Der Blick aus dem All in das System Erde The View into System Earth from Space - Chapter 02
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Kapitel 02 Der Blick aus dem All in das System Erde Chapter 02 The View into System Earth from Space
18 02 Der Blick aus dem All in das System Erde ine Fotografie der Erde, aufgenommen von einem vor, die Erde wäre in ihrem Innern vollständig gleich- E Satelliten oder aus einer Raumstation in erdnaher Umlaufbahn, kommt uns heute völlig normal vor. Als in den 1960er Jahren die ersten Aufnahmen unseres mäßig aufgebaut. Aufgrund der Erdrotation zerrt die Fliehkraft die Erdmasse von der Rotationsachse weg, und zwar am stärksten am Äquator und am geringsten Planeten aus größerer Distanz gemacht wurden und den an den Polen. Das führt dazu, dass die Kugelform ein Blick auf diesen Solitär im Weltraum auch für uns Erd- wenig deformiert wird und die Erde sich am Äquator bewohner ermöglichten, war das jedoch eine Sensation. ausdehnt. Tatsächlich existiert diese von Newton und Auch heute noch haben Bilder der Erde aus dem Welt- Huygens postulierte Polabflachung der Erde: Der mitt- raum eine hohe Faszination und einen besonderen lere Erddurchmesser beträgt 12 740 Kilometer, aber die ästhetischen Reiz. Aber die Erdbeobachtung aus dem All Nord-Süd-Achse ist um rund 42 Kilometer kürzer als dient nicht in erster Linie der kontemplativen Betrach- die Ost-West-Achse am Äquator. Die Erde ist also in tung. Satelliten sind heute ein Universalwerkzeug der erster Näherung ein Rotationsellipsoid. Forschung, und auch die Geowissenschaften kommen Damit aber nicht genug. Newtons Gravitationsgesetz längst nicht mehr ohne sie aus. Sie erlauben uns nicht besagt, dass die Kraft, mit der der fallende Apfel in nur einen Blick auf die Erde, sondern einen Einblick in Richtung Massenmittelpunkt beschleunigt wird, direkt das System Erde. von der Größe der Masse und dem Abstand vom Mas- Es gehört zum Menschen, dass er versucht, seine senmittelpunkt abhängt. Das bedeutet auf unseren nähere und fernere Umgebung zu erforschen. So war die Planeten angewandt, dass die Gravitationsbeschleuni- Vorstellung von der Erde als einer flachen Scheibe für gung variabel ist. An der Oberfläche des Rotationsellip- frühe menschliche Gesellschaften sicherlich zur Orien- soids wirkt aufgrund der Massenanziehung eine Gravi- tierung in ihrem Lebensraum ausreichend. Dennoch tationsbeschleunigung in Richtung des Mittelpunkts wurde dieses Bild schnell durch astronomische Beobach- von 9,81 m/s2, die zum Pol hin auf 9,83 m/s2 zunimmt. tungen ergänzt, auch wenn die geozentrische Sichtweise Berücksichtigt man noch die der Erdanziehung entgegen zunächst nicht in Frage gestellt wurde. Die Kugelgestalt gerichtete Zentrifugalbeschleunigung von –0,03 m/s2 am der Erde ist den Menschen spätestens seit Pythagoras Äquator, so ergibt sich eine Schwerebeschleunigung (*540 v. Chr.) bekannt. Die Größe dieser Kugel errech- (oder kurz Schwere) von 9,78 m/s2 am Äquator. An den nete Eratosthenes (*276 v. Chr.) bereits mit einem Polen fallen Gravitation und Schwere zusammen. Eine Umfang von 252 000 Stadien, was etwa 40 000 km ent- Waage zeigt demnach am Pol für einen normal gewichti- spricht. Mit dem Beginn der modernen Naturwissen- gen Menschen etwa 350 g mehr an als am Äquator, das schaften im 17. Jahrhundert änderte sich der Blick radi- heißt die Schwere ändert sich auf der Ellipsoidoberfläche kal. Vorbereitet durch Kepler und vollendet durch mit der geographischen Breite. Galileo, rückte die neue Weltsicht den Menschen aus dem Zentrum des Alls, die Erde wurde zu einem Plane- ten neben anderen. Dessen Kugelform stellte die klassi- sche Trigonometrie der Fläche vor neue Aufgaben. Der Beulen und Dellen auf der Ellipse: holländische Astronom und Mathematiker Willebrord die „Potsdamer Kartoffel“ van Roijen Snell, genannt Snellius, löste 1616 das Prob- lem der Triangulation auf Kugeloberflächen und legte Machen wir ein Experiment: Wir stellen Wind und Wet- damit die mathematische Grundlage der wissenschaft- ter ab und beseitigen den Mond und die Sonne. Auch die lichen Geodäsie. Schließlich konnten Newton und Huy- Kontinente denken wir uns weg. Auf einer solchen was- gens 1687 bzw. 1690 zeigen, dass die Erde aufgrund ihrer serbedeckten Erde gäbe es also keine Wellen und auch Eigenrotation eine Ellipsoidform hat. Aber erst heute keine Gezeiten. Dann sollte der Meeresspiegel eigentlich besitzen wir mit Satelliten ein Werkzeug, das uns erlaubt, ebenmäßig flach sein. Tatsächlich aber weist eine solche diese Gestalt der Erde bis ins Detail zu untersuchen. Erde Täler und Berge auf der Wasseroberfläche auf. Diese entstehen aufgrund von Massenunterschieden, genauer gesagt von Dichteunterschieden im Erdkörper. Angetrieben durch die enorme Hitze im Erdkern und Gewicht auf einer rotierenden den radioaktiven Zerfall von Elementen im Erdmantel Ellipse bewegt sich im Mantel zähflüssiges Gestein: Heißes Magma, also Material geringer Dichte steigt nach oben, während kälteres und dadurch dichteres Material an Für das menschliche Auge ist die Erde ein perfekt runder anderer Stelle nach unten absinkt. Dieser wärmebe- Körper. Aber wie rund ist sie wirklich? Stellen wir uns dingte Gesteinstransport führt zu einer ungleichmäßi-
02 The View into System Earth from Space 19 hotography of the Earth from a satellite or a space expansion at the equator. This polar flattening of the P station on a low-Earth orbit seems completely normal to us nowadays. But when the first pho- tographs of our planet were taken in the 1960s, it caused Earth postulated by Newton and Huygens really exists: the average diameter of the Earth is 12 740 kilometres, but the north-south axis is around forty-two kilometres a sensation because we, the inhabitants of Earth, were shorter than the east-west axis at the equator. As a first able to view this solitaire in space for the first time from approximation, the Earth is therefore a rotational ellip- a greater distance. Photographs of the Earth are still soid. extremely fascinating and have a particular aesthetic But that’s not all. Newton’s law of gravity states appeal. However, observation of the Earth from space is that the force with which a falling apple is accelerated not primarily intended for contemplative examination. towards the centre of mass directly depends on the size of Modern satellites are a universal research tool and have the mass and the distance from the centre of mass. become indispensable to the geosciences. They not only Applied to our planet, this means that gravitational give us a view of the Earth, but also permit an insight acceleration is variable. On the surface of the rotational into System Earth. ellipsoid, mass attraction causes a gravitational accelera- Humans have an inherent desire to research their tion towards the centre of 9.81 m/s2, which increases to immediate and wider environment. The idea of the 9.83 m/s2 at the poles. If we addionally take into account Earth as a flat disc was sufficient for early human soci- the centrifugal acceleration of –0.03 m/s2 at the equator, eties to orient themselves within their environment. which acts in the opposite direction to the Earth’s attrac- Nevertheless, this concept was quickly corrected with tion, the gravitational acceleration (or simply “gravity”) astronomical observations, even though the geocentric at the equator is 9.78 m/s2. At the poles, gravitation and point of view initially remained unquestioned. Humans normal gravity have the same value. Accordingly, weigh- have been aware of the sphericity of the Earth since ing scales at the poles show a person of average weight Pythagoras (*540 BC), at the latest. Eratosthenes (*276 is around 350 g heavier than at the equator, i.e. gravity on BC) calculated that this sphere had a circumference of the ellipsoidal surface changes with geographic latitude. 252 000 stades, the equivalent of around 40 000 km. With the beginning of modern natural sciences in the seventeenth century, our understanding of the Earth changed radically. Prepared by Kepler and completed by Bumps and dents on the ellipse: Galileo, the new view of the world pushed humankind the “Potsdam Potato” out of the centre of the universe, and the Earth became just one planet among others. Its spherical shape pre- Let’s do an experiment: we turn off the wind and sented new tasks for classical trigonometry. In 1616, the weather and remove the moon and sun. Then we imag- Dutch astronomer and mathematician Willebrord van ine the continents aren’t there either. On such a water- Roijen Snell solved the problem of triangulation on covered Earth there would be no waves and no tides, so spherical surfaces. Snellius, as he was also called, there- the sea level should be uniformly flat. But in reality, the fore laid the mathematical foundation of scientific surface of the water on such an Earth would still have geodesy. Newton and Huygens, in 1687 and 1690 respec- valleys and mountains. These are caused by differences tively, were able to show that the Earth has an ellipsoid in mass or, to be more precise, by differences in densities shape due to its autorotation. But only today, with satel- inside the Earth. Driven by the enormous heat in the lites, we have a tool that allows us to examine this shape core and the radioactive decay of elements in the man- of the Earth in detail. tle, viscous rock is flowing within the mantle. Hot magma (low-density material) rises while colder, and therefore denser, material sinks elsewhere. This heat- Weight on a rotating ellipse induced rock transport leads to an uneven mass distri- bution within the Earth which, according to Newton, results in a varying gravitational force. This is com- To the human eye, the Earth is a perfectly round body. pounded by the layered structure of the Earth. At the But how round is it really? Let us imagine that the inte- transition zones between the layers, from the centre to rior of the Earth has a completely homogeneous struc- the outer core and the mantle through to the crust, there ture. Due to the Earth’s rotation, a centrifugal force pulls are irregularly distributed density changes and varying the Earth’s mass away from its rotational axis. This effect density distribution within the layers. This means that is greatest at the equator and least at the poles, which the Earth’s force of attraction is not the same every- leads to slight deformation of the spherical shape and where; it varies with space and time.
20 02 Der Blick aus dem All in das System Erde gen Massenverteilung im Erdkörper, die nach Newton phischen Höhen – als Normal Null oder mittlerer Mee- zu unterschiedlicher Anziehungskraft führt. Hinzu resspiegel bekannt. Die Abweichungen zum Ellipsoid kommt der Schalenaufbau der Erde: An den Übergangs- werden als Geoid-Undulationen bezeichnet. Das Geoid zonen zwischen den Schalen vom Zentrum über den weist Beulen und Dellen mit Abweichungen von bis zu äußeren Erdkern und den Erdmantel bis zur Erdkruste hundert Meter nach oben und unten auf. Die unregel- gibt es unregelmäßig verteilte Dichtesprünge und inner- mäßige Form ließ diese Geoid-Darstellung als „Potsda- halb der Schalen einen variierenden Dichteverlauf. Dar- mer Schwerekartoffel“ (Potsdam gravity potato, 䉴 Abb. aus folgt: Die Erdanziehungskraft ist nicht überall 2.2) weltbekannt werden. gleich, sie variiert räumlich und zeitlich. Wie bei jeder Äquipotenzialfläche steht die Lotrich- Die Massenungleichheiten erzeugen folglich Abwei- tung überall exakt senkrecht auf dem Geoid (䉴 Abb. chungen von der Idealfigur des Rotationsellipsoids. Es 2.3), und trotz der Beulen und Dellen und der unter- ergibt sich eine Fläche, auf der die Kräfte überall im schiedlichen Schwere auf der Geoidoberfläche fließt hier Gleichgewicht sind, eine sogenannte Äquipotenzialflä- kein Wasser. Auch die Schwerewerte an der Erdober- che. Der resultierende Körper wird als Geoid bezeichnet, fläche variieren um die Normalwerte des Rotationsellip- seine Oberfläche ist – als Bezugsfläche für alle topogra- soids. Diese Ausschläge, die man als Schwereanomalien 2.2 Die „Potsdamer Kartoffel“: Der Planet Erde als Geoid (hinten) – die Abweichung der Äquipotenzialfläche des Erdschwerefel- des gegenüber dem Rotationsellipsoid in stark überhöhter Darstellung. Südlich von Indien findet sich ein 109 Meter tiefes Tal, nördlich von Papua-Neuguinea ein 95 Meter hoher Berg auf der Meeresoberfläche. „Normalnull“ weist also rund 200 Meter Diffe- renz vom gemeinsamen Massenmittelpunkt auf. Die Anomalien des Schwerefeldes der Erde (vorn) sind Abweichungen von der Normalschwere auf dem Rotationsellipsoid. Deutliche Gravitationsanomalien zeichnen sich unter anderem am Himalaja, aber auch im östlichen Mittelmeer ab. 2.2 The “Potsdam Potato”, planet Earth as a geoid (rear) – a highly exaggerated representation of the deviation of the equi- potential surface of the Earth’s gravity field compared to the rotational ellipsoid. To the south of India there is a valley 109 metres deep, to the north of Papua New Guinea there is a mountain 95 metres high on the surface of the sea. “Mean sea level” thus differs by around 200 metres from the common centre of mass. The anomalies in the Earth’s gravity field (front) are deviations from normal gravity on the rotational ellipsoid. There are clear gravitational anomalies in the Himalayas and in the Eastern Mediterranean.
02 The View into System Earth from Space 21 These inequalities of mass produce deviations from Satellites measure gravity the idealised shape of a rotational ellipsoid. They lead to a surface on which the forces are in equilibrium, a so- It was Friedrich Robert Helmert who around 1880 for- called equipotential surface. The resulting body is called mulated the modern definition of geodesy by linking a geoid; its surface is used as a reference surface for all methods for measuring the Earth’s shape with those for topographic elevations and is called the vertical refer- analysing the terrestrial gravity field. This modern ence datum or the global mean sea level. Deviations approach of geodesy led to the Potsdam absolute value from the ellipsoid are called geoid undulations. The for the Earth’s force of attraction, which became the geoid has dents and bumps on it, with deviations of up worldwide reference value. Known as the “Potsdam to one hundred metres, plus and minus, from the ide- gravity value”, it retained this function from 1909 until alised ellipsoid. Its irregular shape led to this geoid rep- 1971. resentation becoming known worldwide as the “Pots- Today’s observation of the Earth’s gravity field with dam gravity potato” (䉴 Fig. 2.2). the help of satellites is based on Helmert’s approach. If As with every equipotential surface, the local vertical the Earth were a sphere with uniformly layered mass, direction (local plumb line) is precisely perpendicular satellites orbiting the Earth would fly along an elliptical everywhere on the geoid (䉴 Fig. 2.3). Despite the dents orbit. Deviations of the Earth’s surface from a perfect and bumps and differing gravity on the geoid’s surface, sphere and irregularities of the density distribution water does not flow on it. The gravity values on the inside the Earth alter the satellite’s orbit. The Earth’s Earth’s surface also vary about the normal values on the force of attraction acting on an orbiting satellite varies; rotational ellipsoid. These deviations, called gravity it is sometimes stronger, sometimes weaker and as a anomalies, reach a maximum of 500 mgal, equal to 5 × result, the satellite flies higher or lower, faster or slower. 10–3m/s2, i. e. 500 millionths of normal gravity. Geoid These perturbations of the satellite’s orbits can be mea- undulations and gravity anomalies represent the irregu- sured from ground stations or other satellites. Analysis lar structure of the gravity field along the surface of the of these observations allows conclusions to be drawn Earth. How can we measure this? regarding the underlying gravitational field. The accu- racy and resolution of a gravitational field derived exclu- sively from satellite orbital perturbations are limited by the distribution of the satellite’s orbits in near-Earth space, by the quality and frequency of the orbit observa- tions and, above all, by the altitude of the satellite. The higher a satellite flies, the less its orbit is disturbed by variations in the Earth’s gravitational field, but this is associated with an increasing loss of information. Geo- scientists want therefore the satellite flight path to be as low as possible; however, this reduces the mission life time because low-flying satellites are decelerated by fric- tion in the high atmosphere. Highly precise determination of the Earth’s force of attraction is a central issue in geosciences. It affects questions of basic research and also has practical appli- cations. CHAMP and GRACE 2.3 Different masses exert different forces of attraction. The forces on the surface of the geoid adjust so that they always One of the most successful geoscience space missions act perpendicular to the surface. In this way, mountains and was CHAMP (CHAllenging Mini satellite Payload, valleys result on the surface of the sea. 䉴 Fig. 2.1). This satellite was used to measure the Earth’s gravity field, magnetic field, and atmospheric parame- 2.3 Unterschiedliche Massen üben unterschiedliche Anzie- hungskraft aus. Auf der Geoid-Oberfläche stellen sich die ters. CHAMP was a small geoscience satellite that was Kräfte so ein, dass sie stets senkrecht zur Oberfläche wirken. shot into a low-Earth orbit by a COSMOS rocket fired So entstehen Berge und Täler auf der Meeresoberfläche. from the Plesjezk Cosmodrome in Russia in June 2000.
22 02 Der Blick aus dem All in das System Erde bezeichnet, erreichen maximal 500 mGal, das sind CHAMP und GRACE 5 × 10–3 m/s2, also 500 Millionstel der Normalschwere. Geoid-Undulationen und Schwereanomalien repräsen- tieren die unregelmäßige Struktur des Schwerefelds ent- Eine der erfolgreichsten geowissenschaftlichen Raum- lang der Erdoberfläche. Wie kann man das messen? fahrtmissionen war CHAMP (CHAllenging Mini Satel- lite Payload, 䉴 Abb. 2.1). Dieser Satellit diente zur Mes- sung des Erdschwerefeldes, des Erdmagnetfelds und zur Messung atmosphärischer Parameter. CHAMP war Satelliten messen die Schwerkraft ein geowissenschaftlicher Kleinsatellit, der im Juni 2000 von dem russischen Kosmodrom Plesetsk mit einer Es war Friedrich Robert Helmert, der gegen 1880 die COSMOS-Rakete in eine niedrige Erdumlaufbahn mit moderne Definition der Geodäsie formulierte, indem einer Anfangsflughöhe von 452 Kilometern geschossen er die Methoden zur Messung der Erdgestalt mit der wurde. Die kreisförmige Bahn des Satelliten führte über Analyse des irdischen Schwerefeldes verband. Dieser die Pole. Die Erde dreht sich bei einer solchen Bahn moderne Ansatz der Erdvermessung führte dazu, dass unter dem Satelliten durch, sodass nach einer gewissen der Potsdamer Absolutwert der Erdanziehungskraft als Zahl von Überflügen die gesamte Erdoberfläche abge- „Potsdamer Schwerewert“ zum weltweiten Referenzwert deckt wird. Mit dem GPS-Empfänger an Bord von wurde und diese Funktion von 1909 bis 1971 hatte. CHAMP wurde die Bahn lückenlos vermessen. Das Die heutige Beobachtung des Erdschwerefeldes mit- reichte aber noch nicht für die erwünschte Präzision der hilfe von Satelliten gründet auf dem Helmertschen Bahnbestimmung aus, denn die dünnen Reste der Ansatz. Erdumkreisende Satelliten würden, wenn die Atmosphäre in dieser Höhe, die Sonnenstrahlung und Erde eine Kugel mit gleichmäßig geschichteter Masse die von der Erde reflektierte Strahlung bremsen erdnahe wäre, auf einer Ellipsenbahn fliegen. Die Abweichungen Satelliten ab. Deshalb erfasste bei CHAMP, erstmals der Erdoberfläche von der Kugelform und die Unregel- bei einer solchen Satellitenmission, ein dreiachsiger mäßigkeiten der Dichteverteilung im Erdinneren führen Beschleunigungsmesser im Schwerpunkt des Satelliten zu Veränderungen der Satellitenbahn: Ein Satellit wird diese Störbeschleunigungen direkt. auf seiner Umlaufbahn mal stärker, mal schwächer Der Erfolg von CHAMP führte dazu, dass 2002 eine angezogen und fliegt folglich mal tiefer, mal höher, mal weitere Schwerefeldmission auf den Weg gebracht schneller, mal langsamer. Diese Bahnstörungen der wurde. Das Satellitenpaar GRACE (Gravity Recovery Satellitenumläufe können von Bodenstationen oder And Climate Experiment, 䉴 Abb. 2.5) wurde mit einer anderen Satelliten gemessen werden. Aus der Analyse russischen ROCKOT-Rakete ebenfalls vom Startplatz dieser Beobachtungen lässt sich auf das zugrunde lie- Plesetsk aus gestartet. Die ganz ähnlich wie CHAMP gende Schwerefeld schließen. Die Genauigkeit und die konstruierten Satelliten wurden im Auftrag der NASA Auflösung eines ausschließlich aus Satellitenbahnstö- in Deutschland gebaut. Die beiden GRACE-Satelliten rungen abgeleiteten Schwerefelds werden durch die Ver- jagen in rund 500 Kilometern Flughöhe im Abstand von teilung der Satellitenbahnen im erdnahen Weltraum, etwa 220 Kilometern auf derselben Bahn hintereinander durch die Qualität und Häufigkeit der Bahnbeobach- her, weshalb die Wissenschaftler sie „Tom und Jerry“ tungen und vor allem durch die Flughöhe der Satelliten getauft haben. Der durch das Erdschwerefeld leicht vari- begrenzt. Je höher ein Satellit fliegt, desto weniger wird ierende Abstand der beiden Satelliten wird auf den hun- seine Bahn durch Variationen des Erdschwerefelds dertsten Teil eines Millimeters genau vermessen. Damit gestört, das heißt desto mehr Information geht verloren. können wesentlich feinere Strukturen im Erdschwere- Aus Sicht der Geowissenschaften ist also eine möglichst feld als mit CHAMP erfasst werden. Erstmals lassen sich niedrige Flugbahn erwünscht. Das geht allerdings auf mit GRACE nun auch zeitliche Variationen der Erdan- Kosten der Lebensdauer des Satelliten, denn niedrig flie- ziehungskraft beobachten, die zum Beispiel durch die gende Satelliten werden durch Reibung in der Hochat- jahreszeitlichen Schwankungen der Wassermengen in mosphäre abgebremst. großen Flusssystemen oder Eismassenverluste in den Die hochpräzise Bestimmung der Erdanziehungs- polaren Eisschilden hervorgerufen werden. Daraus las- kraft ist eine zentrale Fragestellung der Geowissenschaf- sen sich Rückschlüsse auf Massenumlagerungen im Sys- ten. Sie berührt Fragen der Grundlagenforschung tem Erde ziehen. ebenso wie praktische Anwendungen.
02 The View into System Earth from Space 23 The success of CHAMP led to the 2002 launch of a further mission to measure the gravitational field. A pair of satellites, known collectively as GRACE (Gravity Recovery And Climate Experiment, 䉴 Fig. 2.5), was sent into orbit by a Russian ROCKOT rocket, which had also been launched from Plesetsk. The satellites, which had a similar design to CHAMP, were built in Germany for NASA. The two GRACE satellites follow the same orbit at an altitude of around 500 km and around 220 kilome- tres apart. Scientists have nick-named them “Tom and Jerry” because one is always chasing the other. The dis- tance between the satellites, which varies slightly due to the Earth’s gravity field, is precisely measured to a hun- dredth of a millimetre. This enables registration of far finer structures in the Earth’s gravity field compared to CHAMP and, for the first time, GRACE allows the observation of temporal variations in the Earth’s force of attraction. These are caused by factors such as sea- sonal fluctuations in the quantities of water in large river 2.4 The GFZ-1 laser satellite was set out from the MIR space systems or ice mass losses in the polar ice sheets. This in station in 1995. It was placed in a very low orbit of only turn enables conclusions to be drawn regarding mass 390 km altitude. For four years, the satellite orbited the Earth redistributions inside System Earth. every 90 minutes until it finally burned up in the atmosphere in June 1999. This satellite had 60 reflectors built into its spherical surface. Light pulses directed at the satellite from terrestrial laser stations were reflected back towards the ground station. The distance of the satellite could be pre- Variations in the Earth’s gravity: cisely determined from the travel time of the signals. This a window into the Earth information was used to calculate the satellite’s orbit. 2.4 Der 1995 gestartete Lasersatellit GFZ-1 wurde von der The aforementioned high-precision measurements of Raumstation MIR aus auf seine mit 390 km Höhe sehr nie- the orbit of the two satellite missions, CHAMP and drige Bahn gesetzt. Der Satellit umrundete vier Jahre lang alle GRACE, have provided us with a much sharper image of 90 Minuten die Erde, um schließlich im Juni 1999 in der Erd- our planet. We can now take a look at the Earth’s gravity atmosphäre zu verglühen. In seine kugelförmige Oberfläche waren 60 Reflektoren eingelassen, die von Laserstationen auf field and its variations in order to see what conclusions der Erde ausgesandte Lichtimpulse in Richtung Bodenstation we can deduce regarding the structure of the Earth. zurücklenkten. Aus der Laufzeit der Signale ließ sich die Ent- Gravity “field” means that global observations of the fernung des Satelliten exakt bestimmen und zur Berechnung Earth’s attraction using satellites, aircrafts, ships and seines Orbits nutzen. ground stations are combined. This is achieved with complex mathematical physics that produces various models of the worldwide gravity field. The Potsdam gravity-field model, named “EIGEN-5C”, has become Its initial altitude was 452 kilometres. The satellite’s cir- established worldwide as one of the standards. Integra- cular orbit passed over the poles as the Earth rotated tion of GRACE data led to a previously unattained accu- beneath the satellite. After a certain number of flyovers, racy on a global scale. the whole surface of the Earth had been covered. The As discussed above, differences in the gravity field can orbit was continuously measured using the GPS receiver be expressed as deviations in the geoid surface from the on board CHAMP. However, this did not provide the rotational ellipsoid and as deviations from normal grav- precision required to determine the orbit because the ity (䉴 Fig. 2.6). Viewed together, these observations pro- thin residual atmosphere at this height, plus solar radia- vide clues about the topographical and geophysical tion and the radiation reflected by the Earth slow down structures of the tectonic plates. Large blocks, such as near-Earth satellites. This is why, for the first time on the Andes, Himalayas and the North Atlantic Ridge, gen- such a satellite mission, a triaxial accelerometer was erate strong positive-gravity anomalies, whereas deep- installed in the centre of gravity of the CHAMP satellite sea trenches at the edge of the North-West Pacific and to directly register such perturbation accelerations. off the west coast of South America produce large nega-
24 02 Der Blick aus dem All in das System Erde 2.5 Das 2002 gestartete Satellitentandem GRACE (Gravity Recovery And Climate Experiment). (Abb.: Astrium/GFZ) 2.5 The GRACE (Gravity Recovery And Climate Experiment) tandem satellite mission started in 2002. (Fig.: Astrium/GFZ) Variationen in der Erdanziehung: Unterschiede im Schwerefeld – so hatten wir festge- stellt – lassen sich als Abweichungen der Geoidoberflä- ein Fenster in die Erde che vom Rotationsellipsoid und als Abweichungen von der Normalschwere ausdrücken (䉴 Abb. 2.6). In der Die erwähnte hohe Präzision der Flugbahnbestimmung Zusammenschau geben diese Betrachtungen Hinweise der beiden Satellitenmissionen CHAMP und GRACE auf die topographisch-geophysikalischen Strukturen der hat unser Bild der Erde von Grund auf geschärft. Wir Plattentektonik. Große Blöcke wie die Anden, der Hima- wollen einen Blick auf das Schwerefeld der Erde und laja und der nordatlantische Rücken erzeugen starke seine Variationen werfen, um zu sehen, welche Aussagen positive Schwereanomalien, die Tiefseegräben am Rand zum Aufbau der Erde sich daraus ableiten lassen. des Nordwestpazifiks und vor der Westküste Südameri- Schwere-„Feld“ bedeutet, dass globale Beobachtun- kas dagegen große negative Schwereanomalien. Hawaii gen der Erdanziehung durch Satelliten, Flugzeuge, lässt sich heute als jüngstes Glied einer ganzen Kette von Schiffe und Bodenstationen zusammengefasst werden. teilweise unterseeischen Vulkankegeln in der Karte der Dieses geschieht durch ausgefeilte mathematisch-physi- Schwereanomalien identifizieren. kalische Methoden, als deren Ergebnis verschiedene Großflächige Berge und Täler im Geoid und in der Modellvorstellungen des weltweiten Erdschwerefeldes Verteilung der Schwereanomalien hängen mit Struktu- entstehen. Das Potsdamer Schwerefeldmodell mit dem ren und Prozessen im tieferen Erdinneren zusammen. Namen EIGEN-5C hat sich weltweit als einer der Stan- So sind zum Beispiel die Aufwölbungen des Geoids im dards etabliert. Die Integration von GRACE-Daten Westpazifik und an der Westküste Südamerikas eine führte hier zu einer bisher nicht erreichten Genauigkeit Folge des dort stattfindenden Abtauchens alter und im globalen Maßstab. damit dichter ozeanischer Lithosphäre in den Erdman-
02 The View into System Earth from Space 25 2.6 Two-dimensional representations of the current EIGEN-5C gravity-field model, at the top as geoid undulations (in metres) and at the bottom as gravity anomalies (in mGal). 2.6 Zweidimensionale Darstellungen des aktuellen Schwerefeldmodells EIGEN-5C, oben als Geoid-Undulationen (Meter) und unten als Schwereanomalien (mGal).
26 02 Der Blick aus dem All in das System Erde 2.7 Durch das Abschmelzen großer Eismassen wird die Lithosphäre entlas- tet und hebt sich. Das zähflüssige Gestein des oberen Erdmantels fließt nicht so schnell nach. Dadurch ent- steht ein lokales Massendefizit. 2.7 Melting of large ice masses relieves the load on the lithosphere and it rises. The viscous rock of the upper mantle does not flow as quickly. The result is a local mass deficit. tel. Andere Geoid- und Schwereanomaliehochs finden Informationen über das Klima geben kann. Die beteilig- sich in Gebieten, wo heißes Material, das vermutlich im ten Forscherkollegen ergänzten daher Newtons Fest- Erdmantel nach oben strebt, die darüber liegende Litho- stellung „Mass is gravity“ mit „Gravity is climate“. Viele sphäre aufwölbt, zum Beispiel im Nordatlantik um Prozesse im Klimageschehen unseres Planeten sind was- Island und südöstlich von Afrika. Das prägnante tiefe Tal sergetrieben: Ozeanströmungen transportieren Wärme im Geoid südlich von Indien könnte mit der nordwärts in Richtung der Pole und Kälte in Richtung Äquator, die gerichteten Bewegung der indischen Lithosphärenplatte Ab- oder Zunahme der Eismassen sind wichtige Fakto- zusammenhängen, die das Himalaja-Massiv aufschiebt, ren im Klima, der globale hydrologische Kreislauf hängt wobei sich auf der Rückseite dieser Bewegung die Masse entscheidend vom Wasserhaushalt der Kontinente ab, im Erdmantel ausdünnt. hinzu kommen Schwankungen des mittleren Meeres- Eine weitere Senke im Geoid über Kanada ist ein spiegels. Aber Wasser ist Masse, und Änderungen in der Relikt der Vereisung vor etwa 20 000 Jahren. Der mäch- Verteilung des globalen Wassers entsprechen daher tige Eisschild hatte dort die Lithosphäre und den oberen Umlagerungen von Massen im Schwerefeld der Erde. Mantel nach unten gedrückt. Vor 6000 Jahren war dieses Diese Prozesse lassen sich vom Satelliten aus beob- Eis geschmolzen, die Erdkruste wurde von diesem riesi- achten. Der knappe Wissenschaftler-Spruch „Schwer- gen Gewicht entlastet und steigt seitdem immer noch kraft ist Klima“ sagt genau das aus: Die Flugbahnände- auf (䉴 Abb. 2.7). Das zähflüssige Material des Erdman- rungen von Satelliten geben uns Auskunft über das tels kann hier nicht so schnell nachfließen wie die Litho- Klima, vorausgesetzt, man kann diese Flugbahnände- sphäre aufsteigt; so entsteht hier ein Massendefizit. rungen so genau bestimmen, wie es bei den GRACE- Dieses kanadische Massentief ist jedoch gleichzeitig Satelliten der Fall ist. Teil einer größeren Formation negativer Werte vom Ost- Veränderungen des Klimas im System Erde sind von pazifik über Nordamerika zum Westatlantik, die ver- weitreichenden Wassermassen-Umverteilungen beglei- mutlich mit der Mantelkonvektion zusammenhängt: Im tet, wie beispielsweise Meeresspiegeländerungen, variie- Erdmantel steigen nicht nur heiße Gesteine auf, sondern renden Eis- und Schneebedeckungen und veränderten sinken auch kühlere Gesteine ab. Über Kanada überla- kontinentalen Süßwasservorkommen. Umgekehrt ist gern sich die beiden geschilderten Effekte und sind im die Wasserverteilung entscheidend für die vorherrschen- Geoid gut zu erkennen. den klimatischen Bedingungen und Lebensverhältnisse auf der Erde. Die größten zeitlichen Änderungen des Schwerefelds werden durch den Transport von Wasser- massen auf den Landflächen verursacht. Der kontinen- „Gravity is Climate“: tale Wassergehalt ist letztlich eine Bilanz zwischen Klimaforschung mit Satelliten Niederschlag, Verdunstung, Abfluss und Speicherung, die jahreszeitabhängig ist. Mit GRACE konnten erstmals vom Satelliten aus Ver- Der Name der GRACE-Satellitenmission deutet an, dass änderungen in der globalen kontinentalen Wasserspei- die hochpräzise Vermessung der Erdanziehung auch cherung gemessen werden, eine zentrale Größe für das
02 The View into System Earth from Space 27 tive-gravity anomalies. In today’s gravity anomaly maps, tuations in the mean sea level. However, water is mass, we are able to identify Hawaii as the youngest link in a and therefore changes in the global water distribution whole chain of partly undersea volcano cones. correspond to redistribution of masses within the Extensive mountains and valleys in the geoid and the Earth’s gravity field. distribution of gravity anomalies are related to struc- These processes can be observed from a satellite. The tures and processes deep inside the Earth. For example, slogan “Gravity is Climate” implies precisely that: the geoid domes in the Western Pacific and on the west changes in satellite orbits provide us with information coast of South America are a consequence of the older, about the climate, provided we can determine these and therefore denser, oceanic lithosphere descending orbit changes precisely, and this is indeed the case with into the mantle at these locations. Other high spots on the GRACE satellite. the geoid and in the gravity anomaly maps are found in Climate changes in System Earth are accompanied by areas where hot material, which is probably rising within far-reaching redistributions of water masses. Examples the mantle, is pushing up the lithosphere above it. This of this include changes in sea level, varying ice and snow occurs in the North Atlantic, around Iceland and south- covers, and altered continental freshwater resources. east of Africa. The striking deep valley in the geoid to the Conversely, the water distribution is decisive for the pre- south of India could be related to the northward move- vailing climatic and living conditions on Earth. The ment of the Indian lithosphere plate. This pushes up the largest changes in the gravity field over time are due to Himalayan Massif, thus thinning the mantle mass to the the transport of water masses on land areas. The conti- rear of this movement. nental water content is ultimately a balance between A further depression in the geoid above Canada is a precipitation, evaporation, runoff and storage, which all relict of glaciation around 20 000 years ago, when a thick depend on the time of year. ice sheet pushed down the lithosphere and upper man- GRACE provided the first measurements of changes tle there. This ice melted 6000 years ago, relieving the in global continental water storage, a central variable enormous weight on the crust, which has continuously for the climate (䉴 Fig. 2.8). The GRACE data offer risen since then (䉴 Fig. 2.7). The viscous material of the more comprehensive information on storage changes in mantle cannot flow as fast as the lithosphere rises, so a groundwater, in the ground, in snow cover, rivers, lakes mass deficit occurs here. and flood plains, than any other ground or satellite- In addition, this Canadian mass deficit is also part of assisted observation system. Analyses of the GRACE a larger group of negative values from the Eastern data show how variability in climatic conditions, for Pacific, across North America to the Western Atlantic. example, precipitation and air temperature, affect These are probably related to mantel convection, which worldwide seasonal and annual variations in water stor- is caused by hot rocks rising within the mantle while the age within large river catchment areas (䉴 Fig. 2.9). If cooler rocks sink. These two effects overlap beneath other observational data is taken into account, it is also Canada and are clearly identifiable in the geoid. possible to register the extensive dynamics of water transport, for example, flooding dynamics in bodies of surface water. It also allows checking and adjustment of extensive hydrological models, which will be used to “Gravity is Climate”: climate determine climate-induced changes in global and research using satellites regional water cycles. The name of the GRACE satellite mission indicates that Marine topography highly precise measurement of the gravity field can also provide information about the climate. Research col- leagues involved in the project therefore supplemented As we saw, the geoid surface – the “theoretical” mean sea Newton’s statement “Mass is Gravity” with the statement level – is not affected by ocean tides or by ocean circula- “Gravity is Climate”. Many processes in the climate tion. Instead, it solely depends on the mass distribution behaviour of our planet are water-driven: Ocean cur- inside and on the surface of the Earth. rents transport heat towards the poles and cold towards However, there are indeed large currents within the the equator. The decrease and increase in ice masses are oceans. These are mainly driven by winds, by the ex- important factors that affect the climate, and the global change of heat and freshwater with the atmosphere as a hydrological cycle decisively depends on the water bal- result of evaporation and precipitation and by the flow ance of the continents. In addition to this there are fluc- of water from the continents. In addition, depending on
28 02 Der Blick aus dem All in das System Erde 2.8 Änderung der kontinentalen Was- serspeicherung von April 2003 bis zum Februar 2004, in mm Wassersäule. Deutlich erkennbar sind die saisonalen Regenzeiten in den tropischen Breiten. 2.8 Changes in continental water stor- age from April 2003 to February 2004, in mm water column. Seasonal rains in the tropical latitudes are clearly identi- fiable. Klima (䉴 Abb. 2.8). So umfassend wie bei keinem ande- ursachen die großen ozeanischen Strömungssysteme ren boden- oder satellitengestützten Beobachtungssys- Berge und Täler in der Meeresspiegelhöhe, analog zu tem bilden GRACE-Daten die Speicheränderungen im den atmosphärischen Hoch- und Tiefdruckgebieten. Grundwasser, im Boden, in der Schneebedeckung und Die großen Meeresströme bewirken Auslenkungen des in Flüssen, Seen und Überflutungsgebieten ab. Die Meeresspiegels um bis zu zwei Meter vom mittleren Analysen von GRACE-Daten zeigen, wie sich die Varia- Meeresspiegel (䉴 Abb. 2.10). Diese Abweichungen wer- bilität der klimatischen Bedingungen, zum Beispiel von den Meerestopographie genannt und lassen sich aus der Niederschlag und Lufttemperatur, auf saisonale und Kombination von Messungen des Meeresspiegels und jährliche Variationen der Wasserspeicherung in großen des Erdschwerefeldes bestimmen. Die präzise Kenntnis Flusseinzugsgebieten weltweit auswirkt (䉴 Abb. 2.9). der Meerestopographie erlaubt Rückschlüsse auf die Berücksichtigt man weitere Beobachtungsdaten, so lässt Ozeanzirkulation und ihre Änderungen. Meeresströ- sich zudem die großräumige Dynamik von Wassertrans- mungen sind wichtige Akteure im Klimageschehen, port erfassen, zum Beispiel die Überflutungsdynamik in denn sie transportieren gigantische Mengen von Wärme Oberflächengewässern. Außerdem können großräumige und CO2. hydrologische Modelle überprüft und angepasst werden, Die mit GRACE erreichbare räumliche Auflösung der mit denen klimabedingte Änderungen des globalen und Erdoberfläche beträgt ungefähr 150 km. Eine Verdoppe- regionalen Wasserkreislaufs bestimmt werden sollen. lung der Messgenauigkeit des Schwerefeldes über den Ozeanen und der Meerestopographie wird der im März 2009 gestartete Satellit GOCE (Gravity Field and Steady- Die Meerestopographie State Ocean Circulation Explorer) bringen. Um die not- wendige hohe Präzision der Messdaten zu erreichen, fliegt GOCE auf einer für Satelliten extrem niedrigen Wir hatten gesehen: Die Geoid-Oberfläche, der „theore- Umlaufbahn von etwa 250 Kilometern. Aus der Kombi- tische“ mittlere Meeresspiegel, wird weder durch die nation von GOCE-Messungen mit Daten der von ande- Ozeangezeiten noch durch die Ozeanzirkulation beein- ren Satelliten gemessenen Meeresspiegelhöhe wird es flusst, sondern ist allein von der Massenverteilung im möglich sein, die Meerestopographie des gesamten Glo- Erdinneren und auf der Erdoberfläche abhängig. bus mit einer bisher unerreicht hohen räumlichen Auf- Tatsächlich aber bewegen sich in den Ozeanen große lösung zu vermessen. Strömungen. Angetrieben werden sie vor allem durch Winde, durch den Wärme- und Süßwasseraustausch mit der Atmosphäre infolge von Verdunstung und Niederschlag und durch den Wasserabfluss von den Die Überwachung des Meeresspiegels Kontinenten. Hinzu kommt: Je nach Temperatur und Salzgehalt hat Ozeanwasser unterschiedliche Dichten, Bevor Satelliten ins All gebracht werden konnten, waren die zum Ausgleich streben. Infolge der Erdrotation ver- Pegelstationen an den Küsten die einzige Möglichkeit,
02 The View into System Earth from Space 29 2.9 Changes in global continental water storage from spring to summer 2003 in mm water column. The largest seasonal fluctuations take place in the large tropi- cal river catchment areas (Amazon in South America, the Congo and Niger in Africa, the Ganges and Brahmaputra in India) and in the river catchment areas of Siberia (Ob, Lena, Yenisei). 2.9 Änderung der globalen kontinenta- len Wasserspeicherung vom Frühjahr zum Sommer 2003 in mm Wasser- säule. Die größten saisonalen Schwan- kungen finden in den großen tropi- schen Flusseinzugsgebieten (Amazonas in Südamerika, Kongo und Niger in Afrika, Ganges und Brahmaputra in Indien) und in den Flusseinzugsgebie- ten Sibiriens (Ob, Lena, Yenisei) statt. the temperature and salt content, ocean water has differ- to measure water levels. This is associated with inherent ent densities that try to balance out. As a result of the uncertainties because land masses are not static, but are Earth’s rotation, the large oceanic flow systems cause involved in tectonic action. Sea levels rise or sink not mountains and valleys in the sea level height, analogous only due to global variations of the sea level, but also for to atmospheric high- and low-pressure areas. These example due to land areas rising as a result of melting ice large ocean currents cause deviations in the sea level by masses at the end of the last ice age. Alternatively, they up to two metres from the mean sea level (䉴 Fig. 2.10). can be shifted horizontally and vertically by earth- The resulting marine topography can be determined by quakes. It is only since satellite measurements have been combining measurements of the sea level and the Earth’s available that we have had a reliable external scale for gravity field. Precise knowledge of the marine topogra- measuring the sea level. On the one hand, GPS measure- phy allows conclusions to be drawn about ocean circu- ments can be used to determine the height changes of lation and its changes. Ocean currents have a major the gauging stations themselves. On the other hand, impact on climate behaviour because they transport satellites use radar to scan the surface of the sea. They are gigantic quantities of heat and CO2. able to determine the precise distance of the satellite The spatial resolution of the Earth’s surface achiev- from the sea’s surface, and therefore the water level, and able with GRACE is roughly 150 km. The GOCE (Grav- are completely independent of the gauging stations. ity Field and Steady-State Ocean Circulation Explorer) The measured data from these radar satellites show satellite, launched in March 2009, will double the accu- regional differences in sea level changes. For example, racy of gravity field measurements above the oceans and during the past fifteen years, the sea level in the Central the marine topography. To obtain measured data with Pacific rose while in the Eastern Pacific it fell (䉴 Fig. the required high precision, GOCE is orbiting at an alti- 2.11). The main causes of this are changes in the sea’s tude of only around 250 kilometres, which is extremely density and in ocean circulation. Whether these are low for a satellite. By combining GOCE measurements recurring climate cycles in the ocean or long-term with sea level data measured by other satellites, it will be trends will not be known until measurements have been possible to survey the topography of the sea for the performed over the coming decades. On average, we are whole globe with previously unachieved high spatial res- already observing a global rise of around three millime- olution. tres per year. The rise not only results from thermal expansion of the sea due to global warming, but is also the consequence of changes in the global water balance, for example, due to melting of glaciers and ice sheets. Monitoring the sea level Melting of the glaciers of Greenland and the Antarc- tic are frequently named in this context. Indeed, long- Before we were able to send satellites into space, gauging term trends in the GRACE measurements show clear stations along the coasts were the only means available reductions in mass over the polar areas, which are
30 02 Der Blick aus dem All in das System Erde 2.10 Die Meerestopographie, hier als Differenz zwischen dem GRACE-Geoid und der geometrischen Meereshöhe. Deutlich erkennbar zeichnen sich Zirkumpolarstrom (1), Kuroshio-Strom (2), Nordatlantikstrom (3) und Golfstrom (4) ab. 2.10 The marine topography shown as the difference between the GRACE geoid and the geometric sea level. The Circumpolar Stream (1), Kuroshio Stream (2), North Atlantic Stream (3) and Gulf Stream (4) stand out quite clearly. den Wasserstand zu messen. Das musste zwangsläufig Dichte des Meeres und in der Ozeanzirkulation. Ob es Unsicherheiten in sich bergen, denn es ändert sich nicht sich dabei um wiederkehrende Klimazyklen im Ozean nur der Meeresspiegel, auch die Landmassen sind nicht oder um langfristige Trends handelt, werden erst Mes- statisch, sondern eingebunden in das tektonische Ge- sungen über die nächsten Jahrzehnte zeigen können. Im schehen. Küstenpegel heben oder senken sich, zum Bei- Mittel beobachten wir heute einen globalen Anstieg um spiel durch das Aufsteigen der Landflächen infolge des etwa drei Millimeter pro Jahr. Der Anstieg resultiert Abtauens der Eismassen am Ende der letzten Eisphase, nicht nur aus der thermischen Ausdehnung des Meeres oder werden durch Erdbeben horizontal und vertikal aufgrund gestiegener globaler Temperaturen, sondern verschoben. Erst seitdem Satellitenmessungen zur Ver- ist auch die Folge von Änderungen im globalen Wasser- fügung stehen, haben wir einen verlässlichen externen haushalt, etwa durch Abschmelzen von Gletschern und Maßstab zur Messung des Meeresspiegels. Zum einen Eisschilden. können mithilfe von GPS-Messungen die Höhenände- In diesem Zusammenhang wird häufig das Ab- rungen der Pegelstation selbst bestimmt werden. Zum schmelzen der Gletscher Grönlands und der Antarktis anderen tasten Satelliten mithilfe von Radar die Meeres- genannt. Tatsächlich zeigen langzeitliche Trends in den oberfläche ab und können damit den Abstand des Satel- GRACE-Messungen deutliche Massenabnahmen über liten von der Meeresoberfläche und somit den Wasser- den Polargebieten, die im Zusammenhang mit dem stand unabhängig von Pegeln präzise bestimmen. Rückgang kontinentaler Eismassen stehen. Verursacht Die Messungen dieser Radarsatelliten zeigen regional werden diese Trends durch ein Ungleichgewicht in der unterschiedliche Meeresspiegeländerungen. So stieg bei- Massenbilanz des Eises. Das Eis-Wachstum durch spielsweise in den letzten 15 Jahren der Meeresspiegel im Schneefall kann den beschleunigten Abtransport des Zentralpazifik, während er im Ostpazifik sank (䉴 Abb. Eises, etwa durch eine Zunahme des Schmelzwasserab- 2.11). Ursache hierfür sind vor allem Änderungen in der flusses oder eine Verringerung des Niederschlags, nicht
02 The View into System Earth from Space 31 2.11 Sea level changes from 1993 to 2010 on the basis of radar altimeter measurements of the JASON-1 and TOPEX satellites. Sea level rises and falls can be seen. The global average gives a mean sea level rise of around three millimetres per year. 2.11 Meeresspiegeländerungen von 1993 bis 2010 auf Basis der Radar- Höhenmessungen der Satelliten JASON-1 und TOPEX. Es zeigen sich Meeresspiegelanstiege und -abstiege. Im globalen Mittel ergibt sich ein mitt- lerer Meeresspiegelanstieg von etwa drei Millimetern pro Jahr. related to the receding continental ice masses. These trends are caused by inconsistencies in the mass balance GPS for measuring tectonics of the ice. Ice growth through snowfall is unable to com- pensate the accelerated removal of the ice, for instance As we have already seen, measurements of the Earth’s due to an increase in meltwater flow, or a reduction in gravity field can provide astonishing information on the precipitation. The mass balance produced by GRACE structure and movement processes within System Earth. can be used to quantify the contributions of the Green- There are a number of other satellite-based methods for land and Antarctic ice sheets to the global change in sea observing the Earth. The most well-known is without levels. Accordingly, in the period between 2002 and doubt the satellite navigation system GPS (Global Posi- 2009, Greenland contributed around 0.5 mm per year, tioning System), which was originally developed for mil- and the Antarctic Peninsular and the Western Antarctic itary purposes, but now provides also decisive advances contributed a further 0.3 mm per year, to the global sea for the study of the plate tectonics. Indeed, legend has it level change of around 3 mm per year that has occurred that it was geodesists who were able to overcome the between 1993 and 2007. In addition, thanks to the con- military caused constraint in the GPS accuracy by using tinuous time series, the GRACE data confirmed acceler- classical methods of geodesy and dexterously combining ated ice shrinkage – an observation which is primarily of the measurements of different GPS antennas on ground. interest for our understanding of ice dynamics under Thus, the accuracy of the calculated positions of these the prevailing climate conditions. antennas could be enhanced considerably. Today this As noted above, when the overlying ice load is method, now known as Differential GPS, is the basis for reduced, rock material flows in the upper mantle and the the use of the GPS-system in the field of modern land rises. In the measured gravity field of the Earth, this geodesy. so-called glacial-isostatic adjustment (also known as Here, the original task of GPS has been completely post-glacial rebound) is superimposed on the ice-in- reversed: the system was originally intended to deter- duced change in the Earth’s gravity field. Using compli- mine the position and the velocity of missiles at high cated simulations with mathematical models and recon- speeds. In contrast, the geosciences study the movement struction of ice sheet changes over the past 120 000 of the continents and this involves very slow speeds, years, scientists are attempting to track this interplay namely several millimetres or centimetres per year. This (䉴 Fig. 2.13). This clearly shows that additional infor- is roughly the speed at which finger nails or hair grow. mation about the condition of the climate system in the Measuring such slow movements on a global scale by past is necessary to be able to interpret present day GPS requires far more effort. observation data. GPS is based on the measurement of a distance, which itself is derived from highly precise measurement of time. The travel time of a signal between a satellite and a receiver, multiplied by the speed of light equals the distance. If the clocks aboard the GPS-satellite or at the
32 02 Der Blick aus dem All in das System Erde 2.12 Eisberge am Ilulissat-Eisfjord an der Westküste Grönlands (August 2009). 2.12 Icebergs at the Ilulissat Icefjord on the west coast of Greenland (August 2009). ausgleichen. So lassen sich über die von GRACE erstellte rend der letzten 120 000 Jahre versucht man diesem Massenbilanz die Beiträge der grönländischen und Wechselspiel auf die Spur zu kommen (䉴 Abb. 2.13). antarktischen Eisschilde sowie der Gletschergebiete in Dies verdeutlicht, dass für die Interpretation heutiger Alaska und Patagonien zur globalen Meeresspiegelände- Beobachtungsdaten zusätzliche Informationen über den rung quantifizieren: Grönland trug demnach im Zeit- Zustand des Klimasystems in der Vergangenheit nötig raum 2002 bis 2009 etwa 0,5 mm pro Jahr, die antarkti- sind. sche Halbinsel und die West-Antarktis weitere 0,3 mm pro Jahr zur globalen Meeresspiegeländerung von et- wa 3 mm pro Jahr zwischen 1993 und 2007 bei. Außer- GPS zur Messung der Tektonik dem konnte für einige Regionen Grönlands dank der kontinuierlichen Zeitreihe der GRACE-Daten ein be- schleunigter Eisrückgang belegt werden – eine Beobach- Wie wir gesehen haben, können Messungen des Erd- tung, die vor allem für das Verständnis der Eisdynamik schwerefeldes erstaunliche Aussagen zum Aufbau und unter den vorherrschenden Klimabedingungen von In- zu Bewegungsprozessen im System Erde liefern. Aber es teresse ist. gibt auch noch andere satellitengestützte Verfahren zur Wie oben angemerkt wurde, setzt bei verminderter Erdbeobachtung. Das bekannteste ist ohne Zweifel das Eis-Auflast ein Nachfließen von Gesteinsmaterial im Satellitennavigationssystem GPS (Global Positioning oberen Erdmantel ein. Im gemessenen Erdschwerefeld System). Die Anwendung des ursprünglich militäri- überlagert sich diese sogenannte glazial-isostatische schen Navigationsverfahrens brachte in der Untersu- Anpassung mit der eisbedingten Veränderung des Erd- chung der Plattentektonik entscheidende Fortschritte. schwerefeldes. Mit komplizierten Modellrechnungen In der Tat gibt es die Legende, dass es zuerst Geodäten und der Rekonstruktion der Eisschildentwicklung wäh- waren, die mit klassischen Methoden der Erdver-
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