Der Einfluss von Klimawandel und Habitatverlust auf Bestäuber und ihre Funktionen - Pfeil Verlag

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Rundgespräche der Kommission für Ökologie, Bd. 43 »Soziale Insekten in einer sich wandelnden Welt«, S. 113-122.
© 2014 by Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München – ISSN 0938-5851 – ISBN 978-3-89937-179-6

          Der Einfluss von Klimawandel und Habitatverlust
                 auf Bestäuber und ihre Funktionen

                                           Ingolf Steffan-Dewenter*

                                                 Zusammenfassung

Klimawandel, der Verlust natürlicher Lebensräume und die Intensivierung der Landnutzung gelten als wesentliche
Ursachen für die Gefährdung der Biodiversität und ökologischer Funktionen. Sozial und solitär lebende Bienen
gewährleisten als Bestäuber von Wild- und Kulturpflanzen eine zentrale Funktion in terrestrischen Ökosystemen.
Die Erwärmung des Klimas und die Zunahme von klimatischen Extremereignissen verändern die Verbreitung
und Phänologie von Bestäubern sowie ihre Wechselbeziehungen mit Pflanzen.
    Höhengradienten sind wichtige Modellsysteme, um die Anpassungen von Tier- und Pflanzenarten an klima-
tische Bedingungen und mögliche Konsequenzen des Klimawandels für Ökosysteme abzuschätzen. Am Beispiel
von Untersuchungen in den Bayerischen Alpen und am Kilimandscharo in Tansania werden die Verteilungs-
muster von Bienen und ihre Anpassungsstrategien an klimatische Bedingungen sowie mögliche Konsequenzen
klimatischer Extremereignisse für die Stabilität von Bestäubernetzwerken gezeigt. In Agrarökosystemen hat der
Rückgang von Bienen gravierende Konsequenzen für die Bestäubung von Kulturpflanzen. Für die Stabilität
von Bestäubungsleistungen spielt dabei nicht nur die Anzahl, sondern auch die Artenvielfalt der Bestäuber eine
wichtige Rolle.

                                                       Summary

Consequences of climate change and habitat loss on pollinators and their ecological functions. Climate
change, the loss of natural habitats, and the intensification of land use are considered as major causes for the
endangerment of biodiversity and ecological functions. In terrestrial ecosystems, social and solitary bees reliably
fulfil a central function as pollinators of wild plants and cultivated crops. Climate warming and the increasing
occurrence of extreme weather events change the distribution and phenology of pollinators as well as their
interactions with plants.
     Elevation gradients are important model systems to assess not only the adaptations of animal and plant
species to climatic conditions but also possible effects of climate change for ecosystems. In this article, the distri-
bution patterns of bees, their adaptation strategies as well as possible effects of extreme weather events on the
stability of plant-pollinator networks are presented based on investigations in the Bavarian Alps and at Mount
Kilimanjaro (Tanzania). In agricultural ecosystems, the decline of bees has severe implications for pollination of
crops. Importantly, not only the number but also the diversity of pollinators plays a major role in the stability
of pollination services.

*   Steffan-Dewenter, Ingolf, Prof. Dr., Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Lehrstuhl für Tierökologie und
    Tropenbiologie (Zoologie III), Biozentrum, Am Hubland, 97074 Würzburg; ingolf.steffan@uni-wuerzburg.de

Einfluss von Klimawandel und Habitatverlust auf Bestäuber
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                    Einführung                                                    90 –

                                                                                                                                            Produktionsvolumen [109 t]
                                                                                  80 –
                                                                                                                                       –4
In der Gruppe der Bienen (Apiformes) gibt es

                                                          Kulturpflanzen [Zahl]
                                                                                  70 –
neben den sozial lebenden Bestäubern, wie Ho-
                                                                                  60 –
nigbienen (Apis mellifera), Hummeln (Bombus)                                                                                           –3

und einigen Arten von Furchenbienen (Halictus,                                    50 –
Lasioglossum), unter den sog »Wildbienen« eine                                    40 –                                                 –2
Fülle von solitären Bienenarten, die für die Be-
                                                                                  30 –
stäubung eine wichtige Rolle spielen. Weltweit
gibt es mehr als 25 000 Bienenarten, die durch sehr                               20 –                                                 –1

unterschiedliche Merkmale und Anpassungen an                                      10 –
ihre Lebensräume charakterisiert sind. Diese Di-                                   0–                                                  –0
versität von Lebensstrategien spielt eine wichtige                                       keine Ertrags-    Ertrags-      unbekannt
Rolle für die funktionelle Komplementarität die-                                          steigerung      steigerung
ser Bestäuber, d. h. für die wechselseitige Ergän-         Abb. 1. Anzahl und Produktionsvolumen (in 109 Ton-
zung der beteiligten Arten, die die Bestäubung als         nen) von Kulturpflanzen, für die eine Ertragsteigerung
wichtige Ökosystemfunktion erst gewährleistet.             durch Bestäubung erfolgt, im Jahr 2004. – Klein et al.
                                                           (2007).

             Diversität der Bestäuber                                                    Weltweiter Klimawandel und seine
                                                                                               ökologischen Folgen
Neben den Bienen gibt es viele weitere Bestäuber-
gruppen, wie bereits angeklungen ist (vgl. Beitrag         Zu den Effekten des sog. globalen Wandels
Blüthgen (2014) in diesem Band). Taxonomisch               gehören die Auswirkungen von Landnutzung
beschrieben sind global 352 000 höhere Pflanzen-           und Landnutzungsintensivierung, von Pestizid-
arten, von denen etwa 88 % (308 000 Arten) Tiere           anwendungen, von invasiven Arten wie der Var-
zu ihrer Bestäubung, d. h. zu ihrem Reproduk-              roamilbe (Varroa destructor), von Habitatverlust
tionserfolg, benötigen (Ollerton et al. 2011). Um          und -fragmentierung und von Klimawandel.
diese Bestäubungsleistung aufrechtzuerhalten, ist          Der erste Teil meines Beitrags wird sich mit dem
eine hohe Bestäuberdiversität notwendig.                   Klimawandel beschäftigen: Welche Auswirkung
    Im Verhältnis zu der Vielfalt an Wildpflanzen          hat die Veränderung des Klimas auf die Diversität
ernähren die Menschen sich von einer relativ               der Bestäuber und perspektivisch auch auf ihre
geringen Anzahl von Kulturpflanzen. Innerhalb              Funktion im Ökosystem?
der 124 wichtigsten Kulturpflanzenarten (FAO-                   Die Durchschnittstemperatur ist in den letzten
STAT 2014) führt Insektenbestäubung bei etwa               150 Jahren um etwa 0,6 °C gestiegen. Dieser Pro-
70 % zu einer Ertragssteigerung (z. B. Früchte,            zess hat sich in den letzten Jahrzehnten weiter be-
Gemüse, Nüsse, Gewürze, Ölfrüchte). Der Wert               schleunigt, sodass in der jüngsten Vergangenheit
des Produktionsvolumens, das durch Insekten-               ein Temperaturanstieg bis 0,12 °C/Dekade erfolg-
bestäubung sichergestellt werden kann, liegt bei           te. Je nachdem, welche Szenarien und Prognosen
etwa 152 Mrd. Euro/Jahr (Abb. 1, Klein et al.              herangezogen werden, ist bis 2100 mit einem
2007, Gallai et al. 2009). Es stellt sich die Frage, ob    Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur bis
auch bei Kulturpflanzen die Bestäuberdiversität            etwa 4 °C zu rechnen (IPCC 2013). Ein weiterer
notwendig ist oder ob z. B. die Honigbiene (Apis           wichtiger Aspekt des globalen Klimawandels
mellifera) als eine weit verbreitete und dominante         ist das Auftreten von Extremereignissen wie
Bestäuberart genügt. Im zweiten Teil meines Bei-           Starkniederschlägen und Stürmen. Die Häufigkeit
trags werde ich auf diesen Punkt noch genauer              und die Schwere von Extremereignissen sollten
zu sprechen kommen.                                        mit der Klimaerwärmung zunehmen (Jentsch et
                                                           al. 2007, IPCC 2013).
                                                                Die ökologischen Folgen des Klimawandels
                                                           sind in einigen Bereichen bereits gut doku-
                                                           mentiert (Walther et al. 2002). In Bezug auf die
                                                           veränderte Phänologie weiß man z. B., dass im

                                                                                               Soziale Insekten in einer sich wandelnden Welt
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Durchschnitt die Blüte früher beginnt, dass die             –   Experimentelle Simulation klimatischer Ver-
Vegetationsperiode länger geworden ist und dass                 änderungen: Die Mehrzahl dieser Experi-
viele Arten früher im Jahr auftreten als noch vor               mente, z. B. die Simulation von Klimaex-
40 Jahren (z. B. Menzel et al. 2006). Für Europa                tremen, findet bisher lokal statt. Das heißt,
wurde außerdem gezeigt, dass sich die Verbrei-                  Aussagen, wie sich experimentell simulierte
tungsgrenzen verschoben haben. Eine Reihe von                   Klimaveränderungen auswirken, lassen sich
Insektengruppen hat ihre Verbreitungsgrenzen                    nur in einem lokalen klimatischen Kontext
bis zu 100 km nach Norden ausgedehnt (z. B.                     machen, aber nicht über einen Klimagradi-
Parmesan et al. 1999, Devictor et al. 2012).                    enten.
    Deutlich weniger ist über Auswirkungen des
Klimawandels auf die Artenzusammensetzung
und -vielfalt und über die Veränderung von Aus-                            Höhengradient:
sterberisiken bekannt. Über den Ausfall biotischer          Artenvielfalt und phylogenetische Diversität
Interaktionen, beispielsweise die Bestäubung,                              von Wildbienen
und die Veränderung der Synchronisierung
von Interaktionen durch den Klimawandel ist                 Im Rahmen des Bayerischen Forschungsver-
ebenfalls sehr wenig bekannt. So können verän-              bundes FORKAST1 haben wir im Nationalpark
derte Klimabedingungen z. B. bei ursprünglich               Berchtesgaden Höhengradienten (600-2000 m)
synchron auftretenden Blüten und ihren Be-                  untersucht, um zu verstehen, wie sich die Ar-
stäubern zu einer Entkopplung der Interaktion               tenvielfalt und die Artmerkmale entlang des
bei der Blütenbestäubung führen. Aufgrund der               klimatischen Gradienten verändern. Zusätzlich
weitgehend fehlenden empirischen Daten ist man              sollte eine Simulation von Extremereignissen
hier verstärkt auf Modellierungen angewiesen.               zeigen, wie sich Interaktionen von Arten (z. B.
                                                            Bestäubernetzwerke) in diesem Höhengradienten
                                                            verändern.
            Ansätze zur Untersuchung                            Die insgesamt 87 Wildbienenarten mit über
            von Klimaveränderungen                          2300 Individuen, die wir in diesem Gebiet gefun-
                                                            den haben, nehmen in ihrer lokalen Diversität und
Wie lassen sich Klimaveränderungen untersu-                 in ihrer Abundanz entlang des Höhengradienten
chen? Wie kann man besser verstehen, welche                 ab (Abb. 2, Hoiss et al. 2012). Wir finden nur
Konsequenzen der Klimawandel haben wird                     relativ wenige Arten, die ausschließlich in den
und bereits hat? Generell gibt es dazu drei                 alpinen Lebensräumen über 1500 m vorkommen,
Möglichkeiten:                                              darunter die Hummelarten Bombus gerstaeckeri,
– Dokumentation zeitlicher Veränderungen:                   B. mendax, B. pyrenaeus und B. sichelii. Das heißt,
   Wenn bekannt ist, welche Arten wo vorge-                 das Gros der Arten kommt bei höheren Tem-
   kommen sind und wie sie interagiert haben,               peraturen vor und würde theoretisch bei einer
   lassen sich rückblickend die Folgen der Kli-             Klimaerwärmung in die Hochlagen einwandern.
   maveränderung dokumentieren. Für Pflanzen                Was würde dann mit den alpinen Spezialisten
   ist die Datenlage relativ gut, für Insekten ist          passieren?
   sie unbefriedigend. Für Interaktion oder Öko-                Eine Möglichkeit, sich dieser Frage zumindest
   systemprozesse kann man retrospektiv wenig               anzunähern, ist die Analyse der phylogenetischen
   aussagen, da entsprechende Datenreihen (fast)            Diversität von Artengemeinschaften. Dahinter
   vollständig fehlen.                                      steckt die Idee, dass die Zusammensetzung von
– Klimagradienten als Modellsystem: Bereits                 Artengemeinschaften durch unterschiedliche
   Alexander von Humboldt hat anhand von Hö-                Mechanismen bestimmt wird:
   hengradienten Aussagen über Anpassungen                  – In tieferen Lagen werden Artengemeinschaf-
   von Arten an bestimmte Klimabedingungen
   getroffen (Humboldt & Bonpland 1805/07).
                                                            1   FORKAST: Auswirkungen des Klimas auf Ökosys-
   Wir können über diese Modellsysteme un-
                                                                teme und klimatische Anpassungsstrategien, 2009-
   tersuchen, welche Veränderungen in den                       2012, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium
   Wechselbeziehungen von Arten stattfinden                     für Wissenschaft, Forschung und Kunst im Rahmen
   und wie Arten in bestimmte klimatische                       des »Klimaprogramms Bayern 2020«; Sprecher:
   Bedingungen eingenischt sind.                                Prof. Dr. C. Beierkuhnlein, Universität Bayreuth.

Einfluss von Klimawandel und Habitatverlust auf Bestäuber
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                   25 –
                                                                                130 –
                                                                                120 –
                   20 –                                                         110 –
                                                                                100 –
Anzahl der Arten

                                                                                 90 –
                   15 –                                                          80 –

                                                                   Häufigkeit
                                                                                 70 –
                                                                                 60 –
                   10 –
                                                                                 50 –
                                                                                 40 –

                    5–                                                           30 –
                                                                                 20 –
                                                                                 10 –
                    0–ı     ı     ı      ı     ı       ı   ı   ı                  0–ı      ı      ı      ı      ı      ı      ı      ı
                     600   800   1000 1200 1400 1600 1800 2000                     600    800   1000 1200 1400 1600 1800 2000
a                                     Höhe [m ü. NN]                     b                            Höhe [m ü. NN]
Abb. 2. Anzahl der Arten (a) und Häufigkeit (b, gewichtet nach Pflanzenbedeckung, min.: 0,41 %, max.: 10,44 %)
von Wildbienen entlang eines Höhengradienten (600-2000 m, Nationalpark Berchtesgaden). a: F = 11,25, p = 0,002;
b: F = 9,76, p = 0,004. – Hoiss et al. (2012).

                    ten primär durch Konkurrenz um Ressourcen                                  Höhengradient:
                    getrieben, dadurch wird eine größere Merk-                           Artmerkmale von Wildbienen
                    malsvariation in der Gemeinschaft etabliert
                    (»overdispersion«).                            Im Rahmen einer DFG-Forschergruppe2 unter-
–                   In Hochlagen werden Artengemeinschaften        suchen wir am Kilimandscharo entlang eines
                    primär durch die herrschenden Umweltbedin-     Höhengradienten (700-4600 m), der von tropi-
                    gungen geprägt (»environmental filtering«);    schen Savannenlebensräumen bis zu afroalpinen
                    in den Gemeinschaften kommen dann phy-         Vegetationszonen führt, auf 60 Untersuchungs-
                    logenetisch verwandte Arten vor, die relativ   flächen die Verbreitung und die Artmerkmale
                    ähnliche Artmerkmale aufweisen.                von Wildbienen.
                                                                       Neben der Artenvielfalt und der phylogene-
Dies lässt sich durch die Berechnung der phylo-
                                                                   tischen Verwandtschaft haben wir v. a. die inner-
genetischen Verwandtschaft einer solchen Ge-
                                                                   artliche und zwischenartliche Merkmalsvariation
meinschaft untersuchen. Bei den Wildbienen-
                                                                   über den Höhengradienten untersucht (Classen
gemeinschaften in den Hochlagen liegt diese
                                                                   et al., in Vorber.). Unsere Daten zeigen, dass die
deutlich höher als in den Tieflagen (Abb. 3a,
                                                                   mittlere Größe der Wildbienenarten, die in einer
Hoiss et al. 2012), d. h., wir haben eine Bestäti-
                                                                   Gemeinschaft auftreten, mit zunehmender Höhe
gung der Hypothese, dass in Tieflagen eher eine
                                                                   abnimmt. In Bezug auf die Größe der Einzelindi-
Merkmalsvielfalt durch Nutzung unterschied-
                                                                   viduen werden im Gesamttrend die Individuen
licher Ressourcen selektiert wird, während in
                                                                   einer Art jedoch größer, wenn man die Verände-
den Hochlagen relativ ähnliche, eng verwandte
                                                                   rung der Population über den Höhengradienten
Arten auftreten. Ein Vergleich der Gemeinschaf-
                                                                   betrachtet. Eine mögliche Erklärung wäre, dass
ten zwischen verschiedenen Standorten auf drei
                                                                   die begrenzte Verfügbarkeit und Zugänglichkeit
Höhenlagen bestätigt dies (Abb. 3b).
                                                                   von Nahrungsressourcen in höheren Lagen die
                                                                   Größe der Vorkommen der Arten begrenzt, wäh-

                                                                   2             DFG-Forschergruppe1246: Kilimanjaro ecosystems
                                                                                 under global change: Linking biodiversity, biotic
                                                                                 interactions and biogeochemical ecosystem proces-
                                                                                 ses, Beginn 2010, Sprecher: Prof. Dr. I. Steffan-
                                                                                 Dewenter, Universität Würzburg.

                                                                                           Soziale Insekten in einer sich wandelnden Welt
117

                                                                                                             A
                            10 –
                                                                                               1,60 –
                             9–
Verwandtschaftsgrad [NRI]

                             8–                                                                1,55 –
                             7–

                                                                               Distanz [MPD]
                                                                                                                        B
                             6–                                                                1,50 –

                             5–
                                                                                               1,45 –
                             4–
                             3–                                                                1,40 –
                                                                                                                                     C
                             2–
                                                                                               1,35 –
                             1–
                             0–                                                                1,30 –
                                   ı    ı     ı       ı     ı      ı   ı   ı                                 ı           ı            ı
                              600      800   1000 1200 1400 1600 1800 2000                                 1500
 a                                                Höhe [m ü. NN]               b                                   Höhe [m ü. NN]
Abb. 3. Phylogenetische Verwandtschaft (net relatedness index NRI) entlang eines Höhengradienten (600-2000 m,
Nationalpark Berchtesgaden) (a) und phylogenetische Distanz (mean phylogenetic distances MPD) in drei Hö-
henbereichen (b) bei Wildbienen. a: F = 10,63, p = 0,003; b: F = 93,04, p = 0,001. – Hoiss et al. (2012).

rend physiologische Zusammenhänge zu einer                                           ten bestäubt und eine Insektenart bestäubt mehr
Selektion auf größere Individuen innerhalb einer                                     verschiedene Pflanzenarten als in tieferen Lagen.
Art führen. Ein interessantes Muster ergibt sich,                                    Daraus würde man folgern, dass die höher gele-
wenn man die Länge der Vorderflügel im Ver-                                          genen Bestäubernetzwerke auf Extremereignisse
hältnis zur Körpergröße betrachtet. Die Relation                                     weniger sensitiv reagieren als die tiefer gelege-
nimmt über den Höhengradienten zu, d. h., die                                        nen, da generalistische Netzwerke robuster, d. h.
Flügelfläche muss zunehmen, damit das Körper-                                        stabiler gegenüber einer Störung sein sollten.
gewicht in der dünner werdenden Luft getragen                                            Interessanterweise führt Trockenstress in den
werden kann.                                                                         Hochlagen zu einer Zunahme der Netzwerk-
                                                                                     spezialisierung. Das deutet darauf hin, dass die
                                                                                     generalistischen Netzwerke auf den Hochlagen-
 Auswirkungen klimatischer Extremereignisse                                          Kontrollflächen stärker auf ein Extremereignis
     auf Pflanze-Bestäuber-Netzwerke                                                 reagieren als zunächst zu erwarten wäre.

Um die Auswirkungen klimatischer Extremereig-
nisse auf Bestäubernetzwerke (vgl. Beitrag Blüth-                                                       Bestäubung von Kulturpflanzen
gen (2014) in diesem Band) zu untersuchen, haben
wir entlang eines Höhengradienten (600-2000 m,                                       Der Anteil von Kulturpflanzen, die über Insekten
Nationalpark Berchtesgaden) auf 15 Standorten                                        bestäubt werden, hat in den letzten 50 Jahren
je 3 Klimaereignisse simuliert (Hoiss et al., in                                     deutlich zugenommen (Klein et al. 2007, Aizen
Vorber.): einen Dürrestress, der ein 1000-jährliches                                 et al. 2008). Auf der anderen Seite gibt es in
Dürreereignis simuliert, eine verfrühte Schnee-                                      Mitteleuropa relativ geringe Honigbienendich-
schmelze (durch Entfernen von Schnee) und eine                                       ten (vgl. Beitrag Moritz (2014) in diesem Band).
verzögerte Schneeschmelze (durch Aufhäufung                                          Stellt man die Fläche von Kulturpflanzen, die
von Schnee).                                                                         eine Insektenbestäubung erfordern, den Dichten
    Auf den Kontrollflächen nimmt die Netzwerk-                                      von Honigbienenvölkern gegenüber, so sind in
spezialisierung über den Höhengradienten ab,                                         Deutschland (und anderen Ländern Europas)
d. h., Bestäuberinteraktionen in Hochlagen sind                                      weniger als 50 % der erforderlichen Bienenvölker
weniger spezialisiert als in tieferen Lagen. Anders                                  verfügbar (Abb. 4, Breeze et al. 2014). Wir beob-
ausgedrückt: Im Mittel wird in Hochlagen eine                                        achten aber auch einen Verlust von Lebensräumen
Pflanzenart von mehr verschiedenen Insektenar-                                       und eine steigende Intensität der Landnutzung

Einfluss von Klimawandel und Habitatverlust auf Bestäuber
118

 2005                                                     2010

a                                                         b
                         >90%    75-90 % 50-75%     25-50%
119

                                                                                              0,16 –

                                                                                              0,14 –

                                                            Blütenbesucherraten
                                                                                              0,12 –

                                                                                              0,10 –

                                                                                              0,08 –

     Insekten-            Selbst-           Wind-                                             0,06 –
    bestäubung          bestäubung        bestäubung
                                                                                              0,04 –
Abb. 5. Frucht der Erdbeere (Fragaria) nach Insekten-,
                                                                                              0,02 –
Wind- und Selbstbestäubung. – Fotos: Kristin Krewen-
ka.                                                                                           0,00 –ı          ı            ı         ı           ı            ı         ı       ı         ı
                                                                                                  10       20               30        40      50               60        70      80        90
                                                                                                                                 Anteil Ackerland [%]
Artenvielfalt als auch die Besucherraten mit der            Abb. 6. Blütenbesucherraten (Besuche/150 Blüten) auf
Entfernung zu potenziellen Bestäuberhabitaten               Erdbeerfeldern in Abhängigkeit vom Ackerlandanteil
deutlich zurückgehen (Ricketts et al. 2008).                (in %) der umgebenden Landschaft. – Nach Daten von
                                                            K. Krewenka et al. (unveröffentlicht).
Einfluss der Diversität von Bestäubern
auf den Ertrag                                                                                16 –
Eine Reihe von Studien zeigt, dass für einzelne                                               15 –
                                                                Mittleres Frischgewicht [g]

Kulturpflanzen nicht nur die Abundanz der                                                     14 –
Bestäuber, sondern auch die Bestäuberdiversität                                               13 –
wichtig ist, um einen hohen Fruchtansatz zu                                                   12 –
erzielen. Abbildung 8 zeigt für Hochlandkaffee                                                11 –
(Coffea arabica), einer sehr wichtigen tropischen                                             10 –
Cash Crop, die Steigerung des Fruchtansatzes mit                                               9–
zunehmender Anzahl der Bienenarten (Klein et al.                                               8–
2003). Ähnliches wurde für Süßkirschen (Prunus                                                 7–
avium) in Niedersachsen nachgewiesen; auch hier
                                                                                               6 –ı                 ı                 ı                ı                     ı         ı
hängt der Fruchtansatz von den Besucherraten                                                   0,00                0,02              0,04             0,06               0,08         0,10
und von der Anzahl der Bienenarten in der um-                                                                                Blütenbesucherraten
gebenden Landschaft ab (Holzschuh et al. 2012).             Abb. 7. Mittleres Frischgewicht von Erdbeeren (in g)
    Um nachzuweisen, dass die Bestäuberdiver-               in Abhängigkeit von der Blütenbesucherrate. – Nach
sität generell eine wichtige Rolle für die Stabilität       Daten von K. Krewenka et al. (unveröffentlicht).
und die Qualität von Erträgen spielt, haben wir
global Studien zusammengetragen, die sich mit
                                                                                               90 –
der Bestäubung von Kulturpflanzen beschäf-
tigen (41 Kulturpflanzenarten, 600 Flächen). Es                                                80 –
                                                                    Fruchtansatz [%]

zeigte sich, dass neben der Honigbiene auch
viele andere Bestäuber quantitativ eine Rolle                                                  70 –
spielen (Garibaldi et al. 2013). Eine Metaanalyse
ergab, dass in allen Fällen die Korrelation von                                                60 –
der Zahl an Wildbienen mit dem Frucht- bzw.
                                                                                               50 –                                                                 Fruchtansatz:
Samenansatz positiv war, während dies bei den                                                                                                                       handbestäubt
Honigbienen nur für einen Teil der Studien der                                                                                                                      frei abgeblüht
                                                                                               40 –
Fall war. Zwischen der Pollendeposition und dem                                                        ı
                                                                                                       0
                                                                                                           ı
                                                                                                           2
                                                                                                                        ı
                                                                                                                        4
                                                                                                                                 ı
                                                                                                                                 6
                                                                                                                                          ı
                                                                                                                                          8
                                                                                                                                              ı
                                                                                                                                              10       12
                                                                                                                                                           ı        ı
                                                                                                                                                                    14   16
                                                                                                                                                                             ı   ı
                                                                                                                                                                                 18 20
                                                                                                                                                                                       ı

Fruchtansatz, der durch Honigbienen verursacht                                                                                   Bienenarten [Zahl]
wird, besteht jedoch eine große Diskrepanz,
                                                            Abb. 8. Fruchtansatz (in %) bei Kaffee (Coffea arabica)
d. h., Honigbienen übertragen relativ viel Pollen,          in Abhängigkeit von der Anzahl der bestäubenden
aber der daraus resultierende Fruchtansatz ist,             Bienenarten. – Klein et al. (2003).
relativ gesehen, geringer. Bei den Wildbienen
und anderen Insekten liegen Pollenübertragung

Einfluss von Klimawandel und Habitatverlust auf Bestäuber
120

      10.40 –
                                                                                                   1    Nomia concinna (Halictidae: Nomiinae)
      10.20 –                                                                                      2    Lasioglossum sp. (Halictidae: Halictini)
      10.00 –                                  6                              12                   3    Apis cerana (Apidae: Apini)
                                                                                                   4    Xylocopa dejeani (Apidae: Xylocopini)
            9.40 –
                                       5                                                           5    Nomia fulvata (Halictidae: Nomiinae)
Tageszeit

            9.20 –         1                           7
                                                                   11                              6    Ceratina cognata (Apidae: Ceratinini)
            9.00 –                 2                                                               7    Trigona sp. (Apidae: Meliponini)
                                                   8               10                              8    Amegilla sp. (Apidae: Anthophorini)
            8.40 –                                         9
                                       4                                                           9    Xylocopa confusa (Apidae: Xylocopini)
            8.20 –
                                       3                                                           10   Lasioglossum halictoides (Halictidae: Halictini)
            8.00 –                                                                                 11   Apis dorsata (Apidae: Apini)
            7.40 –ı    ı   ı   ı           ı           ı   ı   ı         ı         ı   ı       ı
                                                                                                   12   Xylocopa nobilis (Apidae: Xylocopini)
                0,0   0,1 0,2 0,3 0,4              0,5 0,6 0,7          0,8    0,9 1,0     1,1
                                           Blütenhöhe [m]
Abb. 9. Zeitpunkt (Uhrzeit) des Bestäuberbesuchs und besuchte Blütenhöhe (in m) für unterschiedliche Bestäu-
berarten. – Hoehn et al. (2008).

und Fruchtansatz dagegen näher beieinander.                                                geschützten Bereich der Krone, während andere
Aus den Daten lässt sich ableiten, dass nur das                                            Wildbienenarten freie Bereiche nutzen (Brittain et
Zusammenspiel, d. h. die Komplementarität von                                              al. 2012). Das heißt, bei Starkwind kann nur eine
Honigbienen und Wildbienen einen hohen und                                                 Vielfalt von Bestäubern, die eine unterschiedliche
stabilen Fruchtansatz gewährleistet (Garibaldi et                                          Robustheit gegenüber klimatischen Extremen
al. 2013).                                                                                 zeigen, einen guten Fruchtansatz gewährleisten.

                Ursachen für die Diversitätseffekte                                                                      Fazit

Was sind die Ursachen für diese Diversitätseffek-                                          –       Die vorgestellten Studien zum Klimawandel
te? Warum genügt es nicht, wenn ein Bestäuber                                                      zeigen, dass Höhengradienten als wertvolle
in ausreichender Abundanz vorhanden ist, um                                                        Modellsysteme verwendet werden können,
die entsprechende Bestäubungsleistung zu ge-                                                       um die Anpassungen von Arten an klima-
währleisten? Hierfür gibt es eine Reihe möglicher                                                  tische Bedingungen und die möglichen Kon-
Mechanismen (vgl. Beitrag Blüthgen (2014) in                                                       sequenzen des globalen Klimawandels ab-
diesem Band). So nutzen z. B. unterschiedliche                                                     zuschätzen. Als besonders vielversprechend
Bienenarten eine Blütenressource sowohl zu                                                         erscheint die Kombination von Höhengra-
verschiedenen Zeiten als auch an verschiedenen                                                     dienten mit der experimentellen Simulation
Höhen einer Pflanze (Abb. 9, Hoehn et al. 2008).                                                   klimatischer Extremereignisse. Auch wenn
Das heißt, eine der Erklärungen wäre, dass die                                                     die Folgen des Klimawandels derzeit nur
Blütenressourcen einer Kulturpflanze vollstän-                                                     unvollständig vorherzusagen sind, deuten
diger besucht und bestäubt werden, wenn viele                                                      eine Reihe von Ergebnissen darauf hin, dass
Bestäuberarten vorhanden sind.                                                                     alpine Ökosysteme besonders betroffen sein
    Ein weiterer Mechanismus betrifft die durch                                                    werden. So ist die Konkurrenzstärke alpiner
Diversität bewirkte Risikominimierung (Portfolio-                                                  Arten aufgrund der Anpassung an extreme
Effekt). In den Mandelplantagen in Kalifornien                                                     Klimabedingungen geringer als bei Tiefland-
fliegen die Honigbienen bei geringer Windge-                                                       arten, daher sind alpine Arten vermutlich
schwindigkeit relativ breit in den oberen Kro-                                                     anfälliger gegenüber der Einwanderung von
nenbereich der Bäume, während Fliegen nur                                                          Arten aus tieferen Lagen. Ein weiterer bisher
einen kleineren Teil der Bäume und nur im                                                          unberücksichtigter Risikofaktor ist die mög-
unteren Kronenbereich besuchen. Bei starkem                                                        liche Ausbreitung von Pathogenen (z. B. von
Wind dagegen fliegen die Honigbienen nur in                                                        generalistischen Tiefland- auf spezialisierte
geringem Ausmaß und nur in einem kleinen,                                                          alpine Hummelarten). Die geringere Stabilität

                                                                                                             Soziale Insekten in einer sich wandelnden Welt
121

    von Bestäubernetzwerken nach klimatischen                 Classen et al. (in Vorbereitung).
    Extremereignissen in Hochlagen ist ein wei-               Devictor, V., C. van Swaay, T. Brereton, L. Brotons, D.
    teres Indiz für bisher unbekannte Risiken des                 Chamberlain, J. Heliölä, S. Herrando, R. Julliard,
                                                                  M. Kuussaari, Å. Lindström, J. Reif, D. B. Roy, O.
    Klimawandels für alpine Lebensräume.
                                                                  Schweiger, J. Settele, C. Stefanescu, A. Van Strien, C.
–   In mitteleuropäischen Agrarökosystemen hat                    Van Turnhout, Z. Vermouzek, M. WallisDeVries, I.
    der Rückgang von Honigbienen und Wild-                        Wynhoff & F. Jiguet. 2012. Differences in the climatic
    bienen zur Folge, dass eine flächendeckende                   debts of birds and butterflies at a continental scale.
    Bestäubung von Kulturpflanzen nicht mehr                      – Nature Climate Change, 2: 121-124.
    gewährleistet ist. Aktuelle Studien zeigen                FAOSTAT. 2014. FAO Statistical Programme of Work.
    insbesondere, dass nur artenreiche Bestäu-                    – Food and Agriculture Organization of the United
    bergemeinschaften hohe und stabile Erträge                    Nations, Rom; http://faostat3.fao.org/faostat-
                                                                  gateway/go/to/home/E [abgerufen am 21.07.14]
    gewährleisten können. Das heißt, Honigbie-
                                                                  (Production: Crops).
    nen und Wildbienen ergänzen sich und sind                 Gallai, N., J. M. Salles, J. Settele & B. E. Vaissiere. 2009.
    gemeinsam notwendig, um die notwendige                        Economic valuation of the vulnerability of world
    Komplementarität von Artmerkmalen und                         agriculture confronted with pollinator decline. –
    eine Risikostreuung zu erzielen. Aus diesem                   Ecological Economics, 68 (3): 810-821.
    Grund sollten Agrarumweltmaßnahmen eine                   Garibaldi, L. A., I. Steffan-Dewenter, R. Winfree, M.
    nachhaltige und ökologischen Landwirt-                        A. Aizen, R. Bommarco, S. A. Cunningham, C.
    schaft sowie den Erhalt naturnaher und                        Kremen, L. G. Carvalheiro, L. D. Harder, O. Afik,
                                                                  I. Bartomeus, F. Benjamin, V. Boreux, D. Cariveau,
    blütenreicher Lebensräume zum Ziel haben,
                                                                  N. P. Chacoff, J. H. Dudenhöffer, B. M. Freitas, J.
    um artenreiche Bestäubergemeinschaften                        Ghazoul, S. Greenleaf, J. Hipólito, A. Holzschuh,
    zu erhalten und damit die Bestäubung und                      B. Howlett, R. Isaacs, S. K. Javorek, C. M. Kennedy,
    Ertragssicherheit der zahlreichen insektenbe-                 K. M. Krewenka, S. Krishnan, Y. Mandelik, M. M.
    stäubten Kulturpflanzen zu gewährleisten.                     Mayfield, I. Motzke, T. Munyuli, B. A. Nault, M.
                                                                  Otieno, J. Petersen, G. Pisanty, S. G. Potts, R. Ra-
                                                                  der, T. H. Ricketts, M. Rundlöf, C. L. Seymour, C.
                       Literatur                                  Schüepp, H. Szentgyörgyi, H. Taki, T. Tscharntke, C.
                                                                  H. Vergara, B. F. Viana, T. C. Wanger, C. Westphal,
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     with agricultural intensification. – PeerJ, 2: e328,         sity in bee communities. – Proceedings of the Royal
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     sich wandelnden Welt. Rundgespräche der Kom-                 pollination, fruit set and yield of sweet cherry. –
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     N. Seraphides, L. Kozák, J. Scheper, J. C. Biesmeijer,       géographie des plantes; accompagné d’un tableau
     D. Kleijn, S. Gyldenkærne, M. Moretti, A. Holz-              physique des régions équinoxiales. – Levrault,
     schuh, I. Steffan-Dewenter, J. C. Stout, M. Pärtel,          Schoell et Compagnie, Paris, 155 S. (Ideen zu einer
     M. Zobel & S. G. Potts. 2014. Agricultural policies          Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemäl-
     exacerbate honeybee pollination service supply-              de der Tropenländer, 1807. Cotta, Tübingen, 182 S.)
     demand mismatches across Europe. – PLoS ONE,             IPCC. 2013. Climate Change 2013: The Physical Science
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Einfluss von Klimawandel und Habitatverlust auf Bestäuber
122

    A. Nauels, Y. Xia, V. Bex & P. M. Midgley (eds.).        Moritz, R. F. 2014. Die Ursachen des weltweiten Bienen-
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    of the Royal Society B, London, 274 (1608): 303-313.         ningham, C. Kremen, A. Bogdanski, B. Gemmill-
Menzel, A., T. H. Sparks, N. Estrella, E. Koch, A. Aasa,         Herren, S. S. Greenleaf, A. M. Klein, M. M. Mayfield,
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                                                                           Soziale Insekten in einer sich wandelnden Welt
123

                                              Diskussion

S. Renner: Bei dem Vergleich der Artengemein-          Apfel oft diskutiert, wo man im Grunde gar nicht
schaften auf verschiedenen Höhenstufen haben           so viele Bestäuber braucht oder will, wie sie in
Sie im Hochlandbereich weniger phylogenetische         Apfelbaumanlagen vorkommen.
Diversität festgestellt als in tiefen Lagen. Wie ha-
ben Sie die Artenzahl korrigiert? Es ist theoretisch   I. Steffan-Dewenter: Wenn die Mandelbauern
ja gar nicht anders möglich, wenn die Artenzahl        Honigbienen in ihre Systeme bringen, erfolgt dies,
im Tiefland höher ist.                                 weil es in den intensiv bewirtschafteten Mandel-
                                                       plantagen viele Gebiete gibt, in denen keine wild
I. Steffan-Dewenter: Wir haben für die Artenzahl       lebenden Bestäuber vorkommen, wie Alexandra
korrigiert, das heißt, wir haben zufällige Subsam-     Klein sehr schön gezeigt hat.1 Es handelt sich um
ples von den Artengemeinschaften genommen.             eine extrem intensive Form der Landwirtschaft, in
Wir haben dabei die minimale Artenzahl, die            der die Bestäuberdiversität minimiert wurde und
auch in den höheren Lagen vorkommt, als Basis          in der die Mandelbauern zu 99 Prozent in diesen
genommen und für diese Artenzahl aus einem             Flächen von Honigbienen abhängen. Insofern ist
zufälligen Subsample jeweils die phylogene-            die Einzelaussage, die ich vorgestellt hatte, eher
tische Verwandtschaft berechnet. Trotz dieser          darauf zurückzuführen, dass in diesem Fall ver-
Korrektur sind die dargestellten Muster deutlich       mutlich die Honigbienendichten überall relativ
zu erkennen.                                           konstant waren, weil überall Honigbienenvölker
                                                       aufgestellt wurden. Aber das ändert natürlich
K. Freier: Sie haben sich bei den Höhengradi-          nichts an der Grundaussage und auch nichts
enten auch auf die Insekten bezogen. Wenn Sie          daran, dass auch im Mandelanbau eine höhere
bei Ihren Experimenten zu Extremereignissen            Bestäuberdiversität für die Mandelbauern von
räumlich begrenzt künstliche Bedingungen her-          Vorteil wäre, weil sie dadurch eine Risikostreuung
stellen, wie stellen Sie sicher, dass wirklich die     hätten und eine höhere Ertragssicherheit, wenn
Insektenpopulation betroffen ist und nicht nur         bestimmte klimatische Extreme auftreten.
die Pflanzenpopulation?
                                                       W. Tanner: Sie haben sehr überzeugend darge-
I. Steffan-Dewenter: Das ist wie bei jedem lo-         stellt, dass die Vielfalt unserer Ernährung sehr
kalen Experiment: Man kann natürlich nicht die         abhängig ist von den Insekten. Dennoch sollte
ganze umgebende Landschaft einschließlich der          man erwähnen, dass 70 Prozent unserer Ernäh-
Bestäuberpopulation manipulieren, sondern in           rung von windbestäubten Pflanzen stammen,
diesem Fall nur die Reaktion der Pflanzen, die         nämlich den Süßgräsern, und das gilt auch für die
Blühphänologie und zum Beispiel die Qualität           fleischliche Ernährung – denken Sie an Weizen,
von Nektar und Pollen. Aber man kann sich              Reis, Mais und die übrigen Getreidearten oder an
auch vorstellen, dass solche Extremereignisse          Zuckerrohr: Die große Masse unserer Nahrung
wie Dürrestress oder Veränderung der Schnee-           stammt von windbestäubten Pflanzen.
schmelze relativ kleinskalig erfolgen. Generell
war es für uns sehr spannend zu sehen, wie             I. Steffan-Dewenter: Es ist natürlich vollkommen
so eine experimentelle Manipulation der Blüh-          richtig, dass das Gros der Grundnahrungsmittel,
phänologie sich auf die Interaktionen mit den          wie Getreide, Reis und Mais, nicht von Insek-
Bestäubern auswirkt.                                   tenbestäubung abhängt. Aber es gibt einen sehr
                                                       schönen Film, den ein französischer Kollege von
P. Rosenkranz: Wenn ich es richtig verstanden
habe, gibt es keine Korrelation zwischen dem
Ertrag in Mandelplantagen und der Zahl der             1   Klein, A. M., C. Brittain, S. D. Hendrix, R. Thorp,
Honigbienenvölker. Warum geben dann die ka-                N. Williams & C. Kremen. 2012. Wild pollination
lifornischen Mandelbauern Millionen Dollar für             services to California almond rely on semi-natural
ihre Bienenvölker aus? Und gibt es bei bestimm-            habitat. – Journal of Applied Ecology, 49 (3): 723-
ten Blüten eine Überbestäubung? Das wird beim              732.

Diskussion
124

mir gedreht hat. Er hat von einem Marktstand in    I. Steffan-Dewenter: Das sind natürlich alles
Südfrankreich nach und nach alle Kulturpflanzen    sehr grobe Betrachtungen. Neben der Anzahl der
weggenommen, die von Insektenbestäubung            Völker spielt ja auch die Verteilung der Völker
abhängen. Da blieb nicht mehr viel übrig. Wenn     eine große Rolle und darüber ist bisher keine
man sich vorstellt, wie unsere Ernährung ohne      Aussage gemacht worden. Darüber kann man
insektenbestäubte Kulturpflanzen aussähe, dann     aber eine indirekte Aussage machen über die
wäre das ziemlich dürftig.                         Studien, die ich hier teilweise vorgestellt habe.
                                                   Generell ist es sicher so, dass Imker ihre Völker
U. Kinkel: Ich habe noch eine Frage zu der Menge   nicht mehr unbedingt in die Agrarlandschaft
an Bestäuber. Sie haben gesagt, dass in Europa     stellen, sondern eher in naturnahe Bereiche, und
wahrscheinlich zu wenige Honigbienenvölker         es gibt inzwischen auch sehr viele »Stadtimker«.
vorhanden sind, um die nötige Bestäubungsleis-     Ich war gerade in Celle auf einer Veranstaltung,
tung zu erbringen. Wir haben heute schon gehört,   wo gezeigt wurde, dass die Imker in den Städten
dass es in der Kalahari mehr Völker gibt als in    im Durchschnitt mehr Honig ernten und weniger
Europa. Aber kommt es nicht auch auf die Menge     Probleme mit Pestizidrückständen haben als die
der Bienen an, die in einem Volk leben? Ich bin    »Landimker«, die in der Agrarlandschaft imkern.
überzeugt, dass unsere Völker unvergleichbar       Insofern kommt das sicher noch dazu. Wenn wir
mehr Bienen enthalten als die wilden Bienenvöl-    Mittelwerte für die Bienenvölkerdichten angeben,
ker in Afrika und daher die Bienendichte bei uns   sagt das sehr wenig darüber aus, ob wirklich
höher ist, als die Grafiken das vermuten lassen.   flächendeckend in der Agrarlandschaft genügend
                                                   Honigbienenvölker aufgestellt werden.

                                                              Soziale Insekten in einer sich wandelnden Welt
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