DER BRANDSCHUTZ IN BOCKENHEIM - AusgabeNr.30 Dezember2018 - Feuerwehr Frankfurt am Main
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Informationsschrift des Feuerwehrgeschichts- und Museumsvereins Frankfurt am Main e.V. DER BRANDSCHUTZ IN BOCKENHEIM Ausgabe Nr. 30 Dezember 2018
Inhalt der dreißigsten Ausgabe Seite Inhalt / Impressum…………………………………………………………………………..………........................................ 2 Grußwort zum Tag der Geschichte von Prof. Dr. Roland Kaehlbrandt…………………………………………… 3 Die Großstadt brauchte sie nicht mehr: Freiwillige Feuerwehr Bockenheim…………………………………….. 4 Die Berufsfeuerwehr übernimmt: Feuerwache 4…………………………………………………………………….. 13 Höchst erstaunliche Geschichte: Einspruch gegen tendenziöse Geschichtsschreibung……………………….. 24 Jahreshauptversammlung des Feuerwehrgeschichts- und Museumsvereins……………………………………. 27 Vermischtes……………………………………………………………………………………………………………… 28 Impressum Museums-Depesche ist die kostenlose Informationsschrift des Feuerwehrgeschichts- und Museumsvereins Frankfurt am Main e.V. Florianweg 13 60388 Frankfurt am Main Tel. 069 / 212 – 76 11 12 Fax 068 / 212 – 76 11 19 Mail: museum@fgmv.org Web www.fgmv.org und erscheint in loser Reihenfolge. Vertrieb per Mailverteiler, in gedruckter Form und Internet. V.i.S.d.P.: Ralf Keine, Maintal Zum Gelingen dieser Ausgabe haben mit Fotos und Hinweisen beigetragen: Prof. Dr. Roland Kaehlbrandt, Mathias Schmidt, Achim Müller, Bernd Klaedtke, Sybille Creutz, Mathias Steul, Ralf Keine, Bildstelle der Feuerwehr Frankfurt, u.a. Für fundierte Gastbeiträge von Kollegen und Kameraden (nicht nur Vereinsmitgliedern!) sind wir stets dankbar Zum Titelbild: Die Freiwillige Feuerwehr Bockenheim im Jahr 1914, dem Jahr, in dem sie eigentlich aufgelöst werden sollte. Die zeitgenös- sische Fotomontage zeigt die Freiwillige Feuerwehr vor der neuen Feuerwache 4 der Berufsfeuerwehr, die vor dem Geräte- haus der Freiwilligen (im Hintergrund) errichtet wurde. Hinweis Bei Zitaten aus historischen Texten wird die jeweils zur Zeit der Textentstehung geltende Rechtschreibung verwendet. -2-
Zum Verständnis von Geschichte Ein Grußwort zum Tag der Geschichte von Professor Dr. Roland Kaehlbrandt, Stiftungsvorstand Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main Wir müssen nicht nur gut rechnen können. Es Moment leben wir nach meinem Geschmack reicht ja nicht zu sagen, fünf und fünf ist so manchmal etwas zu sehr nach vorn. Ein Blick in ungefähr neun, oder zwischen neun und zehn. den Rückspiegel soll ja beim Fahren auch Dass wir korrekt schreiben können müssen, ist sinnvoll sein. schon weniger selbstverständlich. Viele Zeit- Wenn ich aber unsere eigenen Erfahrungen in genossen nehmen es damit nicht genau. Die der Stiftung dagegenhalte, dann muss ich Folgen einer solchen Einstellung können wir in sagen: Mir scheint im Gegenteil, dass Ge- Bildungsstudien nachlesen. Ich meine, wir schichte wieder ernster genommen wird, wieder müssen nicht nur gut rechnen und richtig für wichtiger gehalten wird. Davon zeugt auch schreiben können. Sondern wir müssen auch das Interesse, auf das wir mit dem Projekt STH unsere Geschichte kennen! stoßen. Davon zeugen aber vor allem die Gewiss, wir müssen natürlich in Stadtteil-Historiker. Sie bringen der Gegenwart leben, und wir Vergessenes und Übersehenes müssen uns damit befassen, was ans Tageslicht. Sie suchen so voraussichtlich vor uns liegt, was lange nach dem scheinbar wir dafür brauchen, wie wir uns Verschwundenen, bis sie es ge- darauf vorbereiten müssen. Aber funden haben. Und sie geben ist es vor lauter Gegenwarts- ihm wieder eine Gegenwart ge- bezug und Zukunftsnervosität ben, und zwar nicht abstrakt, etwa überflüssig, sich damit zu theoretisch, sondern konkret, beschäftigen, wie wir wurden, anschaulich, fassbar. Sie ma- was wir sind? Oder wir unsere chen uns auf verständliche Wei- Vorfahren gelebt, gelitten, gerun- se bewusst, dass jeder Quadrat- gen haben? Empathie ist das meter unserer Stadt Geschicht- Modewort der Zeit: Mitfühlen zu liches birgt. Und nicht nur dann, deutsch. Geschichtsvergessen- wenn sich die große Weltge- heit ist auch ein Mangel an schichte in lokaler Geschichte Anerkennung für das, was vor bricht, sondern auch dann, wenn uns war. Es ist ein Mangel an es um Lebensgeschichten und Respekt vor denen, die vor uns um Lebenswerke geht, Lebens- gelebt haben. Nicht gerade sehr werke, die in den Projekten der empathisch! Stadtteil-Historikern gewürdigt werden, und Wenn man die aktuellen Bildungsstudien zu „Würde“ ist hier wörtlich zu nehmen. den Geschichtskenntnissen heute liest, ist es Meine Damen und Herren! Geschichtsbewusst- schon ernüchternd. Zusammengefasst: „Schü- sein ist das Bewusstsein, dass die Dinge nicht ler wissen immer weniger über Geschichte.“ einfach sind, wie sie sind, dass sie nicht von (BR, 7.12.2016). Das ist schade, zumal immer- selbst kommen und sich nicht von selbst hin 55 Prozent der Schüler Interesse am Fach verstehen; sondern dass sie gemacht wurden, Geschichte äußern (forsa-Umfrage 2017, S.4). dass sie gestaltet wurden. Sich der Geschicht- Beklagt wird insbesondere ein „Häppchen- lichkeit bewusst zu werden war eine große Wissen“, aus dem kein historisch zusammen- geistige Errungenschaft. Denn sie bedeutete hängendes Wissen entstehen kann (FAZ, zugleich, dass die Dinge veränderbar sind, dass 31.10.2018, S.12). „Unsere Geschichte als der Gang der Geschichte zu beeinflussen ist. konkret nachvollziehbarer historischer Prozess Und dies wiederum hieß, dass Zustände nicht wird kaum vermittelt“, so Eva Schlotheuber, einfach als unveränderlich hingenommen wer- Verband der Historikerinnen und Historiker den müssen; dass aber zum Verständnis der Deutschlands. Veränderbarkeit der Zustände auch die Kennt- Wenn ich das höre oder lese, frage ich mich: nis der Geschichte von Nutzen, ja unentbehr- Wie kann man sich eigentlich zurechtfinden, lich ist. wenn man über die Geschichte des Landes, in Diese Erkenntnis muss immer wieder neu dem man lebt, nur sehr wenig weiß? formuliert und weitergegeben werden. „Zukunft Wo finde ich dann meine Andockpunkte, meine braucht Herkunft“, hat der Philosoph Odo Ankerpunkte? Natürlich leben wir nicht nur in Marquard einmal gesagt. Wir freuen uns auf die der Vergangenheit. Wir leben nach vorn. Im Erkenntnisse! -3-
Die Großstadt brauchte sie nicht mehr: FREIWILLIGE FEUERWEHR BOCKENHEIM Bockenheim im Jahr 1850; Stahlstich von Umbach Ein kurzer Abriss zur Ortsgeschichte Zum 1. April 1895 schlossen die Städte Frankfurt und Bockenheim dann einen Eingemeindungsver- Die Geschichte des heutigen Frankfurter Stadtteils trag, durch den Bockenheim zu einem Frankfurter reicht bis in die Jungsteinzeit zurück, wie archäolo- Stadtteil wurde. gische Funde beweisen. Die älteste erhaltene Er- wähnung von Bockenheim findet sich in einer Schen- Früher Brandschutz im Dorf Bockenheim kungsurkunde zugunsten des Klosters Lorsch, die im Lorscher Codex überliefert ist und in die Zeit von Für die Bekämpfung von Bränden und zur Rettung 768 bis 778 datiert wird. Zunächst im königlichen von Sachwerten sind am Bockenheimer Rathaus Wildbann Dreieich gelegen, wurde das Dorf 1320 Leitern und Haken trocken unter einem Verschlag von König Ludwig IV. mit dem gesamten Bornhei- gelagert. Zum Einsatz bei Feuersgefahr schreibt die merberg an Ulrich II. von Hanau verpfändet. Bis Gemeindechronik: 1713 blieb es bei der Herrschaft und späteren Graf- schaft Hanau (von 1456 bis 1642: Grafschaft Hanau- „Der dazu nötige Apparat war nicht groß, denn die Münzenberg). Nach dem Tod des letzten Hanauer Häuser waren klein und niedrig und konnten mit Hilfe Grafen, Johann Reinhard III., fiel Bockenheim 1736 der Feuerhaken leicht umgerissen werden. Freilich zusammen mit der Grafschaft an die Landgrafschaft mußte das Feuer schnell bekämpft werden, um die Hessen-Kassel, ab 1803 „Kurfürstentum Hessen“, mit Stroh gedeckten Nachbarhäuser nicht in Gefahr das nach dem Krieg von 1866 zusammen mit zu bringen; dazu hatte man die Feuereimer nötig, die Frankfurt von Preußen annektiert wurde. 1819 erhob durch der Hände lange Kette von der Weede, dem Kurfürst Wilhelm I. von Hessen-Kassel Bockenheim Brandweiher, oder einem Brunnen her, flogen. Die zur Stadt, um Industrien in der Nachbarschaft des unter einem Verschlag beim Rathaus liegenden industriefeindlichen Frankfurt anzusiedeln. Tatsäch- Feuerleitern waren mehr für die Rettung der Vorräte lich ließen sich im Laufe des 19. Jahrhunderts Fabri- in größeren Gebäuden nötig.“ ken, beginnend mit einer »Chaisen«-Fabrik, dort nie- der, so chemische Werke und Maschinenfabriken; 1522 kauft man in Frankfurt in größerer Zahl eine der bekanntesten war die Reifert´sche Waggon- Ledereimer; 1606 verzeichnet die Ortschronik Aus- fabrik (mit eigener Feuerwehr). gaben, um „59 ledern Eimer zu flicken, ein neues Zeichen daran zu machen und zu schmieren“. -4-
1592 wird die „Hanauer Feuerordnung“ herausgege- Am 8. September 1763 wurde sie in Anwesenheit ben, die auch in Bockenheim Gültigkeit hat. Sie „Ihro Königl. Hoheit“ eingeweiht. Dies war Maria, die regelt auch den Einsatz von „Feuerläufern“, die bei Gemahlin Landgraf Friedrichs II., der auf Hanau ver- Feuersgefahr in benachbarte Orte laufen, um dort zichtet hatte, Tochter König Georgs II. von England Hilfe zu leisten; also eine Vorstufe des „Feuer-Land- und auch unsere Regentin vom Tode Wilhelms VIII. sturms“. Es ist erstaunlich, welche Wege die Feuer- (1760) bis zur ihres Sohnes (Wilhelm IX.) Volljäh- läufer zurücklegten; eine Aufstellung zeigt, wohin rigkeit im Jahre 1764. Man kann das Fest bis in alle sich die Bockenheimer Feuerläufer u.a. zur Hilfe- Einzelheiten aus der Rechnung verfolgen: leistung hinbegaben: 1596 Griesheim ; 1603 Praun- heim ; 1606 Hausen; 1607 Ginnheim ; 1608 Seck- „10 Mann bauen die Ehrenpfort (2 fl.), dem Gärtner bach, Sossenheim, Eschborn ; 1611 Bommers- Landtmann zu Frankfurt vor Grienigkeiten zu der heim ; 1618 Soden, Bornheim, Mülheim (bei Offen- Ehrenport, vor Blumen und anderes Laubwerk 20 bach) ; 1620 Sossenheim. alb. Vor ein Lehnpferd, womit der hiesige Förster Zorbach I.K.H. entgegengeritten, 4 fl. 15 ; den 1703 werden zwei Büttenspritzen angeschafft, von jungen Leuten und Spielleuten, die sie empfangen denen man nicht mehr weiß, als dass die Chronik haben, 12 fl. ; der Wacht, die Ihro Hoheit haben eine Ausgabe von 10 Gulden mit der Erklärung „2 begleitet nach der Princeß ihren Hof und die Wacht Feuerspritzen von einem fremden Kerl gekauft“ ver- da haben gehabt, 3 fl. Die Betinden und Postknecht zeichnet. Wahrscheinlich handelte es sich um einen verzehrten 16 fl., die Spielleut 3 fl.“ reisenden Händler, der so genannte „Stockspritzen“ aus Nürnberg in seinem Sortiment hatte. Da des Spritzenmachers zwei Söhne 2 Tage hier gewesen sind und 3 fl. verzehrt haben, ist anzuneh- Am 5. Januar 1745 erscheint dann eine neue men, dass die Spritzenprobe erst am andern Tage Feuerordnung; die ganze Nachbarschaft ist danach vorgenommen worden ist. Da aber sollte der in 4 Rotten eingeteilt. Jede Rotte bekommt einen Regentin eine ganz besondere Überraschung, wohl Feuermeister und zwei Spritzenmeister, die die auf dem Kirchplatz vor dem Rathaus, zuteil werden, Spritzen in ihrem Hause aufbewahren und monatlich als sie mit der Prinzessin und deren Hofstaat probieren müssen. Es folgt am selben Tag das erschien. Die hiesigen Schönen waren in Schäfer- Verbot des öffentlichen Tabakrauchens, auch müs- innenkostüme gesteckt und von einem Frankfurter sen die jungverheiratete Paare bis Petritag (22. Fe- „Barickenmacher“ modisch frisiert worden. Sie tru- bruar) ihren ledernen Feuereimer abgeliefert haben. gen Schäferschüppen, die versilbert worden waren, in den Händen und mussten der Landesmutter eine Über die Ausrüstung des Ortes mit Brandbekämp- mächtige Bretzel, die Bäcker Purr gebacken hatte, fungsgerätschaften verzeichnet die Ortschronik nun: und Blumen überreichen.1 Feuergeräthschaften : 79 Stk. Lederne Feuers- Dann aber wurde das Geburtstagskind, auf 4 Rädern Eymer, so brauchbar, 10 Stk. so unbrauchbar, 3 laufend, 4½ Ohm (179 Liter) haltend, mit einem Handspritzen, so schlecht, 4 neue Feuerleithern und messingenen Schwanenhals (der sich leicht nach 3 neue Feuer-Haaken. allen Seiten drehen lässt), von 4 Pferden aus dem Rathaushof gezogen, und es musste dann allen Die neue Feuerspritze Anwesenden zeigen, wie hoch es seinen Strahl in die Höhe senden konnte. Stand die Spritze in der Sie hat folgende Vorgeschichte: Bereits 1751 war Nähe eines Ziehbrunnens, so konnten die mitgelie- der Beschluss zu ihrer Anschaffung gefasst worden. ferten Lederschläuche, die zusammengeschraubt 1756 sprach der Zentgraf bei den auswärtigen Be- einen Strang von 125 Schuh (=35 Meter) ergaben, sitzern von Hofreiten vor, um sie zu einem Beitrag zu verwandt werden. Sonst aber mussten die etwa 80 bewegen. Aber erst nach Beendigung des Krieges ledernen Eimer durch die Hände langer Kette von konnte sie durch Schappel in Windecken, wohl bei der Wasserstelle nach ihr zu und leer wieder zurück- der späteren Glockengießerei Bach, bestellt werden. gehen. Damit war das Fest sicherlich nicht zu Ende ; Ihr Preis konnte bis jetzt noch nicht ermittelt werden. denn auch Bäcker Ott hat außer einer großen Bretzel Sicher hat der Landkasten viel dazu beigetragen, (wohl für die Prinzeß) auch noch 130 kleine Bretzeln weil sie in Bergen in Empfang genommen worden ist. für die Schulkinder gebacken. Sie fand ihren Platz unten im neuen Rathaus, wo Aus den späteren Rechnungen ergibt sich, wie man einen Raum „mit Tafeln zugeschlagen“ und mit wenig die Mannschaft mit ihr umzugehen verstand; je einem Tor nach vorne und hinten versehen hat. denn groß sind die alljährlichen Kosten für ihre Sattler Schaaf von Rödelheim musste ein Geschirr Wiederherstellung und die des Sattelzeugs. Man war für vier Pferde anfertigen, denn die Spritze sollte ja 1817 deshalb herzlich froh, als der Mechaniker auch bei Bränden in unserer Umgebung gebraucht Joseph Pfister aus Stegen bei Freiburg sich hier werden. niederlassen wollte. Seine Aufnahme wurde sehr befürwortet, weil man jetzt zu ihrer Instandhaltung keine Leute aus dem « Ausland » mehr zu holen 1 Heinrich Ludwig in „Geschichte des Dorfes und der Stadt Bockenheim; Waldemar Kramer Verlag, Frankfurt am Main 1940 5
brauchte. Zum Einschmieren der Spritzenschläuche und Handwerkerkompagnien, sodann in Bedienende und der Feuereimer sind alljährlich Ausgaben für der Feuerspritze, Pumper und 4 Schlauchmeister, 1 Fischtran, Wachs, Hirschunschlitt, Terpentin und Spritzenmeister (Diekmann) und 3 Gehilfen. Baumöl, sowie auch für Flambeaur (Wachsfackeln) verzeichnet, die von Reutlinger in Frankfurt bezogen wurden. Man fuhr nun im ersten Eifer oft nach meilenweit entfernt liegenden Orten, was aber bald die Regie- rung veranlaßte, zu verbieten, weiter als 2 Stunden zu fahren. Vom Jahr 1776 ab versehen die Hirten die Nacht- wacht. Sie waren immerhin sehr wichtig, weniger der Diebereien als eines ausgebrochenen Brandes wegen; bei so vielen vorhandenen Scheunen, Stäl- len und immer noch vorhandenen Häusern mit den feuergefährlichen Strohdächern. Für 1808 hält die Gemeindechronik fest: „Trotz der schweren Zeiten2 haben sich 1808 29 entlassene hessische Soldaten verheiratet und je einen leder- nen Feuereimer abgeliefert.“ Am 16. Mai 1810 wird das ehemalige Fürstentum Bockenheimer Rathaus, 1871. Dahinter entsteht Hanau und damit auch Bockenheim, zu dem Groß- das Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr und herzogtum Frankfurt unter dem bisherigen Primas, später die Feuerwache dem jetzigen Großherzog Karl von Dalberg geschla- gen und heißt von nun an „Departement Hanau“; Die Freiwillige Feuerwehr daneben gibt es noch die Departements Aschaf- fenburg, Fulda, Frankfurt und Wetzlar. Alle Depar- Im Jahr 1871 wird die Freiwillige Feuerwehr tements bilden eine Verwaltungseinheit, in welcher Bockenheim gegründet. Die Kopfstärke der neuen gleiches Recht, Steuerwesen, Maß und Gewicht Wehr wird mit 50 Mann angegeben. Erster Kom- eingeführt werden sollen. mandant ist der Zimmermeister Carl Lauer. 1818 Großbrand am Schönhof. Ein Mann kommt Im September 1874 wird der Mitbegründer der ums Leben. Bockenheimer Wehr, Schäfer, zum Hauptmann der Wehr gewählt. Er versieht das Amt zehn Jahre 1839 hat man vom Glockengießer Bach in Wind- lang, bis er im August 1884 aus Gesundheits- ecken eine neue Feuerspritze bezogen, die in Rei- gründen niederlegen muss. Nachfolger wird Ph. ferts Fabrik einstweilen untergestellt war. Lange Wilhelm. streitet man sich um einen geeigneten Platz (Große Seestraße 10 und 44), bis sich der Stadtrat 1846 für Am 3. Oktober 1880 erfolgt eine „Inspection und das schon 1842 zu Schulzwecken erkaufte Reilsche Probe der Gesammt-Feuerwehr“. Kommandant Haus (Kleine Seestraße 2) entscheidet, dessen Lauer hält fest: Scheune 1847 als Spritzenhaus eingerichtet wurde. Die alte Spritze bleibt, wohl zur besseren Sicherheit „Corpsbestand freiwillige Feuerwehr 48 Mann, des alten Stadtteils, im Rathause stehen. pflichtige Feuerwehr 155 Mann, Turnerfeuerwehr 40 Mann. 2 Metz´sche Saugspritzen und 1 altdeut- Die durch den Polizeikommissar Wedekamm mit sche Druckspritze. Signale recht gut (Stuttgarter dem Polizeidiener und einem Stadtrat vorgenom- Feuerwehr). Arbeit recht gut; nur etwas, insbeson- mene Feuerschau im Jahr 1842 ergibt manche dere bei der Probe, zu wild.“ Unzulänglichkeiten, weshalb man den Feuerleiter- behälter am Rathaushofe etwas ausbessert und Am 9. September 1881 steht im benachbarten auch neue Feuerleitern und -haken anschafft. Der Hausen die Brotfabrik in hellen Flammen. Die Abdruck des „Verzeichnisses über die vorge- Berichte vom Brand heben besonders hervor, dass dachten Beamten und Mannschaften, die sich bei u.a. die zur nachbarschaftlichen Löschhilfe aus Feuersgefahr den ihnen zugedachten Dienstleis- Bockenheim herbeigeeilten Kameraden „…mit tungen zu unterwerfen hatte“, vom 27. Mai 1842, ist wahrer Todesverachtung sich dem Herd des Feu- noch erhalten. 217 Löschkräfte. So ist damals Stadt- ers näherten, aber jedesmal der glühenden Hitze rat Brandt Aufseher über die Spritzenhäuser und und dem Feuerregen weichen mussten.“ Löschgerätschaften, H.C. Birck, Schwenk und Schleunes seine Adjutanten. Einteilung in Rettungs- 2 gemeint ist die Zeit nach den Französischen Revolutionskriegen 1792-1802. 6
Am 19. Dezember 1882 brennt die Holzschneiderei „Die Stadt Bockenheim mit den Orten Seckbach Hoffmann in Bockenheim weitestgehend nieder; und Eckenheim bildeten bisher einen provisori- die Freiwillige Feuerwehr kann nur das Maschinen- schen Bezirk. Die Wehr in Seckbach hat bei der haus retten. Genau einen Monat später, am 19. letzten Central-Vorstands-Sitzung dahier durch Januar 1893, geht beim Füllen einer Petroleum- ihren Commandanten erklärt lieber dem Bezirk lampe der Lagerraum der Dampf-Kaffeebrennerei Frankfurt a.M. einverleibt zu werden, da die Gebr. Schmidt in Flammen auf. Das Feuer greift Communication mit letzterer Stadt leichter sei als schnell weiter um sich. Auch hier kann die Frei- mit Bockenheim. willige Feuerwehr, unterstützt von Einheiten aus Dahingegen haben nachfolgende Wehren den Hausen, Rödelheim und Ginnheim das Maschinen- Wunsch ausgesprochen, dem Bezirk Bockenheim haus retten. Vier Tage später, am 23. Januar 1883 beizutreten, nämlich: Heddernheim, Hausen und bekämpft die Wehr einen Dachstuhlbrand bei der Eckenheim. Wir ersuchen daher löbl. Central- Klavierfabrik Phillipi und noch in der gleichen Nacht Vorstand dahin wirken zu wollen, daß obiger Bezirk rückt die Wehr zu einem Strohhaufenbrand auf den mit den genannten Wehren als definitiver Bezirk Häuser Wiesen aus. bestätigt wird.“ Am 2. Oktober 1885 legt der langjährige Haupt- Im Jahr 1887 erfolgt in Bockenheim auch die Um- mann und Kommandant der Bockenheimer Wehr, stellung von Messing- auf Lederhelme (preus- Nicolaus Heil, in Anbetracht seines vorgerückten sische Form, mit dem Wappen des Nassauischen Alters sein Amt nieder und wird zum Ehrenkom- Feuerwehrverbandes); 50 Stück werden geliefert. mandanten ernannt. Neuer Kommandant der Wehr Die noch vorhandenen, brauchbaren Messing- wird nun der Weißbindermeister Heinrich Welker, helme werden per Zeitungsinserat zum Kauf ange- Hauptmann wird Philipp Wilhelm, Adjutant August boten. Höppner und Schriftführer A. Becker. Am Samstag, den 17. April 1886 findet die erste Generalversammlung nach der überarbeiteten Sat- zung statt. Laut des bei der Versammlung erstatte- ten Jahresberichtes besteht die Freiwillige Feuer- Verkaufsinserat im Juni 1887 wehr Bockenheim zu diesem Zeitpunkt aus 322 aktiven und 7 passiven Mitgliedern. Binnen Jahres- frist wurden 2 Brände gelöscht und 17 Übungen abgehalten. Als Kommandant der Wehr wird Welker und als Hauptmann Philipp Wilhelm wieder- gewählt. Direkt nach der Hauptversammlung ver- stirbt der Ehrenkommandant der Wehr, Schäfer, und wird am 21. April 1886 unter riesiger Anteil- nahme der Bockenheimer und benachbarter Weh- ren zu Grabe getragen. Im Oktober des Jahres 1886 lädt das Bocken- heimer Feuerwehrkommando den Vorstand des Feuerwehrverbandes im Regierungsbezirk Wies- baden (ab 1872 Nassauischer Feuerwehrverband) und Ratsmitglieder zu einer Besichtigung der Remisen und Geräte ein, bei der es auch eine Steigerübung am Steigerturm und eine Spritzen- probe gibt: Der Chronist vermerkt hierzu: „“Die Steigerübung (Schulübung) an dem Steiger- thurm war sehr befriedigend. Bei der Spritzenprobe war sowohl das Commando wie die Mannschaft nach Kräften bemüht, das Möglichste zu leisten; aber die beiden Metz´schen Spritzen waren nicht entsprechend leistungsfähig; es wurde auch dies seitens des Herrn Bürgermeisters anerkannt und 1887 in Bockenheim eingeführter Lederhelm die Zusicherung gegeben, daß die Maschinen (Bestand Museum der Feuerwehr Frankfurt a.M.) gründlich reparirt werden sollten.“ Im Jahresbericht der Freiwilligen Feuerwehr Bockenheim, vorgestellt bei der Generalversamm- Im Mai 1887 ringt man um die Zuschnitte von lung am 10. Oktober 1887 wir ausführlich über die Bezirksgrenzen. Die Feuerwehr Bockenheim stellt beim Zentralvorstand des Feuerwehrverbandes Ausrüstung der zu diesem Zeitpunkt 53 Mann star- einen Antrag, über dem beim bevorstehenden ken Wehr berichtet: Feuerwehrtag in Dillenburg entschieden werden „An Requisiten wurden neu angeschafft aus Mitteln solle: der Wehr: Ein Requisitenwagen, ein Schlauch- 7
wagen (mit 3 Haspeln), 3 neue Steigerleitern, 2 Spritzenlaternen, 12 Stück Nothstiften. Außerdem wurden durch die städtische Behörde angeschafft: 12 Stück Carabiner-Hacken, 4 neue Saugschläuche, 70 Meter Druckschläuche und gründliche Renovirung der beiden Saugspritzen und 50 neue Lederhelme. Die Gesammtgeräthe der Freiwilligen Feuerwehr besteht aus: ◼ 2 Saug- und Druckspritzen, ◼ 1 Requistenwagen, ◼ 1 Schlauchwagen, ◼ 1 Rettungswagen, ◼ 12 Steigerleitern, ◼ 1 Mesch, Werbeanzeige des Bockenheimer Feuerwehr- ◼ 350 Meter Druckschläuche und 24 Meter ausrüsters Heitefuß gummierte. Am Sonntag, den 4. Dezember 1887 findet in Hed- Es sind ferner noch eine Druckspritze für die dernheim die erste Sitzung im neuen Feuer- Pflichtfeuerwehr nebst 70 Meter Schlauch vorhan- wehrbezirk Bockenheim statt, dem nun neben den. Zum Herbeischaffen von Wasser sind 3 Gieß- Bockenheim die Wehren Heddernheim, Hausen fässer, die 5.500 Liter Wasser halten, vorhanden. und Eckenheim angehören. Die Leitung des neuen Feuerwehrbezirks liegt fest in Bockenheimer Hand: Brandmeister Welker aus Bockenheim wird Vorsitzender, Hauptmann Wilhelm Schatzmeister und Adjutant Schäfer Schriftführer. Im Januar 1888 verstirbt dann auch der erste Kommandant und Ehrenbrandmeister der Bocken- heimer Wehr, C. Lauer. Auch er wird durch Feuer- wehrabordnungen aus Bockenheim und der be- nachbarten Orte zu Grabe geleitet. Am Sonntag, den 16. September 1888 begeht die Freiwillige Feuerwehr Bockenheim einen Festtag. Eine neue fahrbare Abprotzspritze (Fabrikat Metz, Heidelberg) und eine mechanische Leiter (Fabrikat Lieb, Biberach) werden eingeweiht, gleichzeitig wird eine von „Jungfrauen“ gestiftete neue Vereins- fahne übergeben. Der Feier geht morgens eine öffentliche Übung der Freiwilligen Feuerwehr vor- aus, mittags lädt man in Garten und Saal des Rheingauer Hofes zu Konzert und Tanz. Mehrere Wehren aus der Nachbarschaft nehmen an den Feierlichkeiten Teil. Der seitherige Kommandant der Bockenheimer Feuerwehr, Heinrich Welker, legt sein Amt Anfang Mai 1890 nieder. Sein bisheriger Stellvertreter, Hauptmann Philipp Wilhelm, wird durch den zuständigen Stadtrat zum Brandmeister ernannt und übernimmt das Kommando der Wehr. In der Generalversammlung am 18. Oktober 1890 wird Heinrich Welker zum Ehrenmitglied ernannt und Gießfass; Ansicht und Aufbau. Es waren drei ihm „ein geschmackvolles Ehrendiplom“ über- davon in Bockenheim vorhanden reicht. In der nächsten Monatsversammlung bedank sich Welker dafür und überreicht seiner- Bei der Beschaffung von Geräten hatte man in seits der Wehr ein Portraitbild von sich. Bockenheim übrigens kurze Wege – direkt in der Adalbertstraße war die Niederlassung des Feuer- wehrausrüsters Heitefuß. 8
auch die mechanische Leiter und der Rettungs- sack zur Anwendung kommen und eine Übung der Sanitätsabteilung der Feuerwehr. Den Abschluss des Tages bildet dann eine Versammlung der Wehren des Bezirks im Arnold´schen Saale mit Unterhaltung und Tanzvergnügen. Hieran nehmen auch Kommandant Roehm und einige Mitglieder der Frankfurter freiwilligen Feuerwehr teil. Der 12. Feuerwehrtag des Nassauischen Feuer- wehrverbandes findet vom 8. bis zum 10. Juli 1893 in Bockenheim statt. Aus diesem Anlass soll in Bockenheim auch eine große Ausstellung von Feuerwehrrequisiten der bekannten Hersteller durchgeführt werden. Dies führt zu starken Ver- stimmungen mit dem Deutschen Feuerwehrver- band, da im selben Jahr der Deutsche Feuerwehr- tag mit einer großen Requisitenausstellung in München abgehalten wird und nach den Statuten in dem Jahr, in dem der Deutsche Feuerwehrtag abgehalten wird, keine großen Provinzial- oder Bezirksfeuerwehrtage mit Ausstellungen stattfin- den dürfen. Bockenheim hält sich nicht an diese Regelung und schreibt trotzdem die Hersteller mit der Bitte um Bestückung der Bockenheimer „Feuerwehrmesse“ an, was zahlreiche Diskus- sionen in der deutschen Feuerwehrwelt nach sich Philipp Wilhelm zieht. Zu den Ausstellern in Bockenheim gehören klangvolle Namen wie Magirus aus Ulm, Lieb aus Einen ausgedehnten Dachstuhlbrand hat die Wehr Biberach (damals neben Magirus der bekannteste am 5. Februar 1891 zu bekämpfen, als sie am Hersteller mechanischer Leitern) und Breuer aus späten Vormittag zum Elisabethenplatz 1, direkt Höchst. neben der katholischen Kirche, gerufen wird. Bei den am Bockenheimer Steinweg abgehaltenen Im Januar 1892 wird der Kommandant der Wehr, Übungen führt auch die Frankfurter Berufsfeuer- Wilhelm, anlässlich seiner zwanzigjährigen Mit- wehr ihr modernstes Gerät, so etwa ihre Dampf- gliedschaft im Corps zum Ehrenmitglied ernannt. spritze, vor. Branddirektor Schapler höchstpersön- Wilhelm war bereits kurz nach ihrer Gründung in lich erklärt die Funktion seiner pneumatischen die Wehr eingetreten, und zwar am 25. Januar Leiter (später als „Schapler-Leiter“ berühmt gewor- 1872. den). Am 14. September 1892 wird die Wehr kurz nach Beim Festessen im Saal des Herrn Forell sprechen 8 Uhr morgens zu einem Brand im Ölkeller der der Bürgermeister Dr. Hengsberger, Kommerzien- Wurmbach´schen Gießerei im Rödelheimer Sand- rat Wurmbach, Feuerlöschinspektor Mayer aus weg gerufen, wo Naphta (ein Leichtbenzin) in Rödelheim und der Vorsitzende des Regional- Brand geraten ist. Der Brand wird durch Aufschüt- feuerwehrverbandes Scheurer aus Wiesbaden. An ten von Sand und Erdmassen erstickt. Erstmals dem ausgedehnten Festzug nehmen u.a. die hie- kommt auch die im vorangegangenen Winter ge- sigen Vereine mit zahlreichen Fahnen und Unifor- gründete Sanitätsabteilung der Freiwilligen Feuer- men, Radfahrergruppen, das Musikchor der Tram- wehr zum Einsatz. Sie leistet einem Fabrikarbeiter, bahn und der Schützenverein mit mittelalterlichen der schwere Brandverletzungen an Händen, Bogenschützen an der Spitze teil. Den große Ab- Füßen und Unterleib erlitten hatte, Erste Hilfe. schluß der Bockenheimer Tagung bildet am Mon- tag, den 10. Juli 1893 ein Volksfest auf dem Fest- Knapp zwei Wochen später, am 25. September will platz, das mit einem Feuerwerk beendet wird. die FF Bockenheim ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen und hat hierzu den Bockenheimer In der Bockenheimer Querstraße bricht am 21. Bürgermeister Dr. Hengsberger, den Vize-Bürger- November 1893 spätabends in einem dem Bau- meister Wurmbach, die Stadträte Rücker und Dr. unternehmen Lindheimer gehörenden Werkstatt- Burgheim, die zum Bockenheimer Bezirk gehören- und Lagerschuppen ein Brand aus, bei dem der den Feuerwehren von Eckenheim und Heddern- Dachstuhl des Gebäudes völlig abbrennt. In einem heim, die Hesse´sche Fabrikfeuerwehr (Heddern- Nachbargebäude kommt bei der Hilfeleistung ein heimer Kupferwerk), die Feuerwehr von Kessel- Mann ums Leben, der aus ungeklärter Ursache stadt und weitere Honoratioren eingeladen in ihren während der Rettungsarbeiten durch einen Fehltritt „Spritzenhof“ eingeladen. Nach der Besichtigung auf einer Treppe stürzt und sich dabei tödlich der Wehr erfolgen Schulübungen mit Hakenleitern verletzt. und Spritzen, eine Löschangriffsübung, bei der 9
Am Abend des 21. März 1894 bricht gegen 21 Uhr Brandwache an der Brandstelle zurück. Zu einem ein Brand im Fotoatelier Schwab in der Frankfurter weiteren Brand rückt die Wehr am 1. März aus, als Straße 83 aus. Da es sich um einen Holzbau in der Frankfurter Straße 27 im Schaufenster-Erker handelt, findet die Feuerwehr diesen bereits in eines Merceriewaren-Geschäftes (Geschäft für hellen Flammen vor und kann nichts mehr retten. Nähen und Handarbeiten) die ausgestellten Waren Der Brand wird schließlich mit zwei Rohren ge- in Brand geraten. Das Feuer kann schnell gelöscht löscht. werden. Am 1. April 1895 schließen Frankfurt und Bocken- Kurz vor der Inbetriebnahme einer neuen Feuer- heim einen Eingemeindungsvertrag; die bisher wache der Berufsfeuerwehr wird die nun als selbständige Stadt Bockenheim wird nun ein Stadt- „Freiwillige Feuerwehr Frankfurt a.M., Stadtbezirk teil von Frankfurt. Für den abwehrenden Brand- Bockenheim“ bezeichnete Wehr am 5. November schutz bleibt weiterhin die Freiwillige Feuerwehr 1899 vom Frankfurter Stadtrat und Brandschutz- zuständig, bei gemeldetem Großfeuer oder auf dezernenten Kohli, Branddirektor Schapler und Nachforderung entsendet die Berufsfeuerwehr mehreren Herren des Hochbauamtes besichtigt. aber sofort Unterstützung, z.B. einen Löschzug mit Der Besichtigung folgt eine Schauübung der Wehr. Maschinenleiter („Schapler-Leiter“) und Dampf- Obwohl die Auflösung der Freiwilligen Feuerwehr spritze. längs angedacht ist, vermerkt das Verbandsblatt der Feuerwehr in seiner Dezember-Ausgabe: „Herr Stadtrat Kohli richtete Worte der Aner- kennung an die Führer und Mannschaften und be- tonte dabei, die Ueberzeugung gewonnen zu ha- ben, daß man auch von einer freiwilligen Feuer- wehr mit gutem Eifer ohne tägliche Uebung ein exaktes und schlagfertiges Arbeiten gegen das verheerende Element erzielen könne. Die Sicher- heit der Bevölkerung des Stadttheils Bockenheim könne ruhig der freiwilligen Feuerwehr überlassen sein.“ Nachruf im Mai 1898 auf einen jung verstorbenen Dass hier die Leistungsfähigkeit der Freiwilligen Kameraden der Bockenheimer Wehr Feuerwehr vom Frankfurter Dezernenten so sehr gelobt wird verwundert doppelt, wenn man be- denkt, dass die Frankfurter Freiwillige Feuerwehr einen Monat zuvor, im Oktober 1899, aufgelöst wurde. Die erste Alarmierung der Wehr im neuen Jahrhundert erfolgt am 5. Januar 1900 gegen Mitternacht, als in der Räucherkammer des Metzgermeisters Eichmann in der Frankfurter Straße zum Räuchern aufgehängtes Fleisch in Brand gerät. Der Brand kann mit einem Rohr binnen einer halben Stunde abgelöscht werden. Im Dezember 1901 berichtet Feuerlösch-Inspektor Mayer aus Rödelheim im Verbandsblatt „Mitthei- lungen für den Feuerwehr-Verband des Reg.-Bez. Wiesbaden“ über das Frankfurter Löschwesen nach den erfolgten Eingemeindungen von Nieder- Nachruf der Bockenheimer Wehr auf einen rad, Oberrad, Seckbach und Bockenheim. Die weiteren im Alter von 44 Jahren verstorbenen Bockenheimer Wehr ist zu diesem Zeitpunkt 53 Kameraden im Januar 1899 Mann stark. Mayer schreibt, dass die durch Einge- meindung hinzugekommenen Wehren vorerst so Relativ kurz hintereinander sterben zwei Kame- bestehen bleiben sollen; aber „ob das Verhältnis so raden der Bockenheimer Wehr im Alter von jeweils bestehen bleiben kann, ist fraglich“. Der amtliche 44 Jahren: Am 14. April 1898 der Feuerwehrwehr- Jahresbericht des Jahres 1904 verzeichnet für die mann und Unterführer der Sanitätsabteilung, Bockenheimer Wehr dann auch immer noch eine Georg Völsing; und am 8. Januar 1899 der Wehr- Stärke von 52 Mann. Die Ausrüstung besteht aus mann Jakob Müller. zwei Hydranten- und einem Schlauchwagen, einer Abprotzspritze, einem Gerätewagen und zwei Wenige Tage später, am 14. Januar 1899, eine mit mechanischen Leitern. Heu- und Erntevorräten gefüllte Scheune im älteren Teil Bockenheims nieder. Die Freiwillige Feuerwehr löscht mit 3 Rohren und lässt eine 10
FF Bockenheim um 1900 Unter großer Anteilnahme der Feuerwehr, der Ver- Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges sorgt jedoch eine und der Bevölkerung wird am 2. März 1907 für einen zunächst anderen Verlauf der Ge- der erste Spritzenmeister der Wehr, Philipp Otter- schichte. Da viele Männer der Berufs- und der mann, zu Grabe getragen. Auch eine größere Freiwilligen Feuerwehr zum Kriegsdienst eingezo- Delegation der Berufsfeuerwehr war erschienen, gen werden, wird die FF Bockenheim gebeten, deren Musikkapelle die Trauerfeier mit Chorälen noch bis zum Kriegsende weiter ihren Dienst zu eröffnete und abschloss. versehen; noch denkt man, dass der Krieg nur von kurzer Dauer sein wird. So kommt es, dass dann Am Montag, den 5. Januar 1914 geht die neue im September erneut Ehrungen von Mitgliedern der Feuerwache der Berufsfeuerwehr in Bockenheim Freiwilligen Feuerwehr Bockenheim vermerkt sind: in Betrieb. Am selben Tage vermeldet der „Bocken- Hermann Hoffmann und Wilhelm Schmidt erhalten heimer Anzeiger“ eine Häufung von Bränden in das Feuerwehr-Erinnerungszeichen für Verdienste dem Stadtteil: um das Löschwesen. Am Montag, den 1. März 1915 weist der Bockenheimer Anzeiger erneut auf „Unser Stadtteil Bockenheim, der im letzten Jahr die Personalprobleme bei der Feuerwehr hin: mit 15 Bränden unter allen Vororten den Rekord schlug, begann das neue Jahr gleich wieder mit „Durch Einberufung zur Fahne ist der Mann- zwei Bränden an einem Tag. Am Freitag Nach- schaftsbestand erheblich vermindert, so daß Mit- mittag brannte in der Mühlgasse 24 auf dem Hofe glieder der ehemaligen freiwilligen Feuerwehr sich des Landproduktengeschäfts von Stern ein Wagen stets bereithalten müssen.“ mit Heu nieder. Abends geriet in einer Wohnung der Großen Seestraße ein kleiner Kinematograph3 Letztmalige Ehrungen, diesmal eher militärischer in Brand. Der hierdurch entstandene Zimmerbrand Natur, erfolgen im Herbst 1918, kurz vor dem Ende wurde von den Hausbewohnern und der freiwilligen des Krieges. Karl Wilhelm erhält das Eiserne Kreuz Feuerwehr gelöscht, ehe er größeren Schaden 2. Klasse und Emil Wenzel das Großherzogliche anrichtete.“ Hessische Militärverdienstkreuz und die Rote- Kreuz-Medaille 3. Klasse. Kreisbrandmeister Dennoch ist mit der Inbetriebnahme der Feuer- Philipp Wilhelm und der Kamerad A. Mayer erhal- wache der Berufsfeuerwehr in Bockenheim die ten das Verdienstkreuz für Kriegshilfe. Auflösung der Freiwilligen Feuerwehr beschlos- sene Sache. Als am 8. Juni 1914 der „Bocken- Nach dem Ende des Weltkrieges rückt in der Politik heimer Anzeiger“ darüber berichtet, dass Brand- wieder die Auflösung der Freiwilligen Feuerwehr direktor Schänker im Rahmen einer Feierstunde Bockenheim, die zu dieser Zeit auch noch als dem Brandmeister Adolf Mayer und dem Ober- Feuerwache bezeichnet wird, wieder in den Blick- feuerwehrmann Friedrich Waßmuth Auszeichnun- feld. Nach den Erfahrungen des Krieges sind sich gen überreicht hat, spricht die Zeitung bereits von Berufs- und Freiwillige Feuerwehr längst einig, der ehemaligen Freiwilligen Feuerwehr Bocken- dass es besser wäre, die Bockenheimer Einheit zu heim. erhalten. Insbesondere auch Branddirektor Schän- ker setzt sich sehr für die weitere Existenz der 3 Filmprojektor 11
Freiwilligen in Bockenheim ein. Die Politik sieht dies, wohl wieder einmal aus Kostengründen, an- ders. Die Tageszeitung Volksstimme schreibt dazu in ihrer Ausgabe Nr. 33 vom 8. Februar 1922: „Die geplante Aufhebung der Feuerwache Bocken- heim beschäftigte eine am Dienstag Abend vom Bezirksverein Frankfurt a.M. – West nach dem großen Saal „Lindenfels“ einberufene stark be- suchte öffentliche Versammlung. Stadtverordneter Th. Walter schilderte in seiner Begrüßungsrede die ungewöhnliche Erregung, die der Inhalt der Denkschrift in die Bockenheimer Bevölkerung hineingetragen habe. Der Dezernent Stempelabdruck der „Ehemaligen Freiwilligen der Feuerwehr, Stadtrat Zielowski, wies in einer Feuerwehr Bockenheim“ längeren Rede nach, daß die in der Grammschen Denkschrift erwähnten organisatorischen Vor- schläge in keinem Falle zu einer Aufhebung der Wache berechtigten, die Ersparnisse seien nur scheinbare und würden durch Umbauten, Umfor- mungen der Organisation überreichlich aufge- hoben. Außerdem leide die Schlagfähigkeit der Feuerwehr unter der Neuregelung, und schließlich habe die hoch entwickelte Industrie Bockenheims ein hohes Interesse an der Beibehaltung der Wache. Branddirektor Schänker wies an der Hand eines ungewöhnlich reichen statistischen Materials die Notwendigkeit der Bockenheimer Wache in ausge- zeichneter Weise nach. In gleicher Weise äußerten sich die Stadtverordneten Kreß, Landgrebe, Knackmuß, usw. Auch die anwesenden Vertreter der industriellen Werke und der Vororte Rödel- heim, Hausen, Praunheim und Ginnheim setzten sich mit Schärfe für die Wache ein. Die Versammlung nahm einstimmig eine Ent- schließung an, die gegen die beim Magistrat ange- regt Aufhebung der Bockenheimer Feuerwache Protest erhebt. Der Rest ist bekannt. Gegen alles Proteste wird die Freiwillige Feuerwehr in Bockenheim aufgelöst. Es bildet sich nun eine Kameradschaft „Ehemalige Freiwillige Feuerwehr Bockenheim“, die noch Jahr- zehnte existiert, bis das letzte Mitglied verstirbt. Das genaue Datum konnte bisher nicht ermittelt werden. Im Museumsarchiv sind noch einige Schriftstücke bis September 1965 erhalten die bis 1960 noch mit „Heinrich Ott, Wehrführer“ unter- schrieben wurden. 12
1. Januar 1914: Die Berufsfeuerwehr übernimmt NEUE FEUERWACHE 4 Branddirektor Schänker (unten Mitte, mit Zweireiher) mit der Wachbesatzung der neuen Bockenheimer Wache. Nach der Eingemeindung Bockenheims mit der bereits vorhandenen Übungsturm der Freiwilligen geplanten Erweiterung und Neubau von Industrie- Feuerwehr zurückgreifen kann. Das Zentralblatt der anlagen, Wohngebieten und Verkehrsanlagen gibt es Bauverwaltung beschreibt im Juni 1916 Gemein- beim Magistrat keinen Zweifel, dass Bockenheim samkeiten und Unterschiede der beiden Wachen: durch eine weitere Wache der Berufsfeuerwehr zu schützen ist, da die nächstgelegene Feuerwache in „Der Feuerschutz der Stadt Frankfurt a. M. wurde bis der Heinrichstraße zu weit entfernt erscheint. Dem vor einigen Jahrzehnten von einer einzigen Wache damaligen Denken zufolge wird mit Errichtung einer wahrgenommen, die in den Gebäuden des ehema- Berufswache in Bockenheim auch die Freiwillige ligen Karmeliterklosters in der Altstadt noch heute Feuerwehr überflüssig. 1912 erfolgt der Magistrats- recht und schlecht untergebracht ist. Durch die Einge- beschluss zum Bau der Feuerwache. meindungen der Vororte Bockenheim und Bornheim wurde der Bau einer zweiten Wache, und zwar in der Ein Bauplatz für die neue Feuerwache ist schnell aus- Gegend von Bornheim, notwendig, während der gemacht: Sie soll am Kurfürstenplatz unmittelbar vor Feuerschutz von Bockenheim der dortigen freiwilligen das bestehende Gebäude und den Übungsturm der Feuerwehr mit ihren allerdings recht rückständigen Freiwilligen Feuerwehr errichtet werden. Der Bau soll Einrichtungen vorläufig überlassen bleiben konnte. rund 110.000 Mark kosten. Für weitere 6.000 Mark Dier Entwicklung eines neuen großen Geschäfts- sollen die auf dem Wachgelände stehenden Gebäude viertels, die bald nach dem Neubau des Hauptbahn- der ehemaligen Freiwilligen Feuerwehr zu Werkstät- hofes eingesetzt hatte, machte bald eine dritte Wache ten umgebaut werden. im Westen der Stadt notwendig, die im Jahre 1901 dem Betrieb übergeben wurde. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch zu sehen, dass es zu dieser Zeit beim Neubau von Feuer- Es konnte zweifelhaft erscheinen, ob der Grundsatz wachen auch bereits ansatzweise so etwas wie der Trennung der Feuerwehr, der sich in diesen Bau- serielles Bauen gibt: Die neue Bockenheimer Wache ten ausspricht, auch bei Einführung des Automobil- und die gleichzeitig in Bau befindliche Wache in betriebes beizubehalten sei oder ob es nun nicht Sachsenhausen an der Mörfelder Landstraße werden vorteilhafter sei, bei weiterem Anwachsen der Stadt nach den gleichen Plänen errichtet und unterscheiden die Feuerwachen an einer oder doch an einigen sich nur in Details, etwa darin, dass die Sachsen- wenigen Stellen zusammenzufassen. Unzweifelhaft häuser Wache einen neu erbauten Übungsturm erhalten die Feuerwachen durch den Automobilbetrieb bekommt, während man in Bockenheim ja auf den einen vergrößerten „Aktionsradius“, aber, wenn man 13
in Rücksicht zieht, daß auf die höchste zulässige Wohnung des Brandmeisters (Abb. 3). Im ausgebau- Zeitspanne zwischen dem Ausbruch des Feuers und ten Dachgeschoß (Abb. 2) ist links eine Drei- dem Eintreffen der Feuerwehr auf der Brandstelle zimmerwohnung und rechts die Feldwebelwohnung verhältnismäßig viel Zeit vom Melden des Feuers bis untergebracht, dazwischen liegen Wohnräume für zum Zeitpunkt der Abfahrt verloren geht, so daß man ledige Feuerwehrleute. für die eigentliche Fahrt immer nur ein kurzer Zeitraum in Betracht kommen kann, so erhellt ohne weiteres, Es besteht die Absicht, bei der Feuerwache Sachsen- daß die größere Fahrgeschwindigkeit der Automobile hausen für die verheirateten Feuerwehrmänner ein eine sehr wesentliche Verkürzung der Fahrtdauer besonderes Wohnhaus zu errichten, das mit der nicht bewirken kann, zumal wenn es sich um Fahrten Feuerwache und deren Anbau einen an der durch dicht bevölkerte und verkehrsreiche Stadtteile Straßenecke entstehenden, durch einen schönen handelt, in denen auch aus allgemeinen Verkehrs- alten Kastanienbaum gezierten Vorhof umschließt. gründen die mögliche Geschwindigkeit der Auto- mobile nicht voll ausgenutzt werden darf. Dagegen Der erwähnte Anbau der Feuerwache enthält eine bietet neben anderen Vorzügen der Automobilbetrieb Werkstatt mit einer Revisionsgrube für die Wagen und den Vorteil, daß er gerade bei einer Mehrzahl von stellt die Verbindung mit dem Steigerturm her, der Wachen die im Weichbilde einer Stadt vorhandenen seine für Übungszwecke erforderlichen Fensteröff- entfernteren Siedlungen, wie Fabriken, Kranken- nungen dem Übungshof zukehrt. häuser und dergl., weit schneller erreichen kann als der Pferdebetrieb. Der einfach gegliederte Aufbau ergab sich zwanglos aus der Raumanordnung. Die Zwischendecken und Auf Grund solcher Erwägungen beschlossen die freitragenden Bauteile wurden in Eisenbeton ausge- städtischen Behörden im Jahre 1911, als grundsätz- führt. Für die Gewände der Tore und Türen wurde lich zum Automobilbetrieb übergegangen wurde, an Basaltlava verwendet, während die Mauerflächen der Trennung der Feuerwehr festzuhalten und einen etwas helleren Putz erhielten; auch die Holz- zunächst zwei weitere Wachen zu errichten und zwar wände des Steigerturms wurden grau gestrichen, so je eine in Bockenheim und Sachsenhausen (südlich daß dieser trotz des verschiedenartigen Baustoffs mit des Mains). der Gebäudegruppe gut zusammengeht.“ Beiden Wachen wurde dasselbe Programm zugrunde gelegt. Von dem Grundsatz ausgehend, daß der ausgerückte Löschzug so bemessen sein soll, daß er in der Lage ist, gleichzeitig die Bekämpfung eines Feuers aufzunehmen und gefährdete Personen zu retten, wurden die Wachen mit einer Motorspritze und einer automobilen Leiter ausgestattet. Diese Be- schränkung auf zwei Fahrzeuge erschien zulässig, nachdem sich die ganz außerordentliche Leistungs- fähigkeit der neuen Motorspritze erwiesen hatte, bei welcher der Benzinmotor des Wagens, sobald der Auf der neuen Bockenheimer Wache wird eine Wagen hält, auf die Spritze umgeschaltet wird und wasserhydraulische Drehleiter, System Kießlich, stati- nachdem die Fahrzeuge in ihrem Bau so durchge- oniert arbeitet waren, daß sie die erforderliche Mannschaft mitführen konnten, so daß ein besonderer Mann- In der ersten Januarwoche des Jahres 1914 beginnt schaftswagen entbehrlich wurde. die Berufsfeuerwehr die neue Wache zu beziehen. Am Montag, den 5. Januar ist es dann so weit: die Wache Hiernach brauchte die Wagenhalle nur für zwei geht in Betrieb. Ausgerüstet ist die Wache mit einer Fahrzeuge eingerichtet werden. Die Halle wurde bei Automobil-Motorspritze und einer wasserhydrauli- beiden Wachen so angelegt, daß sie außer den schen Drehleiter von Kießlich; beide auf Fahrgestel- Ausfahrten nach der Straße Einfahrten vom Hof aus len der Frankfurter Firma Adler. Besetzt wird die erhielt, die bei einer Straßensperrung auch als Wache mit einem Offizier, einem Feldwebel, vier Ausfahrten benutzt werden können. Oberfeuerwehr- und 14 Feuerwehrmännern. Im Erd- geschoss der Wache befinden sich die Fahrzeughalle Bei der Anordnung aller übrigen Räume war die für die zwei Fahrzeuge sowie Schlaf- und Dienst- größtmögliche Bereitschaft für den Anruf der leitende räume für die Mannschaften. Im ersten Stock liegt ein Gesichtspunkt. Unmittelbar neben der Wagenhalle Unterrichtsraum und die Wohnung für den Brand- wurde das Pförtnerzimmer mit dem Telegraphenraum meister; im zweiten Stock Wohnungen für Feldwebel angeordnet; daran anschließend die Schlafräume für und Oberfeuerwehrmänner. Der Bockenheimer Anzei- 24 Mann und 4 Oberfeuerwehrmänner. ger meldet dazu am 6. Januar 1914: Im ersten Obergeschoß befindet sich in der Mitte der „Die in der Schwälmerstraße neuerbaute städtische Tagesraum für die Mannschaften, der durch Feuerwache für den Stadtteil Bockenheim wurde Rutschstangen mit der Wagenhalle verbunden ist, gestern in Betrieb genommen. Wer die Leitung der links davon ein als Appellplatz dienender Vorraum mit Wache übernimmt, darüber sind noch keine Bestim- Waschraum und Aborten sowie dem Tagesraum der mungen getroffen. Mit der Uebernahme der Bocken- Oberfeuerwehrmänner, und auf der rechten Seite die heimer Feuerwache durch die Berufsfeuerwehr haben 14
auch die Meldungen von Bränden durch die Sturm- glocke auf dem Rathause ihr Ende erreicht.“ Verwirrung gibt es anfangs wohl um die neuen Zuständigkeiten der Feuerwachen. Als am 5. Juni 1914 in der Rödelheimer Straße 29 eine Petroleum- lampe explodiert, eine Wohnung in Brand setzt und die Ehefrau und das Kind des Wohnungsinhabers schwerste Verbrennungen erleiden, berichtet der Bockenheimer Anzeiger am nächsten Tag, dass die Verletzten ins Krankenhaus eingeliefert wurden und der Brand von der Feuerwache Westend (in der Heinrichstraße) in dreiviertelstündiger Tätigkeit ge- löscht wurde. Die Zeitung berichtet befremdet: Der kommende Luftkrieg wirft seine Schatten voraus: (…) Auffällig berührte es, das zur Löschung des Kräfte der „F.E.-Abteilung4 Nord 1, schwerer Lösch- Brandes die Wache aus der Heinrichstraße zuge- zug“ im Hof der Feuerwache Schwälmer Straße zogen wurde und nicht die neue Bockenheimer Wache, die nur wenige Meter vom Brandorte statio- Als dann 1933 die NSDAP die neue Regierung stellt, niert war. Dem Vernehmen nach ist die Bockenheimer bekommt bleibt auch die Bockenheimer Wache nicht Wehr in der Rödelheimer Straße nicht zuständig.“ von zahlreichen Veränderungen und Umorganisatio- nen nicht verschont, die insbesondere auf den längst Zwei Tage später erfolgt eine Richtigstellung: geplanten, kommenden Krieg vorbereiten sollen. „Zu dieser am Samstag gebrachten Notiz wird uns von Zur Organisation der Bereitschaftskräfte wird ab 1934 zuständiger Seite mitgeteilt, daß nicht die Feuerwache der „Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD) eingerichtet, Westend, sondern die Feuerwache Schwälmer Straße der mit Hilfe auch von Freiwilligen den für den am Brandplatze erschienen ist und löschte. Ebenso Kriegsfall zusätzlich erforderlichen Brandschutz-, sei richtig gestellt, daß die Verbände an der verletzten Sanitäts-Entgiftungs- und Bergungsdienst zu gewähr- Frau und dem Kinde durch die Feuerwache angelegt leisten hat. Die Ausbildung des Brandschutzdienstes wurden und die Rettungswache nur den Transport sowie des Entgiftungs- und des Bergungsdienstes nach dem Krankenhaus übernommen hat. Ferner sei wird der Feuerwehr übertragen. festgestellt, daß die Feuerwache Schwälmer Straße für den gesamten Stadtbezirk Bockenheim zuständig ist.“ Die Bockenheimer Einwohnerschaft interessiert sich sehr für die neue Einrichtung. Im Juli 1914 organisiert der Bockenheimer Vortragsverein eine Besichtigung der Wache unter Führung des Wachvorstehers, Brandmeister Pauli. Zum Abschluss der Führung erfolgt ein Probealarm mit Ausrücken des Automobil- Löschzuges. Wenige Tage später, am 28. Juli 1914, erklärt Österreich-Ungarn Serbien den Krieg und die Welt taumelt in einen Weltkrieg hinein, dessen Wirkungen auch die Frankfurter Feuerwehr schnell zu spüren be- Berufsfeuerwehr und Hilfskräfte im Hof der Wache kommt. So kommt es nicht mehr zur Inbetriebnahme der Bockenheimer „Schwesterwache“; der fast bau- Dass man tatsächlich in das dunkelste Kapitel der gleichen Feuerwache in Sachsenhausen. Die neue deutschen Geschichte geht, bekommt die Bocken- Bockenheimer Wache bleibt in Betrieb, aber da zahl- heimer Feuerwache erstmal im November 1938 zu reiche Männer der Berufsfeuerwehr an die Front ein- spüren, als in Deutschland die jüdischen Gotteshäu- berufen werden, wird die eigentlich schon aufgelöste der brennen, so auch die der Wache nächstgelegene Freiwillige Feuerwehr Bockenheim aufgefordert, bis Westendsynagoge in der Freiherr-vom-Stein-Straße. zum Kriegsende weiterhin ihre Aufgaben wahrzuneh- Im Gegensatz zu den anderen Brandstellen in der men. Stadt nimmt die Feuerwehr hier Rohre vor, um den Brand zu löschen, was die Synagoge vor der Zerstö- Die Nachkriegszeit und die Weimarer Republik rung bewahrt. Bisher unbelegten Übermittlungen nach bringen für die Feuerwache Schwälmer Straße, wie für soll der Führer der Einheiten dafür disziplinarisch die anderen Wachen auch, zahlreiche interne und bestraft worden sein. organisatorische Veränderungen, bleibt aber für den Standort weitgehend ohne besondere Vorkommnisse. 4 Feuerlösch- und Entgiftungsdienst 15
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