Monatsbericht des BMF Oktober 2018 - dpaq.de

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Monatsbericht des BMF
Oktober 2018
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Oktober 2018
Editorial
           Editorial                                                                   Monatsbericht des BMF
                                                                                             September 2018

                                                           auf der Grundlage eines Gesetzentwurfes der Bun-
                                                           desregierung beraten. Neben dem Sozialen Woh-
                                                           nungsbau sollen die Grundgesetzänderungen vor
                                                           allem Finanzhilfen des Bundes für Investitionen
                                                           der Länder in die (digitale) Bildungsinfrastruktur
                                                           und Betreuungsangebote verfassungsrechtlich er-
                                                           möglichen. Eine kluge Finanzpolitik schafft durch
                                                           gezielte Investitionen die Voraussetzungen für den
                                                           gesellschaftlichen Wohlstand der Zukunft.

                                                           Der von Bundesfinanzminister Olaf Scholz vor-
                                                           gelegte Entwurf des „Familienentlastungsgeset-
                                                           zes“ wird derzeit in Bundestag und Bundesrat be-
                                                           raten. Unser besonderes Augenmerk liegt auf einer
Liebe Leserinnen, liebe Leser,                             spürbaren Stärkung der verfügbaren Einkommen
                                                           von Familien. Das Kindergeld wird in einem ers-
Wohnen ist eine der wichtigsten sozialen Fragen            ten Schritt um 10 Euro im Monat steigen; Kinder-
unserer Zeit. Für viele Bürgerinnen und Bürger             und Grundfreibetrag werden erhöht. Darüber hi-
wird es immer schwerer, bezahlbaren Wohnraum               naus werden die Effekte der kalten Progression
zu finden – sei es zur Miete oder als Eigentum. Des-       ausgeglichen, damit Arbeitnehmerinnen und Ar-
halb stellt der Bund in den nächsten Jahren deut-          beitnehmer auch „netto“ von den Lohnerhöhun-
lich mehr Geld als bisher für den Sozialen Woh-            gen profitieren. Diese für 2019 und 2020 vorgesehe-
nungsbau bereit, fördert den Eigentumserwerb               nen Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von
von Familien und unterstützt den privat finanzier-         rund 9,8 Mrd. Euro (volle Jahreswirkung) kommen
ten Bau neuer Mietwohnungen steuerlich. Auf dem            insbesondere Familien zugute. Im Ergebnis stärken
Wohngipfel am 21. September hat die Bundesregie-           wir die verfügbaren Einkommen aller Familien. Die
rung darüber hinaus ein umfangreiches Maßnah-              größte relative Wirkung erzielen wir aber ganz be-
menpaket für mehr und bezahlbaren Wohnraum                 wusst bei mittleren Familieneinkommen. Darüber
sowie den besseren Schutz von Mieterinnen und              hinaus plant die Bundesregierung Verbesserungen
Mietern vorgestellt.                                       beim Kinderzuschlag und auch bei den Leistun-
                                                           gen für Bildung und Teilhabe, u. a. beim Schulstar-
Insbesondere der Soziale Wohnungsbau spielt bei            terpaket. Wir wollen, dass Kinder unabhängig vom
der Schaffung bezahlbaren Wohnraums eine wich-             Elternhaus die gleichen Chancen auf gesellschaft-
tige Rolle. Damit deutlich mehr Sozialwohnungen            liche Teilhabe erhalten und ihre Fähigkeiten entwi-
gebaut werden, unterstützt der Bund die Länder             ckeln können.
bis 2021 mit zusätzlich 2,5 Mrd. Euro. Mit diesen
Finanzmitteln können über 100.000 zusätzliche
Sozialwohnungen geschaffen werden. Damit der
Bund nach 2019 den Ländern Geld für den Sozia-
len Wohnungsbau zweckgebunden zur Verfügung
stellen kann, bedarf es einer Änderung des Grund-
gesetzes. Die notwendigen Grundgesetzänderun-              Wolfgang Schmidt
gen werden derzeit von Bundestag und Bundesrat             Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen

                                                       3
Inhaltsverzeichnis

      Inhaltsverzeichnis
      Analysen und Berichte____________________________________________7
      Ein moderner Haushalt für Europa_______________________________________________________________________ 8
      Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs___________________________________________________________________ 15
      Statistiken über die Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern________________________________________ 20

      Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage____________________________25
      Überblick zur aktuellen Lage_____________________________________________________________________________ 26
      Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht______________________________________________________ 27
      Steuereinnahmen im September 2018___________________________________________________________________ 34
      Entwicklung des Bundeshaushalts bis einschließlich September 2018____________________________________ 38
      Entwicklung der Länderhaushalte bis einschließlich August 2018________________________________________ 43
      Finanzmärkte und Kreditaufnahme des Bundes__________________________________________________________ 46
      Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik_____________________________________________________________ 61

      Aktuelles aus dem BMF__________________________________________65
      Termine_________________________________________________________________________________________________ 66
      Publikationen___________________________________________________________________________________________ 67
      Hinweise auf Ausschreibungen__________________________________________________________________________ 68

      Statistiken und Dokumentationen_______________________________71
      Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 72
      Übersichten zur Entwicklung der Länderhaushalte_______________________________________________________ 73
      Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial und Konjunktur­komponenten des Bundes________________ 73
      Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 74
Analysen
und Berichte

Ein moderner Haushalt für Europa                                  8

Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs                               15

Statistiken über die Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern   20
Analysen und Berichte                                                   Monatsbericht des BMF
                                                                                          Oktober 2018

Ein moderner Haushalt für Europa

    ●● Europa braucht einen modernen und zukunftsfesten Haushalt. Angesichts der aktuellen
       Herausforderungen und des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs als einem der größten
       Beitragszahler werden die derzeit laufenden Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrah-
       men 2021-2027 vermutlich die schwierigsten in der Geschichte der Europäischen Union.

    ●● Die Europäische Kommission schlägt eine Erhöhung der Ausgaben in zukunftsorientierten
       Bereichen – Bildung, Forschung, Innovation, Jugend, Schutz der Außengrenzen, Sicherheit/
       Verteidigung und Migration – vor. Das Volumen der größten Ausgabenbereiche, der Agrar-
       und Kohäsionspolitik, soll auf rund 60 % statt bisher 71 % der Gesamtausgaben reduziert
       werden. Auf der Finanzierungsseite sind zusätzlich neue Eigenmittel vorgesehen.

    ●● Die vorgeschlagene Neuausrichtung geht grundsätzlich in die richtige Richtung, führt aber
       nicht weit genug. Der Ruf nach „frischem Geld“ mag einigen als bequemer Weg erscheinen.
       Gerade das BMF muss die Finanzierbarkeit im Blick behalten. Das BMF spricht sich deshalb
       für eine noch stärkere Modernisierung des Haushalts aus.

   Herausforderungen                                       Inhalt der Kommissions­
                                                           vorschläge
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben
deutlich gemacht, dass die Finanzen der Europä-         Auf diese Herausforderungen will die Europäi-
ischen Union (EU) grundsätzlich reformiert wer-         sche Kommission mit ihren Vorschlägen für einen
den müssen. Die aktuellen Herausforderungen             Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 re-
(u. a. Migration, Verteidigung, Sicherheit, Erhöhung    agieren. Dieser umfasst neben der MFR-Verord-
der Wettbewerbsfähigkeit) führen vor Augen, dass        nung u. a. 37 Ausgabenprogramme sowie Vor-
im EU-Haushalt zu viele Mittel für liebgewonnene        schläge für ein reformiertes Eigenmittelsystem.
Ausgabenbereiche gebunden sind. Gleichzeitig feh-
len Mittel für Aufgaben, die auf der europäischen
Ebene effizienter angegangen werden können. Zu-
dem entsteht mit dem Ausscheiden eines der größ-
ten Beitragszahler eine erhebliche jährliche Finan-
zierungslücke im zweistelligen Milliardenbereich.

                                                       8
Analysen und Berichte                                                         Monatsbericht des BMF
           Ein moderner Haushalt für Europa                                                      Oktober 2018

                                                                                                         Abbildung 1
     Mehrjähriger Finanzrahmen 2021-2027 gemäß Vorschlag der Europäischen Kommission
     in Mio. €

                                                                                                                       Analysen und Berichte
                                 85.287

                                                          187.370
                                                                           Binnenmarkt, Innovation und
                 123.002                                                   Digitales

                                                                           Kohäsion und Werte (Strukturpolitik)
         27.515

        34.902                                                             Natürliche Ressourcen und Umwelt

                                                                           Migration und Grenzmanagement
                                              1.279.408

                                                                           Sicherheit und Verteidigung

                                                                           Nachbarschaft und die Welt
                                                                           (Außenpolitik)

             378.920                                                       Verwaltung

                                                              442.412

     Quelle: Europäische Kommission

   Volumen                                                 Vereinigten Königreich angesetzt ist, so handelt es
                                                           sich beim Vorschlag der Europäischen Kommission
Die Europäische Kommission schlägt einen Anstieg           um einen Anstieg von rund 24 % (circa 244 Mrd. €).
des Gesamtvolumens der sogenannten Mittel für
Verpflichtungen (MfV) gegenüber dem aktuellen              In Bezug auf die für die Eigenmittelabführungen
MFR 2014-2020 um rund 18 % (circa 192 Mrd. €) auf          aus dem Bundeshaushalt relevante Größe der so-
1.279 Mrd. € vor. Das entspricht 1,11 % des Brutto-        genannten Mittel für Zahlungen (MfZ) schlägt die
nationaleinkommens (BNE), also der Wirtschafts-            Europäische Kommission ein Gesamtvolumen
leistung der 27 EU-Mitgliedstaaten (EU-27-BNE).            von 1.246 Mrd. € vor (1,08 % des EU-27-BNE). Dies
Hinzu kommen weitere 30 Mrd. € für Ausgaben au-            entspricht einem Anstieg von 220 Mrd. € (+21 %).
ßerhalb des MFR. Damit liegt das vorgeschlagene            Hinzu kommen wiederum 30 Mrd. € außerhalb
Gesamtvolumen bei insgesamt 1.309 Mrd. € (1,14 %           der MFR-Obergrenzen. Das vorgeschlagene Ge-
des EU-BNE). Rechnet man den Teil der EU-Aus-              samtvolumen für die MfZ liegt damit bei insgesamt
gaben heraus, der aktuell für Programme im                 1.276 Mrd. € (1,11 % des EU-BNE).

                                                          9
Analysen und Berichte                                                                 Monatsbericht des BMF
              Ein moderner Haushalt für Europa                                                              Oktober 2018

  Mittel für Verpflichtungen                                                                                      Tabelle 1
  in Mrd. €
                       Mittel für Verpflichtungen                           MFR 2014-2020             MFR 2021-2027
                                 in Mrd. €                                      EU 28                     EU 27
 I.           Binnenmarkt, Innovation und Digitales                                          126                       187
 II.          Kohäsion und Werte (Strukturpolitik)                                           394                       442
 III.         Natürliche Ressourcen und Umwelt                                               420                       379
 IV.          Migration und Grenzmanagement                                                   10                        35
 V.           Sicherheit und Verteidigung                                                      2                        28
 VI.          Nachbarschaft und die Welt (Außenpolitik)                                       66                       1231
 VII.         Verwaltung                                                                      70                        85
 Gesamt                                                                                     1.087                     1.279
 Europäischer Entwicklungsfonds (EEF, ohne African Peace Facility)                            28                          -
 Gesamt inklusive EEF                                                                       1.115                     1.279
 1 Inklusive EEF (ohne African Peace Facility).
 Quelle: Europäische Kommission

Nach ersten vorläufigen Berechnungen würden die                        Gleichzeitig schlägt die Europäische Kommission
jährlichen Abführungen Deutschlands an die EU                          deutliche Steigerungen bei den Ausgaben für Bin-
durch den Kommissionsvorschlag um durch-                               nenmarkt, Bildung, Forschung, Innovation und
schnittlich etwa 15 Mrd. € steigen. Aber bereits                       Digitales, Migration und Grenzschutz, Sicherheit
eine Beibehaltung der aktuellen Begrenzung des                         und Verteidigung sowie EU-Außenpolitik (Nach-
EU-Haushalts bei rund 1 % des EU-27-BNE hätte                          barschaft und die Welt) vor. Hierzu sollen wesent-
eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung der Mit-                     liche Außeninstrumente zusammengeführt und
gliedstaaten zur Folge. Allein die Beiträge Deutsch-                   unter Einbeziehung des Europäischen Entwick-
lands zum EU-Haushalt würden dadurch um                                lungsfonds in den EU-Haushalt integriert werden.
durchschnittlich etwa 10 Mrd. € steigen.                               Zudem möchte die Europäische Kommission den
                                                                       Europäischen Fonds für Strategische Investitionen
                                                                       (sogenannter Juncker-Plan) und sämtliche Finanz­
       Entwicklung der Ausgabenseite                                   instrumente im EU-Haushalt zu einem sogenann-
                                                                       ten InvestEU Fund zusammenführen.
Der Anteil „traditioneller“ Ausgabenbereiche (Ag-
rarpolitik, Strukturfonds) ginge nach dem Kom-
missionsvorschlag zurück (von über 70 % auf                               Reform der Strukturpolitik
rund 60 %). Dies liegt allerdings mehr an ei-
ner Aufstockung des Gesamtvolumens des MFR                             Die Europäische Kommission schlägt – nicht zu-
(+192 Mrd. €) als an einer substantiellen Kürzung                      letzt einem deutschen Anliegen folgend – außer-
dieser Bereiche. Bei der Agrarpolitik würde die                        dem vor, im Rahmen des sogenannten Europäi-
Mittelausstattung um circa 41 Mrd. € sinken, für                       schen Semesters (Teil der wirtschaftspolitischen
die Strukturfonds bliebe sie in etwa unverändert.                      Koordinierung auf europäischer Ebene) identi-
In Deutschland wären im Bereich der Struktur-                          fizierte strukturelle Herausforderungen für Mit-
politik zwar voraussichtliche Kürzungen zu ver-                        gliedstaaten bei der Programmierung der Europä-
zeichnen (circa 8 %). Der Hauptgrund dafür sind                        ischen Strukturfonds stärker zu berücksichtigen.
allerdings die positive wirtschaftliche Gesamtent-                     Zusätzlich enthält der Vorschlag weitere eigenstän-
wicklung und die daraus resultierende sinkende                         dige Instrumente:
Bedürftigkeit.

                                                                     10
Analysen und Berichte                                                     Monatsbericht des BMF
            Ein moderner Haushalt für Europa                                                  Oktober 2018

●● Reform Support Programme mit einem Ge-                 größten Instrumenten der Strukturpolitik festge-
   samtvolumen von 25 Mrd. € über 7 Jahre, be-            stellt, dem Europäischen Fonds für die regionale
   stehend aus                                            Entwicklung und dem Europäischen Sozialfonds.

                                                                                                               Analysen und Berichte
                                                          Insbesondere hier werde bei der Auswahl und Be-
   ¡¡   einem sogenannten Reform Delivery Tool            gleitung der Projekte weiterhin wenig ergebnisori-
        zur Unterstützung von Strukturreformen,           entiert vorgegangen.

   ¡¡   einer Konvergenz-Fazilität zur Unterstüt-         Hier gilt es, die Verwendung der EU-Gelder auf
        zung des Eurobeitritts,                           den Prüfstand zu stellen, wobei auch die Volu-
                                                          menfrage kein Tabu sein darf. Ein Abbau des Zah-
   ¡¡   einer Ausweitung des bestehenden Instru-          lungsrückstands ist hier auch deshalb angezeigt,
        ments zur Bereitstellung technischer Hilfe.       da dieser zusätzlich zu den künftigen Ausgaben im
                                                          MFR 2021-2027 abbezahlt und von den Mitglied-
●● Europäische Investitionsstabilisierungsfunk-           staaten finanziert werden muss.
   tion (EISF), bestehend aus

   ¡¡   einem durch den EU-Haushalt abgesi-                   Unterstützung nationaler Strukturreformen
        cherten Darlehensvolumen von 30 Mrd. €                Um die vielen Milliarden Euro an EU-Struk­
        zur Unterstützung öffentlicher Investiti-             turfördermitteln wirksamer einzusetzen, sol­
        onen der Mitgliedstaaten, um sogenannte               len die Strukturfonds enger mit der wirt­
        asymmetrische Schocks abzufedern und                  schaftspolitischen Koordinierung verknüpft
                                                              werden, die im Rahmen des sogenannten Eu­
   ¡¡   einer Ergänzung um Zinssubventionen.                  ropäischen Semesters erfolgt. Dafür sollen
                                                              die Strukturfonds stärker auf Umsetzung so­
Insbesondere die europäische Strukturförderung                genannter länderspezifischer Empfehlungen
sollte tatsächlich stärker auf die Umsetzung länder-          des Rates ausgerichtet werden. Hierzu hat die
spezifischer Empfehlungen ausgerichtet werden,                Europäische Kommission Vorschläge vorge­
um nationale Strukturreformen zu unterstützen.                legt. Die Ansätze gehen grundsätzlich in die
Die begrenzten EU-Mittel müssten sehr viel geziel-            richtige Richtung. Allerdings sollte auf eine
ter eingesetzt werden, um nachhaltig wirtschaft-              konsequente Ausgestaltung geachtet werden,
liche Aufholprozesse zu ermöglichen. So würde                 was derzeit intensiv auf europäischer Ebene
der EU-Haushalt auch einen stärkeren Beitrag zur              diskutiert wird.
wirtschaftlichen Stabilität der EU leisten.

Ein weiteres Anzeichen für die Reformbedürftigkeit           Entwicklung der Einnahmenseite
der Strukturpolitik ist die schleppende Abrufquote
der vorhandenen EU-Mittel in diesem Bereich.              Anders als in nationalen Haushalten werden im
Eine aktuelle Studie im Auftrag des Europäischen          EU-Haushalt die Ausgaben immer vollständig
Parlaments weist darauf hin, dass Ende 2017 EU-           durch Beitragsabrufe bei den Mitgliedstaaten aus-
weit lediglich 11 % der vorgesehenen Mittel aus-          geglichen. Eine Kreditaufnahme ist in den EU-Ver-
gezahlt worden waren. Dies führt zu einem Zah-            trägen nicht vorgesehen. Die Ausgaben aus dem
lungsrückstand von mittlerweile rund 270 Mrd. €,          EU-Haushalt werden hauptsächlich aus den so-
was auch vom Europäischen Rechnungshof (ERH)              genannten Eigenmitteln finanziert. Diese be-
kritisiert wird. Die Mittel seien zwar zugesagt, wür-     stehen u. a. aus den traditionellen Eigenmitteln
den aber nicht abgerufen. Oft mangele es an geeig-        (TEM: Zölle), Mehrwertsteuer-Eigenmitteln sowie
neten Projekten. Der ERH hat außerdem in einem            BNE-Eigenmitteln und werden bis auf die sonsti-
aktuellen Sonderbericht Mängel bei den beiden             gen Einnahmen (u. a. Bußgelder und Strafen) von

                                                        11
Analysen und Berichte                                                   Monatsbericht des BMF
               Ein moderner Haushalt für Europa                                                Oktober 2018

                                                                                                      Abbildung 2
        Eigenmittel 2017
        in Mio. €

                      23.596                                78.620
                                                                        BNE-Eigenmittel

                                                                        Mehrwertsteuer-Eigenmittel
            20.459

                                                                        Traditionelle Eigenmittel
                                                                        (Zölle und Zuckerabgaben)

                                                                        Überschuss des Vorjahres, Steuern von
                     16.947                                             EU-Beamten und Geldbußen

        Quelle: Europäische Kommission

den Mitgliedstaaten gezahlt. Für die Finanzierung        ●● Einführung drei neuer Eigenmittelkategorien:
gilt eine Gesamtobergrenze von derzeit 1,20 % des
BNE aller Mitgliedstaaten. Dies stellt somit die ab-        1. Anteil basierend auf den jeweiligen natio-
solute Obergrenze für mögliche Ausgaben des                    nalen Einnahmen aus dem Europäischen
EU-Haushalts dar.                                              Emissionshandelssystem,

Der Vorschlag der Europäischen Kommission be-               2. nationaler Beitrag, der auf nicht recycelte
inhaltet u. a. folgende Änderungen auf der Einnah-             Verpackungsabfälle aus Kunststoff be-
menseite des EU-Haushalts:                                     rechnet wird,

●● Erhöhung der Eigenmittelobergrenze                       3. Beitrag, der sich am Anteil des jeweiligen
   auf 1,29 % des EU-27-BNE für die Mittel für                 Mitgliedstaats an der Gemeinsamen Konso-
   Zahlungen, u. a.                                            lidierten Körperschaftsteuer-Bemessungs-
                                                               grundlage (GKKB) bemisst.
   ¡¡    zur Schaffung der WWU-Stabilisierungs-
         funktion und                                    Die Europäische Kommission geht davon aus, dass
                                                         diese neuen Eigenmittelkategorien 22 Mrd. € pro
   ¡¡    der Integration des Europäischen Entwick-       Jahr zur Finanzierung des EU-Haushalts beitra-
         lungsfonds.                                     gen könnten. Zusätzlich sollen zukünftig Anteile
                                                         der bisher den nationalen Notenbanken zustehen-
●● Reform des Mehrwertsteuer-Eigenmittels und            den Gewinne der Europäischen Zentralbank (soge-
   Erhöhung des Abrufsatzes                              nannte Seigniorage-Einkünfte) die oben genannten

                                                       12
Analysen und Berichte                                                  Monatsbericht des BMF
          Ein moderner Haushalt für Europa                                               Oktober 2018

Zinssubventionen im Rahmen der Wirtschafts-               Verfahren und Zeitplan
und Währungsunion (WWU) finanzieren. Schließ-
lich sollen die bisher Deutschland, Dänemark, den      Der Rat beschließt die von der Europäischen Kom-

                                                                                                           Analysen und Berichte
Niederlanden, Schweden und Österreich gewähr-          mission vorgeschlagene MFR-Verordnung ein-
ten Rabatte abgeschafft und durch sogenannte           stimmig nach Zustimmung des Europäischen Par-
Pauschalrabatte ersetzt werden, die bis 2025 dann      laments. Die Bundesregierung wird im Rat durch
vollständig auslaufen würden.                          das federführende Auswärtige Amt vertreten. Die
                                                       Sitzungen des Rates werden vorbereitet durch
Das BMF als Federführer innerhalb der Bundesre-        den Ausschuss der Ständigen Vertreter in Brüssel
gierung für den Bereich der EU-Eigenmittel setzt       (AStV). Der AStV wiederum wird unterstützt durch
sich in den Verhandlungen zu den Eigenmittelvor-       eine horizontale Arbeitsgruppe (Ad hoc Working
schlägen der Europäischen Kommission für eine          Party) zum MFR. Diese Arbeitsgruppe berät insbe-
Vereinfachung des Eigenmittelsystems ein. Das be-      sondere horizontale Fragen sowie solche zur Mit-
stehende Finanzierungssystem funktioniert gut.         telausstattung der einzelnen Ausgabenprogramme.
Es gewährleistet eine gerechte Lastenteilung ins-
besondere durch die BNE-Eigenmittel, die an die        Die Rechtsgrundlagen für die 37 Ausgabenpro-
Wirtschaftskraft eines jeden Mitgliedstaates an-       gramme (sogenannte Sektorverordnungen) werden
knüpfen. Das BMF begrüßt daher den Ansatz der          im Übrigen in den zuständigen Ratsarbeitsgruppen
Europäischen Kommission, die BNE-Eigenmittel           beraten und anschließend im ordentlichen Gesetz-
als Fundament der Einnahmenseite des EU-Haus-          gebungsverfahren mit qualifizierter Mehrheit im
halts zu bewahren. Auch die Zielsetzung der Euro-      Rat unter Mitentscheidung des Europäischen Par-
päischen Kommission, das Finanzierungssystem           laments beschlossen.
einfacher, gerechter und transparenter zu gestal-
teten, wird vom BMF geteilt. Aus Sicht des BMF         Der das Eigenmittelsystem der EU regelnde Eigen-
würde man diesen Zielen mit der Abschaffung der        mittelbeschluss wird zunächst im Rat einstimmig
auf der Mehrwertsteuer basierenden Eigenmittel         nach Anhörung des Europäischen Parlaments an-
näher kommen. Auch bei der Prüfung der von der         genommen. Anschließend müssen alle Mitglied-
Europäischen Kommission vorgeschlagenen neuen          staaten gemäß ihren jeweiligen verfassungsrecht-
Eigenmittelkategorien wird sich das BMF daran          lichen Vorschriften dem Eigenmittelbeschluss
orientieren, ob das Eigenmittelsystem damit einfa-     zustimmen. Diese Zustimmung erfolgt in Deutsch-
cher, gerechter und transparenter wird.                land durch ein Gesetz des Bundestags unter Betei-
                                                       ligung des Bundesrats.
Bundesminister Scholz hat zudem beim Minis-
tertreffen im Juni 2018 in Luxemburg mit seinem        Die Europäische Kommission möchte die MFR-Ver-
französischen Kollegen Bruno le Maire den ande-        handlungen möglichst vor der Wahl zum nächs-
ren Finanzministern der an der verstärkten Zu-         ten Europäischen Parlament im Frühjahr 2019
sammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten einen         abschließen.
Neustart der Gespräche zur Einführung einer Fi-
nanztransaktionssteuer (FTT) vorgeschlagen. Um
die Verhandlungen über eine Einführung einer FTT          Unterschiedliche Interessenlage
zu beschleunigen und weitere Mitgliedstaaten für
die verstärkte Zusammenarbeit zu gewinnen, ha-         Die Verhandlungen sind von vielfältigen und oft-
ben sie eine Einführung einer EU-weiten FTT auf        mals widerstreitenden Interessen geprägt. Wäh-
Basis des existierenden französischen Modells ins      rend unter den Mitgliedstaaten die Empfänger von
Gespräch gebracht und vorgeschlagen, die dadurch       hohen Fördergeldern im Agrar- und Kohäsionsbe-
generierten Einnahmen zur Finanzierung europäi-        reich Kürzungen ablehnen, werden diese von an-
scher Ausgaben zu verwenden.                           deren Mitgliedstaaten gerade gefordert, um die

                                                     13
Analysen und Berichte                                                        Monatsbericht des BMF
           Ein moderner Haushalt für Europa                                                     Oktober 2018

Brexit-Lücke auszugleichen und im Gegenzug eine            der Europäischen Kommission vorgeschlagene
Stärkung der neuen Prioritäten zu finanzieren. Eine        Volumen von 1,11 % des EU-27-BNE würde für
Reihe von Mitgliedstaaten erklärt sich bereit, die ei-     Deutschland zu durchschnittlichen jährlichen Bei-
genen Beiträge zu erhöhen, andere lehnen dies bis-         trägen von rund 45 Mrd. € führen. Das ist realistisch
her kategorisch ab. Innerhalb der verschiedenen            nicht darstellbar. Da auch schon ein MFR-Volumen
Politikbereiche hat nahezu jeder Mitgliedstaat un-         in Höhe von 1,0 % des EU-27-BNE eine erhebliche
terschiedliche Interessenschwerpunkte. Deutsch-            finanzielle Mehrbelastung der Mitgliedstaaten zur
land kann mit seiner moderaten Position hier die           Folge hat, können nicht alle Wünsche erfüllt wer-
Funktion eines Brückenbauers einnehmen.                    den. Gleichwohl sind die Vorschläge der Europäi-
                                                           schen Kommission ein erster wichtiger Schritt im
Sodann ist auch das Europäische Parlament zu be-           Verhandlungsprozess, der nun deutlich an Fahrt
rücksichtigen, das dem MFR am Ende zustimmen               aufgenommen hat.
muss und beim Eigenmittelbeschluss angehört
wird. Es fordert für den nächsten MFR ein Volumen          Neben Beratungsbedarf zum Volumen wird die Zu-
von 1,3 % des EU-27-BNE und lehnt Kürzungen bei            stimmungsfähigkeit des Pakets für das BMF am
der Agrar- und Strukturpolitik – auch infolge des          Ende auch davon abhängen, ob ein inhaltlicher
Ausscheidens des Vereinigten Königreichs – ab.             Neuanfang gelingt. Denn eine finanzielle Stärkung
Neue Prioritäten sollen vollständig durch zusätzli-        der EU kann kein Selbstzweck sein. Sie steht in ei-
che Mittel finanziert werden.                              nem Bedingungszusammenhang mit einer erfolg-
                                                           reichen Modernisierung des EU-Haushalts.

   Fazit
Die EU-Finanzen müssen noch stärker auf die ak-
tuellen gemeinsamen Herausforderungen der EU,
Zukunftsthemen und europäischen Mehrwert
ausgerichtet werden. Die Gesamthöhe des MFR
wird vor dem Hintergrund der Gesamtqualität des
MFR-Pakets und der Möglichkeit einer fairen Las-
tenteilung („Rabatte“) zu beurteilen sein. Das von

                                                         14
Analysen und Berichte                                                       Monatsbericht des BMF
                                                                                                 Oktober 2018

Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs

                                                                                                                   Analysen und Berichte
      ●● Umsatzsteuerbetrug tritt in vielen Facetten auf. Er reicht von der unterlassenen Erklärung und/
         oder Zahlung der Umsatzsteuer über den Missbrauch des Vorsteuerabzugsrechts bis hin zu soge-
         nannten Umsatzsteuerkarussellen. Die voranschreitende Digitalisierung eröffnet neue Möglich-
         keiten für betrügerische Aktivitäten.

      ●● Bund und Länder gehen in gemeinsamer Verantwortung mit verschiedenen Maßnahmen zur
         Sicherung des Steueraufkommens gegen den Umsatzsteuerbetrug vor.

      ●● Auch die europäische Verwaltungszusammenarbeit zur Verhinderung von Umsatzsteuerbetrug
         wurde verstärkt, indem beispielsweise die Rechtsgrundlagen für den europaweiten Informati-
         onsaustausch ausgebaut wurden, damit grenzüberschreitende Prüfungsmaßnahmen intensi-
         viert werden können. Zudem findet die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs auf europäischer
         Ebene bei der Schaffung neuer EU-Rechtsakte als maßgebliches gemeinsames Ziel Berücksichti-
         gung.

    Einleitung                                               steuerehrlicher Unternehmen vor Wettbewerbs-
                                                             verzerrungen gehen Bund und Länder in gemein-
Umsatzsteuerbetrug verursacht Steuerausfälle und             samer Verantwortung gegen den Umsatzsteuerbe-
mindert dadurch das Umsatzsteueraufkommen                    trug vor. Sie wirken permanent und konsequent
in den öffentlichen Haushalten. Dieses betrug im             darauf hin, dass dieser durch gesetzgeberische und
Jahr 2017 rund 226 Mrd. €. Umsatzsteuer wird seit            organisatorische Maßnahmen weiter eingedämmt
nunmehr 100 Jahren erhoben und hat sich seit-                wird. Besondere Herausforderungen ergeben sich
dem zu einer der wesentlichsten steuerlichen Ein-            aktuell durch die zunehmende Digitalisierung al-
nahmequellen entwickelt. Das Umsatzsteuerauf-                ler Lebensbereiche, wodurch auch neue Möglich-
kommen dient der Finanzierung der vielfältigen               keiten für Umsatzsteuerbetrug eröffnet werden.
staatlichen Aufgaben (wie der inneren Sicherheit,            Umsatzsteuerbetrug tritt in vielen Facetten auf: Er
Infrastruktur, Gesundheit, dem Sozialwesen, der              reicht von der unterlassenen (vollständigen) Erklä-
Bildung, etc.). Die ursprüngliche Höhe des Steuer-           rung und/oder Zahlung der Umsatzsteuer über den
satzes von 0,5 % im Jahr 1918 wurde aufgrund des             Missbrauch des Vorsteuerabzugsrechts bis hin zu
steigenden staatlichen Finanzierungsbedarfs regel-           sogenannten Umsatzsteuerkarussellen, bei denen
mäßig bis auf aktuell 19 % erhöht. Im Vergleich der          mehrere Akteure in einen betrügerischen (Han-
Länder der Europäischen Union (EU) liegt der Re-             dels-)Kreislauf eingebunden sind und zusammen-
gelsteuersatz zur Umsatzsteuer in Deutschland da-            wirken. Effiziente Kontrollmechanismen und ein
mit in der unteren Hälfte.1                                  reibungsloser Informationsaustausch im Rah-
                                                             men einer gut funktionierenden Zusammenarbeit
Zur Sicherung der Staatseinnahmen, zur Gewähr-               der zuständigen Behörden auf nationaler und in-
leistung von Steuergerechtigkeit und zum Schutz              ternationaler Ebene sowie gesetzgeberische Maß-
                                                             nahmen wirken diesen Gegebenheiten entgegen.
                                                             Mit der zunehmenden Digitalisierung nimmt auch
1 Vergleiche „Die wichtigsten Steuern im internationalen
  Vergleich 2017“, BMF, Ausgabe 2018, S. 49 unter
                                                             der Umsatzsteuerbetrug durch Aktivitäten über
  http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20181021          das Internet (Handel und Dienstleistungen) stark

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Analysen und Berichte                                                            Monatsbericht des BMF
             Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs                                                       Oktober 2018

zu. Dabei bilden Landesgrenzen keine Barrieren,                   EG). Diese ist in das nationale Recht umgesetzt wor-
sodass sich die Bekämpfung des Umsatzsteuerbe-                    den, weswegen auch vom weitgehend „harmoni-
trugs noch stärker international aufstellen muss.                 sierten“ Umsatzsteuerrecht in der EU gesprochen
                                                                  wird.

    Organisation der Umsatz­
    steuerbetrugsbekämpfung im                                        Der Begriff „Mehrwertsteuer“
                                                                      wird vor allem im europäischen Gemein­
    BMF                                                               schaftsrecht und in vielen Landessprachen
                                                                      anderer EU-Mitgliedstaaten verwendet (z. B.
Die Anforderungen an eine wirksame Bekämpfung                         englisch VAT – „Value Added Tax“; franzö­
des Umsatzsteuerbetrugs im nationalen und inter-                      sisch TVA – „Taxe sur la Valeur Ajoutée“). In
nationalen Bereich sind gestiegen. Um diesen best-                    Deutschland ist er die umgangssprachliche
möglich zu entsprechen, sind im BMF die entspre-                      Bezeichnung für die Umsatzsteuer.
chenden Zuständigkeiten in einem neuen Referat
„Umsatzsteuer-Kontrolle und -Betrugsbekämp-
fung – national und international“ zusammenge-                        Eine Richtlinie
führt worden. Die personellen Ressourcen wurden                       stellt einen der EU-Rechtsakte im Sinne des
dafür erhöht.                                                         Art. 288 des Vertrags über die Arbeitswei­
                                                                      se der Europäischen Union (AEUV) dar, der
Die zahlreichen bereits laufenden Maßnahmen zur                       grundsätzlich der Umsetzung ins nationale
Verhinderung und Bekämpfung des Umsatzsteuer-                         Recht bedarf, um in dem jeweiligen EU-Mit­
betrugs2 werden von dieser Einheit fortgeführt und                    gliedstaat Anwendung zu finden.
weiterentwickelt. Zudem wird eine stärker fokus-
sierte Befassung mit der Betrugsbekämpfung im
Bereich der Umsatzsteuer ermöglicht.                              Rechtsetzungsvorschläge der EU-Kommission
                                                                  werden im Rat der EU diskutiert, wobei das BMF
Die Zusammenführung der nationalen und in-                        die Bundesregierung hier – wie in vielen weiteren
ternationalen Zuständigkeiten der Umsatzsteuer-                   Gremien auf europäischer Ebene – vertritt. Diese
betrugsbekämpfung in einem eigenen Referat im                     Diskussionen erfolgen stets auch unter dem Ge-
BMF ermöglicht die durchgängige Prozessgestal-                    sichtspunkt, ob sie zu einer verbesserten Betrugs-
tung, die für eine effektive Betrugsbekämpfung in                 bekämpfung beitragen können.
globaler, europäischer und bundesstaatlicher Hin-
sicht erforderlich ist.                                           Im Bereich der Verwaltungszusammenarbeit und
                                                                  des umsatzsteuerlichen Informationsaustauschs
                                                                  im europäischen Kontext ist die Verordnung des
    Internationale Schwerpunkte                                   Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungs-
                                                                  behörden und die Betrugsbekämpfung auf dem
Die grundlegenden Rahmenregelungen des Um-                        Gebiet der Mehrwertsteuer (VO (EU) Nr. 904/2010)
satzsteuerrechts sind solche des Gemeinschafts-                   von besonderer Bedeutung.
rechts, insbesondere die Mehrwertsteuersystem-
richtlinie (MwStSystRL, Richtlinie Nr. 2006/112/
                                                                      Eine Verordnung
2   Siehe hierzu Monatsberichte des BMF vom 23. April 2009            stellt einen EU-Rechtsakt im Sinne des
    sowie 21. Juli 2014, die die verschiedenen Maßnahmen zur          Art. 288 AEUV dar, der in allen EU-Mitglied­
    Betrugsbekämpfung erläutern. Sie finden die Artikel unter
    http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/201810221 und            staaten unmittelbar Anwendung findet.
    http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/201810222

                                                                16
Analysen und Berichte                                                        Monatsbericht des BMF
             Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs                                                   Oktober 2018

Beim Vorgehen gegen die zunehmend grenzüber-                    Eurofisc-Verbindungsbeamte noch weiter verbes-
schreitenden betrügerischen Aktivitäten spielt die              sern und beschleunigen soll. Die nationale Um-
Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten bei der                   setzung von Eurofisc erfolgt in enger Abstimmung

                                                                                                                   Analysen und Berichte
Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs eine ent-                    zwischen Bund und Ländern durch den deutschen
scheidende Rolle. Gerade den grenzüberschreiten-                Verbindungsbeamten beim Bundeszentralamt für
den Informationsaustausch, z. B. über das Mehr-                 Steuern (BZSt) und den von den Ländern bestimm-
wertsteuerinformationsaustauschsystem (MIAS),                   ten Stellen.
oder das Ersuchen um Prüfungsmaßnahmen in
einem anderen EU-Mitgliedstaat, gegebenenfalls                  Die EU-Finanzminister haben durch Beschluss
abgestimmt mit eigenen Ermittlungen bis hin zu                  vom 2. Oktober 2018 verschiedenen Änderungen
multilateralen gleichzeitigen Prüfungen, ermög-                 dieser Verordnung zugestimmt, die künftig eine
licht diese Verordnung schon heute.                             noch weitergehende Zusammenarbeit erlauben.
                                                                Die wichtigsten Neuerungen umfassen

     Im Rahmen von MIAS                                         ●● die grundsätzlich verpflichtende Durchführung
     stellen sich die EU-Mitgliedstaaten In­                       bestimmter behördlicher Ermittlungen, soweit
     formationen zu den grenzüberschreiten­                        mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten darum
     den EU-Umsätzen ihrer Unternehmer zur                         ersuchen. Eine Ablehnung ist nur in engen
     Verfügung.                                                    Grenzen möglich.

                                                                ●● die Einführung eines neuen Amtshilfeinstru-
Im Hinblick auf gemeinsame Maßnahmen aller                         ments, der „gemeinsam durchgeführten be-
EU-Mitgliedstaaten zur Betrugsbekämpfung ist be-                   hördlichen Ermittlungen“. Dadurch besteht
sonders das als Frühwarnsystem angelegte Netz-                     für Beamte der EU-Mitgliedstaaten die Mög-
werk „Eurofisc“ hervorzuheben. In verschiedenen                    lichkeit, an Ermittlungen in einem anderen
spezialisierten Arbeitsbereichen tauschen Verbin-                  EU-Mitgliedstaat teilzunehmen, beispielsweise
dungsbeamte aus den EU-Mitgliedstaaten sowie                       Durchsuchungen gemeinsam durchzuführen.
seit kurzem auch aus Norwegen3 gezielte Informa-
tionen zu grenzüberschreitendem Umsatzsteuer-                   ●● den Austausch von Daten aus Einfuhrzollan-
betrug aus. Dabei handelt es sich sowohl um ope-                   meldungen.
rative als auch um generelle Informationen, z. B.
Erkenntnisse zu neuen Betrugsmodellen. So kön-                  ●● die Gewährung des Zugangs zu Kfz-Zulas-
nen erste Prüfungsansätze für innergemeinschaft-                   sungsdaten der EU-Mitgliedstaaten.
liche betrügerische Umsätze erlangt werden. Der-
zeit entwickelt die EU-Kommission zudem ein                     ●● die Ausweitung der Aufgaben von „Eurofisc“.
IT-Programm, das die Aufdeckung von grenz­                         Unter anderem ist eine Zusammenarbeit mit
überschreitendem Umsatzsteuerbetrug durch                          Europol (Europäische Polizeibehörde) und
                                                                   OLAF („Office Européen de Lutte Anti-Fraude“,
                                                                   Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung)
3 Vergleiche Übereinkunft zwischen der Europäischen Union          vorgesehen, indem „Eurofisc“ von diesen
  und dem Königreich Norwegen über die Zusammenarbeit
  der Verwaltungsbehörden, die Betrugsbekämpfung und               EU-Einrichtungen Informationen anfordern
  die Beitreibung von Forderungen auf dem Gebiet der               kann und diese mit den anderen EU-Mitglied-
  Mehrwertsteuer (ABl. L 195 vom 1. August 2018, S. 3); in
                                                                   staaten über das Eurofisc-Netzwerk teilt.
  Kraft seit 1. September 2018 (vergleiche ABl. L 199/1 vom
  7. August 2018).

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Analysen und Berichte                                                              Monatsbericht des BMF
           Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs                                                         Oktober 2018

   Nationale Schwerpunkte                                    Zu den weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen,
                                                             die den Umsatzsteuerbetrug erschweren, gehören
Die in der Vergangenheit geschaffenen Maßnahmen              insbesondere
zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen
Bund und Ländern sowie des nationalen Informa-               ●● die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für
tionsaustauschs wurden in den vergangenen Jah-                  den länderübergreifenden Abruf und die Ver-
ren weiter vorangetrieben und verbessert. Die Län-              wendung von Daten zur Verhütung, Ermittlung
der sind national für die Erhebung und Kontrolle                und Verfolgung von Steuerverkürzungen. Voll-
der Umsatzsteuer zuständig (Art. 108 Grundgesetz).              zugsdefizite im Besteuerungsverfahren können
Nur durch frühzeitige und effektive Kontrollen ist              dadurch reduziert werden.4
eine erfolgreiche Bekämpfung des Umsatzsteuer-
betrugs möglich. Umsatzsteuer-Sonderprüfungen                ●● ein Beschluss der Bundesregierung vom 1. Au-
und unangekündigte Umsatzsteuer-Nachschauen                     gust 2018 über einen BMF-Gesetzentwurf (Ge-
(z. B. bereits zu Beginn unternehmerischer Tätig-               setz zur Vermeidung von Umsatzsteueraus-
keiten) stellen bewährte Mittel dar, um prüfungs-               fällen beim Handel mit Waren im Internet
würdige Sachverhalte schnell aufzuklären. Der                   und zur Änderung weiterer steuerlicher Vor-
Zentralen Koordinierungsstelle beim BZSt kommt                  schriften), mit dem gegen den Umsatzsteuer-
hierbei eine besondere Bedeutung zu. Über diese                 betrug beim Handel mit Waren über elektro-
erfolgt die länderübergreifende Koordinierung von               nische Marktplätze vorgegangen werden soll.
Prüfungsmaßnahmen (Umsatzsteuer-Sonderprü-                      Danach sollen ab Anfang des Jahres 2019 Be-
fungen und Steuerfahndungsprüfungen). Nach-                     treiber elektronischer Marktplätze bestimmte
teile aufgrund eines länder­überschreitenden Zu-                Daten der Verkäufer für die Prüfung durch
ständigkeitswechsels und daraus resultierende                   die Steuerbehörden erfassen und unter be-
Informationsdefizite können so vermieden wer-                   stimmten Voraussetzungen selbst haftbar
den. Unterstützt durch IT-Verfahren werden alle                 werden, wenn für Lieferungen über ihren
Betrugsfälle im Bereich der Umsatzsteuer bundes-                Marktplatz keine Umsatzsteuer entrichtet
weit erfasst, ausgewertet und Risikoprofile erstellt.           wurde. Der nationale Gesetzgeber schafft damit
Dadurch wird ein einheitlicher Informationsstand                bereits zwei Jahre vor Inkrafttreten einer ver-
aller eingesetzten Prüfer und zuständigen Finanz-               bindlichen europäischen Regelung eine Norm
behörden gewährleistet. Auch die Zusammenarbeit                 im Umsatzsteuergesetz gegen Steuerhinter-
zwischen den Steuerbehörden und der Zollverwal-                 ziehung im Onlinehandel. In Abstimmung
tung wird stetig intensiviert.                                  mit den Ländern hat die Bundesregierung
                                                                zudem ein Informationsblatt zu umsatzsteu-
Neben dieser Fokussierung auf eine stärkere ver-                erlichen Pflichten für nicht in der EU ansäs-
waltungsinterne Vernetzung erfolgt auch die Steu-               sige Unternehmer entwickelt. Dieses wurde
erfestsetzung zunehmend automatisiert. Bereits                  in verschiedenen Sprachfassungen an Markt-
vor zehn Jahren wurde mit der Einführung der                    platzbetreiber, Verbände und Botschaften mit
elektronischen Bilanz ein erster Schritt in diese               der Bitte um Veröffentlichung an geeigneter
Richtung getan. Bei der Aufdeckung von steuerre-                Stelle übermittelt. Ziel dieses Informations-
levanten Sachverhalten im Hinblick auf eine Hin-                blatts ist es, den betreffenden Personenkreis
terziehung der Umsatzsteuer werden unterstüt-
zend auch elektronische Systeme eingesetzt, z. B.
zur Feststellung steuerlich relevanter Aktivitäten           4 Vergleiche hierzu Monatsbericht des BMF vom 21. April 2018
                                                               zur konsequenten Bekämpfung des Steuerbetrugs, der
von Unternehmern auf Verkaufsplattformen im
                                                               trickreichen Steuervermeidung und der Geldwäsche unter
Internet.                                                      http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20181024

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Analysen und Berichte                                                    Monatsbericht des BMF
              Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs                                               Oktober 2018

    auf die bestehenden steuerlichen Pflichten hin-            Fazit
    zuweisen und ein entsprechendes Problembe-
    wusstsein zu erzielen.5                                 Umsatzsteuerliche Betrugsmethoden sind vielfäl-

                                                                                                                 Analysen und Berichte
                                                            tig und passen sich schnell neuen Handelsstruk-
●● das vom Rat der EU im Dezember 2017 ver-                 turen an, die insbesondere die fortschreitende Di-
   abschiedete umsatzsteuerliche „Digitalpaket“             gitalisierung mit sich bringt. Es bedarf deshalb
   sieht ab dem Jahr 2021 die Möglichkeit vor, Be-          einer steten Fort- und Weiterentwicklung der ge-
   treiber elektronischer Marktplätze unter be-             setzgeberischen und organisatorischen Maßnah-
   stimmten Voraussetzungen zum Schuldner der               men zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs.
   Umsatzsteuer bei Lieferungen aus Drittländern            Häufig sind Betrugskonstruktionen im Umsatz-
   zu machen.                                               steuerrecht grenzüberschreitend angelegt, um die
                                                            Aufdeckung durch die nationalen Behörden zu er-
                                                            schweren. Deswegen ist es wichtig, entsprechende
      Das „Digitalpaket”                                    Maßnahmen gegen Umsatzsteuerbetrug einerseits
      haben die EU-Finanzminister am 5. De­                 gemeinschaftlich mit den anderen EU-Mitglied-
      zember 2017 beschlossen. Es beinhal­                  staaten anzugehen und andererseits auch natio-
      tet Änderungen der MwStSystRL so­                     nal, in Deutschland gemeinsam mit den Ländern,
      wie der Verordnung (EU) Nr. 904/2010                  tätig zu werden. Nur so können betrügerische Ak-
      und der Durchführungsverordnung (EU)                  tivitäten verhindert werden, die die nationalen
      Nr. 282/2011 des Rates.6 Damit soll die Um­           Haushaltsmittel mindern und den Wettbewerb
      satzbesteuerung im Bereich des E-Com­                 verzerren. Die Ausweitung der Zusammenarbeit
      merce im Bereich B2C (Business to Consu­              der EU-Mitgliedstaaten untereinander sowie das
      mer, d. h. Umsätze von Unternehmern an                Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen
      Verbraucher) weiter vereinfacht werden.               beim Handel mit Waren im Internet und zur Än-
                                                            derung weiterer steuerlicher Vorschriften sind ak-
                                                            tuell wichtige Maßnahmen im Kampf gegen den
                                                            Umsatzsteuerbetrug.
5   Siehe hierzu die Webseite des BMF unter
    http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20181025
6   Siehe hierzu Richtlinie (EU) Nr. 2017/2455, VO (EU)
    Nr. 2454/2017 sowie VO (EU) Nr. 2459/2017.

                                                          19
Analysen und Berichte                                                            Monatsbericht des BMF
                                                                                                     Oktober 2018

Statistiken über die Einspruchsbearbeitung in
den Finanzämtern
     ●● Die Statistiken über die Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern bestätigen die nach wie vor
        hohe Filterwirkung des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens nach der Abgabenordnung.
        Weniger als 1,8 % der Einsprüche führen zu einer Klage.

     ●● Im Berichtszeitraum (2013 bis 2017) konnte der Bestand der am Jahresende unerledigten Einsprü-
        che um circa 1,6 Mio. Einsprüche auf nunmehr circa 2,3 Mio. Einsprüche abgebaut werden.

     ●● Die Einspruchseingänge sind seit einigen Jahren rückläufig. Während im Kalenderjahr 2013 noch
        rund 4 Mio. Einsprüche in den Finanzämtern eingegangen sind, ist diese Zahl bis 2017 auf 3,2 Mio.
        Einsprüche gesunken.

   Rechtsweg in Steuersachen                                  Statistiken zur
                                                              Einspruchsbearbeitung
Jedem, der glaubt, durch den Staat in seinen Rech-
ten verletzt zu sein (z. B. durch einen fehlerhaften          Gegenstand der
Steuerbescheid), steht nach Artikel 19 Absatz 4 des           Einspruchsstatistiken
Grundgesetzes der Weg zu den Gerichten offen.
                                                          Das BMF erstellt jährlich eine Einspruchsstatistik
Grundsätzlich können die Finanzgerichte nicht             und veröffentlicht sie auf seinen Internetseiten.3
unmittelbar angerufen werden. Vielmehr ist im Re-         Darüber hinaus hat das BMF in verschiedenen Mo-
gelfall zunächst Einspruch bei der Finanzbehörde          natsberichten die Statistikdaten für die Jahre 2009
einzulegen. Hierdurch wird der Verwaltung Ge-             bis 2016 veröffentlicht.4
legenheit gegeben, den Steuerfall noch einmal zu
überprüfen, bevor sich das Gericht mit der Ange-          Diese Statistiken erfassen allerdings nur die bei den
legenheit befasst. Die meisten Rechtsstreitigkeiten       Finanzämtern eingegangenen Einsprüche, nicht
erledigen sich bereits im Einspruchsverfahren, das        aber Einsprüche, die bei anderen Finanzbehörden
somit eine hohe Filterwirkung hat (mehr siehe un-         erhoben werden, insbesondere
ter „Statistik zur Klageerhebung“).
                                                          ●● beim Bundeszentralamt für Steuern,
Die gesetzlichen Grundlagen für das Einspruchs-
verfahren ergeben sich aus den §§ 347 bis 367 der         ●● bei den Familienkassen und
Abgabenordnung (AO).1 Verwaltungsanweisun-
gen hierzu enthält der Anwendungserlass zur               ●● bei den Behörden der Zollverwaltung.
Abgabenordnung.2
                                                          3 Abrufbar unter
                                                            http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20181033
1 Abrufbar unter www.gesetze-im-internet.de
                                                          4   Zuletzt im Monatsbericht September 2017 für das Jahr 2016.
2 Abrufbar unter                                              Der Monatsbericht ist abrufbar unter
  http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20181032           http://www.bundesfinanzministerium.de/mb/20181034

                                                        20
Analysen und Berichte                                                                          Monatsbericht des BMF
          Statistiken über die Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern                                         Oktober 2018

Früher wurden in der Statistik Abgaben und Über-                             aufgrund der Umstellung während des Kalender-
nahmen saldierend bei den Eingängen sowie sons-                              jahres zudem mit unterschiedlichen statistischen
tige Bestandskorrekturen (beispielsweise nach                                Verfahren gearbeitet.

                                                                                                                                   Analysen und Berichte
Aufdecken fehlerhafter Einträge in den Rechtsbe-
helfslisten) entweder ebenfalls saldierend bei den                           Ferner wurde seit dem Jahr 2014 die Erledigungs-
Eingängen oder durch eine Anpassung des An-                                  art „Auf andere Weise“ aufgenommen. Hierunter
fangsbestands berücksichtigt. Seit dem Jahr 2013                             fallen beispielsweise Verfahren, in denen sich eine
enthält die Einspruchsstatistik die Rubrik „Saldo                            angefochtene Außenprüfungsanordnung vor ei-
aus Übernahmen, Abgaben, Storni und sonstigen                                ner Entscheidung über den Einspruch mit Been-
Bestandskorrekturen“. „Abgaben“ können nicht                                 digung der Außenprüfung erledigt hat, sowie Fälle,
nur darauf beruhen, dass sich die örtliche Zustän-                           in denen sich ein mit einem Einspruch beantragter
digkeit des Finanzamts (z. B. durch einen Wechsel                            Lohnsteuer-Freibetrag (§ 39a Einkommensteuer-
des Wohnsitzes oder des Ortes der Geschäftslei-                              gesetz) im Lohnsteuerabzugsverfahren nicht mehr
tung) geändert hat, sondern auch auf einem Wech-                             auswirken kann. Früher wurden diese – zahlenmä-
sel der sachlichen Zuständigkeit, wie z. B. im Fall                          ßig unbedeutenden – Fälle in der Einspruchsstatis-
der Übernahme der Verwaltung der Kraftfahrzeug-                              tik uneinheitlich berücksichtigt.
steuer durch die Hauptzollämter.

Wie bereits im Jahr 2016 enthält die Position „Sons-                            Einspruchsstatistiken der
tige Bestandskorrekturen“ auch im Jahr 2017 solche                              Jahre 2013 bis 2017
Korrekturen, die aufgrund der Vereinheitlichung
der Datenhaltung und der automationsunterstütz-                              Für die vergangenen fünf Jahre hat das BMF die in
ten Bearbeitung von Rechtsbehelfen in mehre-                                 Tabelle 1 aufgelisteten Daten veröffentlicht.
ren Ländern erforderlich waren. Zum Teil wurde

                                                                           21
Analysen und Berichte                                                                                       Monatsbericht des BMF
             Statistiken über die Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern                                                      Oktober 2018

  Einspruchsstatistiken der Jahre 2013 bis 2017                                                                                        Tabelle 1

                                          2013                    2014                      2015                  2016                  2017
                                                 Anteil                  Anteil                    Anteil                Anteil                Anteil
                                   Gesamt         in %     Gesamt         in %         Gesamt       in %    Gesamt        in %    Gesamt        in %
 Unerledigte Einsprüche am        4.024.325           - 3.907.650                - 2.883.112            - 2.551.162           - 2.397.750             -
 1. Januar des Jahres
 Eingegangene Einsprüche          4.231.429           - 3.467.424                - 3.456.326            - 3.322.249           - 3.245.945             -
 Veränderung gegenüber                  +2,2          -        -18,1             -         -0,3         -        -3,9         -        -2,3           -
 Vorjahr (in %)
 Erledigte Einsprüche             4.230.080           - 4.233.922                - 3.766.445            - 3.428.875           - 3.345.773             -
 Veränderung gegenüber                   +16          -         +0,1             -        -11,0         -        -9,0         -        -2,4           -
 Vorjahr (in %)
 davon erledigt durch:
 Rücknahme des Einspruchs           956.356        22,6     813.225           19,2     844.730       22,4    769.897       22,5    740.490         22,1
 Abhilfe                          2.717.941        64,2    2.869.287          67,8    2.430.520      64,5   2.175.785      63,5   2.142.166         64
 Einspruchsentscheidung             455.199        10,8     523.095           12,4     454.247       12,1    452.238       13,2    433.640          13
 Teil-Einspruchsentscheidung        100.584         2,4       18.195           0,4      23.732        0,6     18.671        0,5     15.092          0,5
 Auf andere Weise                           ..        ..      10.120           0,2      13.216        0,4     12.284        0,4     14.385          0,4
 Saldo aus Übernahmen,             -118.024           -    -258.040              -     -21.831          -    -46.786          -    -25.827            -
 Abgaben, Storni und
 sonstigen Bestandskorrek­
 turen
 Unerledigte Einsprüche am        3.907.650           - 2.883.112                - 2.551.162            - 2.397.750           - 2.272.125             -
 31. Dezember des Jahres
 Veränderung gegenüber                  -2,9          -        -26,2             -        -11,5         -        -6,0         -        -5,2           -
 Vorjahr (in %)
 Quelle: Die Daten wurden auf Grundlage von Meldungen der obersten Finanzbehörden der Länder vom BMF zusammengestellt.

   Eingegangene Einsprüche                                                           eine Pfändung. Daten hierzu liegen dem BMF nicht
                                                                                     vor.
Nachdem in den Jahren 2012 und 2013 ein Anstieg
der erhobenen Einsprüche zu verzeichnen war, ist
die Zahl der eingelegten Einsprüche in den Jah-                                         Erledigte Einsprüche
ren 2014 bis 2017 auf nunmehr circa 3,2 Mio. pro
Jahr zurückgegangen.                                                                 Die Zahl der im Jahr 2017 erledigten Einsprüche
                                                                                     hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 2,4 % ver-
Eine Aussage darüber, wie häufig Bescheide der                                       mindert. Sie liegt aber weiterhin über der Zahl
Finanzämter mit einem Einspruch angefochten                                          der Eingänge desselben Jahres, sodass der Bestand
werden, ist jedoch nicht möglich. Hierzu müsste                                      der unerledigten Einsprüche zum Jahresende er-
bekannt sein, wie viele Verwaltungsakte die Fi-                                      neut um 5,2 % abgebaut werden konnte (siehe
nanzämter jährlich erlassen, da mit dem Einspruch                                    Abschnitt 3).
nicht nur Steuerbescheide angefochten werden
können, sondern auch sonstige Verwaltungsakte,                                       Die Verteilung auf die Erledigungsarten „Rück-
wie beispielsweise die Ablehnung einer Stundung,                                     nahme“, „Abhilfe“, „Einspruchsentscheidung ohne
eines Steuererlasses oder einer Aussetzung der                                       Teil-Einspruchsentscheidung“ und „Teil-Ein-
Vollziehung, die Anordnung einer Außenprüfung,                                       spruchsentscheidung“ und ab 2014 auf die Erledi-
die Festsetzung eines Verspätungszuschlags oder                                      gungsart „Auf andere Weise“ (siehe „Gegenstand

                                                                               22
Analysen und Berichte                                                                          Monatsbericht des BMF
          Statistiken über die Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern                                         Oktober 2018

der Einspruchsstatistik“) ist weitgehend konstant.                           § 367 Abs. 2b AO abgeschlossen werden können,
Die Daten zu den Erledigungsarten lassen aber nur                            was dann kein Erledigungsfall im Sinne der Statis-
bedingt Rückschlüsse darauf zu, wie häufig die mit                           tik ist. Diese Zählweise ändert jedoch nichts daran,

                                                                                                                                    Analysen und Berichte
dem Einspruch angefochtenen Bescheide fehler-                                dass nach Erlass einer Teil-Einspruchsentschei-
haft waren. Hierzu ist Folgendes zu beachten:                                dung das Einspruchsverfahren weiter (wenn auch
                                                                             in beschränktem Umfang) anhängig bleibt.
●● Abhilfen (hierauf entfallen circa zwei Drittel
   der erledigten Einsprüche) beruhen häufig da-
   rauf, dass erst im Einspruchsverfahren Steuer-                               Anfangsbestand und Endbestand
   erklärungen abgegeben, Aufwendungen gel-
   tend gemacht oder belegt werden. Außerdem                                 Der Bestand der zum 31. Dezember 2017 anhängi-
   kann Einsprüchen, die im Hinblick auf anhän-                              gen Einspruchsverfahren konnte im Vergleich mit
   gige gerichtliche Musterverfahren eingelegt                               den Vorjahren weiter abgebaut werden. Er wurde
   wurden, durch Aufnahme eines Vorläufigkeits-                              seit dem 31. Dezember 2013 um circa 1,6 Mio. Ein-
   vermerks in den angefochtenen Steuerbe-                                   sprüche auf nunmehr circa 2,3 Mio. Einsprüche
   scheid abgeholfen worden sein. Des Weiteren                               reduziert.
   kann eine Abhilfe auch darauf beruhen, dass
   der Steuerbürger seinen ursprünglichen Ein-                               Es kann aber nicht davon ausgegangen werden,
   spruchsantrag nach einer Erörterung mit dem                               dass alle diese Einsprüche auch „bearbeitungsreif“
   Finanzamt eingeschränkt hat.                                              waren. Vielmehr waren von den vorgenannten
                                                                             zum Jahreswechsel anhängigen Einsprüchen
●● Die Rücknahme des Einspruchs (circa ein
   Fünftel der erledigten Einsprüche) deutet zu-                             ●● zum 31. Dezember 2017 insgesamt
   nächst darauf hin, dass der angefochtene Be-                                 1.181.811 Einspruchsverfahren,
   scheid fehlerfrei war und der Sachbearbeiter
   im Finanzamt Fragen zum Steuerbescheid mit                                ●● zum 31. Dezember 2016 insgesamt
   dem Steuerbürger im Einspruchsverfahren ge-                                  1.233.952 Einspruchsverfahren,
   klärt hat. Einer Einspruchsrücknahme kann
   aber auch ein Änderungsbescheid vorange-                                  ●● zum 31. Dezember 2015 insgesamt
   gangen sein, der dem Antrag des Steuerbürgers                                1.291.038 Einspruchsverfahren,
   teilweise entsprochen hat.
                                                                             ●● zum 31. Dezember 2014 insgesamt
●● Auch in einer Einspruchsentscheidung (circa                                  1.528.142 Einspruchsverfahren und
   ein Zehntel der erledigten Einsprüche) kann
   dem Antrag des Steuerbürgers teilweise ent-                               ●● zum 31. Dezember 2013 insgesamt
   sprochen worden sein.                                                        2.346.299 Einspruchsverfahren

Teil-Einspruchsentscheidungen (§ 367 Abs. 2a AO)                             nach § 363 Abs. 1 AO ausgesetzt oder ruhten gemäß
werden in der Statistik als Erledigungsfall behan-                           § 363 Abs. 2 AO. Häufig bedeutet dies, dass über
delt, da die Verwaltung davon ausgeht, dass inso-                            die im Einspruchsverfahren streitigen Rechtsfra-
weit die Einspruchsverfahren in den meisten Fäl-                             gen wegen vorgreiflicher Gerichtsentscheidungen
len später durch eine Allgemeinverfügung nach                                noch nicht entschieden werden konnte.

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