Frauen* Gleich-berechtigung Mädchen und Frauen im Blick - BDKJ Würzburg
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# 43. 2/2019 INFORMATIONEN VON BDKJ & KJA WÜRZBURG Frauen* Gleich- Mädchen und Frauen berechtigung im Blick
Impressum Herausgeber: Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Diözesanverband Inhalt Würzburg Mitherausgeber: Kirchliche Jugendarbeit Diözese Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Würzburg (kja) Verantwortlich: Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Christina Lömmer Männer und Frauen sind gleichberechtigt!? . . . . . . . . . . . 4 Daniela Hälker Die Frauen und die Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Redaktion: Rolle vorwärts mit den Girls! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Verena Fiedler, Christina Lömmer, Mehrwert von mädchen- und frauenspezifischen Matthias Muckelbauer, Daniela Angeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Hälker, Andreas Kees, Generationen im Gespräch - Frauenbiographien Julia Stöhr früher und heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Kontaktadresse: Impuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Redaktion - Meteorit Pinnwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Kilianeum – Haus der Jugend Ottostraße 1, 97070 Würzburg BDKJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 fon: 0931 386-63141 E-Mail: bdkj@bistum-wuerzburg.de kja . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 www.bdkj-wuerzburg.de Layout: Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Selina Seubert Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Lektorat: Redaktionsteam Leute und Fakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Druck: Druckerei Lokay e. K., Reinheim Auflage: 1.500 Stück Anmeldung Hier kannst du den Meteorit kostenfrei bestellen: www.bdkj-wuerzburg.de Bezugshinweis: Kostenloser Bezug über die Nächste Ausgabe BDKJ-Diözesanstelle Gefördert durch: Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe: 15. Mai 2020 Thema: Digitale Welten 2/2019 2 Titelbild: www.pixabay.de
Editorial Frauen* In dieser Ausgabe werdet ihr Dass alle wählen, ihre Meinung frei immer wieder über das sogenannte äußern und sich frei entscheiden Gendersternchen * stolpern. Es dürfen. Dass die Berufswahl nicht schließt zugleich Männer und Frau- vom Geschlecht abhänging ist. Das en, aber auch andere Geschlechte- war nicht immer so und gelingt ridentitäten ein. auch heute noch nicht uneinge- Wird der Stern beispielsweise an schränkt, wie der erste Artikel „Frauen*“ angehängt, sind damit aufzeigt. Auch ein lebendiges In- alle Personen gemeint, die sich terview am Ende des Thementeils als Frau fühlen bzw. als solche von einer Oma und ihrer Enkelin sozialisiert wurden. Der Gender- gibt Einblick in die Unterschiede, stern zielt darauf ab, eine mög- wie Mädchen und junge Frauen vor licherweise enge Auslegung der 70 Jahren und heute aufgewachsen Begriffe zu verhindern und auf die sind. Fülle der mitgemeinten Identitäten zu verweisen. Deshalb haben wir Nach den historischen Fakten auch bewusst den Titel „Frauen*“ könnt ihr euch in „Frauen und gewählt. die Kirche“ selbst ein Bild davon machen, wie die Stellung der Frau Wenn ich mir vorstelle, wie das in der Kirche seit Jahrhunderten Leben vor 100 Jahren ausgesehen verstanden wurde und wird und hat, wird mir bewusst, dass vieles wie das Patriarchat nach wie vor heute Selbstverständliche erst hart bewahrt wird. erkämpft werden musste. Im alltäglichen Leben scheint es In „Rolle vorwärts mit den Girls!“ heute selbstverständlich, dass seid ihr herzlich eingeladen, Männer und Frauen, Jungen und euch in den vielen aufgezählten Mädchen alle über den gleichen Bewegungen rund um das Thema Zugang zu Bildung sowie zu Gleichberechtigung zu vertiefen! politischer und gesellschaftlicher Teilhabe verfügen. Wollt ihr wissen, wo der Mehrwert von mädchen- und frauenspezifi- schen Angeboten zu finden ist? Wir haben Mädchen und Verantwort- liche aus den Bereichen Schule, Jugendverbände und Sport danach gefragt. Viel Spaß beim Lesen, eine geseg- nete Weihnachtszeit mit einem gelungenen Start in das neue Jahr 2020 wünscht euch im Namen des gesamten Redaktionsteams Daniela Hälker Referentin der kja Leitung 3 EDITORIAL Bild: www.pixabay.de
THEMA Bild: www.pixabay.de Männer und Frauen sind gleichberechtigt! Männer und Frauen sind gleichberechtigt? „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ – so lautet Artikel 3, Absatz rechte – und damit gleichberech- 2 des Grundgesetzes. Diese Verankerung des Gleichheitsgrundsatzes im tigte Teilhabe von Frau und Mann Grundgesetz erfolgt im Jahr 1949 und ist den sogenannten „Müttern des – keine Erwähnung. Vielmehr wird Grundgesetzes“ zu verdanken: Frieda Nadig, Elisabeth Selbert, Helene 1850 Frauen die Mitgliedschaft in Weber und Helene Wessel, Mitgliedsfrauen des Parlamentarischen Rates. politischen Parteien und Verbän- Der rechtliche Rahmen für die Gleichberechtigung von Frau und Mann ist den verboten. geschaffen – die politische und gesellschaftliche Umsetzung braucht Zeit und ist auch heute im Jahr 2019 noch im Prozess. Die Gesellschaft des 19. Jahrhun- derts ist patriarchalisch organi- Wie ist die Stellung der Frau, ihre 19. Jahrhunderts weite Teile siert, d.h. Männer bestimmen die politische und gesellschaftliche Europas und auch den Deutschen „Ordnung“ und Frauen werden Teilhabe vor 1949 und wie ist es Bund ergreifen, sind ein Startsig- weder als selbstständig noch als heute? nal für die Frauenemanzipation in mündig betrachtet. Frauen haben Im 18. Jahrhundert beginnen in Deutschland. Frauen glauben, eine kein Wahlrecht, kein Recht auf der Zeit der Aufklärung und der demokratische Revolution werde Erwerbstätigkeit oder persönlichen Französischen Revolution Diskussi- auch ihnen zu Rechten verhelfen. Besitz. Sie sind als Ehefrauen sozial onen über die politische Teilhabe Das ist ein Irrtum. Zur Wahl der und ökonomisch von ihren Ehemän- von Frauen. Die Schriftstellerin Frankfurter Nationalversammlung, nern oder wenn sie unverheiratet Olympe de Gouges (1748-1793) for- dem ersten gesamtdeutschen sind, von ihren Vätern abhängig. dert 1791 in Frankreich mit ihrer Parlament, sind keine Frauen, In diesem gesellschaftlichen Kon- „Erklärung der Rechte der Frau und sondern nur besitzende Männer ab text und gegen den gesellschaft- Bürgerin“ das Wahlrecht für Frauen 25 Jahren zugelassen. lichen Zeitgeist erfordert es Mut, und gleichberechtigte Teilhabe an sich für gleichberechtigte Teilhabe der politischen Gestaltung. Leider In dem Grundrechtskatalog von Frau und Mann einzusetzen. erfolglos. von 1848 „Die Grundrechte des Und doch gibt es immer wieder Die Revolutionen, die Mitte des deutschen Volkes“, finden Frauen- Frauen, die das Menschenrecht 2/2019 4
auf gleichberechtigte Teilhabe (§1354). • 1908 erlaubt das neue wie das Wahlrecht, das Recht auf • Das Gesetzbuch weist Ehefrau- Reichsvereinsgesetz Frauen, Erwerbsarbeit sowie das Recht auf en die Leitung des Hauswesens politischen Vereinen und Bildung einfordern. So gründet zu. Parteien beizutreten. Dies ist sich 1865 der Allgemeine Deutsche • Das Vermögen der Frau wird ein Meilenstein und stellt die Frauenverein und 1894 gelingt eine durch die Eheschließung der politische Teilhabe von Frauen organisatorische Einigung der deut- Verwaltung und Nutznießung auf eine rechtliche Grundlage. schen Frauenbewegung zum „Bund des Mannes unterworfen • 1912 findet in München der Deutscher Frauenvereine“. (§1363). Frauenstimmrechtskongress Eine der wichtigen Akteurinnen im • Der Vater hat Kraft der elter- mit Demonstration statt. 19. Jahrhundert war Louise Otto, lichen Gewalt das Recht und Hauptakteurinnen sind Anita sie setzt sich für eine Demokra- die Pflicht, für die Person und Augspurg und Lida Gustava tisierung der Gesellschaft sowie das Vermögen des Kindes zu Heymann. für Anerkennung der bürgerlichen sorgen (§1627). • Erster Weltkrieg 1914-1918: Rechte und bessere Bildungs- und Diese Diskriminierungen sowie auch Frauen müssen immer mehr Arbeitsmöglichkeiten, auch für schon die Beratungen im Vorfeld gesamtgesellschaftliche Aufga- Frauen, ein. zum BGB mobilisieren Frauen. Die ben übernehmen und gewähr- entsprechenden Frauenvereine leisten die Aufrechterhaltung Im Jahre 1900 tritt das Bürgerliche erhalten Zulauf und es stellen sich des wirtschaftlichen Lebens. Gesetzbuch in Kraft. An einer Be- erste Teilerfolge ein: Sie leisten z.B. Schwerstarbeit nachteiligung der Frau wird jedoch • 1896 können in Berlin die ers- in der Rüstungsindustrie - für weiter festgehalten: ten Frauen das Abitur ablegen, die Hälfte des Lohns der Män- • Ehefrauen dürfen einen an den Universitäten Berlin ner. Während des 1. Weltkrie- Arbeitsvertrag unterschreiben und Göttingen werden Frauen ges sind Frauen hauptsächlich und der Ehemann kann den als Gasthörerinnen zugelassen. mit der Sicherung des tägli- Vertrag jederzeit kündigen. • 1900 werden im Land Baden chen Lebens beschäftigt - der • Dem Mann steht die Entschei- Frauen als Studentinnen zuge- Kampf um Frauenwahlrecht dung in allen das gemein- lassen. und gleichberechtigte Teilha- schaftliche eheliche Leben • 1903 können Frauen in Bayern be ruht bis 1917 weitgehend. betreffenden Angelegenheiten und 1908 in Preußen studie- • 1917 kündigt Kaiser Wilhelm zu; er bestimmt insbeson- ren. dere Wohnort und Wohnung 5 THEMA Bild: wikipedia.de - Anita Augspurg
THEMA eine Wahlrechtsreform an – den Frauen gegeben, was ihnen dient als bevölkerungspolitische ohne Frauenwahlrecht. Die bis dahin zu Unrecht vorenthalten Maßnahme, um die Geburtenrate sogenannte bürgerliche und worden ist.“ zu erhöhen. proletarische Frauenbewegung In die Weimarer Verfassung wird Frauen werden aus dem öffentli- solidarisieren sich für die Ein- 1919 Artikel 109, Abs. 2 einge- chen Leben verdrängt, z.B. führung des Frauenwahlrechts. fügt: „Männer und Frauen haben • wird ihnen das passive Wahl- grundsätzlich dieselben staatsbür- recht entzogen; Nach dem 1. Weltkrieg und dem gerlichen Rechte und Pflichten.“ • erhält ein Ehepaar ein Ehe- Zusammenbruch des Kaiserrei- Grundsätzlich heißt nicht immer. standsdarlehen, wenn die Frau ches wird die Weimarer Republik 1920 werden Frauen an deutschen bei der Eheschließung ihre ausgerufen und letztlich für viele Hochschulen zur Habilitation zuge- Erwerbstätigkeit aufgibt (1933 überraschend das Frauenwahlrecht lassen. 1932 dürfen verheiratete Gesetz zur Verminderung der eingeführt: Am 7.11.1918 ruft Kurt Beamtinnen entlassen werden, Arbeitslosigkeit); Eisner den Freistaat Bayern sowie wenn das Einkommen durch den • können unverheiratete Be- ein aktives und passives Wahlrecht Mann gesichert ist. amtinnen leichter entlassen für Frauen und Männer aus. Fünf werden; Tage später wird auch auf Reich- 1933 beginnt die nationalsozia- • dürfen Frauen in eine niedri- sebene das aktive und passive listische Gewaltherrschaft und es gere Besoldungsklasse einge- Frauenwahlrecht verkündet. endet die Geschichte der freien stuft werden als Männer; Frauenbewegung. Die Nationalsozi- • wird 1936 ein Berufsverbot für Marie Juchacz ist am 19.02.1919 ist alisten setzen auf eigene Frauen- Juristinnen erlassen. die erste weibliche Abgeordnete, organisationen, auf einen anderen die in der Weimarer Nationalver- Frauentyp – die Frau als Gebärende Frauen und Mädchen werden sammlung spricht. „Meine Herren und als Mutter. verstärkt in der Rüstungsindust- und Damen! Es ist das erste Mal, Die Einführung des Mutterkreuzes rie eingesetzt, wie vier Millionen dass in Deutschland die Frau als 1938 sowie des Muttertages als Zwangsarbeiterinnen, die aus den freie und gleiche im Parlament Feiertag 1934 ist mit der rassisti- besetzten Gebieten deportiert zum Volke sprechen kann […]. Was schen Ideologie verbunden und soll werden. diese Regierung getan hat, das war die Wahrnehmung der Benachtei- eine Selbstverständlichkeit: Sie hat ligung von Frauen mindern. Dieses 1949 wird im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland die Gleichberechtigung von Mann und Frau festgelegt. Gleichheit vor dem Gesetz, Artikel 3, (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Ergänzung seit 1994: Der Staat fördert die tatsächliche Durchset- zung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Der Gleichheits- grundsatz steht im Widerspruch zu gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen wie z.B. im Familienrecht. 2/2019 6 Bild: wikipedia.de
Art. 3, Abs. 2, GG stellt letztlich Eheleute Haushaltsführung und • partnerschaftlicher Aufteilung ein Zukunftsprogramm vor, dessen Erwerbstätigkeit im gegenseitigen von Sorgearbeit Ziele noch zu erreichen sind. Einvernehmen regeln. Frauen sind • Parität in den Parlamenten Die Umsetzung von „Männer und demnach nicht mehr verpflichtet, • gleichberechtigter Teilhabe in Frauen sind gleichberechtigt“ in den Haushalt alleinig zu führen. Führungspositionen und anderen Rechtsbereiche und in Ebenso kann der Ehemann die • keine Gewalt an Frauen! (Jede das gesellschaftliche Leben ist ein Arbeitsstelle seiner Frau nicht vierte Frau im Alter von 16 langer und auch heute noch andau- mehr kündigen, wenn er meint, die bis 85 Jahren wurde bereits ernder Prozess. Hausarbeit werde vernachlässigt. einmal in ihrem Leben von Zudem müssen Ehefrauen nicht ihrem Lebensgefährten oder Das bis 1977 geltende Familien- mehr zwingend den Familiennamen Ex-Lebensgefährten misshan- recht erklärt Männer zu Ernährern, des Mannes annehmen. delt.) Frauen zu Hausfrauen und Müttern – die Familienpolitik der jungen 1980 wird das Gesetz über die Seit den Forderungen von Olympe Bundesrepublik favorisiert das Gleichbehandlung der Frau am de Gouges im 18. Jahrhundert ha- Modell der Hausfrauenehe. Arbeitsplatz erlassen, z.B. mit ben sich politische und rechtliche 1958 tritt das Gleichberechtigungs- dem Recht auf gleiches Entgelt, Rahmenbedingungen für gleichbe- gesetz in Kraft. Frauen dürfen ihr auch müssen Stellenausschreibun- rechtigte, politische und gesell- in die Ehe eingebrachtes Vermögen gen geschlechtsneutral formuliert schaftliche Teilhabe von Frauen selbst verwalten und ihr eigenes werden. Seit 1997 ist Vergewal- entscheidend verbessert. Konto führen. Eine Ehefrau braucht tigung in der Ehe strafbar. 1999 Veränderungen jedoch kön- nicht mehr die Einwilligung ihres legt die Regierungskoalition fest, nen nicht allein über staatliche Mannes, um einer Erwerbsarbeit „die Gleichstellung von Frauen und Regulierung erreicht werden, es nachzugehen, allerdings muss sie Männern zum durchgängigen Leit- geht auch immer um die Verände- dies mit ihren Pflichten in Ehe und prinzip“ zu machen. 2002 wird das rung im Denken und Handeln der Familie vereinbaren können. Gewaltschutzgesetz mit Stärkung einzelnen Menschen. Wenn wir ein der zivilrechtlichen Rechtsschutz- Bewusstsein für Geschlechterge- Den Zeitgeist in den 1960iger Jah- möglichkeiten für Opfer häuslicher rechtigkeit entwickeln, kann sich ren gibt der „Bericht der Bundesre- Gewalt erlassen. 2016 tritt das auch etwas ändern. gierung über die Situation der Frau neue Sexualstrafrecht „Nein heißt in Beruf, Familie und Gesellschaft“ Nein“ in Kraft. von 1966 wider: 2017 tritt das „Gesetz zu dem „Pflegerin und Trösterin sollte Übereinkommen des Europarats die Frau sein; Sinnbild bescheide- zur Verhütung und Bekämpfung von ner Harmonie, Ordnungsfaktor in Gewalt gegen Frauen und häus- der einzig verlässlichen Welt des licher Gewalt“, die sogenannte Privaten; Erwerbstätigkeit und Istanbul-Konvention, in Kraft. gesellschaftliches Engagement sollte die Frau nur eingehen, wenn Gleichwohl gibt es auch im Jahr es die familiären Anforderungen 2019 noch immer keine Gerechtig- zulassen.“ keit zwischen Männern und Frauen in Deutschland. Petra Müller-März ist Gleich- 1977 erfolgt eine grundlegende Frauen sind formal gleichberech- stellungsbeauftrage für Frauen Reform des Ehe- und Familien- tigt, aber wir sind immer noch auf und Männer bei der Stadt rechts, in der BRD wird das Leitbild dem Weg, z.B. zu Würzburg der Hausfrauenehe aufgegeben. Im • Lohngerechtigkeit BGB ist nun z.B. festgelegt, dass • Rentengerechtigkeit 7 THEMA
THEMA Von Bäumen und vom Wald: Die Frauen und die Kirche Die Frau ist der Sonderfall der Menschheit. Dieser Eindruck drängt sich Dem kommt man aber nicht bei, auf, wenn man hineinhört in die kirchlichen Äußerungen über Frauen, indem man den „Sonderfall Frau“ seien sie wohlwollend, herablassend oder offen abwertend. Denn wenn bearbeitet, sondern indem man überhaupt der Bedarf benannt wird, es müsse über Frauen gesprochen das eigene Bild von Kirche öffnet. werden, es müsse gar eine „Theologie der Frau“ geben (Papst Franziskus), Die Rolle der Lai*innen oder die dann wird damit zugleich gesagt, dass Frauen eben nicht schon ohnehin Rolle der Frauen in der Kirche zu ein Thema sind bzw. dass, wenn über Menschen gesprochen wird, nicht beschreiben - was man nur in Be- automatisch auch über Frauen gesprochen wird. Das Problem dabei ist, zug auf Männer unterscheiden muss dass das stimmt. Männer werden in der katholischen Kirche nicht annä- -, das wäre ein ähnliches Vorhaben hernd so problematisiert wie Frauen. Über Jungen und junge Männer wird wie über die Rolle der Bäume im nicht gesagt, man müsse ihnen die „Größe und Schönheit ihrer Berufung Wald nachzudenken. Lai*innen, die als Mann“ vor Augen stellen, in Bezug auf Mädchen und junge Frauen Hälfte von ihnen Frauen, sind die umgekehrt aber sehr wohl. Kirche. Trotzdem gilt, dass es fast keine weiblichen Stimmen sind, die zu hören sind, wenn es um kirchliche Äußerungen über Frauen geht. Denn die Stimmen, die zu hören sind und denen Gewicht beige- messen wird, gehören in der Regel Amtsträgern, das heißt, Mitglie- dern des Klerus. Die Zeit, in der die Kirche auch in ihrer - wie auch immer gestalteten - Leitungsebene vielstimmig unterwegs war, war sehr kurz. Wir haben Zeugnisse aus dieser Zeit im Neuen Testament, aber schon innerbiblisch wird die Entwicklung hin zu einer Kirchen- gestalt sichtbar, die die Regeln des in der damaligen Gesellschaft geltenden Patriarchats übernahm: Die Gemeinde zu leiten und zu repräsentieren und den Glauben ins Wort bringen war dann Sache von freien, vermögenden Män- nern, nicht mehr auch von Armen, Sklav*innen und wohlhabenden Frauen. Kirchliches Kurzzeitgedächtnis Man könnte über die Jahrhunder- te hinweg eine lange Geschich- te rekonstruieren, wie Frauen Kirchengeschichte - das heißt, die Geschichte des* geglaubten Got- 2/2019 8 Bild: Christian Toussaint
tes* - gelebt haben und analog eine im Sinne einer Bestätigung der ten Frauen gesellschaftliche und Geschichte darüber, wie leise das kirchlichen Lehre ausgelegt. Heute wirtschaftliche Gleichberechti- Echo ihrer Stimmen heute nur noch gibt es sowohl vormoderne als auch gung, dieser Prozess ist noch nicht nachklingt - von Wüstenmüttern moderne Lager in der Kirche, die abgeschlossen. Während aber in der frühen Kirche über Diakonin- sich weithin voneinander isoliert den westlichen Gesellschaften nen, Frauen in der Armutsbewe- haben. Beide unterscheiden sich inzwischen die grundsätzliche gung des Mittelalters, Beginen, im Wesentlichen in der Frage, Gleichberechtigung weithin ak- Mystikerinnen und mächtige ob der Glaube sich geschichtlich zeptiert ist und nur von antidemo- Äbtissinnen, bis zu gültig geweih- entwickeln und verändern kann kratischen, rechtspopulistischen ten Priesterinnen der tschechi- oder nicht, und diese Frage wird Kreisen abgelehnt wird, ist das in schen Untergrundkirche während insbesondere über die Frage nach der Kirche nicht der Fall. In der des Kalten Krieges. Frauenbilder der Rolle der Frauen verhandelt. kirchlichen Ideenbildung herrschte in der Geschichte des* geglaubten und herrscht das klassische Rol- Gottes* waren divers, bunt und Jede Menge Zeitgeist in der Kirche lenmodell vor, das in eine „so war vielgestaltig. Das Kurzzeitgedächt- - aber von früher es immer schon“-Vergangenheit nis der kirchlichen Organisation Denn während die Frauen lange ein zurückprojiziert und als „natür- ist aber eben dies: kurz. Das hat vernachlässigtes Feld der Theologie lich“ angesehen wird, und es hat zur Folge, dass das, was wir heute waren, begann das Lehramt sich im eine innere Logik, dass neben dem als „war immer schon so“ verin- 19. und mehr noch im 20. Jahrhun- Kampf gegen Abtreibung ausge- nerlicht haben, kaum älter als 150 dert für sie zu interessieren, und rechnet das Thema der „traditio- Jahre ist. zwar wegen des sich wandelnden nell“ genannten Familie die Brücke Frauenbilds der westeuropäischen bildet, über die rechtspopulistische Das heutige offiziell-kirchliche Moderne. In der europäischen bür- Kreise sich in bürgerlich-konser- Frauenbild ist stark geprägt von gerlichen Gesellschaft hatte sich vative, kirchliche Kreise Zutritt der Rollenzuschreibung des bürger- zwar einerseits ein relativ junges, verschaffen. lichen 19. Jahrhunderts in Europa, heute aber als „klassisch“ bezeich- denn diese Zeit ist es auch, die die netes Rollenmodell als Ideal durch- Die drei weiblichen Aggregatzu- heutige Gestalt des Katholizismus gesetzt, bei dem der Mann für die stände: Jungfrau, Braut, Mutter stark geprägt hat: Die innerkirch- Erwerbsarbeit und die Frau für den Heteronormativität und die An- liche Macht begann, sich in bis häuslichen Bereich zuständig war, nahme, dass das Geschlecht das dahin unbekanntem Ausmaß auf und das unterfüttert wurde von ei- Wesen des Menschen bestimmt, den Papst zu konzentrieren, und nem romantischen Liebesideal und prägen das lehramtliche Bild von das geschah parallel zum Kampf einem daraus folgenden Familien- Frauen. Dieses Bild ist insbeson- der Kirchenleitung gegen die bild, bei dem die familiären Pflich- dere im Pontifikat Johannes Paul Moderne, insbesondere gegen die ten dauerhaft auf romantischer II. manifestiert und eingeschärft Ideen der Demokratie, Meinungs- Liebe gründen. Dieses Bild hat in worden, der den Frauen die Rollen freiheit, Wissenschaftsfreiheit und der Kirche fest Fuß gefasst. In der Jungfrau, Braut und Mutter zuwies Religionsfreiheit. Ihre vorläufige Gesellschaft wurde es aber in einer und mit dem apostolischen Schrei- Spitze erfuhr diese Entwicklung Pendelbewegung gefolgt von einer ben „Ordinatio sacerdotalis“ 1994 in der Festlegung der Lehre, dass Modernisierung des Frauenbildes: ihren Ausschluss vom kirchlichen der Papst unfehlbar lehren könne, Amt zementierte. Das Ergebnis durch das Erste Vatikanische Kon- In der ersten Frauenbewegung ab dieser Entwicklung ist ein immer zil. Diese Entwicklung wurde durch dem Ende des 19. Jahrhunderts er- größeres Auseinanderklaffen das Zweite Vatikanische Konzil kämpften Frauen gleiche politische von innen- und außerkirchlichen relativiert, aber dessen Rezeption Rechte, vor allem das Wahlrecht. Selbstverständlichkeiten. Während ist nicht eindeutig - es wird sowohl In der zweiten Frauenbewegung gesellschaftlich die Diskriminierung im Sinne einer Neuerung als auch ab den 1960er Jahren erkämpf- von Frauen als Problem verstan- 9 THEMA
THEMA den wird, ist es innerkirchlich Annahmen über das Wesen der gie studieren, sich seit 1972 auch komplexer: Es ist auch unter Frau, die eine natürliche bräut- habilitieren und also Katholische Katholik*innen eben keine allge- liche Veranlagung habe, die sie Theologie lehren. Im Kirchlichen mein geteilte Annahme mehr, dass zu aufrichtiger Hingabe befähige, Gesetzbuch von 1983 sind viele Frauen nicht die gleichen Funktio- münden direkt in normative Erwar- vorher bestehende Einschränkun- nen ausüben könnten wie Männer. tungen an ihre Rolle, weil sich eine gen für Lai*innen weggefallen War der Ausschluss der Frauen vom Frau nur selbst finden könne, wenn - nicht nur das Verbot für Frauen, Amt in vormodernen Zeiten eine sie anderen ihre Liebe schenke, so den Altarraum einer Kirche zu be- Selbstverständlichkeit, weil Frauen das gleiche Dokument weiter. Ent- treten. Die Möglichkeiten wurden auch gesellschaftlich keineswegs sprechende vergleichbare Aussagen für Lai*innen insgesamt erweitert, gleichgestellt waren, so steht die über Männer sucht man vergebens. Dienste und Aufgaben in der Kirche kirchliche Lehre jetzt vor dem Pro- Offenbar ist der Mann nicht in zu übernehmen, bis hin zur als Aus- blem, diskriminierende Strukturen gleicher Weise ein Problem wie die nahme in Notzeiten ermöglichten mit Aussagen über Frauen recht- Frau. Diese Sicht auf Frauen und Gemeindeleitung. Frauen haben fertigen zu müssen, die Gleichwür- Weiblichkeit ist stereotyp und wird das aktive und passive Wahlrecht digkeit ausdrücken sollen. Weil es nicht einmal mehr von kirchlich für Kirchenvorstand und Pfarr- eine Entscheidung „des Schöpfers“ hochidentifizierten Menschen allge- gemeinderat, Katholikenrat und sei, dass Frauen nun einmal keine mein geteilt, sie ist im Gegenteil Kirchensteuerrat und können so Männer seien, könne man „ohne innerkirchlich zu einer Minder- Einfluss nehmen auf den Umgang nachteilige Folgen für die Frau heitenposition geworden. Denn mit den kirchlichen Finanzen und einen gewissen Rollenunterschied auch innerkirchlich treten Frauen die Gestaltung der Seelsorge. Nach annehmen“, so das vatikanische mittlerweile fast so divers auf wie dem Konzil wurden über einen Schreiben an die Bischöfe „über in anderen Lebensbereichen auch, Zeitraum von zwanzig Jahren die Zusammenarbeit von Mann und und sie sind in vielen Bereichen der nach und nach in allen deutschen Frau in der Kirche und in der Welt“ Kirche unterdessen gut vertreten: Diözesen die pastoralen Berufe von 2004. Seit 1946 dürfen Frauen Theolo- für nichtgeweihte Theolog*innen und Religionspädagog*innen eingeführt: Pastoral- und Gemeindereferent*innen sind heute selbstverständlicher Teil des Seelsorge-Personals. Die Bewegung hin zu aktiver Gestaltung der Kirche durch Lai*innen wurde in Deutschland unter anderem durch das breite und demokratische Engagement in katholischen Verbänden vorberei- tet und getragen, die nicht nur früh sensibel für Geschlechterfra- gen waren, sondern die auch eine Keimzelle der liturgischen Bewe- gung waren und so zur Hinwendung der Kirche zur Moderne im Konzil entscheidend beigetragen haben. Im Sinne der „tätigen Teilnah- me“ der gesamten Gemeinde an 2/2019 10 Bild: Diözesane Fachstelle Ministrant*innenarbeit
der Feier der Eucharistie, die Kirche zu vermeiden, fiel diese Teil weiblicher Gottes*erfahrung das Zweite Vatikanische Konzil Hinwendung zur Moderne nicht ein- ist über diesen Weg nicht mehr als Ideal formuliert hat, wird der deutig aus, sondern blieben viele zu rekonstruieren. Aber selbst die liturgische Dienst des Messdienens Konzilisdokumente Kompromiss- wenigen Spuren, die Frauen im heute nicht mehr als Vorstufe zum texte, die man eben sowohl strikt Alten und Neuen Testament hin- Priesteramt, sondern als Aufgabe konservativ als auch im Sinne einer terlassen haben, sind im religiösen aller Getauften verstanden - seit Neuerung auslegen kann. Auch Gedächtnis weithin verschüttet. den siebziger Jahren gab es darum die Neuerungen des Kirchenrechts Sie wieder zugänglich zu machen, mehr und mehr Ministrantinnen, sind ambivalent geblieben und ist das Verdienst der feministi- seit 1992 bzw. 1994 wurde dies kennen weiterhin eine Trennung schen Exegese und Theologie, die auch päpstlich und durch die Got- in lehrende und hörende Kirche, im 20. Jahrhundert zunächst in tesdienst- und Sakramentenkongre- einen fundamentalen Unterschied der protestantischen, dann auch gation anerkannt. 2001 folgte noch zwischen Klerikern und Lai*innen in der katholischen Theologie die Klarstellung, dass kein Priester und damit in der Folge auch zwi- Fuß gefasst hat, aber auch immer gezwungen werden kann, sich von schen Männern und Frauen. Das noch umstritten und angefragt Mädchen oder Frauen ministrieren mag damit zu tun haben, dass an ist. Sie ist aber immer noch nötig, zu lassen. seiner Entstehung keine Lai*innen denn was so allumfassend ist wie beteiligt waren. der Einfluss des Patriarchats auf Noch keine nachhaltige Wende Denken und Glauben, also auf das, Dennoch wirkt diese Aufzählung, Der Elefant im Raum was Menschen für denkmöglich und was die Verbesserung der Stellung Abgesehen von diesen rechtlich- für glaubwürdig halten, ist umso der Frauen in der Kirche angeht, strukturellen Entwicklungen schwerer sichtbar zu machen. Mit wie ein Trostpflaster. Denn andere hat die Kirche auch darum ein der Untersuchung einzelner Bäume Anstöße, die in der Folge des Kon- männliches Gesicht, sind Frau- kommt man nicht sehr weit, wenn zils gegeben wurden, wurden nicht en auch darum ein Sonderfall, man einen Wald beschreiben will. aufgenommen: Von der obersten weil das katholische Gottes*bild Leitung der römisch-katholischen weithin männlich geprägt ist. Kirche immer noch unbeantwortet Zwar haben Katholik*innen als - oder vielmehr durch mehr als 40 Ausgleich und weibliche Reprä- Jahre Schweigen beantwortet - ist sentanz in der göttlichen Sphäre das Votum der Würzburger Synode, die Gottes*mutter Maria, aber Frauen zur Diakon*innenweihe zu- die Gottes*vorstellung selber ist zulassen. Und wie erwähnt wurde von männlichen Begrifflichkeiten die allgemeine Gleichstellung von geformt. Eine weiblich geprägte Frauen und Männern bis heute Gottes*rede, die in der Bibel auch nicht erreicht. Die Hinwendung aufzufinden ist, findet keinen Bild: Ute Haupt der Kirche zur Moderne im Konzil Widerhall in der heutigen katholi- ist nämlich dies geblieben: Eine schen Liturgie- und Gebetssprache. Dr. Annette Jantzen ist Hinwendung. Es ist keine allgemei- Wie anstößig weibliche Theologin, Pastoralreferentin ne Wende geworden, und noch ist Gottes*vorstellungen sind, mach- im Bistum Aachen, dort Geistli- unklar, ob die Kirche, die sich der ten unter anderem die heftigen che Leiterin des BDKJ-Diöze- Welt immerhin zugewendet hat, Reaktionen auf die „Bibel in sanverbandes Aachen und ihr wieder den Rücken zudrehen gerechter Sprache“ deutlich, die regionale Frauenseelsorgerin. wird. Denn das Konzil wurde zwar 2006 erschienen ist. Frauenge- Auf Bundesebene ist sie einberufen mit dem Ziel, die Kir- schichten in der Bibel aufzufinden Mitglied des BDKJ-Bundesfrau- che mit der Moderne zu versöhnen, bedeutet, die Spitze eines Eisbergs enpräsidiums. aber um Spaltung innerhalb der sichtbar zu machen - der größere 11 THEMA
THEMA Rolle vorwärts mit den Girls! Seit mehr als 200 Jahren kämpfen Menschen für Frauenrechte. Seit 25 Als Prinzessinnen geboren? Jahren steht im Art. 3 Abs. 2 des deutschen Grundgesetzes, Frauen und Pinke, blassrosa Feen, Pferde, Männer sind gleichberechtigt. Puppen und Küchen für Mädchen. Warum gerade jetzt noch ein Artikel über Mädchen & Feminismus? Dunkelblaue, schwarze Monster, Ritter und Maschinen für Jungen. Im Produktmarketing wird mit dem Mädchen und junge Frauen möch- Gender (=dem sozialen Geschlecht) #Hashtag Ein Hashtag ist eine ten auf verschiedenen Ebenen von Kindern gespielt. Es gibt Pro- Raute (#). Hashtags werden in den mitbestimmen und mitgestalten. dukte, die Erwachsene ansprechen sozialen Netzwerken wie Twitter, Zehntausende haben die Online- sollen, deren Konzept es ist, einen Instagram oder Facebook genutzt, Petition zur Abschaffung der Luxus- Unterschied zwischen Geschlech- um zu verdeutlichen, worum es in steuer auf Periodenprodukte mit tern zu konstruieren, der so nicht dem Beitrag geht. Auch für Politik dem Hashtag #Kein Luxus unter- besteht. Dabei können diese über, mit und durch das Netz zeichnet. Zusätzlich finden auf den konstruierten Rollenzuschreibun- werden oftmals Hashtags verwen- Straßen, in Kinder- und Jugend- gen zu Geschlechterungleichheiten det. (Vgl. netzpolitik.org e.V.) treffs oder auch auf Instagram, beitragen. Klimaproteste für eine gerechte Konstruierte Rollenzuschreibungen Umweltpolitik statt. Mädchen und Und dennoch werden Mädchen gibt es schon seit Jahrhunderten – junge Frauen sind die starken Prot- noch immer in Rollenklischees das ist nichts Neues. Hinzu kommt, agonistinnen dieser Bewegungen. gezwungen - in Werbung, Gesell- Geschlechterklischees werden in schaft, Politik. Das prägt sich auf die sozialen Medien übertragen. die Berufswahl- und die Lebens- entscheidungen, die von und für Unter dem Hashtag #daskaufeich- junge Mädchen getroffen werden, nicht wurden 2015 viele Fotos von aus und trägt Stereotypisierungen Produkten in den sozialen Medien weiter. Sie werden nicht mitbe- geteilt, um auf sexistische Rol- dacht und nicht sichtbar bei rele- lenklischees in der Werbung oder vanten politischen Entscheidungen in der Spielzeugabteilung aufmerk- beispielsweise bezogen auf das sam zu machen. Darüber hinaus Gesundheitswesen oder Finanz- haben sich Mädchen und junge planungen. Den Ausgangspunkt Frauen mit Pinkstinks Germany, nimmt das alles zuvorderst in der eine Bildungsorganisation gegen Kindheit. Sexismus, stark gemacht, um ge- gen das Frauenbild von Germanys Next Topmodel zu protestieren. Diese Mädchen und junge Frauen haben deutlich gemacht, dass sie keine Lust mehr auf den Beau- tystress und das Bodyshaming, das seit GNTM in die Welt getragen wird, haben. Deswegen haben sie eine Social-Media-Kampagne mit einem selbst kombinierten Song gegen GNTM mit dem Hashtag #NotHeidisGirl eröffnet. Aber was bringen diese Hashtags eigentlich? 2/2019 12 Titelbild: www.pixabay.de
Wie Hashtags Politik beeinflussten. Um Frauenrechte zu verteidigen, und geschlossene Türen öffnen. Vor vier Jahren wurde eine Petiti- benötigt es Argumente und eine Und jetzt ist ein guter Zeitpunkt“ on mit dem Hashtag #keinLuxus an intersektionelle Perspektive. sagte Wonder Woman. Politiker*innen des Deutschen Bun- destags gestartet. Da in Deutsch- Was heißt denn Intersektionali- Heute wissen wir, dass Diskrimi- land Periodenprodukte, also Mens- tät? nierung Türen und somit Zugänge truationstassen, Tampons, Binden, Intersektionalität spricht Hand- verschließt. In Lebenswelten von Panties etc., unter die Kategorie lungen an, die Frauen belasten Menschen „kreuzen“ sich Kate- „Luxusartikel“ fallen, werden sie und zur Entmachtung führen. gorien wie Gender, Körper, (A-) mit 19% besteuert, obwohl es einen Beispielsweise sind Frauen mit Sexualität, Lebensalter, Gesund- ermäßigten Steuersatz von 7% für Migrationsbiografie und Women heit, Kultur, sozialer Status und Dinge des alltäglichen Lebens gibt. of Colour „nicht nur durch die Konfession, die bei Mehrfachdis- Da Frauen ihre Menstruation nicht Ungleichstellung der Geschlech- kriminierung eine Rolle spielen. vermeiden können, stellt diese ter innerhalb des Patriarchats Intersektionalität macht als „Lupe“ Besteuerung von Menstruationspro- der deutschen Mehrheitsge- unterschiedliche Bedingungen dukten eine Diskriminierung dar. sellschaft von Diskriminierung einer Diskriminierung erkennbar. Am 07. November 2019 hat der betroffen, sondern auf struk- Bundestag offiziell die Senkung auf tureller und sozialer Ebene Es liegt an uns allen, welche Türen die regulären 7% beschlossen. auch von Rassismus“ (Şahin). in der Jugendverbandsarbeit ge- Vor genau 30 Jahren wurde der öffnet bleiben und sich in Zukunft Andere Hashtags wie #ausnahmslos Begriff von der Juristin Kimberlé öffnen werden. Dazu brauchen wir #metoo #neinheißtnein beein- Williams Crenshaw erstmals in unsere „Lupen“ - für eine diversi- flussten im Jahr 2016 eine Reform einem wissenschaftlichen Aufsatz tätsbewusste Kinder- und Jugend- des Sexualstrafrechts. Das lag vor verwendet. Das Konzept richtet arbeit. Wir setzen uns ein - für allem daran, dass sich sehr viele den Blick darauf, wie Rassismus, eine #Rollevorwärts mit den Girls. Menschen zum Thema sexualisierte Patriarchat, Klassenzugehörig- Gewalt öffentlich ausgesprochen keit sowie andere Systeme der und bei Diskussionen beteiligt Unterwerfung eine nicht sicht- haben. bare Ungleichheit konstruieren, welche die Beziehung von Frauen Im Zuge der #metoo Debatte mach- zu Rasse, Ethnie, Klasse und ähn- te die Neue Rechte unter dem liches bestimmen. (Vgl. Crens- Hashtag #120db Stimmung gegen haw) Praktisch umgesetzt wurde Geflüchtete. In den sozialen Medi- Intersektionalität schon 1851 von en wurde die Macht des Internets der Frauenrechtlerin und christli- für rechtsextremistische Parolen chen Predigerin Sojourner Truth, genutzt und dafür auch Frauen die für die Abschaffung der Skla- eingesetzt – und das, obwohl verei kämpfte. Truth stellte als Vanessa Hüfner lebt in Berlin rechtsextremistische Bewegungen erste schwarze Aktivistin einen und studierte Soziale Arbeit. und Parteien gerade das Gegenteil Zusammenhang von Frauen- und Sie arbeitet für die BDKJ-Bun- von emanzipativen Bewegungen Sklav*innenrechten her. desstelle als Referentin für unterstützen – sondern auch immer Jugendpolitik, Mädchen- und antifeministische Haltungen propa- Privilegien checken. Frauenpolitik und Diversität. gieren. „Wir müssen uns hinterfragen 13 THEMA
THEMA Mehrwert von mädchen- und frauenspezifischen Angeboten Geschlechtergetrennte Angebote gibt es in vielen verschiedenen Bereichen. Auf den folgenden Seiten lassen wir Menschen unterschiedlichsten Alters und Geschlechtes zu Wort kommen, die in Schule, Jugendverbänden und Sport aktiv sind. Die Maria-Ward-Schule Aschaffenburg bereichert seit dem Jahr 1748, also seit fast 275 Jahren, die Schullandschaft der Region, widmet sie sich doch ganz im Sinne der Namensgeberin Mary Ward (1585-1645) speziell der Ausbildung von Mädchen und jungen Frauen. Findet man zurzeit wieder vermehrt wis- senschaftliche Publikationen, die sich für die getrennte Schulausbildung nach Geschlechtern aussprechen, schien es zwischenzeitlich doch eher exotisch, wenn nicht gar altmodisch, eine reine Mädchenschule zu betreiben. Was spricht also für eine Mädchenschule? Das (Unterrichts-)Klima! Selbstverständlich sind Jungs wunderbare Geschöp- fe, können amüsant und geistreich, spontan und nachdenklich sein. Die Schülerinnen, Eltern und Lehrkräfte unserer Mädchenschule spüren in unserem Haus aber ein besonderes Klima der Rücksicht, des Zusammenhalts, des Vertrauens. So können gerade sensible Unterrichtsinhalte in einem Klima des Vertrauens offen angespro- chen werden. Gespräche über „peinliche Themen“ können geführt werden, ohne Angst zu haben, sein Gesicht zu verlieren. Auch ist der manchmal mühsame Weg mancher Mädchen zu den Naturwissenschaften deutlich leichter; hier blamiert sich niemand vor „den Jungs“. Der Umgang mit Konflikten! Selbstverständlich gibt es auch unter Mädchen Konflikte. Diese werden hier aber ohne verbale oder gar körperliche Gewalt geführt. Auch der Umgang der Mädchen mit den Erwachsenen ist von Respekt und Offenheit geprägt. Sollten Missverständnisse auftreten, werden auch hier Lösungen im Gespräch miteinander gesucht. Destruktives Verhalten, Beleidigungen o.ä. kennen wir glücklicherweise nicht. Mädchen-gerechte Förderung! Ein großer Vorteil der Mädchenschule ist es, dass wir die Bildungsinhalte mit Themen und Methoden verknüpfen können, die Mädchen zumeist interessieren. Studien haben gezeigt, dass Mädchen zu manchen Inhalten andere Zugänge benötigen als Jungs. So sind Praxisbeispiele, Anwendungen des Gelernten schnell gefunden. Unser Angebot, auch und gerade im Bereich des Wahlunterrichts, ist auf die Interessen unserer Mädchen zugeschnitten: von Mädchenfußball und Klettern über Kunst und Handarbeiten zu Tanz und Musik. Sicherlich ist eine Mädchenschule nicht für jede Schülerin die richtige Schule. Manche Mädchen entwickeln sich im Vergleich und in Kooperation mit Jungs besser. Unsere Schülerinnen allerdings, und vor allem die Mädchen, die zuvor eine koedukative Schule besucht haben, genießen und schätzen die Vorteile einer reinen Mädchen- schule. Nicht umsonst lautet unser Schulmotto: „Sich wohl fühlen – besser lernen.“ Patrick Matheis ist Schulleiter der Maria-Ward-Realschule in Aschaffenburg 2/2019 14
Schule Wie beschreibst du das Klima an deiner Schule (im Vergleich zu einer gemischtgeschlechtlichen Schule)? Das ist natürlich von der Klasse abhängig. Bei uns herrscht ein sehr friedli- ches Klima, man ist irgendwie vertrauter als in einer gemischten Klasse. Es ist allerdings auch tagesabhängig. Aber in einer Mädchenklasse trauen sich mehr Schülerinnen, sich mitzuteilen. Im Gymnasium mit den Jungs hat man eher erst dann was gesagt, wenn man sich seiner Antwort sicher war. Nur mit Mädchen ist es ein offenerer Umgang , z.B. mit dem Thema Jungs oder mit Mädchenthemen. Wenn wir über das andere Geschlecht reden, traut man sich, mehr dazu zu sagen, auch mal was rauszuhauen, was man nicht sagen würde, wenn das andere Geschlecht dabei wäre. Konflikte werden bei uns offener ausgetragen und wenns mal eskaliert, eskaliert es so richtig. Das würden wir vor Jungs nicht so machen. Durch die Anwesenheit von Jungs war es eher ein chilliges Klima in dieser Hinsicht. Gegenüber Lehrer*innen haben viele Mädchen einen freundlicheren Umgangston als Jungs. Außerdem akzeptie- ren Mädchen schneller Aufforderungen der Lehrkräfte und dadurch, finde ich, entstehen weniger Konflikte. Wo ist der Mehrwert einer Mädchenschule? Für mich gibts nicht DEN Mehrwert. Ich finde, an beiden Schularten gibt es Vor- und Nachteile. Welche Herausforderungen siehst du? Mir fehlt so der alltägliche Umgang mit dem anderen Geschlecht. Ich finde eine Mädchenklasse oft sehr an- strengend, wenn es um Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten geht. Auch beim Thema Modebewusstsein gibt es einen Unterschied, da hier die ganze Klasse darauf verstärkt achtet. Für manche Mädchen kann dies zu Druck führen. Ich bin 16 und fände es gut, wenn man in diesem Alter in der Schule mit Jungs zusammen ist. Als ich kleiner war, war mir das egal. Es wäre jetzt auch von den Meinungen und Themen her gemischter und vielfältiger. In der Schule fehlen mir die Jungs schon in manchen Situationen. Rebecca Kuhn besucht die Realschule der Ursulinenschule Würzburg. Bis zur 7. Klasse war sie in gemischtge- schlechtlichen Klassen. 15 THEMA Bild: www.pixabay.de
THEMA Jugendverbände Verbandsleiterin* in Priya George, ehrenamtlic he L- F M terin der GC der Bundesleitung. Verbandslei ene • Über die Online- auf Bundeseb Plattform Sisterhood können sich Aktive und Ehemalige unterstützend vernetzen. • Im Frauen*arbeitskreis auf Bun- desebene und bei MF-Angeboten anderer verbandlicher Ebenen ha- ben Mädchen* und Frauen* einen ganz besonderen, geschützten Der J-GCL Frauenarbeitskreis 2019 Raum, in dem sie sich in außer- gewöhnlicher Art und Weise Zweiverbandlichkeit: Frauen* explizit! mit ihrer Identität und inter- Die „Jugendverbände der Gemeinschaft Christlichen essanten Frauen*(-initiativen) Birgit Spring Mädch er, Re Lebens“ (J-GCL) – das sind die beiden Verbände auseinandersetzen, einen fe- en- un ferent Gende d Fraue in für „GCL-Jungen und Männer“ (GCL-JM) sowie „GCL-Mäd- ministischen Blog gestalten r Main narbe Bunde st r it/ chen und Frauen“ (GCL-MF). Diese Zweiverbandlich- (www.fatal.j-gcl.org) sowie sstelle eaming J-G CL- keit bedeutet für die Mitglieder, dass Konferenzen, schöne und inspirierende Veranstaltungen, Arbeitskreise usw. gemeinsam, aber Wochenenden miteinander erleben auch im verbändeeigenen Rahmen, also geschlechter- können. Hier wird deutlich, wie unterschiedlich getrennt, stattfinden. Frau*-Sein gelebt werden kann. Im Unter-sich- Sein fällt es leichter, über Persönliches, evtl. 2001 wurde die historisch bedingte Zweiverbandlich- auch Problematisches zu sprechen sowie zu keit als eines der drei J-GCL-Profilelemente beschlos- entdecken und anzuerkennen, dass in jedem sen – mit dem Ziel, geschlechtergetrennt und ge- beliebigen Themenfeld Geschlechteraspekte und meinsam weniger patriarchale Hierarchie sowie mehr -diskriminierungen liegen. Sogenannte männli- freie Entwicklung und Geschlechtergerechtigkeit zu che* Fähigkeiten können leichter gelebt werden, realisieren. Dieses Ziel wird auch mit geschlechterge- da entsprechende Tätigkeiten nicht automatisch rechter Sprech- und Schreibweise (*) verfolgt. von Jungen*/Männern* übernommen werden. Mädchen* und junge Frauen* profitieren durch die Auch wenn immer mal darüber diskutiert wird, ob die Zweiverbandlichkeit: Zweiverbandlichkeit noch zeitgemäß ist und sie nicht • Sie wählen ihre eigenen Vertreterinnen*, fassen überall in den J-GCL gleich intensiv gelebt wird, so eigene Beschlüsse und die paritätische Besetzung zeigt die Erfahrung, dass sie uns bereichert – auch in von gemeinsamen J-GCL-Gremien ist gesichert. der Art, wie wir die Welt wahrnehmen und gestalten. • Seit 1987 haben sie eine Theologin* als Geistliche „Gespräche über frauenspezifische Themen und der Austausch der eigenen Erfah- rungen zusammen mit anderen Mädels und Frauen aus dem Verband sind wirklich unglaublich inspirierend. Im Unterschied zu anderen Vereinen herrscht in einem rein weiblichen Verband meiner Beobachtung nach eine noch stärkere Verbunden- heit aufgrund ähnlicher Interessen und Probleme.“ Matilda Reuter (16 Jahre), GCL-MF 2/2019 16
„LOOK AT THE GIRL!“ „Look at the girl“ – diese Aufforderung ist auch nach 90 Jahren Pfadfinder*innenbewegung immer noch wichtigster Grundsatz pfadfinderischer Mädchen- arbeit. Die Pfadfinderinnenschaft St. Georg ist ein V.l.n.r. Susanne Schunk und Janina Mädchenverband, in dem sich seit über 70 Jahren vorsitzende der Bauke, Bundes- PSG 2019. bundesweit rund 10.000 Mädchen und junge Frauen organisieren. Die Gruppenarbeit mit Mädchen in der PSG gibt unter noch lange nicht auf allen Ebenen der Gesellschaft anderem Raum für die Entfaltung aller Fähigkeiten, möglich. An zahlreichen Stellen ist ein Weiterkom- die Entwicklung eines unabhängigen Selbstbewusst- men für Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht seins, das Bewusstmachen und kritische Hinterfragen möglich. von Rollenverhalten, sowie die Entwicklung einer ei- genständigen, positiven Geschlechtsidentität. In einer Daneben beobachten wir seit einiger Zeit mit wach- geschlechtshomogenen Gruppe können die Mädchen sender Sorge den Anstieg antifeministischer Diskurse und jungen Frauen vielfältige und unterschiedliche und Bestrebungen, die Errungenschaften im Bereich Funktionen einüben, die in einer gemischten Grup- der Geschlechtergerechtigkeit rückgängig zu ma- pe leicht von vornherein entweder nur den Jungen chen. Unsere parteiliche Mädchenarbeit ist nicht nur oder nur den Mädchen zufallen. Unser Ziel ist, dass pädagogisches, sondern auch politisches Handeln. Mädchen und Frauen das, was sie sind, selbstbewusst Dazu gehört auch, dass wir uns in allen Bereichen in die Gestaltung der Gesellschaft einbringen, dort der Gesellschaft öffentlich für eine Gleichstellung ihren eigenen Platz finden und so zu einer positiven einsetzen, die ungleichen Strukturen aufbrechen und Gesellschaftsveränderung beitragen. die Gesellschaft verändern und neugestalten. In der PSG übernehmen junge Frauen an vielen Stellen ganz selbstverständlich Leitung. Dies ist aber Warum bist du in einem Mädchenverband? - Ich bin in einem Mädchenverband, weil ich es einfach schön finde, dass man sich dort frei entfalten kann und miteinander über alles reden kann. Was ist das Besondere daran? -Das Besondere daran ist, dass die Mädchen so sein können wie sie wollen, denn wir alle sind Mädchen und wissen in den meisten Fällen, wie sich die andere fühlt. Außerdem können die Mädchen sich so bewegen und kleiden, wie sie wollen, sie "müssen" nicht irgendwelche Jungs beeindrucken (auch wenn dies manchmal im Unterbewusstsein passiert), sondern sind frei. Und noch ein entscheiden- der Grund ist, dass die Mädchen nicht von Jungen an den Rand gedrängt werden, also z.B. sich in der Bauarbeit nicht herabgestuft fühlen und selbstbewusst an das Projekt heran gehen können. Elisa Olikus, PSG 17 THEMA
THEMA Sport Ich spiele Fußball bei den Würzburg Dragons. Wir sind ein reines Frauen- team. Davor habe ich in der Jugend in Rottendorf in einer Jungenmann- schaft gespielt. Ab der U17 musste ich aufgrund der DFB Regularien in ein reines Frauenteam wechseln, was auf die körperliche Unterlegenheit gegenüber den Männern zurückzuführen ist. Das ist auch gut so, denn irgendwann macht es einfach keinen Spaß mehr, auf dem Fußballfeld den Anderen nur hinterherzulaufen. In einem reinen Frauenteam herrscht schon ein anderes Klima als in einem gemischten Team. Man versteht sich untereinander meist besser Bild: SC Würzburg und macht auch abseits des Fußballplatzes viel zusammen. Auch die Kommunikation auf dem Spielfeld ist unkomplizierter. Mein Jugend- trainer hat mal gesagt: „Frauen sind anders zu trainieren, hinterfragen mehr, diskutieren mehr. Jungs machen es einfach.“ Früher hatten viele Jungs entweder Angst, etwas Falsches zu sagen und haben deswegen während des Spiels kaum geredet. Oder sie meinten mir sagen zu müssen, wie man richtig Fußball spielt. Außerdem war früher das Konkurrenzdenken größer. Die Jungs gingen voll rein, weil sie sich gegen ein Mädchen nicht blamieren wollten und ich wollte zeigen, dass ich locker mithalten kann. Leistungstechnisch habe ich bei den Jungs deshalb wohl besser gespielt, aber bei den Mädels kommt es jetzt besser zum Vorschein. Aus eigener Erfahrung ist es für Mädchen oft schwierig in einem Team mit Jungs zu spielen. Du brauchst eine eigene Umkleidekabine, die Schiedsrichter kontrollieren oft strenger die Formalitäten ob du z.B. eine gültige Spiellizenz hast. Und natürlich gibt es häufig beleidigende Kommentare wie „Ich schaue nicht zu, um Mädchen Fußballspielen zu sehen!“ oder eigentlich nett gemeinte Aussagen wie „Du musst als Mädchen beim Training keine schweren Tore aufbauen!“, die genau genommen aber auch als sexistisch gesehen werden können. Aber spätestens wenn man die Anderen von seiner Leistung überzeugt hat, kommen solche dummen Kommentare nicht mehr so oft vor. Trotzdem finde ich es gut, dass ich erst in einem gemischten Team gespielt habe, weil ich da mit meinen Freunden zusammen gespielt habe. Ich habe gelernt, mich körperlich durchzusetzen und mich zu behaupten. Laura Issing (18 Jahre), Würzburg Dragons 2/2019 18
Bild: www.pixabay.de Ich bin Inhaber des Lehrstuhls Empirische Bildungsforschung und Wis- senschaftlicher Leiter des Nachwuchsförderzentrums für Juniorinnen an der Universität Würzburg. Als langjähriger Trainer, Jugendleiter und Vorstand in der Frauenfußballabteilung eines Würzburger Fußballclubs habe ich die Beobachtung gemacht, dass viele Mädchen gerne Fußball spielen wollen, aber eben nicht in Jungenteams. Daraufhin hat mei- ne Frau zusammen mit einer Mitstreiterin begonnen, Fußball-AGs nur für Mädchen in Kitas und Grundschulen anzubieten. Durch den Fußball erfahren die Mädchen Wertschätzung und Zusammenhalt, entfalten ihre Persönlichkeit und entwickeln ein Selbstbewusstsein. Quasi ein ganzheit- liches Angebot zur sozialen, schulischen und sportlichen Förderung der Spielerinnen. Natürlich wollen wir auch sportliche Erfolge erzielen. Um den Leistungssport in Würzburg zu fördern, den Mädchen optimale sportliche Rahmenbedingungen zu bieten und Talente in der Region zu halten, haben wir die Würzburg Dragons und das Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen gegründet. Denn im Jugendbereich bis zu den Unter-17-Jährigen kommt es aus verschiedenen Gründen noch ab und zu vor, dass Mädchen in Jungen- teams spielen. Wir können allerdings aus wissenschaftlicher Sicht sagen, dass Mädchen in Leistungsteams der Juniorinnen im Durchschnitt genauso stark sind wie Mädchen aus Jungenteams. Der Vorteil reiner Mädchen- teams ist, dass die Spielerinnen sich gefestigter und akzeptierter fühlen und dadurch nicht mit dem Fußball am Beginn der Pubertät aufhören. Denn viele Spielerinnen mit Potenzial haben einfach keine Lust, bei den Jungs zu spielen. Leider setzt der Bayerische Fußballverband trotz dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse seinen Schwerpunkt im Jugendbereich immer noch auf gemischtgeschlechtliche Teams. Das wird langfristig dazu führen, dass die Zahl der reinen Mädchenteams in Bayern weiter abnimmt. Durch die fehlenden Nachwuchsspielerinnen gibt es keinen Nachwuchs mehr für die Frauenteams, die unteren Ligen werden wegsterben, die Wege zu den Spielen weiter und dadurch wird die zeitliche Belastung steigen. Unter diesen Bedingungen wird nicht nur die Leistungsförderung talentierter Mädchen leiden, sondern es entsteht auch eine sehr deutliche, neue soziale Ungleichheit, die wieder einmal die Mädchen trifft. Heinz Reinders ist Trainer, Jugendleiter und Vorstand in der Frauenfußballabteilung eines Würzburger Fußballclubs 19 THEMA
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