Der Baumarkt im Ungleichgewicht- Was unterscheidet den Baumarkt von Produktmärkten?
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Meine Meinung Der Baumarkt im Ungleichgewicht – Was unterscheidet den Baumarkt von Produktmärkten? Von Prof. Thomas Bauer Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e. V. Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e. V.
2 Die Deutsche Bauindustrie Bauen und Services MEINE MEINUNG 3
Der Baumarkt im Ungleich-
gewicht – Was unterscheidet den
Baumarkt von Produktmärkten?
Prof. Thomas Bauer,
Präsident des Hauptverbandes
der Deutschen Bauindustrie e. V.
Vizepräsident des Bundesverbandes
der Deutschen Industrie e. V.
Der deutsche Baumarkt ist ein Markt, auf bietenden Unternehmen unterscheidbar zu Pol-1-Märkten führen dazu, dass bauaus- sondern vom Anbieter selbst definiert wird.
dem die durchschnittliche Rendite der bau- machen, da sie aus Sicht der Auftraggeber führende Unternehmen als Bauleistungs- Hier können Bauunternehmen die ganze
ausführenden Unternehmen seit vielen Jah- prinzipiell beliebig austauschbar sind. Der versprecher kaum in der Lage sind, ein Palette der Produktdifferenzierung nutzen:
ren alarmierend niedrig ist. Dies speziell der große Marketingbaukasten der Produkt- auskömmliches Geschäft zu betreiben. Er- gute Werbung, außerordentliches Produkt-
Unfähigkeit der Unternehmen zuzuschrei- differenzierung steht nur zu einem ganz schwert wird dies noch zusätzlich dadurch, design, eine hohe Energieeffizienz und vieles
ben, ist zu kurz gesprungen. Man muss sich geringen Teil zur Verfügung. Unterschei- dass das Bauunternehmen nach den Re- mehr. In dieser Konstellation ist dann auch
auch und vermehrt mit den Marktmecha- dungsmerkmale wie besonderes Design, geln des Werkvertragsrechts einen „Erfolg“ ein Kunde durchaus bereit, für das Beson-
nismen beschäftigen. Wenn man sich näm- bessere Technik, höhere Modernität, größer schulden soll, dessen Definition allerdings dere seines zukünftigen Hauses oder sei-
lich die zentralen Wirkmechanismen des oder kleiner und vieles mehr stehen nicht durch die Trennung von Planung und Aus- ner zukünftigen Eigentumswohnung einen
Baumarktes vor Augen führt, stellt man fest, zur Verfügung, da das Produkt (besser: das führung regelmäßig nicht dem Bauunterneh- höheren Preis zu bezahlen. Damit ist der
dass sich zwei Teilmärkte diametral gegen- Bau-Soll) nicht durch das ausführende Un- men, sondern dessen Auftraggeber zusteht. Preis also nicht mehr alleiniges Wettbe-
überstehen, in denen sich der Ausgleich von ternehmen, sondern durch den Bauherrn werbskriterium, so dass das anbietende
Angebot und Nachfrage nach völlig unter- selbst oder durch einen von ihm beauftrag- Das Marktverhalten im zweiten Teilmarkt Bauunternehmen einen guten Gegenwert
schiedlichen Charakteristika vollzieht. Diese ten Mittler (Architekt, Fachplaner) definiert des Baumarktes – dem sogenannten Pol-2- (also einen Preis mit adäquatem Gewinnan-
Teilmärkte stehen modellhaft für zwei Pole wird. Nur wenige Unterscheidungsmerkmale Markt – ist ganz ähnlich dem Wettbewerb, teil) für seine Leistung erhalten kann. Leider
des Baumarktes, die im Hinblick auf die wirt- verbleiben für eine bessere Wettbewerbspo- der für nahezu alle Konsumgüter- und In- können nur wenige Bauunternehmen die
schaftlichen Rahmenbedingungen ganz ver- sition: Image, Bekanntheit für Qualitätsarbeit vestitionsgütermärkte gilt. Da Bauunterneh- monetären Vorteile dieser Marktsituation
schieden funktionieren. und Termintreue sind drei wesentliche Bei- men hier von ihnen selbst definierte Sach- nutzen, da das Marktvolumen des Pol-2-
spiele. Diese Art des Wettbewerbs bestimmt güter vermarkten, kann man auch vom Bau- Marktes deutlich geringer ist, als das des
Im ersten Teilmarkt – hier als Pol-1-Markt be- wohl über 80 Prozent des Baumarktes. Die produktmarkt sprechen. Bauunternehmen Pol-1-Marktes.
zeichnet – treten Bauunternehmen als Bau- meisten Bauwerke – z. B. Brücken, Verkehrs- vermarkten demnach in diesem Teilmarkt
leistungsversprecher auf. Man kann ihn da- wege, U-Bahn-Baustellen – werden aus- nicht ihre Leistungsfähigkeit zu bauen, son- Da der Pol-1-Markt den weit überwiegenden
her auch als „dienstleistenden“ Baumarkt schließlich nach den für Pol-1-Märkte gel- dern sie vermarkten ein reelles Produkt: z. B. Teil des Baumarktes ausmacht, lohnt es
bezeichnen. Sie bieten nicht das Bauwerk tenden Wettbewerbsregeln erstellt. Der Preis ein Fertighaus, ein Haus im Rahmen eines sich, diesen intensiver zu betrachten. Die
selbst an, sondern die Fähigkeit, ein Bau- der angebotenen Bauleistung ist dabei das Immobilienentwicklungsprojekts, eine Woh- nachfolgenden Ausführungen betreffen da-
werk nach den Vorstellungen eines Auf- zentrale Wettbewerbskriterium. Der preis- nung in einem größeren Wohngebäude oder her nur diesen dienstleistenden Baumarkt.
traggebers bzw. Bauherrn zu erstellen. Für werteste Bieter erhält – auch unabhängig ähnliche Sachgüter. Der wesentliche Unter-
die anbietenden Unternehmen ist es hier von seiner Leistungsfähigkeit – in der Regel schied ist, dass das Produkt dabei nicht wie
sehr schwer, ihre Leistung von anderen an- den Auftrag. Die Marktmechanismen auf oben beschrieben durch den Nachfrager,
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Homogene Güter und vollständige Transparenz Bauunternehmen im Widerspruch von
als zentrale Charakteristika des Bauleistungs- Wahrnehmung und Wirklichkeit
versprechermarktes (Pol-1-Markt) Die speziell auf Bauleistungsversprecher- insgesamt ca. 75.000 Unternehmen des
märkten vorherrschenden Mechanismen wur- Bauhauptgewerbes überhaupt von solchen
Teilmärkte, auf denen Bauunternehmen als denen im Preiswettbewerb einzelne Kosten- den in der Vergangenheit durch die Betriebs- Vorfällen betroffen ist. Völlig falsch ist der
Bauleistungsversprecher auftreten, unter- bestandteile in der Angebotsphase zu wenig wirtschaftslehre praktisch nicht analysiert. Eindruck, dass die Bauunternehmen gene-
liegen bei der Preisbildung ähnlichen Folgen Berücksichtigung finden. Durch die hohen Die gängige Betriebswirtschaftslehre kon- rell versuchen, durch unkorrektes Verhalten
wie die in der Volkswirtschaftslehre be- Kosten des Stillstands bzw. der Nichtbe- zentriert sich auf Wettbewerbsstrukturen, besondere Gewinne zu erzielen. Die vielen
schriebenen vollkommenen Wettbewerbs- schäftigung vorhandener Kapazitäten wür- in denen Produktdifferenzierungsmöglich- Insolvenzen in der Branche zeigen, dass
märkte. Die für solche Marktmodelle ty- de ein noch höherer Verlust drohen. Bei der keiten den Anbietern erlauben, einen guten dies nicht der Fall sein kann. Diese haben
pische Homogenität der Güter und voll- Vergabe von Bauprojekten steht unter allen Zuschlag auf die eigenen Kosten am Markt auch nicht die Ursache schlechten Manage-
ständige Transparenz führen dazu, dass Bietern fast immer ein Bauunternehmen durchzusetzen, so dass sie ausreichende ments, das unfähig ist, bessere Preise am
die ausführenden Unternehmen durch den unter dem Zwang zum Anschlussauftrag. Gewinne erzielen können. Dieses Erklärungs- Bau durchzusetzen. Es ist nicht wahrschein-
Marktmechanismus gezwungen werden, im Preise, die nicht die vollen Selbstkosten modell ist jedoch für Pol-1-Märkte völlig un- lich, dass in der Baubranche alle schlechten
auf das Preisangebot konzentrierten Wett- decken, sind in Pol-1-Märkten bei Weitem geeignet. Da die darauf basierenden Erkennt- Manager versammelt sind. Unwahrschein-
bewerb Aufträge zu Preisen anzubieten, die nicht die Ausnahme – mit abnehmender nisse und Instrumente der konsumgüterori- lich ist zudem, dass die fähigen Bauinge-
praktisch keinen Gewinn mehr ermöglichen. Konjunktur zudem in zunehmendem Maße. entierten Betriebswirtschaftslehre jedoch nieure in Planungs- und Beratungsbüros,
Homogenität der Güter und Transparenz Die für eine sinnvolle Risikoabdeckung ei- ohne kritische Reflexion auf den gesamten die unfähigen in Bauunternehmen arbeiten.
werden am Bau durch die Festlegungen gentlich notwendige Berücksichtigung von Baumarkt übertragen wurden, hat sich für
des Bau-Solls durch den Bauherrn bewirkt. Risikokosten ist infolge dieses Marktme- die Bauwirtschaft in den letzten Jahrzehnten Die für jeden Interessierten offensichtliche
Wenn es um den Preis für ein konkretes chanismus ebenfalls nahezu nicht möglich. ein immer größer und problematischer wer- Situation der Bauwirtschaft, dass in den
Bauprojekt geht, gibt es auf Pol-1-Baumärk- dendes Erklärungsdefizit entwickelt. letzten zwei Jahrzehnten eine erschreckend
ten immer jeweils nur einen Nachfrager, der hohe Zahl großer und mittelgroßer Bauunter-
bei mehreren Anbietern Angebote einholt. Auch infolge dieser massiven Fehlbeurtei- nehmen aus dem Markt ausscheiden muss-
Diese besondere Form eines projektbezo- lung hat sich das Image der Bauunterneh- te, lässt sich in einer Marktwirtschaft nicht
genen Nachfragemonopols bewirkt, dass men in den vergangenen Dekaden kontinu- zuerst durch Managementfehler erklären. Wer
viele anbietende Bauunternehmen unter- ierlich verschlechtert. In den Medien werden solche Meinungen kolportiert, schätzt die Me-
einander im Wettbewerb stehen und sich zumeist nur die Negativbeispiele aus dem chanismen des Marktes und damit auch des
dabei in der Regel fast ausschließlich über Ruder gelaufener Bauprojekte beleuchtet. Baumarktes falsch ein – er scheint diese Me-
das Preisangebot untereinander differenzie- Wenn bei Bauprojekten Probleme auftre- chanismen nicht zu kennen. Negative volks-
ren können. ten, dann können diese mit zunehmender wirtschaftliche Wirkungen dieser Dimension
Komplexität und Größenordnung der Pro- resultieren vorrangig aus falsch angelegten
Hier tritt speziell eine Besonderheit von jekte zu großem – oft auch öffentlichem – Handlungs- bzw. Rahmenbedingungen einer
Dienstleistungsmärkten gegenüber Produkt- Schaden führen. Nicht nur für den normalen Marktwirtschaft. Im dienstleistenden Bereich
märkten auf: In Dienstleistungsmärkten kann Bürger ist dabei schwer zu erkennen, ob die der Bauwirtschaft muss deshalb dringend da-
nicht auf Lager produziert werden. Bauun- Ursache hierfür bei den Bauunternehmen ran gearbeitet werden, die Marktstrukturen
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ternehmen müssen daher immer abwägen, oder aber im Gesamtzusammenspiel aller wieder in eine sinnvolle Balance zu bringen.
ob sie einen Preis nennen, der nicht alle Ko- am Bauprozess Beteiligten zu suchen ist. Es ist volkswirtschaftlich sehr unvernünftig,
sten abdeckt, um eine Unterbeschäftigung wenn in einem so bedeutenden Wirtschafts-
von Ausführungskapazitäten zu vermeiden. Bei alledem muss man zusätzlich berück- zweig derart ungesunde Strukturen herrschen
Insofern treten immer wieder Fälle auf, bei sichtigen, dass nur ein kleiner Teil der und sogar noch weiter vorangetrieben werden.
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Zunehmende Brisanz bei großen und komplexen
Projekten
Je komplexer und risikoreicher die angebo- dies erhöht den Preis der angebotenen überschreitung tatsächlich zu verantworten hochkomplexe Bauaufträge auszuführen,
tenen Bauleistungen werden, umso stärker Bauleistung! hätten. unter Einbringung des ganzen innovativen
erhöhen sich die negativen Wirkungen ei- Bau-Know-hows.
nes immer ruinöser werdenden Marktes für Bieten mehrere Unternehmen derartige Durch den aus solchen Problemprojekten
die beteiligten Bauunternehmen. Diese Aus- Leistungen mit hohem Risikoanteil an, dann resultierenden öffentlichen Druck werden Um an dieser Stelle nicht falsch verstanden
sage steht sehr im Widerspruch zur ge- wird bei der Submission immer ein Unter- die Baumärkte immer mehr so umstruk- zu werden: Unerlaubte Abstimmungspro-
fühlten Meinung der großen Mehrheit der nehmen ein Angebot abgeben, bei dem turiert und reglementiert, dass sie für die zesse, wie sie auch auf Märkten für kom-
Bevölkerung und auch der Wirtschaftswis- wichtige Leistungselemente übersehen oder Bauunternehmen noch ruinöser werden. Die plexe Bauprojekte existierten, sind nicht zu
senschaft. Es herrscht vielfach die Ansicht, die notwendigen Risikozuschläge nicht aus- Chancen für die Bauunternehmen, die kom- tolerieren. Bauskandale, wie sie in Deutsch-
dass höhere technische Anforderungen reichend berücksichtigt wurden. Entschei- plexe Projekte realisieren, verschlechtern land etwa vor zwei Jahrzehnten und in an-
und/oder notwendige Spezialisierungen in det dann der Auftraggeber vornehmlich sich seit vielen Jahren immer mehr. Korres- deren europäischen Ländern aufgrund von
hochkomplexen Bauverfahren zu höheren nach dem Kriterium Preis, bekommt gerade pondierend dazu ist daher ein alarmierender illegalen Methoden stattfanden, sind und
Gewinnen führen. Diese Auffassung ist wegen ein solcher Bieter den Auftrag. In der Folge Trend zu beobachten: Technisch hoch ver- bleiben inakzeptabel. Es ist also richtig, ein
der Marktmechanismen in einer Leistungs- entstehen so bei vielen Bauprojekten nicht sierte Bauunternehmen sind entweder aus solches wettbewerbsverzerrendes Verhalten
versprecherbranche falsch. Das Gegenteil nur deutlich zu niedrige – eben nicht die Insolvenzgründen aus dem Baumarkt aus- zu unterbinden. Dies ist auch zweifelsfrei
ist der Fall, weil Auftraggeber bei ihren Ver- vollen Selbstkosten deckende – Preise, son- geschieden oder sie steigen in neue Märkte gelungen. Dass in der Folge aber partner-
gabeentscheidungen viel zu wenig auf die dern es bleibt auch die ausgeführte Leistung außerhalb der Bauausführung um. schaftliches Verhalten einem Gegeneinan-
Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ab- hinter den Erwartungen des Auftraggebers der gewichen ist, ist der falsche Weg.
stellen. Selbst komplexeste Bauleistungen zurück. Diese tendenziell immer im Einzel- Die beschriebene Problematik war den
werden nahezu ausschließlich über den nen wirkenden suboptimalen Auftragsver- Handelnden am Bau seit Langem bewusst.
Preis vergeben, die potenzielle Leistungs- gaben führen aber in der Baubranche zu ge- Daher wurden die Wirkungen dieser Me-
fähigkeit der anbietenden Bauunternehmen nau dem summarischen Schicksal, das wir chanismen in früheren Jahren durch einen
wird nicht oder nicht ausreichend gewürdigt. in den vergangenen Jahren erlebt haben. besonders fairen Umgang der Vertrags-
parteien miteinander kompensiert. Jedem
Auch hochkomplexe Leistungen am Bau Von besonderer Brisanz ist also, dass kom- Baubeteiligten war klar, dass Bauverträge
werden durch den Auftraggeber definiert. plexe und komplizierte Bauprojekte tenden- umso unvollkommener sind – und sein müs-
Also kann der Anbieter der Bauleistung nur ziell geringere prozentuale Gewinnmargen sen! – je komplexer die Bauvorhaben sind.
versuchen, diese möglichst genau zu erfas- zulassen als eher einfache Baumaßnahmen, Schon damals hätte man bei auftretenden
sen und entsprechend zu kalkulieren. Dies ja sogar, dass sich mit zunehmender Pro- Problemen daher die Dinge zumeist zulas-
wird bei sehr komplexen und komplizierten jektgröße das Verlustrisiko erhöht. Doch das ten des ausführenden Bauunternehmens
Leistungen (eine komplexe Brückenstruk- ist nicht die einzige kontraproduktive Kon- auslegen können. Dies unterblieb aber, weil
tur, eine U-Bahn in schwieriger Geologie) sequenz: Gerade die Bauunternehmen, die man das gemeinsame Ziel im Auge hatte.
zwangsläufig immer nur unvollständig gelin- komplexe, komplizierte und risikobehaftete Es war allgemeines Einvernehmen, dass ein
gen können. Eine unvollständige Erfassung Bauleistungen anbieten, müssen es sich fairer Umgang miteinander eines der wich-
der auszuführenden Leistung macht es aber gefallen lassen, für Kostenüberschreitun- tigsten Erfolgsrezepte ist, um komplexe Pro-
unbedingt notwendig, die daraus resultie- gen bei großen – im Licht der Öffentlichkeit jekte zu beherrschen. Unternehmen konn-
renden Risiken adäquat zu berücksichtigen. stehenden – Bauprojekten besonders in die ten sich darauf verlassen und wussten,
Das Hinzurechnen von Risikokosten ist die Verantwortung genommen zu werden, ohne dass ihre Anstrengungen letztlich auch ad-
logische und notwendige Konsequenz. Aber dass sie zumeist die Gründe für die Kosten- äquat honoriert wurden. Es machte Spaß,
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Die falsche Wirkung jüngerer baumarkt-
relevanter Themen
Auch ohne irreguläres Marktverhalten muss Bauunternehmer dies erkennen konnte.
es einem Bauunternehmen möglich sein, in Warum sollte der Bauunternehmer dann
seinem Markt auskömmliche Preise realisie- die dadurch erforderlichen geänderten
ren zu können. Wenn man sich aber kritisch oder zusätzlichen Leistungen kostenlos
mit einigen in jüngerer Zeit diskutierten bau- erbringen? Noch extremer ist dies bei ei-
marktrelevanten Themen beschäftigt, hat ner Baugrube. Eine stets über die Baube-
man das Gefühl, dass die prekäre Situa- schreibung hinaus geschuldete Funktion
tion der Bauunternehmen überhaupt nicht führt unter den Bedingungen komplexer
wahrgenommen wird. Ganz im Gegenteil: Geologie dazu, dass das gesamte Risiko
Auf dem Baumarkt werden mit großen An- und alle damit verbundenen Kosten nun
strengungen Methoden entwickelt, die es beim ausführenden Bauunternehmen lie-
den Bauunternehmen noch weiter erschwe- gen, obwohl an sich der Auftraggeber für
ren, die ihrem jeweiligen Leistungsniveau seinen Baugrund und seine Planung ver-
und -umfang angemessenen Renditen zu antwortlich ist. Natürlich muss am Ende
erwirtschaften. die Baugrube den geforderten Zweck er-
füllen, doch muss auch klar sein, dass
Im Folgenden werden zwei zentrale Ent- bei Eintreten unvorhersehbarer Einflüsse
wicklungen kritisch reflektiert: das finanzielle Risiko nicht dem Bauun-
ternehmen angelastet werden kann.
• Definition der geschuldeten Leistung:
Diese Selbstverständlichkeit einer fairen
Im Rahmen einer Anpassung der VOB wird Risiko- und Kostenverteilung respektie-
darüber nachgedacht, die Definition der ren leider nicht alle Beteiligten. Auf den
geschuldeten Leistung so zu verändern, ersten Blick ist es für Bauherren und die
dass in Zukunft nicht mehr die Leistungen beratenden Berufe doch nur vorteilhaft
nach Leistungsbeschreibung geschuldet und sehr verlockend, den Bauunterneh-
sind, sondern stets auch eine bestimmte men möglichst alle Lasten zu übertragen.
Funktion, ohne dass der Unternehmer Die Verbände der kleineren Unternehmen
dafür eine zusätzliche Vergütung erhält. unterschätzen teilweise diese Problema-
Im ersten Moment klingt das gar nicht so tik, obwohl sie auch bei kleineren Bau-
schlimm. Es ist ja logisch, dass beim Bau projekten zu einem erheblichen Problem
eines Einfamilienhauses durch die Wände werden kann.
am Ende ein nutzbares Schlafzimmer ent-
stehen muss. Auch ist die Zusage dieser
Funktion ein nahezu vernachlässigbares
Risiko. Allerdings haben der Bauherr und
sein Architekt in ihrer Planung möglicher-
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weise Dinge übersehen oder nicht funk-
tionstauglich beschrieben, ohne dass der10 Die Deutsche Bauindustrie Bauen und Services MEINE MEINUNG 11
• Untreuedrohung anstatt Fairness: als sachkundig Handelnder, der bei Pro- weitverbreiteten FIDIC-Bauvertragsbedin- Betrachtet man dagegen die Entwicklung
blemen in der Lage war, denjenigen Weg gungen die baubegleitende Streitbeilegung der vergangenen zwei Jahrzehnte in Deutsch-
Die Nutzung des Begriffs Untreue hat in zu finden, der sowohl für den Bauherrn entwickelt. Diesem Rechtsinstitut liegt die land, dann lässt es sich durchaus belegen,
der juristischen Debatte, der Rechtspre- wie auch für den Bauunternehmer eine Einsicht zugrunde, dass aufgrund der dass durch Gesetze, Regeln, Verdingungs-
chung und der Vorgabe von Corporate- faire Lösung darstellen konnte. langen Dauer und der Komplexität vieler ordnungen, Corporate Governance und viele
Governance-Regeln in den letzten Jahren Bauprojekte ein erst nach Abschluss des weitere auf das Marktgeschehen wirkende
erheblich zugenommen. Gerade die Bau- Allerdings hat sich dies in den letzten Jah- Projektes durchgeführtes Gerichts- oder Einflüsse die ausführenden Bauunterneh-
unternehmen, die sich mit komplexen ren völlig verändert. Die Planer, Berater Schiedsgerichtsverfahren nur das letzte men immer massivere Nachteile hinneh-
Bauvorhaben beschäftigen, leiden immer und sonstigen Interessensvertreter des Mittel („Ultima Ratio“) sein kann. Oder, um men mussten. In der Bauindustrie waren
stärker unter den Folgewirkungen dieser Bauherrn sehen sich allein dem Bauherrn es mit einem Bild auszudrücken: Kommt zahlreiche mittelständische und große Bau-
Entwicklung. verpflichtet. Sollten sie anders denken es bei einem Fußballspiel zu einem Regel- unternehmen in den vergangenen zwei
oder handeln, wären sie im Sinne der verstoß einer Mannschaft, dann braucht Jahrzehnten von Insolvenz betroffen. Unter-
Das Problem sei mit einer kleinen Über- heutigen Rechtsprechung der Untreue zu man einen Schiedsrichter, der sofort eine nehmen werden nicht dadurch insolvent,
treibung deutlich gemacht: Es beginnt für bezichtigen – und wer will schon sich selbst Entscheidung trifft, damit das Spiel wei- dass sie am Markt besonders gute, zumin-
die Bauwirtschaft eine schlimme Zukunft, in ein Haftungsrisiko bringen. Es entsteht terlaufen kann. Gäbe es keinen Schieds- dest aber kostendeckende Preise erzielen
in der die Vertreter des Bauherrn einen am Bau eine Gemengelage, in der die Ver- richter, müsste das Spiel unterbrochen konnten. Diese dramatische Entwicklung ist
drohenden Untreuevorwurf nur dadurch antwortung für jede problematische Situ- werden und die betroffene Mannschaft dringend zu korrigieren, wenn die deutsche
vermeiden können, indem sie sich immer ation dem Bauunternehmer zugeschoben das ordentliche Sportgericht anrufen. Bauwirtschaft auch künftig noch national,
unfairer gegenüber den Bauunternehmen wird. Jedes schwierigere Problem endet Erst nach der Entscheidung könnte das europa- sowie weltweit eine Rolle spielen
verhalten, bis sie diese letztlich richtig „in im Streit und schließlich im Rechtsstreit. Spiel fortgesetzt werden. In einem in- soll.
die Pfanne hauen“. Vom Vorwurf der Un- Da Bauverträge aufgrund der Bau-Soll- ternationalen FIDIC-Bauvertrag wird die
treue können sie sich nur dann endgültig Definition durch den Auftraggeber – wer Funktion des Schiedsrichters auf dem Auch am deutschen Bau sind ausgewogene
befreien, wenn das beteiligte Bauunter- schreibt, hat die Formulierungen so im Spielfeld durch ein sogenanntes „Dispute und faire Marktbedingungen für Auftrag-
nehmen am Ende pleite ist. Griff, dass sie tendenziell für ihn gut sind – Adjudication Board“ wahrgenommen, wel- geber und Auftragnehmer unerlässlich. Es
in den allermeisten Fällen so ausgestaltet ches neutral, sachkundig und zeitnah geht nicht darum, an kleinen Details im Sys-
Der Bauvertrag ist ein unvollständiger sind, dass sie dem Bauherrn Vorteile ver- eine für beide Seiten vorläufig verbind- tem etwas herumzubasteln, mit Kompensa-
Vertrag, bei dem nicht alle Eventualitäten schaffen, entsteht zusätzlich für die bau- liche Entscheidung trifft, so dass das tion und Gegenkompensation. Bekommen
im Voraus vertraglich festgelegt bzw. be- ausführenden Unternehmen ein gewalti- Baugeschehen ohne Unterbrechung wei- die Bauherren eine etwas bessere Bedin-
rücksichtigt werden können. Da der Auf- ger Nachteil. terlaufen kann. In Großbritannien wurde gung, dann können auch Bauunternehmen
traggeber häufig nicht selbst über die not- im „Housing Grants, Construction and eine etwas bessere Bedingung haben – so
wendige Bauherrenkompetenz verfügt, ist Das Bauen von komplexen Vorhaben Regeneration Act“ von 1996 für alle Bau- läuft das bei den Anpassungsverhandlungen
es ganz normal – speziell bei komplexen geht daher ohne den eigentlich nötigen rechtsstreitigkeiten ein Adjudikationsver- beispielsweise zur VOB. Das gesamte Rege-
größeren Projekten –, dass eine große Zahl fairen Ausgleich von Interessen in vielen fahren gesetzlich verankert, welches eine lungssystem muss wieder ausgewogen und
an Beratern und Vertretern für den Bau- Fällen so massiv zulasten der ausführen- vorläufige Streitentscheidung innerhalb fair gestaltet sein, um Auftraggebern und
herrn handelt, um die Umsetzung des ge- den Bauunternehmen, dass diese in der von vier Wochen vorsieht. Beide Rechts- Auftragnehmern auf Dauer verlässliche,
wünschten Bauwerks voranzutreiben und Summe über einige Baustellen nicht in instrumente haben in hervorragender qualitativ hochwertige und auskömmliche
um seine Interessen zu vertreten. Früher der Lage sein können, ein wirtschaftlich Weise dazu beigetragen, das vertragliche Leistungen zu sichern. Ein Markt, in dem
war es eine Selbstverständlichkeit, dass tragfähiges Geschäft zu haben. Gleichgewicht im Baugeschehen wieder nur immer der eine die „schlechten Karten“
diese Mittlerfunktion auch im Sinne eines herzustellen. hat, ist auf Dauer kein Markt, auf dem se-
fairen Interessenausgleichs stattfand. Der Um diesem negativen Trend entgegenzu- riöse Unternehmen qualitativ hochwertige
Mittler verstand sich nicht nur als Vertre- wirken, wurde im angelsächsischen Rechts- Leistungen zum Vorteil des Auftraggebers
ter der einen Seite, er verstand sich auch kreis sowie im Rahmen der international anbieten können.12 Die Deutsche Bauindustrie Bauen und Services MEINE MEINUNG 13
Folgende Themen müssten im Interesse sich zum Nachteil des Bauherrn abstim- • Durch einschlägige Regeln – etwa in den Nur wenn es gelingt, die Verhältnisse spe-
von Auftraggebern und Auftragnehmern men wollen, dann werden die dringend Architekten- und Baukammergesetzen ziell für die hochkomplexen Projekte wie-
grundlegend verändert werden: notwendigen Abstimmungen nicht erfol- der Bundesländer – werden die Vertreter der in ein gutes Gleichgewicht von Chance
gen. Aufgrund fehlender Zusammenarbeit des Bauherrn verpflichtet, bei Problemen und Risiko, Macht und Fairness zu bringen,
• Eine klare Bestimmung des „Bau-Solls“. werden dann die Bauleistungen in der Lösungen zu finden, die einen fairen In- dann werden alle Beteiligten auch auf dem
Das Bauunternehmen darf hier nur so weit Summe deutlich teurer und schlechter. teressenausgleich zwischen Bauherr und deutschen Baumarkt wieder Freude an den
in die Verantwortung genommen werden, Auftragnehmer ergeben. Geschehnissen haben. Zusätzlich werden
wie dies durch sein Leistungsversprechen • Für Partnering-Strukturen müssen – wie dann Qualität, Risiken und Kosten wieder
abgedeckt ist. Das bedeutet: Nur was der im angelsächsischen Rechtskreis bereits da sein, wo sie hingehören.
Auftragnehmer gemäß Leistungsbeschrei- seit Jahrzehnten gängige Praxis – geeig-
bung erbringen soll, kann er in seinen nete Vertragsmodelle entwickelt werden.
Preis einrechnen. Ändern sich Bedingun- Dies sollte gerade auch in Deutschland
gen bezüglich der Bauleistung oder wer- möglich sein, da hier bereits stabile ver-
den beschriebene Leistungen vom Auf- tragsrechtliche Rahmenbedingungen, die
traggeber nachträglich geändert oder eine weitgehend faire Projektbasis absi-
ergänzt, hat der Unternehmer Anspruch chern sollten, existieren – wie etwa das
auf eine geänderte oder zusätzliche Ver- Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
gütung. und die Vorschriften zur Inhaltskontrolle
von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
• Keine ausschließliche Konzentration des (§§ 307ff. BGB). Zudem hat sich auch der
Vergabeprozesses auf das „billigste An- BGH mit den Auswüchsen einer eskala-
gebot“. Neben dem Angebotspreis müs- tiven Projektabwicklung befasst und in
sen stets auch weitere Kriterien über den mehreren Einzelentscheidungen die so-
Auftrag entscheiden, etwa ob das Unter- genannte „Kooperationsrechtsprechung“
nehmen für seine Leistung bessere tech- entwickelt. Partnering-Verhalten bedeutet
nische Voraussetzungen mitbringt als an- zuerst eine entsprechende Einstellung,
dere anbietende Unternehmen. die auch – wieder – erlaubt sein muss.
• Die Erstellung eines Bauwerks liegt in • In der VOB und im BGB sind wirksame und
der gemeinsamen Verantwortung von kostengünstige außergerichtliche Streit-
Bauherrn, seinen Vertretern und den beilegungsverfahren (vor allem baubeglei-
Bauunternehmen. Insbesondere kom- tende Adjudikationsverfahren) als unab-
plexe Bauprojekte verlangen die perfekte dingbares Recht jedes Baubeteiligten zu
Abstimmung zwischen den beteiligten regeln. Die Verfahren sind so zu gestal-
Bauunternehmen und den Vertretern des ten, dass bezüglich Leistung und Vergü-
Bauherrn. Bei derartigen Bauaufgaben tung möglichst innerhalb von vier Wochen,
sollten daher Planung und Ausführung spätestens jedoch nach sechs Wochen
durch Einführung von partnerschaftlichen vorläufig verbindliche Entscheidungen ge-
Vorgehensweisen besser miteinander ver- troffen werden. Gegen diese Entschei-
zahnt werden. Wenn dieses Vorgehen im- dungen kann dann vor Schiedsgerichten
mer sofort mit der Vermutung gebrand- oder ordentlichen Gerichten Klage einge-
markt wird, dass die beteiligten Firmen reicht werden.14 Strabag
Herausgegeben vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. Hauptabteilung Volkswirtschaft, Information und Kommunikation construktiv, Bremen – Titelbild: © davis - Fotolia.com Kurfürstenstraße 129 10785 Berlin Telefon | 030 2 12 86-0 Telefax | 030 2 12 86-189 E-Mail | info@bauindustrie.de www.bauindustrie.de April 2014
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