DER BORE-OUT - The Early Editors Club
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DER BORE-OUT MANAGEMENT Industrie und Börse freuen sich auf den Aufschwung nach dem Corona-Tief. Aber der Personalabbau geht weiter. Vor allem bei den Führungskräften wird mit teils rüden Methoden ausgesiebt: ein Report über War-Rooms und Hausbesetzer. Foto [M]: Jamie Chung / Trunk Archive J U N I 2 0 2 1 manager magazin 95
TRENDS MANAGEMENT keinen Platz mehr findet und ACH WÄR einen Rekordgewinn aus; auch bei nicht freiwillig ein Abschieds- I CH D O CH ... der Trucksparte sind die Auftrags- Index für den paket annimmt, wird häufig in Bedarf an Fach- bücher voll wie seit mehr als zehn ebenjenes Jobforum versetzt. kräften, Stand Jahren nicht. Andererseits wird ri- Oder, etwas nobler, in den Bereich 2015 = 100 goros umgeschichtet und gekürzt. „Project & Expertise“. Dort, so die Bauingenieur Es herrscht eine merkwürdige Theorie, darf man sich für Projek- IT-Entwickler Stimmung in der deutschen In- Entwicklungs- te anbieten. Sich vielleicht weiter- ingenieur Auto dustrie, nicht nur bei Daimler. Die qualifizieren. Sich bewerben für Corona-Krise scheint in vielen neue Aufgaben im Konzern, dort 300 Branchen überstanden. Die Bör- vorrangig behandelt werden. 273 sen erreichen Höchststände, das In der Praxis heißt das: Man 250 Wirtschaftsinstitut Ifo erwartet langweilt sich. Vom Bore-out für 2021 ein Wachstum von 3,7 sprechen sie im Unternehmen, Prozent. Konzerne wie Siemens, 200 194 zermürbend wie ein Burn-out. Volkswagen oder Bosch sind glän- „Das Jobforum ist eine Art virtu- zend ins Jahr gestartet. elles Büro“, sagt Stefan Nägele 150 Doch die Sparprogramme lau- (65), seit mehr als einem Jahr- fen weiter. Corona war für viele zehnt Lieblingsanwalt in Ungna- 100 Vorstände nur der Katalysator, de gefallener Daimler-Manager. endlich so zu managen, wie sie es „Da gibt es schon etwas zu tun, schon lange wollten; teils auch ein 50 meist Projektarbeit.“ Viel ist es 42 Vorwand, um geringere Abfindun- nicht. Viel soll es auch nicht sein. gen zu zahlen. Es dient offenbar eher als ein 0 Der raue Umgang auch mit der Instrument, um Mitarbeiterinnen höheren Belegschaft offenbart, Q1/ 19 Q1/ 21 Natürlich träume er manchmal: und Mitarbeiter am Ende mög- was das so positiv besetzte und „Mensch, könnte ich die Tausend lichst kostengünstig loszuwerden. Quelle: Hays politisch gerade im Wahljahr for- einfach rausschmeißen!“ Jürgen Ohne die alte Aufgabe, das Büro Fachkräfte-Index cierte Schlagwort der Transfor- Q1/ 2021 Hartwig (53), Personalvorstand und die Aussicht auf eine indivi- Grafik: mm mation oft ganz konkret bedeutet. der Daimler Truck AG, ließ sich duelle Bezahlung sinkt die Lust. In den Unternehmen fordert der kurz gehen, als er am 2. Dezember Dann nehme ein deutlich höherer beschleunigte Umbau zu einer 2020 vor rund 400 Führungskräf- Anteil der Beschäftigten Abfin- grünen und smarten Volkswirt- ten zum Stand seines Leistungs- dungsangebote an, erklärte Hart- ABFLUG schaft Opfer. Bis 2025, rechnet Tui-Boss nachweises referierte. Tausend wig den Führungskräften. Wenn und Fastpleitier das Ifo-Institut in einer neuen Stellen musste er noch streichen, die Menschen nicht aus ihren Pro- Friedrich Studie vor, fallen wegen der Elek- 300 Millionen Euro sparen allein zessen genommen würden, gehe Joussen ent- trowende mehr als 178.000 Jobs im Jahr 2021, um die Ziele des Er- alles weiter wie bislang. lässt ein Drittel allein in der Automobilindustrie der Tuifly- gebnisprogramms „Stream 2“ bis Daimler erklärt zu Hartwigs Piloten. Die weg, bis 2030 werden es 215.000 Ende 2022 zu erreichen. Auftritt knapp, „Äußerungen aus Abfindungen sein. Der Prozess werde das ge- Hartwig, so berichten Teilneh- einer internen Veranstaltung, die sind oft mager. samte Jahrzehnt prägen. mer der Sitzung, habe sich gleich digital stattgefunden hat, können Der Zulieferer Conti sieht, bemüht, seinen Traum wieder wir nicht bestätigen“. Bestritten man formuliert es hübsch positiv, einzufangen. Das mit dem Raus- werden sie aber auch nicht. bis 2029 rund 30.000 Mitarbeiter werfen sei ja rechtlich nicht mög- von der Transformation betrof- lich; er sei auch nicht sicher, ob es Opfer des grünen Wandels fen. Beim Truckhersteller MAN zur Daimler-Kultur passe. Runden wie die Anfang Dezember sollen bis zu 6000 Beschäftigte Um überzählige Kollegen, eini- prägen derzeit das Bild beim gehen, bei Airbus rund 15.000. Die ge Zuhörende fühlten sich ange- vielleicht renommiertesten Commerzbank plant mit 10.000 sprochen, loszuwerden, skizzierte deutschen Autohersteller. Stellen weniger; bei der Deut- der Personalchef andere Wege: Einerseits läuft es grandios schen Telekom wird der nächste Foto [M]: Chris Ratcliffe / Bloomberg Sie könnten etwa intern verscho- bei Daimler. Mit einem star- Abbau gerade vorbereitet. ben werden, ins Jobforum. ken vierten Quartal 2020 Bei Daimler sollten rund An vielen Stellen des Auto- rettete sich der Konzern zu 30.000 Arbeitsplätze wegfal- konzerns (Umsatz: 154 Milliarden einem soliden Abschluss len, hieß es Mitte 2020. Die Euro, rund 288.000 Beschäftigte) des Corona-Jahres. Für das Zahlen stammten nicht von werden gerade die Führungs- erste Quartal 2021 wies Finanz- ihm, sagte Konzernchef Ola strukturen neu aufgesetzt. Wer vorstand Harald Wilhelm (55) Källenius (51) zwar im Inter- 96 manager magazin J U N I 2 0 2 1
MANAGEMENT TRENDS view (siehe manager magazin 11/2020). Er schließt Werke, baut UNBEQUEME aber vor allem außerhalb der KONSEQUENZ Sein Vorgänger Produktion und auch bei den Dieter Zetsche Führungskräften ab. Gut 16.000 wunderte sich Beschäftigte weniger als vor an- regelmäßig, derthalb Jahren sind es bereits. dass die Zahl der Beschäftig- Und die Chefsparer Wilhelm und ten bei Daimler Källenius beschworen das Ma- zügig stieg. nagement Ende April erneut, Konzernchef beim Kostensenken keinesfalls Ola Källenius regiert weniger lockerzulassen. barmherzig. So beließen es Trucker Hart- wig und der im Konzern fürs Per- sonal verantwortliche Vorstand Wilfried Porth (62) denn auch nicht beim Träumen. Sie rollten das Jobforum aus. Hunderte Beschäftigte arbeiteten in der virtuellen Division aktuell, sagen Betriebsräte, einige Tau- send hätten das System durchlau- fen. Hoch bis zum Abteilungslei- ter, Daimler-Hierarchieebene E3, reicht die Schar der zur Langewei- le Verdammten. Die Methode wir- ke, sagt ein Finanzer, der seinem Chef Wilhelm durchaus wohlge- sonnen ist. Viele ließen sich ent- mutigen und wählten die, Turbo- zuschlag inklusive, oft rund eine der einzelne Mitarbeiter nichts. der Sparbemühungen bei T-Sys- halbe Million Euro Abfindung. HARTER „Man lässt die Leute am langen tems und zur Finanzierung des Wenn Stellen im Konzern be- ABSCHIED Arm verhungern“, sagt der Berli- Glasfaserausbaus („Save for Fi- Daimler-Perso- setzt werden, haben die Leute aus nalvorstand ner Jurist Christoph Abeln (58), ber“) ist bereits der nächste Job- dem Jobforum zwar theoretisch Wilfried Porth „das gehört heute zum Standard- abbau in Arbeit. Vorrang. Doch, daran ließ auch wird sich im programm.“ Selbst ein eher dürf- Für Personalvorständin Birgit Vorstand Hartwig keinen Zweifel, Frühjahr 2022 tiges Abfindungspaket erscheint Bohle (47) ist die TPS, so ihr offi- verabschieden. es gibt den notwendigen Über- Vorher streicht dann als Erlösung. zielles Credo, ein „wichtiges In- hang an freien Jobs schlicht nicht. er noch einmal strument unseres sozialverträg- So drückt nicht allein der Stel- ordentlich Das „Beamten-Guantanamo“ lichen Personalumbaus“. Intern lenabbau die Stimmung im Ma- Stellen. So erleben es auch Mitarbeiter lösen die drei Buchstaben indes nagement. Den Umbau verstehen und Führungskräfte der Telekom, eher Angst aus. Vor allem Füh- viele. Es ist der Stil: „menschen- die als einstiger Staatskonzern rungskräfte fürchten sich vor verachtend“, sagt einer. so etwas wie der Transforma- einer Versetzung. Daimler ist kein Ausbeuter- tionsprofi im Dax ist. Dort hat Angestoßen hatte die Sache unternehmen, genauso wenig wie der Vorstand vor fast 20 Jahren 2003 der damalige Vorstandsvor- die Telekom oder die meisten an- eine Urform des Jobforums in- sitzende Kai-Uwe Ricke (59). Die Fotos: Julian Baumann für manager magazin, [M] PR deren Konzerne, bei denen Ähn- stalliert: Vivento, heute die Te- Telekom schob nach der Privati- liches passiert. Sie verschreiben lekom Placement Services (TPS), sierung einen immensen Perso- sich modernen Managementphi- auch bekannt als „Beamten- nalüberhang vor sich her. Das losophien, bezahlen ordentlich. Guantanamo“. Subunternehmen Vivento (intern: „Bei Daimler steht eines ganz klar In diese Einheit schickt Tele- „Wie wenn tot“) sollte jene auf- im Fokus: der Mensch“, lautet das kom-Vormann Timotheus Hött- fangen, die „bewegt“ (Ricke) wer- Leitbild auf der Konzernwebsite. ges (58) die Mitarbeiter, die er den müssten. Vor allem unkündba- Umso verstörender ist es, wenn wahrscheinlich lieber entlassen re Beamte wurden „identifiziert“, der letzte Prozentpunkt Rendite würde, aktuell sind dort mehr als verschoben und später Behörden plötzlich wieder alles zählt – und 1000 angestellt. Und im Rahmen wie dem Zoll angedient. 2 J U N I 2 0 2 1 manager magazin 97
TRENDS MANAGEMENT Mehr als 54.000 Menschen hat der angespannt, dass die Vorstände zu rü- AUF DER ABSCHUSSLISTE Konzern inzwischen durch das System den Maßnahmen greifen. Zusätzlich zu Wie Konzerne einstige geschleust. Im Laufe der Jahre ver- den üblichen konjunkturellen Schwan- Leistungsträger behandeln. schärften Vorstände immer wieder mal kungen, die immer wieder zu Entlas- die Methoden. Schwer vermittelbare, sungswellen geführt haben, stehen in- VERSETZEN & FRUSTRIEREN aber gut bezahlte Führungskräfte seien zwischen ganze Geschäftsteile infrage. Oft beginnt es ganz subtil: Die Ein- teils systematisch drangsaliert, ihre Na- Digitalisierung und grüne Transforma- ladung zum Meeting wird vergessen, men an Tafeln gepinnt worden, erinnert tion zwingen fast alle Branchen zu dras- oder der Name fehlt auf dem sich eine damalige Führungskraft. „Das tischen Einschnitten. Hierarchiebaum. Sukzessive wird sah aus wie die Abschussliste in einem Wie der Bedarf an einzelnen Fähig- dann der Druck erhöht. Langjährige War-Room.“ keiten sich verschoben hat, zeigt der Führungskräfte mögen es weniger als Zuletzt traf es immer wieder auch Fachkräfteindex der Personalberatung andere, wenn ihre Entscheidungen Topkräfte aus höheren Besoldungsgrup- Hays (siehe Grafik Seite 96). Für Auto- keine Relevanz mehr haben. Also pen. „Wir haben Powerpoint-Folien er- mobilentwickler zum Beispiel ist der nimmt man ihnen Team und Budget, arbeitet; unser Chef hat sie weggewor- Wert seit dem ersten Quartal 2015 von manchmal das Büro mit Fenster. fen“, sagt einer. Selbst Hochqualifizierte 100 auf aktuell 42 eingebrochen; für An- Nicht selten werden sie mit Projekten müssten sinnlose Projekte begleiten oder triebsspezialisten liegt er gar bei nur betraut, für die sich niemand im Akkord Bewerbungen verfassen. noch 32. Fast verzweifelt gesucht wür- interessiert. Vor Gericht lässt sich „Das ist reine Beschäftigungstherapie.“ den dagegen Experten für Elektromo- so eine angemessene Beschäftigung In einem Brief an Justizministerin delle, sagt Hays-Berater Alexander Hei- vorgaukeln. Christine Lambrecht (55; SPD) schilder- se (41). Auch Bauingenieure (Indexwert ten Betroffene vor gut einem Jahr ihren 273), Datenbankentwickler (277) oder AUSHORCHEN & ABMAHNEN Alltag: Sogenannte Mentoren „begleiten IT-Sicherheitsexperten (397) könnten Vermeintliche Complianceverstöße, und überwachen uns von morgens bis sich die Jobs fast aussuchen. berichten Arbeitsrechtler, seien ein abends“ und „beleidigen uns als wertlos, Beim Autokonzern Volkswagen lädt beliebtes Mittel, um renitente alt, unfähig und überflüssig“. die Personalabteilung gerade serienwei- Führungskräfte günstig loszuwerden. Die TPS habe nur einen Zweck, sagt se zum Speeddating mit Softwareexper- Vor allem in der durchregulierten ein Betriebsrat: die Beschäftigten in den tinnen und -experten. Altgediente Mo- Finanzindustrie reicht teils eine vage Vorruhestand zu drängen. Schikanen torenprofis, oft mit 20 Jahren und mehr Anschuldigung, um jemanden zu und Demütigungen seien die Regel. Joberfahrung, müssen sich dort jungen verunsichern. E-Mails und Akten Die Telekom bezeichnet die Vorwür- Programmierern zur Umschulung an- werden ausgewertet, oder es meldet fe als „haltlos“. Sie seien „nie belegt“ dienen; da kann das Benzin im Blut sich ein angeblicher Whistleblower. worden. schon mal gefrieren. Selbst wenn Unternehmen damit Neben den fehlenden Qualifikatio- vor Gericht selten durchkommen: Speeddating mit Softwareexperten nen ist es oft, als zusätzlicher Malus, Das Abfindungspaket lässt Einen Ausweg erhoffen sich Betroffene das Alter, das den Beschäftigten zum sich in der Regel erheblich herunter- oft vor Gericht. Michael Rot (57; Name Verhängnis wird. Der größte Teil der handeln. geändert), früher Geschäftsführer und Beschäftigten in Daimlers Jobforum sei Finanzchef von Telekom-Tochtergesell- über 50, schätzt ein Betriebsrat; das TÄUSCHEN & TRICKSEN schaften, kämpfte bis zur zweiten In- Unternehmen nennt dazu keine Zahlen. Bei den Paketen, die einen Abschied stanz gegen seine Versetzung zur TPS. Bei der Telekom läuft es ähnlich. versüßen oder beschleunigen sollen, Am Ende einigten sich beide Seiten auf Es treffe meistens Arbeitnehmer zwi- wird heute häufiger getrickst als eine Abfindung. Rot hätte am liebsten schen Mitte 50 und Anfang 60; daran ha- früher. Anwälte raten, sehr genau „einfach weitergearbeitet“. Heute fährt be sich wenig geändert, sagt der Frank- hinzusehen und das Kleingedruckte er Menschen zum Arzt. Tausend Sozial- furter Arbeitsrechtler Peter Krebühl zu lesen. US-Konzerne streichen stunden muss er bis zum endgültigen (45). Sie brächten nicht mehr die Kon- deutschen Managerinnen und Eintritt in den Ruhestand abarbeiten; formität mit, begeisterten sich nicht so Managern etwa gern die Aktien- so sieht es das Modell des „engagierten“ wie die Jüngeren. Seine Schlussfolge- optionen, wenn sie die lokale Toch- Vorruhestands vor, das er akzeptierte. rung: „Das Narrativ des ewigen Lernens, tergesellschaft verlassen. Eine große So treibt er immerhin nicht in jenem Weiterqualifizierens und Fithaltens für Versicherung rechnete forsch das Bermudadreieck aus Leerlauf, Projekten den Job – es gilt nicht.“ Arbeitslosengeld in ihr Paket mit ein, und befristeten Abordnungen, das die Die Methoden sind vielerorts mitt- andere drücken sich um fest ver- Telekom mit der TPS geschaffen hat. lerweile aggressiver. Der klassische Auf- einbarte Boni. Als Daumenregel Nur im Traum können die Personal- hebungsvertrag – in den 90er Jahren gilt: Ein guter Deal sollte mindestens manager ihre Leute einfach rauswerfen. noch der Standard – „ist aus unserer Ar- zwei Jahresgehälter ersetzen. Das deutsche Recht setzt enge Grenzen. beit fast komplett verschwunden“, be- Doch die Lage ist trotz des Booms so richtet der Hamburger Arbeitsrechtler 98 manager magazin J U N I 2 0 2 1
MANAGEMENT TRENDS Jan Ruge (56). Stattdessen wird schiedspakete üblich gewesen, immer wieder psychologisch sagen andere Arbeitsrechtler. Druck aufgebaut. Zwei Monatsgehälter je Beschäf- Wie Führungskräfte mit den tigungsjahr seien keine Selten- nicht mehr erwünschten Kollegen heit gewesen, sagt Anwalt Ruge. umzugehen haben, ist in oft aus- Heute müssten Betroffene in der führlichen Anleitungen geregelt. Regel vor Gericht ziehen, „wenn Fragt etwa ein Teammitglied bei sie den Faktor 1,0 überschreiten Daimler im Personalgespräch: wollen“. „Ist das eine Kündigung?“, so soll- Zum Kalkül der neuen Härte ten Vorgesetzte laut internen Do- gehört, dass das nur eine Minder- kumenten vom vergangenen Jahr heit wagt – und nur die wenigsten mit Nein antworten, um recht- halten durch, wenn sich ihre Ver- liche Probleme zu vermeiden. fahren über Jahre hinziehen. „Aber Sie haben richtig verstan- „Die soziale Ächtung ist am den, wir wollen das Arbeitsver- schlimmsten“, sagt ein ehemali- hältnis mit Ihnen beenden“; und ger Topmanager eines Hambur- „die Entscheidung ist definitiv“. ger Konzerns (55), der nach dem plötzlichen Aus klagte. Von sei- Kündigung ohne Vorwarnung nem Team konnte er sich zuvor Ähnliche Papiere gibt es fast über- nicht verabschieden. Und auch all; diese Art Gespräch führt so nach außen, vor Freunden und gut wie niemand gern. Bei BMW Abfindungen: 0,7 Monatsgehälter Nachbarn, „lässt sich das Schei- haben sie Führungskräften einmal ALTLASTEN pro Beschäftigungsjahr plus den tern nicht verbergen“. Für die Deut- vorgerechnet, was es kostet, einen sche Telekom Teil der Übergangsversorgung, Der Stuttgarter Arbeitsrechtler 50-Jährigen mit durchschnittli- arbeiten nach den die Airline schon angespart Nägele bekommt zwar fast täglich chem Gehalt durchzuschleppen, wie vor Tau- hatte. Bei Radke wird das nicht Anfragen von Daimler-Managern. sende Beamte. statt sich von ihm zu trennen: Auch unter reichen, um bis zur Rente durch- Aber zu Klagen rät er meist nur, rund zwei Millionen Euro. Timotheus zukommen. Dabei pries Tui noch wenn es um höhere Abfindungen Auch die Münchener haben Höttges sähe bis vor Kurzem die Sozialpartner- geht und darum, sich genug für 2020 mehr als 5000 Stellen gestri- der Konzern schaft als „Schlüssel für zukunfts- die Rente mit 67 zu erkämpfen. viele davon chen, dabei auch im Management gern im fähige Unternehmen“. Das war al- Eine andere Aufgabe erstreiten? gesiebt. Doch es blieb ruhig. Chef Ruhestand. lerdings, bevor das Unternehmen „Ist nicht immer sinnvoll. Die Oliver Zipse (57) zahle besser als Milliarden an Staatsgeld brauchte, psychische Last ist hoch und ein Kollege Källenius, erzählen die um die Pleite zu vermeiden. gewonnener Prozess kein Garant Daimler-Kollegen neidisch. Andere zahlen ein wenig mehr. für ein zukünftiges vertrauensvol- Insgesamt geizen die Konzer- Commerzbank-Chef Manfred les Miteinander.“ ne allerdings bei den Abfindun- Knof (55) wolle 30 bis 50 Prozent Wie man Druck erzeugt, wis- gen. Bei der Fluglinie Tuifly etwa der Managementstellen strei- sen die Chefs. Bei der Zusammen- Fotos: Julia Sellmann für manager magazin, [M] Stephan Rumpf / SZ Photo / picture alliance werden gerade erfahrene Flugka- chen, heißt es an der Bankspitze. kunft im Dezember hatte Daim- pitäne wie Peter Radke (56; Name Dafür werde er wohl 1,2 Monats- lers Truck-Personalchef Hartwig geändert) betriebsbedingt gekün- gehälter pro Jahr bei der Bank ge- seine versammelten Führungs- digt. Zunächst hatte er via E-Mail DOWN AND nehmigen, sagen Vertraute. Über kräfte gebeten, doch bitte kon- erfahren, dass seine Punktzahl in OUT die „Reise nach Jerusalem“ stöh- krete Namen für das Jobforum der Sozialauswahl vergleichswei- Personalvor- nen Führungskräfte. vorzuschlagen. Sollten die Ausge- se niedrig ausfällt. Die Kündigung ständin Birgit Die Banken wollten vermei- wählten keine andere Aufgabe fin- lag dann im April einfach im Brief- Bohle versetzt den, dass ihre ohnehin erschütter- den und auch in ihrer neuen Rolle kasten; ein Gespräch war offenbar Telekom-Mitar- te Reputation jetzt durch eine Se- kein Abfindungsangebot anneh- beiter zur Auf- nicht vorgesehen. fanggesellschaft rie von Arbeitsgerichtsprozessen men, solle zum Gespräch geladen Radke hat vor 26 Jahren bei der TPS. Gerade und womöglich auch noch Mob- werden: zum „Monthly Talk“. Vorgängergesellschaft Hapag- Führungskräfte bingvorwürfe weiter leide, sagt Alle, prognostizierte Hartwig, Lloyd angefangen. „Da ging es noch empfinden ein auf Finanzkunden speziali- werde man wohl nicht überzeu- das oft als familiär zu“, sagt er. „Es gab dieses demütigend. sierter Frankfurter Anwalt. Der gen können: Die Mitarbeiter be- Gefühl: Wir waren Hapag-Lloyd.“ Multiplikationsfaktor gehe daher kämen weiter Gehalt, einige blie- Tuifly-Chef Oliver Lackmann zum Teil schon auf 1,5. ben sicher; wie „Hausbesetzer“. (52) und Tui-Oberboss Friedrich Das klingt gut. Doch noch vor 1 Philipp Alvares de Souza Soares/ Joussen (58) bieten nur magere zehn Jahren seien solche Ab- Michael Freitag J U N I 2 0 2 1 manager magazin 99
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