Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg

Die Seite wird erstellt Thomas Kühne
 
WEITER LESEN
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg
# 43. 2/2019
INFORMATIONEN VON BDKJ & KJA WÜRZBURG

                                        Frauen*
                                        Gleich-        Mädchen und Frauen
                                        berechtigung   im Blick
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg
Impressum
                                                                                                                                                                             Herausgeber:
                                                                                                                                                                               Bund der Deutschen Katholischen
                                                                                                                                                                               Jugend (BDKJ) Diözesanverband

         Inhalt
                                                                                                                                                                               Würzburg
                                                                                                                                                                             Mitherausgeber:
                                                                                                                                                                               Kirchliche Jugendarbeit Diözese
         Editorial                 .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .    3     Würzburg (kja)
                                                                                                                                                                             Verantwortlich:
         Thema  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4                     Christina Lömmer
         Männer und Frauen sind gleichberechtigt!? . . . . . . . . . . . 4                                                                                                     Daniela Hälker
         Die Frauen und die Kirche  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 8                                                           Redaktion:
         Rolle vorwärts mit den Girls!  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 12                                                                 Verena Fiedler, Christina Lömmer,
         Mehrwert von mädchen- und frauenspezifischen                                                                                                                          Matthias Muckelbauer, Daniela
         Angeboten  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 14                               Hälker, Andreas Kees,
         Generationen im Gespräch - Frauenbiographien                                                                                                                          Julia Stöhr
         früher und heute  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 20                                        Kontaktadresse:
         Impuls .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 24                    Redaktion - Meteorit
         Pinnwand .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 26                           Kilianeum – Haus der Jugend
                                                                                                                                                                               Ottostraße 1, 97070 Würzburg
         BDKJ  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 28                  fon: 0931 386-63141
                                                                                                                                                                               E-Mail: bdkj@bistum-wuerzburg.de
         kja  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 30             www.bdkj-wuerzburg.de
                                                                                                                                                                             Layout:
         Verbände  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 34                             Selina Seubert
         Regionen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 36                        Lektorat:
                                                                                                                                                                               Redaktionsteam
         Leute und Fakten                                        .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .      38   Druck:
                                                                                                                                                                               Druckerei Lokay e. K., Reinheim
                                                                                                                                                                             Auflage:
                                                                                                                                                                               1.500 Stück

         Anmeldung
         Hier kannst du den Meteorit
         kostenfrei bestellen:
         www.bdkj-wuerzburg.de

                                                                                                                                                                             Bezugshinweis:
                                                                                                                                                                               Kostenloser Bezug über die

         Nächste Ausgabe
                                                                                                                                                                               BDKJ-Diözesanstelle
                                                                                                                                                                             Gefördert durch:
         Redaktionsschluss der nächsten
         Ausgabe: 15. Mai 2020
         Thema: Digitale Welten

2/2019 2

Titelbild: www.pixabay.de
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg
Editorial
Frauen*

In dieser Ausgabe werdet ihr          Dass alle wählen, ihre Meinung frei
immer wieder über das sogenannte      äußern und sich frei entscheiden
Gendersternchen * stolpern. Es        dürfen. Dass die Berufswahl nicht
schließt zugleich Männer und Frau-    vom Geschlecht abhänging ist. Das
en, aber auch andere Geschlechte-     war nicht immer so und gelingt
ridentitäten ein.                     auch heute noch nicht uneinge-
Wird der Stern beispielsweise an      schränkt, wie der erste Artikel
„Frauen*“ angehängt, sind damit       aufzeigt. Auch ein lebendiges In-
alle Personen gemeint, die sich       terview am Ende des Thementeils
als Frau fühlen bzw. als solche       von einer Oma und ihrer Enkelin
sozialisiert wurden. Der Gender-      gibt Einblick in die Unterschiede,
stern zielt darauf ab, eine mög-      wie Mädchen und junge Frauen vor
licherweise enge Auslegung der        70 Jahren und heute aufgewachsen
Begriffe zu verhindern und auf die    sind.
Fülle der mitgemeinten Identitäten
zu verweisen. Deshalb haben wir       Nach den historischen Fakten
auch bewusst den Titel „Frauen*“      könnt ihr euch in „Frauen und
gewählt.                              die Kirche“ selbst ein Bild davon
                                      machen, wie die Stellung der Frau
Wenn ich mir vorstelle, wie das       in der Kirche seit Jahrhunderten
Leben vor 100 Jahren ausgesehen       verstanden wurde und wird und
hat, wird mir bewusst, dass vieles    wie das Patriarchat nach wie vor
heute Selbstverständliche erst hart   bewahrt wird.
erkämpft werden musste.
Im alltäglichen Leben scheint es      In „Rolle vorwärts mit den Girls!“
heute selbstverständlich, dass        seid ihr herzlich eingeladen,
Männer und Frauen, Jungen und         euch in den vielen aufgezählten
Mädchen alle über den gleichen        Bewegungen rund um das Thema
Zugang zu Bildung sowie zu            Gleichberechtigung zu vertiefen!
politischer und gesellschaftlicher
Teilhabe verfügen.                    Wollt ihr wissen, wo der Mehrwert
                                      von mädchen- und frauenspezifi-
                                      schen Angeboten zu finden ist? Wir
                                      haben Mädchen und Verantwort-
                                      liche aus den Bereichen Schule,
                                      Jugendverbände und Sport danach
                                      gefragt.

                                      Viel Spaß beim Lesen, eine geseg-
                                      nete Weihnachtszeit mit einem
                                      gelungenen Start in das neue Jahr
                                      2020 wünscht euch im Namen des
                                      gesamten Redaktionsteams

                                                         Daniela Hälker
                                              Referentin der kja Leitung

                                                                           3 EDITORIAL

                                                                   Bild: www.pixabay.de
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg
THEMA

                                                                                                                         Bild: www.pixabay.de
      Männer und Frauen sind gleichberechtigt!
      Männer und Frauen sind gleichberechtigt?
      „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ – so lautet Artikel 3, Absatz    rechte – und damit gleichberech-
      2 des Grundgesetzes. Diese Verankerung des Gleichheitsgrundsatzes im       tigte Teilhabe von Frau und Mann
      Grundgesetz erfolgt im Jahr 1949 und ist den sogenannten „Müttern des      – keine Erwähnung. Vielmehr wird
      Grundgesetzes“ zu verdanken: Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene       1850 Frauen die Mitgliedschaft in
      Weber und Helene Wessel, Mitgliedsfrauen des Parlamentarischen Rates.      politischen Parteien und Verbän-
      Der rechtliche Rahmen für die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist     den verboten.
      geschaffen – die politische und gesellschaftliche Umsetzung braucht Zeit
      und ist auch heute im Jahr 2019 noch im Prozess.                           Die Gesellschaft des 19. Jahrhun-
                                                                                 derts ist patriarchalisch organi-
      Wie ist die Stellung der Frau, ihre   19. Jahrhunderts weite Teile         siert, d.h. Männer bestimmen die
      politische und gesellschaftliche      Europas und auch den Deutschen       „Ordnung“ und Frauen werden
      Teilhabe vor 1949 und wie ist es      Bund ergreifen, sind ein Startsig-   weder als selbstständig noch als
      heute?                                nal für die Frauenemanzipation in    mündig betrachtet. Frauen haben
      Im 18. Jahrhundert beginnen in        Deutschland. Frauen glauben, eine    kein Wahlrecht, kein Recht auf
      der Zeit der Aufklärung und der       demokratische Revolution werde       Erwerbstätigkeit oder persönlichen
      Französischen Revolution Diskussi-    auch ihnen zu Rechten verhelfen.     Besitz. Sie sind als Ehefrauen sozial
      onen über die politische Teilhabe     Das ist ein Irrtum. Zur Wahl der     und ökonomisch von ihren Ehemän-
      von Frauen. Die Schriftstellerin      Frankfurter Nationalversammlung,     nern oder wenn sie unverheiratet
      Olympe de Gouges (1748-1793) for-     dem ersten gesamtdeutschen           sind, von ihren Vätern abhängig.
      dert 1791 in Frankreich mit ihrer     Parlament, sind keine Frauen,        In diesem gesellschaftlichen Kon-
      „Erklärung der Rechte der Frau und    sondern nur besitzende Männer ab     text und gegen den gesellschaft-
      Bürgerin“ das Wahlrecht für Frauen    25 Jahren zugelassen.                lichen Zeitgeist erfordert es Mut,
      und gleichberechtigte Teilhabe an                                          sich für gleichberechtigte Teilhabe
      der politischen Gestaltung. Leider    In dem Grundrechtskatalog            von Frau und Mann einzusetzen.
      erfolglos.                            von 1848 „Die Grundrechte des        Und doch gibt es immer wieder
      Die Revolutionen, die Mitte des       deutschen Volkes“, finden Frauen-    Frauen, die das Menschenrecht

2/2019 4
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg
auf gleichberechtigte Teilhabe             (§1354).                          •   1908 erlaubt das neue
wie das Wahlrecht, das Recht auf      •    Das Gesetzbuch weist Ehefrau-         Reichsvereinsgesetz Frauen,
Erwerbsarbeit sowie das Recht auf          en die Leitung des Hauswesens         politischen Vereinen und
Bildung einfordern. So gründet             zu.                                   Parteien beizutreten. Dies ist
sich 1865 der Allgemeine Deutsche     • Das Vermögen der Frau wird               ein Meilenstein und stellt die
Frauenverein und 1894 gelingt eine         durch die Eheschließung der           politische Teilhabe von Frauen
organisatorische Einigung der deut-        Verwaltung und Nutznießung            auf eine rechtliche Grundlage.
schen Frauenbewegung zum „Bund             des Mannes unterworfen            •   1912 findet in München der
Deutscher Frauenvereine“.                  (§1363).                              Frauenstimmrechtskongress
Eine der wichtigen Akteurinnen im     • Der Vater hat Kraft der elter-           mit Demonstration statt.
19. Jahrhundert war Louise Otto,           lichen Gewalt das Recht und           Hauptakteurinnen sind Anita
sie setzt sich für eine Demokra-           die Pflicht, für die Person und       Augspurg und Lida Gustava
tisierung der Gesellschaft sowie           das Vermögen des Kindes zu            Heymann.
für Anerkennung der bürgerlichen           sorgen (§1627).                   •   Erster Weltkrieg 1914-1918:
Rechte und bessere Bildungs- und      Diese Diskriminierungen sowie auch         Frauen müssen immer mehr
Arbeitsmöglichkeiten, auch für        schon die Beratungen im Vorfeld            gesamtgesellschaftliche Aufga-
Frauen, ein.                          zum BGB mobilisieren Frauen. Die           ben übernehmen und gewähr-
                                      entsprechenden Frauenvereine               leisten die Aufrechterhaltung
Im Jahre 1900 tritt das Bürgerliche   erhalten Zulauf und es stellen sich        des wirtschaftlichen Lebens.
Gesetzbuch in Kraft. An einer Be-     erste Teilerfolge ein:                     Sie leisten z.B. Schwerstarbeit
nachteiligung der Frau wird jedoch    • 1896 können in Berlin die ers-           in der Rüstungsindustrie - für
weiter festgehalten:                       ten Frauen das Abitur ablegen,        die Hälfte des Lohns der Män-
• Ehefrauen dürfen einen                   an den Universitäten Berlin           ner. Während des 1. Weltkrie-
    Arbeitsvertrag unterschreiben          und Göttingen werden Frauen           ges sind Frauen hauptsächlich
    und der Ehemann kann den               als Gasthörerinnen zugelassen.        mit der Sicherung des tägli-
    Vertrag jederzeit kündigen.       • 1900 werden im Land Baden                chen Lebens beschäftigt - der
• Dem Mann steht die Entschei-             Frauen als Studentinnen zuge-         Kampf um Frauenwahlrecht
    dung in allen das gemein-              lassen.                               und gleichberechtigte Teilha-
    schaftliche eheliche Leben        • 1903 können Frauen in Bayern             be ruht bis 1917 weitgehend.
    betreffenden Angelegenheiten           und 1908 in Preußen studie-       •   1917 kündigt Kaiser Wilhelm
    zu; er bestimmt insbeson-              ren.
    dere Wohnort und Wohnung

                                                                                                                      5 THEMA

                                                                                             Bild: wikipedia.de - Anita Augspurg
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg
THEMA

               eine Wahlrechtsreform an –         den Frauen gegeben, was ihnen         dient als bevölkerungspolitische
               ohne Frauenwahlrecht. Die          bis dahin zu Unrecht vorenthalten     Maßnahme, um die Geburtenrate
               sogenannte bürgerliche und         worden ist.“                          zu erhöhen.
               proletarische Frauenbewegung       In die Weimarer Verfassung wird       Frauen werden aus dem öffentli-
               solidarisieren sich für die Ein-   1919 Artikel 109, Abs. 2 einge-       chen Leben verdrängt, z.B.
               führung des Frauenwahlrechts.      fügt: „Männer und Frauen haben        • wird ihnen das passive Wahl-
                                                  grundsätzlich dieselben staatsbür-         recht entzogen;
        Nach dem 1. Weltkrieg und dem             gerlichen Rechte und Pflichten.“      • erhält ein Ehepaar ein Ehe-
        Zusammenbruch des Kaiserrei-              Grundsätzlich heißt nicht immer.           standsdarlehen, wenn die Frau
        ches wird die Weimarer Republik           1920 werden Frauen an deutschen            bei der Eheschließung ihre
        ausgerufen und letztlich für viele        Hochschulen zur Habilitation zuge-         Erwerbstätigkeit aufgibt (1933
        überraschend das Frauenwahlrecht          lassen. 1932 dürfen verheiratete           Gesetz zur Verminderung der
        eingeführt: Am 7.11.1918 ruft Kurt        Beamtinnen entlassen werden,               Arbeitslosigkeit);
        Eisner den Freistaat Bayern sowie         wenn das Einkommen durch den          • können unverheiratete Be-
        ein aktives und passives Wahlrecht        Mann gesichert ist.                        amtinnen leichter entlassen
        für Frauen und Männer aus. Fünf                                                      werden;
        Tage später wird auch auf Reich-          1933 beginnt die nationalsozia-       • dürfen Frauen in eine niedri-
        sebene das aktive und passive             listische Gewaltherrschaft und es          gere Besoldungsklasse einge-
        Frauenwahlrecht verkündet.                endet die Geschichte der freien            stuft werden als Männer;
                                                  Frauenbewegung. Die Nationalsozi-     • wird 1936 ein Berufsverbot für
        Marie Juchacz ist am 19.02.1919 ist       alisten setzen auf eigene Frauen-          Juristinnen erlassen.
        die erste weibliche Abgeordnete,          organisationen, auf einen anderen
        die in der Weimarer Nationalver-          Frauentyp – die Frau als Gebärende    Frauen und Mädchen werden
        sammlung spricht. „Meine Herren           und als Mutter.                       verstärkt in der Rüstungsindust-
        und Damen! Es ist das erste Mal,          Die Einführung des Mutterkreuzes      rie eingesetzt, wie vier Millionen
        dass in Deutschland die Frau als          1938 sowie des Muttertages als        Zwangsarbeiterinnen, die aus den
        freie und gleiche im Parlament            Feiertag 1934 ist mit der rassisti-   besetzten Gebieten deportiert
        zum Volke sprechen kann […]. Was          schen Ideologie verbunden und soll    werden.
        diese Regierung getan hat, das war        die Wahrnehmung der Benachtei-
        eine Selbstverständlichkeit: Sie hat      ligung von Frauen mindern. Dieses     1949 wird im Grundgesetz der
                                                                                        Bundesrepublik Deutschland die
                                                                                        Gleichberechtigung von Mann und
                                                                                        Frau festgelegt.

                                                                                        Gleichheit vor dem Gesetz,
                                                                                        Artikel 3, (2) Männer und Frauen
                                                                                        sind gleichberechtigt.
                                                                                        Ergänzung seit 1994: Der Staat
                                                                                        fördert die tatsächliche Durchset-
                                                                                        zung der Gleichberechtigung von
                                                                                        Frauen und Männern und wirkt
                                                                                        auf die Beseitigung bestehender
                                                                                        Nachteile hin. Der Gleichheits-
                                                                                        grundsatz steht im Widerspruch zu
                                                                                        gesellschaftlichen und rechtlichen
                                                                                        Rahmenbedingungen wie z.B. im
                                                                                        Familienrecht.

2/2019 6
 Bild: wikipedia.de
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg
Art. 3, Abs. 2, GG stellt letztlich    Eheleute Haushaltsführung und        •     partnerschaftlicher Aufteilung
ein Zukunftsprogramm vor, dessen       Erwerbstätigkeit im gegenseitigen          von Sorgearbeit
Ziele noch zu erreichen sind.          Einvernehmen regeln. Frauen sind     •     Parität in den Parlamenten
Die Umsetzung von „Männer und          demnach nicht mehr verpflichtet,     •     gleichberechtigter Teilhabe in
Frauen sind gleichberechtigt“ in       den Haushalt alleinig zu führen.           Führungspositionen und
anderen Rechtsbereiche und in          Ebenso kann der Ehemann die          •     keine Gewalt an Frauen! (Jede
das gesellschaftliche Leben ist ein    Arbeitsstelle seiner Frau nicht            vierte Frau im Alter von 16
langer und auch heute noch andau-      mehr kündigen, wenn er meint, die          bis 85 Jahren wurde bereits
ernder Prozess.                        Hausarbeit werde vernachlässigt.           einmal in ihrem Leben von
                                       Zudem müssen Ehefrauen nicht               ihrem Lebensgefährten oder
Das bis 1977 geltende Familien-        mehr zwingend den Familiennamen            Ex-Lebensgefährten misshan-
recht erklärt Männer zu Ernährern,     des Mannes annehmen.                       delt.)
Frauen zu Hausfrauen und Müttern
– die Familienpolitik der jungen       1980 wird das Gesetz über die        Seit den Forderungen von Olympe
Bundesrepublik favorisiert das         Gleichbehandlung der Frau am         de Gouges im 18. Jahrhundert ha-
Modell der Hausfrauenehe.              Arbeitsplatz erlassen, z.B. mit      ben sich politische und rechtliche
1958 tritt das Gleichberechtigungs-    dem Recht auf gleiches Entgelt,      Rahmenbedingungen für gleichbe-
gesetz in Kraft. Frauen dürfen ihr     auch müssen Stellenausschreibun-     rechtigte, politische und gesell-
in die Ehe eingebrachtes Vermögen      gen geschlechtsneutral formuliert    schaftliche Teilhabe von Frauen
selbst verwalten und ihr eigenes       werden. Seit 1997 ist Vergewal-      entscheidend verbessert.
Konto führen. Eine Ehefrau braucht     tigung in der Ehe strafbar. 1999     Veränderungen jedoch kön-
nicht mehr die Einwilligung ihres      legt die Regierungskoalition fest,   nen nicht allein über staatliche
Mannes, um einer Erwerbsarbeit         „die Gleichstellung von Frauen und   Regulierung erreicht werden, es
nachzugehen, allerdings muss sie       Männern zum durchgängigen Leit-      geht auch immer um die Verände-
dies mit ihren Pflichten in Ehe und    prinzip“ zu machen. 2002 wird das    rung im Denken und Handeln der
Familie vereinbaren können.            Gewaltschutzgesetz mit Stärkung      einzelnen Menschen. Wenn wir ein
                                       der zivilrechtlichen Rechtsschutz-   Bewusstsein für Geschlechterge-
Den Zeitgeist in den 1960iger Jah-     möglichkeiten für Opfer häuslicher   rechtigkeit entwickeln, kann sich
ren gibt der „Bericht der Bundesre-    Gewalt erlassen. 2016 tritt das      auch etwas ändern.
gierung über die Situation der Frau    neue Sexualstrafrecht „Nein heißt
in Beruf, Familie und Gesellschaft“    Nein“ in Kraft.
von 1966 wider:                        2017 tritt das „Gesetz zu dem
„Pflegerin und Trösterin sollte        Übereinkommen des Europarats
die Frau sein; Sinnbild bescheide-     zur Verhütung und Bekämpfung von
ner Harmonie, Ordnungsfaktor in        Gewalt gegen Frauen und häus-
der einzig verlässlichen Welt des      licher Gewalt“, die sogenannte
Privaten; Erwerbstätigkeit und         Istanbul-Konvention, in Kraft.
gesellschaftliches Engagement
sollte die Frau nur eingehen, wenn     Gleichwohl gibt es auch im Jahr
es die familiären Anforderungen        2019 noch immer keine Gerechtig-
zulassen.“                             keit zwischen Männern und Frauen
                                       in Deutschland.
                                                                                Petra Müller-März ist Gleich-
1977 erfolgt eine grundlegende         Frauen sind formal gleichberech-
                                                                                stellungsbeauftrage für Frauen
Reform des Ehe- und Familien-          tigt, aber wir sind immer noch auf
                                                                                und Männer bei der Stadt
rechts, in der BRD wird das Leitbild   dem Weg, z.B. zu
                                                                                Würzburg
der Hausfrauenehe aufgegeben. Im       • Lohngerechtigkeit
BGB ist nun z.B. festgelegt, dass      • Rentengerechtigkeit

                                                                                                                 7 THEMA
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg
THEMA

          Von Bäumen und vom Wald: Die Frauen und die Kirche
          Die Frau ist der Sonderfall der Menschheit. Dieser Eindruck drängt sich    Dem kommt man aber nicht bei,
          auf, wenn man hineinhört in die kirchlichen Äußerungen über Frauen,        indem man den „Sonderfall Frau“
          seien sie wohlwollend, herablassend oder offen abwertend. Denn wenn        bearbeitet, sondern indem man
          überhaupt der Bedarf benannt wird, es müsse über Frauen gesprochen         das eigene Bild von Kirche öffnet.
          werden, es müsse gar eine „Theologie der Frau“ geben (Papst Franziskus),   Die Rolle der Lai*innen oder die
          dann wird damit zugleich gesagt, dass Frauen eben nicht schon ohnehin      Rolle der Frauen in der Kirche zu
          ein Thema sind bzw. dass, wenn über Menschen gesprochen wird, nicht        beschreiben - was man nur in Be-
          automatisch auch über Frauen gesprochen wird. Das Problem dabei ist,       zug auf Männer unterscheiden muss
          dass das stimmt. Männer werden in der katholischen Kirche nicht annä-      -, das wäre ein ähnliches Vorhaben
          hernd so problematisiert wie Frauen. Über Jungen und junge Männer wird     wie über die Rolle der Bäume im
          nicht gesagt, man müsse ihnen die „Größe und Schönheit ihrer Berufung      Wald nachzudenken. Lai*innen, die
          als Mann“ vor Augen stellen, in Bezug auf Mädchen und junge Frauen         Hälfte von ihnen Frauen, sind die
          umgekehrt aber sehr wohl.                                                  Kirche.

                                                                                     Trotzdem gilt, dass es fast keine
                                                                                     weiblichen Stimmen sind, die zu
                                                                                     hören sind, wenn es um kirchliche
                                                                                     Äußerungen über Frauen geht.
                                                                                     Denn die Stimmen, die zu hören
                                                                                     sind und denen Gewicht beige-
                                                                                     messen wird, gehören in der Regel
                                                                                     Amtsträgern, das heißt, Mitglie-
                                                                                     dern des Klerus. Die Zeit, in der
                                                                                     die Kirche auch in ihrer - wie auch
                                                                                     immer gestalteten - Leitungsebene
                                                                                     vielstimmig unterwegs war, war
                                                                                     sehr kurz. Wir haben Zeugnisse aus
                                                                                     dieser Zeit im Neuen Testament,
                                                                                     aber schon innerbiblisch wird die
                                                                                     Entwicklung hin zu einer Kirchen-
                                                                                     gestalt sichtbar, die die Regeln
                                                                                     des in der damaligen Gesellschaft
                                                                                     geltenden Patriarchats übernahm:
                                                                                     Die Gemeinde zu leiten und zu
                                                                                     repräsentieren und den Glauben
                                                                                     ins Wort bringen war dann Sache
                                                                                     von freien, vermögenden Män-
                                                                                     nern, nicht mehr auch von Armen,
                                                                                     Sklav*innen und wohlhabenden
                                                                                     Frauen.

                                                                                     Kirchliches Kurzzeitgedächtnis
                                                                                     Man könnte über die Jahrhunder-
                                                                                     te hinweg eine lange Geschich-
                                                                                     te rekonstruieren, wie Frauen
                                                                                     Kirchengeschichte - das heißt, die
                                                                                     Geschichte des* geglaubten Got-

2/2019 8

Bild: Christian Toussaint
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg
tes* - gelebt haben und analog eine    im Sinne einer Bestätigung der         ten Frauen gesellschaftliche und
Geschichte darüber, wie leise das      kirchlichen Lehre ausgelegt. Heute     wirtschaftliche Gleichberechti-
Echo ihrer Stimmen heute nur noch      gibt es sowohl vormoderne als auch     gung, dieser Prozess ist noch nicht
nachklingt - von Wüstenmüttern         moderne Lager in der Kirche, die       abgeschlossen. Während aber in
der frühen Kirche über Diakonin-       sich weithin voneinander isoliert      den westlichen Gesellschaften
nen, Frauen in der Armutsbewe-         haben. Beide unterscheiden sich        inzwischen die grundsätzliche
gung des Mittelalters, Beginen,        im Wesentlichen in der Frage,          Gleichberechtigung weithin ak-
Mystikerinnen und mächtige             ob der Glaube sich geschichtlich       zeptiert ist und nur von antidemo-
Äbtissinnen, bis zu gültig geweih-     entwickeln und verändern kann          kratischen, rechtspopulistischen
ten Priesterinnen der tschechi-        oder nicht, und diese Frage wird       Kreisen abgelehnt wird, ist das in
schen Untergrundkirche während         insbesondere über die Frage nach       der Kirche nicht der Fall. In der
des Kalten Krieges. Frauenbilder       der Rolle der Frauen verhandelt.       kirchlichen Ideenbildung herrschte
in der Geschichte des* geglaubten                                             und herrscht das klassische Rol-
Gottes* waren divers, bunt und         Jede Menge Zeitgeist in der Kirche     lenmodell vor, das in eine „so war
vielgestaltig. Das Kurzzeitgedächt-    - aber von früher                      es immer schon“-Vergangenheit
nis der kirchlichen Organisation       Denn während die Frauen lange ein      zurückprojiziert und als „natür-
ist aber eben dies: kurz. Das hat      vernachlässigtes Feld der Theologie    lich“ angesehen wird, und es hat
zur Folge, dass das, was wir heute     waren, begann das Lehramt sich im      eine innere Logik, dass neben dem
als „war immer schon so“ verin-        19. und mehr noch im 20. Jahrhun-      Kampf gegen Abtreibung ausge-
nerlicht haben, kaum älter als 150     dert für sie zu interessieren, und     rechnet das Thema der „traditio-
Jahre ist.                             zwar wegen des sich wandelnden         nell“ genannten Familie die Brücke
                                       Frauenbilds der westeuropäischen       bildet, über die rechtspopulistische
Das heutige offiziell-kirchliche       Moderne. In der europäischen bür-      Kreise sich in bürgerlich-konser-
Frauenbild ist stark geprägt von       gerlichen Gesellschaft hatte sich      vative, kirchliche Kreise Zutritt
der Rollenzuschreibung des bürger-     zwar einerseits ein relativ junges,    verschaffen.
lichen 19. Jahrhunderts in Europa,     heute aber als „klassisch“ bezeich-
denn diese Zeit ist es auch, die die   netes Rollenmodell als Ideal durch-    Die drei weiblichen Aggregatzu-
heutige Gestalt des Katholizismus      gesetzt, bei dem der Mann für die      stände: Jungfrau, Braut, Mutter
stark geprägt hat: Die innerkirch-     Erwerbsarbeit und die Frau für den     Heteronormativität und die An-
liche Macht begann, sich in bis        häuslichen Bereich zuständig war,      nahme, dass das Geschlecht das
dahin unbekanntem Ausmaß auf           und das unterfüttert wurde von ei-     Wesen des Menschen bestimmt,
den Papst zu konzentrieren, und        nem romantischen Liebesideal und       prägen das lehramtliche Bild von
das geschah parallel zum Kampf         einem daraus folgenden Familien-       Frauen. Dieses Bild ist insbeson-
der Kirchenleitung gegen die           bild, bei dem die familiären Pflich-   dere im Pontifikat Johannes Paul
Moderne, insbesondere gegen die        ten dauerhaft auf romantischer         II. manifestiert und eingeschärft
Ideen der Demokratie, Meinungs-        Liebe gründen. Dieses Bild hat in      worden, der den Frauen die Rollen
freiheit, Wissenschaftsfreiheit und    der Kirche fest Fuß gefasst. In der    Jungfrau, Braut und Mutter zuwies
Religionsfreiheit. Ihre vorläufige     Gesellschaft wurde es aber in einer    und mit dem apostolischen Schrei-
Spitze erfuhr diese Entwicklung        Pendelbewegung gefolgt von einer       ben „Ordinatio sacerdotalis“ 1994
in der Festlegung der Lehre, dass      Modernisierung des Frauenbildes:       ihren Ausschluss vom kirchlichen
der Papst unfehlbar lehren könne,                                             Amt zementierte. Das Ergebnis
durch das Erste Vatikanische Kon-      In der ersten Frauenbewegung ab        dieser Entwicklung ist ein immer
zil. Diese Entwicklung wurde durch     dem Ende des 19. Jahrhunderts er-      größeres Auseinanderklaffen
das Zweite Vatikanische Konzil         kämpften Frauen gleiche politische     von innen- und außerkirchlichen
relativiert, aber dessen Rezeption     Rechte, vor allem das Wahlrecht.       Selbstverständlichkeiten. Während
ist nicht eindeutig - es wird sowohl   In der zweiten Frauenbewegung          gesellschaftlich die Diskriminierung
im Sinne einer Neuerung als auch       ab den 1960er Jahren erkämpf-          von Frauen als Problem verstan-

                                                                                                                 9 THEMA
Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg
THEMA

         den wird, ist es innerkirchlich            Annahmen über das Wesen der            gie studieren, sich seit 1972 auch
         komplexer: Es ist auch unter               Frau, die eine natürliche bräut-       habilitieren und also Katholische
         Katholik*innen eben keine allge-           liche Veranlagung habe, die sie        Theologie lehren. Im Kirchlichen
         mein geteilte Annahme mehr, dass           zu aufrichtiger Hingabe befähige,      Gesetzbuch von 1983 sind viele
         Frauen nicht die gleichen Funktio-         münden direkt in normative Erwar-      vorher bestehende Einschränkun-
         nen ausüben könnten wie Männer.            tungen an ihre Rolle, weil sich eine   gen für Lai*innen weggefallen
         War der Ausschluss der Frauen vom          Frau nur selbst finden könne, wenn     - nicht nur das Verbot für Frauen,
         Amt in vormodernen Zeiten eine             sie anderen ihre Liebe schenke, so     den Altarraum einer Kirche zu be-
         Selbstverständlichkeit, weil Frauen        das gleiche Dokument weiter. Ent-      treten. Die Möglichkeiten wurden
         auch gesellschaftlich keineswegs           sprechende vergleichbare Aussagen      für Lai*innen insgesamt erweitert,
         gleichgestellt waren, so steht die         über Männer sucht man vergebens.       Dienste und Aufgaben in der Kirche
         kirchliche Lehre jetzt vor dem Pro-        Offenbar ist der Mann nicht in         zu übernehmen, bis hin zur als Aus-
         blem, diskriminierende Strukturen          gleicher Weise ein Problem wie die     nahme in Notzeiten ermöglichten
         mit Aussagen über Frauen recht-            Frau. Diese Sicht auf Frauen und       Gemeindeleitung. Frauen haben
         fertigen zu müssen, die Gleichwür-         Weiblichkeit ist stereotyp und wird    das aktive und passive Wahlrecht
         digkeit ausdrücken sollen. Weil es         nicht einmal mehr von kirchlich        für Kirchenvorstand und Pfarr-
         eine Entscheidung „des Schöpfers“          hochidentifizierten Menschen allge-    gemeinderat, Katholikenrat und
         sei, dass Frauen nun einmal keine          mein geteilt, sie ist im Gegenteil     Kirchensteuerrat und können so
         Männer seien, könne man „ohne              innerkirchlich zu einer Minder-        Einfluss nehmen auf den Umgang
         nachteilige Folgen für die Frau            heitenposition geworden. Denn          mit den kirchlichen Finanzen und
         einen gewissen Rollenunterschied           auch innerkirchlich treten Frauen      die Gestaltung der Seelsorge. Nach
         annehmen“, so das vatikanische             mittlerweile fast so divers auf wie    dem Konzil wurden über einen
         Schreiben an die Bischöfe „über            in anderen Lebensbereichen auch,       Zeitraum von zwanzig Jahren
         die Zusammenarbeit von Mann und            und sie sind in vielen Bereichen der   nach und nach in allen deutschen
         Frau in der Kirche und in der Welt“        Kirche unterdessen gut vertreten:      Diözesen die pastoralen Berufe
         von 2004.                                  Seit 1946 dürfen Frauen Theolo-        für nichtgeweihte Theolog*innen
                                                                                           und Religionspädagog*innen
                                                                                           eingeführt: Pastoral- und
                                                                                           Gemeindereferent*innen sind
                                                                                           heute selbstverständlicher Teil des
                                                                                           Seelsorge-Personals.

                                                                                           Die Bewegung hin zu aktiver
                                                                                           Gestaltung der Kirche durch
                                                                                           Lai*innen wurde in Deutschland
                                                                                           unter anderem durch das breite
                                                                                           und demokratische Engagement in
                                                                                           katholischen Verbänden vorberei-
                                                                                           tet und getragen, die nicht nur
                                                                                           früh sensibel für Geschlechterfra-
                                                                                           gen waren, sondern die auch eine
                                                                                           Keimzelle der liturgischen Bewe-
                                                                                           gung waren und so zur Hinwendung
                                                                                           der Kirche zur Moderne im Konzil
                                                                                           entscheidend beigetragen haben.
                                                                                           Im Sinne der „tätigen Teilnah-
                                                                                           me“ der gesamten Gemeinde an

2/2019 10
Bild: Diözesane Fachstelle Ministrant*innenarbeit
der Feier der Eucharistie, die         Kirche zu vermeiden, fiel diese       Teil weiblicher Gottes*erfahrung
das Zweite Vatikanische Konzil         Hinwendung zur Moderne nicht ein-     ist über diesen Weg nicht mehr
als Ideal formuliert hat, wird der     deutig aus, sondern blieben viele     zu rekonstruieren. Aber selbst die
liturgische Dienst des Messdienens     Konzilisdokumente Kompromiss-         wenigen Spuren, die Frauen im
heute nicht mehr als Vorstufe zum      texte, die man eben sowohl strikt     Alten und Neuen Testament hin-
Priesteramt, sondern als Aufgabe       konservativ als auch im Sinne einer   terlassen haben, sind im religiösen
aller Getauften verstanden - seit      Neuerung auslegen kann. Auch          Gedächtnis weithin verschüttet.
den siebziger Jahren gab es darum      die Neuerungen des Kirchenrechts      Sie wieder zugänglich zu machen,
mehr und mehr Ministrantinnen,         sind ambivalent geblieben und         ist das Verdienst der feministi-
seit 1992 bzw. 1994 wurde dies         kennen weiterhin eine Trennung        schen Exegese und Theologie, die
auch päpstlich und durch die Got-      in lehrende und hörende Kirche,       im 20. Jahrhundert zunächst in
tesdienst- und Sakramentenkongre-      einen fundamentalen Unterschied       der protestantischen, dann auch
gation anerkannt. 2001 folgte noch     zwischen Klerikern und Lai*innen      in der katholischen Theologie
die Klarstellung, dass kein Priester   und damit in der Folge auch zwi-      Fuß gefasst hat, aber auch immer
gezwungen werden kann, sich von        schen Männern und Frauen. Das         noch umstritten und angefragt
Mädchen oder Frauen ministrieren       mag damit zu tun haben, dass an       ist. Sie ist aber immer noch nötig,
zu lassen.                             seiner Entstehung keine Lai*innen     denn was so allumfassend ist wie
                                       beteiligt waren.                      der Einfluss des Patriarchats auf
Noch keine nachhaltige Wende                                                 Denken und Glauben, also auf das,
Dennoch wirkt diese Aufzählung,        Der Elefant im Raum                   was Menschen für denkmöglich und
was die Verbesserung der Stellung      Abgesehen von diesen rechtlich-       für glaubwürdig halten, ist umso
der Frauen in der Kirche angeht,       strukturellen Entwicklungen           schwerer sichtbar zu machen. Mit
wie ein Trostpflaster. Denn andere     hat die Kirche auch darum ein         der Untersuchung einzelner Bäume
Anstöße, die in der Folge des Kon-     männliches Gesicht, sind Frau-        kommt man nicht sehr weit, wenn
zils gegeben wurden, wurden nicht      en auch darum ein Sonderfall,         man einen Wald beschreiben will.
aufgenommen: Von der obersten          weil das katholische Gottes*bild
Leitung der römisch-katholischen       weithin männlich geprägt ist.
Kirche immer noch unbeantwortet        Zwar haben Katholik*innen als
- oder vielmehr durch mehr als 40      Ausgleich und weibliche Reprä-
Jahre Schweigen beantwortet - ist      sentanz in der göttlichen Sphäre
das Votum der Würzburger Synode,       die Gottes*mutter Maria, aber
Frauen zur Diakon*innenweihe zu-       die Gottes*vorstellung selber ist
zulassen. Und wie erwähnt wurde        von männlichen Begrifflichkeiten
die allgemeine Gleichstellung von      geformt. Eine weiblich geprägte
Frauen und Männern bis heute           Gottes*rede, die in der Bibel auch
nicht erreicht. Die Hinwendung         aufzufinden ist, findet keinen                    Bild: Ute Haupt
der Kirche zur Moderne im Konzil       Widerhall in der heutigen katholi-
ist nämlich dies geblieben: Eine       schen Liturgie- und Gebetssprache.
                                                                              Dr. Annette Jantzen ist
Hinwendung. Es ist keine allgemei-     Wie anstößig weibliche
                                                                              Theologin, Pastoralreferentin
ne Wende geworden, und noch ist        Gottes*vorstellungen sind, mach-
                                                                              im Bistum Aachen, dort Geistli-
unklar, ob die Kirche, die sich der    ten unter anderem die heftigen
                                                                              che Leiterin des BDKJ-Diöze-
Welt immerhin zugewendet hat,          Reaktionen auf die „Bibel in
                                                                              sanverbandes Aachen und
ihr wieder den Rücken zudrehen         gerechter Sprache“ deutlich, die
                                                                              regionale Frauenseelsorgerin.
wird. Denn das Konzil wurde zwar       2006 erschienen ist. Frauenge-
                                                                              Auf Bundesebene ist sie
einberufen mit dem Ziel, die Kir-      schichten in der Bibel aufzufinden
                                                                              Mitglied des BDKJ-Bundesfrau-
che mit der Moderne zu versöhnen,      bedeutet, die Spitze eines Eisbergs
                                                                              enpräsidiums.
aber um Spaltung innerhalb der         sichtbar zu machen - der größere

                                                                                                              11 THEMA
THEMA

         Rolle vorwärts mit den Girls!
         Seit mehr als 200 Jahren kämpfen Menschen für Frauenrechte. Seit 25         Als Prinzessinnen geboren?
         Jahren steht im Art. 3 Abs. 2 des deutschen Grundgesetzes, Frauen und       Pinke, blassrosa Feen, Pferde,
         Männer sind gleichberechtigt.                                               Puppen und Küchen für Mädchen.
         Warum gerade jetzt noch ein Artikel über Mädchen & Feminismus?              Dunkelblaue, schwarze Monster,
                                                                                     Ritter und Maschinen für Jungen.
                                                                                     Im Produktmarketing wird mit dem
         Mädchen und junge Frauen möch-                                              Gender (=dem sozialen Geschlecht)
                                               #Hashtag Ein Hashtag ist eine
         ten auf verschiedenen Ebenen                                                von Kindern gespielt. Es gibt Pro-
                                               Raute (#). Hashtags werden in den
         mitbestimmen und mitgestalten.                                              dukte, die Erwachsene ansprechen
                                               sozialen Netzwerken wie Twitter,
         Zehntausende haben die Online-                                              sollen, deren Konzept es ist, einen
                                               Instagram oder Facebook genutzt,
         Petition zur Abschaffung der Luxus-                                         Unterschied zwischen Geschlech-
                                               um zu verdeutlichen, worum es in
         steuer auf Periodenprodukte mit                                             tern zu konstruieren, der so nicht
                                               dem Beitrag geht. Auch für Politik
         dem Hashtag #Kein Luxus unter-                                              besteht. Dabei können diese
                                               über, mit und durch das Netz
         zeichnet. Zusätzlich finden auf den                                         konstruierten Rollenzuschreibun-
                                               werden oftmals Hashtags verwen-
         Straßen, in Kinder- und Jugend-                                             gen zu Geschlechterungleichheiten
                                               det. (Vgl. netzpolitik.org e.V.)
         treffs oder auch auf Instagram,                                             beitragen.
         Klimaproteste für eine gerechte                                             Konstruierte Rollenzuschreibungen
         Umweltpolitik statt. Mädchen und      Und dennoch werden Mädchen            gibt es schon seit Jahrhunderten –
         junge Frauen sind die starken Prot-   noch immer in Rollenklischees         das ist nichts Neues. Hinzu kommt,
         agonistinnen dieser Bewegungen.       gezwungen - in Werbung, Gesell-       Geschlechterklischees werden in
                                               schaft, Politik. Das prägt sich auf   die sozialen Medien übertragen.
                                               die Berufswahl- und die Lebens-
                                               entscheidungen, die von und für       Unter dem Hashtag #daskaufeich-
                                               junge Mädchen getroffen werden,       nicht wurden 2015 viele Fotos von
                                               aus und trägt Stereotypisierungen     Produkten in den sozialen Medien
                                               weiter. Sie werden nicht mitbe-       geteilt, um auf sexistische Rol-
                                               dacht und nicht sichtbar bei rele-    lenklischees in der Werbung oder
                                               vanten politischen Entscheidungen     in der Spielzeugabteilung aufmerk-
                                               beispielsweise bezogen auf das        sam zu machen. Darüber hinaus
                                               Gesundheitswesen oder Finanz-         haben sich Mädchen und junge
                                               planungen. Den Ausgangspunkt          Frauen mit Pinkstinks Germany,
                                               nimmt das alles zuvorderst in der     eine Bildungsorganisation gegen
                                               Kindheit.                             Sexismus, stark gemacht, um ge-
                                                                                     gen das Frauenbild von Germanys
                                                                                     Next Topmodel zu protestieren.
                                                                                     Diese Mädchen und junge Frauen
                                                                                     haben deutlich gemacht, dass sie
                                                                                     keine Lust mehr auf den Beau-
                                                                                     tystress und das Bodyshaming, das
                                                                                     seit GNTM in die Welt getragen
                                                                                     wird, haben. Deswegen haben sie
                                                                                     eine Social-Media-Kampagne mit
                                                                                     einem selbst kombinierten Song
                                                                                     gegen GNTM mit dem Hashtag
                                                                                     #NotHeidisGirl eröffnet. Aber was
                                                                                     bringen diese Hashtags eigentlich?

2/2019 12

Titelbild: www.pixabay.de
Wie Hashtags Politik beeinflussten.   Um Frauenrechte zu verteidigen,      und geschlossene Türen öffnen.
Vor vier Jahren wurde eine Petiti-    benötigt es Argumente und eine       Und jetzt ist ein guter Zeitpunkt“
on mit dem Hashtag #keinLuxus an      intersektionelle Perspektive.        sagte Wonder Woman.
Politiker*innen des Deutschen Bun-
destags gestartet. Da in Deutsch-     Was heißt denn Intersektionali-      Heute wissen wir, dass Diskrimi-
land Periodenprodukte, also Mens-     tät?                                 nierung Türen und somit Zugänge
truationstassen, Tampons, Binden,     Intersektionalität spricht Hand-     verschließt. In Lebenswelten von
Panties etc., unter die Kategorie     lungen an, die Frauen belasten       Menschen „kreuzen“ sich Kate-
„Luxusartikel“ fallen, werden sie     und zur Entmachtung führen.          gorien wie Gender, Körper, (A-)
mit 19% besteuert, obwohl es einen    Beispielsweise sind Frauen mit       Sexualität, Lebensalter, Gesund-
ermäßigten Steuersatz von 7% für      Migrationsbiografie und Women        heit, Kultur, sozialer Status und
Dinge des alltäglichen Lebens gibt.   of Colour „nicht nur durch die       Konfession, die bei Mehrfachdis-
Da Frauen ihre Menstruation nicht     Ungleichstellung der Geschlech-      kriminierung eine Rolle spielen.
vermeiden können, stellt diese        ter innerhalb des Patriarchats       Intersektionalität macht als „Lupe“
Besteuerung von Menstruationspro-     der deutschen Mehrheitsge-           unterschiedliche Bedingungen
dukten eine Diskriminierung dar.      sellschaft von Diskriminierung       einer Diskriminierung erkennbar.
Am 07. November 2019 hat der          betroffen, sondern auf struk-
Bundestag offiziell die Senkung auf   tureller und sozialer Ebene          Es liegt an uns allen, welche Türen
die regulären 7% beschlossen.         auch von Rassismus“ (Şahin).         in der Jugendverbandsarbeit ge-
                                      Vor genau 30 Jahren wurde der        öffnet bleiben und sich in Zukunft
Andere Hashtags wie #ausnahmslos      Begriff von der Juristin Kimberlé    öffnen werden. Dazu brauchen wir
#metoo #neinheißtnein beein-          Williams Crenshaw erstmals in        unsere „Lupen“ - für eine diversi-
flussten im Jahr 2016 eine Reform     einem wissenschaftlichen Aufsatz     tätsbewusste Kinder- und Jugend-
des Sexualstrafrechts. Das lag vor    verwendet. Das Konzept richtet       arbeit. Wir setzen uns ein - für
allem daran, dass sich sehr viele     den Blick darauf, wie Rassismus,     eine #Rollevorwärts mit den Girls.
Menschen zum Thema sexualisierte      Patriarchat, Klassenzugehörig-
Gewalt öffentlich ausgesprochen       keit sowie andere Systeme der
und bei Diskussionen beteiligt        Unterwerfung eine nicht sicht-
haben.                                bare Ungleichheit konstruieren,
                                      welche die Beziehung von Frauen
Im Zuge der #metoo Debatte mach-      zu Rasse, Ethnie, Klasse und ähn-
te die Neue Rechte unter dem          liches bestimmen. (Vgl. Crens-
Hashtag #120db Stimmung gegen         haw) Praktisch umgesetzt wurde
Geflüchtete. In den sozialen Medi-    Intersektionalität schon 1851 von
en wurde die Macht des Internets      der Frauenrechtlerin und christli-
für rechtsextremistische Parolen      chen Predigerin Sojourner Truth,
genutzt und dafür auch Frauen         die für die Abschaffung der Skla-
eingesetzt – und das, obwohl          verei kämpfte. Truth stellte als
                                                                            Vanessa Hüfner lebt in Berlin
rechtsextremistische Bewegungen       erste schwarze Aktivistin einen
                                                                            und studierte Soziale Arbeit.
und Parteien gerade das Gegenteil     Zusammenhang von Frauen- und
                                                                            Sie arbeitet für die BDKJ-Bun-
von emanzipativen Bewegungen          Sklav*innenrechten her.
                                                                            desstelle als Referentin für
unterstützen – sondern auch immer
                                                                            Jugendpolitik, Mädchen- und
antifeministische Haltungen propa-    Privilegien checken.
                                                                            Frauenpolitik und Diversität.
gieren.                               „Wir müssen uns hinterfragen

                                                                                                             13 THEMA
THEMA

      Mehrwert von mädchen- und frauenspezifischen
      Angeboten
      Geschlechtergetrennte Angebote gibt es in vielen verschiedenen Bereichen. Auf den folgenden Seiten lassen wir
      Menschen unterschiedlichsten Alters und Geschlechtes zu Wort kommen, die in Schule, Jugendverbänden und
      Sport aktiv sind.

                                      Die Maria-Ward-Schule Aschaffenburg bereichert seit dem Jahr 1748, also seit
                                      fast 275 Jahren, die Schullandschaft der Region, widmet sie sich doch ganz
                                      im Sinne der Namensgeberin Mary Ward (1585-1645) speziell der Ausbildung
                                      von Mädchen und jungen Frauen. Findet man zurzeit wieder vermehrt wis-
                                      senschaftliche Publikationen, die sich für die getrennte Schulausbildung nach
                                      Geschlechtern aussprechen, schien es zwischenzeitlich doch eher exotisch,
                                      wenn nicht gar altmodisch, eine reine Mädchenschule zu betreiben.

                                      Was spricht also für eine Mädchenschule?

                                       Das (Unterrichts-)Klima! Selbstverständlich sind Jungs wunderbare Geschöp-
      fe, können amüsant und geistreich, spontan und nachdenklich sein. Die Schülerinnen, Eltern und Lehrkräfte
      unserer Mädchenschule spüren in unserem Haus aber ein besonderes Klima der Rücksicht, des Zusammenhalts,
      des Vertrauens. So können gerade sensible Unterrichtsinhalte in einem Klima des Vertrauens offen angespro-
      chen werden. Gespräche über „peinliche Themen“ können geführt werden, ohne Angst zu haben, sein Gesicht
      zu verlieren. Auch ist der manchmal mühsame Weg mancher Mädchen zu den Naturwissenschaften deutlich
      leichter; hier blamiert sich niemand vor „den Jungs“.

      Der Umgang mit Konflikten! Selbstverständlich gibt es auch unter Mädchen Konflikte. Diese werden hier aber
      ohne verbale oder gar körperliche Gewalt geführt. Auch der Umgang der Mädchen mit den Erwachsenen ist von
      Respekt und Offenheit geprägt. Sollten Missverständnisse auftreten, werden auch hier Lösungen im Gespräch
      miteinander gesucht. Destruktives Verhalten, Beleidigungen o.ä. kennen wir glücklicherweise nicht.

      Mädchen-gerechte Förderung! Ein großer Vorteil der Mädchenschule ist es, dass wir die Bildungsinhalte mit
      Themen und Methoden verknüpfen können, die Mädchen zumeist interessieren. Studien haben gezeigt, dass
      Mädchen zu manchen Inhalten andere Zugänge benötigen als Jungs. So sind Praxisbeispiele, Anwendungen
      des Gelernten schnell gefunden. Unser Angebot, auch und gerade im Bereich des Wahlunterrichts, ist auf die
      Interessen unserer Mädchen zugeschnitten: von Mädchenfußball und Klettern über Kunst und Handarbeiten zu
      Tanz und Musik.

      Sicherlich ist eine Mädchenschule nicht für jede Schülerin die richtige Schule. Manche Mädchen entwickeln sich
      im Vergleich und in Kooperation mit Jungs besser. Unsere Schülerinnen allerdings, und vor allem die Mädchen,
      die zuvor eine koedukative Schule besucht haben, genießen und schätzen die Vorteile einer reinen Mädchen-
      schule. Nicht umsonst lautet unser Schulmotto: „Sich wohl fühlen – besser lernen.“

      Patrick Matheis ist Schulleiter der Maria-Ward-Realschule in Aschaffenburg

2/2019 14
Schule
                                  Wie beschreibst du das Klima an deiner Schule (im Vergleich zu einer
                                  gemischtgeschlechtlichen Schule)?
                                  Das ist natürlich von der Klasse abhängig. Bei uns herrscht ein sehr friedli-
                                  ches Klima, man ist irgendwie vertrauter als in einer gemischten Klasse. Es
                                  ist allerdings auch tagesabhängig. Aber in einer Mädchenklasse trauen sich
                                  mehr Schülerinnen, sich mitzuteilen. Im Gymnasium mit den Jungs hat man
                                  eher erst dann was gesagt, wenn man sich seiner Antwort sicher war. Nur
                                  mit Mädchen ist es ein offenerer Umgang , z.B. mit dem Thema Jungs oder
                                  mit Mädchenthemen. Wenn wir über das andere Geschlecht reden, traut
                                  man sich, mehr dazu zu sagen, auch mal was rauszuhauen, was man nicht
                                  sagen würde, wenn das andere Geschlecht dabei wäre. 

Konflikte werden bei uns offener ausgetragen und wenns mal eskaliert, eskaliert es so richtig. Das würden wir
vor Jungs nicht so machen. Durch die Anwesenheit von Jungs war es eher ein chilliges Klima in dieser Hinsicht.
Gegenüber Lehrer*innen haben viele Mädchen einen freundlicheren Umgangston als Jungs. Außerdem akzeptie-
ren Mädchen schneller Aufforderungen der Lehrkräfte und dadurch, finde ich, entstehen weniger Konflikte.

Wo ist der Mehrwert einer Mädchenschule?
Für mich gibts nicht DEN Mehrwert. Ich finde, an beiden Schularten gibt es Vor- und Nachteile.

Welche Herausforderungen siehst du?
Mir fehlt so der alltägliche Umgang mit dem anderen Geschlecht. Ich finde eine Mädchenklasse oft sehr an-
strengend, wenn es um Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten geht. Auch beim Thema Modebewusstsein
gibt es einen Unterschied, da hier die ganze Klasse darauf verstärkt achtet. Für manche Mädchen kann dies zu
Druck führen.

Ich bin 16 und fände es gut, wenn man in diesem Alter in der Schule mit Jungs zusammen ist. Als ich kleiner
war, war mir das egal. Es wäre jetzt auch von den Meinungen und Themen her gemischter und vielfältiger. In
der Schule fehlen mir die Jungs schon in manchen Situationen.

Rebecca Kuhn besucht die Realschule der Ursulinenschule Würzburg. Bis zur 7. Klasse war sie in gemischtge-
schlechtlichen Klassen.

                                                                                                             15 THEMA

                                                                                                       Bild: www.pixabay.de
THEMA

      Jugendverbände                                                      Verbandsleiterin* in       Priya George,
                                                                                                                    ehrenamtlic
                                                                                                                                  he
                                                                                                                                L- F
                                                                                                                                  M
                                                                                                                 terin der GC
                                                                          der Bundesleitung.         Verbandslei
                                                                                                                   ene
                                                                      •   Über die Online-            auf Bundeseb
                                                                          Plattform Sisterhood
                                                                          können sich Aktive und Ehemalige
                                                                          unterstützend vernetzen.
                                                                      •   Im Frauen*arbeitskreis auf Bun-
                                                                          desebene und bei MF-Angeboten
                                                                          anderer verbandlicher Ebenen ha-
                                                                          ben Mädchen* und Frauen* einen
                                                                          ganz besonderen, geschützten
      Der J-GCL Frauenarbeitskreis 2019
                                                                          Raum, in dem sie sich in außer-
                                                                          gewöhnlicher Art und Weise
      Zweiverbandlichkeit: Frauen* explizit!                              mit ihrer Identität und inter-
      Die „Jugendverbände der Gemeinschaft Christlichen                   essanten Frauen*(-initiativen)     Birgit
                                                                                                                    Spring
                                                                                                             Mädch          er, Re
      Lebens“ (J-GCL) – das sind die beiden Verbände                      auseinandersetzen, einen fe-              en- un        ferent
                                                                                                            Gende          d  Fraue     in für
      „GCL-Jungen und Männer“ (GCL-JM) sowie „GCL-Mäd-                    ministischen Blog gestalten              r Main          narbe
                                                                                                            Bunde         st r           it/
      chen und Frauen“ (GCL-MF). Diese Zweiverbandlich-                   (www.fatal.j-gcl.org) sowie             sstelle eaming J-G
                                                                                                                                         CL-
      keit bedeutet für die Mitglieder, dass Konferenzen,                 schöne und inspirierende
      Veranstaltungen, Arbeitskreise usw. gemeinsam, aber                 Wochenenden miteinander erleben
      auch im verbändeeigenen Rahmen, also geschlechter-                  können. Hier wird deutlich, wie unterschiedlich
      getrennt, stattfinden.                                              Frau*-Sein gelebt werden kann. Im Unter-sich-
                                                                          Sein fällt es leichter, über Persönliches, evtl.
      2001 wurde die historisch bedingte Zweiverbandlich-                 auch Problematisches zu sprechen sowie zu
      keit als eines der drei J-GCL-Profilelemente beschlos-              entdecken und anzuerkennen, dass in jedem
      sen – mit dem Ziel, geschlechtergetrennt und ge-                    beliebigen Themenfeld Geschlechteraspekte und
      meinsam weniger patriarchale Hierarchie sowie mehr                  -diskriminierungen liegen. Sogenannte männli-
      freie Entwicklung und Geschlechtergerechtigkeit zu                  che* Fähigkeiten können leichter gelebt werden,
      realisieren. Dieses Ziel wird auch mit geschlechterge-              da entsprechende Tätigkeiten nicht automatisch
      rechter Sprech- und Schreibweise (*) verfolgt.                      von Jungen*/Männern* übernommen werden.

      Mädchen* und junge Frauen* profitieren durch die                Auch wenn immer mal darüber diskutiert wird, ob die
      Zweiverbandlichkeit:                                            Zweiverbandlichkeit noch zeitgemäß ist und sie nicht
      • Sie wählen ihre eigenen Vertreterinnen*, fassen               überall in den J-GCL gleich intensiv gelebt wird, so
          eigene Beschlüsse und die paritätische Besetzung            zeigt die Erfahrung, dass sie uns bereichert – auch in
          von gemeinsamen J-GCL-Gremien ist gesichert.                der Art, wie wir die Welt wahrnehmen und gestalten.
      • Seit 1987 haben sie eine Theologin* als Geistliche

                                          „Gespräche über frauenspezifische Themen und der Austausch der eigenen Erfah-
                                          rungen zusammen mit anderen Mädels und Frauen aus dem Verband sind wirklich
                                          unglaublich inspirierend. Im Unterschied zu anderen Vereinen herrscht in einem
                                          rein weiblichen Verband meiner Beobachtung nach eine noch stärkere Verbunden-
                                          heit aufgrund ähnlicher Interessen und Probleme.“

                                          Matilda Reuter (16 Jahre), GCL-MF

2/2019 16
„LOOK AT THE GIRL!“
„Look at the girl“ – diese Aufforderung ist auch nach
90 Jahren Pfadfinder*innenbewegung immer noch
wichtigster Grundsatz pfadfinderischer Mädchen-
arbeit. Die Pfadfinderinnenschaft St. Georg ist ein        V.l.n.r. Susanne
                                                                            Schunk und Janina
Mädchenverband, in dem sich seit über 70 Jahren            vorsitzende der                    Bauke, Bundes-
                                                                            PSG 2019.
bundesweit rund 10.000 Mädchen und junge Frauen
organisieren.

Die Gruppenarbeit mit Mädchen in der PSG gibt unter      noch lange nicht auf allen Ebenen der Gesellschaft
anderem Raum für die Entfaltung aller Fähigkeiten,       möglich. An zahlreichen Stellen ist ein Weiterkom-
die Entwicklung eines unabhängigen Selbstbewusst-        men für Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht
seins, das Bewusstmachen und kritische Hinterfragen      möglich.
von Rollenverhalten, sowie die Entwicklung einer ei-
genständigen, positiven Geschlechtsidentität. In einer   Daneben beobachten wir seit einiger Zeit mit wach-
geschlechtshomogenen Gruppe können die Mädchen           sender Sorge den Anstieg antifeministischer Diskurse
und jungen Frauen vielfältige und unterschiedliche       und Bestrebungen, die Errungenschaften im Bereich
Funktionen einüben, die in einer gemischten Grup-        der Geschlechtergerechtigkeit rückgängig zu ma-
pe leicht von vornherein entweder nur den Jungen         chen. Unsere parteiliche Mädchenarbeit ist nicht nur
oder nur den Mädchen zufallen. Unser Ziel ist, dass      pädagogisches, sondern auch politisches Handeln.
Mädchen und Frauen das, was sie sind, selbstbewusst      Dazu gehört auch, dass wir uns in allen Bereichen
in die Gestaltung der Gesellschaft einbringen, dort      der Gesellschaft öffentlich für eine Gleichstellung
ihren eigenen Platz finden und so zu einer positiven     einsetzen, die ungleichen Strukturen aufbrechen und
Gesellschaftsveränderung beitragen.                      die Gesellschaft verändern und neugestalten.

In der PSG übernehmen junge Frauen an vielen
Stellen ganz selbstverständlich Leitung. Dies ist aber

                              Warum bist du in einem Mädchenverband? - Ich bin in einem Mädchenverband, weil
                              ich es einfach schön finde, dass man sich dort frei entfalten kann und miteinander über
                              alles reden kann.

                              Was ist das Besondere daran? -Das Besondere daran ist, dass die Mädchen so sein
                              können wie sie wollen, denn wir alle sind Mädchen und wissen in den meisten Fällen,
                              wie sich die andere fühlt. Außerdem können die Mädchen sich so bewegen und kleiden,
                              wie sie wollen, sie "müssen" nicht irgendwelche Jungs beeindrucken (auch wenn dies
                              manchmal im Unterbewusstsein passiert), sondern sind frei. Und noch ein entscheiden-
                              der Grund ist, dass die Mädchen nicht von Jungen an den Rand gedrängt werden, also
                              z.B. sich in der Bauarbeit nicht herabgestuft fühlen und selbstbewusst an das Projekt
                              heran gehen können.

                              Elisa Olikus, PSG

                                                                                                              17 THEMA
THEMA

      Sport
                                           Ich spiele Fußball bei den Würzburg Dragons. Wir sind ein reines Frauen-
                                           team. Davor habe ich in der Jugend in Rottendorf in einer Jungenmann-
                                           schaft gespielt. Ab der U17 musste ich aufgrund der DFB Regularien in
                                           ein reines Frauenteam wechseln, was auf die körperliche Unterlegenheit
                                           gegenüber den Männern zurückzuführen ist. Das ist auch gut so, denn
                                           irgendwann macht es einfach keinen Spaß mehr, auf dem Fußballfeld
                                           den Anderen nur hinterherzulaufen.

                                            In einem reinen Frauenteam herrscht schon ein anderes Klima als in
                                            einem gemischten Team. Man versteht sich untereinander meist besser
         Bild: SC Würzburg
                                            und macht auch abseits des Fußballplatzes viel zusammen. Auch die
                                            Kommunikation auf dem Spielfeld ist unkomplizierter. Mein Jugend-
                                            trainer hat mal gesagt: „Frauen sind anders zu trainieren, hinterfragen
      mehr, diskutieren mehr. Jungs machen es einfach.“ Früher hatten viele Jungs entweder Angst, etwas Falsches
      zu sagen und haben deswegen während des Spiels kaum geredet. Oder sie meinten mir sagen zu müssen, wie
      man richtig Fußball spielt. Außerdem war früher das Konkurrenzdenken größer. Die Jungs gingen voll rein,
      weil sie sich gegen ein Mädchen nicht blamieren wollten und ich wollte zeigen, dass ich locker mithalten kann.
      Leistungstechnisch habe ich bei den Jungs deshalb wohl besser gespielt, aber bei den Mädels kommt es jetzt
      besser zum Vorschein.

      Aus eigener Erfahrung ist es für Mädchen oft schwierig in einem Team mit Jungs zu spielen. Du brauchst eine
      eigene Umkleidekabine, die Schiedsrichter kontrollieren oft strenger die Formalitäten ob du z.B. eine gültige
      Spiellizenz hast. Und natürlich gibt es häufig beleidigende Kommentare wie „Ich schaue nicht zu, um Mädchen
      Fußballspielen zu sehen!“ oder eigentlich nett gemeinte Aussagen wie „Du musst als Mädchen beim Training
      keine schweren Tore aufbauen!“, die genau genommen aber auch als sexistisch gesehen werden können. Aber
      spätestens wenn man die Anderen von seiner Leistung überzeugt hat, kommen solche dummen Kommentare
      nicht mehr so oft vor.

      Trotzdem finde ich es gut, dass ich erst in einem gemischten Team gespielt habe, weil ich da mit meinen
      Freunden zusammen gespielt habe. Ich habe gelernt, mich körperlich durchzusetzen und mich zu behaupten.

      Laura Issing (18 Jahre), Würzburg Dragons

2/2019 18
Bild: www.pixabay.de
                                     Ich bin Inhaber des Lehrstuhls Empirische Bildungsforschung und Wis-
                                     senschaftlicher Leiter des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen
                                     an der Universität Würzburg. Als langjähriger Trainer, Jugendleiter und
                                     Vorstand in der Frauenfußballabteilung eines Würzburger Fußballclubs
                                     habe ich die Beobachtung gemacht, dass viele Mädchen gerne Fußball
                                     spielen wollen, aber eben nicht in Jungenteams. Daraufhin hat mei-
                                     ne Frau zusammen mit einer Mitstreiterin begonnen, Fußball-AGs nur
                                     für Mädchen in Kitas und Grundschulen anzubieten. Durch den Fußball
                                     erfahren die Mädchen Wertschätzung und Zusammenhalt, entfalten ihre
                                     Persönlichkeit und entwickeln ein Selbstbewusstsein. Quasi ein ganzheit-
                                     liches Angebot zur sozialen, schulischen und sportlichen Förderung der
                                     Spielerinnen.

Natürlich wollen wir auch sportliche Erfolge erzielen. Um den Leistungssport in Würzburg zu fördern, den
Mädchen optimale sportliche Rahmenbedingungen zu bieten und Talente in der Region zu halten, haben wir
die Würzburg Dragons und das Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen gegründet. Denn im Jugendbereich bis
zu den Unter-17-Jährigen kommt es aus verschiedenen Gründen noch ab und zu vor, dass Mädchen in Jungen-
teams spielen. Wir können allerdings aus wissenschaftlicher Sicht sagen, dass Mädchen in Leistungsteams der
Juniorinnen im Durchschnitt genauso stark sind wie Mädchen aus Jungenteams. Der Vorteil reiner Mädchen-
teams ist, dass die Spielerinnen sich gefestigter und akzeptierter fühlen und dadurch nicht mit dem Fußball am
Beginn der Pubertät aufhören. Denn viele Spielerinnen mit Potenzial haben einfach keine Lust, bei den Jungs
zu spielen.

Leider setzt der Bayerische Fußballverband trotz dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse seinen Schwerpunkt
im Jugendbereich immer noch auf gemischtgeschlechtliche Teams. Das wird langfristig dazu führen, dass die
Zahl der reinen Mädchenteams in Bayern weiter abnimmt. Durch die fehlenden Nachwuchsspielerinnen gibt
es keinen Nachwuchs mehr für die Frauenteams, die unteren Ligen werden wegsterben, die Wege zu den
Spielen weiter und dadurch wird die zeitliche Belastung steigen. Unter diesen Bedingungen wird nicht nur die
Leistungsförderung talentierter Mädchen leiden, sondern es entsteht auch eine sehr deutliche, neue soziale
Ungleichheit, die wieder einmal die Mädchen trifft.

Heinz Reinders ist Trainer, Jugendleiter und Vorstand in der Frauenfußballabteilung eines Würzburger
Fußballclubs

                                                                                                               19 THEMA
Sie können auch lesen