Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - kja Diözese Würzburg

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Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - kja Diözese Würzburg
# 43. 2/2019
INFORMATIONEN VON BDKJ & KJA WÜRZBURG

                                        Frauen*
                                        Gleich-        Mädchen und Frauen
                                        berechtigung   im Blick
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - kja Diözese Würzburg
Editorial
                                                                                                                                                                                                                   Frauen*

                                                                                                                                                                                                                   In dieser Ausgabe werdet ihr          Dass alle wählen, ihre Meinung frei

                                                                                                                                                                             Impressum                             immer wieder über das sogenannte
                                                                                                                                                                                                                   Gendersternchen * stolpern. Es
                                                                                                                                                                                                                                                         äußern und sich frei entscheiden
                                                                                                                                                                                                                                                         dürfen. Dass die Berufswahl nicht
                                                                                                                                                                                                                   schließt zugleich Männer und Frau-    vom Geschlecht abhänging ist. Das
                                                                                                                                                                             Herausgeber:
                                                                                                                                                                                                                   en, aber auch andere Geschlechte-     war nicht immer so und gelingt
                                                                                                                                                                               Bund der Deutschen Katholischen
                                                                                                                                                                                                                   ridentitäten ein.                     auch heute noch nicht uneinge-
                                                                                                                                                                               Jugend (BDKJ) Diözesanverband
                                                                                                                                                                                                                   Wird der Stern beispielsweise an      schränkt, wie der erste Artikel

         Inhalt                                                                                                                                                                Würzburg
                                                                                                                                                                                                                   „Frauen*“ angehängt, sind damit       aufzeigt. Auch ein lebendiges In-
                                                                                                                                                                             Mitherausgeber:
                                                                                                                                                                                                                   alle Personen gemeint, die sich       terview am Ende des Thementeils
                                                                                                                                                                               Kirchliche Jugendarbeit Diözese
                                                                                                                                                                                                                   als Frau fühlen bzw. als solche       von einer Oma und ihrer Enkelin
         Editorial                 .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .    3     Würzburg (kja)
                                                                                                                                                                                                                   sozialisiert wurden. Der Gender-      gibt Einblick in die Unterschiede,
                                                                                                                                                                             Verantwortlich:
                                                                                                                                                                                                                   stern zielt darauf ab, eine mög-      wie Mädchen und junge Frauen vor
         Thema  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4                     Christina Lömmer
                                                                                                                                                                                                                   licherweise enge Auslegung der        70 Jahren und heute aufgewachsen
         Männer und Frauen sind gleichberechtigt!? . . . . . . . . . . . 4                                                                                                     Daniela Hälker
                                                                                                                                                                                                                   Begriffe zu verhindern und auf die    sind.
         Die Frauen und die Kirche  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8                                                           Redaktion:
                                                                                                                                                                                                                   Fülle der mitgemeinten Identitäten
         Rolle vorwärts mit den Girls!  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 12                                                                 Verena Fiedler, Christina Lömmer,
                                                                                                                                                                                                                   zu verweisen. Deshalb haben wir       Nach den historischen Fakten
         Mehrwert von mädchen- und frauenspezifischen                                                                                                                          Matthias Muckelbauer, Daniela
                                                                                                                                                                                                                   auch bewusst den Titel „Frauen*“      könnt ihr euch in „Frauen und
         Angeboten  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 14                               Hälker, Andreas Kees,
                                                                                                                                                                                                                   gewählt.                              die Kirche“ selbst ein Bild davon
         Generationen im Gespräch - Frauenbiographien                                                                                                                          Julia Stöhr
                                                                                                                                                                                                                                                         machen, wie die Stellung der Frau
         früher und heute  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 20                                        Kontaktadresse:
                                                                                                                                                                                                                   Wenn ich mir vorstelle, wie das       in der Kirche seit Jahrhunderten
         Impuls .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 24                    Redaktion - Meteorit
                                                                                                                                                                                                                   Leben vor 100 Jahren ausgesehen       verstanden wurde und wird und
         Pinnwand .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 26                           Kilianeum – Haus der Jugend
                                                                                                                                                                                                                   hat, wird mir bewusst, dass vieles    wie das Patriarchat nach wie vor
                                                                                                                                                                               Ottostraße 1, 97070 Würzburg
                                                                                                                                                                                                                   heute Selbstverständliche erst hart   bewahrt wird.
         BDKJ  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 28                  fon: 0931 386-63141
                                                                                                                                                                                                                   erkämpft werden musste.
                                                                                                                                                                               E-Mail: bdkj@bistum-wuerzburg.de
                                                                                                                                                                                                                   Im alltäglichen Leben scheint es      In „Rolle vorwärts mit den Girls!“
         kja  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 30             www.bdkj-wuerzburg.de
                                                                                                                                                                                                                   heute selbstverständlich, dass        seid ihr herzlich eingeladen,
                                                                                                                                                                             Layout:
                                                                                                                                                                                                                   Männer und Frauen, Jungen und         euch in den vielen aufgezählten
         Verbände  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 34                             Selina Seubert
                                                                                                                                                                                                                   Mädchen alle über den gleichen        Bewegungen rund um das Thema
         Regionen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 36                        Lektorat:
                                                                                                                                                                                                                   Zugang zu Bildung sowie zu            Gleichberechtigung zu vertiefen!
                                                                                                                                                                               Redaktionsteam
                                                                                                                                                                                                                   politischer und gesellschaftlicher
         Leute und Fakten                                        .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .      38   Druck:
                                                                                                                                                                                                                   Teilhabe verfügen.                    Wollt ihr wissen, wo der Mehrwert
                                                                                                                                                                               Druckerei Lokay e. K., Reinheim
                                                                                                                                                                                                                                                         von mädchen- und frauenspezifi-
                                                                                                                                                                             Auflage:
                                                                                                                                                                                                                                                         schen Angeboten zu finden ist? Wir
                                                                                                                                                                               1.500 Stück
                                                                                                                                                                                                                                                         haben Mädchen und Verantwort-

         Anmeldung                                                                                                                                                                                                                                       liche aus den Bereichen Schule,
                                                                                                                                                                                                                                                         Jugendverbände und Sport danach
         Hier kannst du den Meteorit                                                                                                                                                                                                                     gefragt.
         kostenfrei bestellen:
         www.bdkj-wuerzburg.de                                                                                                                                                                                                                           Viel Spaß beim Lesen, eine geseg-
                                                                                                                                                                                                                                                         nete Weihnachtszeit mit einem
                                                                                                                                                                                                                                                         gelungenen Start in das neue Jahr
                                                                                                                                                                             Bezugshinweis:
                                                                                                                                                                                                                                                         2020 wünscht euch im Namen des
                                                                                                                                                                               Kostenloser Bezug über die
                                                                                                                                                                                                                                                         gesamten Redaktionsteams

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         Redaktionsschluss der nächsten                                                                                                                                                                                                                          Referentin der kja Leitung
         Ausgabe: 15. Mai 2020
         Thema: Digitale Welten

2/2019 2                                                                                                                                                                                                                                                                                      3 EDITORIAL

Titelbild: www.pixabay.de                                                                                                                                                                                                                                                             Bild: www.pixabay.de
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - kja Diözese Würzburg
THEMA

                                                                                                                         Bild: www.pixabay.de
                                                                                                                                                auf gleichberechtigte Teilhabe             (§1354).                          •   1908 erlaubt das neue
                                                                                                                                                wie das Wahlrecht, das Recht auf      •    Das Gesetzbuch weist Ehefrau-         Reichsvereinsgesetz Frauen,
                                                                                                                                                Erwerbsarbeit sowie das Recht auf          en die Leitung des Hauswesens         politischen Vereinen und
                                                                                                                                                Bildung einfordern. So gründet             zu.                                   Parteien beizutreten. Dies ist
                                                                                                                                                sich 1865 der Allgemeine Deutsche     • Das Vermögen der Frau wird               ein Meilenstein und stellt die
                                                                                                                                                Frauenverein und 1894 gelingt eine         durch die Eheschließung der           politische Teilhabe von Frauen
                                                                                                                                                organisatorische Einigung der deut-        Verwaltung und Nutznießung            auf eine rechtliche Grundlage.
                                                                                                                                                schen Frauenbewegung zum „Bund             des Mannes unterworfen            •   1912 findet in München der
                                                                                                                                                Deutscher Frauenvereine“.                  (§1363).                              Frauenstimmrechtskongress
                                                                                                                                                Eine der wichtigen Akteurinnen im     • Der Vater hat Kraft der elter-           mit Demonstration statt.
                                                                                                                                                19. Jahrhundert war Louise Otto,           lichen Gewalt das Recht und           Hauptakteurinnen sind Anita
                                                                                                                                                sie setzt sich für eine Demokra-           die Pflicht, für die Person und       Augspurg und Lida Gustava
                                                                                                                                                tisierung der Gesellschaft sowie           das Vermögen des Kindes zu            Heymann.
                                                                                                                                                für Anerkennung der bürgerlichen           sorgen (§1627).                   •   Erster Weltkrieg 1914-1918:
                                                                                                                                                Rechte und bessere Bildungs- und      Diese Diskriminierungen sowie auch         Frauen müssen immer mehr

      Männer und Frauen sind gleichberechtigt!
                                                                                                                                                Arbeitsmöglichkeiten, auch für        schon die Beratungen im Vorfeld            gesamtgesellschaftliche Aufga-
                                                                                                                                                Frauen, ein.                          zum BGB mobilisieren Frauen. Die           ben übernehmen und gewähr-

      Männer und Frauen sind gleichberechtigt?
                                                                                                                                                                                      entsprechenden Frauenvereine               leisten die Aufrechterhaltung
                                                                                                                                                Im Jahre 1900 tritt das Bürgerliche   erhalten Zulauf und es stellen sich        des wirtschaftlichen Lebens.
                                                                                                                                                Gesetzbuch in Kraft. An einer Be-     erste Teilerfolge ein:                     Sie leisten z.B. Schwerstarbeit
                                                                                                                                                nachteiligung der Frau wird jedoch    • 1896 können in Berlin die ers-           in der Rüstungsindustrie - für
      „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ – so lautet Artikel 3, Absatz    rechte – und damit gleichberech-                               weiter festgehalten:                       ten Frauen das Abitur ablegen,        die Hälfte des Lohns der Män-
      2 des Grundgesetzes. Diese Verankerung des Gleichheitsgrundsatzes im       tigte Teilhabe von Frau und Mann                               • Ehefrauen dürfen einen                   an den Universitäten Berlin           ner. Während des 1. Weltkrie-
      Grundgesetz erfolgt im Jahr 1949 und ist den sogenannten „Müttern des      – keine Erwähnung. Vielmehr wird                                   Arbeitsvertrag unterschreiben          und Göttingen werden Frauen           ges sind Frauen hauptsächlich
      Grundgesetzes“ zu verdanken: Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene       1850 Frauen die Mitgliedschaft in                                  und der Ehemann kann den               als Gasthörerinnen zugelassen.        mit der Sicherung des tägli-
      Weber und Helene Wessel, Mitgliedsfrauen des Parlamentarischen Rates.      politischen Parteien und Verbän-                                   Vertrag jederzeit kündigen.       • 1900 werden im Land Baden                chen Lebens beschäftigt - der
      Der rechtliche Rahmen für die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist     den verboten.                                                  • Dem Mann steht die Entschei-             Frauen als Studentinnen zuge-         Kampf um Frauenwahlrecht
      geschaffen – die politische und gesellschaftliche Umsetzung braucht Zeit                                                                      dung in allen das gemein-              lassen.                               und gleichberechtigte Teilha-
      und ist auch heute im Jahr 2019 noch im Prozess.                           Die Gesellschaft des 19. Jahrhun-                                  schaftliche eheliche Leben        • 1903 können Frauen in Bayern             be ruht bis 1917 weitgehend.
                                                                                 derts ist patriarchalisch organi-                                  betreffenden Angelegenheiten           und 1908 in Preußen studie-       •   1917 kündigt Kaiser Wilhelm
      Wie ist die Stellung der Frau, ihre   19. Jahrhunderts weite Teile         siert, d.h. Männer bestimmen die                                   zu; er bestimmt insbeson-              ren.
      politische und gesellschaftliche      Europas und auch den Deutschen       „Ordnung“ und Frauen werden                                        dere Wohnort und Wohnung
      Teilhabe vor 1949 und wie ist es      Bund ergreifen, sind ein Startsig-   weder als selbstständig noch als
      heute?                                nal für die Frauenemanzipation in    mündig betrachtet. Frauen haben
      Im 18. Jahrhundert beginnen in        Deutschland. Frauen glauben, eine    kein Wahlrecht, kein Recht auf
      der Zeit der Aufklärung und der       demokratische Revolution werde       Erwerbstätigkeit oder persönlichen
      Französischen Revolution Diskussi-    auch ihnen zu Rechten verhelfen.     Besitz. Sie sind als Ehefrauen sozial
      onen über die politische Teilhabe     Das ist ein Irrtum. Zur Wahl der     und ökonomisch von ihren Ehemän-
      von Frauen. Die Schriftstellerin      Frankfurter Nationalversammlung,     nern oder wenn sie unverheiratet
      Olympe de Gouges (1748-1793) for-     dem ersten gesamtdeutschen           sind, von ihren Vätern abhängig.
      dert 1791 in Frankreich mit ihrer     Parlament, sind keine Frauen,        In diesem gesellschaftlichen Kon-
      „Erklärung der Rechte der Frau und    sondern nur besitzende Männer ab     text und gegen den gesellschaft-
      Bürgerin“ das Wahlrecht für Frauen    25 Jahren zugelassen.                lichen Zeitgeist erfordert es Mut,
      und gleichberechtigte Teilhabe an                                          sich für gleichberechtigte Teilhabe
      der politischen Gestaltung. Leider    In dem Grundrechtskatalog            von Frau und Mann einzusetzen.
      erfolglos.                            von 1848 „Die Grundrechte des        Und doch gibt es immer wieder
      Die Revolutionen, die Mitte des       deutschen Volkes“, finden Frauen-    Frauen, die das Menschenrecht

2/2019 4                                                                                                                                                                                                                                                              5 THEMA

                                                                                                                                                                                                                                             Bild: wikipedia.de - Anita Augspurg
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - kja Diözese Würzburg
THEMA

               eine Wahlrechtsreform an –         den Frauen gegeben, was ihnen         dient als bevölkerungspolitische      Art. 3, Abs. 2, GG stellt letztlich    Eheleute Haushaltsführung und        •     partnerschaftlicher Aufteilung
               ohne Frauenwahlrecht. Die          bis dahin zu Unrecht vorenthalten     Maßnahme, um die Geburtenrate         ein Zukunftsprogramm vor, dessen       Erwerbstätigkeit im gegenseitigen          von Sorgearbeit
               sogenannte bürgerliche und         worden ist.“                          zu erhöhen.                           Ziele noch zu erreichen sind.          Einvernehmen regeln. Frauen sind     •     Parität in den Parlamenten
               proletarische Frauenbewegung       In die Weimarer Verfassung wird       Frauen werden aus dem öffentli-       Die Umsetzung von „Männer und          demnach nicht mehr verpflichtet,     •     gleichberechtigter Teilhabe in
               solidarisieren sich für die Ein-   1919 Artikel 109, Abs. 2 einge-       chen Leben verdrängt, z.B.            Frauen sind gleichberechtigt“ in       den Haushalt alleinig zu führen.           Führungspositionen und
               führung des Frauenwahlrechts.      fügt: „Männer und Frauen haben        • wird ihnen das passive Wahl-        anderen Rechtsbereiche und in          Ebenso kann der Ehemann die          •     keine Gewalt an Frauen! (Jede
                                                  grundsätzlich dieselben staatsbür-         recht entzogen;                  das gesellschaftliche Leben ist ein    Arbeitsstelle seiner Frau nicht            vierte Frau im Alter von 16
        Nach dem 1. Weltkrieg und dem             gerlichen Rechte und Pflichten.“      • erhält ein Ehepaar ein Ehe-         langer und auch heute noch andau-      mehr kündigen, wenn er meint, die          bis 85 Jahren wurde bereits
        Zusammenbruch des Kaiserrei-              Grundsätzlich heißt nicht immer.           standsdarlehen, wenn die Frau    ernder Prozess.                        Hausarbeit werde vernachlässigt.           einmal in ihrem Leben von
        ches wird die Weimarer Republik           1920 werden Frauen an deutschen            bei der Eheschließung ihre                                              Zudem müssen Ehefrauen nicht               ihrem Lebensgefährten oder
        ausgerufen und letztlich für viele        Hochschulen zur Habilitation zuge-         Erwerbstätigkeit aufgibt (1933   Das bis 1977 geltende Familien-        mehr zwingend den Familiennamen            Ex-Lebensgefährten misshan-
        überraschend das Frauenwahlrecht          lassen. 1932 dürfen verheiratete           Gesetz zur Verminderung der      recht erklärt Männer zu Ernährern,     des Mannes annehmen.                       delt.)
        eingeführt: Am 7.11.1918 ruft Kurt        Beamtinnen entlassen werden,               Arbeitslosigkeit);               Frauen zu Hausfrauen und Müttern
        Eisner den Freistaat Bayern sowie         wenn das Einkommen durch den          • können unverheiratete Be-           – die Familienpolitik der jungen       1980 wird das Gesetz über die        Seit den Forderungen von Olympe
        ein aktives und passives Wahlrecht        Mann gesichert ist.                        amtinnen leichter entlassen      Bundesrepublik favorisiert das         Gleichbehandlung der Frau am         de Gouges im 18. Jahrhundert ha-
        für Frauen und Männer aus. Fünf                                                      werden;                          Modell der Hausfrauenehe.              Arbeitsplatz erlassen, z.B. mit      ben sich politische und rechtliche
        Tage später wird auch auf Reich-          1933 beginnt die nationalsozia-       • dürfen Frauen in eine niedri-       1958 tritt das Gleichberechtigungs-    dem Recht auf gleiches Entgelt,      Rahmenbedingungen für gleichbe-
        sebene das aktive und passive             listische Gewaltherrschaft und es          gere Besoldungsklasse einge-     gesetz in Kraft. Frauen dürfen ihr     auch müssen Stellenausschreibun-     rechtigte, politische und gesell-
        Frauenwahlrecht verkündet.                endet die Geschichte der freien            stuft werden als Männer;         in die Ehe eingebrachtes Vermögen      gen geschlechtsneutral formuliert    schaftliche Teilhabe von Frauen
                                                  Frauenbewegung. Die Nationalsozi-     • wird 1936 ein Berufsverbot für      selbst verwalten und ihr eigenes       werden. Seit 1997 ist Vergewal-      entscheidend verbessert.
        Marie Juchacz ist am 19.02.1919 ist       alisten setzen auf eigene Frauen-          Juristinnen erlassen.            Konto führen. Eine Ehefrau braucht     tigung in der Ehe strafbar. 1999     Veränderungen jedoch kön-
        die erste weibliche Abgeordnete,          organisationen, auf einen anderen                                           nicht mehr die Einwilligung ihres      legt die Regierungskoalition fest,   nen nicht allein über staatliche
        die in der Weimarer Nationalver-          Frauentyp – die Frau als Gebärende    Frauen und Mädchen werden             Mannes, um einer Erwerbsarbeit         „die Gleichstellung von Frauen und   Regulierung erreicht werden, es
        sammlung spricht. „Meine Herren           und als Mutter.                       verstärkt in der Rüstungsindust-      nachzugehen, allerdings muss sie       Männern zum durchgängigen Leit-      geht auch immer um die Verände-
        und Damen! Es ist das erste Mal,          Die Einführung des Mutterkreuzes      rie eingesetzt, wie vier Millionen    dies mit ihren Pflichten in Ehe und    prinzip“ zu machen. 2002 wird das    rung im Denken und Handeln der
        dass in Deutschland die Frau als          1938 sowie des Muttertages als        Zwangsarbeiterinnen, die aus den      Familie vereinbaren können.            Gewaltschutzgesetz mit Stärkung      einzelnen Menschen. Wenn wir ein
        freie und gleiche im Parlament            Feiertag 1934 ist mit der rassisti-   besetzten Gebieten deportiert                                                der zivilrechtlichen Rechtsschutz-   Bewusstsein für Geschlechterge-
        zum Volke sprechen kann […]. Was          schen Ideologie verbunden und soll    werden.                               Den Zeitgeist in den 1960iger Jah-     möglichkeiten für Opfer häuslicher   rechtigkeit entwickeln, kann sich
        diese Regierung getan hat, das war        die Wahrnehmung der Benachtei-                                              ren gibt der „Bericht der Bundesre-    Gewalt erlassen. 2016 tritt das      auch etwas ändern.
        eine Selbstverständlichkeit: Sie hat      ligung von Frauen mindern. Dieses     1949 wird im Grundgesetz der          gierung über die Situation der Frau    neue Sexualstrafrecht „Nein heißt
                                                                                        Bundesrepublik Deutschland die        in Beruf, Familie und Gesellschaft“    Nein“ in Kraft.
                                                                                        Gleichberechtigung von Mann und       von 1966 wider:                        2017 tritt das „Gesetz zu dem
                                                                                        Frau festgelegt.                      „Pflegerin und Trösterin sollte        Übereinkommen des Europarats
                                                                                                                              die Frau sein; Sinnbild bescheide-     zur Verhütung und Bekämpfung von
                                                                                        Gleichheit vor dem Gesetz,            ner Harmonie, Ordnungsfaktor in        Gewalt gegen Frauen und häus-
                                                                                        Artikel 3, (2) Männer und Frauen      der einzig verlässlichen Welt des      licher Gewalt“, die sogenannte
                                                                                        sind gleichberechtigt.                Privaten; Erwerbstätigkeit und         Istanbul-Konvention, in Kraft.
                                                                                        Ergänzung seit 1994: Der Staat        gesellschaftliches Engagement
                                                                                        fördert die tatsächliche Durchset-    sollte die Frau nur eingehen, wenn     Gleichwohl gibt es auch im Jahr
                                                                                        zung der Gleichberechtigung von       es die familiären Anforderungen        2019 noch immer keine Gerechtig-
                                                                                        Frauen und Männern und wirkt          zulassen.“                             keit zwischen Männern und Frauen
                                                                                        auf die Beseitigung bestehender                                              in Deutschland.
                                                                                                                                                                                                              Petra Müller-März ist Gleich-
                                                                                        Nachteile hin. Der Gleichheits-       1977 erfolgt eine grundlegende         Frauen sind formal gleichberech-
                                                                                                                                                                                                              stellungsbeauftrage für Frauen
                                                                                        grundsatz steht im Widerspruch zu     Reform des Ehe- und Familien-          tigt, aber wir sind immer noch auf
                                                                                                                                                                                                              und Männer bei der Stadt
                                                                                        gesellschaftlichen und rechtlichen    rechts, in der BRD wird das Leitbild   dem Weg, z.B. zu
                                                                                                                                                                                                              Würzburg
                                                                                        Rahmenbedingungen wie z.B. im         der Hausfrauenehe aufgegeben. Im       • Lohngerechtigkeit
                                                                                        Familienrecht.                        BGB ist nun z.B. festgelegt, dass      • Rentengerechtigkeit

2/2019 6                                                                                                                                                                                                                                       7 THEMA
 Bild: wikipedia.de
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - kja Diözese Würzburg
THEMA

          Von Bäumen und vom Wald: Die Frauen und die Kirche
          Die Frau ist der Sonderfall der Menschheit. Dieser Eindruck drängt sich    Dem kommt man aber nicht bei,         tes* - gelebt haben und analog eine    im Sinne einer Bestätigung der         ten Frauen gesellschaftliche und
          auf, wenn man hineinhört in die kirchlichen Äußerungen über Frauen,        indem man den „Sonderfall Frau“       Geschichte darüber, wie leise das      kirchlichen Lehre ausgelegt. Heute     wirtschaftliche Gleichberechti-
          seien sie wohlwollend, herablassend oder offen abwertend. Denn wenn        bearbeitet, sondern indem man         Echo ihrer Stimmen heute nur noch      gibt es sowohl vormoderne als auch     gung, dieser Prozess ist noch nicht
          überhaupt der Bedarf benannt wird, es müsse über Frauen gesprochen         das eigene Bild von Kirche öffnet.    nachklingt - von Wüstenmüttern         moderne Lager in der Kirche, die       abgeschlossen. Während aber in
          werden, es müsse gar eine „Theologie der Frau“ geben (Papst Franziskus),   Die Rolle der Lai*innen oder die      der frühen Kirche über Diakonin-       sich weithin voneinander isoliert      den westlichen Gesellschaften
          dann wird damit zugleich gesagt, dass Frauen eben nicht schon ohnehin      Rolle der Frauen in der Kirche zu     nen, Frauen in der Armutsbewe-         haben. Beide unterscheiden sich        inzwischen die grundsätzliche
          ein Thema sind bzw. dass, wenn über Menschen gesprochen wird, nicht        beschreiben - was man nur in Be-      gung des Mittelalters, Beginen,        im Wesentlichen in der Frage,          Gleichberechtigung weithin ak-
          automatisch auch über Frauen gesprochen wird. Das Problem dabei ist,       zug auf Männer unterscheiden muss     Mystikerinnen und mächtige             ob der Glaube sich geschichtlich       zeptiert ist und nur von antidemo-
          dass das stimmt. Männer werden in der katholischen Kirche nicht annä-      -, das wäre ein ähnliches Vorhaben    Äbtissinnen, bis zu gültig geweih-     entwickeln und verändern kann          kratischen, rechtspopulistischen
          hernd so problematisiert wie Frauen. Über Jungen und junge Männer wird     wie über die Rolle der Bäume im       ten Priesterinnen der tschechi-        oder nicht, und diese Frage wird       Kreisen abgelehnt wird, ist das in
          nicht gesagt, man müsse ihnen die „Größe und Schönheit ihrer Berufung      Wald nachzudenken. Lai*innen, die     schen Untergrundkirche während         insbesondere über die Frage nach       der Kirche nicht der Fall. In der
          als Mann“ vor Augen stellen, in Bezug auf Mädchen und junge Frauen         Hälfte von ihnen Frauen, sind die     des Kalten Krieges. Frauenbilder       der Rolle der Frauen verhandelt.       kirchlichen Ideenbildung herrschte
          umgekehrt aber sehr wohl.                                                  Kirche.                               in der Geschichte des* geglaubten                                             und herrscht das klassische Rol-
                                                                                                                           Gottes* waren divers, bunt und         Jede Menge Zeitgeist in der Kirche     lenmodell vor, das in eine „so war
                                                                                     Trotzdem gilt, dass es fast keine     vielgestaltig. Das Kurzzeitgedächt-    - aber von früher                      es immer schon“-Vergangenheit
                                                                                     weiblichen Stimmen sind, die zu       nis der kirchlichen Organisation       Denn während die Frauen lange ein      zurückprojiziert und als „natür-
                                                                                     hören sind, wenn es um kirchliche     ist aber eben dies: kurz. Das hat      vernachlässigtes Feld der Theologie    lich“ angesehen wird, und es hat
                                                                                     Äußerungen über Frauen geht.          zur Folge, dass das, was wir heute     waren, begann das Lehramt sich im      eine innere Logik, dass neben dem
                                                                                     Denn die Stimmen, die zu hören        als „war immer schon so“ verin-        19. und mehr noch im 20. Jahrhun-      Kampf gegen Abtreibung ausge-
                                                                                     sind und denen Gewicht beige-         nerlicht haben, kaum älter als 150     dert für sie zu interessieren, und     rechnet das Thema der „traditio-
                                                                                     messen wird, gehören in der Regel     Jahre ist.                             zwar wegen des sich wandelnden         nell“ genannten Familie die Brücke
                                                                                     Amtsträgern, das heißt, Mitglie-                                             Frauenbilds der westeuropäischen       bildet, über die rechtspopulistische
                                                                                     dern des Klerus. Die Zeit, in der     Das heutige offiziell-kirchliche       Moderne. In der europäischen bür-      Kreise sich in bürgerlich-konser-
                                                                                     die Kirche auch in ihrer - wie auch   Frauenbild ist stark geprägt von       gerlichen Gesellschaft hatte sich      vative, kirchliche Kreise Zutritt
                                                                                     immer gestalteten - Leitungsebene     der Rollenzuschreibung des bürger-     zwar einerseits ein relativ junges,    verschaffen.
                                                                                     vielstimmig unterwegs war, war        lichen 19. Jahrhunderts in Europa,     heute aber als „klassisch“ bezeich-
                                                                                     sehr kurz. Wir haben Zeugnisse aus    denn diese Zeit ist es auch, die die   netes Rollenmodell als Ideal durch-    Die drei weiblichen Aggregatzu-
                                                                                     dieser Zeit im Neuen Testament,       heutige Gestalt des Katholizismus      gesetzt, bei dem der Mann für die      stände: Jungfrau, Braut, Mutter
                                                                                     aber schon innerbiblisch wird die     stark geprägt hat: Die innerkirch-     Erwerbsarbeit und die Frau für den     Heteronormativität und die An-
                                                                                     Entwicklung hin zu einer Kirchen-     liche Macht begann, sich in bis        häuslichen Bereich zuständig war,      nahme, dass das Geschlecht das
                                                                                     gestalt sichtbar, die die Regeln      dahin unbekanntem Ausmaß auf           und das unterfüttert wurde von ei-     Wesen des Menschen bestimmt,
                                                                                     des in der damaligen Gesellschaft     den Papst zu konzentrieren, und        nem romantischen Liebesideal und       prägen das lehramtliche Bild von
                                                                                     geltenden Patriarchats übernahm:      das geschah parallel zum Kampf         einem daraus folgenden Familien-       Frauen. Dieses Bild ist insbeson-
                                                                                     Die Gemeinde zu leiten und zu         der Kirchenleitung gegen die           bild, bei dem die familiären Pflich-   dere im Pontifikat Johannes Paul
                                                                                     repräsentieren und den Glauben        Moderne, insbesondere gegen die        ten dauerhaft auf romantischer         II. manifestiert und eingeschärft
                                                                                     ins Wort bringen war dann Sache       Ideen der Demokratie, Meinungs-        Liebe gründen. Dieses Bild hat in      worden, der den Frauen die Rollen
                                                                                     von freien, vermögenden Män-          freiheit, Wissenschaftsfreiheit und    der Kirche fest Fuß gefasst. In der    Jungfrau, Braut und Mutter zuwies
                                                                                     nern, nicht mehr auch von Armen,      Religionsfreiheit. Ihre vorläufige     Gesellschaft wurde es aber in einer    und mit dem apostolischen Schrei-
                                                                                     Sklav*innen und wohlhabenden          Spitze erfuhr diese Entwicklung        Pendelbewegung gefolgt von einer       ben „Ordinatio sacerdotalis“ 1994
                                                                                     Frauen.                               in der Festlegung der Lehre, dass      Modernisierung des Frauenbildes:       ihren Ausschluss vom kirchlichen
                                                                                                                           der Papst unfehlbar lehren könne,                                             Amt zementierte. Das Ergebnis
                                                                                     Kirchliches Kurzzeitgedächtnis        durch das Erste Vatikanische Kon-      In der ersten Frauenbewegung ab        dieser Entwicklung ist ein immer
                                                                                     Man könnte über die Jahrhunder-       zil. Diese Entwicklung wurde durch     dem Ende des 19. Jahrhunderts er-      größeres Auseinanderklaffen
                                                                                     te hinweg eine lange Geschich-        das Zweite Vatikanische Konzil         kämpften Frauen gleiche politische     von innen- und außerkirchlichen
                                                                                     te rekonstruieren, wie Frauen         relativiert, aber dessen Rezeption     Rechte, vor allem das Wahlrecht.       Selbstverständlichkeiten. Während
                                                                                     Kirchengeschichte - das heißt, die    ist nicht eindeutig - es wird sowohl   In der zweiten Frauenbewegung          gesellschaftlich die Diskriminierung
                                                                                     Geschichte des* geglaubten Got-       im Sinne einer Neuerung als auch       ab den 1960er Jahren erkämpf-          von Frauen als Problem verstan-

2/2019 8                                                                                                                                                                                                                                    9 THEMA

Bild: Christian Toussaint
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - kja Diözese Würzburg
THEMA

         den wird, ist es innerkirchlich            Annahmen über das Wesen der            gie studieren, sich seit 1972 auch    der Feier der Eucharistie, die         Kirche zu vermeiden, fiel diese       Teil weiblicher Gottes*erfahrung
         komplexer: Es ist auch unter               Frau, die eine natürliche bräut-       habilitieren und also Katholische     das Zweite Vatikanische Konzil         Hinwendung zur Moderne nicht ein-     ist über diesen Weg nicht mehr
         Katholik*innen eben keine allge-           liche Veranlagung habe, die sie        Theologie lehren. Im Kirchlichen      als Ideal formuliert hat, wird der     deutig aus, sondern blieben viele     zu rekonstruieren. Aber selbst die
         mein geteilte Annahme mehr, dass           zu aufrichtiger Hingabe befähige,      Gesetzbuch von 1983 sind viele        liturgische Dienst des Messdienens     Konzilisdokumente Kompromiss-         wenigen Spuren, die Frauen im
         Frauen nicht die gleichen Funktio-         münden direkt in normative Erwar-      vorher bestehende Einschränkun-       heute nicht mehr als Vorstufe zum      texte, die man eben sowohl strikt     Alten und Neuen Testament hin-
         nen ausüben könnten wie Männer.            tungen an ihre Rolle, weil sich eine   gen für Lai*innen weggefallen         Priesteramt, sondern als Aufgabe       konservativ als auch im Sinne einer   terlassen haben, sind im religiösen
         War der Ausschluss der Frauen vom          Frau nur selbst finden könne, wenn     - nicht nur das Verbot für Frauen,    aller Getauften verstanden - seit      Neuerung auslegen kann. Auch          Gedächtnis weithin verschüttet.
         Amt in vormodernen Zeiten eine             sie anderen ihre Liebe schenke, so     den Altarraum einer Kirche zu be-     den siebziger Jahren gab es darum      die Neuerungen des Kirchenrechts      Sie wieder zugänglich zu machen,
         Selbstverständlichkeit, weil Frauen        das gleiche Dokument weiter. Ent-      treten. Die Möglichkeiten wurden      mehr und mehr Ministrantinnen,         sind ambivalent geblieben und         ist das Verdienst der feministi-
         auch gesellschaftlich keineswegs           sprechende vergleichbare Aussagen      für Lai*innen insgesamt erweitert,    seit 1992 bzw. 1994 wurde dies         kennen weiterhin eine Trennung        schen Exegese und Theologie, die
         gleichgestellt waren, so steht die         über Männer sucht man vergebens.       Dienste und Aufgaben in der Kirche    auch päpstlich und durch die Got-      in lehrende und hörende Kirche,       im 20. Jahrhundert zunächst in
         kirchliche Lehre jetzt vor dem Pro-        Offenbar ist der Mann nicht in         zu übernehmen, bis hin zur als Aus-   tesdienst- und Sakramentenkongre-      einen fundamentalen Unterschied       der protestantischen, dann auch
         blem, diskriminierende Strukturen          gleicher Weise ein Problem wie die     nahme in Notzeiten ermöglichten       gation anerkannt. 2001 folgte noch     zwischen Klerikern und Lai*innen      in der katholischen Theologie
         mit Aussagen über Frauen recht-            Frau. Diese Sicht auf Frauen und       Gemeindeleitung. Frauen haben         die Klarstellung, dass kein Priester   und damit in der Folge auch zwi-      Fuß gefasst hat, aber auch immer
         fertigen zu müssen, die Gleichwür-         Weiblichkeit ist stereotyp und wird    das aktive und passive Wahlrecht      gezwungen werden kann, sich von        schen Männern und Frauen. Das         noch umstritten und angefragt
         digkeit ausdrücken sollen. Weil es         nicht einmal mehr von kirchlich        für Kirchenvorstand und Pfarr-        Mädchen oder Frauen ministrieren       mag damit zu tun haben, dass an       ist. Sie ist aber immer noch nötig,
         eine Entscheidung „des Schöpfers“          hochidentifizierten Menschen allge-    gemeinderat, Katholikenrat und        zu lassen.                             seiner Entstehung keine Lai*innen     denn was so allumfassend ist wie
         sei, dass Frauen nun einmal keine          mein geteilt, sie ist im Gegenteil     Kirchensteuerrat und können so                                               beteiligt waren.                      der Einfluss des Patriarchats auf
         Männer seien, könne man „ohne              innerkirchlich zu einer Minder-        Einfluss nehmen auf den Umgang        Noch keine nachhaltige Wende                                                 Denken und Glauben, also auf das,
         nachteilige Folgen für die Frau            heitenposition geworden. Denn          mit den kirchlichen Finanzen und      Dennoch wirkt diese Aufzählung,        Der Elefant im Raum                   was Menschen für denkmöglich und
         einen gewissen Rollenunterschied           auch innerkirchlich treten Frauen      die Gestaltung der Seelsorge. Nach    was die Verbesserung der Stellung      Abgesehen von diesen rechtlich-       für glaubwürdig halten, ist umso
         annehmen“, so das vatikanische             mittlerweile fast so divers auf wie    dem Konzil wurden über einen          der Frauen in der Kirche angeht,       strukturellen Entwicklungen           schwerer sichtbar zu machen. Mit
         Schreiben an die Bischöfe „über            in anderen Lebensbereichen auch,       Zeitraum von zwanzig Jahren           wie ein Trostpflaster. Denn andere     hat die Kirche auch darum ein         der Untersuchung einzelner Bäume
         die Zusammenarbeit von Mann und            und sie sind in vielen Bereichen der   nach und nach in allen deutschen      Anstöße, die in der Folge des Kon-     männliches Gesicht, sind Frau-        kommt man nicht sehr weit, wenn
         Frau in der Kirche und in der Welt“        Kirche unterdessen gut vertreten:      Diözesen die pastoralen Berufe        zils gegeben wurden, wurden nicht      en auch darum ein Sonderfall,         man einen Wald beschreiben will.
         von 2004.                                  Seit 1946 dürfen Frauen Theolo-        für nichtgeweihte Theolog*innen       aufgenommen: Von der obersten          weil das katholische Gottes*bild
                                                                                           und Religionspädagog*innen            Leitung der römisch-katholischen       weithin männlich geprägt ist.
                                                                                           eingeführt: Pastoral- und             Kirche immer noch unbeantwortet        Zwar haben Katholik*innen als
                                                                                           Gemeindereferent*innen sind           - oder vielmehr durch mehr als 40      Ausgleich und weibliche Reprä-
                                                                                           heute selbstverständlicher Teil des   Jahre Schweigen beantwortet - ist      sentanz in der göttlichen Sphäre
                                                                                           Seelsorge-Personals.                  das Votum der Würzburger Synode,       die Gottes*mutter Maria, aber
                                                                                                                                 Frauen zur Diakon*innenweihe zu-       die Gottes*vorstellung selber ist
                                                                                           Die Bewegung hin zu aktiver           zulassen. Und wie erwähnt wurde        von männlichen Begrifflichkeiten
                                                                                           Gestaltung der Kirche durch           die allgemeine Gleichstellung von      geformt. Eine weiblich geprägte
                                                                                           Lai*innen wurde in Deutschland        Frauen und Männern bis heute           Gottes*rede, die in der Bibel auch
                                                                                           unter anderem durch das breite        nicht erreicht. Die Hinwendung         aufzufinden ist, findet keinen                    Bild: Ute Haupt
                                                                                           und demokratische Engagement in       der Kirche zur Moderne im Konzil       Widerhall in der heutigen katholi-
                                                                                           katholischen Verbänden vorberei-      ist nämlich dies geblieben: Eine       schen Liturgie- und Gebetssprache.
                                                                                                                                                                                                               Dr. Annette Jantzen ist
                                                                                           tet und getragen, die nicht nur       Hinwendung. Es ist keine allgemei-     Wie anstößig weibliche
                                                                                                                                                                                                               Theologin, Pastoralreferentin
                                                                                           früh sensibel für Geschlechterfra-    ne Wende geworden, und noch ist        Gottes*vorstellungen sind, mach-
                                                                                                                                                                                                               im Bistum Aachen, dort Geistli-
                                                                                           gen waren, sondern die auch eine      unklar, ob die Kirche, die sich der    ten unter anderem die heftigen
                                                                                                                                                                                                               che Leiterin des BDKJ-Diöze-
                                                                                           Keimzelle der liturgischen Bewe-      Welt immerhin zugewendet hat,          Reaktionen auf die „Bibel in
                                                                                                                                                                                                               sanverbandes Aachen und
                                                                                           gung waren und so zur Hinwendung      ihr wieder den Rücken zudrehen         gerechter Sprache“ deutlich, die
                                                                                                                                                                                                               regionale Frauenseelsorgerin.
                                                                                           der Kirche zur Moderne im Konzil      wird. Denn das Konzil wurde zwar       2006 erschienen ist. Frauenge-
                                                                                                                                                                                                               Auf Bundesebene ist sie
                                                                                           entscheidend beigetragen haben.       einberufen mit dem Ziel, die Kir-      schichten in der Bibel aufzufinden
                                                                                                                                                                                                               Mitglied des BDKJ-Bundesfrau-
                                                                                           Im Sinne der „tätigen Teilnah-        che mit der Moderne zu versöhnen,      bedeutet, die Spitze eines Eisbergs
                                                                                                                                                                                                               enpräsidiums.
                                                                                           me“ der gesamten Gemeinde an          aber um Spaltung innerhalb der         sichtbar zu machen - der größere

2/2019 10                                                                                                                                                                                                                                      11 THEMA
Bild: Diözesane Fachstelle Ministrant*innenarbeit
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - kja Diözese Würzburg
THEMA

         Rolle vorwärts mit den Girls!
         Seit mehr als 200 Jahren kämpfen Menschen für Frauenrechte. Seit 25         Als Prinzessinnen geboren?            Wie Hashtags Politik beeinflussten.   Um Frauenrechte zu verteidigen,      und geschlossene Türen öffnen.
         Jahren steht im Art. 3 Abs. 2 des deutschen Grundgesetzes, Frauen und       Pinke, blassrosa Feen, Pferde,        Vor vier Jahren wurde eine Petiti-    benötigt es Argumente und eine       Und jetzt ist ein guter Zeitpunkt“
         Männer sind gleichberechtigt.                                               Puppen und Küchen für Mädchen.        on mit dem Hashtag #keinLuxus an      intersektionelle Perspektive.        sagte Wonder Woman.
         Warum gerade jetzt noch ein Artikel über Mädchen & Feminismus?              Dunkelblaue, schwarze Monster,        Politiker*innen des Deutschen Bun-
                                                                                     Ritter und Maschinen für Jungen.      destags gestartet. Da in Deutsch-     Was heißt denn Intersektionali-      Heute wissen wir, dass Diskrimi-
                                                                                     Im Produktmarketing wird mit dem      land Periodenprodukte, also Mens-     tät?                                 nierung Türen und somit Zugänge
         Mädchen und junge Frauen möch-                                              Gender (=dem sozialen Geschlecht)     truationstassen, Tampons, Binden,     Intersektionalität spricht Hand-     verschließt. In Lebenswelten von
                                               #Hashtag Ein Hashtag ist eine
         ten auf verschiedenen Ebenen                                                von Kindern gespielt. Es gibt Pro-    Panties etc., unter die Kategorie     lungen an, die Frauen belasten       Menschen „kreuzen“ sich Kate-
                                               Raute (#). Hashtags werden in den
         mitbestimmen und mitgestalten.                                              dukte, die Erwachsene ansprechen      „Luxusartikel“ fallen, werden sie     und zur Entmachtung führen.          gorien wie Gender, Körper, (A-)
                                               sozialen Netzwerken wie Twitter,
         Zehntausende haben die Online-                                              sollen, deren Konzept es ist, einen   mit 19% besteuert, obwohl es einen    Beispielsweise sind Frauen mit       Sexualität, Lebensalter, Gesund-
                                               Instagram oder Facebook genutzt,
         Petition zur Abschaffung der Luxus-                                         Unterschied zwischen Geschlech-       ermäßigten Steuersatz von 7% für      Migrationsbiografie und Women        heit, Kultur, sozialer Status und
                                               um zu verdeutlichen, worum es in
         steuer auf Periodenprodukte mit                                             tern zu konstruieren, der so nicht    Dinge des alltäglichen Lebens gibt.   of Colour „nicht nur durch die       Konfession, die bei Mehrfachdis-
                                               dem Beitrag geht. Auch für Politik
         dem Hashtag #Kein Luxus unter-                                              besteht. Dabei können diese           Da Frauen ihre Menstruation nicht     Ungleichstellung der Geschlech-      kriminierung eine Rolle spielen.
                                               über, mit und durch das Netz
         zeichnet. Zusätzlich finden auf den                                         konstruierten Rollenzuschreibun-      vermeiden können, stellt diese        ter innerhalb des Patriarchats       Intersektionalität macht als „Lupe“
                                               werden oftmals Hashtags verwen-
         Straßen, in Kinder- und Jugend-                                             gen zu Geschlechterungleichheiten     Besteuerung von Menstruationspro-     der deutschen Mehrheitsge-           unterschiedliche Bedingungen
                                               det. (Vgl. netzpolitik.org e.V.)
         treffs oder auch auf Instagram,                                             beitragen.                            dukten eine Diskriminierung dar.      sellschaft von Diskriminierung       einer Diskriminierung erkennbar.
         Klimaproteste für eine gerechte                                             Konstruierte Rollenzuschreibungen     Am 07. November 2019 hat der          betroffen, sondern auf struk-
         Umweltpolitik statt. Mädchen und      Und dennoch werden Mädchen            gibt es schon seit Jahrhunderten –    Bundestag offiziell die Senkung auf   tureller und sozialer Ebene          Es liegt an uns allen, welche Türen
         junge Frauen sind die starken Prot-   noch immer in Rollenklischees         das ist nichts Neues. Hinzu kommt,    die regulären 7% beschlossen.         auch von Rassismus“ (Şahin).         in der Jugendverbandsarbeit ge-
         agonistinnen dieser Bewegungen.       gezwungen - in Werbung, Gesell-       Geschlechterklischees werden in                                             Vor genau 30 Jahren wurde der        öffnet bleiben und sich in Zukunft
                                               schaft, Politik. Das prägt sich auf   die sozialen Medien übertragen.       Andere Hashtags wie #ausnahmslos      Begriff von der Juristin Kimberlé    öffnen werden. Dazu brauchen wir
                                               die Berufswahl- und die Lebens-                                             #metoo #neinheißtnein beein-          Williams Crenshaw erstmals in        unsere „Lupen“ - für eine diversi-
                                               entscheidungen, die von und für       Unter dem Hashtag #daskaufeich-       flussten im Jahr 2016 eine Reform     einem wissenschaftlichen Aufsatz     tätsbewusste Kinder- und Jugend-
                                               junge Mädchen getroffen werden,       nicht wurden 2015 viele Fotos von     des Sexualstrafrechts. Das lag vor    verwendet. Das Konzept richtet       arbeit. Wir setzen uns ein - für
                                               aus und trägt Stereotypisierungen     Produkten in den sozialen Medien      allem daran, dass sich sehr viele     den Blick darauf, wie Rassismus,     eine #Rollevorwärts mit den Girls.
                                               weiter. Sie werden nicht mitbe-       geteilt, um auf sexistische Rol-      Menschen zum Thema sexualisierte      Patriarchat, Klassenzugehörig-
                                               dacht und nicht sichtbar bei rele-    lenklischees in der Werbung oder      Gewalt öffentlich ausgesprochen       keit sowie andere Systeme der
                                               vanten politischen Entscheidungen     in der Spielzeugabteilung aufmerk-    und bei Diskussionen beteiligt        Unterwerfung eine nicht sicht-
                                               beispielsweise bezogen auf das        sam zu machen. Darüber hinaus         haben.                                bare Ungleichheit konstruieren,
                                               Gesundheitswesen oder Finanz-         haben sich Mädchen und junge                                                welche die Beziehung von Frauen
                                               planungen. Den Ausgangspunkt          Frauen mit Pinkstinks Germany,        Im Zuge der #metoo Debatte mach-      zu Rasse, Ethnie, Klasse und ähn-
                                               nimmt das alles zuvorderst in der     eine Bildungsorganisation gegen       te die Neue Rechte unter dem          liches bestimmen. (Vgl. Crens-
                                               Kindheit.                             Sexismus, stark gemacht, um ge-       Hashtag #120db Stimmung gegen         haw) Praktisch umgesetzt wurde
                                                                                     gen das Frauenbild von Germanys       Geflüchtete. In den sozialen Medi-    Intersektionalität schon 1851 von
                                                                                     Next Topmodel zu protestieren.        en wurde die Macht des Internets      der Frauenrechtlerin und christli-
                                                                                     Diese Mädchen und junge Frauen        für rechtsextremistische Parolen      chen Predigerin Sojourner Truth,
                                                                                     haben deutlich gemacht, dass sie      genutzt und dafür auch Frauen         die für die Abschaffung der Skla-
                                                                                     keine Lust mehr auf den Beau-         eingesetzt – und das, obwohl          verei kämpfte. Truth stellte als
                                                                                                                                                                                                       Vanessa Hüfner lebt in Berlin
                                                                                     tystress und das Bodyshaming, das     rechtsextremistische Bewegungen       erste schwarze Aktivistin einen
                                                                                                                                                                                                       und studierte Soziale Arbeit.
                                                                                     seit GNTM in die Welt getragen        und Parteien gerade das Gegenteil     Zusammenhang von Frauen- und
                                                                                                                                                                                                       Sie arbeitet für die BDKJ-Bun-
                                                                                     wird, haben. Deswegen haben sie       von emanzipativen Bewegungen          Sklav*innenrechten her.
                                                                                                                                                                                                       desstelle als Referentin für
                                                                                     eine Social-Media-Kampagne mit        unterstützen – sondern auch immer
                                                                                                                                                                                                       Jugendpolitik, Mädchen- und
                                                                                     einem selbst kombinierten Song        antifeministische Haltungen propa-    Privilegien checken.
                                                                                                                                                                                                       Frauenpolitik und Diversität.
                                                                                     gegen GNTM mit dem Hashtag            gieren.                               „Wir müssen uns hinterfragen
                                                                                     #NotHeidisGirl eröffnet. Aber was
                                                                                     bringen diese Hashtags eigentlich?

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Titelbild: www.pixabay.de
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - kja Diözese Würzburg
THEMA

                                                                                                                                                                                              Schule
      Mehrwert von mädchen- und frauenspezifischen
      Angeboten
      Geschlechtergetrennte Angebote gibt es in vielen verschiedenen Bereichen. Auf den folgenden Seiten lassen wir
      Menschen unterschiedlichsten Alters und Geschlechtes zu Wort kommen, die in Schule, Jugendverbänden und                                            Wie beschreibst du das Klima an deiner Schule (im Vergleich zu einer
      Sport aktiv sind.                                                                                                                                  gemischtgeschlechtlichen Schule)?
                                                                                                                                                         Das ist natürlich von der Klasse abhängig. Bei uns herrscht ein sehr friedli-
                                                                                                                                                         ches Klima, man ist irgendwie vertrauter als in einer gemischten Klasse. Es
                                                                                                                                                         ist allerdings auch tagesabhängig. Aber in einer Mädchenklasse trauen sich
                                                                                                                                                         mehr Schülerinnen, sich mitzuteilen. Im Gymnasium mit den Jungs hat man
                                      Die Maria-Ward-Schule Aschaffenburg bereichert seit dem Jahr 1748, also seit                                       eher erst dann was gesagt, wenn man sich seiner Antwort sicher war. Nur
                                      fast 275 Jahren, die Schullandschaft der Region, widmet sie sich doch ganz                                         mit Mädchen ist es ein offenerer Umgang , z.B. mit dem Thema Jungs oder
                                      im Sinne der Namensgeberin Mary Ward (1585-1645) speziell der Ausbildung                                           mit Mädchenthemen. Wenn wir über das andere Geschlecht reden, traut
                                      von Mädchen und jungen Frauen. Findet man zurzeit wieder vermehrt wis-                                             man sich, mehr dazu zu sagen, auch mal was rauszuhauen, was man nicht
                                      senschaftliche Publikationen, die sich für die getrennte Schulausbildung nach                                      sagen würde, wenn das andere Geschlecht dabei wäre. 
                                      Geschlechtern aussprechen, schien es zwischenzeitlich doch eher exotisch,
                                      wenn nicht gar altmodisch, eine reine Mädchenschule zu betreiben.                Konflikte werden bei uns offener ausgetragen und wenns mal eskaliert, eskaliert es so richtig. Das würden wir
                                                                                                                       vor Jungs nicht so machen. Durch die Anwesenheit von Jungs war es eher ein chilliges Klima in dieser Hinsicht.
                                      Was spricht also für eine Mädchenschule?                                         Gegenüber Lehrer*innen haben viele Mädchen einen freundlicheren Umgangston als Jungs. Außerdem akzeptie-
                                                                                                                       ren Mädchen schneller Aufforderungen der Lehrkräfte und dadurch, finde ich, entstehen weniger Konflikte.
                                       Das (Unterrichts-)Klima! Selbstverständlich sind Jungs wunderbare Geschöp-
      fe, können amüsant und geistreich, spontan und nachdenklich sein. Die Schülerinnen, Eltern und Lehrkräfte        Wo ist der Mehrwert einer Mädchenschule?
      unserer Mädchenschule spüren in unserem Haus aber ein besonderes Klima der Rücksicht, des Zusammenhalts,         Für mich gibts nicht DEN Mehrwert. Ich finde, an beiden Schularten gibt es Vor- und Nachteile.
      des Vertrauens. So können gerade sensible Unterrichtsinhalte in einem Klima des Vertrauens offen angespro-
      chen werden. Gespräche über „peinliche Themen“ können geführt werden, ohne Angst zu haben, sein Gesicht          Welche Herausforderungen siehst du?
      zu verlieren. Auch ist der manchmal mühsame Weg mancher Mädchen zu den Naturwissenschaften deutlich              Mir fehlt so der alltägliche Umgang mit dem anderen Geschlecht. Ich finde eine Mädchenklasse oft sehr an-
      leichter; hier blamiert sich niemand vor „den Jungs“.                                                            strengend, wenn es um Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten geht. Auch beim Thema Modebewusstsein
                                                                                                                       gibt es einen Unterschied, da hier die ganze Klasse darauf verstärkt achtet. Für manche Mädchen kann dies zu
      Der Umgang mit Konflikten! Selbstverständlich gibt es auch unter Mädchen Konflikte. Diese werden hier aber       Druck führen.
      ohne verbale oder gar körperliche Gewalt geführt. Auch der Umgang der Mädchen mit den Erwachsenen ist von
      Respekt und Offenheit geprägt. Sollten Missverständnisse auftreten, werden auch hier Lösungen im Gespräch        Ich bin 16 und fände es gut, wenn man in diesem Alter in der Schule mit Jungs zusammen ist. Als ich kleiner
      miteinander gesucht. Destruktives Verhalten, Beleidigungen o.ä. kennen wir glücklicherweise nicht.               war, war mir das egal. Es wäre jetzt auch von den Meinungen und Themen her gemischter und vielfältiger. In
                                                                                                                       der Schule fehlen mir die Jungs schon in manchen Situationen.
      Mädchen-gerechte Förderung! Ein großer Vorteil der Mädchenschule ist es, dass wir die Bildungsinhalte mit
      Themen und Methoden verknüpfen können, die Mädchen zumeist interessieren. Studien haben gezeigt, dass
      Mädchen zu manchen Inhalten andere Zugänge benötigen als Jungs. So sind Praxisbeispiele, Anwendungen             Rebecca Kuhn besucht die Realschule der Ursulinenschule Würzburg. Bis zur 7. Klasse war sie in gemischtge-
      des Gelernten schnell gefunden. Unser Angebot, auch und gerade im Bereich des Wahlunterrichts, ist auf die       schlechtlichen Klassen.
      Interessen unserer Mädchen zugeschnitten: von Mädchenfußball und Klettern über Kunst und Handarbeiten zu
      Tanz und Musik.

      Sicherlich ist eine Mädchenschule nicht für jede Schülerin die richtige Schule. Manche Mädchen entwickeln sich
      im Vergleich und in Kooperation mit Jungs besser. Unsere Schülerinnen allerdings, und vor allem die Mädchen,
      die zuvor eine koedukative Schule besucht haben, genießen und schätzen die Vorteile einer reinen Mädchen-
      schule. Nicht umsonst lautet unser Schulmotto: „Sich wohl fühlen – besser lernen.“

      Patrick Matheis ist Schulleiter der Maria-Ward-Realschule in Aschaffenburg

2/2019 14                                                                                                                                                                                                                           15 THEMA

                                                                                                                                                                                                                              Bild: www.pixabay.de
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - kja Diözese Würzburg
THEMA

      Jugendverbände                                                      Verbandsleiterin* in       Priya George,
                                                                                                                    ehrenamtlic
                                                                                                                                  he
                                                                                                                                L- F
                                                                                                                                  M              „LOOK AT THE GIRL!“
                                                                                                                 terin der GC
                                                                          der Bundesleitung.         Verbandslei                                 „Look at the girl“ – diese Aufforderung ist auch nach
                                                                                                                   ene
                                                                      •   Über die Online-            auf Bundeseb                               90 Jahren Pfadfinder*innenbewegung immer noch
                                                                          Plattform Sisterhood                                                   wichtigster Grundsatz pfadfinderischer Mädchen-
                                                                          können sich Aktive und Ehemalige                                       arbeit. Die Pfadfinderinnenschaft St. Georg ist ein        V.l.n.r. Susanne
                                                                                                                                                                                                                             Schunk und Janina
                                                                          unterstützend vernetzen.                                               Mädchenverband, in dem sich seit über 70 Jahren            vorsitzende der                    Bauke, Bundes-
                                                                                                                                                                                                                             PSG 2019.
                                                                      •   Im Frauen*arbeitskreis auf Bun-                                        bundesweit rund 10.000 Mädchen und junge Frauen
                                                                          desebene und bei MF-Angeboten                                          organisieren.
                                                                          anderer verbandlicher Ebenen ha-
                                                                          ben Mädchen* und Frauen* einen                                         Die Gruppenarbeit mit Mädchen in der PSG gibt unter      noch lange nicht auf allen Ebenen der Gesellschaft
                                                                          ganz besonderen, geschützten                                           anderem Raum für die Entfaltung aller Fähigkeiten,       möglich. An zahlreichen Stellen ist ein Weiterkom-
      Der J-GCL Frauenarbeitskreis 2019                                                                                                          die Entwicklung eines unabhängigen Selbstbewusst-
                                                                          Raum, in dem sie sich in außer-                                                                                                 men für Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht
                                                                          gewöhnlicher Art und Weise                                             seins, das Bewusstmachen und kritische Hinterfragen      möglich.
      Zweiverbandlichkeit: Frauen* explizit!                              mit ihrer Identität und inter-                                         von Rollenverhalten, sowie die Entwicklung einer ei-
      Die „Jugendverbände der Gemeinschaft Christlichen                   essanten Frauen*(-initiativen)     Birgit                              genständigen, positiven Geschlechtsidentität. In einer   Daneben beobachten wir seit einiger Zeit mit wach-
                                                                                                                    Spring
                                                                                                             Mädch          er, Re               geschlechtshomogenen Gruppe können die Mädchen
      Lebens“ (J-GCL) – das sind die beiden Verbände                      auseinandersetzen, einen fe-              en- un        ferent                                                                  sender Sorge den Anstieg antifeministischer Diskurse
                                                                                                            Gende          d  Fraue     in für
      „GCL-Jungen und Männer“ (GCL-JM) sowie „GCL-Mäd-                    ministischen Blog gestalten              r Main          narbe         und jungen Frauen vielfältige und unterschiedliche       und Bestrebungen, die Errungenschaften im Bereich
                                                                                                            Bunde         st r           it/
      chen und Frauen“ (GCL-MF). Diese Zweiverbandlich-                   (www.fatal.j-gcl.org) sowie             sstelle eaming J-G             Funktionen einüben, die in einer gemischten Grup-        der Geschlechtergerechtigkeit rückgängig zu ma-
                                                                                                                                         CL-
      keit bedeutet für die Mitglieder, dass Konferenzen,                 schöne und inspirierende                                               pe leicht von vornherein entweder nur den Jungen         chen. Unsere parteiliche Mädchenarbeit ist nicht nur
      Veranstaltungen, Arbeitskreise usw. gemeinsam, aber                 Wochenenden miteinander erleben                                        oder nur den Mädchen zufallen. Unser Ziel ist, dass      pädagogisches, sondern auch politisches Handeln.
      auch im verbändeeigenen Rahmen, also geschlechter-                  können. Hier wird deutlich, wie unterschiedlich                        Mädchen und Frauen das, was sie sind, selbstbewusst      Dazu gehört auch, dass wir uns in allen Bereichen
      getrennt, stattfinden.                                              Frau*-Sein gelebt werden kann. Im Unter-sich-                          in die Gestaltung der Gesellschaft einbringen, dort      der Gesellschaft öffentlich für eine Gleichstellung
                                                                          Sein fällt es leichter, über Persönliches, evtl.                       ihren eigenen Platz finden und so zu einer positiven     einsetzen, die ungleichen Strukturen aufbrechen und
      2001 wurde die historisch bedingte Zweiverbandlich-                 auch Problematisches zu sprechen sowie zu                              Gesellschaftsveränderung beitragen.                      die Gesellschaft verändern und neugestalten.
      keit als eines der drei J-GCL-Profilelemente beschlos-              entdecken und anzuerkennen, dass in jedem
      sen – mit dem Ziel, geschlechtergetrennt und ge-                    beliebigen Themenfeld Geschlechteraspekte und                          In der PSG übernehmen junge Frauen an vielen
      meinsam weniger patriarchale Hierarchie sowie mehr                  -diskriminierungen liegen. Sogenannte männli-                          Stellen ganz selbstverständlich Leitung. Dies ist aber
      freie Entwicklung und Geschlechtergerechtigkeit zu                  che* Fähigkeiten können leichter gelebt werden,
      realisieren. Dieses Ziel wird auch mit geschlechterge-              da entsprechende Tätigkeiten nicht automatisch
      rechter Sprech- und Schreibweise (*) verfolgt.                      von Jungen*/Männern* übernommen werden.

      Mädchen* und junge Frauen* profitieren durch die                Auch wenn immer mal darüber diskutiert wird, ob die
      Zweiverbandlichkeit:                                            Zweiverbandlichkeit noch zeitgemäß ist und sie nicht
      • Sie wählen ihre eigenen Vertreterinnen*, fassen               überall in den J-GCL gleich intensiv gelebt wird, so                                                     Warum bist du in einem Mädchenverband? - Ich bin in einem Mädchenverband, weil
          eigene Beschlüsse und die paritätische Besetzung            zeigt die Erfahrung, dass sie uns bereichert – auch in                                                   ich es einfach schön finde, dass man sich dort frei entfalten kann und miteinander über
          von gemeinsamen J-GCL-Gremien ist gesichert.                der Art, wie wir die Welt wahrnehmen und gestalten.                                                      alles reden kann.
      • Seit 1987 haben sie eine Theologin* als Geistliche
                                                                                                                                                                               Was ist das Besondere daran? -Das Besondere daran ist, dass die Mädchen so sein
                                                                                                                                                                               können wie sie wollen, denn wir alle sind Mädchen und wissen in den meisten Fällen,
                                                                                                                                                                               wie sich die andere fühlt. Außerdem können die Mädchen sich so bewegen und kleiden,
                                          „Gespräche über frauenspezifische Themen und der Austausch der eigenen Erfah-                                                        wie sie wollen, sie "müssen" nicht irgendwelche Jungs beeindrucken (auch wenn dies
                                          rungen zusammen mit anderen Mädels und Frauen aus dem Verband sind wirklich                                                          manchmal im Unterbewusstsein passiert), sondern sind frei. Und noch ein entscheiden-
                                          unglaublich inspirierend. Im Unterschied zu anderen Vereinen herrscht in einem                                                       der Grund ist, dass die Mädchen nicht von Jungen an den Rand gedrängt werden, also
                                          rein weiblichen Verband meiner Beobachtung nach eine noch stärkere Verbunden-                                                        z.B. sich in der Bauarbeit nicht herabgestuft fühlen und selbstbewusst an das Projekt
                                          heit aufgrund ähnlicher Interessen und Probleme.“                                                                                    heran gehen können.

                                                                                                                                                                               Elisa Olikus, PSG
                                          Matilda Reuter (16 Jahre), GCL-MF

2/2019 16                                                                                                                                                                                                                                                      17 THEMA
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - kja Diözese Würzburg
THEMA

                                                                                                                                                                                                                                                 Bild: www.pixabay.de
                                                                                                                                                            Ich bin Inhaber des Lehrstuhls Empirische Bildungsforschung und Wis-
                                                                                                                                                            senschaftlicher Leiter des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen

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                                                                                                                                                            an der Universität Würzburg. Als langjähriger Trainer, Jugendleiter und
                                                                                                                                                            Vorstand in der Frauenfußballabteilung eines Würzburger Fußballclubs
                                                                                                                                                            habe ich die Beobachtung gemacht, dass viele Mädchen gerne Fußball
                                                                                                                                                            spielen wollen, aber eben nicht in Jungenteams. Daraufhin hat mei-
                                                                                                                                                            ne Frau zusammen mit einer Mitstreiterin begonnen, Fußball-AGs nur
                                                                                                                                                            für Mädchen in Kitas und Grundschulen anzubieten. Durch den Fußball
                                                                                                                                                            erfahren die Mädchen Wertschätzung und Zusammenhalt, entfalten ihre
                                                                                                                                                            Persönlichkeit und entwickeln ein Selbstbewusstsein. Quasi ein ganzheit-
                                           Ich spiele Fußball bei den Würzburg Dragons. Wir sind ein reines Frauen-                                         liches Angebot zur sozialen, schulischen und sportlichen Förderung der
                                           team. Davor habe ich in der Jugend in Rottendorf in einer Jungenmann-                                            Spielerinnen.
                                           schaft gespielt. Ab der U17 musste ich aufgrund der DFB Regularien in
                                           ein reines Frauenteam wechseln, was auf die körperliche Unterlegenheit      Natürlich wollen wir auch sportliche Erfolge erzielen. Um den Leistungssport in Würzburg zu fördern, den
                                           gegenüber den Männern zurückzuführen ist. Das ist auch gut so, denn         Mädchen optimale sportliche Rahmenbedingungen zu bieten und Talente in der Region zu halten, haben wir
                                           irgendwann macht es einfach keinen Spaß mehr, auf dem Fußballfeld           die Würzburg Dragons und das Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen gegründet. Denn im Jugendbereich bis
                                           den Anderen nur hinterherzulaufen.                                          zu den Unter-17-Jährigen kommt es aus verschiedenen Gründen noch ab und zu vor, dass Mädchen in Jungen-
                                                                                                                       teams spielen. Wir können allerdings aus wissenschaftlicher Sicht sagen, dass Mädchen in Leistungsteams der
                                            In einem reinen Frauenteam herrscht schon ein anderes Klima als in         Juniorinnen im Durchschnitt genauso stark sind wie Mädchen aus Jungenteams. Der Vorteil reiner Mädchen-
                                            einem gemischten Team. Man versteht sich untereinander meist besser        teams ist, dass die Spielerinnen sich gefestigter und akzeptierter fühlen und dadurch nicht mit dem Fußball am
         Bild: SC Würzburg
                                            und macht auch abseits des Fußballplatzes viel zusammen. Auch die          Beginn der Pubertät aufhören. Denn viele Spielerinnen mit Potenzial haben einfach keine Lust, bei den Jungs
                                            Kommunikation auf dem Spielfeld ist unkomplizierter. Mein Jugend-          zu spielen.
                                            trainer hat mal gesagt: „Frauen sind anders zu trainieren, hinterfragen
      mehr, diskutieren mehr. Jungs machen es einfach.“ Früher hatten viele Jungs entweder Angst, etwas Falsches       Leider setzt der Bayerische Fußballverband trotz dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse seinen Schwerpunkt
      zu sagen und haben deswegen während des Spiels kaum geredet. Oder sie meinten mir sagen zu müssen, wie           im Jugendbereich immer noch auf gemischtgeschlechtliche Teams. Das wird langfristig dazu führen, dass die
      man richtig Fußball spielt. Außerdem war früher das Konkurrenzdenken größer. Die Jungs gingen voll rein,         Zahl der reinen Mädchenteams in Bayern weiter abnimmt. Durch die fehlenden Nachwuchsspielerinnen gibt
      weil sie sich gegen ein Mädchen nicht blamieren wollten und ich wollte zeigen, dass ich locker mithalten kann.   es keinen Nachwuchs mehr für die Frauenteams, die unteren Ligen werden wegsterben, die Wege zu den
      Leistungstechnisch habe ich bei den Jungs deshalb wohl besser gespielt, aber bei den Mädels kommt es jetzt       Spielen weiter und dadurch wird die zeitliche Belastung steigen. Unter diesen Bedingungen wird nicht nur die
      besser zum Vorschein.                                                                                            Leistungsförderung talentierter Mädchen leiden, sondern es entsteht auch eine sehr deutliche, neue soziale
                                                                                                                       Ungleichheit, die wieder einmal die Mädchen trifft.
      Aus eigener Erfahrung ist es für Mädchen oft schwierig in einem Team mit Jungs zu spielen. Du brauchst eine
      eigene Umkleidekabine, die Schiedsrichter kontrollieren oft strenger die Formalitäten ob du z.B. eine gültige
      Spiellizenz hast. Und natürlich gibt es häufig beleidigende Kommentare wie „Ich schaue nicht zu, um Mädchen      Heinz Reinders ist Trainer, Jugendleiter und Vorstand in der Frauenfußballabteilung eines Würzburger
      Fußballspielen zu sehen!“ oder eigentlich nett gemeinte Aussagen wie „Du musst als Mädchen beim Training         Fußballclubs
      keine schweren Tore aufbauen!“, die genau genommen aber auch als sexistisch gesehen werden können. Aber
      spätestens wenn man die Anderen von seiner Leistung überzeugt hat, kommen solche dummen Kommentare
      nicht mehr so oft vor.

      Trotzdem finde ich es gut, dass ich erst in einem gemischten Team gespielt habe, weil ich da mit meinen
      Freunden zusammen gespielt habe. Ich habe gelernt, mich körperlich durchzusetzen und mich zu behaupten.

      Laura Issing (18 Jahre), Würzburg Dragons

2/2019 18                                                                                                                                                                                                                             19 THEMA
THEMA

         Generationen im Gespräch -
         Frauenbiographien früher und heute
         Hallo ihr beiden, könnt ihr euch bitte kurz vorstellen?   Wie seid ihr aufgewachsen?                                  Tabea: „… hatte mit den Nachbarskindern und dann
         In welchem persönlichen Verhältnis steht ihr zuein-       Oma Evi: „Ich wurde in Würzburg während des Krie-           auch mit meinen Geschwistern ein enges Verhältnis.
         ander?                                                    ges geboren und bin in der Kriegs-/Nachkriegszeit           Es wurde viel gespielt. Außerdem war ich im Sport-
         Oma Evi: „Ich heiße Eva Kuhn, bin 83 Jahre alt und        zusammen mit meinen Eltern und drei Geschwistern            verein, bei den Pfadfindern und habe Blockflöte und
         seit drei Jahren verwitwet. Ich wohne in Retzbach         aufgewachsen. Als ich drei Jahre alt war, wurde mein        Klarinette gelernt. Nach der Grundschule bin ich auf
         und war mein Leben lang Hausfrau. Ich habe noch           Vater in die Wehrmacht eingezogen und unsere Mut-           das Gymnasium gewechselt, aber nach einem Jahr
         drei Geschwister. Mein Bruder Josef ist der Älteste,      ter hat sich um uns drei Kinder gekümmert. Hunger           dann doch auf die Realschule, weil es zu schwer war.
         er wurde 1933 geboren, dann meine Schwester Paula         hatten wir nicht, denn die Oma hatte Landwirtschaft,        Das Abitur habe ich nach meinem Realschulabschluss
         1934 und mein jüngster Bruder Willi 1941. Ihn hat         dort hat meine Mutter geholfen und Milch und Fleisch        in drei Jahren nachgeholt. Ab dem 15. Lebensjahr
         mein Vater nur zweimal gesehen und auch ich kann          von den Tieren mit nach Hause gebracht. Außerdem            hatte ich verschiedene Nebenjobs – die waren aber
         mich wenig an unseren Vater erinnern. Alle meine          hatten wir einen Garten. Ich habe acht Jahre lang die       immer besser vergütet, als 25 D-Mark im Monat! Nach
         Geschwister leben noch. Ich wohne alleine in unse-        Volksschule besucht, allerdings reichte das Geld nicht      dem Abi habe ich ein FSJ am Zentrum für Körperbe-
         rem Ein-Familienhaus in Retzbach - meine Tochter          aus für eine weiterführende Schule oder Ausbildung.         hinderte in Würzburg gemacht und in dieser Zeit auch
         wohnt mit ihrem Mann im Haus nebendran.“                  Die Mama hat meinen Vater 1945 als gestorben ge-            noch daheim gewohnt. Zum Studienbeginn bin ich
                                                                   meldet – bis dahin galt er als vermisst – um 99 D-Mark      dann in eine 4er WG umgezogen.“
         Tabea: „Ich heiße Tabea Kuhn, bin 22 Jahre alt und        Rente monatlich für unsere fünf-köpfige Familie zu
                                                                                                                                                                                       80. Geburtstag Eva Kuhn
         habe zwei jüngere Geschwister (die mittlerweile           bekommen. Ich habe in einem Lebensmittelgeschäft            Konntet ihr beide eure Kindheit ausleben und hattet
         auch schon recht groß sind: 16 und 18 Jahre alt). Ich     für 25 D-Mark im Monat gearbeitet, dieser Lohn              Freiheiten?
         wohne in Würzburg und studiere im 3. Semester Son-        wurde von der Rente abgezogen. Normal ging mein             Oma Evi: „Schon, aber wir mussten folgen, damit wir     bildung zu machen. Außerdem hatten wir nach dem
         derpädagogik auf Grundschullehramt. Wir sind Oma          Arbeitstag von 8:00 bis 21:30 Uhr. Das habe ich bis zu      keinen Vormund bekommen. Wenn unsere Mutter             Krieg nicht genug Geld, um die Fahrt zur Ausbildungs-
         und Enkelin.“                                             meiner Hochzeit 1958 gemacht.“                              nicht mit uns zurecht gekommen wäre, wäre ein           stelle zu bezahlen.“
                                                                                                                               Mann vom Rathaus als unser Vormund eingesetzt
                                                                   Tabea: „Ich bin in der Sanderau aufgewachsen. Durch         worden, um zu sehen, dass alles mit rechten Dingen      Welchen Beruf hätten Sie gerne gelernt und ausge-
                                                                   unsere große Altbauwohnung mit Innenhof hinter dem          zugeht.“                                                übt, wenn Sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten?
  „ICH HABE 8 JAHRE LANG DIE VOLKSSCHULE                           Haus und der Grundschule nebenan, hatte das Ganze                                                                   Oma Evi: „Ich hätte Verkäuferin gelernt, aber es gab
  BESUCHT, ALLERDINGS REICHTE DAS GELD                             Dorfcharakter. Ich war sehr viel draußen…“                                                                          keine Möglichkeit dazu, weil die Fahrt nach Würzburg
  NICHT AUS FÜR EINE WEITERFÜHRENDE SCHULE                                                                                                                                             von meiner Mutter nicht bezahlt werden konnte. Und

  ODER AUSBILDUNG.“
                                                                   Oma Evi: „Du bist immer auf den Bäumen rum geklet-       „ ICH HATTE SEHR VIELE FREIHEITEN, DURFTE                  nur da hätte ich eine Ausbildung machen können.“
                                                                   tert und hast dir sogar mal den Arm gebrochen!“
                                                                                                                            IMMER LANGE DRAUSSEN BLEIBEN, MICH VIEL
                                                                                                                                                                                       Tabea: „Ich möchte Förderlehrerin werden. In
                                                                                                                            VERABREDEN UND AUCH ALS JUGENDLICHE AUF                    meinem Studiengang gibt es einen hohen Frauen-
                                                                                                                            DIE PARTYS GEHEN, DIE ICH WOLLTE. MEINE                    überschuss und die Akzeptanz meines Studiums ist
                                                                                                                            ELTERN HABEN MIR DA VIEL VERTRAUEN ENTGE-                  allgemein groß, da ein Lehrkräftemangel herrscht.“
                                                                                                                            GENGEBRACHT.“
                                                                                                                                                                                       Wolltest/willst du eine Familie gründen. Warum?
                                                                                                                                                                                       Oma Evi: „Ja wollte ich, wegen der Gemeinschaft
                                                                                                                                                                                       und es war einfach üblich. Wir haben geheiratet, um
                                                                                                                               Tabea: „Ich hatte sehr viele Freiheiten, durfte immer   danach zusammen zu leben. Nicht wie heute, dass
                                                                                                                               lange draußen bleiben, mich viel verabreden und         man einfach so zusammenzieht! Ich habe drei Kinder
                                                                                                                               auch als Jugendliche auf die Partys gehen, die ich      bekommen und war Hausfrau. Ich habe sehr viel im
                                                                                                                               wollte. Meine Eltern haben mir da viel Vertrauen        Garten und auf dem Feld gearbeitet. Das war kör-
                                                                                                                               entgegengebracht.“                                      perlich sehr anstrengend und mir hat abends oft der
                                                                                                                                                                                       Rücken wehgetan und ich war müde.“
                                                                                                                               Welchen Beruf wolltest bzw. willst du erlernen und
                                                                                                                               welchen Ausbildungsweg hast du eingeschlagen?           Tabea: „Ja…“
                                                                                                                               Oma Evi: „Es gab damals nicht die Möglichkeit etwas
                                                                                                                               zu lernen, es war normal als Frau keine weitere Aus-    Oma Evi: „Aber nicht sehr bald!“

2/2019 20                                                                                                                                                                                                                                   21 THEMA

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