: privat

                                                                                            I M G E S P R ÄC H
                                                                                            Benedikt Wagner – der Säbelfechter
               Armin Stadter
                                                                                            vom TSV Bayer Dormagen im
                                                                                            fechtsport-Interview8

                                                                                            P O R T R ÄT
               KEIN GRUND ZUR RESIGNATION                                                   Erika Dienstl zum 90.              11

                                                                                            FECHTER DES JAHRES
                                                                                            Säbelfechter überzeugen
               Nach den ernüchternden Wettkampfergebnissen zu Beginn dieses Jahres          bei „Fechter des Jahres“-Wahl      12
               haben sich die Chancen zur Qualifikation für die Olympischen Spiele
               vom 24. Juli bis zum 9. August in Tokio für die deutschen Fechterinnen       ZUKUNFT DES FECHTENS
               und Fechter deutlich verschlechtert. Dies darf allerdings kein Grund zur
                                                                                            „An den Besseren orientieren“      14
               Resignation sein!
                                                                                            BUNDESSTÜTZPUNKT
               Vielmehr sollten die letzten Reserven mobilisiert werden, um auch die
                                                                                            TAU B E R B I S C H O F S H E I M
               kleinste Qualifikationsmöglichkeit zu nutzen. Hierbei unterstützen wir
               unsere Sportlerinnen und Sportler mit allen unseren Möglichkeiten.           Tal der Tränen durchschritten      18
               Die letzte Chance wird die Kontinentalausscheidung am 18./19. April in
               Madrid sein. Dort werden pro Waffe die letzten Olympia-Startplätze im        L I S R OT T L E R - FAU T S C H
               Einzel ausgefochten.                                                         Luxemburgerin wird in Heidenheim
                                                                                            zur Weltklassefechterin            20
               Bereits nach der olympischen Qualifikationsphase muss die leistungs­
               sportliche Entwicklung nüchtern und realistisch analysiert werden.           F I E - KO N G R E S S 20 19
               Aus dieser Analyse müssen Konsequenzen gezogen werden, um die                IOC-Präsident lobt
               Weichen für die Zukunft stellen zu können. Der DFB wird sich noch            „Errungenschaften des Fechtens“    22
               mehr anstrengen müssen, um auf allen Ebenen seine Ressourcen besser
               auszunutzen.                                                                 70 J A H R E H A M B U R G E R
                                                                                            FECHT-VERBAND
               Zur Zukunft gehört auch, dass der Breitensport unabdingbare Voraus­          Stadt Hamburg schenkt
               setzung für den Leistungssport ist und bleiben wird. Dabei darf dies nicht   Halle zum Jubiläum                 24
               nur ein Lippenbekenntnis sein, sondern muss in den Sporthallen mit
               Leben gefüllt werden. Wir müssen weiter versuchen, leistungsorientierte      DEUTSCHE
               Breitensportler in die Struktur einzubinden, damit keine deutliche
                                                                                            F E C H T E R J U G E N D 26
               quantitative Reduzierung der Trainingsgruppen nach der Juniorenzeit
               eintritt.
                                                                                            LANDESVERBÄNDE
               Arbeit, Disziplin, Siegeswille und Korrektur der kleinsten Fehler sind       Nordbaden26
               für den Erfolg auf allen Ebenen unabdingbar. Dies müssen wir alle            Südbaden, Südwest 27
               verinnerlichen, wenn es wieder aufwärts gehen soll.                          Westfalen28
                                                                                            Württemberg29
               Armin Stadter
               DFB-Vizepräsident Breitensport und Senioren                                  IMPRESSUM                          33

                                                                                            MENSCHEN DES SPORTS
                                                                                            Siegfried Kanzler beendet seine
               Hinweis: Dieser Ausgabe liegt ein Beileger von Plan International bei.       Leidenschaft                       34
               Wir bitten um freundliche Beachtung.                                         Nachruf: Kerstin Schwarzer         34

                                                                                                                                 3
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forum                                                    Foto zum Brexit

„Auch wir im Sport tragen
historische Schuld“

DOSB-Präsident Alfons Hörmann hat eine
aktivere Aufarbeitung der „historischen
Schuld“ des deutschen Sports im National-
sozialismus angekündigt und sich mit Blick
auf seine Rolle während des Nazi-Regimes
und sein Verhalten danach um Entschul-
digung gebeten. „Wir haben viel zu lange
zu diesem wichtigen Thema geschwiegen,
wir haben uns viel zu wenig mit diesem
beschämenden Teil unserer Geschichte
auseinandergesetzt“, sagte der Chef des
Deutschen Olympischen Sportbundes im
Frankfurter Römer.

Hörmann sprach am internationalen
Gedenktag für die Opfer des Holo-
causts – 75 Jahre nach der Befreiung des
Vernichtungslagers Auschwitz – weitere
mahnende Worte. „Erinnern“, sagte er,
„ist eine zwingende Notwendigkeit, um
aus der Geschichte zu lernen.“ Daher
werde der DOSB „keinen Schlussstrich“
ziehen, der DOSB werde seiner Verant-        Großbritannien hat sich am 31. Januar aus der Europäischen Gemeinschaft verabschiedet.
wortung nachkommen und sich intensiv         Auch nach dem Brexit wird es weiter freundschaftliche Begegnungen von Fechtern auf bei-
mit der Vergangenheit auseinandersetzen.     den Seiten des Ärmelkanals geben.                                        Foto: Augusto Bizzi
„Auch wir im Sport tragen große histori-
sche Schuld, und gleichzeitig sind wir
dankbar, dass seit vielen Jahren jüdisches   Fechter werben für die Sporthilfe               Schmidt, WM-Dritter von 2017, auf ei-
Leben in Deutschland erblüht und es eine                                                     nem Flyer der Sporthilfe zitiert. Auf dem
wertvolle Vertrauensbasis zwischen Israel    Die deutschen Fechter sind seit Jahrzehn-       Deckblatt ist er in Jubelpose abgebildet, im
und Deutschland gibt“, sagte Hörmann.        ten in den Förderprogrammen der Deut-           Innenteil zudem Florettfechterin Leonie
Der jüdische Turn- und Sportverband          schen Sporthilfe. „Wenn ich diese Förde-        Ebert. Mit dem Flyer wirbt das Sozialwerk
Makkabi Deutschland ist Mitglied im          rung nicht hätte, wäre ich wohl nur noch        des deutschen Sports um Spenden nach
DOSB.                                        Hobbyfechter“, wird Degenfechter Richard        dem an den Fechtsport angelehnten Mot-
                                                                                             to: „Was zählt, ist Präzision. Auch bei der
Olympische Jugendspiele                                                                      Förderung.“
geschlechtergerecht
                                                                                             WADA-App „Athlete Central“
Bei den Olympischen Jugendspielen 2022
in Dakar soll es geschlechtergerecht zuge-                                                   Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat die
hen. Jeweils 112 Wettbewerbe für Frauen                                                      neue App „Athlete Central“ eingeführt,
und Männer, 15 gemischte Wettbewerbe                                                         mit der die Einhaltung der Aufenthalts-
und jeweils 2282 Athletinnen und 2282                                                        ortregeln im Rahmen der weltweiten Anti-
Athleten: Bei der ersten olympischen                                                         Doping-Bestimmungen zur Verfügbarkeit
Großveranstaltung in Afrika gibt es zu-                                                      für Doping-Kontrolleure erleichtert wird.
mindest in dieser Hinsicht keinen Unter-                                                     Sie ersetzt die bisherige WADA-App, die
schied der Geschlechter mehr. In Buenos                                                      seit Jahren in Betrieb war und moderni-
Aires 2018 hatte es noch 114 Männer-, 103                                                    siert werden musste. Die Bestimmungen
Frauen- und 22 Mixed-Wettbewerbe mit                                                         zum Aufenthaltsort der Athleten sind zent-
insgesamt 4000 Athletinnen und Athleten      Die Deutsche Sporthilfe wirbt mit Fechtern      ral für die Doping-Tests im Training. Nach
gegeben.                                     um Spenden.                                     den WADA-Regeln muss eine begrenzte

4
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Anzahl von Spitzenathleten mitteilen, wo
sie täglich eine Stunde lang aufzufinden
sind.                                                      Trainer des Monats
Lehrgänge an der                                  Fechttrainer aus Bad Segeberg: Wolf Gunter Richter
Coaching-Akademie in Budapest
                                                                                     Wolf Gunter Richter war als Fechter aktiv in Eus­
Im Rahmen des FIE-Entwicklungspro-                                                   kirchen, Hamburg, Stuttgart und Bad Segeberg.
gramms und des Engagements für die                                                   Seine Trainerausbildung, die seinerzeit noch als
weltweite Ausweitung und Bereicherung                                                Übungsleiterausbildung bezeichnet wurde, ab-
des Fechtens sponsert der Weltverband                                                solvierte er noch im vergangenen Jahrtausend
FIE die Budapester Coaching-Akademie                                                 im Hamburger Fechtverband. Die B-Traineraus-
2020. Das Programm, das Trainern von                                                 bildung erfolgte vor etwa zehn Jahren bei Henri
FIE-Mitgliedsverbänden aus Europa,                                                   Jansen in Bonn.
Amerika und Asien/Ozeanien offensteht,
umfasst eine Reihe dreimonatiger Lehr-                                            Nach seinem Studium in Stuttgart zog er 1993
gänge – einen für jede Waffe (Degen,                                              nach Bad Segeberg, wurde Mitglied der FG Se-
Florett, Säbel) –, die das ganze Jahr über                                        geberg und ist seit dem 29. März 1996 unun-
abgehalten werden. Absolventen des Pro-                                           terbrochen stellvertretender Vorsitzender des
gramms erhalten ein offizielles, von der                                          Vereins. Er macht seit 1994 das Kinder- und
                                                  „Trainer des Monats“ ist Wolf
FIE anerkanntes Diplom.                                                           Jugendtraining der FG Segeberg und betreut
                                                  Gunter Richter.
                                                  Foto: Christian Detlof
                                                                                  seine Sportler bei nationalen und internationa-
Zu den Inhalten zählen Psychologie, Phy-                                          len Wettkämpfen. Seine Fechten erkämpften da-
siologie, Sporttheorie und Biomechanik            bei unter anderem Medaillen bei deutschen Meisterschaften der A- und B-Jugend
sowie Coaching-Ausbildung und Fechtpra-           sowie der Junioren.
xis. Jedes der dreimonatigen Programme
wird in englischer Sprache abgehalten und         Inzwischen steht er in jeder Woche an vier Trainingsabenden in der Sporthalle und
findet täglich (Montag bis Freitag) ganztä-       an vielen Wochenenden im Jahr in der Wettkampfhalle, um seine Sportler optimal
gig statt. Das Format des Programms steht         zu betreuen. Regelmäßig ist er in der Turnierleitung bei Turnieren des Fechterbun-
acht Trainern pro Waffe offen, darunter           des Schleswig-Holstein und der Fechtgemeinschaft Segeberg eingebunden. Er ist in
sechs aus Europa.                                 Segeberg aus der Fechthalle nicht mehr wegzudenken.
                                                                                                                      Armin Stadter
Bewerber für das Programm müssen min-
destens sieben Jahre Trainererfahrung, ein
Coaching-Diplom der Stufe drei, eine FIE
oder eine nationale Fechterlizenz sowie        aktuellen Situation ist es wichtig, über das   (DOSB) seit 34 Jahren gemeinsam verge-
eine Verpflichtung, mindestens zwei Jahre      Thema zu informieren und aufzuklären“,         ben. Auch 2020 werden insgesamt 50 Ver-
lang in ihrem nationalen Verband zu coa-       sagte Claudia Bokel, Präsidentin des Deut-     eine für ihre exzellente Nachwuchsarbeit
chen, vorweisen können. Eine schriftliche      schen Fechter-Bundes und seit 2014 Bot-        ausgezeichnet. Vereine oder Vereinsabtei-
Genehmigung durch den Präsidenten des          schafterin der NADA. Während der The-          lungen können sich bis zum 31. März 2020
jeweiligen nationalen Verbandes und eine       menwoche wurde auf Facebook, Instagram         über ihren Spitzenverband bewerben. Eine
Biografie sind ebenfalls erforderlich. Mög-    und Twitter sowie auf der Homepage des         hochkarätig besetzte Jury wählt die 50 Ge-
lich ist noch, sich für den Florett-Lehrgang   DFB und im fechtsport-Magazin über             winnervereine aus, die jeweils den Pokal
vom 17. September bis 15. Dezember zu          das Thema berichtet und aufgeklärt. „Die-      „Das Grüne Band“ und eine Förderprämie
bewerben. Bewerbungsschluss ist der 12.        ses Engagement und das klare Bekenntnis        in Höhe von 5.000 Euro erhalten.
Juni 2020. Bewerbungen sind von den na-        zum dopingfreien Sport hat Vorbildcha-
tionalen Verbänden an die FIE zu richten       rakter“, sagte die NADA-Vorstandsvorsit-       Die 50 Sieger-Vereine erhalten im Herbst
an training.camp@fie.ch                        zende Andrea Götzmann.                         2020 entweder bei einer individuellen
                                                                                              Verleihung in ihrer Stadt oder auf der
DFB-Themen-Woche zu Anti-Doping                Jetzt bewerben: 5000 Euro für                  Deutschlandtour des Grünen Bandes ihren
                                               vorbildliche Talentförderung                   Preis. Alle Vereine, die sich in der Nach-
In den sozialen Medien hat sich der Deut-                                                     wuchsarbeit engagieren, sind aufgerufen,
sche Fechter-Bund während der Themen-          Das „Grüne Band für vorbildliche Talent-       das Online-Bewerbungsformular auszu-
woche „Anti-Doping“ vom 16. bis 20.            förderung im Verein“ ist der bedeutendste      füllen und sich zu bewerben.
Dezember für einen sauberen Sport mit          Förderpreis im deutschen Nachwuchs-
Unterstützung der Nationalen Anti Do-          leistungssport, den die Commerzbank            Weitere Informationen: www.dasgruene-
ping Agentur engagiert. „Gerade in der         und der Deutsche Olympische Sportbund          band.com/bewerbung/

                                                                                                                                         5
DAS OLYMPIA-JAHR BENEDIKT WAGNER - ERFOLG REICH UND ENGAGIERT - SÄBEL - Deutscher Fechter-Bund
DAS AHA HAT
                   NOCH GEFEHLT
                     Olympische Testwettkämpfe I Die Japaner haben einen Hang zur Perfektion.
                         Sei es beim kunstvollen Papierfalten, dem Origami, bei den ästhetisch
                          und variantenreich zubereiteten Sushis oder beim Organisieren von
                      Großveranstaltungen. Bei den olympischen Testwettkämpfen im Fechten im
                               Dezember war es erstaunlicherweise nicht ganz so perfekt.

„Es war eher etwas unglücklich. Man er-      Die Medaillenkämpfe mit Degen, Florett      Takamado Trophy“; es trägt den Namen
wartet bei einem Testwettkampf, dass es      und Säbel werden in der Makuhari (Halle     des einstigen Cousins des japanischen Kai-
so ist, wie es bei den Spielen sein wird“,   B) im Stadtteil Chiba ausgetragen. In der   sers Akihito. Zufrieden mit dem Verlauf
berichtet Dieter Lammer. „Dem war noch       Halle A des insgesamt 210.000 Quadrat-      des Turniers waren natürlich vor allem
nicht so.“ Der Vizepräsident Internatio-     meter großen Messezentrums werden die       die erfolgreichsten Fechter im Einzel – al-
nales des Deutschen Fechter-Bundes ist       Olympiasieger im Ringen und Taekwondo       len voran Alessio Foconi. Der italienische
vom Weltverband FIE zum Technischen          ermittelt.                                  Weltmeister unterstrich mit seinem Sieg,
Delegierten für die Olympischen Spiele in                                                dass er im Juli in Tokio der Topfavorit auf
Tokio ernannt worden. Damit trägt er die     Zum großen Eignungstest in der ­Makuhari-   Olympia-Gold ist.
Verantwortung für die Organisation des       Halle kamen Mitte Dezember 211 Florett­
Fechtturniers.                               fechter zum Weltcupturnier „Prince          Benjamin Kleibrink weiß als Olympiasieger
                                                                                         von 2008, wie es sich anfühlt, das wichtigste
                                                                                         Fechtturnier auf der Welt zu gewinnen. Der
                                                                                         Düsseldorfer landete bei diesem Weltcup-
                                                                                         turnier zwar nur auf Platz 30 und mit der
                                                                                         Mannschaft auf Rang 11, wird aber voraus-
                                                                                         sichtlich in diese Halle zurückkehren. In
                                                                                         der Olympia-Qualifikation liegt er in der
                                                                                         europäischen Rangliste auf Platz zwei und
                                                                                         hätte damit das Tokio-Ticket sicher.

                                                                                         Während das Turnier auf den allstar-
                                                                                         Bahnen reibungslos über die Bühne ging,
                                                                                         offen­barten sich zahlreiche Probleme in
                                                                                         der Halle, die aus Kostengründen nicht
                                                                                         sieben Monate vor der Eröffnungsfeier am
                                                                                         24. Juli so hergerichtet werden konnte, wie
                                                                                         es bei Olympia sein soll. So musste man
                                                                                         mit nicht optimalen Lichtverhältnissen
                                                                                         und einem nicht überall guten Sound bei
                                                                                         den Durchsagen leben, was für die Starter
                                                                                         zuweilen nicht so einfach war. „Die Fechter
                                                                                         konnten wegen der zu schwachen Beleuch-
                                                                                         tung die Linie des letzten Meters nicht er-
                                                                                         kennen“, sagt Lammer.

Olympischer Testwettbewerb für die Medaillenkämpfe vom 24. Juli bis 2. August in der     Abgesehen von besserer Beleuchtung
­Makuhari-Halle in Tokio                                                                 würden sich die Lichtverhältnisse in der

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DAS OLYMPIA-JAHR BENEDIKT WAGNER - ERFOLG REICH UND ENGAGIERT - SÄBEL - Deutscher Fechter-Bund
„Bei Olympia stelle ich es mir anders
                                                                                              vor.“ Er sei aber überzeugt, dass es „deut-
                                                                                              lich besser als bei den Rio-Spielen 2016“
                                                                                              werde.

                                                                                              Wenn es nach Dieter Lammer geht, soll es
                                                                                              auch innovativer werden. Der Plan ist, um
                                                                                              das Wettkampf-Plateau herum Banden mit
                                                                                              LED-Panels zu installieren, auf denen Bil-
                                                                                              der von Fechtern und anderes präsentiert
                                                                                              werden könnte. Ob dies vom gestrengen
                                                                                              Internationalen Olympischen Komitee ab-
                                                                                              gesegnet wird, sei noch offen.

                                                                                              Größere Schwierigkeiten als in der Halle
                                                                                              könnte es eher beim Transport von Fech-
                                                                                              tern, Trainern und Offiziellen geben. Das
                                                                                              Olympische Dorf ist von der Makuhari-
                                                                                              Halle etwa 35 bis 40 Minuten Fahrzeit
                                                                                              entfernt, heißt es. Eine für den normalen
                                                                                              Verkehr gesperrte Straßenspur (Olympic
Benjamin Kleibrink vor dem Gefecht                                                            Lane) wird es in Tokio aber nicht geben,
                                                                                              so dass in dem dichten Verkehr der mit
                                                                                              nahezu 38 Millionen Einwohnern größten
                                                                                              Metropole der Welt das Fortkommen oft
                                                                                              nicht zu kalkulieren ist. Die japanischen
                                                                                              Olympia-Organisatoren empfehlen und
                                                                                              fördern vor allem die Nutzung des guten
                                                                                              öffentlichen Nahverkehrs.

                                                                                              Nicht geklärt ist, wie die Fechter in die, an
                                                                                              der Makuhari-Halle gelegene, Trainings-
                                                                                              halle gelangen werden. Es ist zwar nur ein
                                                                                              zehnminütiger Fußweg, doch bei erwar-
                                                                                              teten mehr als 35 Grad Celsius Wärme ist
                                                                                              mit Fechtsack jeder Meter im Freien an-
                                                                                              strengend.

                                                                                              Perfekt soll alles bis und bei den zweiten
                                                                                              Olympischen Sommerspielen nach 1964 in
                                                                                              Tokio erst während der Spiele werden. Die
                                                                                              Fechter starten in die olympischen Gefech-
                                                                                              te einen Tag nach der Eröffnungsfeier, also
                                                                                              am 25. Juli. Die ersten Fecht-Medaillen
                                                                                              werden am 26. Juli im Degen-Einzel verge-
                                                                                              ben, die letzten am 2. August im Kampf der
                                                                                              Säbel-Mannschaften.

                                                                                              Nachdem 2008, 2012 und 2016 nach dem
                                                                                              Rotationsprinzip zwei Mannschafts-Wett-
                                                                                              bewerbe im Fechten nicht dabei waren,
Im Testturnier lief es nicht ganz optimal: Kleibrink landet nur auf Platz 30.                 werden in Tokio wieder Olympiasieger in
Fotos: Augusto Bizzi                                                                          allen 12 Disziplinen gekürt. In Rio waren
                                                                                              die Teams im Herrensäbel und Damenflo-
Halle noch verändern, wenn die Stahl-             in der Halle zu schaffen. „Das Aha fehlte   rett nicht dabei. Vor vier Jahren in Rio war
tribünen für 8000 Zuschauer aufgebaut             noch. Doch das kriegen die Japaner hin“,    Russland mit sieben Medaillen, davon vier
seien und eine Barriere für das durch             meint Lammer.                               aus Gold, die erfolgreichste Fecht-Nation
Glasscheiben einfallende Licht bilden                                                         vor Ungarn und Italien (je 4). Die deut-
würden, so Lammer. Ausgewechselt wer-             „Deutlich besser als in Rio 2016“           schen Fechter waren erstmals ohne Mann-
den müsste auch noch der Teppichboden,            Auch dem DFB-Sportdirektor hat die          schaft am Start und konnten im Einzel
der nicht den Farbton gehabt hätte, um            Präsentation der Testwettkämpfe „nicht      ­keine Medaille gewinnen.
ein stimmiges, olympiawürdiges Setting            imponiert“, wie Sven Ressel bekennt.                                  Andreas Schirmer

                                                                                                                                         7
DAS OLYMPIA-JAHR BENEDIKT WAGNER - ERFOLG REICH UND ENGAGIERT - SÄBEL - Deutscher Fechter-Bund
Ex-Europameister ist ein über die
    Planche hinaus engagierter Athlet.
    Fotos: Augusto Bizzi

       DIE STIMME DER ATHLETEN WIRD
         STÄRKER WAHRGENOMMEN
        Benedikt Wagner I Der Säbelfechter vom TSV Bayer Dormagen gehört zu den Besten der Welt. 2014
         wird der 29-Jährige mit der Mannschaft Weltmeister und ein Jahr später Europameister. 2016 holt
        er den EM-Titel im Einzel. Wagner, persönliches Mitglied des Deutschen Olympischen Sportbundes,
        macht sich darüber hinaus für die Interessen der Athleten stark. Im fechtsport-Interview spricht er
                              aber auch über den Druck in der Olympia-Qualifikation.

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DAS OLYMPIA-JAHR BENEDIKT WAGNER - ERFOLG REICH UND ENGAGIERT - SÄBEL - Deutscher Fechter-Bund
Eine Folge des russischen Doping-Skan-        ist elementar, so etwas zu leben. Im Leis-       war sicher der Auslöser für die Athleten,
dals ist, dass die Athleten überall auf der   tungssport den Fokus auf die Olympischen         sich besser zu organisieren, um die eigenen
Welt aufbegehren, sich in Vereinigungen       Spiele oder Weltmeisterschaften zu haben,        Rechte und Interessen zu verteidigen.
zusammenschließen, weil sie ihr Wohl          ist das eine. Das andere ist, wo man ange-
und Wehe nicht nur den Funktionären           fangen hat, nämlich im Verein. Ich bin aus       Es wurde und wird immer wieder gesagt:
überlassen und mitbestimmen wollen.           Interesse am Sport in den Verein gegangen        Die Athleten stehen im Mittelpunkt.
Wie mündig sollte der mündige Athlet          und nicht, weil mein Plan war, irgendwann        Stimmt das in der Praxis auch wirklich?
sein?                                         zu Olympia zu fahren. Deshalb ist es ext-
                                              rem wichtig, dafür zu sorgen, dass Vereine       Wagner: Auf jeden Fall sind wir die
Benedikt Wagner: Grundsätzlich stelle ich     attraktiv bleiben.                               Hauptakteure und so wird es auch wahr-
mir erst mal vor, dass Athleten vor allem                                                      genommen. Insofern stehen wir schon im
keine Angst und die Möglichkeit haben,        Wie kommt es, Ihrer Meinung nach,                Mittelpunkt. Ein anderes Thema ist, ob die
ihre Meinung zu äußern und Vorschläge         dass sich fast überall die Athleten auf          Athleten von den Olympischen Spielen
in Bereichen zu machen, in denen es Pro-      der Welt organisieren, um ihre Inter-            oder anderen Sportgroßveranstaltungen
bleme gibt, Bedürfnisse zu äußern und die     essen besser vertreten zu können? Ist            auch in finanzieller Hinsicht profitieren.
Möglichkeit haben, mitzugestalten – und       der Unmut über die Selbstherrlichkeit
auch Gehör finden. Dies braucht natürlich     großer Sportverbände und -organisa-              Es gibt die Forderung von Max Hartung,
ein Stück Eigenverantwortung und auch         tionen sowie Funktionäre so groß ge-             der Vorsitzender des Vereins Athleten
immer Athleten, die sich trauen, Verant-      worden? Oder war der Doping-Skandal              Deutschland ist, dass die Sportler an
wortung zu übernehmen.                        in Russland und der Umgang damit, der            den Einnahmen aus der Vermarktung
                                              Tropfen, der das Fass zum Überlaufen             der Sommer- und Winterspiele beteiligt
Ihr Säbelkollege Max Hartung hat das          gebracht hat?                                    werden!
getan. Auf sein Betreiben ist der Verein
Athleten Deutschland gegründet wor-           Wagner: Es ist sich nicht nur ein Grund.         Stärker auf Sport und
den, um eine professionellere Vertretung      Die Kommerzialisierung im Sport plus die         Athleten besinnen
der Interessen der Sportler zu schaffen.      Doping-Affären. Russland war in meiner
                                              Wahrnehmung dabei schon ein großes               Wagner: Ja, aber man muss stark unter-
Wagner: Die Arbeit von Max und die            Thema. Wenn ein ganzer Staat betrügt, was        scheiden. Geht es um die rein finanzielle
Gründung von Athleten Deutschland war         kann man da machen? Athletenvertreter,           oder die allgemeine Anerkennung, die
ein wichtiger Schritt für das Thema Mit-      die noch aktiv sind und ehrenamtlich für         Begeisterung der Fans, die man spürt,
bestimmung. Zum ersten Mal engagieren         die Interessen der Sportler eintreten, sind da   wenn man bei Olympischen Spielen oder
sich Athleten vieler Sportarten gemeinsam.    überfordert. Man kann die Expertise dazu         bei EM und WM ist. Das sind verschie-
Die Stimme der Athleten wird viel stärker     gar nicht erwerben, weil man die Zeit dafür      dene Arten von Wertschätzung. Natürlich
wahrgenommen: In den Verbänden und            nicht aufwenden kann, um solche kom-             kommt man nicht drumherum zu fra-
Medien. Es ist wichtig, dass man die Ath-     plexen Themen richtig zu beurteilen. Das         gen –, wie bei den Sommerspielen in Rio
leten als Akteure auf der Bühne des Sports
ernst nimmt und sie mit in Entscheidun-
gen einbezieht.                                  Benedikt Wagner
                                                 ist ein Fechter mit
„Nicht ganz so brisante                          Emotionen
Themen angesprochen“

Wie ist Ihre Erfahrung als Fechter im
Verein und Verband – Sie sind persön-
liches Mitglied des Deutschen Olympi-
schen Sportbundes und dem Verein Ath-
leten Deutschland verbunden – mit der
Mitbestimmung?

Wagner: Ich habe immer die Erfahrung
gemacht, grundsätzlich willkommen zu
sein. Dass mich nie jemand zum Schwei-
gen bringen wollte, lag vielleicht auch da-
ran, dass ich nicht ganz so brisante oder
große Themen angesprochen habe. Ich war
Jugendwart im Verein. Und in der Zeit hat-
te ich das Gefühl, dass Engagement gerne
gesehen wird, die Leute einem auch gern
zuhören, wenn sie merken, dass man ein
Interesse an einer gut funktionierenden
Gemeinschaft im Verein hat. Ich glaube, es

                                                                                                                                        9
DAS OLYMPIA-JAHR BENEDIKT WAGNER - ERFOLG REICH UND ENGAGIERT - SÄBEL - Deutscher Fechter-Bund
Olympia verbunden sind. Deshalb haben
                                                                                                 die Spiele natürlich eine große Bedeutung
                                                                                                 und damit einhergehend ist der Druck hö-
                                                                                                 her. Grundsätzlich unterscheidet sich die
                                                                                                 Anspannung und der Nervenkitzel nicht
                                                                                                 von einer WM oder EM. Dennoch ist es
                                                                                                 für mich nicht wie vor einer WM, weil eine
                                                                                                 Olympia-Medaille eine größere Bedeutung
                                                                                                 hat und sie uns Säbelfechtern noch fehlt.
                                                                                                 Eine große Erwartungshaltung ist da und
                                                                                                 gehört dazu.

                                                                                                 Ist die große Erwartung denn mehr Reiz
                                                                                                 oder Hemmschuh?

                                                                                                 Wagner: Ich empfinde es als Reiz. Außer-
                                                                                                 dem treten wir nicht nur als Einzelkämpfer
                                                                                                 auf, sondern als Team mit Betreuern und
                                                                                                 Trainern. Das erzeugt ein Gemeinschafts-
                                                                                                 gefühl, für das alle viel investieren.

                                                                                                 Das deutsche Säbel-Team ist, wie es
                                                                                                 scheint, eine starke Gemeinschaft. Hilft
                                                                                                 das gute Miteinander bei den sportlichen
                                                                                Einer der        Herausforderungen?
                                                                               Besten im
                                                                            Säbelfechten:
                                                                                                 Wagner: Ich kann das nur aus meiner per-
                                                                                Benedikt
                                                                                 Wagner          sönlichen Erfahrung bewerten, aber ich
                                                                                                 kenne es nicht anders. Es war immer so bei
                                                                                                 uns gewesen, obwohl wir auch starke Ein-
2016 –, ob die Athleten im Mittelpunkt           men in der Welt, aber eine gute Infrastruk-     zelsportler sind, haben wir eine funktio-
stehen oder ob da nicht Politiker oder           tur und viele vorhandene Sportstätten, die      nierende Gemeinschaft und kommen auch
Funktionäre sich nicht eine Art Denkmal          im Sinne der Nachhaltigkeit genutzt wer-        privat gut klar. Es ist immer Fairness und
errichten wollten. Nachdem, was ich in           den könnten.                                    ein offener, freundlicher Ton vorhanden.
Rio gesehen habe, fragte ich mich schon                                                          Ich habe das immer als produktiv und för-
bei den Sportstätten und der geschaffenen        In diesem Jahr stellt der Bund erstmals         dernd wahrgenommen. Sei es in meinen
Infrastruktur, wie nachhaltig das Ganze          Geld für eine Altersvorsorge für Spitzen-       ersten Jahren bei den Junioren oder als ich
ist und wie sinnvoll es war, so viel Geld        sportler zur Verfügung. Hilft dies den          bei den Aktiven stärker mit eingestiegen
dafür aufzuwenden. Dem olympischen               Athleten, gibt das ein Stück mehr Sicher-       bin zu Zeiten von Nicolas Limbach. Ich
Sport würde es auf jeden Fall guttun, sich       heit für die Zukunft?                           habe aber auch Fechter kennengelernt, die
in Zukunft wieder stärker auf den Sport                                                          als Einzelkämpfer sehr gut klar kamen.
und damit auch auf die Athleten und die          Wagner: Meiner Meinung nach ist das ein
Werte zu besinnen. Nicht nur durch Wor-          Schritt in die richtige Richtung. Es gibt den   Sie waren schon mal bei Olympischen
te, sondern auch mit Taten.                      Athleten Sicherheit für die aktive Zeit ihrer   Spielen. In Rio 2016 haben Sie Max
                                                 Karriere und ist eine kleine zusätzliche Ab-    Hartung als Trainingspartner unter-
                                                                                                 ­
Könnte eine deutsche Olympia-Bewer-              sicherung. Die Höhe ist da erstmal egal, es     stützt. Ist dieser Besuch bei Olympia eine
bung dafür ein Pilotprojekt sein?                ist ein Zeichen der Wertschätzung und ein       zusätzlich Motivation gewesen, 2020 in
                                                 richtiges Signal.                               Tokio als Teilnehmer dabei zu sein?
Wagner: Ja, natürlich könnte das sein.
Mir ist es im Prinzip egal, wo auf der Welt      Der Druck in der                                Wagner: Für mich war das damals sehr
Olympische Spiele stattfinden. Es wäre           Olympia-Qualifikation                           schwierig, weil ich während der Olympia-
aber auch schön, wenn das Gold nach                                                              Qualifikation das Pfeiffersche Drüsen­fieber
Deutschland geschafft werden könnte. Ich         Wie alle anderen Fechter sind Sie mitten        bekommen hatte. Gesundheitlich war ich
halte das Projekt der Initiative Rhein Ruhr,     in der Olympia-Qualifikation. Ist der           da lange am Limit meiner Leistungsfähig-
die eine Olympia-Bewerbung für 2032 an-          Druck größer als der Ausscheidungsstress        keit. Es war zu spät, um eine Pause zu ma-
strebt, für eine interessante Idee. Es ist ein   vor Welt- und Europameisterschaften?            chen. Deshalb habe ich trotz Erkrankung
Schritt in die richtige Richtung. Die Frage                                                      weiter in der Qualifikation gefochten. Pha-
ist, ob das IOC das Projekt einer ganzen         Wagner: Es ist etwas Besonderes, weil           senweise hat das ganz gut funktioniert bei
Region akzeptieren würde. Denn man ist           Olympische Spiele seltener stattfinden und      einigen Turnieren wie auch bei der EM.
es bisher gewohnt, dass prominente Städte        weil es für einen Verband, und, was die         Oft ist mir aber die Puste ausgegangen,
am Ende das Rennen machen. Die Region            eigene Disziplin angeht, auch mit Förder-       weil ich einfach nicht gesund war.
Rhein-Ruhr hat nicht so einen großen Na-         geldern zu tun hat, die mit dem Erfolg bei                                Andreas Schirmer

10
EIN LEBEN FÜR DEN SPORT
             Erika Dienstl I Für die rheinische Optimistin und Frohnatur ist es keine Frage: Feste werden
              gefeiert, wie sie fallen. Diesmal kamen Wegbegleiter und Freunde zum 90. Geburtstag der
                                           „Grande Dame“ des deutschen Sports.

A
            uch am 1. Februar gab es in
            Stolberg bei Aachen wieder
            ein großes Stelldichein des
            deutschen und internationa-
len Sports. Viele aktuelle und ehemalige
Spitzenfunktionäre waren gekommen,
um zu gratulieren und ihre Verdienste im
Fechten, im einstigen Deutschen Sport-
bund, in der Sporthilfe, im Internationalen
Olympischen Komitee und zahlreichen
anderen Organisationen und Gremien zu
würdigen.

IOC-Präsident Thomas Bach, der Erika
Dienstl immer noch Chefin nennt, musste
wegen einer Erkrankung kurzfristig seinen
fest eingeplanten Besuch absagen. Dafür
gehörten vom DOSB die Vorstandsvorsit-
zende Veronika Rücker und Gudrun Doll-
Tepper, Vizepräsi-
dentin für Bildung
und Olympische
Erziehung, zu den                                                                                                        dies     verhindern
Geburtstagsgästen.                                                                                                       wollte. „Ich war
                                                                                                                         erbost und wütend.
„Der Sport war                                                                                                           Ich habe ihm ge-
und wird ein Teil                                                                                                       sagt, ich kandidiere
meines Lebens blei-                                                                                                     mit oder ohne deine
ben, so­  lange ich                                                                                                     Zustimmung“, erin-
gesund und geistig                                                                                                      nert sich Dienstl. Sie
fit bin“, sagt Erika                                                                                                    setzte sich durch,
Dienstl. „Er bewegt                                                                                 wurde 1982 ins DSB-Vizepräsidentenamt
mich immer noch.“                                                                                   Internationales gewählt und damit zur
Sie verfolgte die                               DFB-Präsidentin Claudia Bokel gratuliert            „Außenministerin“ des deutschen Sports.
WM-Spiele der deutschen Handball-Nati-          ihrer Vorgängerin (oben). Erika Dienstl und
onalmannschaft genauso wie die Höhen-           Thomas Bach (links). Langjähriger Weg-              Eigentlich gab es fast keinen ehrenamt-
flüge der Skispringer oder die Entwicklung      gefährte Erika Dienstls im Fechten war              lichen Job, den sie nicht übernommen
des Fechtsports, den sie selbst als Aktive im   Medaillen­schmied Emil Beck (rechts).               hatte oder über Jahrzehnte ausübte. Erika
Stolberger Fechtclub bis 1968 betrieb.          Fotos: DFB (1), fechtsport (1), Maxim Jlgalov (1)   Dienstl war Vorsitzende der Deutschen
                                                                                                    Sportjugend, im Kuratorium des Deutsch-
Im Deutschen Fechter-Bund begann auch           lehrt, was ihr in der zu ihrer Zeit von Män-        Französischen Jugendwerks oder Mitglied
ihre sportpolitische Karriere, erst als Ju-     nern dominierten Welt der Sportpolitik              der Kommission Sport und Umwelt des
gendwartin und 14 Jahre lang bis 2001 als       geholfen hat: Nicht nur Treffer zu setzen,          Internationalen Olympischen Komitees.
Präsidentin. Wie auch im DFB war Erika          sondern auch Blessuren wegzustecken.                Bis heute ist sie noch im Aufsichtsrat der
Dienstl oft die erste Frau in den vielen Äm-                                                        Deutschen Sporthilfe und – seit 30 Jah-
tern und Positionen, die sie übernommen         „Ich war erbost und wütend“                         ren – die Vorsitzende des Empfehlungs-
hatte oder ihr angetragen wurden.               Zum Beispiel, als sie gefragt wurde, ob sie         ausschusses für die Sportplakette des Bun-
                                                nach zehn Jahren als Vorsitzende der Deut-          despräsidenten. Fragt man sie, welches
Die Zeit im DFB-Präsidentenamt sei für          schen Sportjugend nicht für das Amt als             Ehrenamt ihr am meisten gegeben und be-
sie eine „menschliche Bereicherung“ ge-         Vizepräsidentin des einstigen Deutschen             deutet hat, erhält man eine überraschende
wesen, in der ihr besonders „die Zunei-         Sport-Bundes kandidieren wolle und der              Antwort: „Das waren die zehn Jahren als
gung der Fechter“ viel bedeutetet habe.         damalige, ihr bis dahin freundschaftlich            Vorsitzende der Deutschen Sportjugend.“
Das Fechten habe sie aber auch etwas ge-        verbundene DSB-Präsident Willi Weyer                                        Andreas Schirmer

                                                                                                                                            11
 
       SÄBELFECHTER ÜBERZEUGEN
     BEI „FECHTER DES JAHRES“-WAHL
     Fechter des Jahres 2019 I Auch bei der „Fechter des Jahres“-Wahl des Deutschen Fechter-Bundes
       in der vorolympischen Saison führte an den Säbelherren als Mannschaft, an Max Hartung als
               Einzelfechter und damit auch an Bundestrainer Vilmos Szabo kein Weg vorbei.

     MAX HARTUNG GANZ ENTSPANNT: IN DER OLYMPIA-                                                  EUROPAMEISTER IN
     QUALIFIKATION LÄUFT ES PERFEKT UND ER WURDE ZUM                                              DÜSSELDORF: HERRENSÄBEL-TEAM
     DRITTEN MAL „FECHTER DES JAHRES“                                                             WIRD ZUM VIERTEN MAL
                                                                                                  „MANNSCHAFT DES JAHRES“

     W
                                                                   zuteil geworden „Max ist nicht nur EM-Dritter im Einzel
                      ie schon 2018 ragten die deutschen           geworden, sondern hat im Weltcup stabile Leistungen ge-
                      Säbel-Asse mit ihren Leistungen und          bracht und steht auf einem Spitzenplatz in der Weltrang-
                      Erfolgen heraus und gewannen in allen        liste“, erklärte Ressel die Entscheidung für ihn.
     Kategorien. „Das Präsidium hat sich einstimmig für die
     Säbelfechter entschieden“, sagte Sportdirektor Sven Ressel.   Außerdem hat Hartung mit dazu beigetragen, dass das
     „Da kamen wir nicht drum herum.“                              Säbel-Nationalteam in Düsseldorf Europameister wurde
                                                                   und klar auf Kurs Olympische Spiele in Tokio liegt – „und
     „Fechter des Jahres“ ist wie schon 2015 und 2018 Max          dort eine Medaillenchance hat“ (Ressel). Die Erfolgsserie
     Hartung. Mit seinem dritten Wahlerfolg zog der 30 Jah-        des Säbelteams bei der „Fechter des Jahres“-Wahl ist seit
     re alte Dormagener mit Peter Joppich gleich. Dem vier-        2014 nur einmal von der deutschen Damenflorett-Mann-
     maligen Weltmeister war diese Ehre 2003, 2006 und 2010        schaft (2017) unterbrochen worden.

12
FECHTER DES JAHRES VON 2000 BIS 2019
2000/01       Claudia Bokel (TBB)
2002/03       Peter Joppich (Koblenz)
2004/05       Anja Müller (TBB)
2005/06       Peter Joppich
2007/08       Britta Heidemann (Leverkusen)
              Benjamin Kleibrink (Bonn)
2008/09       Nicolas Limbach (Dormagen)
2009/10       Peter Joppich
2010/11       Nicolas Limbach
2011/12       Britta Heidemann
2012/13       Carolin Golubytskyi
2013/14       Britta Heidemann
2014/15       Max Hartung (Dormagen)
2015/16       Benedikt Wagner (Dormagen)
2016/17       Richard Schmidt (Offenbach)
2017/18       Max Hartung
2018/19       Max Hartung
MANNSCHAFT DES JAHRES
2013/14       Deutsches Säbelteam
2014/15       Deutsches Säbelteam
2016/17       Deutsches Damenflorettteam
2017/18       Deutsches Säbelteam
2018/19       Deutsches Säbelteam
TRAINER DES JAHRES
2014/15       Vilmos Szabo (Säbel)
2015/16       Mario Böttcher (Degen)
2017/18       Vilmos Szabo (Säbel)
2018/19       Vilmos Szabo (Säbel)

                                              UNERMÜDLICHER „VATER DER
                                              ERFOLGE”: SÄBEL-BUNDESTRAINER
                                              VILMOS SZABO

Ebenfalls zum dritten Mal wurde Vilmos Szabo zum „Trai-
ner des Jahres“ gewählt. Kein Wunder bei dem Erfolg seiner
Jungs! Der Bundestrainer bekam die Auszeichnung schon
2015 und 2018. „Er ist weiterhin der Vater der Säbel-Erfol-
ge“, meinte Ressel.

Der DFB-Sportchef hofft, dass die jährliche „Fechter des
Jahres“-Wahl auch Ansporn für andere Disziplinen ist, in
die Reihen der Ausgewählten und Geehrten zu kommen.
„Ich hoffe sehr, dass sich im Olympia-Jahr auch noch andere
Kandidaten anbieten werden“, sagte Ressel.
                                          Andreas Schirmer

Fotos: Augusto Bizzi
                                                                              13
D  E N  B E  S S E R E N
„ AN                 E N “
   O R I E N T I E R
        Der größte Augenblick ihrer sport­
          lichen Karriere: Britta Heidemann
      und Benjamin Kleibrink holen 2008 in
                      Peking Olympia-Gold
                            Fotos: Serge Timacheff

14
Zukunft des Fechtens I Britta Heidemann hat den
Degen längst beiseitegelegt, aber nicht mit dem
Fechten abgeschlossen. Bei einer Veranstaltung
der Firma Voith, einem der großen Fecht-Sponso-
ren hierzulande, in Heidenheim zum Thema „Zu-
kunft des Fechtens in Deutschland“ bezogen die
Olympiasiegerin von 2008 und Heidenheims Chef-
trainer Thomas Zimmermann engagiert Stellung.

Warum läuft es seit Jahren im deutschen Fechtsport nicht
wie einst bei Emil Beck oder in der Heidemann-Ära? „Es
gibt mehrere Gründe und es gibt Generationen von Fech-
tern, die sich gegenseitig antreiben“, sagte die 37 Jahre alte
Kölnerin. „Ich hatte das Glück, in eine ganz starke Genera-
tion reingewachsen zu sein.“

Damals zählten Claudia Bokel und Imke Duplitzer – die
eine war Weltmeisterin, die andere Europameisterin – zu
ihren Mitstreiterinnen und Konkurrentinnen. „Das ist im-
mer ein guter Antrieb für den Nachwuchs, man orientiert
sich an den Besseren“, sagte Heidemann. Und wenn das Ni-
veau nach unten gehe, seien junge Athleten eben auch eher
mit dem zufrieden, wie es ist.

                                                           15
Ein weiterer Grund für den Leistungs-                                                                   Fechtzentrum nicht der Fall. Da hängen
 rückgang sei zudem das Training und die                                                                 nur Bilder von 1988.“
 Einstellung dazu. „Als ich in die Natio-
 nalmannschaft gekommen bin, haben wir                                                                   Man muss sich etwas einfallen lassen und
 Stunde um Stunde im Training gefochten.                                                                 tun. Im Skispringen hat es funktioniert, als
 Da gab es gar nicht so viele Ausnahmen –                                                                RTL die Fernsehübertragungen begonnen
 die Ausnahme war die Ausnahme. „Heute                                                                   hat. Im Fechten hat es in der Zeit funktio-
 sei mehr verbreitet, dass jeder seine Aus-                                                              niert, als Emil Beck sich reingehängt hat.
 nahme haben wolle. „Sich gegenseitig an-                                                                „Alle Kinder fechten mal mit Stock und
 zutreiben, war für mich ein Vorteil.“                                                                   Stab, spielen Räuber und Gendarmen.
                                                                                                         Fechten ist sozusagen Menschen inhärent“,
 Fecht-Meister Zimmermann pflichtete                                                                     meinte Heidemann. Jedes Kind ficht beim
 Heidemann bei und nannte weitere Ur-           Britta Heidemann, eine der erfolgreichsten               Spielen mit einem Stock mal mit einem an-
 sachen für die Probleme im Fechten. „Es        deutschen Fechterinnen der Vergangenheit,                deren Kind. „Da müsse man es doch wieder
 fehlt im Nachwuchs an der großen Masse,        macht sich Gedanken über die Zukunft des                 hinbekommen, dass Fechten wieder etwas
 die sich gegenseitig nach vorne pusht“, sag-   Fechtens.                                                ist.“
 te er. Gründe dafür sind die Ganztagsschu-
 le und das veränderte Hochschulsystem                          und Eltern. „Meine Eltern haben          Sie würde auch gern dazu beitragen, aktiv
 mit viel mehr Studienfächern, die junge                          damals dem Trainer nicht hin-          und direkt. „Ich bin aus der ganzen Welt
 Menschen überall hin verschlagen, so-                             eingeredet“, sagte sie. „Was ich      angefragt worden, zu Lehrgängen zu kom-
 dass eine permanente Konzentration                                so mitbekomme, ist, dass die          men. Aus Deutschland noch nie“, berich-
 von talentierten Fechtern wie einst in                            Eltern-Expertise immer grö-           tete sie. „Ich finde es schade, dass es nicht
 Heidenheim oder Tauberbischofsheim                               ßer wird und die Auffassung            genutzt wird.“ Ein Vorbild ist Heidemann,
 schwierig geworden sei. Die Athleten hät-                       davon, wie hart das Training            die auch in der Athletenkommission des
 ten alle individuelle Wünsche,                                 sein darf und wie viel man dem           Internationalen Olympischen Komitees ist,
 jeder wolle sein Ding ma-                                            Athleten abverlangen kann,         allemal als Gewinnerin des Grand Slams
 chen. Zimmermann: „Jeder                                                nicht mehr allein in            der Fechter: 2007 holte sie den WM-Titel,
 Leistungssportler steht vor                                              der Hand des Trainers          2008 Olympia-Gold und 2009 kam noch
 der Frage: Wie viel Zeit kann                                             liegt.“                       der EM-Sieg dazu.
 er in die Sportart inves-
 tieren, um am Ende auch                                                     Verändert habe sich          Inzwischen hat das deutsche Fechten in
 noch eine Berufsausbil-                                                     ebenso die Einstellung      der Welt seinen absoluten Spitzenplatz ver-
 dung zu haben?“                                                             der Sportler. „Früher       loren. „Grundsätzlich hat sich Deutschland
                                                                              war es eine Ehre, bei      als Fecht-Nation nach unten entwickelt,
 Dem Spitzensport sei es                                                       der Nationalmann-         auch in der Wahrnehmung“, urteilte Hei-
 bisher nicht gelungen,                                                        schaft zu sein. Heute     demann. Die Zentralisierung der besten
 umfassende Lösungen                                                           wird den Teilneh-         Fechter einer Disziplin an einem Ort sei
 für die neuen Rahmen-                                                         mern gedankt, dass        weiterhin die beste Möglichkeit, dem ent-
 bedingungen zu finden,                                                        sie dabei sind“, kriti-   gegenzuwirken. So trainierten die Säbel­
 meinte      Heidemann,                                                       siert Heidemann. „Es       fechter alle in Dormagen – mit großem
 die das Diplom in chi-                                                       ist doch großartig,        Erfolg. „Im Degen und Florett war TBB
 nesischen Regionalwis-                                                       dass ein junger Athlet     damals die Erfolgsmaschine“, sagte Hei-
 senschaften neben dem                                                        die Chance hat, mit der    demann. „Wenn eine Masse an Athleten
 Fechten schaffte. Hinzu kä-                                                 Natio­nalmannschaft zu      zusammenkommt, befeuert man sich im
 men auch die veränderten                                                 trainieren. Für uns ist es     Positiven gegenseitig. Im Zweikampfsport
 Einstellungen der Athleten                                            eine Belohnung gewesen.           braucht man starke Trainingspartner.“
                                                                       Außerdem seien damals 30
                                                                       Fechter dabei gewesen, heu-       Das Fechten müsse sich auch für neue Ide-
      „Ich habe                                                        te nur noch fünf.                 en wie die „Finals“ im vergangenen Jahr
                                                                                                         im Berlin öffnen. Dort haben parallel eine
 geweint, wenn                                                „Fechten liegt mir total am                Reihe von Sportarten an der Spree ihre
  ich nicht zum                                               Herzen“, sagte Heidemann.
                                                             Im Rahmen ihrer Möglich-
                                                                                                         Deutschen Meister gekürt und das Fernse-
                                                                                                         hen berichtete angesichts dieser geballten
Training durfte,                                             keiten versuche sie, „Werbung               Präsenz ausführlich ein ganzes Wochenen-
                                                            zu machen für Fechten“. Doch                 de stundenlang darüber. „Ich war dabei. Es
    weil ich die                                           auch der Verband sei gefragt,                 war wie kleine Olympische Spiele“, meinte
 anderen sehen                                            PR, Werbung und in den Soci-
                                                         al-Media-Kanälen etwas zu ma-
                                                                                                         Heidemann. „Die Chance muss man nut-
                                                                                                         zen.“ Dies sieht auch Zimmermann so:
        wollte.“                                       chen. Außerdem sollten die eige-                  „Da schauen die Fernsehzuschauer auch
                                                      nen Helden des Fechtsports in den                  mal Fechten, nicht nur Schwimmen, da
                   Britta Heidemann
                                                     Bundesleistungszentren aufgehängt                   wird rübergezappt.“
                                                   und gezeigt werden: „Das ist im Bonner                                        Andreas Schirmer
                                                Foto: dpa Picture-Alliance GmbH

 16
beeindruckend.
                                                          ausgefallen.
                                                          deutsche qualität.

                   FWF Fechtwelt GmbH
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 Tel.: +49 (0)7392 1699280 | Fax: +49 (0)7392 1699289
Mail: info@fencewithfun.com | Web: www.fencewithfun.com
TAL DER TRÄNEN
     DURCHSCHRITTEN
        Bundesstützpunkt Tauberbischofsheim I Seit dem 1. September
        2019 ist Reinhard Berger Leiter des Bundesstützpunkts
        Tauberbischofsheim. Für den ehemaligen Weltklassefechter gibt
        es viel zu tun. Er wähnt sich auf einem guten Weg.

18
T
         auberbischofsheim war zu Zei-
         ten von Emil Beck ein Synonym
         für Fechten in Deutschland, für
         Erfolg und Medaillengewinne
zuhauf. Als seine Ära Anfang des neuen
Jahrtausends zu Ende ging, ging es mit
dem Olympiastützpunkt und dem FC Tau-
berbischofsheim mal mehr, mal weniger
meist abwärts. Die Erfolge waren weniger
geworden, die Unzufriedenheit und Que-
relen an der Tauber größer.

Der Status des Olympiastützpunkts ist im
Zuge der Leistungssportreform inzwischen
verloren. Jetzt gilt es, mit den Mitteln und
dem Etikett eines Bundesstützpunkts –
und mit Reinhard Berger – dem Fechten
aus Tauberbischofsheim wieder Schlag-
kraft zu verleihen. Der frühere Europa-
meisterschafts-Dritte mit dem Degen ist          Der neue Bundesstützpunktleiter Reinhard Berger: „Wir bewegen uns langsam in Richtung
optimistisch, dass es gelingt.                   Erfolgsspur”                                                                   Foto: TBB

„Der Glanz der Vergangenheit, den ich teils      Er wollte gehen, doch viele Sportler und       Im Herrendegen spiele Richard Schmidt
als Aktiver miterlebt habe, ist verblasst“,      Trainer hätten sich für ihn eingesetzt, dass   „eine tragende Rolle, die er gern annimmt“,
sagt Berger, der seit mehr als 50 Jahren Mit-    er bleiben sollte. „Es konnte aber keine       so Berger. Hinzu kommen Rico Braun oder
glied im FC Tauberbischofsheim und Sohn          Dauerlösung sein. Wenn man etwas be-           Samuel Unterhauser, zwei Fechter mit Per-
von Hans-Udo Berger, Mitbegründer des            wegen wollte, konnte man das nur haupt-        spektive. „Da haben wir noch nicht so die
Vereins, ist. „Und ich habe auch die nega-       amtlich schaffen“, erkannte Berger. Im         Masse wie im Damenflorett, bauen sie aber
tiven Schwingungen und ausgebliebenen            Zuge der Spitzensportreform wurde dies         sukzessive aus“, sagt er. Dass Tauberbi-
Erfolge mitbekommen.“ Man sei aktuell in         schließlich möglich und die Bewerbung          schofsheim kein Olympiastützpunkt und
einer Phase, in der viel zu tun und zu gestal-   von ihm akzeptiert.                            „nur“ noch ein Bundesstützpunkt ist, wirkt
ten ist – aber vom Stützpunkt her habe man                                                      sich in der Praxis kaum aus. „Wir sind im-
„das Tal der Tränen“ durchschritten. „Das                                                       mer noch ein Servicepunkt Fechten, haben
verlassen wir langsam. Es ist kein einfacher                                                    immer noch Trainingswissenschaftler und
Weg, es geht Schritt für Schritt“, berichtet                                                    eine gute Physiotherapie sowie insgesamt
Berger. „Das Vertrauen ist wieder da, die                                                       eine sehr gute Förderung“, erklärt Berger. Es
Stimmung in der Halle ist gut.“ Es gebe die-                                                    hat sich da relativ wenig geändert. Die Mit-
se Grabenkämpfe und die verschiedenen                                                           tel seien etwas weniger geworden, aber „der
Lager nicht mehr. Die seien geschlossen.                                                        Geldhahn wurde nicht komplett abgedreht“.

„Wir bewegen uns langsam in die Richtung                                                        Bis zu den Olympischen Spielen 2024 in
zu einer Erfolgsspur. Das geht nicht von                                                        Paris will Berger es mit seinen Trainern
heute auf morgen“, weiß Berger, der einst                                                       und Fechtern schaffen, „wieder eine besse-
mit Alexander Pusch, Elmar Borrmann                                                             re Rolle im Fecht-Zirkus der Welt zu spie-
und Thomas Gerull dreimal den Europa-                                                           len“. In diesem Jahr ruhen die Hoffnungen
cup in Heidenheim gewann und 1988 und                                                           für die Sommerspiele in Tokio besonders
1992 Ersatzfechter bei den Olympischen           Zwei Aushängeschilder in Tauberbischofs-       auf Leonie Ebert, die sich im Einzel so gut
Spielen war. „Wir sind auf dem Weg der           heim: Leonie Ebert und Anne Sauer              wie qualifiziert hat. Ohne dies konkret auf
Verbesserung.” Man habe Abläufe geän-            Fotos: Augusto Bizzi                           die junge Florett-Hoffnung zu beziehen,
dert, einiges umstrukturiert.                                                                   meinte Berger: „Für den Bundestützpunkt
                                                 Als Leiter des BSP hat er vom Deutschen        wäre ein Olympia-Medaille sehr wichtig.“
Nach seiner Zeit als aktiver Fechter hat         Fechter-Bund die Vorgabe, die Disziplinen
Reinhard Berger eine Trainerausbildung           Herrendegen und Damenflorett voranzu-          Die Zeiten, dass dies im Vier-Jahres-
gemacht und als freier Handelsvertreter          bringen. Im Damenflorett gibt es eine sehr     Rhythmus gefeiert werden konnte, sind
gearbeitet. „Ich war dem Fecht-Zentrum           starke Trainingsgruppe mit Leonie Ebert        längst vorbei. Doch: Wie viel Emil Beck
immer verbunden“, sagt er. Schon vor drei        und Anne Sauer als Aushängeschilder.           steckt noch im Fechtsport von Tauberbi-
Jahren war er vom Verein gefragt worden,         Es gebe aber auch eine Leandra Behr, die       schofsheim? „Der Geist von ihm war mal
ob er die sportliche Leitung übernehmen          nach abgeschlossenem Zahnmedizinstu-           in der Versenkung verschwunden. Jetzt
wolle. „Das habe ich ein Jahr gemacht, aber      dium wieder richtig einsteigen wolle und       kommen wir langsam wieder zu den Wur-
gesehen, dass es so nicht funktionierte,“        junge Talente wie Aliya Dhuique-Hein so-       zel unser Vergangenheit und versuchen, sie
sagte Berger. Da war das Klima auch noch         wie hoffnungsvollen Nachwuchs im U17-          in die heutige Zeit umzusetzen.“
nicht so prima wie heute.                        Bereich.                                                               Andreas Schirmer

                                                                                                                                          19
Weit gekommen, aber nicht weit genug: Lis Rottler-Fautsch                                                                Fotos: Augusto Bizzi

                       LUXEMBURGERIN
                    WIRD IN HEIDENHEIM ZUR
                     WELTKLASSEFECHTERIN
       Lis Rottler-Fautsch I Die in Luxemburg geborene Lis Rottler-Fautsch ging als 19-Jährige nach Wien,
       um dort zu studieren, fünf Jahre zu leben und zu fechten. Danach verschlug es sie nach Heidenheim,
                          weil sie eine Weltklassefechterin werden wollte – und wurde.

„Als ich den Master in Kommunikations-        „Der Olympische Sportbund hat mir aber         schon von Anfang an überzeugt von dem
wissenschaften gemacht hatte, fragte ich      gesagt, wenn ich das wirklich machen will,     Fechtzentrum. „Das Niveau war sehr gut.
mich, was nun“, erzählt Lis Fautsch im        müsste ich mir einen Fecht-Stützpunkt im       Und es war so familiär. Das war ein großes
Gespräch mit dem fechtsport-Magazin.          Ausland suchen, da es in Luxemburg nicht       Plus“, so Fautsch.
Und da sei der Reiz groß gewesen, nicht       genug Fechter gebe “, sagt Fautsch. „Ich war
gleich voll ins Berufsleben einzusteigen,     damals die Erste in meinem Land, die die-      Schließlich wollte sie unbedingt wissen,
sondern nach erfolgreichem Anfang mit         sen Weg eingeschlagen ist.“                    wie weit man es wirklich schaffen kann,
dem Degen das eigene Können „auf ein                                                         wenn man sich voll auf das Fechten kon-
anderes Niveau“ zu heben.                     Paris oder Heidenheim                          zentriert. „Die Lust dazu war einfach so
                                              Zunächst erwog sie, in der Metropole Paris     groß, es zu probieren. Ich bereue keinen
Unterstützung erhielt sie dabei vom luxem-    mit versierten französischen Trainern und      Moment und ich bin so dankbar, was man
burgischen Olympischen Sportbund, der         guten Fechtern ihr Können mit dem Degen        in Heidenheim aus mir gemacht hat“, sagt
ihr eine Aufnahme in die Sportfördergrup-     weiter zu vervollkommnen. Bis sie jemand       die zehnmalige luxemburgische Meisterin.
pe der Armee des Landes anbot. Damit hat-     auf die Idee brachte, in das weit weniger      Neben den sportlichen Fortschritten habe
te sie mehr finanzielle Absicherung für ihr   mondäne Heidenheim zu gehen, das 2012          sie sich auch charakterlich weiterentwi-
Vorhaben, im Fechten etwas zu bewegen.        zu ihrer neuen Heimat wurde. „Ich war          ckelt – und ihr Wissen über Medien und

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Kommunikation mit Pressearbeit für den          besser geworden, wenn sie bei der WM            zurück an die Planche und entschied:
Heidenheimer SB und den Stützpunkt              2019 in Budapest eine Medaille gewonnen         ­„Bodentreffer!“ Ein Protest war nach dem
praktisch anwenden können.                      hätte, was nach ihrer Ansicht durch ein          Videobeweis nicht mehr möglich.
                                                falsches Obmann-Urteil verhindert wurde.
Siebte bei der WM 2019 in Budapest              „Inzwischen habe ich die Sache ein biss-        „Ich muss ehrlich sagen, dass ich noch nie
In den Jahren auf der Ostalb hat die heute      chen verdaut“, sagt sie.                        in so einer Situation war. Ich fühlte mich
32-jährige temperamentvolle Linkshände-                                                         ein bisschen auf verlorenem Posten, wollte
rin ihr Ziel, in die Weltspitze aufzusteigen,                                                   nicht weiterfechten.“ Doch es waren noch
erreicht. Bei den Weltmeisterschaften 2019
in Budapest wurde sie Siebte. So ein Ergeb-
                                                 „Man hatte mir                                 18 Sekunden zu fechten und sie hatte die
                                                                                                kleine Hoffnung, es doch noch zu schaffen.
nis hat vorher kein Fechter aus Luxemburg        die Medaille                                   Vergebens. „Moellhausen setzte einen sehr
erreicht. „Ich kann deshalb zumindest                                                           guten Treffer. Sie hat es gut gemacht und
sagen, dass ich die erfolgreichste Fechte-       geraubt, weil ich                              ich verliere.“
rin meines Landes seit Langem bin“, stellt
Fautsch stolz fest.
                                                 eine Fechterin                                 Später schaute sie sich ein Video an, das
                                                 aus einer kleinen                              von dem Gefecht gemacht wurde und be-
Neben Paris und Heidenheim wäre auch die                                                        fand auch nach dieser Ansicht: „Auf dem
Damendegen-Hochburg Leverkusen eine              Nation bin.”                                   Video hat man ganz klar erkannt, dass ich
Adresse für sie gewesen, zumal dort der          Lis Rottler-Fautsch                            das Schienbein getroffen habe. Man hat-
Luxemburger Michel Colling als Trainer
arbeitet. „Als ich ein Fechtzentrum suchte,
war er noch gar nicht in Leverkusen“, sagt
Fautsch. Und als er in Leverkusen engagiert
wurde und sich etablierte, stand ein Wech-
sel „nicht mehr zur Diskussion“. Dennoch
haben beide Kontakt. „Wir ­schreiben uns
regelmäßig und reden über den luxembur-
gischen Fechtsport.“ Ein großes Thema sei,
wie man das Fechten in ihrem Land voran-
bringen und den Nachwuchs fördern kön-
ne. „Auch Michel hat viele Verbesserungs-
vorschläge. Jedes Mal, wenn wir uns treffen,
reden wir gern darüber.“

Ob und wann sie in ihre Heimat zurückkeh-
ren wird, ist noch nicht klar. „Das ist noch
nicht entschieden. „Ich werde auf jeden
Fall meine Karriere nach den Olympischen
Spielen beenden – hoffentlich mit einer
Teilnahme in Tokio“, sagt Fautsch. Im Sep-
tember endet ihr Vertrag mit der Armee.
Zunächst will sie sich ganz auf die Olympia-    Pech in Budapest: Lis Fautsch verpasst einen Medaillengewinn bei der WM.
Qualifikation fokussieren – „und deswegen
noch nicht zu sehr an die Zukunft denken“.      Noch Monate später schildert Fautsch            te mir die Medaille geraubt, weil ich eine
                                                diesen Viertelfinalkampf gegen Nathalie         Fechterin aus einer kleinen Nation bin und
Etwas traurig war sie, dass die Europameis-     Moellhausen, als wäre er gerade erst vor-       keinen Widerstand bieten konnte.“ Durch
terschaften 2019 in Düsseldorf und nicht,       bei. 18 Sekunden vor Gefechtende setzte         die entgangene Medaille sind viele Punkte
wie ursprünglich vorgesehen, in ihrem           sie den vermeintlichen Siegtreffer auf das      für die Olympia-Qualifikation flöten ge-
Heimatland Luxemburg stattfanden. „Die          Schienbein der Brasilianerin und wähnte         wesen. „Ich bin aber trotzdem noch guter
Bewerbung für die EM war für mich auch          sich als Siegerin. „Ich habe wie verrückt ge-   Dinge und überzeugt, dass es mit Tokio
ein Ansporn gewesen, vier Jahre weiter zu       brüllt, weil ich dachte, gerade eine Medaille   klappen kann“, meint Fautsch.
fechten. Und als es hieß, aus finanziellen      bei der WM gewonnen zu haben.“
Gründen kann die EM nicht in Luxemburg                                                          Wenn das große Ziel nicht erreicht wer-
veranstaltet werden, war ich natürlich sau-     Doch Moellhausen protestierte und rekla-        den sollte, hat sie dennoch einen etwas
er“, so Fautsch. „Es war sehr traurig, aber     mierte, es sei ein Treffer auf den Boden        anders gelagerten großen Gewinn vom
die EM in Düsseldorf war ja auch super.“        gewesen. Der Obmann ging zum Video-             Fecht-Abenteuer in Deutschland gehabt.
Für das Fechten in Luxemburg sei dies aber      Screen und schaute sich die Szene mehr-         Schließlich lernte sie von den sparsamen
„eine vertane Chance“ gewesen.                  mals an. „Es dauerte eine Ewigkeit. Ich habe    Schwaben, umsichtiger mit ihrem Geld
                                                gedacht, das kann doch nicht sein, das war      umzugehen. „Ich habe mich schon ein
Nun gilt es für Fautsch, nach vorne zu se-      für mich ein klarer Treffer und ich wusste      bisschen zum Sparfuchs entwickelt“, sagt
hen und alles für den Traum Olympia zu          nicht, was da das Problem war“, erinnert        Lis Fautsch.
geben. Die Ausgangsposition für sie wäre        sich Fautsch. Schließlich kam der Obmann                                 Andreas Schirmer

                                                                                                                                       21
IOC-PRÄSIDENT LOBT
               „ERRUNGENSCHAFTEN DES
                      FECHTENS“

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                                                                                            Center in Lausanne     Fotos: Augusto Bizzi

             FIE-Kongress 2019 I Nach 20 Jahren hat zum ersten Mal wieder der FIE-Kongress am Sitz
             des Weltverbandes in Lausanne stattgefunden. Rund 300 Delegierte aus 139 anwesenden
               Mitgliedsverbänden waren am 30. November in die Stadt am Genfer See gekommen.

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          eben dem Präsidenten des Schweizer Fechtverbandes,      ten aussetzen. Für die Unterstützung bei der von der FIE als eines
          Olivier Carrard, und FIE-Präsident Alisher Usmanov      der höchsten Ziele ausgerufenen Revidierung der olympischen
          war auch Thomas Bach aus dem nicht weit entfernten,     Teilnahme-Beschränkung verlieh Usmanov dem deutschen IOC-
          neuen und hochmodernen Amtssitz des Internatio-         Präsident die hohe Auszeichnung „Chevalier Feyerik ­Challenge“.
nalen Olympischen Komitees im Louis Bourget Park neben dem
Schloss Vidy zur Begrüßung der Fecht-Familie gekommen.            FIE wird immer globaler
                                                                  Gern wird der IOC-Präsident wahrgenommen haben, dass das
Der Mannschafts-Olympiasieger im Florett brachte dabei seine      Fechten immer globaler wird. So wurden als neue Mitglieder der
ungebrochene Verbundenheit mit dem Fechtsport zum Ausdruck        Oman, Kap Verde und Papua-Neuguinea sowie Kenia aufgenom-
und stellte heraus, dass die Offenheit für zukunftsorientierte    men. Damit gehören der FIE nun 157 Mitgliedsverbände an. Beim
Veränderungen in der FIE beim IOC sehr positiv wahrgenommen       Gedenken an die seit dem vergangenen Kongress verstorbenen aus
werden. „Ich freue mich über die vielen Errungenschaften des      der Fechter-Familie wurde auch an den verstorbenen internationa-
Fechtens und darüber, wie das Fechten die olympischen Werte       len DFB-Kampfrichter Uwe Neder erinnert.
lebt“, sagte Bach. Zur Würdigung dieses Engagements überreichte
er Alisher Usmanov die „Trophy of Olympic Values“ des IOC.        Für viele unerwartet war der Ausgang der Wahl für den Nachrü-
                                                                  cker im FIE-Exekutivkomitee. Nach dem Ausscheiden des frühe-
FIE-Präsident Usmanov dankte im Gegenzug in seiner Eröffnungs-    rer chinesischen Präsidenten Wang Wei aufgrund Stimmengleich-
rede Thomas Bach, dass bei den Olympischen Spielen 2020 in To-    heit konnte sich im zweiten Durchgang Anna Delgado Guerra aus
kio erstmals wieder alle 12 Einzel- und Mann­schaftswettbewerbe   Panama mit deutlichen 86:48-Stimmen gegen den Isländer Nikolai
zum Programm gehören werden. Damit endet die Zeit der Ro-         Mateev durchsetzen. Sie ist damit bis zum Wahlkongress 2020 Mit-
tation: 2008, 2012 und 2016 waren die Team-Wettbewerbe von        glied im Exekutivkomitee. Die Stimmengleichheit resultierte aus
sechs auf vier beschränkt worden. Bei den Sommerspielen 2016      der ordentlichen Wahl 2016. Daher musste für den Nachrücker-
in Rio mussten zuletzt die Säbel- und Damenflorett-Mannschaf-     platz abgestimmt werden.

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