Depressionen und Burnout - Erkennen, Erklären, Behandeln Martin Hautzinger
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Depressionen und Burnout Erkennen, Erklären, Behandeln Martin Hautzinger Fachbereich Psychologie hautzinger@uni-tuebingen.de
Stellen Sie sich einen Mann vor … • 44 Jahre alt, Informatiker, erfolgreich, vh, 2 Ki • Probleme mit Denken, Konzentration • Wortfindungsstörungen, Denkblockaden • Angespannt, missgestimmt, weinerlich, erschöpft • Magenschmerzen, Druck auf der Brust, Kloßgefühl im Hals, Sodbrennen, • Schlafprobleme • Erschöpfung, keine Erholung durch Ferien/Freizeit • pessimistische Befürchtungen (Arbeit zu verlieren) • Seit Jahren Magenprobleme, Schmerzen
Fortsetzung …. • hoher Arbeitsdruck (Projekte, Termine) • Absprache, Verpflichtungen oder Termin immer eingehalten, geschätzt wegen seiner Gewissenhaftigkeit • Schulden durch Hausbau • Konflikte, Schulprobleme der pubertierenden Tochter • Seit 4 Jahren in jetziger Firma • Ankündigung in Firma: Informatikabteilung wird verkleinert • Vater (damals 47 J.) verstorben als Pat. 11 J. alt war • immer um Mutter und Familie gekümmert • er hat alles zusammen gehalten • über Umwege (Abendgymnasium) zum Studium
Depression: Hauptmerkmale • Mangelnder emotionaler Zustand („niedergeschlagen“) • Veränderte Haltung dem Leben gegenüber • Körperliche Veränderung • Antriebshemmung
Hauptsymptome einer Depression A. Fühlten Sie sich in den letzten 2 Wochen fast jeden Tag nahezu durchgängig niedergeschlagen, traurig oder deprimiert ? B. Hatten Sie in den letzten 2 Wochen fast ständig das Gefühl zu nichts mehr Lust zu haben oder haben Sie das Interesse und Freude an Dingen verloren, die Ihnen gewöhnlich Freude machen? C. Haben Sie ich in dieser Zeit fast immer müde und energielos gefühlt ? Zusatzsymptome 1. Können Sie sich nicht mehr über längere Zeit auf eine Sache konzentrieren (z.B. Zeitung lesen) ? 2. Leiden Sie an fehlendem Selbstvertrauen und/oder Selbstwertgefühl ? 3. Machen Sie sich häufig Selbstvorwürfe oder fühlen Sie sich schuldig für alles was geschieht ? 4. Sehen Sie die Zukunft schwärzer als sonst ? 5. Haben Sie in den letzten 2 Wochen manchmal gedacht, dass Sie lieber tot wären, oder haben Sie daran gedacht, sich Leid zuzufügen ? 6. Hatten Sie in den letzten 2 Wochen fast jede Nacht Schwierigkeiten ein- oder durchzuschlafen, oder haben Sie zuviel geschlafen ? 7. Hatten Sie verminderten Appetit, oder haben Sie übermäßig viel gegessen ?
Schmerz Syndrom • Schmerzen begleiten depressive Patienten in 2/3 der Fälle • Depressionen werden oft übersehen • Serotonerge und noradrengerge Botenstoffe werden auch auf Rückenmark übertragen und haben Kontakt zur Muskulatur, Magen-Darm Bereich, Haut • Verkrampfung der Muskulatur, Fehlregulation (es entfallen die Hemmfunktionen) durch Depression, wir nehmen etwas wahr, was wir normalerweise nicht wahrnehmen und empfinden es als Schmerzen (Gehirnleistung)
Burn out Syndrom • Ausgebrannt sein aufgrund beruflicher Dauerüberlastung • Körperliche, emotionale, mentale und soziale Erschöpfung • Häufig bei Personen, die im öffentlichen Interesse stehen und psychische Probleme haben • Heute eher Sammelbegriff für psychische Störungen am Arbeitsplatz (Arbeitsbelastungen)
Burn out Syndrom Erst bei andauernden Beschwerden über Wochen bis Monate, die durch Regeneration, wie Urlaub, nicht mehr rückläufig sind, sollte der Begriff „Burnout“ verwendet werden. Berger, Schneller, Maier 2012 Burnout klingt als das kleinere Übel, mit geringerem Stigma als Depression!
Hauptsymptome =2 =2 =3 gedrückte, depressive Stimmung Interessenverlust, Freudlosigkeit Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit Zusatzsymptome + + + Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen =2 = 3-4 =>4 Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit und und und Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven Suizidgedanken / -handlungen Symptome > 2 Wochen Schlafstörungen Verminderter Appetit Schweregrad leichte mittelgradige schwere Depressive Episode mono-phasisch rezidivierend im Rahmen eines Verlaufsaspekte bipolaren Verlaufs ICD-10 F 32.xx F 33.xx F 31.xx
Epidemiologie Depression • Prävalenz (bis 12 Monate) 7-10% (Bevölkerung) • Lebenszeitrisiko: 12 (m) -20 (w) % (Bevölkerung) • Inzidenz/Jahr: 16 - 57 auf 1000 Personen (2-5%) • Frauen generell doppelt bis dreifach so häufig! • Komorbiditäten die Regel (74% haben mindestens eine weitere psychische Störung) • Frauen: Angststörungen, somatoforme Störungen, (Schmerzen, Erschöpfung) Essstörungen • Männer: Substanzmissbrauch, Verhaltenssüchte • Depressionen häufig bei: Krebserkrankungen, Hormonstörungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Dialyse, chronischen Erkrankungen • nahezu alle Depressionen neigen zu Rückfall (man ist verletzlicher für Depressionen unter Belastungen)
Prävalenzen (%) und Menge verlorener Lebensjahre (DALY) durch psychische Erkrankungen in Europa (Wittchen et al. 2011) (6,9%) 205,3 Depression (5,4%) 137 Substanzen (0,9%) Bipolare 34,9 Störg. (1,2%) Psychosen 30,7 (7,0%) Insomnie 18,7 (14,0%) 18,2 Ängste/Panik (0,7%) Zwänge 15,7 (2,0%)PTSD 11,6 0 50 100 150 200 250
Burn out Syndrom Epidemiologische Befunde aus DEGS (n=7807) Sozioökonomischer Status niedrig mittel hoch Burnout (ärztl. Diagn.) 2,6% 4,5% 5,8% Depression (ICD Diagn.) 13,6% 7,6% 4,6% Z 73 Codierung bei 2,23 Mio Versicherten 2005-2007: 3,9 % (M 2,4%, F 4,5%)
Auswirkungen der Depression • Fehlzeiten, Krankheitstage, Frühberentung • Schwächung des Immunsystems mit Folgekrankheiten • Hormonstörungen, Reproduktionsfähigkeit gestört • Herz-Kreislauf Erkrankungen (Infarktrisiko) • soziale Isolation • Erziehungs- und Partnerschaftskonflikte • Einschränkung der Lebensqualität • erhöhte Suizidrate
Auswirkungen der Depression • Inzwischen häufigste Ursache von Invalidität und verminderter Lebensqualität in Industriestaaten • Depressionen haben einen wesentlichen Einfuß auf den Verlauf anderer chronischer Erkrankungen oder entstehen im Verlauf dieser (z.B. Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Diabetes) • Depression ist ein eigenständiger Faktor für das Risiko einen Schlaganfall zu erleiden.
Auswirkungen der Depression bei D gestört 1. Exekutive Funktionen Kognitive Flexibilität ++ Reaktionsinhibition + Planen/Problemlösen + 2. Gedächtnis Lernen/Abruf (recall) + Wiedererkennen (recognition) + Arbeitsgedächtnis + Kurzzeitgedächtnis +/- 3. Aufmerksamkeit Reaktionsgeschwindigkeit + Selektive Aufmerksamkeit + Vigilanz + Geteilte Aufmerksamkeit + 4. Visuoräumliche Funktionen Konstruktionen +/- Wahrnehmung +/-
Zusammenhang von Depressiven Symptomen und der Entwicklung kognitiver Beeinträchtigungen
Mortalität durch Depression 100 ohne MDD 80 MDD Frauen MDD Männer 60 40 0 1 2 3 4 5 Jahre
Behandlungs- In haus- Als Suffizient Nach 3 Mo. bedürftige ärztlicher Depression behandelt Behandlung Depressionen: Behandlung erkannt compliant ca. 5% (Punkt- prävalenz) 60-70% 30-35% 6-9% 2,5-4% Aktuelle Versorgungslage Optimierungsspielraum durch Kooperation mit Hausärztinnen und Hausärzten
WHO-5 Fragebogen zum Wohlbefinden Die folgenden Aussagen betreffen Ihr Wohlbefinden in den letzten zwei Wochen. Bitte markieren Sie bei jeder Aussage die Rubrik, die Ihrer Meinung nach am besten beschreibt, wie Sie sich in den letzten zwei Wochen gefühlt haben. Die ganze Meistens Etwas mehr Etwas Ab und zu Zu keinem Zeit als die weniger als Zeitpunkt Hälfte der die Hälfte In den letzten zwei Wochen ... Zeit der Zeit 5 4 3 2 1 0 ... war ich froh und guter Laune ... habe ich mich ruhig und 5 4 3 2 1 0 entspannt gefühlt ... habe ich mich energisch und 5 4 3 2 1 0 aktiv gefühlt ...habe ich mich beim Aufwachen 5 4 3 2 1 0 frisch und ausgeruht gefühlt ... war mein Alltag voller Dinge, 5 4 3 2 1 0 die mich interessieren Punktberechnung Der Rohwert kommt durch einfaches Addieren der Antworten zustande. Der Rohwert erstreckt sich von 0 bis 25, wobei 0 das geringste Wohlbefinden/niedrigste Lebensqualität und 25 größtes Wohlbefinden, höchste Lebensqualität bezeichnen. < 14 Pkt. kritische Grenze!
Beurteilung von Suizidgefährdung Männliches Geschlecht höheres Lebensalter Verluste wirkt ausgesprochen hoffnungslos keine Zukunftsperspektive sozial isoliert, hat sich zunehmend zurückgezogen reagiert ausgesprochen gereizt/aggressiv, ist impulsiv ein tragfähiger Kontakt kommt nicht zustande schwere depressive Verstimmung, evtl. mit Wahnideen Suchterkrankung Empfindungslosigkeit (Anhedonie), Depression, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen) Erschöpfung, Überforderung psychotische Episode einen oder mehrere Suizidversuche in der Vorgeschichte
Ursachen depressiver Störungen?
Stress und Depression Stressoren vorübergehend anhaltend akuter Stress 1. Dauerstress 2. Erschöpfung (Burnout) 3. Depression 4. Körperliche Erkrankungen
Depression und Industrialisierung Nigeria ländlich Nigeria städtisch Nordamerika ländlich Nordamerika städtisch 40 35 32,7 30 25 20,7 20 17,7 15 10,2 10 5 0 Depression Prävalenz
Depression und Modernisierung OR (Nigeria ländlich als Referenzpunkt) 14 Nigeria städtisch 12 Nordamerika ländlich Nordamerika städtisch 10 8 6 4 2 0 OR < 45 J. OR > 45 J. OR mit Kinder OR ohne Kinder
Lebensereignisse und Depressionen
Camberwell (Brown/Harris) Studie: Frauen mit verschiedenen Depressionsdiagnosen unterteilt nach Lebenssituation 3 Monate zurück 60 50 40 30 20 10 0 Single Married Married: Married: a Widowed, children child less divorced, over 6 yrs than 6 yrs separated
weitere soziale Faktoren • Früher Mutterverlust (vor 11.Lbj.) • Nur Hausfrau (keine Berufstätigkeit außerhalb der Familie) • Mutter von kleinen Kindern • Unglückliche, disharmonische Ehe • Zugehörigkeit zu unteren sozialen, benachteiligten Schicht
weitere Psychologische Faktoren: Deprivation, unsichere Bindungserfahrung Missbrauch (physisch, sexuell, psychisch) fehlende Kontrolle, enge Handlungsspielräume fehlende soziale Unterstützung, familiäre, partnerschaftliche Konflikte, Defizite bei Fertigkeiten, Verhaltenslücken ängstlich-gehemmtes, dependent-anankastische Persönlichkeit, fehlende positive Verstärkung, negative Erwartungen und dysfunktionale Kognitionen (Attributionsmuster, Pessimismus) ungeschickte Bewältigungsfertigkeiten (Grübeln)
Nichtkontrolle und Hilflosigkeit yoked • Versuchstier (oder • Versuchstier (oder Probanden) erfahren Probanden) erfahren aversive Situation, z.B. aversive Situation, z.B. Stromschlag Stromschlag • durch Drehen eines • Drehen eines Rads oder Rads oder Bewegen Bewegen eines Hebels eines Hebels kann hat keine Wirkung auf aversiver Reiz beendet aversiven Reiz werden Kontrolle Nicht-Kontrolle
Erlernte Hilflosigkeit: Hilflosigkeitseffekte Depressionen Passivität Passivität Schwierigkeiten zu lernen verlangsamtes Lernen Mangel an Aggression Mangel an Initiative Ulceration negative Einstellung Gewichtsverlust Gewichtsverlust Appetitmangel Appetitmangel Libidoverlust Libidoverlust NA-Mangel NA-Mangel Dopaminmangel Hilflosigkeitsgefühl Stressreaktion (HPA) Stressreaktion (HPA) Immunschwäche Immunschwäche
Hilflosigkeit/Hoffnungslosigkeit Nichtkontrolle, Mißerfolge Kognitive Kausalattrib. Erwartungen Hilflosigkeit Stile internal der Nicht- Depression stabil Kontrolle Hoffnungs- global losigkeit Zahlreiche Studien die zeigen, daß negative Attributionsmuster mit Depression einhergehen. Prospektive Studien, die zeigen, daß diese kognitiven Prozesse prädiktiven Wert haben (Vorhersage depressiver Symptome), z. B. bei Kindern, bei Jugendlichen
Weitere Ursachen affektiver Störungen • Genetische Faktoren (familiäreHäufung, Adoptionen, Konkordanzraten) • Neurobiologische Veränderungen (Serotonin, Noradrenalin, cholinerg-adrenerge Dysbalance, Oxytocin, Hyperkortisolismus, Sympathikus-Parasympathikus Systems, Wachstums- und Gonadenhormondefizite usw.) • Endokrine und neuroanatomische Veränderungen • Virale Infektionen während der Schwangerschaft • Chronobiologische Störungen (saisonal, zirkadian)
Veränderungen des HPA- [Stress] Systems bei Depressionen • Hypersekretion von CRH, ACTH und Cortisol CRH • Abgeschwächte Supprimierbarkeit von Cortisol und ACTH durch Dexamethason • Abgeschwächte ACTH Antwort auf CRH Gabe ACTH • Erhöhte Sekretion von Cortisol nach ACTH Stimulation • Gesteigerte Sekretion von Cortisol und ACTH im kombinierten Dex/CRH Test Cortisol
Korrelation zwischen Hippocampus-Volumen und Dauer einer unbehandelten Depression* Ambulante Patientinnen mit rezidivierender Depression 6000 R2 = .28 p < .001 5500 Gesamtvolumen (mm3) 5000 4500 Hippocampus- 4000 3500 3000 0 1000 2000 3000 4000 Dauer der unbehandelten Depression in Tagen * Signifikantes umgekehrt proportionales Verhältnis zwischen Hippocampus-Gesamtvolumen und Zeitdauer der unbehandelten Depression.
Hirnatrophie bei Depression Atrophie des Hippocampus bei Depression: Cortisol? Normal Depression Hippocampus befindet sich an “verwundbaren Schnittpunkt” der kognitiven, emotionalen, neuroendokrinen Regulation, reich an Glukokortikoidrezeptoren und empfängt wichtigen Input von exzitatorischen glutaminergen Neuronen
Neuroanatomisches Netzwerkmodell der Depression als Störung des Zusammenwirkens von hypoaktiven Arealen des dorsolateralen und präfrontalen Cortex (dFr), inferiorem Parietallappen (infPar), dorsalem anteriorem Cingulum (dCg) posteriorem Cingulum (pCg) und hyperaktiven Arealen des Hippocampus (Hc), der Amygdala (Am), des subgenualen Cingulum (Cg25), der Inselregion (vlns), des ventralen Frontallappen (vFr), des Hypothalamus (Hth). Dem rostralen anterioren Cingulum (rCg24a) kommt eine Schlüssel- funktion bei der Aufrechterhaltung des dynamischen Gleichgewichts zu. nach Mayberg et al. 1997/2006
Neurobiologisches Erklärungsmodell Neuromodulatoren (Serotonin, Noradrenalin, Dopamin, Acetylcholin) Neuroplastizität Neuroendokrinologie Gen-expression Gen
Anzahl ungünstiger Lebensereignisse und Depression
Stress – Depression – Herz-Kreislauf Stress Depression Fehlregulation Fehlregulation der Stresshormon des Sympathikus Achse (HPA) -Parasympathikus Störung der Hämostase, Fettanreicherung Förderung der Erhöhter Puls, Insulinresistenz Arteriosklerose verminderte Herz- Bluthochdruck Frequenz Variabilität Erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Raison et al. 2010
Prädisponierende Faktoren - Distale Risikofaktoren Demographische Faktoren Vorerkrankungen Biologische Faktoren Persönlichkeitsfaktoren Sozialisationsbedingungen Psychobiologische Vulnerabilität biologische Perspektive kognitiv-emotionale Perspektive sozial-interaktive Perspektive Ereignis/Belastungen Reaktionsmuster - proximale Risikofaktoren Biologische Perspektive kognitive Perspektive sozial-interaktive Perspektive Depression Folgen der Dysregulation, Verstärkung der psychobiologischen Vulnerabilität Chronifizierung, Rückfälle, Wiedererkankung
Überwindung depressiver Störungen?
Empfehlungen Bei einer leichten depressiven Episode kann, ….., im Sinne einer aktiv abwartenden Begleitung zunächst von einer depressions- spezifischen Behandlung abgesehen werden. Hält die Symptomatik nach einer Kontrolle nach spätestens 14 Tagen noch an oder hat sie sich verschlechtert, soll mit dem Patienten über die Einleitung einer spezifischen Therapie entschieden werden. www. depression.versorgungsleitlinie.de 2009 deJong-Meyer, Hautzinger, Kühner, Schramm 2007
Was kann man tun? • Stress nicht gleich Stress: Beeinflussbar! • Soziale Ressourcen: Kontakte, Beziehungen, Netz, Rückhalt, Kompetenzen • Persönliche Ressourcen: Alltagsgestaltung, Offenheit für Erfahrungen, soziale Verträglichkeit, Perfektionismus, Impulsivität und emotionale Labilität, Einfühlungsvermögen, Zynismus, Aggressivität, Optimismus, kognitive Flexibilität, Kohärenz, Sinnerfüllung • Arbeitswelt: Stress reduzieren, Kontrolle und Handlungsspielräume ermöglichen, Anerkennung ausdrücken, Störungen (z.B. Mobbing) beheben
Psychotherapie Pharmakotherapie
Therapiemodell KVT Hintergrund Kognitionen Traumatische automatische Gedanken Erfahrungen, negative Attributionen, Kontrollver- dysfunktionale Bewertungen lust, Benach- und Schemata (Haltungen) teiligungen, Kompetenzen Depression Isolation, Ressourcen, Bewältigungsmuster, Persönlichkeit Fertigkeiten, Interaktionsmuster, Biologie Problemlösen, Selbstkontrolle Aktivitäten Situative verstärkende Erfahrungen, Bedingungen, Ablenkung, Tagesstruktur Auslöser Einbezug von Angehörigen, Partner, Familie
Psychotherapie der Depression (KVT) Modul 1: Aufbau therapeutischer Beziehung, Akzeptanz, Geduld, Lebens- und Krankengeschichte, Krankheitsverlauf, prägende Bezugspersonen erfragen und Erfahrungen (emotionale, kognitive, traumatische) mit denen herausarbeiten, zentrale Probleme erkennen und benennen, Ziele herausarbeiten und konkretisieren (festhalten) Modul 2: Erarbeitung und Vermittlung eines Erklärungsmodells und des therapeutisch hilfreichen Rational (Modell), Struktur und Elemente der Therapie ableiten, Bezug zu den Zielen
Psychotherapie der Depression (KVT) Modul 3: Alltagsgestaltung, Tagesstruktur, Beobachtungsaufgaben dazu, welche Art (pos., neg.) Tätigkeiten und Aktivitäten finden statt bzw. dominieren, Situations- und Verhaltens- analysen durchführen bzw. Verhaltensabläufen herausfinden, verbunden mit Auswirkung auf Befinden Herausarbeiten angenehmer, positiv erlebter Tätigkeiten und Aktivitäten, emotionale und motorische Verhaltensaktivierung (Aktivitätsaufbau, Neustrukturierung des Alltags), Verwendung von Protokollen und konkreten Planungen, Absprachen und ggf. Hilfestellungen
Wochenplan und Tagesaktivitäten Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag Samstag Sonntag
Wochenplan: Typ A/B Plan Aktivitäten einhalten und Pflichten und Belohnungsvertrag Termine eintragen; mit sich abschließen zwischen den Wochenplan vom ____________ bis ___________ Terminen genügend Uhrzeit / Platz für angenehme Montag Dienstag Angenehme Mittwoch Donnerstag Wochentag Tätigkeiten freilassen Tätigkeiten eintragen 8- 9 Uhr Frühstück Aufstehen mit K. Aufstehen Aufstehen 9-10 Uhr mit K. Einkaufen Berta anrufen Rätsel lösen ins Fenster 10-11 Uhr Zeitung lesen Arzt Thermalbad putzen 11-12 Uhr Aufräumen gehen Arzt Kinder Anzahl angenehmer besuchen 12-13 Uhr Kochen Tätigkeiten Kochen pro Tag Kochen Essen gehen Musik hören Bügeln festlegen Autogen. 22-23 Uhr Hausaufg. Training positive Tätigkeiten 4 3 5 5
Psychotherapie der Depression (KVT) Modul 4: Erkennen automatisierter (verfestigter) kognitiver Muster und dysfunktionaler Informationsverarbeitungen, Schemata und Grundüberzeugungen, Herausarbeiten des biographischen Zusammenhangs dieser Muster, Erarbeiten alternativer Sichtweisen, Wertevorstellung und kognitiver Muster, Gedankenkontrollstrategien erlernen und erproben, Training neuer Denk- und Verarbeitungsmuster, von Dezentrierung und Aufmerksamkeitslenkung, Rollenspiele und Übungen, lautes Disputieren, Protokolle führen, Alltagstests
Spalten - Technik Negative Gefühle, die in Unerfreuliches Ereignis (und nach) der reignis ewertendebeschreiben efühl unerfreulichen Gedanken Automatische, Situation negative bzw.auftraten, wenig hilfreiche Ich stehe bei Aldi Gedanken Realitäteintragen beschreiben hilfreichere, der an der Kasse, eine Oh je, wie peinlich. Scham Die denken jetzt alle angemessenere Gedanken finden lange Schlange „die blöde, senile Alte! hinter mir. und eintragen Als ich bezahlen Ich werde immer Angst, vergesslicher. Jetzt geht möchte, stelle ich alles nur noch bergab. traurig fest, dass ich meinen Geld- Neue, alternative Neues Gefühl beutelEntsprechende, zuhause Gedanken habe liegen hilfreichere Gefühle Egal! Das kann jedem gelassen, lassen. neutral, eintragen passieren. Eine kleine Verschaufpause kann leicht belustigt diesen getressten Ein- käufern auch nicht schaden.
Hilfreiche Gedanken - Karten Ich habe viel erreicht im Ich freue mich Leben, z.B. ..... auf unsere Radtour Auf meinen Ich bin eine Garten bin ich gute Köchin Endlich habe ich stolz Zeit für mich Ich habe wunderbare Meine Tochter Ich muß nicht Freunde ist immer perfekt sein für mich da
Umgang mit störenden Gedanken Wenn Ihnen negative Gedanken und Bilder bewusst werden, die Ihnen durch den Kopf gehen, behalten Sie diese mit einer Haltung des behutsamen Interesses und der Neugier im Bewusstsein. Vielleicht erweitern Sie Ihre Aufmerksamkeit dahingehend, dass sie einen oder mehr der folgenden Punkte einschließt: Vielleicht verwechsele Es ist erstaunlich ich einenesGedanken wie befreiend mit einer sich anfühlen Tatsache? kann, wenn man Vielleicht bin ich zu sehr in Schwarz-Weiß-Denken verhaftet? sieht dass die verdamme Vielleicht eigenen Gedanken einfach ich mich selbst nur Gedanken nur wegen dieser einen sind und Sache? nicht „man selbst“ Vielleicht oder „die konzentriere Realität“. ich mich auf meine Schwächen und vergesse meine Stärken? Vielleicht beschuldige ich mich für etwas wofür ich gar nichts kann? Vielleicht setze ich für mich unrealistisch hohe Maßstäbe, so dass ich versagen muss? Vielleicht erwarte ich Perfektion?
Psychotherapie der Depression (KVT) Modul 5: Erlernen neuer Fertigkeiten und Kompetenzen: Stressmanagement, Sozialverhalten, Selbstsicherheit, Kommunikation und Interaktion (Einbezug von Partner, Familie), Problemlösen sowie andere für die individuelle Situation benötigten Skills. Übungen, Rollenspiele, Exposition und Konfrontation, Alltagstests
Kompetenz-, Fertigkeitentraining Übungssituationen Übungssituationen Situation 2: __________________________________________ Situation 1: Meine __________________________________________ Tochter gibt mir immer erst ganz kurzfristig __________________________________________ __________________________________________ Bescheid, wann ich die Enkel betreuen soll . __________________________________________ Ich kann__________________________________________ deshalb gar nicht richtig planen, traue mich __________________________________________ ___________________________________ 2 aber nicht, das anzusprechen. Ärgere mich dann und __________________________________________ 1 _______________________ bin unfreundlich. ___________________________________ _______________________
Kompetenz-, Fertigkeitentraining 3. Selbstinstruktion: Nur Mut! Du schaffst das schon! Ich helfe meiner Tochter 1. Situation: Verfügung Selbstlob nicht immer noch sehr viel, auch wenn ich nicht jederzeit zur Meine Tochter zumstehe. Ich habe Kindern Tee einladen, ein Rechtins darauf, selbst über Hallenbad meine schicken. Wenn auch Zeit wirzuzwei vergessen, bestimmen. Sicherlich gemütlich wirdsitzen, beisammen wenn es vielleicht unbequem für sie ist. sie dasmein verstehen, Anliegen vorbringen. 4. Verhalten: egal wie es 2. Ziel:Augenkontakt halten. Ruhig erklären, ohne mich zu Abmachung sie ausgeht! rechtfertigen. Zuerst sagen,mindestens treffen, dass mich wie sehr ich3 Tage meinevorher Enkel liebe fragt, bevor ichgerne und wie auf die ichEnkel aufpassen mit ihnen soll. bin. Verständnis für zusammen Unsereihre Beziehung erhalten Situation zeigen,bzw. aberverbessern, bei meinemsie nicht bleiben. Anliegen verletzen.
Psychotherapie der Depression (KVT) Modul 6: Vorbereitung auf Krisen, Beibehaltung des Gelernten, Notfallplanung, Auffrischungs- bzw. Stabilisierungssitzungen, Erhaltungstherapie, Rückfallverhinderung
1. Schritt: Stopp! Befinden beobachten, Nachdenken. Von weiteren Belastungen fernhalten. 2. Schritt: Hilde oder Klaus anrufen und Probleme besprechen, wenn möglich sich treffen 3. Schritt: Wieder regelmässig Wochenplan und EbG- Protokolle führen 4. Schritt: Angenehme Tätigkeiten steigern und Pflichten reduzieren 5. Schritt: Termin mit Arzt (458739) und Therapeutin (45231) vereinbaren 6. Schritt: Telefonseelsorge anrufen: 0800-111-0111
Einige Empfehlungen … Zur Behandlung akuter leichter bis mittelschwerer depressiver Episoden soll eine Psychotherapie (KVT) angeboten werden. A Bei akuten schweren Depressionen soll eine Kombinationsbehandlung mit medikamentöser Therapie und Psychotherapie (KVT) angeboten werden. A Wenn ein alleiniges Behandlungsverfahren in Betracht gezogen wird, soll bei ambulant behandelbaren Patienten mit akuten mittelschweren- bis schweren depressiven Episoden eine alleinige Psychotherapie (KVT) gleichwertig zu einer alleinigen medikamentösen Therapie angeboten werden. A Bei schweren und rezidivierenden sowie chronischen Depressionen sollte die Indikation zur Kombinationsbehandlung aus Pharmakotherapie und geeigneter Psychotherapie (KVT) vorrangig …. geprüft werden. B http://www.depression.versorgungsleitlinien.de
Zur Stabilisierung des Therapieerfolgs sowie zur Senkung des Rückfallrisikos soll im Anschluss an eine Akutbehandlung eine angemessene psychotherapeutische Nachbehandlung (KVT) (Erhaltungstherapie) angeboten werden. A Längerfristige stabilisierende Psychotherapie (Rezidivprophylaxe) soll Patienten mit einem erhöhten Risiko für ein Rezidiv angeboten werden. A Bei therapieresistenter Depression sollte den Patienten eine angemessene Psychotherapie (KVT) angeboten werden. B http://www.depression.versorgungsleitlinien.de
Vermutlich muss jede erfolgreiche Depressionsbehandlung … • Stressreduktion (Entlasten) Günstige • Stresstoleranz erhöhen Auswirkungen (Achtsamkeit) auf Hirn- stoffwechsel, • Aktivierung, Sport Nerven- • Verhalten ändern wachstum damit Körper • Verarbeitungsmuster und Befinden verändern • Ressourcen aufbauen/steigern
Toll, doch… „After decades of psychotherapy research, we cannot provide an evidence-based explanation for how or why our well studied psychotherapies produce change.“ Kazdin 2007
Mediatoren (Kraemer et al. 2002) 2: main effect of intervention 3: time x group interaction Cognitive Bias* 3 SuT 2 1: Bias in a group of subjects CBT t0 Interventions, randomized allocation t1 * Should change during treatment (CBT)
Mediatoren bei Depression Therapeutisch Beziehung, Allegiance Plötzliche Veränderungen (sudden gains) kognitive Reaktivität Aktivitätsniveau Verhaltensänderungen (new skills) „Jumping to conclusion“ Attributionaler Stil (causal attributions) Kognitiver Realismus (self serving bias) Rumination (grübeln) Theory of Mind (sozial-kognitive Informationsverarbeitung) Aufmerksamkeitsprozesse Autobiographisches Gedächtnis (Inhalt, Zugang) Emotionswahrnehmung, Emotionsregulation EOG: Pupillenreaktion, Augenbewegung EEG: Asymmetrie (mindfulness); Schlafarchitektur (REM, delta sleep) MRI/CT: Anatomie, Struktur (hippocampus, ACC, dorsal prefrontal cortex) PET/fMRI: functional Muster (amygdala, insula, cingular cortex) BDNF (neurales Wachstum, synaptisches Netzwerk) Cortisol, CRH, ACTH, Immunparameter Serotonin, Katecholamin, Dopamin, Glutamat u.a. Myelinisation, Genexpression, Telomere Länge
oder… “Instead of trying to prove the superiority of a single method by testing specific interventions in hetero- geneous samples, futur outcome-studies should rather determine characteristics of sub-samples, for which specific treatment procedures are maximally successful.” Papakostas & Fava 2008
Moderator (Kraemer et al. 2002) Depression score, relapse CBT CBT t0 Intervention t1 * Characteristic that separates responder from non-responder
Moderatoren bei Depression Therapeutische Kompetenz (Erfahrung, Adhärenz) Frühe Symptomreduktion (< 3 Wochen) Behandlungslänge, Anzahl an Sitzungen, Frequenz, Mitarbeit Geschlecht, Alter (Patient, Therapeut) Klinische Symptomatik (Variabilität) Ersterkrankungsalter Anzahl früherer depressiver Episoden, frühere Behandlungen Dauer der Erkrankung (total, letzte Episode, Chronizität) Schweregrad der Depression frühe Traumata (Art, Dauer, Alter) Bildung, Intelligenz beruflicher Status, Einkommen Psychosoziales Funktionsniveau Persönlichkeit (N, E, O, Optimismus, Selbstwirksamkeit) Komorbidität (somatisch, psychopathologisch) High risk, familiäre Belastung (genetic make-up) Hippocampus Volumen White matter, Ventrikel Volumen Amygdala Reaktivität Hypercortisolismus 5HTT Gene, CRH Gene etc., Muster der über 140 MDE relevanten Gene
Herzlichen Dank ! Die eigenen Studien wurden/werden möglich durch großzügige Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung dem Bundesministerium für Gesundheit der Robert Bosch Stiftung, der Heidehof Stiftung dem GKV Spitzenverband den Fachgesellschaft der DGPT hautzinger@uni-tuebingen.de
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