Der Einsatz von Ehrenamtlichen aus arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht 2021 - Der Paritätische
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Arbeitshilfe 4. aktualisierte Auflage 2021 Der Einsatz von Ehrenamtlichen aus arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Sicht DEUTSCHER PARITÄTISCHER WOHLFAHRTSVERBAND GESAMTVERBAND e. V. | www.paritaet.org
Impressum Herausgeber: Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V. Oranienburger Str. 13-14 D-10178 Berlin Telefon +49 (0)30 24636-0 Telefax +49 (0)30 24636-110 E-Mail: info@paritaet.org Internet: www.paritaet.org Inhaltlich verantwortlich im Sinne des Presserechts: Dr. Ulrich Schneider Redaktion: Erika Koglin und Dr. Ingo Vollgraf, Der Paritätische Gesamtverband Redaktioneller Kontakt: Telefon +49 (0)30 24636-316 Telefax +49 (0)30 24636-110 E-Mail: organisationsrecht@paritaet.org Gestaltung: Christine Maier, Der Paritätische Gesamtverband Bilder: Fotolia © Gerhard Seybert (Titel), Tino Hemmann (S. 4), bilderbox (S. 4), Danel (S. 6), rupbilder (S. 9), Maria.P. (S. 12), © DLRG e. V. (S. 4) 4. aktualisierte und überarbeitete Auflage, Mai 2021 Abkürzungsverzeichnis EStG Einkommensteuergesetz BAG Bundesarbeitsgericht FSJ Freiwilliges Soziales Jahr BFH Bundesfinanzhof KStG Körperschaftsteuergesetz BGB Bürgerliches Gesetzbuch NJW Neue Juristische Wochenschrift BGH Bundesgerichtshof NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht BMF Bundesministerium der Finanzen NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht BSG Bundessozialgericht OLG Oberlandesgericht BStBl Bundessteuerblatt SGB Sozialgesetzbuch DB Der Betrieb SozR Sozialrecht 2
Inhalt I. Ausgangslage und Problemstellung .................................................................................................................. 4 II. Formen der gemeinwohlorientierten Tätigkeit und Ehrenamtsbegriff ..................................................... 5 1. Formen der gemeinwohlorientierten Tätigkeit ........................................................................................................... 5 2. Begriffsklärung ........................................................................................................................................................................ 5 III. Rechtliche Einordnung der ehrenamtlichen Tätigkeit .................................................................................. 6 IV. Abgrenzung der ehrenamtlichen Tätigkeit zum Arbeitsverhältnis ........................................................... 7 1. Abgrenzung anhand des Arbeitnehmerbegriffs ...................................................................................................... 7 2. Abgrenzung zwischen Arbeits- und Auftragsverhältnis ........................................................................................ 8 3. Hinweise für die Praxis ....................................................................................................................................................... 9 V. Sozialversicherungsrechtliche Einordnung ..................................................................................................... 9 1. Arbeit i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV ......................................................................................................................................... 10 2. Persönliche Abhängigkeit ................................................................................................................................................. 10 VI. Steuerrechtliche Aspekte ................................................................................................................................... 12 1. Zahlung von Auslagenersatz ........................................................................................................................................... 12 2. Übungsleiterpauschale gem. § 3 Nr. 26 EStG ............................................................................................................................. 13 3. Ehrenamtspauschale gem. § 3 Nr. 26a EStG ............................................................................................................... 16 4. Betreuerfreibetrag gem. § 3 Nr. 26b EstG ................................................................................................................... 17 5. Hinweise für die Praxis ....................................................................................................................................................... 17 Anlagen .......................................................................................................................................................................... 19 Anlage: Übersicht ..................................................................................................................................................................... 19 Anlage: Mustervereinbarung zum Einsatz von Ehrenamtlichen ............................................................................. 20 Anlage: Mustervereinbarung zur „Übungsleiterpauschale“ (§ 3 Nr. 26 EStG) ..................................................... 21 Anlage: Mustervereinbarung zur sog. „Ehrenamtspauschale“ (§ 3 Nr. 26a EStG) .............................................. 22 Anlage: Gesetzliche Grundlagen ............................................................................................................................................ 23 3
I. Ausgangslage und Problemstellung Mehr als 23 Millionen Bürger*innen über 14 Jahren en- Geldzahlungen können zwar eine motivierende Wir- gagieren sich in Deutschland freiwillig in Verbänden, kung haben und für Menschen aus einkommens- Initiativen, Gruppen und öffentlichen Einrichtungen. schwachen Verhältnissen freiwilliges Engagement erst ermöglichen, sie werfen aber auch die Frage auf, ob Freiwilliges Engagement wird traditionell mit Unent- aus rechtlicher Sicht nicht tatsächlich ein reguläres Be- geltlichkeit gleichgesetzt. Allerdings ist in den letzten schäftigungsverhältnis vorliegt. Zu den in dieser Hin- Jahren die Zahl derjenigen Möglichkeiten des freiwil- sicht besonders problematischen Vergütungsformen ligen Engagements, die als Anerkennung eine Vergü- zählen u. a. pauschale Aufwandsentschädigungen, tung in Geld vorsehen, deutlich angestiegen.1 geringfügige Bezahlungen und Honorare. Die Grenz- ziehung gestaltet sich in der Praxis schwierig, weil die Neben den traditionellen Formen des monetarisier- Arbeits-, Sozialversicherungs- und Steuergesetze den ten Engagements wie z. B. Ehrenämter in öffentlichen Begriff des Ehrenamtlichen nicht verwenden, sondern Funktionen (z. B. Schöff*innen, Wahlhelfer*innen) oder lediglich bestimmte Tätigkeiten bzw. Vergütungen dem Dienst bei der Freiwilligen Feuerwehr steigt die steuer- oder beitragsrechtlich privilegieren. Bedeutung finanzieller Vergütungen an Ehrenamtli- che in allen Bereichen der sozialen Arbeit. So wird frei- Ziel dieser Arbeitshilfe ist es, die unterschiedlichen williges Engagement durch die Ehrenamtspauschale Formen der Zahlung an Ehrenamtliche darzustellen gemäß § 3 Nr. 26a EStG oder durch verschiedene Lan- und diese unter Berücksichtigung arbeits-, sozialversi- des- und Bundesprogramme (z. B. Bundesfreiwilligen- cherungs- und steuerrechtlicher Aspekte näher zu be- dienst, Freiwilliges Soziales Jahr, Freiwilligendienst leuchten; hierbei ist insbesondere die ehrenamtliche aller Generationen) durch Gewährung finanzieller Vor- Tätigkeit gegenüber sozialversicherungs- und lohn- teile und Vergütungen gefördert. Auch in der Jugend-, steuerpflichtigen (geringfügigen) Beschäftigungsver- Alten- und Behindertenhilfe spielen Vergütungen in hältnissen abzugrenzen. Form der sogenannten Übungsleiterpauschale (§ 3 Nr. 26 EStG)2 eine große Rolle. 1 Laut Hauptbericht des Freiwilligensurveys 2009 (S. 257) stieg der Anteil der Tätigkeiten, für die den Engagierten eine Vergütung gezahlt wurde, von 18 Prozent im Jahr 1999 auf 23 Prozent im Jahr 2009. 2 § 3 Nr. 26 EStG sieht eine Steuerbefreiung für bestimmte nebenberufliche Tätigkeiten, insbesondere für Tätigkeiten als Übungsleiter oder in der Pflege bis zu einer jährlichen Grenze von 3.000,- € vor. 4
II. Formen der gemeinwohlorientierten Tätigkeit und Ehrenamtsbegriff Wie bereits eingangs erwähnt gibt es vielfältige Formen, in denen Tätigkeiten für das Gemeinwohl erbracht werden. 1. Formen der gemeinwohlorientierten 2. Begriffsklärung Tätigkeit Der Begriff des Ehrenamtes wird im Gesetz nicht näher Im Rahmen der Monetarisierungsstudie des Zen- definiert. Im ursprünglichen Sinne war es ein öffentli- trums für zivilgesellschaftliche Entwicklung (zze)3 ches Amt, für das kein Gehalt, aber eine Aufwandsent- wurden in Deutschland aktuelle Formen gemeinwohl- schädigung gezahlt wurde (wie z. B. in der preußischen orientierter Tätigkeit erfasst und in folgende Fallgrup- Kommunalverfassung von Hardenberg aus dem Jahr pen unterteilt: 18084). Heute wird Ehrenamt als freiwilliges Handeln im gemeinnützigen Bereich verstanden5. Es bezeich- Berufliche Tätigkeitsformen mit Gemeinwohlbezug net in erster Linie ein echtes Amt oder eine Funktion, (z. B. Sozialarbeiter*in, Pflegekräfte) die eine Person z. B. in einem Vorstand, einem Verband oder einem Gremium wahrnimmt. Auch Aufgaben, die Neben- und quasiberufliche Tätigkeit mit Gemein- im Auftrag von Bund, Ländern und Kommunen neben wohlbezug (z. B. Übungsleiter*in) dem Beruf wahrgenommen werden (z. B. Beiräte, Wahl- helfer*innen) gehören zum Ehrenamt. Ein Mindestalter, Qualifizierende gemeinwohlbezogene Tätigkeit um sich ehrenamtlich zu engagieren, gibt es nicht. Bei (z. B. Freiwilligendienste) minderjährigen Ehrenamtlichen müssen jedoch die ein- schlägigen Jugendschutzvorschriften, wie zum Beispiel Ehrenamtliche Tätigkeit mit Entschädigung (z. B. das Jugendschutzgesetz, beachtet werden. Schöff*innen, Freiwillige Feuerwehr) Die häufig als gleichbedeutend verwendeten Begriffe Genossenschaftliche und gemeinwirtschaftliche „freiwilliges Engagement“ oder „Freiwilligenarbeit“ be- Tätigkeiten (z. B. Tauschring, Dienstleistungsgenos- zeichnen das unentgeltliche, gemeinwohlbezogene senschaften) Engagement in selbstorganisierten Initiativen, Gruppen oder Projekten. Davon zu unterscheiden sind die Frei- Freiwilliges Engagement (unentgeltlich und freiwil- willigendienste (z. B. Bundesfreiwilligendienst, FSJ), bei lig Engagierte in allen Bereichen der Gesellschaft). denen der Qualifizierungsgedanke im Mittelpunkt steht und es sich um zeitlich begrenzte gemeinwohlbezoge- Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Ar- ne Tätigkeiten gegen ein Taschengeld handelt. beitshilfe ist der Bereich der neben- und quasiberuf- lichen Tätigkeit mit Gemeinwohlbezug, deren recht- Der Begriff „bürgerschaftliches Engagement“ geht liche Abgrenzung vom unentgeltlichen freiwilligen von einer aktiven Bürgergesellschaft aus, in der frei- Engagement in der Praxis immer wieder zu Unsicher- willig engagierte Bürger* aktiv an der Gestaltung von heiten führt. Gesellschaft, Staat und Politik mitwirken. Der Begriff, der u.a. durch die Enquetekommission des Deutschen Bundestages „Zur Zukunft des bürgerschaftlichen En- gagements“ (2002) geprägt wurde, findet sich zwar in der Fachliteratur wieder, konnte sich aber im allgemei- nen Sprachgebrauch nicht durchsetzen. 4 „Ordnung für sämmtliche Städte der Preußischen Monarchie mit dazu gehöriger Instruktion, Behuf der Geschäftsführung der Stadtverordneten 3 Klie, T./Stemmer, P./Wegner, M.: Untersuchung zur Monetarisierung von bei ihren ordnungsmäßigen Versammlungen“ (Originaltitel), in Ehrenamt und Bürgerschaftlichem Engagement in Baden-Württemberg Gesetzsammlung für Preußen 1808, S. 324 ff.. 5 im Auftrag des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg, Küttner, Personalhandbuch, 26. Auflage, 2019, zu: Ehrenamtliche Stuttgart 2010. Tätigkeit, Rz. 1. 5
Im folgenden Text werden für die Formen des unent- geltlichen gemeinwohlbezogenen Engagements die allgemein gebräuchlichen Begriffe „ehrenamtliche Tä- tigkeit“ oder „freiwilliges Engagement“ verwendet; die ehrenamtlich Tätigen werden entsprechend als Ehren- amtliche oder Freiwillige bezeichnet. III. Rechtliche Einordnung der ehrenamtlichen Tätigkeit Die ehrenamtliche Tätigkeit ist rechtlich als Auftragsverhältnis (§§ 662-674 BGB) einzuordnen. Nach dem Ge- setz liegt ein Auftrag vor, wenn eine beauftragte Person sich gegenüber einer beauftragenden Person ver- pflichtet, für diese unentgeltlich ein Geschäft zu besorgen. Wegen der Unentgeltlichkeit ist der Auftrag ein soge- Aufwendungen sind Vermögensopfer, die die beauf- nannter Gefälligkeitsvertrag. tragte Person zum Zweck der Ausführung des Auftrags oder auf Weisung der auftraggebenden Person tätigt Davon zu unterscheiden ist das bloße Gefälligkeits- bzw. die sich als notwendige Folge der Ausführung verhältnis: Es hat mit dem Auftrag zwar die Fremd- ergeben. Sie müssen nachweisbar für den konkreten nützigkeit und die Unentgeltlichkeit gemeinsam. Als Einzelfall entstanden sein.8 Ersetzt werden danach die Gefälligkeitsvertrag setzt der Auftrag jedoch einen Aufwendungen, die die beauftragte Person zur Erle- Rechtsbindungswillen voraus, der über rein gesell- digung ihres Auftrages für erforderlich halten durfte. schaftliche, konventionelle oder freundschaftliche Zu- Die Beurteilung, welche Aufwendungen erforderlich sagen und bloße Gefälligkeiten im täglichen Leben sind, orientiert sich am Interesse der auftraggebenden (z. B. Mitnahme von anderen Kindern bei Fahrt zum Person sowie an der Angemessenheit der Aufwen- Kindergarten) hinausgeht. dung, also daran, ob und inwieweit die Aufwendung in einem vernünftigen Verhältnis zur Bedeutung des Ein Rechtsbindungswillen ist insbesondere anzuneh- Geschäfts und dem angestrebten Erfolgs steht.9 men, wenn sich die begünstigte Person erkennbar auf die Zusage verlässt und die Angelegenheit für sie von Zu den ersatzfähigen Aufwendungen gemäß § 670 erheblicher wirtschaftlicher oder rechtlicher Bedeu- BGB gehören insbesondere Fahrtkosten, Verpfle- tung ist.6 So entschied beispielsweise das Oberlandes- gungsmehrkosten, Kosten für notwendige Fachlitera- gericht Nürnberg, dass die ehrenamtliche Hilfe bei der tur, Kosten von Lehrgängen, die notwendige Kennt- Stellung eines Rentenantrages über ein reines Gefäl- nisse zur Verrichtung der ehrenamtlichen Tätigkeit ligkeitsverhältnis hinausgeht und eine Haftung nach vermitteln. Vertragsgrundsätzen auslösen kann.7 Nicht dazu gehören die eigene Arbeitsleistung bzw. Unentgeltlichkeit i. S. d. § 662 BGB bedeutet, dass die Ersatz für Verdienstausfall oder die „normale“ Abnut- beauftragte Person für ihre Arbeitsleistung und den zung von Sachen des Beauftragten. Zeitaufwand als solches keine Vergütung erhält. Aller- dings ist gemäß § 670 BGB ein vereinbarter Aufwen- dungsersatz möglich. 8 BGH, NJW 2000, 3712, 3714 f. 6 BGH, NJW 2009, 1141 f. BeckOK BGB/ Detlev Fischer, 57. Ed. 1.2.2021 § 670 Rn. 11. 6 9 7 OLG Nürnberg OLG Z 1967, 139 (140).
IV. Abgrenzung der ehrenamtlichen Tätigkeit zum Arbeits- verhältnis Beim Einsatz von Ehrenamtlichen sollte gewährleistet sein, dass die ehrenamtlich Tätigen nicht als Arbeit- nehmer*innen mit allen -Rechten für den Träger tätig sind. Sie hätten dann zum Beispiel einen Anspruch auf (wenigstens) den gesetzlichen Mindestlohn, auf Urlaubsgewährung und auf Entgeltfortzahlung im Krank- heitsfall. Aus diesem Grunde ist die Tätigkeit der Ehrenamtlichen klar von einem Arbeitsverhältnis zu unter- scheiden. 1. Abgrenzung anhand des Arbeitnehmerbegriffs Die Unterscheidung wird im Arbeitsrecht anhand von gung für die Arbeitnehmereigenschaft ist, spricht ihr Feh- § 611a BGB vorgenommen, der den Arbeitsvertrag len doch im Rahmen einer Gesamtwürdigung gegen die und damit zugleich den Arbeitnehmerbegriff gesetz- Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Denn typischerwei- lich definiert. Danach wird durch den Arbeitsvertrag se verfolgt der Arbeitnehmer das Ziel, für seine Tätigkeit der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leis- ein Entgelt zu erhalten. …“11 tung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Dies ent- Daher ist auch Vorsicht geboten, wenn für die Tätigkeit sprach auch schon in der Vergangenheit der Recht- eines „Ehrenamtlichen“ eine geringfügige Beschäf- sprechung des Bundesarbeitsgerichts.10 tigung nach § 8 SGB IV angemeldet werden soll, weil dies für den Willen der Beteiligten spricht, tatsächlich Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vor- einen Arbeitsvertrag abschließen zu wollen. liegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen (§ 611a Abs. 1 S. 5 BGB). Auf keinen Fall dürfen vereinsrechtliche Arbeitspflich- ten gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Ver- Die ehrenamtliche Tätigkeit hingegen erfolgt freiwillig, bot (§§ 134, 138 BGB) verstoßen und damit zwingende weisungsunabhängig und im Grundsatz unentgeltlich. arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen umgehen.12 Dementsprechend sieht das für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geltende Mindestlohngesetz (Mi- Insbesondere könnte man in einer unentgeltlichen Tä- LoG) in § 22 Abs. 3 vor, dass die Vergütung von ehren- tigkeit auch einen besonders extremen Fall des „Lohn- amtlich Tätigen nicht von diesem Gesetz geregelt wird. dumpings“ im Rahmen eines Arbeitsvertrags sehen, wenn (vermeintlich) ehrenamtlich Tätige nach der ge- Den ehrenamtlich Tätigen können im Rahmen des Auf- botenen Gesamtbetrachtung aller Umstände in Wahr- tragsrechts zwar auch gemäß § 665 BGB Weisungen heit als Arbeitnehmer*innen einzuordnen wären. erteilt werden. Dieses Weisungsrecht der auftragge- benden Person erreicht jedoch nicht den Umfang des Direktionsrechts im Rahmen eines Arbeitsverhältnis- BEISPIEL Der Angestellten eines Vereins wird be- ses (s. unter V. 2. a.) und ist damit nicht zu verwechseln. triebsbedingt wegen schlechter Haushaltslage gekün- digt; gleichzeitig wird mit ihr vereinbart, dass sie bei Im Rahmen der Gesamtwürdigung kann vor allem das Besserung der Haushaltslage wieder eingestellt werde; Fehlen der Erwerbsabsicht gegen das Vorliegen eines bis dahin könne sie Arbeitslosengeld beziehen und sol- Arbeitsverhältnisses sprechen. So urteilte das Bundes- le die bisherige Tätigkeit unentgeltlich als „ehrenamt- arbeitsgericht im Rahmen der Arbeitsentgeltklage ei- liche Mitarbeiterin“ verrichten. nes Vereinsmitglieds gegen den Verein: „ …Wesen des Arbeitsverhältnisses ist jedoch der Austausch von Arbeit Im vorgenannten Beispiel soll durch die Bezeichnung und Lohn. Der dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegende der Tätigkeit als „ehrenamtlich“ der arbeitsvertragliche Arbeitsvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag (§ 611 BGB). Vergütungsanspruch kollusiv unzulässig umgangen Auch wenn die Erwerbsabsicht keine notwendige Bedin- 11 BAG 26.9.2002 -5 AZB 19/01, DB 2003, 47, 48. 10 12 Vgl. etwa BAG 20.08.2003 -5 AZR 610/02, NZA 2004, 39. Vgl. BAG 26.9.2002 -5 AZB 19/01, DB 2003, 47. 7
werden. Die Mitarbeiterin beabsichtigt, durch die „eh- renamtliche Tätigkeit“ später wieder eingestellt und dann erneut vergütet zu werden. Bei Betrachtung aller Umstände handelt sie deshalb gerade nicht aus altruistischen Motiven, sondern verfolgt eigennützige Ziele. 2. Abgrenzung zwischen Arbeits- und Auftragsverhältnis Als Arbeitsverhältnis bezeichnet man das Rechtsver- „§ 612 BGB hältnis zwischen der Arbeitnehmer- und der Arbeit- (1) Eine Vergütungspflicht gilt als stillschweigend geberseite. Das Arbeitsverhältnis kommt aufgrund vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umstän- eines wirksamen Arbeitsvertrages zustande und ist den nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. im Wesentlichen auf den Austausch von Arbeitsleis- tung und Vergütung gerichtet. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Das Auftragsverhältnis dagegen ist ein einseitig ver- Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche pflichtender Vertrag. Im Auftragsverhältnis entsteht Vergütung als vereinbart anzusehen.“ nämlich nur für die beauftragte Person eine Pflicht, ein Geschäft zu besorgen. Die auftraggebende Per- son ist zu keiner Gegenleistung verpflichtet. Bei einer Reihe von ehrenamtlichen Tätigkeiten entspricht es nicht den Gepflogenheiten, eine Ver- Im Übrigen enthält das Bürgerliche Gesetzbuch nur gütung zu zahlen. Beispielsweise erhalten ehren- wenige Anhaltspunkte für eine Abgrenzung: So kann amtlich Tätige in der Telefonseelsorge oder im am- das Auftragsverhältnis anders als das Arbeitsverhält- bulanten Hospizdienst in der Regel keine Vergütung. nis, für das § 622 BGB gesetzliche Kündigungsfristen Hier ist nach den Umständen keine Vergütung zu vorsieht, grundsätzlich von jeder der beiden Seiten erwarten. Ähnlich urteilte das Sächsische Landes- ohne Einhaltung einer Frist beendet werden (§ 671 arbeitsgericht13 und stellte fest, dass eine nach BGB). Jedoch muss die beauftragte Person der auf- der Verkehrsanschauung nicht dauerhaft auf Ent- traggebenden Person die Möglichkeit der anderwei- gelterzielung gerichtete Tätigkeit (in diesem Fall tigen Fürsorge lassen; dies kann auch die Einhaltung Telefonseelsorge) regelmäßig kein Arbeitsverhältnis bestimmter Fristen beinhalten. Andernfalls handelt es darstellt, sondern als Ehrenamt anzusehen ist. sich um eine Kündigung zur Unzeit. Eine Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist ist Anders sieht es allerdings bei solchen ehrenamtli- jederzeit zulässig. chen Tätigkeiten aus, die sowohl durch Hauptamt- liche als auch durch Ehrenamtliche erledigt werden, Das wichtigste Abgrenzungskriterium bleibt damit die wie z.B. die Erbringung von Pflegeleistungen. Ist in Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit. Während die diesen Fällen keine Vereinbarung getroffen wor- Erfüllung eines Auftrages unentgeltlich erfolgt, gehört den, dass die Tätigkeit unentgeltlich erfolgt, könnten im Arbeitsverhältnis die Zahlung einer Vergütung zu sich Ehrenamtliche auf eine Vergütungspflicht nach den Hauptleistungspflichten (§ 611 Abs. 1 BGB). Die § 612 Abs. 1 BGB berufen, da die Tätigkeit den Umstän- Vergütungspflicht im Arbeitsrecht entsteht, wenn sie den nach üblicherweise nur gegen eine Vergütung zu ausdrücklich (z. B. in einem Arbeitsvertrag) oder still- erwarten ist. Hier ist eine klare Vereinbarung mit den schweigend vereinbart worden ist. Eine Vergütung gilt Ehrenamtlichen über die Unentgeltlichkeit ihrer Leis- nach § 612 Abs. 1 BGB als stillschweigend vereinbart, tung, die generell zu empfehlen ist, besonders wichtig. wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur ge- gen eine Vergütung zu erwarten ist. 13 Sächs. LAG, Urteil vom 20. Mai 2011 – 3 Sa 579/10. 8
3. Hinweise für die Praxis In eine Vereinbarung mit den Ehrenamtlichen sollten vor allem folgende Punkte klarstellend aufgenommen werden (vgl. Anlage: Mustervereinbarung zum Einsatz von Ehrenamtlichen): Die Ehrenamtlichen übernehmen ihre Tätigkeit un- Die Ehrenamtlichen können ihre Tätigkeit bei Vor- entgeltlich und aus altruistischen Motiven. liegen eines wichtigen Grundes jederzeit kündi- gen. Soweit kein wichtiger Grund zur Kündigung Der Auftraggeber (gemeinnützige Träger) ersetzt vorliegt und um dem Träger zu ermöglichen, an- den ehrenamtlich Tätigen diejenigen Auslagen, die derweitige Vorkehrungen zur Erledigung der Auf- diese zum Zwecke der Ausführung des Auftrags gaben der Ehrenamtlichen zu treffen, wird eine getätigt haben und nach den Umständen für erfor- entsprechende Kündigungsfrist vereinbart. derlich halten durften. V. Sozialversicherungsrechtliche Einordnung Von großer Bedeutung ist die sozialversicherungsrecht- Obwohl die begriffliche Abgrenzung zwischen Be- liche Beurteilung der (vermeintlich) Ehrenamtlichen. schäftigungsverhältnis und selbstständiger Tätigkeit Sollte nämlich nachträglich festgestellt werden, dass rechtstheoretisch klar ist, ergeben sich in der Praxis sich eine ehrenamtlich tätige Person in einem abhängi- häufig erhebliche Schwierigkeiten. Maßgebend für gen Beschäftigungsverhältnis befunden hat, kann der die sozialversicherungsrechtliche Einordnung sind beteiligte Träger bis zur Grenze der Verjährung (vier Jah- in erster Linie die tatsächliche Ausgestaltung und die re ab Fälligkeit gem. § 25 SGB IV) zur Nachentrichtung konkrete Durchführung des Vertragsverhältnisses15. des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (also Arbeitneh- Weiterführende Hinweise finden sich in dem Aufsatz mer- und Arbeitgeberbeiträge) herangezogen werden. „Vereinsvorstände – sozialversicherungspflichtig „beschäftigt“?“ von Plagemann, Plagemann, Hesse, Während in der Praxis ganz überwiegend keine Beiträ- NJW 2015, 439 ff. ge zur Gesamtsozialversicherung für die ehrenamtlich Tätigen abgeführt werden, schließt das Sozialversiche- Das heißt, ob ein sozialversicherungspflichtiges Be- rungsrecht die Ehrenamtlichen nicht generell von der schäftigungsverhältnis vorliegt, hängt vor allem davon Sozialversicherungspflicht aus. Vielmehr knüpft die ab, wie das Verhältnis zwischen Träger und Beschäf- Sozialversicherungspflicht in der Hauptsache an das tigten tatsächlich gelebt und durchgeführt wird. Die Vorliegen einer Beschäftigung an (vgl. §§ 25 Abs. 1 vertraglichen Vereinbarungen sind nur ergänzend zu SGB III, 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, 1 Nr. 1 SGB VI, 2 Abs. 1 Nr. 1 betrachten. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung sind SGB VII, 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI).14 für jeden Einzelfall die in § 7 Abs. 1 SGB IV genannten Maßstäbe und die von der Rechtsprechung entwickel- Dabei ist aus beitragsrechtlicher Sicht die Definition ten Abgrenzungskriterien sowie weitere Indizien zu des Beschäftigungsbegriffes in § 7 Abs. 1 SGB IV von prüfen. entscheidender Bedeutung. Eine beitragsrechtlich relevante Beschäftigung liegt danach vor, wenn es sich – im Gegensatz zu einer selbstständigen Tätig- keit – um eine nichtselbständige Arbeit handelt und wenn der Beschäftigte die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbringt. 14 Zur Eigenständigkeit des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungs- 15 begriffes s. BSG 30.07.1981 - 8/8a RU 48/80, SozR 2200, § 723 Nr. 5. BSG 17.10.2007 - B 11a AL 25/06, NZS 2008, 499. 9
1. Arbeit i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB IV Entscheidend für das BSG war weiterhin, dass das Vor- standsmitglied eine feste Vergütung erhielt. Arbeit im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV kann zwar im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden, a) Weisungsrecht ist jedoch grundsätzlich weiter gefasst. Hat der Träger das Recht, Inhalt, Durchführung, Zeit § 7 Abs. 1 SGB IV: und Ort der Tätigkeit näher zu bestimmen (sog. Wei- „Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, sungs- oder Direktionsrecht des Arbeitgebers), weist insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhalts- dies auf das Vorliegen einer abhängigen Beschäfti- punkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit gung hin. Auf Seiten der Beschäftigten spricht man nach Weisungen und eine Eingliederung in die dann von Weisungsgebundenheit. Nach § 611a Abs. Arbeitsorganisation des Weisungsgebers…“ 1 BGB ist weisungsgebunden, wer nicht im Wesentli- chen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeits- Arbeit ist jede wirtschaftlich sinnvolle Tätigkeit, die zeit bestimmen kann. nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein muss, sondern auch ideeller Natur sein kann.16 Sind die Ehrenamtlichen in fachlicher Hinsicht selbst- ständig und haben sie ein hohes Maß an Gestaltungs- freiheit, spricht dieses gegen das Vorliegen einer ab- 2. Persönliche Abhängigkeit hängigen Beschäftigung. Ebenso spricht gegen ein Beschäftigungsverhältnis, wenn die Ehrenamtlichen Der Begriff der Beschäftigung in der Sozialversicherung den Zeiteinsatz selbst planen und durchführen kön- wird durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeiten- nen. Dass die Zeitplanung an die übernommene den geprägt. Persönliche Abhängigkeit liegt vor, wenn Aufgabe angepasst wird, steht dem nicht entgegen. die Beschäftigten den Weisungen einer anderen Person Werden die Ehrenamtlichen dagegen in Dienst- und unterliegen und in die Arbeitsorganisation der wei- Einsatzpläne des Auftraggebers fest eingebunden, ist sungsgebenden Person eingegliedert sind. Letztend- dieses ein Zeichen für eine abhängige Beschäftigung. lich sind die Kriterien der Weisungsgebundenheit und Ebenso verhält es sich mit der einseitigen Zuweisung der Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation von Mehrarbeit, ohne dass die Ehrenamtlichen dies Anhaltspunkte für die Einordnung als Beschäftigungs- ablehnen können. verhältnis, wobei eher das Gesamtbild der Tätigkeit als einzelne Tatbestandsmerkmale entscheidend ist.17 Ist der Ort der Tätigkeit vom Träger vorgegeben, spricht dieses für eine abhängige Beschäftigung. Beispielsweise nahm das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 19. Juni 200118 die persönliche Ab- Selbst wenn die Ehrenamtlichen nicht weisungsgebun- hängigkeit des Mitglieds eines Vereinsvorstandes an: den sind, können sie als Beschäftigte gelten, wenn sie in Das BSG stellte insbesondere fest, dass das Vorstands- die Arbeitsorganisation des Trägers (z. B. im Hinblick auf mitglied einer umfassenden Beaufsichtigung durch den den Dienstplan, Urlaub, Team) eingegliedert sind. Verwaltungsrat unterliege, da der Verwaltungsrat des Vereins die Vorstände bestellen, abberufen und deren b) Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation Anstellungsbedingungen regeln würde. Das Vorstands- mitglied sei daher in den Betrieb des Vereins eingeglie- Ob eine Eingliederung in die betriebliche Organisation dert und leiste fremdbezogene Arbeit; die Ordnung vorliegt, wird in der Rechtsprechung anhand von Indi- des Betriebes und der Unternehmenspolitik würden in zien geprüft. Zu den Indizien, die für eine Eingliede- diesem Fall maßgeblich vom Verwaltungsrat bestimmt. rung in die betriebliche Organisation sprechen, gehö- ren u. a.: feste Arbeitszeiten, verbindliche Einbindung 16 BSG 12.07.1979 -2 RU 23/78, SozR 2200 § 539 Nr. 60. in Dienstpläne, Arbeitszeitaufzeichnungen, Anwesen- 17 Zur Sozialversicherungspflicht ehrenamtlicher Bürgermeister vgl. ständige Rechtsprechung des BSG 23.09.1980 -12 RK 41/79-,13.06.1984 heits- bzw. Zeitkontrollen, feste gleichbleibende Ver- -11 RA 34/83-, 25.01.2006 –B 12 KR 12/05. gütung, Urlaubsgewährung, obligatorische Team-/ 18 BSG, 19.06.2001 – B 12 KR 44/00. 10
Supervisionseinbindung, Verpflichtung zur Teilnahme 3. Hinweise für die Praxis an Fortbildungsveranstaltungen, regelmäßige Tätig- keitsberichte, Abschluss eines Arbeitsvertrages. Unentgeltliche ehrenamtliche Tätigkeit ist sozial- versicherungsfrei. Wird für die Tätigkeit hingegen Dagegen sprechen z. B.: die Möglichkeit zur Ableh- eine Gegenleistung (Vergütung) gewährt und er- nung von Arbeiten bzw. Aufträgen, Berichtspflichten bringt der oder die (vermeintlich) Ehrenamtliche nur im Hinblick auf den Zustand und die Entwicklung die Tätigkeit im Rahmen eines Beschäftigungsver- des Betreuten, Teilnahme an Teamsitzungen auf frei- hältnisses gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV in persönlicher williger Basis. Abhängigkeit (s. o.), unterliegt die Tätigkeit grund- sätzlich der Sozialversicherungspflicht. Die Höhe Die Einbindung in eine fremde Arbeitsorganisation der Sozialversicherungsbeiträge richtet sich dabei wirkt sich indes auf den Status der Ehrenamtlichen nur nach der vereinbarten Vergütung. Fehlt eine Ver- aus, wenn sie für ihre Tätigkeit eine Gegenleistung, z. B. gütungsvereinbarung oder ist diese (z. B. wegen eine Vergütung in Geld, erhalten. „Lohndumpings“) sittenwidrig, bestimmt sich das Arbeitsentgelt und damit auch der Sozialversiche- So sind Ehrenamtliche in bestimmten Bereichen wie rungsbeitrag nach der für die Tätigkeit üblichen beispielsweise in der Telefonseelsorge oder im Ret- Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB). Beachte: Ein Entgelt, tungsdienst typischerweise durch geregelte Arbeits- das nicht lediglich im Sinne einer Entschädigung zeiten und verbindliche Dienstpläne fest in die Be- für Zeitversäumnis oder eines Verdienstausfalls ge- triebsabläufe der sozialen Einrichtung eingebunden. zahlt wird, sondern sich an der Qualifikation des Erhalten die Ehrenamtlichen in diesen Fällen ein Ent- Tätigen und seiner Leistung orientiert, steht dem gelt für ihre Tätigkeit, besteht die Gefahr, dass ein so- Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit entgegen.20 zialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Wird die Tätigkeit dagegen unentgeltlich ver- Steuerfreier Auslagenersatz gilt nicht als sozial- richtet, liegt trotz fester Einbindung in die Arbeitsor- versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt. Über- ganisation der Einrichtung, kein sozialversicherungs- schreitet der Auslagenersatz erkennbar die der pflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. ehrenamtlich tätigen Person entstandenen Kosten, liegt verdecktes Arbeitsentgelt vor. Jedenfalls für den die steuerfreien Beträge übersteigenden An- LEHRTÄTIGKEIT teil liegt Beitragspflicht vor. „Nebenberufliche Lehrtätigkeit“: Das Kriterium der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation Nebenberufliche Einnahmen Steuerfreie Auf- spielt auch für die Einordnung von nebenberuflichen wandsentschädigungen und die in § 3 Nr. 26 und Lehrkräften als Arbeitnehmer*in eine Rolle. Bei einer 26a EStG genannten steuerfreien Einnahmen sind nebenberuflichen Lehrtätigkeit gelten nebenberufli- gem. § 1 Abs. 1 Nr. 16 SvEV (Sozialversicherungs- che Lehrkräfte in der Regel als Arbeitnehmer*innen, entgeltverordnung) nicht dem Arbeitsentgelt zu- es sei denn, sie sind nicht fest in den Lehrbetrieb ein- zurechnen. Zahlungen bis zum Betrag des § 3 Nr. gegliedert. Anhaltspunkt für die mangelnde Einglie- 26 S. 1 EStG sind kein Arbeitsentgelt. 21 derung kann der geringe Umfang der Tätigkeit sein. Ein geringer Umfang wird stets angenommen, wenn die Lehrenden durchschnittlich jeweils nicht mehr als sechs Stunden Unterricht pro Woche erteilen.19 Die Bestimmung ist sinngemäß auf Übungsleiter*innen, Ausbilder*innen, Erzieher*innen, Betreuer*innen so- wie Personen mit vergleichbaren Tätigkeiten anzu- wenden. 20 Schreiben des BMF v. 27.3.2013 – IV D3. 19 Vgl. Lohnsteuer-Richtlinie 2015 (LStR 2015) R 19.2 LStR. 21 LSG Baden-Württemberg, Urt. vom 21.2.2019, L 10 BA 1824/ 18. 11
VI. Steuerrechtliche Aspekte Auf die Bezeichnung als „Ehrenamt“ kommt es im Steuerrecht nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass der ehrenamtlich Tätige mit seinem Ehrenamt Einkünfte i. S. d. Einkommensteuerrechts erzielt. Eine ehrenamtli- che Tätigkeit ist steuerfrei, soweit sie unentgeltlich er- bracht wird. Sobald an die Ehrenamtlichen Aufwands- entschädigungen, sonstige Vergütungen oder andere geldwerte Leistungen erbracht werden, ist zu prüfen, ob diese Leistungen der Lohn- oder Einkommensteu- erpflicht unterliegen. Hierbei sind folgende Fallgrup- pen zu unterscheiden: 1. Zahlung von Auslagenersatz a) Ersatz der tatsächlich entstandenen Auslagen Auch die Erstattung folgender pauschaler Beträge ist steuerlich unbedenklich: Werden nur die tatsächlich entstandenen und nach- gewiesenen Auslagen ausgeglichen, unterliegen sie Nutzung des privaten PKW für dienstlich veran- nicht der Einkommenssteuerpflicht. Die Auslagen lasste Fahrten: 0,30 € pro gefahrenen Kilometer müssen für die Verrichtung der ehrenamtlichen Tä- (§ 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG) tigkeit erforderlich und angemessen sein (vgl. hierzu Ausführungen unter III.). Ersatzfähige Auslagen kön- Verpflegungsmehraufwand bei Reisetätigkeiten (§ nen u.a. Fahrt- und Verpflegungsmehrkosten, die Kos- 9 Abs. 4a EStG): ten für Fachliteratur oder Fachlehrgänge sein. Eintägige Auswärtstätigkeit ab einer Abwesen- heit von mehr als acht Stunden = 14 €, b) Pauschaler Auslagenersatz Mehrtätige Auswärtstätigkeit für den An- und Wenn die Auslagen pauschal ersetzt werden, ist darauf Abreisetag = 14 €, zu achten, dass diese allenfalls unwesentlich höher als für Kalendertage mit 24-stündiger Abwesen- die mit der Tätigkeit verbundenen Ausgaben sind. Nur heit = 28 €. dann sind diese Einkünfte steuerfrei. B eachte: Erhalten die Ehrenamtlichen Auf- wandsentschädigungen für Verdienstausfall oder für Zeitaufwand (z. B. Vergütung für ge- leistete Arbeitsstunden), so geht die Finanzver- waltung davon aus, dass die Ehrenamtlichen nicht aus uneigennützigen Zwecken tätig sind, sondern mit ihrer Tätigkeit für die gemeinnützi- ge Einrichtung Einkünfte erzielen wollen. Solche Einkünfte unterliegen grundsätzlich der Einkom- menssteuer. Ausnahmen hiervon bilden die in § 3 EStG vorgesehenen Steuerbegünstigungen (z. B. Übungsleiterpauschale). 12
2. Übungsleiterpauschale gem. § 3 Nr. 26 EStG § 3 Nr. 26 EStG (sog. Übungsleiterpauschale) sieht eine durch persönliche Kontakte Einfluss auf andere Steuerbegünstigung für bestimmte nebenberuflich Menschen genommen wird, um auf diese Weise ausgeübte Tätigkeiten im gemeinnützigen Bereich vor. deren Fähigkeiten zu entwickeln und zu fördern (pädagogische Ausrichtung). Betroffen sind da- Nach § 3 Nr. 26 EStG sind steuerfrei: her insbesondere Personen, die im Jugendbereich für die Beaufsichtigung und Betreuung von Ju- „… Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten gendlichen eingesetzt sind. als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, Im Bereich der Pflege alter, kranker oder behin- derter Personen ist der Freibetrag des § 3 Nr. 26 (….) oder EStG auch dann zu gewähren, wenn ausschließlich hauswirtschaftliche oder betreuende Hilfstätigkei- der nebenberuflichen Pflege alter, kranker Men- ten für alte oder behinderte Menschen erbracht schen oder Menschen mit Behinderung werden (z. B. Reinigung der Wohnung, Kochen, Einkaufen, Erledigung von Schriftverkehr), soweit im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person die übrigen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt des öffentlichen Rechts (…) oder einer unter § 5 Abs. sind.23 Ebenfalls als pflegerische Tätigkeit im Sinne 1 Nr. 9 KStG fallenden Einrichtung zur Förderung ge- des § 3 Nr. 26 EStG wird der Einsatz von Rettungs- meinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ sanitäter*innen und Ersthelfer*innen angesehen, 52 – 54 AO) dieses gilt nicht nur für den unmittelbaren Ret- tungseinsatz, sondern auch für Warte- und Bereit- bis zur Höhe von insgesamt 3.000 € im Jahr…“ schaftszeiten (z.B. bei Großveranstaltungen).24 Für die Inanspruchnahme der Übungsleiterpauschale Die Tätigkeit wird nebenberuflich ausgeübt. müssen demnach folgende Voraussetzungen vorliegen: Eine Tätigkeit wird als nebenberuflich bezeichnet, Die Tätigkeit wird im Auftrag oder Dienst einer Ein- wenn sie – bezogen auf das Kalenderjahr – nicht richtung zur Förderung eines gemeinnützigen, mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleich- mildtätigen oder kirchlichen Zwecks im Rahmen baren Vollzeiterwerbs in Anspruch nimmt.25 Bei Zu- des ideellen Bereichs einschließlich der Zweckbe- grundelegung einer regelmäßigen wöchentlichen triebe erbracht. Tätigkeiten in einem steuerpflichti- Arbeitszeit von 35 bis 40 Stunden sollte daher der gen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Einrich- durchschnittliche Zeitumfang nicht mehr als 11 bis tung (z. B. Getränkeverkauf an die Besucher*innen 13 Stunden in der Woche betragen. von Bewohner*innen eines Altenpflegeheims) und bei der Verwaltung des Vermögens sind nicht be- günstigt.22 BEISPIEL Ein*e Krankenpfleger*in arbeitet in Voll- zeit in einem Altenpflegeheim (Hauptberuf). Daneben Die Tätigkeit gehört zu den in § 3 Nr. 26 EStG ge- hat sie*er die Betreuung von Menschen mit Behinde- nannten Tätigkeiten (s.o.). rung im Umfang von durchschnittlich vier Stunden wöchentlich übernommen (Nebenberuf). Die aufgeführten Tätigkeiten der Übungsleiter*in- nen, der Ausbilder*innen, der Erzieher*innen, der Betreuer*innen oder anderer vergleichbarer Tätig- 23 Vgl. Lohnsteuer-Richtlinien 2015 (LStR 2015) R 3.26 Abs. 1 S. 4. keiten haben gemeinsam, dass bei ihrer Ausübung 24 Siehe Schreiben des BMF v. 21.11.2014 - IV C 4 BStBl. 2014 I S. 1581. 25 22 Lohnsteuer-Richtlinie 2015 (LStR 2015) R 3.26 Abs. 5.3 LStR. BFH vom 30.3.1990, BStBl II, S. 854. 13
Es können auch Personen nebenberuflich tätig Ein Abzug von Werbungskosten bzw. Betriebs- sein, die im steuerrechtlichen Sinne keinen Haupt- ausgaben, die mit den steuerfreien Einnahmen beruf ausüben wie z. B. Hausfrauen, Student*in- nach § 3 Nr. 26 EStG unmittelbar wirtschaftlich zu- nen, Rentner*innen und Arbeitslose. Werden meh- sammenhängen (z. B. Fahrtkosten zum Einsatzort), rere verschiedenartige Tätigkeiten ausgeübt, so ist ist nur dann möglich, wenn die Einnahmen aus der die Nebenberuflichkeit für jede Tätigkeit getrennt Tätigkeit und gleichzeitig auch die jeweiligen Aus- zu beurteilen. Mehrere gleichartige Tätigkeiten gaben den Freibetrag übersteigen.30 sind zusammenzufassen, wenn sie sich nach der Verkehrsanschauung als Ausübung eines einheit- lichen Hauptberufs darstellen, z. B. Unterricht von BEISPIEL Ein Steuerberater ist nebenberuflich als jeweils weniger als dem dritten Teil des Pensums Dozent für einen gemeinnützigen Bildungsträger tä- einer Vollzeitkraft in mehreren Schulen.26 tig. Bei einem Honorar von 3.100 € im Jahr hat er Auf- wendungen für Fahrtkosten und Telefon in Höhe von Die formale Aufspaltung einer Beschäftigung in insg. 525 €. Die Einnahmen übersteigen zwar den Frei- zwei Arbeitsverträge führt nicht dazu, dass eine betrag des § 3 Nr. 26 EStG. Da der Dozent aber mit sei- dieser Tätigkeiten als Nebentätigkeit behandelt nen Ausgaben unterhalb des Freibetrages von 3.000 € werden kann27. Der Bundesfinanzhof urteilte, dass bleibt, ist ein Abzug der Betriebsausgaben nicht mög- eine weitere Beschäftigung für denselben Arbeit- lich. Alle Aufwendungen sind mit dem Freibetrag ab- geber als Teil einer nichtselbständigen Haupttätig- gegolten. Die Einnahmen über 3.000 € unterliegen der keit angesehen wird, wenn zwischen beiden Tätig- Besteuerung. keiten ein unmittelbarer Zusammenhang besteht.28 Es gilt eine Obergrenze von 3.000 € im Kalenderjahr. „Kombination von geringfügigem Beschäftigungs- verhältnis mit der Tätigkeit als Übungsleiter“ Der Freibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG ist ein Jahres- betrag. Er wird auch dann nur einmal gewährt, Die Kombination eines geringfügigen Beschäfti- wenn mehrere nebenberufliche Tätigkeiten, z. B. gungsverhältnisses (Mini-Job) mit der Übungsleiter- Tätigkeit für verschiedene gemeinnützige Orga- pauschale ist möglich, wenn nisationen, ausgeübt werden.29 das geringfügige Beschäftigungsverhältnis und Es empfiehlt sich daher in der Praxis, sich von der die nebenberufliche Übungsleitertätigkeit keine Übungsleiter*in schriftlich bestätigen zu lassen, einheitliche Tätigkeit darstellen, dass der Übungsleiterpauschbetrag des § 3 Nr. 26 EStG in Höhe von 3.000 € im laufenden Kalender- jahr, einschließlich der erhaltenen Zahlung noch BEISPIEL Eine Buchhalterin erledigt im Rahmen einer nicht überschritten wurde (vgl. Muster einer Erklä- abhängigen geringfügigen Beschäftigung (450-Euro-Job) rung im Anhang). die Buchhaltungsarbeiten für einen Kinder- und Jugend- hilfeverein. Zusätzlich ist sie nebenberuflich als Betreuerin im Verein tätig und erhält hierfür 250 € im Monat. Monatliche Vergütung 700 € ./.Freibetrag = 3.000 € : 12 Monate -250 € Vergütung nach Abzug Freibetrag 450 € 26 Vgl. Lohnsteuer-Richtlinien 2015 (LStRL 2015) R 3.26 Abs. 2 S. 2 ff. 27 SG Dortmund, 23.5.2016, 531 AL 966/ 13. 28 BFH 11.12.2017, VI B 75/ 17. 29 Lohnsteuer-Richtlinie 2015 (LStR 2015) R 3.26 Abs. 8 S. 2. 30 § 3 Nr. 26 Satz 2 EStG. 14
das geringfügige Beschäftigungsverhältnis und die Die Kombination eines geringfügigen Beschäftigungs- Übungsleitertätigkeit zwar als einheitliche Tätigkeit, verhältnisses mit der Übungsleiterpauschale ist infol- aber insgesamt nebenberuflich anzusehen sind. gedessen nicht möglich, wenn das geringfügige Beschäftigungsverhältnis und BEISPIEL Eine Hausfrau ist im Rahmen einer ab- die Übungsleitertätigkeit eine einheitliche haupt- berufliche Tätigkeit darstellen und der Zeitauf- hängigen Beschäftigung nebenberuflich als Betreue- wand insgesamt ein Drittel der Arbeitszeit eines rin in einem Kinder- und Jugendhilfeverein tätig. Sie Vollzeitbeschäftigten überschreitet. bezieht eine monatliche Vergütung von 700 € und arbeitet durchschnittlich ca. 13 Std. wöchentlich. Die Kombination aus Minijob und steuerfreier Übungsleiterpauschale (§ 3 Nr. 26 EStG) verstößt Monatliche Vergütung 700 € nicht gegen geltendes Recht. Dennoch weisen wir ./. Freibetrag = 3.000 € : 12 Monate - 250 € ausdrücklich darauf hin, dass prekäre Beschäfti- Vergütung nach Abzug Freibetrag 450 € gung vermieden werden muss und Ziel sein muss, Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen, die der So- zialversicherung unterliegen. Beachte: Der Freibetrag des § 3 Nr. 26 EStG ist nur zu gewähren, wenn es sich um eine nebenberufliche Beschäftigte im Rahmen eines Minijobs haben einen Tätigkeit handelt. Handelt es sich bei der geringfü- Anspruch auf mindestens den gesetzlichen Mindest- gigen Beschäftigung und der Tätigkeit nach § 3 Nr. lohn von 9,35 € (Stand 2020). 26 EStG z.B. um eine einheitliche Tätigkeit, darf der Zeitaufwand insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs be- tragen. Beträgt der Zeitaufwand mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs, wird die Tätigkeit hauptberuflich verrichtet und eine Steuerbegünstigung in Form des Übungsleiter-Frei- betrags ist nicht zu gewähren. Die Nebentätigkeit darf ferner keine Nebenpflicht aus dem (Haupt-) Ar- beitsverhältnis darstellen. Das bayerische Landesamt für Steuern rechnet auch gleichartige Tätigkeiten bei unterschiedlichen Arbeitgebern zusammen.31 31 BayLfSt 1.1.2018 – S 2121. 15
3. Ehrenamtspauschale gem. § 3 Nr. 26a EStG Nach § 3 Nr. 26a EStG sind steuerfrei: Der Freibetrag nach § 3 Nr. 26a EStG in Höhe von 840 € bildet die jährliche Obergrenze. Er kann nicht „…Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten in Anspruch genommen werden, wenn für die Ein- im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person nahmen aus derselben Tätigkeit eine Steuerbefrei- des öffentlichen Rechts (…) oder einer unter § 5 ung nach § 3 Nr. 26 EStG (Übungsleiterfreibetrag) Abs. 1 Nr. 9 KStG fallenden Einrichtung zur Förde- oder nach § 3 Nr. 12 EStG (Aufwandsentschädigung rung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher aus öffentlichen Kassen) oder nach § 3 Nr. 26b EStG Zwecke (§§ 52 bis 54 AO) bis zur Höhe von insge- (ehrenamtlich tätige Betreuer) gewährt wird, siehe samt 840 Euro im Jahr. hierzu Lohnsteuer-Änderungsrichtlinie 2021. Die Steuerbefreiung ist ausgeschlossen, wenn für Für verschiedene nebenberufliche Tätigkeiten die Einnahmen aus der Tätigkeit – ganz oder teil- können sowohl die Übungsleiterpauschale als weise – eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12 oder auch die Ehrenamtspauschale in Anspruch genom- 26 oder § 26b gewährt wird.“ men werden. Die Ehrenamtspauschale gemäß § 3 Nr. 26a EStG BEISPIEL Ein Rentner ist als Betreuer in einer wird unter folgenden Voraussetzungen gewährt: Behinderteneinrichtung tätig und erhält dafür die Übungsleiterpauschale in Höhe von 3.000 €. Außer- § 3 Nr. 26a EStG sieht im Gegensatz zu § 3 Nr. 26 dem ist er Vorstandsmitglied in einem Seniorenverein EStG keine Begrenzung auf bestimmte Tätigkei- und erhält für seine Vorstandstätigkeit die Ehrenamts- ten vor.32 Begünstigt sind z.B. die Tätigkeiten der pauschale in Höhe von 840 €. Vorstandsmitglieder (soweit die Satzung eine Ver- gütung des Vorstands vorsieht), der Bürokräfte, des Reinigungspersonals. Die gleichzeitige Inanspruchnahme von Übungsleiter- pauschale und Ehrenamtspauschale bei Tätigkeiten Die Tätigkeit wird im Auftrag oder Dienst einer Ein- für dieselbe Einrichtung ist nur unter den Vorausset- richtung zur Förderung eines gemeinnützigen, zungen möglich, dass es sich um unterschiedliche Tä- mildtätigen oder kirchlichen Zwecks im Rahmen tigkeiten handelt, die getrennt voneinander vergütet des ideellen Bereichs einschließlich der Zweckbe- werden, und klare (möglichst schriftliche) Vereinba- triebe erbracht. Tätigkeiten in einem steuerpflichti- rungen zu den jeweiligen Tätigkeiten bestehen, die gen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Einrich- auch eingehalten werden. tung und bei der Verwaltung des Vermögens sind nicht begünstigt. Gehören die Einnahmen des Steuerpflichtigen aus seiner nebenberuflichen Tätigkeit zu den sonstigen Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 26a EStG gilt nur für Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG, ist neben Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit. Die Tä- dem Freibetrag des § 3 Nr. 26a EStG die weitere tigkeit darf also nicht mehr als ein Drittel der Arbeits- Freigrenze des § 22 Nr. 3 EStG in Höhe von 256 € zeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs in Anspruch im Jahr zu berücksichtigen.34 nehmen.33 Es wird i.Ü. auf die vorstehenden Ausfüh- rungen zur Übungsleiterpauschale verwiesen. 32 Anwendungsschreiben des BMF v. 21.11.2014 - IV C4 - BStBl. 2014 I S. 1581. 33 Anwendungsschreiben des BMF v. 21.11.2014 - IV C4 - BStBl. 2014 I S. 1581. 34 Anwendungsschreiben des BMF v. 21.11.2014 – IV C 4 – BStBl. 2014 I S. 1581 16
5. Hinweise für die Praxis An Ehrenamtliche geleistete Aufwandsentschädi- gungen für Verdienstausfall oder für Zeitaufwand BEISPIEL Ein nebenberuflich tätiger Vereinskassie- (z.B. Vergütung für geleistete Arbeitsstunden) un- rer erhält für seine Tätigkeit insgesamt 900 € im Jahr. terliegen grundsätzlich der Einkommenssteuer. Jährliche Vergütung des Vereinskassierers 900 € ./. Freibetrag gem. § 3 Nr. 26a EStG - 840 € BEISPIEL Absetzbeträge für ALG II Bezieher*in- Vergütung nach Abzug des Freibetrags 60 € nen gem. § 11b SGB II (< 256 €) Ein Leistungsberechtigter (SGB II) ist im Verein gering- fügig beschäftigt (450 €/ Monat) und hält zusätzlich Nach Abzug der Ehrenamtspauschale des § 3 Nr. 26a EStG nebenberuflich Erst-Hilfe-Schulungen und erhält hierfür liegen die Einkünfte des Vereinskassierers unterhalb der 200 €/ Monat. Freigrenze des § 22 Nr. 3 EStG und sind damit steuerfrei. Gesamteinkommen 650 € ./. Freibetrag gem. § 11b Abs. 2 Satz 2 SGB II: -200 € ./. Freibetrag gem. § 11b Abs. 3 Nr. 1 (20 %) -110 € 4. Betreuerfreibetrag gem. § 3 Nr. 26b EstG Anzurechnendes Einkommen 340 € Für ehrenamtlich tätige rechtliche Betreuer*innen, Vor- Die Rückspende einer steuerfrei ausgezahlten münder sowie Verfahrenspfleger*innen gilt die Steu- Aufwandsentschädigung oder Vergütung an die erbefreiung nach § 3 Nr. 26b EStG bis zur Höhe von steuerbegünstigte Körperschaft ist grundsätzlich 3.000 Euro im Jahr. Aufgrund dieser Regelung sind möglich35. Für den Spendenabzug sind die Grund- Aufwandsentschädigungen im Sinne des § 1835a BGB sätze zur Anerkennung sog. Aufwandsspenden an steuerfrei, soweit sie zusammen mit den steuerfreien gemeinnützige Vereine zu beachten.36 Einnahmen im Sinne des § 3 Nr. 26 EStG (Übungsleiter- pauschale) den Freibetrag von höchstens 3.000 Euro Werden Vorstandsmitgliedern Tätigkeitsvergütun- im Jahr nicht überschreiten. gen, insbesondere im Rahmen der sog. Ehrenamts- pauschale gemäß § 3 Nr. 26a EStG gewährt, muss Der Betreuerfreibetrag kann nicht zusätzlich zum Eh- die Bezahlung des Vorstandes ausdrücklich in der renamtsfreibetrag beansprucht werden. Er kommt Satzung geregelt sein. § 27 Abs. 3 BGB lautet: „Die auch nur dann in Betracht, soweit nicht bereits der Mitglieder des Vorstands sind unentgeltlich tätig.“ Übungsleiterfreibetrag beansprucht wird. Eine ehren- Dieser kann aufgrund § 40 BGB abbedungen wer- amtlich tätige Person kann daher den Steuerfreibetrag den. Ein Verein, der die Bezahlung des Vorstandes in Höhe von 3.000 Euro entweder nur einmal für Tä- nicht ausdrücklich geregelt hat und gleichwohl Tä- tigkeiten als Übungsleiter*in oder als Betreuer*in be- tigkeitsvergütungen an Vorstandsmitglieder leis- kommen. tet, verstößt gegen das Gebot der Selbstlosigkeit i. S.d. § 55 AO und gefährdet damit seine Gemein- nützigkeit. Eine Vergütung ist auch dann anzuneh- men, wenn sie nach der Auszahlung an den Verein zurückgespendet oder durch Verzicht auf die Aus- zahlung eines entstandenen Vergütungsanspruchs an den Verein gespendet wird.37 35 Anwendungsschreiben des BMF v. 21.11.2014 – IV C 4 – BStBl. 2014 I S. 1581 36 Anwendungsschreiben des BMF v. 21.11.2014 – IV C 4 – BStBl. 2014 I S. 1581 37 Anwendungsschreiben des BMF v. 21.11.2014 – IV C 4 – BStBl. 2014 I S. 1581 17
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